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1 Grundlagen der Elektrotechnik Zusammenfassung Im ersten Abschnitt des Buches werden die allgemeinen Grundlagen der Elektrotech- nik behandelt, auf deren Erkenntnisse alle speziellen Fachgebiete wie z. B. die Mess- technik, Elektronik oder Antriebstechnik aufbauen. Sie stehen damit zwingend am Beginn jeder Ausbildung in elektronischen Fächern. Die Grundlagen der Elektrotechnik sind eine für Ingenieurwissenschaften geeignete Darstellung der klassischen Elektrizitätslehre der Physik, die sich aus den Erkenntnis- sen vor allem im 18. und 19. Jahrhundert gebildet hat. An diesem Werk haben eine Vielzahl von Wissenschaftlern ihren Anteil, denen wir in der Bezeichnung fast al- ler Einheiten der elektrotechnischen Grundgrößen begegnen. Beispielhaft seien hier nur die Physiker Andre-Marie Ampère (1775–1836), Georg Simon Ohm (1789–1854) und schließlich Alessandro Volta (1745–1827) genannt, deren Namen in den Einhei- ten des wichtigsten Grundgesetzes – des Ohmschen Gesetzes – miteinander verbunden sind [1]–[4]. 1.1 Gleichstrom 1.1.1 Elektrische Größen und Grundgesetze 1.1.1.1 Physikalische Grundlagen Elektrische Ladung. Alle elektrischen Erscheinungen haben als Grundlage die Wirkung elektrischer Ladungen, die in den Bausteinen der Atome ihren Sitz haben. Nach dem Bohr- schen Atommodell kann man sich die Atome der chemischen Grundstoffe oder Elemente 1 R. Fischer, H. Linse, Elektrotechnik für Maschinenbauer, DOI 10.1007/978-3-8348-8304-9_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

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Page 1: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1Grundlagen der Elektrotechnik

ZusammenfassungIm ersten Abschnitt des Buches werden die allgemeinen Grundlagen der Elektrotech-nik behandelt, auf deren Erkenntnisse alle speziellen Fachgebiete wie z. B. die Mess-technik, Elektronik oder Antriebstechnik aufbauen. Sie stehen damit zwingend amBeginn jeder Ausbildung in elektronischen Fächern.

Die Grundlagen der Elektrotechnik sind eine für Ingenieurwissenschaften geeigneteDarstellung der klassischen Elektrizitätslehre der Physik, die sich aus den Erkenntnis-sen vor allem im 18. und 19. Jahrhundert gebildet hat. An diesem Werk haben eineVielzahl von Wissenschaftlern ihren Anteil, denen wir in der Bezeichnung fast al-ler Einheiten der elektrotechnischen Grundgrößen begegnen. Beispielhaft seien hiernur die Physiker Andre-Marie Ampère (1775–1836), Georg Simon Ohm (1789–1854)und schließlich Alessandro Volta (1745–1827) genannt, deren Namen in den Einhei-ten des wichtigsten Grundgesetzes – des Ohmschen Gesetzes – miteinander verbundensind [1]–[4].

1.1 Gleichstrom

1.1.1 Elektrische Größen und Grundgesetze

1.1.1.1 Physikalische GrundlagenElektrische Ladung. Alle elektrischen Erscheinungen haben als Grundlage die Wirkungelektrischer Ladungen, die in den Bausteinen der Atome ihren Sitz haben. Nach dem Bohr-schen Atommodell kann man sich die Atome der chemischen Grundstoffe oder Elemente

1R. Fischer, H. Linse, Elektrotechnik für Maschinenbauer, DOI 10.1007/978-3-8348-8304-9_1,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

Page 2: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

2 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.1 Aufbau neutra-ler Atome (schematisch).a H-Atom (Hülle mit 1 Schaleund 1 Elektron) b Cu-Atom(Hülle mit 4 Schalen und2C8C18C1 D 29 Elektronen)

vereinfacht als aus einem Atomkern und einer diesen umgebenden Atomhülle aufgebautvorstellen. Bausteine der Materie genannt Elementarteilchen sind

• im Kern die Protonen als Träger der willkürlich positiv festgelegten, kleinstmöglichenelektrischen Ladung (positive Elementarladung e) und die unelektrischen Neutronen,

• in der Hülle die Elektronen als Träger der negativen, kleinstmöglichen elektrischenLadung (negative Elementarladung �e).

Das Formelzeichen der elektrischen Ladung ist Q, ihre Einheit ist 1 Coulomb (1 C),das ist die elektrische Ladung von 6;25 � 1018 Protonen. Somit beträgt

die Elementarladung des Protons QP D e D C0;16 � 10�18 C ;

die Elementarladung des Elektrons QE D �e D C0;16 � 10�18 C ; (1.1)

wobei die Formelzeichen e bzw. �e aus historischen Gründen auch heute noch verwendetwerden.

Für die Zusammensetzung aller Atome gilt vereinfacht

z Elementarteilchen D x Neutronen C y Protonen C y Elektronen

wobei x die Zahlenwerte 0 bis 146 und y die Werte 1 bis 92 haben können.Die Atome aller Grundstoffe sind elektrisch neutral (unelektrisch), da sich die Wirkung

der y positiven und y negativen Elementarladungen nach außen aufheben, damit gilt alsoauch rechnerisch für neutrale Atome

PQ D 0.

Im Atomkern sind die Neutronen und Protonen fest aneinander gebunden. In der Hüllebewegen sich die Elektronen auf bis zu 7 verschiedenen, für jede Atomart charakteristi-schen Bahnen (Schalen) mit großer Geschwindigkeit um den Atomkern (Abb. 1.1). DerZusammenhalt des Atoms ist gewährleistet, weil durch die ungleichnamigen Ladungendes Kerns und der Elektronen anziehende Kräfte auftreten, die mit den durch die Bewe-gung der Elektronen hervorgerufenen Zentrifugalkräften im Gleichgewicht stehen.

Page 3: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 3

Beispiel 1.1

Zusammensetzung der neutralen Atome von Elementen

Wasserstoff H 0 Neutronen C 1 Proton C 1 Elektron (s. Abb. 1.1a)Aluminium Al 14 Neutronen C 13 Protonen C 13 ElektronenKupfer Cu 34 Neutronen C 29 Protonen C 29 Elektronen (s. Abb. 1.1b)

Leiter, Nichtleiter, Halbleiter. Die elektrische Strömung in den Stromkreisen vollziehtsich vorwiegend in festen Leitern (z. B. Kupfer, Aluminium), als Isolierstoffe dienen da-gegen Nichtleiter (z. B. Gummi, Papier, Porzellan).

Leiter haben einen kristallinen Aufbau, gekennzeichnet durch regelmäßige Anordnungder Bausteine im sogenannten Kristallgitter. Diese Bausteine sind aber keine vollständi-gen neutralen Atome, sondern positiv geladene Atomreste, die man positive Ionen nennt.Diese entstehen dadurch, dass sich aus der äußersten Schale jeder Atomhülle je ein Elek-tron vom Kern lostrennt. Die so entstandenen freien Elektronen oder Leitungselektronenbefinden sich zwischen den Ionen in völlig regelloser Bewegung, deren Geschwindigkeitvon der Temperatur des Leiters abhängt. Man spricht daher vom Elektronengas im Kris-tallgitter. Im unelektrischen Zustand sind also in metallischen Leitern als Ladungsträgerfest angeordnete, positiv geladene Ionen und ebenso viele frei bewegliche Elektronen –ungefähr 1023=cm3 – bereits vorhanden, sie werden also nicht etwa „erzeugt“.

Nichtleiter gibt es nicht in idealer Form. Sie sind fast vollständig aus neutralen Ato-men aufgebaut und haben daher vergleichsweise wenig freie Elektronen. Mit steigenderTemperatur werden immer mehr Atome ionisiert und damit Elektronen freigemacht, sodass die Dichte des Elektronengases ansteigt. Bei Halbleitern, die zu großer technischerBedeutung gelangt sind, ist diese Erscheinung besonders ausgeprägt. Sie sind bei völ-lig regelmäßigem, nicht durch Verunreinigungen gestörtem Aufbau ihres Kristallgitters inder Nähe des absoluten Nullpunktes der Temperatur fast ideale Nichtleiter. Mit steigen-der Temperatur wird die Zahl der freien Leitungselektronen größer, so dass sie sich dannimmer mehr wie die Leiter verhalten.

Elektrisch geladene Körper. Im unelektrischen Zustand ist die Gesamtladung des Kör-pers Q D 0. Elektrisch geladen wird ein Körper (Leiter, Nichtleiter, Halbleiter), wennihm entweder Elektronen entzogen oder zugeführt werden. Im ersten Fall wird er posi-tiv (Q > 0), im zweiten Fall negativ (Q < 0) geladen. Der elektrisch geladene Körperhat demnach entweder zu wenig oder zu viel freie Elektronen, während sein positiverLadungsanteil (Protonen) an die Atomkerne gebunden ist und unveränderlich bleibt.

Beispiel 1.2

Ein Körper mit der Ladung Q D 6 C hat einen Überschuss von 6 � 6;25 � 1018 D 37;5 �1018 positiven Elementarladungen, also einen Mangel von 37;5 � 1018 Elektronen. EinKörper mit der Ladung Q D �2 C hat einen Überschuss von 2�6;25�1018 D 12;5�1018

Elektronen.

Page 4: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

4 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.2 Elektrisches Feldzweier geladener Platten.Kraftwirkung auf positive undnegative Ladungen

Aufgabe 1.1

Wie viele z Elektronen treten nach Gl. 1.4 pro Mikrosekunde (�s) bei einem Stromvon I D 1 mA durch den Leiterquerschnitt?

Ergebnis: z D 6;25 � 109

Elektrisches Feld. Elektrische Ladungen verleihen dem sie umgebenen Raum Eigen-schaften, die man als Wirkung eines elektrischen Feldes beschreibt. Es wird durch seineFeldstärke mit dem Vektor EE gekennzeichnet und ist dadurch erkennbar, dass es auf an-dere Ladungen in seinem Bereich eine Kraft nach

EF D Q EE mit dem Betrag F D QE (1.2)

ausübt. Die Richtung von EE stimmt mit der Richtung der Kraft auf eine positive Ladungüberein. Dargestellt wird das elektrische Feld durch Feldlinien, die von der sie verursa-chenden positiven Ladung CQ0 zur Ladung �Q0 reichen und die mit ihrem Pfeil stetsdie Richtung von EE angeben.

In Abb. 1.2 sind zwei parallele Metallplatten mit einer Batterie der Spannung U soverbunden, dass die obere Platte die Ladung CQ0 erhält. Die Feldlinien laufen dann senk-recht nach unten und zeigen mit ihrem parallelen, konstanten Abstand an, dass das Feldinnerhalb der Platten – die Randzonen werden nicht betrachtet – homogen, d. h. nach Be-trag und Richtung an jeder Stelle gleich ist.

Bringt man in das elektrische Feld positive und negative Ladungen Q ein, so entste-hen die mit Gl. 1.2 beschriebenen Kräfte. Auf die positive Ladung wirkt demnach eineKraft EF in Richtung von EE also zur Minusplatte, auf die negative dagegen in Richtungzur Plusplatte. Hieraus folgt die Aussage: Ungleiche Ladungen ziehen sich an, gleichna-mige stoßen sich ab.

Anwendungen. Die Wirkung elektrischer Felder wird in der Technik vielfach genutzt.Als Beispiele seien genannt:

Page 5: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 5

Die Entstaubung der Rauchgase im Kohlekraftwerk erfolgt durch ein Elektrofilter ausPlattenpaaren, zwischen denen eine Spannung bis 100 kV angelegt wird. Die an der draht-artigen Minusplatte negativ aufgeladenen Staubteilchen scheiden sich an der Plusplatte abund werden dort von Zeit zu Zeit abgeklopft.

An der Spitze der Fangstange einer Blitzschutzanlage erzeugt eine nahe Gewitterwolkeso hohe Feldstärken, dass die Luft dort ionisiert wird und der ankommende Blitz dieseStelle als Einschlagpunkt wählt.

Bei der Tauchlackierung von Autokarosserien werden diese negativ gepolt. Die ver-wendeten Lackpartikel im Wasserbad erhalten eine positive Ladung und scheiden sich alsgleichmäßige bis ca. 30 �m dicke Schicht auch an Hohlräumen ab.

Elektrische Spannung. Allgemein errechnet sich die elektrische Spannung U12 zwi-schen den Punkten 1 und 2 eines elektrischen Feldes durch das Linienintegral der elektri-schen Feldstärke

U12 D2Z

1

EE d El : (1.3a)

Das Formelzeichen der elektrischen Spannung ist U , ihre Einheit 1 Volt (1 V), somit folgt1 V=m für die SI-Einheit der elektrischen Feldstärke E. Im Falle eines homogenen Feldes(Abb. 1.2) vereinfacht sich die Berechnung der Spannung U zwischen der Plus-Platte (1)und der Minus-Platte (2) auf das Produkt der konstanten Feldstärke E und der Länge l derFeldlinie zwischen den Platten zu

U D El : (1.3b)

Im Schaltplan wird die Spannung U (Abb. 1.2) durch einen Spannungspfeil (Einfachpfeil,kein Maßpfeil), entsprechend Gl. 1.3a von 1 nach 2 gerichtet, dargestellt und nach Gl. 1.3bmit positivem Betrag berechnet. Bei umgekehrter Pfeilrichtung von 2 nach 1 würde sichnach Gl. 1.3a U21 D �U12 D �U , also ein negativer Betrag ergeben.

Beispiel 1.3

Die Spannung U zwischen den Platten in Abb. 1.2 beträgt 6 V, ihr Abstand 0,5 cm.Nach Gl. 1.3b ist dann die elektrische Feldstärke und nach Gl. 1.2 die Kraft auf einElektron

E D U

lD 6 V

0;5 cmD 1200 V=m

F D jQ � Ej D 0;16 � 10�18 As � 1200 V=m D 192 � 10�18 N :

Elektrischer Strom in festen Leitern. Unter einem elektrischen Strom versteht man diegerichtete Bewegung von Ladungsträgern. Sie kommt in festen Körpern, Flüssigkeiten

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6 1 Grundlagen der Elektrotechnik

und Gasen zustande, wenn in diesen frei bewegliche Ladungsträger vorhanden sind, aufdie nach Gl. 1.2 die Kräfte eines elektrischen Feldes wirken.

Wie oben bereits ausgeführt, sind in festen leitenden Körpern im unelektrischen Zu-stand ortsfeste Atomrümpfe und frei bewegliche Elektronen vorhanden. Ist nun z. B. ineinem Kupferdraht als Teil eines elektrischen Stromkreises ein elektrisches Feld mit derFeldstärke EE (Abb. 1.3a) vorhanden, dann wirken nach Gl. 1.2 auf die freien ElektronenKräfte. Dadurch wird eine gerichtete Bewegung hervorgerufen, die sich der unregelmä-ßigen Wärmebewegung überlagert. Die Elektronen bewegen sich längs der elektrischenFeldlinien in axialer Richtung von 2 nach 1, entgegen der Feldstärke EE. Bei einem elektri-schen Strom in festen Körpern handelt es sich also immer um eine reine Elektronenleitung,d. h. um den Transport negativer Elementarladungen.

Elektrische Stromstärke. Als Stromstärke oder verkürzt als „Strom“ mit dem Formel-zeichen I bezeichnet man die infolge der Feldstärke EE in der Zeiteinheit t durch einenLeiterquerschnitt tretende Ladung Q. Es gilt damit die Beziehung

I D Q=t : (1.4)

Die Einheit der Stromstärke ist 1 Ampere (1 A) mit der Einheitengleichung 1 A D 1 C=s.Nach Abb. 1.3a entstehen, je nachdem ob es sich um negative oder positive Ladungs-

träger handelt, zwei Bewegungsrichtungen. Um für die Berechnungen einen einheitlichenBezug zu erhalten, wird nach DIN 5489 ein Strom von 1 nach 2 dann als positiv gezählt,wenn sich positive Ladungsträger von 1 nach 2 bewegen. Man bezeichnet diese Festlegungals den konventionellen Richtungssinn eines Stromes. In Metallen bewegen sich damit dieElektronen wegen ihrer negativen Elementarladung gerade entgegengesetzt zur vereinbar-ten positiven Stromrichtung. Da die Spannung nach Gl. 1.3 in Richtung der Feldstärke zuzählen ist, erhalten nach Abb. 1.3b Strom- und Spannungspfeil an einem Verbraucher R

den gleichen Richtungssinn.

Aufgabe 1.2

Mit welcher Stromstärke I wird ein Akkumulator mit der Ladung Q D 10 mAhvollständig in der Zeit t D 6 min gleichmäßig entladen?

Ergebnis: I D 0;1 A

Aufgabe 1.3

Zwischen zwei anliegenden lackisolierten Drähten besteht infolge einer Über-spannung die Spannungsdifferenz U D 600 V. Wie stark muss der einseitige

Page 7: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 7

Lackauftrag s sein, damit die zulässige Feldstärke den Wert E D 30 kV=cm nichtüberschreitet?

Ergebnis: s D 0;1 mm

Nachstehende Angaben sollen eine Vorstellung von der Stromstärke in Geräten undAnlagen geben:

• 10�12 A – Ansteuerstrom eines Feldeffekttransistors• 10�6 A – Kontaktstrom einer Sensortaste• 10�3 A – Reizschwelle beim Menschen• 10 A – Heizlüfter mit 2,3 kW Leistung• 10C3 A – Drehstromgenerator für 10 kV, 17 MVA• 10C5 A – Blitzstromspitze, Alu-Schmelze .

Elektronengeschwindigkeit. Im Unterschied zum praktisch gleichzeitigen „Startbefehl“für alle Elektronen eines Stromkreises durch Anlegen der Spannung bewegen sich die La-dungsträger selbst sehr langsam. Das Leiterstück aus Kupfer in Abb. 1.3c hat das VolumenV D lA in dem etwa z D 1023 Elektronen pro Kubikzentimeter jeweils mit der Einheits-ladung jqj D e vorhanden sind. Auch die an der linken Begrenzung x D 0 befindlichenLadungen mögen in der Zeit t die Stelle x passieren. Die hier durchtretende Gesamtla-dung ist damit Q D zqlA und gleichzeitig gilt nach Gl. 1.4 Q D I t . Mit der in Gl. 1.14definierten Stromdichte J D I=A ergibt dies die Zuordnung zqlA D I t .

Mit v D l=t errechnet sich daraus die Wandergeschwindigkeit der Elektronen zu

v D J

z � q:

Bei einer Stromdichte von 4 A=mm2 erhält man den Wert v D 0;25 mm=s. Die Elektroneneiner Autobatterie brauchen also Stunden bis sie den meterlangen Kabelbaum durchlaufenhaben.

Abb. 1.3 a Leiterstück mit elektrischem Feld E und beweglichen positiven ˚ und negativen �Ladungen, b konventioneller Richtungssinn für Strom I und Spannung U , c zur Wandergeschwin-digkeit der Elektronen

Page 8: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

8 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Elektrischer Strom in Flüssigkeiten. Während in drahtgebundenen Stromkreisen aus-schließlich Elektronen für den Transport elektrischer Ladungen verantwortlich sind, ge-schieht dies in leitenden Flüssigkeiten (Elektrolyten) durch Atome oder Moleküle (Ionen)mit positiver oder negativer Ladung. Diese entstehen durch Lösen von Salzen in der Regelin Wasser, worin diese wie z. B. bei Kupferchlorid mit CuCl2 ! Cu2C C 2 Cl� zerfal-len (Dissoziation). Legt man über zwei Elektroden eine Gleichspannung an die wässrigeLösung, so fließt im äußeren Stromkreis zwar ein Elektronenstrom, im Elektrolyten wan-dern aber positive Ionen (Kationen) zur Elektrode mit dem negativen Spannungspotenzial(Kathode) und negative Anionen zur positiven Elektrode (Anode).

Diese Erscheinung wird in der Galvanotechnik vielfach zur Veredlung einer Metall-oberfläche durch Verzinken, Verkupfern, Versilbern usw. genutzt, indem man das ent-sprechende Werkstück als Kathode in einen geeigneten Elektrolyten eintaucht. Steht dieGewinnung eines Rohstoffes wie z. B. Aluminium im Vordergrund, das in Schmelzöfenbei Strömen im kA-Bereich aus Bauxit (vorrangig Al2O3/ gewonnen wird, spricht manvon Elektrolyse. Diese kann auch z. B. für eine indirekte Speicherung von überschüssigerWindstromenergie in Form von Wasser- und Sauerstoff aus der Elektrolyse von Wassereingesetzt werden. Beide Gase stehen dann bei Bedarf für eine schadstofffreie Verbren-nung zur Verfügung.

Elektrische Arbeit und Leistung. Wirkt längs der Wegstrecke l die konstante Kraft F ,so wird nach den Gesetzen der Mechanik die Arbeit W D F l geleistet. Überträgt mandiese Beziehung auf das Leiterstück in Abb. 1.3a, so ergibt sich zunächst aus den Gl. 1.2 –1.4 für die Kraft die Beziehung

F D QE D .I t/ � .U=l/ :

Die Feldkräfte leisten damit in der Zeit t die elektrische Arbeit W nach

W D UI t : (1.5)

Für die Einheit der elektrischen Arbeit erhält man 1 V � 1 A � 1 s D 1 Ws (Wattsekunde) D1 J (Joule). Da dieser Wert sehr klein ist, verwendet die Praxis z. B. für Abrechnungen dieEinheit 1 kWh D 103 W � 3600 s D 3;6 � 106 J.

Für die elektrische Leistung P als Arbeit pro Zeit (Einheit 1 W (Watt)) erhält man nachGl. 1.5

P D UI : (1.6)

Ohmsches Gesetz. Legt man an einen metallischen Leiter eine Spannung U an und misstdie danach auftretende Stromstärke I so erhält man bei konstanter Temperatur eine strengeProportionalität zwischen den beiden Größen. Sie wird mit

R D U

Iumgestellt U D IR oder I D U

R(1.7)

Page 9: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 9

Abb. 1.4 Aufbau einesStromkreises mit Quelle Uq

Leitungswiderständen RH undRR und VerbraucherwiderstandRv Schalter S

als elektrischer Widerstand R bezeichnet und die Gleichung nach seinem EntdeckerSimon Ohm als Ohmsches Gesetz bezeichnet.

Die Einheit des elektrischen Widerstandes ist nach Gl. 1.7 1 V=1 A = 1 Ohm (�).Widerstände sind in Leitungen und Wicklungen unerwünschter Bestandteil, in der Heiz-technik (Kochplatte, Heizlüfter, Glühlampe) dagegen für die Funktion erforderlich.

In Schaltplänen wird der elektrische Widerstand R eines Leiters durch ein Schaltzei-chen nach Abb. 1.3b normgerecht dargestellt.

1.1.1.2 Elektrischer StromkreisEin elektrischer Stromkreis besteht grundsätzlich aus der geschlossenen Anordnung inAbb. 1.4 mit den Elementen Spannungsquelle – Schalter – Hinleitung – Verbraucher –Rückleitung.

Mit Schließen des Schalters setzen sich alle Elektronen mit der berechneten geringenGeschwindigkeit in Richtung Pluspol der Quelle in Bewegung.

Der Strompfeil I ist in Abb. 1.4 im sogenannten konventionellen Richtungssinn (tech-nische Stromrichtung) eingetragen, also entgegen der Bewegung der Elektronen. Ein po-sitiver Strom fließt demnach vom Pluspol der Quelle in Richtung und durch den Verbrau-cher, innerhalb der Quelle aber vom Minus- zum Pluspol. Für den Betrag des Stromes giltdas Ohmsche Gesetz, wobei für den Widerstand R die Summe aller Teilwerte zu setzenist.

Wirkungen des elektrischen Stromes. Ströme können von unseren Sinnen nicht direktwahrgenommen werden, sie sind nur an ihren physikalischen Auswirkungen zu erkennen:

1. Magnetismus und Kräfte. Elektrische Ströme erzeugen in ihrer Umgebung – ver-stärkt in eisenhaltigen Stoffen – Magnetfelder und bilden mit diesen Kräfte aus. Diesist die Basis aller Elektromotoren, Elektrokupplungen und -bremsen und weiterer Ge-räte.

2. Wärmeentwicklung. In ohmschen Widerständen wird die elektrische Energie W DUI t in Wärme umgesetzt. Diese wird vielfältig in Kochplatten, Heizgeräten, Glühlam-pen, usw. technisch ausgenutzt.

3. Elektrochemie. Elektrische Energie lässt sich in Akkumulatoren oder durch Elektro-lyse z. B. von Wasser in Form chemischer Energie speichern.

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10 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Tab. 1.5 Wirkungsgrade in % nach � D .Pab=Pzu/ 100 % für Geräte und Anlagen

Gerät ca. Wirkungsgrade in %

Glühlampe 3–5

Fotovoltaikanlage 10–13

Leuchtstofflampe 15

Kohlekraftwerk 45

Industrieantrieb > 1 kW 70–95

Kraftwerksgenerator > 100 MVA 98

Gleichrichter 98

Großtransformator 99,5

4. Reizstromtherapie. Zur Behandlung von Muskel- und Gelenkerkrankungen werdeneine Vielzahl von Therapien mit Körperströmen eingesetzt.

In allen Fällen erfolgt in den beteiligten Geräten eine Energieumwandlung wie z. B. beiMotoren von elektrischer Energie aus dem Stromnetz in mechanische Energie an der Wel-le.

Wirkungsgrad. Alle Energieumwandlungen in der Technik laufen im gewünschten Sin-ne nicht verlustfrei. So entsteht z. B. in den Bauteilen Elektroblech und Wicklungen einesMotors Wärme, deren Energieanteil nicht mehr an der Welle zur Verfügung steht. Mankennzeichnet das Verhältnis von nutzbarer abgegebener Energie Wab zum aufgenomme-nen Wert Wzu als den Wirkungsgrad des Gerätes und gibt den Wert

� D .Wab=Wzu/100 %

in der Regel mit einem Prozentwert an.Erfolgt die Energiezufuhr und -abgabe in derselben Zeitspanne t , dann gilt nach P D

W=t auch für den Wirkungsgrad der entsprechenden Leistungen

� D .Pab=Pzu/100 % : (1.8)

In der Energietechnik hat der Wirkungsgrad eine große wirtschaftliche und umweltpoliti-sche Bedeutung (CO2-Ausstoß der Kraftwerke). So wird ständig daran gearbeitet, die inTab. 1.5 aufgeführten Richtwerte zu verbessern.

Der geringe Wirkungsgrad der klassischen Glühlampe im Vergleich zu Kompakt-leuchtstofflampe (Energiesparlampe) oder gar zur Leuchtdiode (LED) ist der Grund fürdas langfristige Verkaufsverbot von Glühlampen, das derzeit alle Leistungen über 60 Wbetrifft. Trotz des deutlich höheren Preises ist der Einsatz von Energiesparlampen lang-fristig im Haushalt auch finanziell vorteilhaft. In der Summe über alle Anwender kann beiweitgehendem Einsatz eine Kraftwerksleistung von über 1000 MW eingespart werden.

Page 11: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 11

1.1.1.3 Elektrischer WiderstandDie den elektrischen Strom bildenden freien Elektronen eines Leiters erfahren durch dieWärmebewegungen der Atome im Kristallgitter eine Hemmung in ihrer Bewegung, wasbei gegebener Spannung eine Begrenzung der Stromstärke bewirkt. Diese Erscheinungdrückt das Ohmsche Gesetz durch den Quotienten Widerstand mit R D U=I aus und ord-net diese Begrenzung damit einem materialtypischen Wert, dem ohmschen Widerstand,zu.

Widerstandsformel. Der elektrische Widerstand R für drahtförmige Leiter mit Län-ge l und Querschnitt A, wie sie bei elektrischen Leitungen, Wicklungen in Generatorenund Motoren, Heizspulen in Elektrowärmegeräten, Magnetspulen usw. immer verwendetwerden, lässt sich mit dem spezifischen elektrischen Widerstand % nach der Widerstands-formel errechnen

R D %l

A(1.9)

Die sich hieraus ergebende SI-Einheit für % ist 1 � m2=m D 1 � m. Zweckmäßig undin der Praxis üblich ist, dass man die Leiterlänge l in Meter (m) und den Leiterquer-schnitt A in mm2 einsetzt, so dass sich der spezifische Widerstand des Leiters % D RA=l

in � mm2=m nach Tab. 1.6 ergibt.

Elektrischer Leitwert und elektrische Leitfähigkeit. Anstelle von R und % kann manauch die reziproken Größen verwenden. Definiert sind der elektrische Leitwert

G D 1

R(1.10)

mit der Einheit 1=� D 1 S (Siemens) und die spezifische elektrische Leitfähigkeit

� D 1

%(1.11)

mit der reziproken Einheit von %.

Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands. Der spezifische Widerstand %

hängt allgemein vom Leiterwerkstoff und von der Leitertemperatur # ab. Bei Metallen undden meisten Legierungen nimmt % mit der Leitertemperatur zu. Allgemein gilt somit fürden Widerstand R# eines drahtförmigen Leiters bei der Leitertemperatur # nach Gl. 1.9

R# D %#

1

A:

Innerhalb des praktisch ausnutzbaren Temperaturbereichs kann man für die meisten Lei-terwerkstoffe den Wert %# bei der Leitertemperatur # (Celsiustemperatur) genügend ge-nau nach der linearen Beziehung

%# D %20.1 C ˛20�#20/

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12 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Tab. 1.6 Stoffkonstanten zur Berechnung des elektrischen Widerstands von Bauteilen aus Metallenund Legierungen

Metalle %20

� mm2=mg20

S m=mm2

a20

1=KLegierungen %20

� mm2=mg20

S m=mm2

a20

1=K

Silber 0,016 62,5 0,0038 Aldrey 0,033 30 0,0036

Kupfer 0,01786 56 0,00392 Bronze 0,036 28 0,0040

Aluminium 0,02857 35 0,0038 Messing 0,08 12,5 0,0015

Wolfram 0,055 18 0,0041 Stahldraht 0,13 7,7 0,005

Zink 0,063 16 0,0037 Neusilber 0,30 3,33 0,00035

Nickel 0,10 10 0,0048 Nickelin 0,43 2,3 0,0002

Zinn 0,11 9 0,0042 Manganin 0,43 2,3 0,00001

Eisendraht 0,12 8,3 0,0052 Konstanten 0,50 2 0,00001

Platin 0,13 7,7 0,0025 Nickel-Chrom

1,1 0,91 0,0002

Hinweis. Nach DIN 1304 werden Temperaturen mit der Einheit Grad Celsius (ıC), Temperatur-

unterschiede dagegen in Kelvin (K) angegeben. Ein auf #k D 40 ıC erwärmter Körper hat somit

gegenüber 20 ıC eine Temperaturdifferenz von 20 K.

ermitteln. Die Werte %20 bei 20 ıC und die Temperaturkoeffizienten, auch Temperatur-beiwerte genannt, ˛20 bei 20 ıC der Leitermaterialien sind in Tab. 1.6 angegeben. �#20

ist der Temperaturunterschied gegen 20 ıC, somit �#20 D # � 20 ıC. Setzt man %# ausobiger Gleichung ein, so ist

R# D %20

l

A.1 C ˛20�#20/ :

Da der Widerstand bei 20 ıC

R20 D %20

l

A

ist, wirdR# D R20.1 C ˛20�#20/ : (1.12a)

In der Praxis wird die Erwärmung von Wicklungen in Transformatoren oder elektri-schen Maschinen durch die Erhöhung ihres ohmschen Widerstandes ausgehend von einemWert Rk im kalten Zustand mit der Temperatur #k bestimmt. Gleichung 1.12a hat für die-se Anwendung den Nachteil, dass dort der Bezugswert #k D 20 ıC ist, was in der Regelnicht der Fall ist.

Page 13: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 13

Abb. 1.7 Abhängigkeit desohmschen Widerstandes vonder Temperatur #

Abb. 1.8 Schaltzeichen für Widerstände. a allgemein, b veränderlicher Widerstand, c Potenzio-meter

Die Bestimmungen in VDE 0530 verwenden daher für die Zuordnung von Widerstandund Temperatur die in Abb. 1.7 angegebene lineare Beziehung nach der Gleichung

Rw D Rk#0 C #w

#0 C #koder #w D Rw

Rk.#0 C #k/ � #0 : (1.12b)

Die Gerade ist auf einen fiktiven Wert #0 verlängert, der für Kupfer den Betrag 235 ıC undfür Aluminium 225 ıC hat. Für #k D 20ı C erhält man denselben Wert wie nach Gl. 1.12a.

Zur Bestimmung der warmen Wicklungstemperatur #w einer Maschine werden vorder Belastung die kalten Daten Rk und #k festgestellt und nach Erreichen der Enderwär-mung – evtl. erst nach einigen Stunden – der warme Wert Rw gemessen.

Schaltzeichen für Widerstände. Elektrische Widerstände als Bauteile werden in Schalt-plänen durch Schaltzeichen nach DIN EN 60617-4 dargestellt. Abbildung 1.8 zeigt dreiAusführungen.

Beispiel 1.4

Zur Herstellung der Erregerwicklung einer elektrischen Maschine sind 2850 m Kup-ferdraht von 1,2 mm Durchmesser erforderlich.

a) Man berechne den Widerstand der Wicklung bei 20 ıC.Nach Gl. 1.9 ergibt sich mit %20 D 0;01786 � mm2=m (Tab. 1.6) und A D�d 2=4 D � � 1;22 mm2=4 D 1;13 mm2

R20 D 0;01786� mm2

m� 2850 m

1;13 mm2D 45 � :

Page 14: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

14 1 Grundlagen der Elektrotechnik

b) Wie groß ist der Widerstand der Wicklung bei 75 ıC, wie groß bei 5 ıC?Nach Gl. 1.12a ist mit a20 D 0;00392=K (Tab. 1.6)

bei 75 ıC R75 D 45 � 1 C 0;00392

K� .75 � 20/ K D 45 �.1 C 0;00392 � 55/

D 54;7 �

bei 5 ıC R5 D 45 � 1 C 0;00392

K� .5 � 20/ K D 45 �.1 � 0;00392 � 15/

D 42;4 � :

Beispiel 1.5

a) Bei welcher Temperatur #w verdoppelt sich der Widerstand einer Kupferwicklunggegenüber der Anfangstemperatur #k?Nach Gl. 1.12b entsteht mit Rw D 2Rk die Gleichung

2.#0 C #k/ D #w C #0

Damit gilt allgemein #w D #0 C 2#k .Bei #k D 20 ıC ergibt dies #w D 235 ıC C 2 � 20 ıC D 275 ıC.Dasselbe Ergebnis erhält man mit Gl. 1.12a und ˛20 D 0;00392=K aus

1 C ˛20�#20 D 2

�#20 D 1=0;00392 K D 255 K

#w D �#20 C 20 ıC D 255 K C 20 ıC D 275 ıC :

b) Die Wicklung des Motors für einen Skilift hat im Winter den kalten WiderstandRk D 1;8 �. An einem Sommertag wird der warme Wert Rw D 2;8 � gemessenund über ein eingebautes Thermoelement die Wicklungstemperatur #w D 115 ıCbestimmt.Welche Temperatur #k hatte die Kupferwicklung im Winter?Gleichung 1.12b wird auf die kalte Temperatur umgestellt und ergibt

#k D Rk

Rw.#0 C #w/ � #0

#k D 1;8 � �

2;8 � �.235 C 115/ ıC � 235 ıC D �10 ıC :

Stromwärme. Die in ohmschen Widerständen umgesetzte Energie wird grundsätzlichin Wärme gewandelt. In Heizgeräten wie Öfen, Kochplatten usw. ist dies erwünscht,während es in den Leitern von Maschinen, Transformatoren oder Kabeln unerwünschteVerluste bedeutet.

Page 15: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 15

Für die in einem Widerstand umgesetzte Leistung verwendet man gerne nachstehende,spezielle Beziehungen. Kombiniert man die Gleichung P D UI mit dem OhmschenGesetz nach Gl. 1.7, so erhält man wahlweise

P D I 2R (1.13a)

oderP D U 2=R (1.13b)

Die Leistung steigt demnach in einem konstanten Widerstand R quadratisch mit demStrom I bzw. mit der Spannung U an.

Beispiel 1.6

Es sind Strom I und Widerstand R einer Glühlampe mit den Daten 60 W, 230 V zubestimmen.

Nach Gl. 1.6 ist I D P=U D 60 W=230 V D 0;261 A und nach Gl. 1.7 folgt R DU=I D 230 V=0;261 A D 882 �. Dasselbe Ergebnis erhält man über Gl. 1.13b mitR D U 2=P D .230 V/2=60 W D 882 �.

Stromdichte und elektrische Feldstärke. Fließt ein elektrischer Strom I durch einenLeiter mit dem Querschnitt A, so ist die im Draht vorhandene Stromdichte

J D I

A(1.14)

mit der SI-Einheit 1 A=m2.Fließt Gleichstrom durch drahtförmige Leiter wie Wicklungen, Freileitungsdrähte, Ka-

beladern, dann bewegen sich nach Abb. 1.3 die Elektronen entgegengesetzt zu den elek-trischen Feldlinien, gleichmäßig verteilt im gesamten Leiterquerschnitt.

Zwischen der Stromdichte J und der elektrischen Feldstärke E besteht an jedem Punkteines Leiters ein einfacher Zusammenhang. Mit Gl. 1.9 und 1.14 lautet das OhmscheGesetz nämlich auch

U D I � R D J � A% � l

AD % � J � l :

Andererseits gilt nach Gl. 1.3 U D El , so dass aus beiden Gleichungen auch das OhmscheGesetz in allgemeiner Form folgt:

E D %J (1.15)

Page 16: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

16 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Beispiel 1.7

Für eine Beleuchtung stehen zur Auswahl:

Eine Glühlampe mit P D 25 W, Preis 0,6AC, Lebensdauer 1000 hEine Energiesparlampe gleicher Lichtstärke mit P D 5 W, Preis 6AC, Lebensdauer8000 h

Bei einem Energiepreis von 0,2AC=kWh ist die Kostenbilanz K zum Ende von 8000Betriebsstunden aufzustellen.

Glühlampe: WG D P t D 25 W � 8000 h D 200 kWh nach Gl. 1.5 und 1.6

KG D 200 kWh � 0;2AC=kWh C 8 � 0;6AC D 44;2AC

Sparlampe: WE D 5 W � 8000 h D 40 kWh

KE D 40 kWh � 0;2AC=kWh C 1 � 6AC D 14AC

Ersparnis: �K D KG � KE D 30;2AC

Aufgabe 1.4

Ein Steinkohlekraftwerk mit �1 D 41 % arbeitet hochgerechnet pro Jahr t D4500 Stunden mit seiner Leistung PN D 500 MW. Nach einer Revision mit neuar-tigen Schaufelprofilen für die Dampfturbine und weiteren Verbesserungen beträgtder neue Wirkungsgrad �2 D 42 %.

Es sind die erreichte Verlustminderung �P und die jährlich eingesparten Kosten K

auf der Basis von 0,1AC pro kWh zu bestimmen.

Ergebnis: �P D 29 MW, K D 13,05 Mio.AC

Aufgabe 1.5

Auf ein Keramikrohr mit dem Durchmesser D D 47 mm und der Länge lR D240 mm liegen Runddrähte mit d D 2 mm und einseitigem Isolierauftrag von0,5 mm dicht an dicht. Welcher Widerstand wird bei % D 0;5 � mm2=m erreicht?

Ergebnis: R D 2 �

Page 17: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 17

Aufgabe 1.6

Für die Überprüfung der Motorerwärmung wird bei 15 ıC anstelle des richtigenkalten Wicklungswiderstandes Rk D 1;2 � ein falscher Wert mit 1,15 � festge-stellt. Bei Enderwärmung wird Rw D 1;6 � gemessen. Um wie viel Kelvin wirddie Übertemperatur zu hoch bestimmt?

Ergebnis: 14,5 K

Aufgabe 1.7

Eine Glühlampe für U D 110 V, P D 220 W soll Indizes nicht einheitlich. Bit-te prüfen. ohne Änderung ihrer Leistung über einen Vorwiderstand Rv an 230 Vangeschlossen werden. Es ist Rv zu bestimmen.

Ergebnis: Rv D 60 �

Aufgabe 1.8

Auf einem Widerstand sind die Daten R D 100 � und P D 4 W aufgedruckt.Welche Spannung U darf angelegt werden?

Ergebnis: U D 20 V

1.1.1.4 Kirchhoffsche RegelnKnotenregel. Abbildung 1.9 zeigt einen verzweigten Stromkreis mit drei Verbrauchern:Glühlampe L, Motor M, Widerstand R. Sie sind an die von den Polen C und � des Genera-tors ausgehenden Versorgungsleitungen geschlossen. Jeder Verbraucher kann durch einenbesonderen Schalter zu- oder abgeschaltet werden, ohne dass dadurch die Stromzweigeder übrigen Verbraucher beeinflusst werden. Sind alle drei Schalter geschlossen, so flie-ßen durch die Stromzweige der Verbraucher die Ströme I1, I2 und I3, deren Strombahnenin Abb. 1.9 eingezeichnet sind. Somit können die in jedem der 6 Stromzweige fließendenStröme angegeben werden, z. B. ergibt sich für den Generatorstrom

PI D I1 C I2 C I3.

An jedem der vier Knotenpunkte (Stromverzweigungspunkte) K1 bis K4 und allge-mein an jedem Knotenpunkt einer elektrischen Schaltung gilt die Knotenregel

XIzu D

XIab (1.16)

Page 18: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

18 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.9 Schaltplan mit3 Verbrauchern in Parallel-schaltung, 4 Knotenpunktenund 6 Stromzweigen

Abb. 1.10 Beispiel zur Kno-tenregel

In Worten: An jedem Knotenpunkt einer elektrischen Schaltung ist die Summe derzufließenden Ströme

PIzu gleich der Summe der abfließenden Ströme

PIab.

Beispiel 1.8

a) Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Strömen des Knotenpunktes(Abb. 1.10)?Nach der Knotenregel, Gl. 1.16, gilt

I1 C I3 D I2 C I4 C I5 :

b) Gemessen wurden die Ströme I1 D 8 A, I2 D 1 A, I3 D 3 A; I5 D 6 A. Wie großist I4?

I4 D I1 C I3 � I2 � I5 D .8 C 3 � 1 � 6/ A D 4 A :

c) Bei einem anderen Belastungsfall wurden die Ströme I1 D 12 A, I2 D 2 A, I4 D1 A, I5 D 4 A in den Richtungen von Abb. 1.10 gemessen. Wie groß ist I3?

I3 D I2 C I4 C I5 � I1 D .2 C 1 C 4 � 12/ A D �5 A :

Negativer Betrag eines Stromes bedeutet, dass die tatsächliche Stromrichtung ent-gegen der Richtung des angesetzten Strompfeils ist. Es fließt also in Abb. 1.10 einStrom von 5 A vom Knotenpunkt nach rechts ab.

Page 19: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 19

Abb. 1.11 Stromkreis zur Ma-schenregel

Aufgabe 1.9

Wie groß muss im Beispiel 1.8c der Strom I4 werden, damit I3 D 0 gilt?

Ergebnis: I4 D 6 A

Maschenregel. In Abb. 1.11 sind in dem unverzweigten Stromkreis mit der idealen Span-nungsquelle Uq alle Teilwiderstände (Innenwiderstand, Hin- und Rückleitung, Verbrau-cher) eingetragen. Im Stromkreis fließt der Strom I bei einem Gesamtwiderstand R nach

R DX

Rn D Ri C RH C RV C RR :

Nach Gl. 1.7 ergibt sich dann für die Spannung

Uq D I Ri C I RH C I RV C I RR oder Ui C UH C Uv C UR � Uq D 0

Man erhält demnach die an den Widerständen des Stromkreises auftretenden Teilspan-nungen Ui, UH, Uv und UR, wenn man den Strom jeweils mit den betreffenden Teilwider-ständen multipliziert. Die Teilspannungen werden in den Schaltplan nach Abb. 1.11 ein-gezeichnet, wobei zu beachten ist, dass Spannungspfeile an Widerständen nach Abb. 1.12stets in Richtung der Strompfeile einzutragen sind.

Für diesen unverzweigten Stromkreis und allgemein erhält man den Zusammenhangzwischen den Teilspannungen eines Stromkreises durch die Maschenregel

XU D 0 (1.17)

In Worten: Die Summe aller Spannungen längs eines beliebig geschlossenen Strom-kreises, einer Masche, ist gleich null.

Bei der Bildung der Spannungssumme ist zu beachten, dass die Teilwerte mit einemPfeil in Umlaufrichtung positiv, mit einem Pfeil entgegen aber negativ einzusetzen sind.Zu beachten ist ferner, dass in der Schreibweise

PU D 0 kein Unterschied zwischen der

Spannung einer Quelle (Erzeugerspannung) und der an einem Verbraucher gemacht wird.

Page 20: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

20 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.12 Schaltung zu Bei-spiel 1.9

Mit den in Abb. 1.11 eingetragenen Spannungspfeilen und dem gewählten Umlaufsinn imUhrzeiger gilt dann nach Gl. 1.17 wenn man an der Plusklemme der Quelle beginnt

UH C Uv C UR � Uq C Ui D 0 :

Wählt man einen Umlauf entgegen der Uhrzeigerrichtung, so kehren sich alle Vorzeichenin obiger Gleichung um und es entsteht z. B. mit

Uq D UH C Uv C UR C Ui

in beiden Fällen dasselbe Ergebnis.

Beispiel 1.9

Ein Pkw-Akku hat die Leerlaufspannung Uq D 12,5 V. Mit zwei Leitungen von RH DRR D 0;1 � wird ein Widerstand Rv D 2;25 � angeschlossen und danach ein Stromvon I D 5 A gemessen.

Mit den Zählrichtungen aus Abb. 1.12 ist die Maschengleichung aufzustellen und derInnenwiderstand Ri der Quelle zu bestimmen.

Im Uhrzeigersinn aufsummiert gilt ab der Plusklemme

UH C Uv C UR � Uq C Ui D 0 :

Dabei wirdUH D IRH D 5 A � 0;1 � D 0;5 V

und ebensoUR D IRR D 5 A � 0;1 � D 0;5 V :

Am Verbraucher entsteht die Spannung

Uv D IRv D 5 A � 2;25 � D 11;25 V :

Aus der Spannungsgleichung erhält man

Ui D Uq � .UH C UR C Uv/ D 12;5 V � .0;5 V C 0;5 V C 11;25 V/ D 0;25 V :

Page 21: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 21

Der Innenwiderstand des Akkus in diesem Betriebszustand ist demnach

Ri D Ui=I D 0;25 V=5 A D 0;05 � :

Aufgabe 1.10

Es ist der Wirkungsgrad der Schaltung in Abb. 1.12 in Bezug auf die Nutzleistungim Widerstand Rv zu bestimmen.

Ergebnis: � D 90 %

Zusammenfassung. Die Knotenregel Gl. 1.16 und Maschenregel Gl. 1.17 bilden dieGrundlage für das Berechnen von Spannungen und Strömen in elektrischen Stromkrei-sen. Diese Regeln können aber nur dann sinnvoll angewandt werden, wenn durch indie Schaltpläne einzuzeichnende Spannungs- und Strompfeile (keine Doppelpfeile!) dieZählrichtungen und damit die Vorzeichen der auftretenden Teilspannungen und -strömeeindeutig bezeichnet sind.

Beispiel 1.10

Im Stromkreis nach Abb. 1.11 fließt der Strom I D 40 A. Die Widerstände RH und RR

der Hin- und Rückleitung sind je 0,125 �, der Generatorinnenwiderstand Ri D 0;15 �.Am Verbraucher soll die Spannung Uv D 220 V vorhanden sein.

a) Man berechne RV, UH, Ui, Uq.Es sind RV D Uv=I D 220 V=40 A D 5;5 �; UH D IRH D 40 A � 0;125 � D 5 V;UR D UH D 5 V; Ui D IRi D 40 A � 0;15 � D 6 V. Nach Gl. 1.17 erhält man

Uq D .6 C 5 C 220 C 5/ V D 236 V :

b) Wie groß sind Wirkungsgrad und Verluste?

� D Pab

PzuD UI

UqID 220 V � 40 A

236 V � 40 AD 8;80 kW

9;44 kWD 0;932 D 93;2 %Pv D 0;64 kW

c) Wie groß sind die Stromkosten bei 8 h täglicher Betriebszeit (Tarif 0,18AC=kWh)?

W D P � t D 8;8 kW � 8 h D 70;4 kWh

K D W � k D 70;4 kWh � 0;18AC=kWh D 12;67AC

Page 22: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

22 1 Grundlagen der Elektrotechnik

d) Man berechne die Kurzschlussströme bei einem Kurzschluss am Verbraucher undam Generator (Kurzschlusswiderstand jeweils gleich 0 annehmen).

Kurzschluss am Verbraucher .RV D 0/: Kurzschluss am Generator:

Ik D Uq

Ri C RH C RRD 236 V

0;4 �D 590 A Ik D Uq

RiD 236 V

0;15 �D 1570 A

Beispiel 1.11

Ein Gleichstrommotor trägt die folgenden Angaben auf seinem Leistungsschild:3,7 kW 1500 min�1 220 V 20,5 A

Es sind die Verluste PvN, der Wirkungsgrad �N und das Drehmoment MN des Motorszu bestimmen.

Sämtliche Angaben auf dem Leistungsschild gelten für den sogenannten Bemessungs-betrieb und erhalten den Index N. Zentrale Größe ist die Bemessungsleistung PN,die der Motor an der Welle abgeben kann, ohne dass die zulässige Wicklungserwär-mung überschritten wird. Die Spannung UN muss durch die Energieversorgung – beiGleichstrommotoren heute eine Stromrichterschaltung – realisiert werden, währendder Bemessungsstrom IN die Wahl der Leiterquerschnitte und der Schutzmaßnahmenbestimmt.

Die Aufnahmeleistung P1N des Motors und seine Verluste PvN ergeben sich zu

P1N D UNIN D 220 V � 20;5 A D 4510 W D 4;51 kW

PvN D P1N � P2N D .4;51 � 3;7/ kW D 0;81 kW :

Der Wirkungsgrad wird

�N D P2N=P1N D 3;7 kW=4;51 kW D 0;82 D 82 % :

Für die Antriebstechnik ist der Zusammenhang zwischen der Abgabeleistung P , demDrehmoment M und der Drehzahl n an der Welle eines Motors von großer Bedeutung. Esgilt grundsätzlich

P D 2�nM : (1.18)

Dabei ist zu beachten, dass das mögliche Drehmoment allein durch die Baugröße (Vo-lumen) der elektrischen Maschine bestimmt wird. Welche Leistung verfügbar ist, ergibtsich erst durch die Betriebsdrehzahl. Soll trotz relativ hoher Leistung eine handliche Mo-torgröße erreicht werden, so muss man wie z. B. bei Elektrowerkzeugen (Bohrmaschinen,Schleifer, Sägen) hohe Drehzahlen bis nN � 20:000 min�1 und ein nachgeschaltetes Ge-triebe vorsehen.

Page 23: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 23

Aufgabe 1.11

Für ein Handwerkzeug liefert der Akku U D 12 V und I D 18 A. Wie groß ist dasDrehmoment an der Welle, wenn der Wirkungsgrad des Antriebsstrangs � D 64 %beträgt und n D 600 min�1 gemessen werden?

Ergebnis: M D 2,2 N m

1.1.2 Gleichstromkreise

1.1.2.1 WiderstandsschaltungenStromkreise, in denen nur elektrische Widerstände vorkommen, werden mit Hilfe vonFormeln, die aus den Kirchhoffschen Regeln hergeleitet werden, auf einfache Weise be-rechnet.

Reihenschaltung. Alle Widerstände werden von demselben Strom I durchflössen(Abb. 1.13a). An den Widerständen der Schaltung treten nach dem Ohmschen Gesetzdie Spannungen auf:

U1 D IR1 U2 D IR2 U3 D IR3 : : : Un D IRn

Nach der MaschenregelP

U D 0 gilt

U D U1 C U2 C U3 C : : : C Un

oder U D I.R1 C R2 C R3 C : : : C Rn/

oder U D IRe

wobei Re D R1 C R2 C R3 C : : : C Rn

oder Re DX

R (1.19)

Abb. 1.13 Reihenschaltung (a) und Parallelschaltung (b) von Widerständen sowie Ersatzschaltun-gen (c und d)

Page 24: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

24 1 Grundlagen der Elektrotechnik

ist. Die Schaltung nach Abb. 1.13a kann demnach zu der Ersatzschaltung mit nur einemWiderstand, dem Ersatzwiderstand Re der Reihenschaltung, vereinfacht werden.

Die Teilspannungen verhalten sich wie die zugehörigen Widerstände, z. B.

U1

U2

D IR1

IR2

D R1

R2

U3

UD IR3

IReD R3

Re:

Parallelschaltung. Alle Widerstände liegen an derselben Spannung U (Abb. 1.13b).Durch die Widerstände der Schaltung fließen nach dem Ohmschen Gesetz die Ströme

I1 D U

R1

I2 D U

R2

I3 D U

R3

: : : In D U

Rn:

Nach der KnotenregelP

Izu D PIab gilt

I D I1 C I2 C I3 C : : : C In

oder I D U

�1

R1

C 1

R2

C 1

R3

C : : : C 1

Rn

oder I D U1

Re

wobei1

ReD 1

R1

C 1

R2

C 1

R3

C : : : C 1

Rn

oder Re D 1P

1=R(1.20)

ist. Die Schaltung nach Abb. 1.13b kann demnach zu der Ersatzschaltung mit nur einemWiderstand, dem Ersatzwiderstand Re der Parallelschaltung, vereinfacht werden.

Die Teilströme verhalten sich umgekehrt wie die zugehörigen Widerstände, z. B.

I1

I2

D U=R1

U=R2

D R2

R1

I3

ID U=R3

U=ReD Re

R3

:

Die Ersatzschaltungen nehmen bei Anschluss an die Spannung U den gleichen Strom I

und damit die gleiche Leistung P und in der gleichen Zeit die gleiche Arbeit W auf wiedie ursprüngliche Schaltung mit mehreren Widerständen.

Beispiel 1.12

Drei gleiche Widerstände von je 100 � werden zuerst in Reihe, dann parallel an dieNetzspannung 230 V angeschlossen. Man berechne die Ersatzwiderstände, die Netz-ströme und Netzleistungen für beide Schaltungen.

Page 25: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 25

Reihenschaltung Parallelschaltung

Re D 3 � 100 � D 300 � Re D 1

3=100 �D 33

1

3�

I D U=Re D 230 V=300 � D 0;767 A I D U=Re D 230 V � 3

100 �D 6;9 A

P D UI D 230 V � 0;767 A D 176;3 W P D UI D 230 V � 6;9 A D 1587 W

Das Verhältnis der Ströme und Leistungen ist hier 1 W 9, da sich die Ersatzwiderständeder beiden Schaltungen wie 9 W 1 verhalten.

Zusammengesetzte Schaltungen. Außer reinen Reihen- und Parallelschaltungen elek-trischer Widerstände kommen zusammengesetzte Schaltungen (Schaltungskombinatio-nen) vor. In einfacheren Fällen können mit Hilfe der vorstehenden Ausführungen auchsolche Schaltungen berechnet werden. Für die sehr häufig vorkommende Parallelschaltungzweier Widerstände R1 und R2 lässt sich aus Gl. 1.20 eine eigene Beziehung angeben. Esgilt

1

R12

D 1

R1

C 1

R2

D R2 C R1

R1 � R2

und damit

R12 D R1 � R2

R1 C R2

: (1.21)

Beispiel 1.13

Für die Widerstandschaltung in Abb. 1.14a soll der Ersatzwiderstand Re berechnetwerden. Man fasst zunächst die parallel geschalteten Widerstände R1 und R2 zu einemWiderstand R12 zusammen und erhält mit Gl. 1.21

R12 D R1 � R2

R1 C R2

Somit ist die Schaltung bereits in die reine Reihenschaltung nach Abb. 1.14b über-führt. Nun fasst man die in Reihe geschalteten Widerstände R12 und R3 zu einemWiderstand, dem Ersatzwiderstand Re der Schaltung zusammen (Abb. 1.14c). NachGl. 1.19 findet man Re D R12 C R3 und somit

Re D R1 � R2

R1 C R2

C R3

Page 26: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

26 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.14 Ermittlung desErsatzwiderstandes Re

Stern-Dreieckumwandlung. Für die Schaltung in Abb. 1.15a kann der Ersatzwiderstandnicht unmittelbar durch Auflösung in Reihen- und Parallelschaltungen bestimmt werden.Es muss zuvor eine Umwandlung des inneren Sterns zwischen den Anschlüssen 1–3 ineine gleichwertige Dreieckschaltung erfolgen (Abb. 1.15b). Bedingung dafür ist, dassjeweils zwischen gleichen Anschlüssen der gleiche Gesamtwiderstand auftritt. Für dieAnschlüsse 1–2 bedeutet dies beispielhaft:

.R10 C R20/ in Sternschaltung D R12k.R23 C R31/ in Dreieckschaltung

Hieraus ergeben sich die Gleichungen für die Umwandlung von

Sternschaltung in Dreieckschaltung Dreieckschaltung in Sternschaltung

R12 D R10 C R20 C R10 � R20

R30

R10 D R12 � R31

R12 C R23 C R31

R23 D R20 C R30 C R20 � R30

R10

R20 D R23 � R12

R12 C R23 C R31

R31 D R30 C R10 C R30 � R10

R20

R30 D R31 � R23

R12 C R23 C R31

(1.22)

Beispiel 1.14

Gegeben ist die Schaltung nach Abb. 1.15. Es ist der Ersatzwiderstand bei einheitlichR D 100 � für alle fünf Widerstände zu bestimmen.

Abb. 1.15 Widerstands-kombination für Stern-Dreieckumwandlung. a InnereSternschaltung, b Innere Drei-eckschaltung

Page 27: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 27

Nach Stern-Dreieckumwandlung ergibt sich über Gl. 1.22

R12 D R23 D R31 D 300 � dann Rp D R12kR5 D 75 �, ebenso R23kR4 D 75 �

und Re D R31k2Rp D 300 �k.75 � C 75 �/ D 100 �.

Aufgabe 1.12

Die Schaltung in Abb. 1.15a habe bei U D 100 V die Leistung P D 200 W. Wiegroß müssen R4 D R5 sein, wenn wie in Beispiel 1.14 die Sternwerte 100 � betra-gen?

Ergebnis R4 D R5 D 33;33 �.

Spannungsteiler. Vor allem in der Elektronik besteht vielfach die Aufgabe, für Teile derSchaltung gegenüber der Versorgungsspannung U reduzierte Wert Uv zu erzeugen. Diesgeschieht über eine Spannungsteiler genannte Reihenschaltung von zwei WiderständenR1 und R2 nach Abb. 1.16, die an die Spannung U angeschlossen sind. Die gewünschteTeilspannung Uv wird an R2 abgenommen und kann durch das Verhältnis R1=R2 beliebiggewählt werden. Nach Abb. 1.16b gilt Uv D IRP

mit I D U

R1 C Rpund Rp D R2 � Rv

R2 C Rvnach Gl. 1.21.

Kombiniert man obige Beziehung, so erhält man für die Ausgangsspannung des Teilers

Uv D U

1 C R1

R2

�1 C R2

Rv

� (1.23a)

Abb. 1.16 Spannungsteilermit zwei Widerständen R1 undR2. a Schaltung mit Verbrau-cher Rv, b Ersatzschaltung

Page 28: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

28 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.17 Potenziometer

Der Wert von Uv ist außer vom Teilerverhältnis R1=R2 also auch vom Verbraucherwider-stand Rv abhängig. Im Leerlauf mit Rv D 1 ergibt sich die etwas höhere Spannung

Uv0D U

1 C R1=R2

(1.23b)

Potenziometer. Soll eine Spannung Uv stufenlos und beliebig zwischen null undUv D U veränderbar sein, so eignet sich dazu ein Widerstand mit verstellbarem Ab-griff nach Abb. 1.17. Mit Rücksicht auf die Stromwärmeverluste I 2R verwendet mandiese Potenziometer im Wesentlichen nur bei sehr kleinen Verbraucherströmen Iv wiez. B. in der Elektronik zur Einstellung von Sollwerten.

Es soll nun berechnet werden, nach welcher Funktion Ux D f .x/ sich die Span-nung Ux beim Verdrehen des Abgriffs x ändert. Dies kann durch Vergleich von Abb. 1.17mit der Schaltung des Spannungsteilers in Abb. 1.16a erfolgen. Danach gilt folgende Zu-ordnung:

Rs.1 � x/ D R1

Rsx D R2

Setzt man dies in Gl. 1.23a, so erhält man

Ux D U

1 C 1�xx

.1 C RsRv

� x/

und nach wenigen Umformungen das Ergebnis

Ux D U � x

1 C RsRv

x.1 � x/(1.24a)

Bei sehr hochohmiger Belastung wird Rs=Rv ! 0 und damit

Ux D Ux (1.24b)

Die Spannung ändert sich jetzt linear mit dem Abgriff.

Page 29: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 29

Abb. 1.18 Ausgangsspan-nung eines Potenziometers beiverschiedenen VerhältnissenRs=Rv

Neben dieser Widerstandszunahme nach Rx D Rsx werden auch Potenziometer mitlogarithmischer Stellcharakteristik gefertigt. Der Widerstand Rx steigt hier nach Zehner-potenzen an, was z. B. für Lautstärkeeinstellungen günstig ist.

Will man die lineare Abhängigkeit nach Gl. 1.24b weitgehend erhalten, so muss derQuotient Rs=Rv in Gl. 1.24a möglichst klein gehalten werden. Abbildung 1.18 zeigt, dassbereits bei Rs D Rv die Linearität verloren geht. Die Praxis empfiehlt daher eine Ausle-gung mit Rv � 5Rs, was beim Spannungsteiler mit Rv � 5R2 entsprechend gilt. Wirddiese Bedingung nicht eingehalten, weicht die Lastwert Ux wesentlich von der Leerlauf-spannung Ux0

ab.

Aufgabe 1.13

Ein Kleinstmotor für 6 V, 0,24 W wird über ein Potenziometer mit RS D 62;5 �

nach Abb. 1.17 drehzahlgesteuert. Welche Stellung x ist für die Werte Ux D 3 V,Iv D 0,04 A einzustellen?

Ergebnis: x D 0;6

1.1.2.2 Elektrische SpannungsquellenDie Physik kennt zahlreiche Möglichkeiten zur Erzeugung elektrischer Spannungen, vondenen einige wie z. B. Thermospannungen nur in der Messtechnik eine Bedeutung haben.Die folgenden Verfahren werden dagegen zur Gewinnung elektrischer Energie verwendet.

Elektrodynamische Spannungserzeugung. Fast die gesamte elektrische Energie für dieöffentliche Versorgung, die Industrie und das Verkehrswesen wird in rotierenden Gene-ratoren erzeugt. Sie werden als elektromechanische Energiewandler von Turbinen oderVerbrennungsmotoren angetrieben und liefern Wechselspannungen. Grundlage ist das imJahre 1831 von dem Engländer M. Faraday beschriebene Induktionsgesetz als Wirkungeines Magnetfeldes auf Wicklungen.

Page 30: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

30 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.19 ElektrodynamischeSpannungserzeugung. T Turbi-ne, G Generator

Tab. 1.20 Elektrochemische Spannungsreihe der Metalle, Werte in Volt

Lithium Aluminium Zink Nickel Kupfer Kohle Silber Gold

�3;0 �1;66 �0;76 �0;25 0,34 0,74 0,80 1,50

In Abb. 1.19 treibt eine Turbine T einen Generator G mit der Drehzahl n und demDrehmoment M an und führt ihm damit die mechanische Leistung

Pm D 2�nM

zu. Die elektrische Abgabeleistung des Generators ist dann je nach Maschinentyp mit

Pel D cUI

dem Produkt aus Strom I und Spannung U proportional und um den Wirkungsgrad �

kleiner.Der Wirkungsgrad � reicht von etwa 50 % bei einer 12 V-Lichtmaschine im Auto bis ca.

98 % bei einem Großgenerator in einem Kraftwerk. Die höchsten Generatorspannungenliegen bei 27 kV.

Elektrochemische Spannungserzeugung. Taucht man zwei Elektroden aus unterschied-lichen Metallen in eine leitfähige Flüssigkeit, Elektrolyt genannt, so entsteht zwischen denbeiden Metallen eine Spannungsdifferenz U . Grundlage ist die jeweilige elektrochemischeReaktion des Metalls mit dem Elektrolyten, die zu einer Spannungsreihe nach Tab. 1.20führt. Die negativen Zahlen darin bedeuten, dass die betreffenden Metalle positive Ionenan den Elektrolyten abgeben und damit selbst durch den verbleibenden Elektronenüber-schuss eine negative Ladung tragen.

Galvanische Elemente. Auf der Basis obiger Metallkombinationen werden seit den An-fängen der Elektrotechnik sogenannte galvanische Elemente hergestellt, die wir heute alsTrockenbatterien vielfältig nutzen. Die wohl bekannteste Ausführung ist die Zink-Kohle-(Braunstein-)Batterie mit dem prinzipiellen Aufbau nach Abb. 1.21a und der SpannungU D UKohle � UZink D 0;74 V � .�0;76 V/ D 1;5 V. In der dicken Ausführung für z. B.Stabtaschenlampen enthalten diese Batterien eine Ladung bis etwa Q D 8 Ah und damiteine Energie von W D UI t D UQ D 1;5 V � 8 Ah D 12 Wh.

Für Armbanduhren, Fotogeräte usw. werden meist flache Knopfzellen verwendet, vondenen in Abb. 1.21b das Beispiel einer Quecksilberoxid-Zink-Zelle gezeigt ist. Die La-dung dieser Ausführung beträgt etwa Q D 5 mAh bei U D 1,35 V.

Page 31: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 31

Abb. 1.21 Schematischer Aufbau galvanischer Elemente. a Zink-Kohle-(Braunstein-)Element:1 Kohlestab, 2 Vergussmasse, 3 Braunstein, 4 Elektrolyt, 5 Zinkbecher. b Knopfzelle: 1 Stahlmantel,2 Zinkpulver, 3 Elektrolyt, 4 Quecksilberoxid

Galvanische Elemente werden auch Primärelemente genannt, da sie ohne vorherigeAufladung allein durch ihren Aufbau eine elektrische Spannung und Ladung besitzen.Nach Abgabe ihrer Energie sind sie unbrauchbar und teilweise sogar Sondermüll!

Akkumulatoren. Dies sind sogenannte Sekundärelemente, die vor dem Einsatz erstdurch Anschluss an eine Gleichstromquelle aufgeladen werden müssen. Während diesesVorgangs in der Ladezeit te nimmt der Akku die Ladung

Q DteZ

0

i dt

auf und an den Elektroden findet eine chemische Reaktion statt.Am bekanntesten ist der Blei-Akkumulator, bei dem sich im geladenen Zustand ei-

ne Blei- und eine Bleioxidplatte in verdünnter Schwefelsäure gegenüberstehen. DieseKombination hat eine Leerlaufspannung von ca. 2 V und ist in der Reihenschaltung vonsechs Zellen die bekannte Autobatterie. Bei der Entnahme der elektrischen Energie ent-steht durch den chemischen Prozess auf beiden Platten Bleisulfat, das danach bei erneuterLadung des Akkus wieder in den oben genannten Zustand gebracht wird.

Lithium-Ionen-Akku. Große Erwartungen ruhen derzeit auf der Weiterentwicklung desLiIon-Akkus, der bereits seit Jahren zur Versorgung von Handys, Laptops und auch Hand-werkzeugen eingesetzt wird. Zwischen den Elektroden aus Graphit und einem Lithium-Metalloxid werden über den Elektrolyten lediglich Lithiumionen ausgetauscht. Wie dievereinfachte Reaktionsgleichung des Entladevorgangs an der negativen Elektrode

LixCn ! nC C xLiC C xe�

zeigt, werden in den äußeren Stromkreis nur Elektronen abgegeben.Die Einheit liefert eine Spannung von 3,6 V und erreicht mit einer Speicherkapazität

von etwa w D 0,15 kWh=kg den fünffachen Wert des Bleiakkus. Dies gibt Hoffnung für

Page 32: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

32 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.22 Schema einerWasserstoff/Sauerstoff-Brennstoffzelle: 1 Elektrolyt,2 Elektronen, 3 Elektroden

den Einsatz in künftigen serienmäßigen Elektroautos. Mit � � 95 % ist der Umwandlungs-wirkungsgrad sehr gut.

Neben dem Blei-Akku ist vor allem der Nickel-Cadmium-Akkumulator im Einsatz. Erist etwas leichter und erreicht eine Leerlaufspannung von 1,2 V pro Zelle.

Brennstoffzellen. Bei diesen Primärelementen wird in der wichtigsten KombinationWasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zu einer „kalten Reaktion“ gebracht. Dabei ent-steht nicht wie beim Abbrennen einer H2-Flamme Wärme, sondern es werden elektrischeLadungen frei, die zwischen den Elektroden eine Potenzialdifferenz aufbauen.

Nach Abb. 1.22 werden zwei Nickelelektroden in einer Kalilauge kontinuierlichWasser- und Sauerstoff zugeführt. Dabei kommt es an den porösen Nickelschichten, dieals Katalysator wirken, zu den nachstehenden vereinfacht dargestellten Reaktionen:

Wasserstoffseitig: H2 C 2OH� D 2H2O C 2e

Sauerstoffseitig:1

2O2 C H2O C 2e D 2HO�

Das Wasserstoffgas wird mit Hilfe der Nickelelektrode oxidiert, wobei jeweils nebenzwei Wassermolekülen 2 H2O auch zwei freie Elektronen entstehen. Diese wandern un-ter Energieabgabe über den äußeren Stromkreis, der in Abb. 1.22 durch einen ohmschenWiderstand dargestellt ist, zur Sauerstoffseite. Dort werden sie wieder in die Reaktionaufgenommen.

Das Reaktionsprodukt ist also neben der elektrischen Energie nur Wasser, das abge-führt werden muss. Pro Zelle erhält man eine Spannung von ca. 1,2 V. Der Wirkungsgradder Umwandlung beträgt ca. 70 %. Brennstoffzellen sind seit vielen Jahren in der techni-schen Entwicklung und werden auch für spezielle Anwendungen z. B. Energieversorgungin der Raumfahrt eingesetzt. In der Autoindustrie gibt es derzeit große Anstrengungen, dieBrennstoffzelle für die Versorgung des Elektroautos marktreif zu machen.

Fotovoltaik. Wie in Abschn. 2.1.4.4 gezeigt wird, können sich in der Grenzschicht vonDioden bei Lichteinfall, d. h. Energiezufuhr durch Photonen freie Ladungsträgerpaare bil-den. Sie werden im elektrischen Feld der PN-Zone getrennt und bilden pro Einheit eineLeerlaufspannung von ca. 0,6 V.

Page 33: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 33

Abb. 1.23 Solarmodul mitWechselrichter (batteriegepuf-fert) Sonneneinstrahlung ps �1 kW=m2

Großflächig werden diese Fotodioden als Solarzellen bezeichnet (Abb. 1.23) und sindvielfältig im Einsatz. Im Bereich kleinster Leistungen seien Armbanduhren und Taschen-rechner genannt, ferner größere Module mit Flächen bis zu 1 m2 für Notrufsäulen, Park-automaten und Sendeanlagen.

Der Einsatz zur regenerativen Energieversorgung wird seit Jahren politisch gefordertund durch öffentliche Förderprogramme und die Verordnungen über die Einspeisevergü-tung von derzeit ca. 0,30 Euro=kWh unterstützt. Im Leistungsbereich zwischen einigen100 W bis zu einigen 1000 kW sind so eine Vielzahl von Fotovoltaikanlagen auf denDächern von Wohnhäusern, öffentlichen Gebäuden und Industriebauten entstanden. Ins-gesamt sind sie derzeit insgesamt mit ca. 3,2 % an der Erzeugung elektrischer Energiebeteiligt. Als Richtwerte für die Bewertung einer Fotovoltaikanlage seien folgende Datengenannt:

Spitzenleistung p D 100 W/m2

Energieausbeute w D 100 kWh/m2 pro Jahr

Gesamtkosten k D 300AC/m2

Verfügt der Anwender über keinen Netzanschluss, so ist zur Sicherung der Versorgung mitelektrischer Energie bei fehlender Sonneneinstrahlung eine parallele Quelle z. B. in Formeiner Batterie oder eines Notstromaggregats erforderlich.

1.1.2.3 Berechnung von Gleichstrom-NetzwerkenAls Netzwerke bezeichnet man umfangreiche, verzweigte Stromkreise, wie sie z. B. inelektronischen Schaltungen oder der Energieversorgung auftreten. Mit Gleichstrombetriebfindet man sie nur noch bei Nahverkehrsbahnen, in einzelnen Industrieanlagen und derElektronik. Die nachstehenden Rechenverfahren und Angaben sind jedoch allgemein-gültig.

Anpassung. In Abb. 1.24 liefert die Spannungsquelle den Strom

I D Uq

Ri C RL C RV

Page 34: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

34 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.24 ElektrischerStromkreis einer belastetenSpannungsquelle

der durch die Summe von Innenwiderstand Ri der Quelle, Leitungswiderstand RL undVerbraucherwiderstand RV bestimmt wird. Dieser erhält damit die Spannung

Uv D Uq � I.Ri C RL/

die um den Verlust am Innen- und Leitungswiderstand kleiner als der Quellenwert Uq ist.Für den Betrieb der Schaltung sind nun drei Grenzfälle zu unterscheiden:

Leerlauf: Mit RV ! 1 wird I ! 0 und man erhält die Leerlaufspannung

Uv D U0 D Uq

Kurzschluss: Im Falle einer direkten Verbindung der Generatorklemmen muss dieser denKurzschlussstrom

Ik D Uq=Ri

führen und für die dabei auftretenden Kräfte ausgelegt sein.Leistungsmaximum: Der Verbraucher erhält nach Gl. 1.13a mit PV D I 2RV die Leis-

tung

PV D U 2q � RV

.Ri C RL C RV/2

Sie ist vom Wert des Verbraucherwiderstandes abhängig und erreicht bei einem An-passung genannten Lastwert ein Maximum. Man erhält es über die Differenziation derGleichung PV D f .RV/ bei

PVmax D U 2q

4 .Ri C RL/

Die Leistung des Generators (Quelle) liefert hier bei RV D Ri C RL mit

Pq D U 2q

2 .Ri C RL/D 2 � PVmax

die doppelte Verbraucherleistung in die Schaltung, was einen Wirkungsgrad von nur 50 %ergibt. Dies ist in der Energietechnik nicht tragbar. Hier werden Generatoren stets mitRV � .Ri C RL/ belastet und damit ein möglichst hoher Wirkungsgrad erreicht.

Page 35: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 35

Abb. 1.25 Schaltung zu Bei-spiel 1.15

Maschengleichungen. Die Berechnung von Stromkreisen erfolgt anhand des vollstän-digen Schaltplans, in den alle Quellen, Leitungen und Verbraucher eingetragen und be-zeichnet sind. Danach werden die Quellenspannungen mit der Pfeilrichtung vom Plus-zum Minuspol eingetragen und für alle Ströme Zählrichtungen festgelegt. Über die beidenKirchhoffschen Regeln sind dann so viele voneinander unabhängige Gleichungen aufzu-stellen, wie unbekannte Ströme vorhanden sind. Ein Beispiel für diese Vorgehensweisezeigt die folgende Berechnung nach Abb. 1.25.

Beispiel 1.15

Bei abgeschaltetem Pkw-Motor speist der Akku A (Quellenspannung UqA, Innenwi-derstand RiA/ in Abb. 1.25 die Sitzheizung mit dem Widerstand R1 und über eineLeitung mit RL als Widerstand für jeweils Hin-und Rückleitung einen Gebläsemotor M(Quellenspannung UqM, Innenwiderstand RiM/.

Gesucht sind die in dieser Schaltung auftretenden Ströme, Spannungen und Leistun-gen.

Nach Abb. 1.25 werden die in Abschn. 1.1.2.1 bis 1.1.2.3 angegebenen Ersatzbilderbaukastenförmig aneinandergesetzt und zunächst die zu berücksichtigenden Wider-stände bezeichnet. Dann werden die vorgegebenen inneren Spannungen (Akku UqA,Motor UqM/ durch ihre Zählpfeile eingetragen, so dass nunmehr auch die Polarität imStromkreis festliegt. (Die gestrichelt eingetragenen Spannungspfeile UA und UM sindvorläufig wegzudenken.)

In dem verzweigten Schaltplan treten die drei unbekannten Ströme I , I1 und I2 auf,die durch ihre Strompfeile eingetragen werden. Um diese drei Ströme berechnen zukönnen, benötigt man drei Gleichungen. Nach der Knotenregel, Gl. 1.16, angewandtauf den Punkt K, gilt

I D I1 C I2 (1)

Die Maschenregel Gl. 1.17 muss also noch zwei weitere Gleichungen liefern. Ins-gesamt erhält der Schaltplan drei Maschen; es muss deshalb noch auf zwei beliebigausgewählte Maschen die Maschenregel angewandt werden. Wählt man die MaschenAkku-Heizkörper (Masche 1) sowie die Hinleitung-Motor-Rückleitung-Heizkörper(Masche 2) und legt für beide Maschen die Umlaufrichtung im Uhrzeigersinn fest,

Page 36: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

36 1 Grundlagen der Elektrotechnik

dann ergibt sich für

Masche 1 I1R1 � UqA C IRiA D 0 (2)

Masche 2 I2RL C I2RiM C UqM C I2RLI1R1 D 0 oder

UqM C I2.2RL C RM/ � I1R1 D 0: (3)

Für die nicht eingezeichnete Masche 3 Akku-Hinleitung-Motor-Rückleitung gilt beiUmlaufrichtung im Uhrzeigersinn die Gleichung

I2.2RL C RM/ C UqM � UqA C IRiA D 0;

die bereits in den beiden vorstehenden Maschengleichungen (2) und (3) enthalten ist,also mathematisch nichts Neues aussagt.

Aus den Gl. (1), (2) und (3) lassen sich die drei unbekannten Ströme I , I1 und I2

errechnen. Mit Gl. (2) erhält man

I1 D UqA � IRiA

R1

und hiermit aus Gl. (3) I2 D UqA � IRiA � UqM

2RL C RiM

Setzt man I1 und I2 in Gl. (1) ein, so erhält man

I D UqA=R1 C .UqA � UqM/=.2RL C RiM/

1 C RiA

�1Ri

C 12RLCRiM

Mit der nunmehr bekannten Größe I lässt sich I1 mit Hilfe von Gl. (2) und dann auchI2 mit den Gl. (1) oder (3) errechnen.

Nachdem so die Ströme ermittelt sind, können nun auch die in der Schaltung auftreten-den Spannungen und Leistungen angegeben werden. So wird z. B. die Klemmenspan-nung des Akkus, die mit der Spannung am Heizkörper identisch ist, UA D I1R1 unddie Klemmenspannung des Motors UM D UqM CI2RiM. (UA und UM sind in Abb. 1.25durch gestrichelte Spannungspfeile dargestellt.) Weiter erhält man nun

Klemmenleistung des Akkus PA D UAI

Leistung des Heizkörpers PR1D UAI1

Klemmenleistung des Motors PM D UMI2

Leistungsverlust der Leitung Pv D 2 I 22 RL

Beispiel 1.16

An einer Solaranlage mit 120 in Reihe geschalteten Solarzellen, je Zelle mit den Ab-messungen 10 cm � 10 cm, wird bei voller Sonneneinstrahlung (in Mitteleuropa etwa

Page 37: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 37

Abb. 1.26 Schaltung zu Bei-spiel 1.16

Abb. 1.27 Kennlinien derSolaranlage

1 kW=m2/ die Kennlinie UB D f .I / bei Belastung mit einem veränderlichen Wider-stand R von Leerlauf bis Kurzschluss gemessen:

UB=V 62,2 59,8 56,7 53,2 52,1 50,8 47,7 43,5 37,8 18,2 0

I=A 0 0,5 1,0 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,15

Pel=W

R=�

Die Tabelle ist zu ergänzen und der Widerstand R für maximale Leistung (Abb. 1.27)anzugeben.

Die Auswertung ergibt Pmax 87 W und damit nach Gl. 1.13b Ropt D (49 V)2=87 W D27;6�

Aufgabe 1.14

Welche Fläche A muss eine Solaranlage erhalten, damit bei einer Spitzenleistungvon p D 105 W=m2 über t D 1000 h=a jährlich 4116 kWh an das EVU abgegebenwerden können? Leitungen und Wechselrichter können mit einem Wirkungsgradvon � D 98 % berücksichtigt werden.

Ergebnis: A D 40 m2

Ersatzspannungsquelle. Interessiert in einer Schaltung wie in Abb. 1.28a nicht jederLeitungsstrom, sondern z. B. nur die Abhängigkeit des Stromes I3 von seinem WiderstandR3, so muss man nicht die gesamte Schaltung mehrfach durchrechnen. In diesem Falle

Page 38: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

38 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.28 Beispiel für ei-ne Netzwerksberechnung.a Schaltung mit Uq1

D 28 VUq2

D 14 V R1 D 4 �R2 D16 �R3 D 15 �, b Ersatz-spannungsquelle zu Bild a mitU0 D 36,4 V Ri D 3,2 �

ist die Technik der Ersatzspannungsquelle von Vorteil, die den gesamten linken Teil derSchaltung zwischen den Klemmen 1–2 durch Abb. 1.28b ersetzt. Es besteht aus:

1. Der Ersatzspannung U0, welche der Leerlaufspannung der Originalschaltung bei R3 D1 also I3 D 0 entspricht.

2. Dem Innenwiderstand Ri der sich bei kurzgeschlossenen Quellen als resultierenderWiderstand aus Sicht der Klemmen 1–2 ergibt.

Berechnung von U0 und Ri. Im Leerlauf bei I3 D 0 treibt die Spannung Uq1den Strom

I1 D I2 über den Gesamtwiderstand R1 C R2 D 20 �, womit sich I1 D 28 V=20 � D1,4 A ergibt. Am Widerstand R2 tritt so die Spannung U2 D I2R2 D 1;4 A�16 � D 22,4 Vauf. Die Leerlaufspannung zwischen den Klemmen 1–2 ist dann U12 D U2 C Uq2

D22,4 V C 14 V = 36,4 V. Die Ersatzspannung für Abb. 1.28b ist also U0 D 36,4 V. AusSicht der Klemmen 1–2 sind die Widerstände R1 und R2 parallel geschaltet. Es gilt alsonach Gl. 1.21 Ri D 4 � � 16 �=20 � D 3;2 �.

Simulations-Software. Zur Bestimmung der stationären Betriebswerte, von Fre-quenzverläufen, Analysen oder auch des dynamischen Verhaltens von Schaltungen vorallem auch mit elektronischen Bauteilen gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von PC-Programmen. Als Beispiele seien „Multisim 7“ (Electronic Workbench), „TINA pro“(Design Soft, Inc.) und vor allem „PSpice“ (Micro Sim Corp.) genannt. Sie sind alsAlternative zu studentischen Laborübungen konzipiert, können aber auch in der Praxiszur Optimierung von Schaltungen eingesetzt werden. Die gewünschte Schaltung wirddurch Auswahl der Bauelemente nach ihren Kurzzeichen aus einer Symbolleiste auf demBildschirm zusammengestellt und die erforderlichen Messstellen eingetragen. Virtuel-le Oszilloskope, Schreiber und Analysatoren zeichnen nach dem Start der SimulationMesswerte, Kurvenverläufe und Diagramme auf, so dass der Eindruck eines tatsächlichenLaborversuchs entsteht.

Abbildung 1.29 zeigt ein einfaches Beispiel auf der Basis der Schaltung in Abb. 1.28a.Gesucht werden die drei Teilströme und das Potenzial an der gekennzeichneten Stellebezogen auf einen willkürlich gewählten Massepunkt.

Trägt man die Strommesser wie in Abb. 1.29 ein, so nimmt das Programm einen vonoben ankommenden Strom mit positiver Richtung an. Der Strom I1 aus Abb. 1.26, dernach oben fließt, wird also mit �3000 Exponent 0 D �3 A bestimmt. Die Widerstände

Page 39: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 39

Abb. 1.29 Berechnung derSchaltung von Abb. 1.28 mitdem SimulationsprogrammSPICE

sind mit dem in der USA üblichen Symbol eingetragen, die Zahlen verstehen sich alsOhmwerte.

1.1.2.4 Messungen im elektrischen StromkreisAufbau und Wirkungsweise der in der elektrischen Messtechnik verwendeten Geräte sindInhalt von Kap. 3. Nachstehend soll nur die grundsätzliche Zuordnung der Messgeräte imStromkreis behandelt werden. Dabei gilt stets die Forderung, dass durch das Einbringeneines Messgerätes die elektrischen Größen nicht verändert werden.

Messung der Stromstärke. Zur Bestimmung des Stromes I in einem Verbraucher R

muss der Stromkreis nach Abb. 1.30a aufgetrennt und ein Strommesser (Amperemeter) inden Leitungsweg eingefügt werden. Durch den Innenwiderstand RiA des Messgerätes ent-steht dann eine Reihenschaltung mit dem Verbraucher R und anstelle des ursprünglichenStromes I D U=R wird der Strom

I D U

R C RiAD U

R.1 C RiA=R/

gemessen. Der Verbraucherstrom wird also nur dann richtig erfasst, wenn RiA=R ! 0

gilt, oder etwa RiA=R < 10�3 ist. Ein Strommesser muss also einen möglichst geringenInnenwiderstand besitzen.

Messung der Spannung. Zur Bestimmung der Spannung an einem Verbraucher R wirdder Spannungsmesser (Voltmeter) nach Abb. 1.30b parallel geschaltet. Durch den Innen-

Abb. 1.30 Messung elektri-scher Größen. a Messung einesStromes I , b Messung einerSpannung U

Page 40: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

40 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.31 Messung der elek-trischen Leistung P D UI

Abb. 1.32 Schaltung einerMessbrücke mit ohmschenWiderständen

widerstand RiV entsteht jetzt nach Gl. 1.21 der Wert

Rp D R � Riv

Riv C RD R

1 C R=Riv

Der Gesamtwiderstand des Stromkreises hat sich durch den Spannungsmesser geändert.Um dies zu vermeiden, ist die Bedingung R=RiV ! 0 einzuhalten und etwa R=RiV �10�3 anzustreben. Ein Spannungsmesser muss also einen möglichst hohen Innenwider-stand besitzen.

Messung der Leistung. Nach Gl. 1.6 bestimmt man die elektrische Leistung eines Ver-brauchers aus dem Produkt Spannung U und Stromstärke I . Ein Leistungsmesser besitztdaher nach Abb. 1.31 vier Anschlüsse. Die Stromspule wird wie ein Amperemeter in denStromkreis geschaltet, die Spannungsspule wie ein Voltmeter.

Messbrücken. In Abb. 1.32 ist eine Widerstandskombination angegeben, bei welcher dieSpannung U0 in der Querachse gemessen wird. Man bezeichnet diesen Aufbau daher alsBrückenschaltung und setzt sie in der Praxis mehrfach ein. Da der Spannungsmesser fürU0 sehr hochohmig ist, arbeiten die durch eine Betriebsspannung UB versorgten TeilerR3=R2 und R4=R1 praktisch im Leerlauf. Damit ergibt sich U0 aus der Differenz derSpannung U2 und U1 für die nach Gl. 1.23b gilt

U2 D UB � R2

R2 C R3

U1 D UB � R1

R1 C R4

Page 41: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 41

Abb. 1.33 Aufbau derWheatstone-Messbrücke zurBestimmung von Widerstän-den

Mit U0 D U2 � U1 erhält man nach wenigen Zwischenschritten

U0 D UB � R2 � R4 � R1 � R3

.R2 C R3/ � .R1 C R4/

In Abschn. 3.4.1.2 wird diese Brückenschaltung mit Dehnungsmessstreifen auf einer Wel-le realisiert, die alle im unbelasteten Zustand den Widerstand R0 besitzen. Durch einDrehmoment werden die Streifen 1 und 3 gestaucht, dagegen 2 und 4 verlängert. Diesändert die Widerstände auf die Werte

R1 D R3 D R0 � �R und R2 D R4 D R0 C �R

Setzt man dies in die obige Gleichung für die Spannung U0 ein, so erhält man als Ergebnis

U0 D UB � �R

R0

Auf diese Beziehung wird im erwähnten Abschnitt Bezug genommen.

Wheatstone-Messbrücke. In Abb. 1.33 ist die Brückenschaltung in soweit abgeändert,als dass die Widerstände R2 und R3 durch einen kalibrierten Messdraht ersetzt sind, dender Abgriff A im Verhältnis a=b D R3=R2 teilt. Der Widerstand R1 ist durch einendekadisch verstellbaren Präzisionswiderstand RN realisiert, während der unbekannte Wi-derstand Rx anstelle von R4 angeschlossen wird. Im Brückenzweig liegt ein empfindlicherSpannungsmesser, die Versorgung mit der Spannung UB geschieht mit einer Trockenbat-terie, die mit einem Taster zugeschaltet werden kann.

Nach der für Abb. 1.32 abgeleiteten Beziehung für U0 D f .R1�4/ zeigt der Span-nungsmesser U0 D 0 an, wenn der Zähler des Bruches null ist. Dies führt zu der Bedin-gung

R2 � R4 D R1 � R3

und damit unter Beachtung der getroffenen Zuordnungen zu der Abgleichbedingung fürdie Brückenschaltung in Abb. 1.33

Rx D RN � a=b

Page 42: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

42 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Das Verhältnis a=b ist direkt am Drehschalter für den Abgriff A abzulesen, so dass durchMultiplikation mit dem Dekadenwert RN der unbekannte Widerstandswert Rx festliegt.

Die Schaltung nach Abb. 1.33 ist Inhalt der sogenannten Wheatstone-Messbrücke, mitder bei etwa 0,5 % Genauigkeit Widerstände im Bereich von ungefähr 1 � bis 100 k�

gemessen werden können. Sie war vor der Einführung der heute eingesetzten Digital-multimeter, deren Genauigkeit im �-Bereich noch besser ist, das wichtigste Gerät zurMessung ohmscher Widerstände.

Beispiel 1.17

Ein elektrischer Durchlauferhitzer erwärmt 0,11 Wasser je Sekunde von 15 ıC auf45 ıC bei einem Wirkungsgrad von 80 %. Man berechne die Leistung und den Strombei 230 V Netzspannung sowie die Stromkosten in 3 min bei einem Tarifpreis von0,2AC=kWh.

Mit der spezifischen Wärmekapazität C D 4187 J=.ıC kg) des Wassers ergibt sich beieiner Erwärmung um 30 ıC ein Wärmestrom

˚ D mC�#

tD 0;1

kg

s� 4187

JıC kg

� 30 ıC D 12:560J

sD 12;56 kW :

Bei einem Wirkungsgrad von 80 % ist somit eine elektrische Heizleistung P D12,56 kW=0;8 D 15; 7 kW erforderlich. Der Heizstrom I und der Widerstand R desHeizkörpers werden

I D P=U D 15:700 W=230 V D 68;3 A R D 230 V=68;3 A D 3;37 � :

Stromkosten K D 15,7 kW 3=60 h � 0,2AC=kWh D 0,157AC

Beispiel 1.18

Gegeben ist die Schaltung nach Abb. 1.34 mit den Widerständen R1 D 4 �, R2 D20 �, R3 D 30 � und R4 D 50 �.

Es ist der Ersatzwiderstand Re der Kombination zu bestimmen.

R3 und R4 sind in Reihe geschaltet, damit gilt nach Gl. 1.19

R3, 4 D R3 C R4 D 30 � C 50 � D 80 � :

R2 und R3, 4 liegen parallel, damit gilt nach Gl. 1.21

R2�4 D R2 � R3;4

R2 C R3;4

D 20 � � 80 �

20 � C 80 �D 16 � :

Page 43: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.1 Gleichstrom 43

Abb. 1.34 Widerstandskombi-nation zu Beispiel 1.18

R1 und R2�4 liegen wieder in Reihe und ergeben den Gesamtwiderstand

Re D R1 C R2-4 D 4 � C 16 � D 20 � :

Beispiel 1.19

Ein Spannungsteiler nach Abb. 1.16a soll bei U D 12 V die Spannung UL0= 6 V

erzeugen. Die Leerlaufverluste dürfen maximal Pv0D 10 mW betragen.

Wie sind die Widerstände R1 und R2 zu wählen?

Nach Gl. 1.23b sind für UL0D 0;5 U mit R1 D R2 gleichgroße Widerstände zu

wählen.

Für die Verlustleistung gilt dann nach Gl. 1.13b

PvoD U 2

R1 C R2

und damit R1 D R2 D U 2

2Pv0

D .12 � V/2

2 � 0;01WD 7;2 � k� :

Beispiel 1.20

Wie groß ist der Wirkungsgrad des Teilers in Beispiel 1.19 bezogen auf einen Verbrau-cher mit RV D 22;8 k�?

Nach Gl. 1.23a gilt für die Spannung bei Belastung mit Rv

Uv D 12 V

1 C 1.1 C 7;2 �=22;8 �/D 5;18 V :

Damit wird Pab D U 2v =Rv D .5;18 V/2=22;8 k� D 1;18 mW.

Der Ersatzwiderstand der Schaltung ist Re D R1CR2kRv D 7;2 k�C7;2 k�k22;8 k�

D 12;67 k�.

Damit wird die zugeführte Leistung Pzu D U 2=Re D .12 V/2=12;67 k� D 11;36 mW.

Wirkungsgrad � D Pab=Pzu D .1;18 mW=11;36 mW/ 100 % D 10;4 %.

Der schlechte Wirkungsgrad ist der Grund, warum ohmsche Teiler nicht in der Ener-gietechnik eingesetzt werden.

Page 44: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

44 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Aufgabe 1.15

Ein Generator mit dem Innenwiderstand Ri D 0;1 � versorgt über Leitungen mitRL D 0;1 � einen Verbraucher. Wie groß ist dessen Widerstand RL, wenn er 90 %der Generatorleistung erhält?

Ergebnis: RL D 1;8 �

Beispiel 1.21

Auslegung und Kapazität von Batterien und Akkumulatoren

Für eine Stabtaschenlampe sind vier Trockenbatterien mit jeweils 1,5 V, 6 Ah vorgese-hen und eine Glühlampe 6 V, 1,2 W.

Wie viel Stunden tE kann die Lampe bei voller Entladung betrieben werden?

Die Lampe benötigt nach Gl. 1.6 den Strom I D P=U D 1,2 W=6 V D 0,2 A.

Um die Lampenspannung von 6 V zu erreichen, sind alle vier Zellen in Reihe zu schal-ten. Die verfügbare Ladung bleibt dann Q D 6 Ah und nach Gl. 1.4 reicht sie beitheoretisch voller Entladung für

tE D Q=I D 6 Ah=0;2 A D 30 Stunden :

1.2 Elektrisches Feld undmagnetisches Feld

1.2.1 Elektrisches Feld

1.2.1.1 Größen des elektrischen Feldes, KondensatorSchon in Abschn. 1.1.1.1 wurde dargestellt, dass sich zwischen zwei Platten, an denen eineSpannung U anliegt, ein elektrisches Feld aufbaut. Diese durch Feldlinien darstellbareErscheinung übt auf elektrische Ladungen Q Kräfte F nach den folgenden Gleichungenaus.

F D QE U D El (1.25)

Kondensator. Die Anordnung zweier gegeneinander isolierter metallischer Flächen wirdals Kondensator bezeichnet (Abb. 1.35). Sie trägt auf je einer Seite die Ladung CQ bzw.�Q, die der Isolator dazwischen – Dielektrikum genannt – voneinander trennt.

Page 45: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 45

Abb. 1.35 Plattenkondensator

Experimentell kann man nachweisen, dass Ladung Q und Spannung U zwischen denPlatten zueinander proportional sind. Es gilt demnach

Q D CU (1.26)

Hierin nennt man C die Kapazität des Kondensators, da sie das Fassungsvermögen desKondensators für elektrische Ladungen bei einer bestimmten Spannung angibt.

Aus Gl. 1.26 folgt C D Q=U und damit die Einheit 1 Farad (1 F) für die Kapazität.Es gilt die Einheitengleichung 1 F D 1 C=V D 1 As=V D 1 s=�.

Die Kapazität C eines Kondensators ist nur von den geometrischen Abmessungen so-wie der Art seines Dielektrikums (Luft, Papier, Porzellan usw.) abhängig und damit diewichtigste Kenngröße des Kondensators. Für den idealen Plattenkondensator mit den Ab-messungen nach Abb. 1.35 gilt z. B.

C D "A

a(1.27)

wobei A die Fläche, über die sich das homogene elektrische Feld erstreckt, und a derAbstand der Platten bedeuten. Die Materialgröße " wird Permittivität genannt und in dasProdukt

" D "0"r (1.28)

geteilt. Die Faktoren sind die elektrische Feldkonstante

"0 D 8;85 � 10�12 F=m (1.29)

und die relative Permittivität oder die Permittivitätszahl "r als Wert ohne Einheit. FürVakuum und angenähert auch Luft ist "r D 1. Für alle übrigen Isolierstoffe gelten dieAngaben in Tab. 1.37.

Abb. 1.36 Schaltzeichen eines Kondensators mit der Kapazität C mit Zuordnung von Spannungs-pfeil u und Strompfeil i

Page 46: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

46 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Tab. 1.37 Elektrische Isolierstoffe. Richtwerte für die Permittivitätszahl "r

Isolierstoff Bezeichnung "r Anwendungsgebiete (Beispiele)

Naturstoffe GlimmerQuarzglas

4 bis 84 bis 4,2

Trägerkörper für HeizwiderständeIsolatoren, Lampen, Röhren

Keramische Stoffe HartporzellanSteatitSonderstoffe

5 bis 6,55,5 bis 6,5bis 10.000

HochspannungsisolatorenSchaltereinsätzeHochfrequenzkondensatoren

Organische Stoffe HartgummiWeichgummi

3 bis 3,52,2 bis 2,8

Platten, Griffe, FormteileLeiterisolation, Isoliermatten

Papier HartpapierHartgewebe

4 bis 65 bis 8

Isolation von TransformatorenLeiterisolation von Kabeln

Isolieröle Transformatorenöl 2 bis 2,5 Isolation und Kühlung

Kunststoffe Polyvinylchlorid(PVC)

5 bis 5,8 Hart-PVC für Rohre, GehäuseWeich-PVC für Kabelisolation

Thermoplaste Polyethylen (PE)Polypropylen (PP)Polystyrol (PS)Styropor

2,32,252,5

Pressteile, HF-Kabel, Foliendto.HF-Spulenkörper, Kondensatorenaufgeschäumt (Wärmedämmung)

Aufgabe 1.16

Ein A4-Blatt (29,5 cm � 21 cm) der Stärke 0,2 mm wird beidseitig mit leitenderBronzefarbe besprüht. Welche Kapazität C lässt sich damit bei "r D 3 erreichen?

Ergebnis: C D 8,22 nF

Ladungsdichte. Bezieht man die auf den Kondensatorplatten in Abb. 1.35 vorhandeneLadung Q auf die Plattenfläche A, so erhält man die Flächenladungsdichte � D Q=A

in As=m2. Diese ist an der Grenzfläche zwischen einer Platte und dem Dielektrikum be-tragsmäßig gleich der sogenannten elektrischen Verschiebungsdichte D, welche wie dieFeldstärke E im ganzen Feldraum wirkt. Nach den Gl. 1.26 und 1.27 erhält man für diesein der Feldtheorie wichtige Größe die Vektorgleichung

ED D " � EE (1.30)

Beispiel 1.22

Zwei Metallplatten stehen sich im Abstand a D l D 1 mm in Luft gegenüber und sindan die Batteriespannung U D 12 V angeschlossen. Wie groß ist die Anzahl der durchdas elektrische Feld gebundenen Elektronen pro cm2 auf der Minusplatte?

Page 47: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 47

Aus der Feldstärke E D U=l D 12 V=10�3 m = 12 kV=m und Gl. 1.29 und 1.30 erhältman die Verschiebungsdichte

D D 8;85 � 10�12As=Vm � 12 kV=m D 10;62 � 10�8As=m2

D 10;62 � 10�12As=cm2 :

Nach Gl. 1.1 beträgt die Ladung eines Elektrons qE D �e, womit sich die Anzahl derElektronen zu

zE D D

eD 10;62 � 10�12As=cm2

0;16 � 10�18AsD 66 � 106 Elektronen=cm2 ergibt.

1.2.1.2 Influenz und PolarisationInfluenz. In Abb. 1.38 besteht zwischen den beiden positiv bzw. negativ aufgeladenengroßen Platten ein elektrisches Feld E. Zwei aneinanderliegende und ungeladene klei-ne metallische Platten 1 und 2 befinden sich zunächst außerhalb des Feldes (Stellung a).Sobald die Doppelplatte nun innerhalb des Feldes gerät (Stellung b), wirken auf die frei-en Elektronen im Metall nach Gl. 1.25 Kräfte, die sie entgegen der Feldrichtung an dieOberfläche der Platte 1 bewegen. Die Gegenplatte wird dann durch das Überwiegen derKernladung gleich stark positiv. Trennt man nun die Doppelplatte P12 noch im elektri-schen Feld (Stellung c), so erhält man zwei elektrisch geladene Platten. Man bezeichnetdiese Art der Aufladung als Influenz und spricht von influenzierten Ladungen. Werdendie Platten getrennt aus dem Feld genommen (Stellung d), so bleibt der Ladungszustanderhalten.

Abschirmung. In Stellung c von Abb. 1.38 entsteht zwischen den Platten P1 und P2

ein feldfreier Raum, da die an den äußeren Platten 1 und 2 endenden Feldlinien bereitsan der Oberfläche der inneren Metallfläche P1 und P2 ihre Gegenladung finden. DieseErscheinung wird zur Abschirmung elektrischer Felder z. B. von empfindlicher Elektronikgenützt.

Nach Abb. 1.39a befindet sich eine durch das Diodenzeichen gekennzeichnete Elektro-nik in einem elektrischen Feld und wird dadurch eventuell in seiner Funktion beeinflusst.Umgibt man nun die Elektronik mit einer Metallhülle M nach Abb. 1.39b, so werden dortGegenladungen influenziert und das Innere wird feldfrei. Man bezeichnet ein derartigesMetallgehäuse allgemein als Faradayschen Käfig.

Abb. 1.38 Influenzierte La-dungen auf einem PlattenpaarP12

Page 48: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

48 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.39 Abschirmung eineselektrischen Feldes. a Un-geschützte Elektronik imelektrischen Feld, b FeldfreierRaum durch eine Metallhül-le M

Abb. 1.40 Dipole D in einemDielektrikum

Polarisation. Die als Dielektrikum zwischen die beiden Platten eines Kondensators ge-brachten Isolierstoffe bestehen aus Molekülen, in denen die resultierenden Ladungen QC

P

und Q�P keinen gemeinsamen Schwerpunkt haben (Abb. 1.40). Man bezeichnet ein derar-

tiges Molekül als Dipol.Im elektrischen Feld EE0 eines Kondensators richten sich diese Dipole entsprechend der

nach F D QE auf sie wirkenden Kräfte in Feldrichtung aus und bilden so ein EigenfeldEED entgegen der Richtung von EE0. Die resultierende Feldstärke wird also mit E < E0

verringert. Bei vorgegebener konstanter Flächenladungsdichte � und damit auch D Dkonst. bedeutet dies nach Gl. 1.30 eine Vergrößerung der Permittivität ". Entsprechendihrer feldschwächenden Wirkung muss man daher wie in Tab. 1.37 aufgeführt, allen alsDielektrikum eingesetzten Isolierstoffe eine eigene Permittivitätszahl "r zuordnen.

1.2.1.3 Schaltung von KondensatorenParallelschaltung. In Abb. 1.41 sind eine Anzahl von Kondensatoren parallel geschaltetund damit an die gleiche Spannung U angeschlossen. Der Ersatzkondensator Ce soll nundie Parallelschaltung voll ersetzen, muss also die Gesamtladung Q D Q1 C Q2 C Q3

besitzen. Nach Gl. 1.26 gilt die Beziehung

CeU D C1U C C2U C C3U

und nach Division durch die Spannung U erhält man die Beziehung

Ce D C1 C C2 C C3 C : : : (1.31)

Die Einzelkapazitäten der parallelen Kondensatoren wird also einfach zu addieren.

Abb. 1.41 Schaltung vonKondensatoren. a Parallel-schaltung, b Ersatzschaltung

Page 49: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 49

Abb. 1.42 Schaltung vonKondensatoren. a Reihenschal-tung, b Ersatzschaltung

Abb. 1.43 Schaltung nachBeispiel 1.23

Reihenschaltung. In Abb. 1.42 sind eine Anzahl Kondensatoren in Reihe geschaltet. Fürdie einzelnen Teilspannungen gilt dann die Maschenregel nach Gl. 1.17 mit

U D U1 C U2 C U3 :

Alle Kondensatoren wurden durch denselben Strom aufgeladen und tragen damit die glei-che Ladung Q. Damit erhält man mit Gl. 1.26 die Beziehung

Q

CeD Q

C1

C Q

C2

C Q

C3

:

Für die Reihenschaltung gilt damit die Beziehung

1

CeD 1

C1

C 1

C2

C 1

C3

(1.32)

Die beiden Gleichungen für den Ersatzkondensator Ce haben den genau umgekehrtenAufbau wie die für den Ersatzwiderstand Re bei Reihen- oder Parallelschaltung von Wi-derständen.

Beispiel 1.23

Welche Kapazität Ce erhält man, wenn man zu zwei parallelen Kondensatoren vonjeweils C D 1 �F einen dritten von ebenfalls C D 1 �F in Reihe schaltet?

Die Parallelschaltung ergibt nach Gl. 1.31 den Wert Cp D 1 �F C 1 �F D 2 �F. Dieanschließende Reihenschaltung nach Gl. 1.32 dann

1=Ce D 1=Cp C 1=C D 1=.2 �F/ C 1=.1 �F/ D 3=.2 �F/ und damit Ce D 2=3 �F

Page 50: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

50 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Aufgabe 1.17

Welche Kapazität C2 muss man einem Kondensator mit C1 D 10 �F in Reiheschalten, damit Ce D 8 �F entsteht?

Ergebnis: C2 D 40 �F

1.2.1.4 Ladung von Kondensatoren, Energie des elektrischen FeldesSpannung und Strom des Kondensators. Die bei der Gleichspannung U auf den Plattendes Kondensators befindliche Ladung Q errechnet man nach Gl. 1.26. Diese Gleichungstellt eine spezielle Form der allgemein gültigen Gleichung

q D C u

dar, wobei q die auf den Platten vorhandene Ladung bei dem Augenblickswert u derSpannung ist. Ändert sich die Spannung u um du, so muss sich die Ladung um dq D C du

ändern.Die Änderung der Ladung um dq in der Zeit dt wird in der allgemein gültigen Form

durch einen Strom mit dem Augenblickswert

i D dq=dt

– anstelle der speziellen Form bei Gleichstrom nach Gl. 1.4 – hervorgerufen. Kombi-niert man obige Gleichungen, so erhält man die allgemeine Kondensatorgleichung für denStrom

i D C du=dt (1.33a)

oder durch Integration für die Spannung

u D 1

C

Z

i dt : (1.33b)

In Abb. 1.36 ist das genormte Schaltzeichen des Kondensators mit Zählpfeilen für Stromund Spannung dargestellt.

Ladung und Entladung eines Kondensators. In den Stromkreisen der Elektrotechnikwerden die Kondensatorplatten durch einen elektrischen Strom geladen, der der Minus-Platte Elektronen zuführt und von der Plus-Platte Elektronen abführt. Verbindet man in derSchaltung nach Abb. 1.44 den Kondensator C über einen Widerstand R und einen Schal-ter (mittlere Schalterstellung) mit der Gleichspannungsquelle U , so fließt nach Schließenkurzzeitig ein Strom, der durch einen vorübergehenden Ausschlag an dem empfindlichen

Page 51: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 51

Abb. 1.44 Schaltung für La-dung und Entladung einesKondensators

Strommesser nachgewiesen werden kann. Da Elektronen nicht durch den Isolator zwi-schen den Platten, hier Luft, hindurchströmen können, sammeln sie sich an der mit demnegativen Pol der Spannungsquelle verbundenen Platte an. Eine entsprechende gleicheZahl von Elektronen fließt während des Stromstoßes von der anderen Platte in Richtungzum positiven Pol der Spannungsquelle ab. Dadurch entsteht der Eindruck, als fließe derStrom – Ladestrom i genannt – durch den Luftraum zwischen den Platten hindurch. Wennder kurzdauerende Ladevorgang beendet ist, befindet sich auf der negativen Platte die La-dung �Q, auf der positiven Platte die Ladung CQ.

Zur Berechnung des Ladestroms i im Stromkreis nach Abb. 1.44 benutzt man die Ma-schenregel

Pu D 0, also

uR C uC � U D 0 oder U D uR C uC D iR C uC

Gl. 1.33 lautet nun

i D CduC

dt

Somit erhält man die Spannungsgleichung

U D RCduC

dtC uC D

duC

dtC uC

Das Produkt RC hat die Dimension einer Zeit und wird als Zeitkonstante des Ladevor-gangs bezeichnet

D RC (1.34)

Die obige Differentialgleichung hat für die Klemmenspannung des Kondensators die ma-thematische Lösung

uc D U.1 � e�t=� / (1.35)

Somit ergibt sich durch Differenzieren für den Ladestrom des Kondensators

i D C

�U�1

RCe�t=�

oder i D U

Re�t=� (1.36)

Obige Gleichung ergibt für t D 0 als erste Ladestromspitze i0 D U=R und damit einenWert, der nicht von der Kapazität C des Kondensators, sondern nur vom gesamten ohm-schen Widerstand R des Stromkreises abhängt. Ein Kondensator verhält sich nach dem

Page 52: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

52 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.45 Strom- und Span-nungsverlauf beim Aufladeneines Kondensators

Einschalten damit zunächst wie ein Kurzschluss. Danach steigt die Spannung nach einere-Funktion mit der Zeitkonstanten an, während der Strom ebenso abfällt. In Abb. 1.45sind beide Verläufe über dem Verhältnis t= aufgetragen. Bei t D 5 ist die Abweichungvom Endwert weniger als 1 %.

Entladung des Kondensators. Bringt man nach Beendigung des Ladevorgangs inAbb. 1.44 den Schalter in die untere Schaltstellung, dann wird der auf die Spannung U

aufgeladene Kondensator über den Widerstand R entladen. Unter Beibehaltung der inAbb. 1.44 eingezeichneten Spannungs- und Stromzählpfeile gilt nun

Xu D 0 d. h. uR C uC D 0

oder nach der Ableitung für den Ladevorgang

D duC

dtC uC D 0

Diese Differentialgleichung hat für die Klemmenspannung des Kondensators die Lösung

uC D U e�t=� (1.37a)

und für den Entladestrom des Kondensators

i D C�U

e�t=� oder i D �U

Re�t=� (1.37b)

Der Entladestrom hat also denselben Funktionsverlauf wie der Ladestrom, aber die entge-gengesetzte Richtung. Die Kondensatorspannung klingt nach einer Exponentialfunktionmit der Zeitkonstanten auf null ab (s. Abb. 1.46).

Energie des elektrischen Feldes. Nun lässt sich auch die im elektrischen Feld einesKondensators gespeicherte elektrische Energie We errechnen. Sie ist gleich der elektri-schen Energie W D s ui dt , die dem Kondensator während des Ladevorgangs zugeführt

Page 53: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 53

Abb. 1.46 Strom- und Span-nungsverlauf beim Entladeneines Kondensators

Abb. 1.47 VerlustbehafteterKondensator

wird. Wird er von uc D 0 auf die Spannung uc D Uc aufgeladen, so erhält man durchIntegration und mit Gl. 1.33a

We D C

UCZ

0

u du und damit We D 1

2CU 2

C (1.38)

Der Energieinhalt eines Kondensators wird in der Elektronik mehrfach genutzt. So er-halten Netzgeräte (Abb. 2.61) und Umrichterschaltungen (Abb. 4.87) Kondensatoren zurStützung der Gleichspannung. Mit den Werten für die Gleichrichterschaltung mit C-Glättung in Beispiel 2.12 nämlich C D 62;5 �F und U D 24 V erhält man über Gl. 1.38den Wert We D 0,018 Ws. Bei einem Frequenzumrichter mit C D 10:000 �F, U D 400 Vbeträgt der Energieinhalt immerhin We D 0,8 kWs.

Verlustbehafteter Kondensator. Das Ersatzschaltbild des verlustbehafteten Kondensa-tors (Abb. 1.47) enthält außer der Kapazität C einen parallel zu C geschalteten WiderstandRp, der die nicht verlustfreie Isolation zwischen den Kondensatorbelegungen berücksich-tigt und einen in Reihe zu C geschalteten Leistungswiderstand Rr, der den Widerstandder Platten („Belege“) darstellt. Die in den beiden Widerständen auftretende Stromwärmeentspricht den Energieverlusten des Kondensators.

Beispiel 1.24

Ein Plattenkondensator mit Luftdielektrikum ("r D 1) und der Plattenfläche 5 cm �4 cm D 20 cm2 hat einen Plattenabstand 0,5 mm.

Page 54: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

54 1 Grundlagen der Elektrotechnik

a) Welche Kapazität C hat der Kondensator?Mit den Gl. 1.27 bis Gl. 1.29 erhält man

C D "0"rA

aD 8;85 � 10�12 F

m � 1 � 20 cm2

0;5 mmD 8;85 � 10�14 F

cm � 20 cm2

0;05 cm

D 35;4 � 10�12 F D 35;4 pF

b) Welche Ladung Q ist auf den Platten vorhanden, wenn der Kondensator an dieGleichspannung 220 V gelegt wird? Wie groß ist die elektrische Feldstärke?Nach Gl. 1.26 und Gl. 1.25 sind

Q D CU D 35;4 � 10�12 F � 220 V D 7;79 � 10�9 C

E D U=l D 220 V=0;5 mm D 4;4 kV=cm

c) Welche elektrische Energie ist im elektrischen Feld zwischen den Platten gespei-chert?Die Energie folgt aus Gl. 1.38

We D 1

2C U 2 D 0;5 � 35;4 � 10�12 F � 2202 V2 D 0;857 � 10�6 J

d) Wie ändern sich C , Q und We, wenn der Kondensator statt Luft Kondensatorpapier("r D 5) als Dielektrikum hat?Nach vorstehendem Rechnungsgang beträgt die Kapazität C des Papierkonden-sators das Fünffache des Luftkondensators; entsprechend erhöhen sich die Wertevon Q und We. Man erhält somit

C D 177 pF Q D 39 � 10�9 C We D 4;28 � 10�6 J

e) Welche elektrische Leistung gibt dieser Kondensator beim Entladen innerhalb einerEntladezeit von 0,002 s im Mittel ab?

P D We

tD 4;28 � 10�6 Ws

2 � 10�3 sD 2;14 mW

Beispiel 1.25

Ein Kondensator mit C D 10 �F wird aufgeladen und vom Netz getrennt. Die nichtideale Isolierung zwischen den Elektroden und Anschlüssen ist durch einen Parallel-widerstand (Abb. 1.47) von Rp D 20 M� erfasst. Nach welcher Zeit t beträgt dieKondensatorspannung nur noch 10 % des Anfangswertes?

Nach Gl. 1.37a gilt uc=U D 0;1 D e�t=� und damit et=� D 10

Dies führt zu der Gleichung t= � ln e D ln 10 mit der Lösung t= D 2,3

Page 55: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 55

Mit D RC nach Gl. 1.34 erhält man t D 2;3 � 10 � 10�6 s=� � 20 � 106 � D 460 s D7,7 min.

Aufgabe 1.18

Mit welcher Spannung UC muss ein Kondensator mit C D 10 �F aufgeladen wer-den, damit er die Energie WC D 0,05 Ws speichert?

Ergebnis: UC D 100 V

Aufgabe 1.19

Für ein Umformverfahren wird ein Kondensator mit C D 500 �F auf UC D 1000 Vaufgeladen. Die Entladung in das Formwerkzeug erfolge vereinfacht durch einenRechteckimpuls der Breite t D 1 ms. Welchen Wert hat die Entladestromstärke I?

Ergebnis: I D 250 A

Aufgabe 1.20

Ein Kondensator wird über einen Widerstand von R D 1 k� aufgeladen. Das Zeit-diagramm des Entladestromes zeigt nach t D 0,02 s noch 50 % des Anfangswertesan. Wie groß ist die Kapazität C?

Ergebnis: C D 29 �F

1.2.2 Magnetisches Feld

1.2.2.1 Wirkungen immagnetischen FeldErdmagnetfeld. Mit dem Begriff Magnetfeld wird der Zustand eines Raumes beschrie-ben, in dem typische Erscheinungen auftreten. Es sind dies vor allem die Ablenkung einerKompassnadel, die Ausrichtung von Eisenteilchen oder die Induktion von Spannungenin Leiterschleifen. So ist auf allen Punkten der Erdoberfläche das allerdings nur schwacheErdmagnetfeld vorhanden, das durch Wirkungen aus dem flüssigen Erdinnern entsteht undden grundsätzlichen Verlauf nach Abb. 1.48a hat. Seine Lage ist gegenüber der Erdachseverschoben und so gerichtet, dass der magnetische Südpol in der Nähe des geografischenNordpols (Arktis) liegt. In Europa treten die Feldlinien damit in das Erdinnere ein. Eine

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56 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.48 Darstellung einesMagnetfeldes mit Feldlinien.a Magnetfeld der Erde, b Feldeines Hufeisenmagneten

Kompassnadel richtet sich in Feldrichtung, d. h. zum magnetischen Südpol aus und weichtdaher um einen Deklination genannten Winkel gegenüber dem geografischen Nordpol ab.

Zur zeichnerischen Darstellung von Magnetfeldern verwendet man – ähnlich wie beimelektrischen Feld – Feldlinien, die auf einem geschlossenen Weg beim Nordpol austreten.Abbildung 1.48b zeigt dies am Beispiel des früher in der Messtechnik und bei Lautspre-chern verwendeten Hufeisenmagneten aus einer Eisenlegierung.

Erzeugung starker Magnetfelder. Zur Erzeugung von Kräften bzw. Drehmomenten undvon elektrischen Spannungen in elektrischen Maschinen, Transformatoren, Elektroma-gneten usw. benötigt man starke Magnetfelder, die etwa vier Zehnerpotenzen stärker alsdas Magnetfeld der Erde sind. Diese Felder werden von den in den Wicklungen dieserGeräte fließenden elektrischen Strömen hervorgerufen. Die Ursache für das Entstehen derin der Technik benutzten Magnetfelder sind also die in den Wicklungen transportiertenelektrischen Ladungen.

Der Ausbildung starker Magnetfelder in Luft mit einfachen gestreckten Leiternsind Grenzen gesetzt. Das um einen solchen Leiterdraht sich ausbildende Magnetfeld(Abb. 1.49a) kann aber verstärkt werden, wenn man den Draht zu Windungen formt undviele solcher Windungen neben- und übereinander legt, d. h. eine Wicklung, Magnetspuleoder Erregerspule fertigt (Abb. 1.49b). Eine weitere wesentliche Verstärkung des Ma-gnetfeldes erhält man, wenn aus dieser Luftspule eine Eisenspule gemacht wird. Hierzuschiebt man die Spule über eine möglichst in sich geschlossene Anordnung aus magneti-sierbarem Eisen und gestaltet diese so, dass sich das Magnetfeld soweit wie möglich stattin Luft nunmehr in Eisen ausbildet (Abb. 1.49c). Bei elektrischen Maschinen ist in dieserAnordnung zwischen rotierendem Läufer und Ständer, bei Elektromagneten zwischenAnker und Joch ein Luftspalt erforderlich, während bei Transformatoren der Eisenkernaus Schenkeln und Jochen zusammengesetzt völlig eisengeschlossen, also ohne Luftspaltausgeführt werden kann.

Durch Vergrößern oder Verkleinern des Stroms in den Erregerspulen kann das Magnet-feld verändert (verstärkt oder geschwächt) werden. Dies wird besonders bei elektrischenMaschinen ausgenutzt, bei Gleichstrommotoren z. B. zur Drehzahlsteuerung.

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1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 57

Abb. 1.49 Magnetische Felder, Erzeugung und Darstellung

Nach dem Aufwand, um die Richtung des Magnetfeldes im Eisen zu wechseln, un-terscheidet man zwischen weich- und hartmagnetischen Materialien. Ersteres sind alleElektrobleche für Maschinen und Transformatoren. Hier genügt ein geringer negativerStrom, um den Magnetismus aufzuheben. Bei hartmagnetischen Werkstoffen für Dauer-oder Permanentmagnete ist dazu eine starke Gegenerregung nötig.

1.2.2.2 Magnetische FeldstärkeMagnetfeld des stromdurchflossenen Leiters. In einem Versuch nach Abb. 1.50 werdenauf eine Ebene senkrecht zu einem zunächst stromlosen, gestreckten Leiter Eisenfeilspänegestreut. Mehrere gleiche auf der Ebene aufgestellte Magnetnadeln stellen sich dann unterdem Einfluss des magnetischen Erdfeldes zunächst in Nord-Süd-Richtung ein. Leitet mannun durch den Leiter einen Strom I , so richten sich die Eisenfeilspäne längs Kreisen umden Mittelpunkt des Leiters aus, und die Magnetnadeln stellen sich tangential zu diesenKreisen ein.

In der Umgebung des Leiters wird durch den elektrischen Strom also ein Magnetfeldhervorgerufen, dessen Feldlinien konzentrische Kreise um den Mittelpunkt des Leitersdarstellen. So wie das elektrische Feld durch elektrische Feldlinien und die elektrischeFeldstärke EE, wird das magnetische Feld durch magnetische Feldlinien dargestellt unddurch den Vektor der magnetischen Feldstärke EH beschrieben.

Vektor der magnetischen Feldstärke EH . Allgemein ist die Richtung von EH in ei-nem beliebigen Punkt P durch die Tangente an die durch P gehende Feldlinie so ver-einbart, dass in P der Nordpol einer Magnetnadel in die Richtung EH weist. Im Falldes stromdurchflossenen Leiters kann die Feldrichtung aus der Stromrichtung nach derRechtsschraubenregel bestimmt werden: Eine in Richtung des Stromes I vorgetriebenerechtsgängige Schraube gibt durch ihren Drehsinn die Richtung von EH an (Abb. 1.50).Hieraus folgt, dass sich bei der Umkehr der Stromrichtung auch die Richtung von EH um-kehrt (Abb. 1.50b); im Versuch nach Abb. 1.50a drehen sich die Magnetnadeln dann alsoum 180ı.

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58 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.50 Magnetfeld desstromdurchflossenen Leiters:˝ Strom tritt senkrecht in dieZeichenebene ein, ˇ Stromtritt senkrecht aus der Zeichen-ebene aus

Abb. 1.51 Zur Erläuterung desDurchflutungsgesetzes

Um den Betrag H der magnetischen Feldstärke an beliebigen Punkten P angeben zukönnen, kann man beispielsweise experimentell ermitteln, welches Drehmoment M erfor-derlich ist, um die Magnetnadel aus ihrer natürlichen tangentialen Lage herauszudrehen.Messungen in verschiedenen Punkten ergeben, dass das Drehmoment M proportional demLeiterstrom I und umgekehrt proportional dem Abstand r der Punkte von der Leiterachseist

M H D cI

r:

Setzt man c D 1=2� , so steht im Nenner l D 2�r , wobei l die Länge einer Feldlinie mitdem Radius r ist. Somit ergibt sich für den Betrag H der magnetischen Feldstärke

H D I

2�r(1.39)

Der Strom durch die von einer beliebigen magnetischen Feldlinie berandeten Flächeist also gleich dem Produkt aus dem längs der Feldlinie konstanten Betrag H der ma-gnetischen Feldstärke und der Länge l der betreffenden Feldlinie (Abb. 1.51). Diese fürdas Magnetfeld des stromdurchflossenen Leiters gültige Aussage ist ein spezieller Fall desAbschn. 1.2.2.4 noch allgemein zu besprechenden Durchflutungsgesetzes. Die Einheit dermagnetischen Feldstärke ist 1 A=m. In der Praxis wird H häufig in A=cm angegeben; esgilt 1 A=m D 0,01 A=cm.

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1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 59

Abb. 1.52 Verlauf der magne-tischen Feldstärke H durcheinen geraden stromdurchflos-senen Leiter

Beispiel 1.26

Durch einen gestreckten Kupferdraht von 2 mm Durchmesser fließt der Strom 15 A.Man berechne und zeichne die magnetische Feldstärke H außerhalb und innerhalb desLeiters längs eines Strahls durch den Leitermittelpunkt.

Nach Abb. 1.52 tritt der Strom I D 15 A senkrecht aus der Zeichenebene und füllt denLeiterquerschnitt gleichmäßig aus. Die magnetischen Feldlinien sind konzentrischeKreise um den Leitermittelpunkt und ihre Richtung ergibt sich nach der Rechtsschrau-benregel im Gegensinn des Uhrzeigers.

Außerhalb des Leiters berandet jede beliebige Feldlinie mit dem Radius r � r0 eineKreisfläche, durch die der Leiterstrom I fließt.

Nach Gl. 1.39 kann der Verlauf der Feldstärke H außerhalb des Leiters in Abb. 1.52gezeichnet werden (Hyperbel). Ihr maximaler Betrag H0 ist an der Leiteroberfläche(r D r0/ vorhanden:

H0 D I

2�r0

D 15 A

2� � 1 � 10�3 mD 2390 A=m D 23;9 A=cm

Innerhalb des Leiters sind die Feldlinien ebenfalls Kreise um den Leitermittelpunkt.Eine beliebige Feldlinie mit dem Radius r � r0 berandet eine Kreisfläche �r2, durch dieder Strom I�r2=�r2

0 D Ir2=r20 fließt, da die Stromdichte im Leiter J D I.�r2

0 / ist.Somit ist

Ir2

r20

D H � 2�r und hieraus H D I

2�r20

r

Im Leiter steigt die Feldstärke also nach Abb. 1.52 linear an (Ursprungsgerade).An der Leiteroberfläche (r D r0) ergibt sich wieder derselbe Wert wie oben

H0

I

2�r0

D 2390 A=m D 23;9 A=cm :

Page 60: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

60 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Aufgabe 1.21

In einer Elektrolyseanlage führt ein rundes Kupferkabel den Strom I D 105 A.Welche Flussdichte B entsteht im Abstand r D 1 m Luftlinie?

Ergebnis: B D 0,02 T

1.2.2.3 Magnetische Flussdichte (Induktion)Vektor der magnetischen Flussdichte EB . Wenn man den Raum um den stromdurch-flossenen Leiter in Abb. 1.50 statt mit Luft ganz mit Eisen ausfüllt, den isolierten Leiterdemnach beispielsweise in die Bohrung eines massiven Eisenzylinders einführt, ändertsich bei gleichem Strom I weder etwas an dem dort gezeigten Feldlinienverlauf noch ander Richtung von EH . Aber auch der Betrag H der Feldstärke bleibt nach Gl. 1.39 unbeein-flusst, da Strom I und Feldlinienlänge l gleich bleiben. Andererseits wurde der allgemeinbekannte Einfluss vor allem des Eisens auf das Verhalten magnetischer Felder in der Ein-leitung von Abschn. 1.2.2 schon erwähnt. Demnach genügt es also offenbar nicht, einMagnetfeld allein mit der magnetischen Feldstärke EH zu beschreiben, vielmehr ist dieEinführung einer zweiten magnetischen Feldgröße erforderlich, die den Unterschied zwi-schen Anordnungen mit Luft und mit Eisen erfasst.

Diese zweite magnetische Feldgröße ist der Vektor der magnetischen Flussdichte EB ,auch magnetische Induktion genannt.

Die Einheit der magnetischen Flussdichte (Induktion) ist 1 Tesla (1 T). Es gilt

1 T D 1 Vs=m2 :

Die Richtung von EB ist an jedem Punkt dieselbe wie die von EH . Sie kann z. B. in Abb. 1.50an jedem Punkt einer magnetischen Feldlinie durch die dort vorhandene Tangente nach derRechtschraubenregel angegeben werden.

Der Betrag B richtet sich nach dem magnetischen Verhalten des Materials, in dem sichdas Magnetfeld ausbildet. Es wird durch dessen Permeabilität � (magnetische Durch-lässigkeit) ausgedrückt. Allgemein gilt für den Zusammenhang der beiden magnetischenFeldgrößen EB und EH

EB D � EH und B D �H (1.40)

Die Permeabilität D B=H hat nach den vorstehenden Größengleichungen die Einheit

1Vs=m2

A=mD 1 � s=m :

Die Zusammensetzung mehrerer magnetischer Felder zu einem resultierenden Feld erfolgtfür die Vektoren EB und EH an jedem Punkt nach den Gesetzen der Vektorenrechnung, alsogeometrisch, wie z. B. bei Kräften in der Mechanik.

Page 61: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 61

Abb. 1.53 Magnetisierungskennlinien B D f .H/: a Elektroblech, kornorientiert in Walzrichtungmagnetisiert, b Elektroblech und Stahlguss, c Legiertes Blech, d Gusseisen

Unmagnetische und magnetische Stoffe. Im Vakuum und mit großer Annäherung auchin allen unmagnetischen Stoffen kann D 0 gesetzt werden, so dass nach Gl. 1.40 gilt

EB D 0EH mit den Beträgen B D 0H : (1.41)

Für die Permeabilität des Vakuums, die magnetische Feldkonstante, gilt

0 D 0;4� � 10�6 � s=m 1;25 � 10�6 � s=m : (1.42)

Bei magnetischen Stoffen ist die Permeabilität bis ca. 104fach größer als bei unmagne-tischen Stoffen. Dieselbe magnetische Feldstärke H ergibt also nach Gl. 1.40 eine weitgrößere Flussdichte B im Eisen als in Luft, wenn der gesamte Feldraum einmal ganz mitEisen und dann ganz mit Luft ausgefüllt gedacht wird. Es bilden sich demnach in Eisengewissermaßen weit mehr Feldlinien als in Luft aus. Die Permeabilität ist aber für einenmagnetischen Werkstoff keine feste Größe, sondern selbst wieder von der Feldstärke H

abhängig. Der Zusammenhang wird durch die sog.

Magnetisierungskennlinie B D f .H/ (1.43)

des magnetischen Werkstoffes dargestellt. In Abb. 1.53 sind solche Magnetisierungskenn-linien für einige besonders im Elektromaschinenbau verwendete Werkstoffe wiedergege-ben. Gelegentlich ist es zweckmäßig, als dimensionslose Größe die Permeabilitätszahl

r D =0 (1.44)

zu verwenden, so dass anstelle von Gl. 1.40 auch

EB D r0EH und B D r0H

Page 62: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

62 1 Grundlagen der Elektrotechnik

gesetzt werden kann. Für unmagnetische Stoffe gilt r D 1 nach Gl. 1.41, für magnetischeStoffe ist r � 1.

Beispiel 1.27

Unter einer Bahnstromleitung, die nach Durchfahrt eines ICE einen Strom I D 200 Aführt, befindet sich ein ebenerdiger Übergang. Eine Person hat unter der Oberleitungauf Kopfhöhe den Abstand r D 5,3 m zur Drahtmitte.

Es ist die magnetische Flussdichte B , der diese Person momentan ausgesetzt ist, abzu-schätzen.

Nach Kombination der Gl. 1.39 und 1.41 gilt für die magnetische Flussdichte im Ab-stand r

B D 0 � I

2� � rD 0;4 � � � 10�6 Vs

Am� 200 A

2� � 5;3 mD 7;55 �T

Felder dieser Art, vor allem auch unter Hochspannungsleitungen, werden heute alsElektrosmog bezeichnet und stehen unter Kritik. Die nach Empfehlungen von Exper-tenkommissionen zulässigen Grenzwerte von B � 100 �T sind daher umstritten.

Aufgabe 1.22

Wie groß ist die relative Permeabilität "r in einem Kreis aus Elektroblech mit denDaten B D 0,8 T und H D 2 A=cm

Ergebnis: r D 3183

1.2.2.4 Magnetischer Fluss, DurchflutungsgesetzMagnetischer Fluss. In Abschn. 1.2.2.2 wurde gezeigt, dass an jedem Punkt eines Ma-gnetfeldes die Feldvektoren EH und EB gleiche Richtung haben. Die Bezeichnung magne-tische Flussdichte für EB und ihre Einheit 1 T = 1 Vs=m2 deuten bereits daraufhin, dasssich der magnetische Fluss ˚ eines homogenen Magnetfeldes, der die Fläche A senkrechtdurchsetzt, aus dem Produkt von Flussdichte B und Fläche A ergibt. Dann gilt für denmagnetischen Fluss

˚ D BA (1.45)

Die Einheit des magnetischen Flusses ist 1 Vs = 1 Wb (Weber); nach Gl. 1.45 ist

1 T � 1 m2 D 1 Vs

m2m2 D 1 Vs D 1 Wb :

Page 63: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 63

Bei inhomogenem Magnetfeld und beliebiger Lage der Fläche A zu den Feldlinien giltallgemein

˚ DZ

EB d EA (1.46)

Das Magnetfeld des stromdurchflossenen Leiters in Abb. 1.50 ist ein Beispiel für ein nichthomogenes Feld.

Beispiel 1.28

An einem Holzhaus mit Blitzableiter führt an einer Kante eine senkrechte Ableitung Aaus Stahldraht in die Erde. Im Haus wird durch Leitungen eine senkrechte Fläche derLänge l und der Breite b gebildet, deren Abstand zur Drahtmitte von A den Radius r0

hat.

Es ist der magnetische Fluss ˚ , der die Leiterschleife durchsetzt, zu berechnen, wennder Ableiter den Blitzstrom I führt.

Nach Beispiel 1.27 gilt für die Flussdichte außerhalb des Leiters die Gleichung

B D 0 � I

2� � r

Für den Fluss erhält man durch Anwendung von Gl. 1.46 und mit dem äußersten Ab-stand r1 D r0 C b zur Drahtmitte

˚ DZ

B dA Dr1Z

r0

0I

2�rl dr D 0I l

2�

r1Z

r0

dr

rD 0

I l

2�ln

r1

r0

˚ D 0 � l

2�� I � ln

1 C b

r0

Formeln dieser Art werden zur Berechnung von Spannungen benötigt, die in Gebäudendurch einen impulsartigen Blitzstrom entstehen.

Aufgabe 1.23

Wie groß ist die Blitzstromspitze I nach Beispiel 1.28, wenn innerhalb eines Rah-mens mit den Daten l D 1 m und b D r0 ein momentaner Fluss ˚ D 2 mV sinduziert wird?

Ergebnis: I D 14.430 A

Page 64: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

64 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.54 Magnetischer Kreismit unterschiedlichen Teilstre-cken

Durchflutungsgesetz. Nun kann das in Abschn. 1.2.2.2 schon speziell für das Magnet-feld eines stromdurchflossenen Leiters angewandte Durchflutungsgesetz I D Hl auch inder allgemein gültigen Form

PI D P

Hl erläutert werden, wie es zur Berechnung dermagnetischen Kreise von elektrischen Maschinen, Elektromagneten, Magnetkupplungenusw. benötigt wird.

Als Beispiel dient der in Abb. 1.54 skizzierte Elektromagnet, um dessen Kern 1 eineSpule mit der Windungszahl N gelegt ist. Ist die Spule vom Strom I durchflossen, soentsteht auf dem Weg über den Luftspalt und das Joch 2 ein magnetisches Feld mit demFluss ˚ , der durch eine mittlere Feldlinie dargestellt ist. Für diesen Fluss steht durch diegleich gerichtete Wirkung aller Windungsströme die Durchflutung

� DX

I D NI (1.47a)

zur Verfügung. Da die Eisenquerschnitte A in den Teilen 1 und 2 nicht gleich sind, ent-stehen dort nach Gl. 1.45 verschiedene Flussdichten B , was wiederum nach Gl. 1.41eigene Feldstärken H verlangt. Diese Teilfeldstärken H1 für Teil 1, H2 für Teil 2 undH3 für die beiden Luftspalten muss die Durchflutung � längs der Teilstrecken l1, l2 undl3 aufbringen. Sie teilt sich damit in die Anteile H1l1, H2l2 und H3l3 auf, was durch dasDurchflutungsgesetz mit

� D NI D H1 � l1 C H2l2 C : : : DX

Hl bzw. � DI

EH dEl (1.47b)

ausgedrückt wird.In der praktischen Berechnung komplizierter magnetischer Kreise, wie sie z. B. bei

elektrischen Maschinen vorliegen, muss man auf dem Weg der Feldlinien für jeden neuenQuerschnitt A die zugehörige magnetische Flussdichte B ausrechnen und für sie aus derMagnetisierungskennlinie die erforderliche Feldstärke H heraus suchen. Durch Multipli-kation mit der Teilweglänge l ergibt sich das nötige Produkt Hl und damit in der Additionnach Gl. 1.47b das für den Magnetkreis erforderliche Produkt NI .

In der heutigen Praxis existieren für die Berechnung der magnetischen Kreise vonMotoren, Magneten usw. PC-Rechenprogramme, mit denen auch der Feldlinienverlaufgrafisch dargestellt werden kann.

Page 65: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 65

Abb. 1.55 Magnetisierungs-Kennlinien mit Neukurve und Hystereseschleife. a WeichmagnetischesMaterial (Elektroblech), b hartmagnetisches Material (Dauermagnet)

1.2.2.5 Magnetische Hysterese, Energie des MagnetfeldesHysterese, Remanenzinduktion, Koerzitivfeldstärke. Untersucht man messtechnischden in Abb. 1.53 dargestellten Zusammenhang B D f .H/ für magnetische Werkstoffegenauer, dann erhält man, ausgehend vom unmagnetischen Zustand des Werkstoffes, beiSteigerung der magnetischen Feldstärke H durch Steigerung des Erregerstroms die Ma-gnetisierung durch die gestrichelt gezeichnete Neukurve in Abb. 1.55. In ihrem oberenTeil lässt die Neukurve deutlich die magnetische Sättigung erkennen.

Wird jetzt der Erregerstrom und damit H wieder bis auf H D 0 verringert, dann liegennun die Beträge der magnetischen Flussdichte B über denen der Neukurve. Zu einembestimmten Wert von H gehören also bereits zwei verschiedene Werte von B , je nach der„Vorgeschichte“ des Eisens, d. h. je nachdem ob steigende oder fallende Magnetisierungvorliegt. Diese für alle ferromagnetischen Werkstoffe typische Erscheinung nennt manHysterese.

In der Hysterese liegt zunächst die Remanenzinduktion Br des Eisens begründet, beider Feldstärke H D 0 bleibt also die magnetische Flussdichte Br im Eisen zurück. Umden remanenten Magnetismus mit B D 0 aufzuheben, muss sodann durch Umkehrungdes Erregerstroms eine der ursprünglichen Feldstärke entgegen gerichtete magnetischeFeldstärke, die Koerzitivfeldstärke HC aufgebracht werden. Steigert man nun den Erre-gerstrom weiter bis zur Sättigung, senkt ihn anschließend wieder auf null und steigert ihnschließlich wieder in der ursprünglichen Richtung, so durchläuft man entsprechend deneingezeichneten Pfeilen den ausgezogenen Kurvenzug, die Hystereseschleife.

Elementarmagnete. Die beschriebenen magnetischen Erscheinungen können hinrei-chend erklärt werden, wenn man sich die Atome eines magnetischen Werkstoffes alskleine Dauermagnete mit je einem Nord- und Südpol vorstellt. Im unmagnetischen Zu-stand sind die Elementarmagnete ungeordnet. Die Magnetisierung längs der Neukurvebedeutet dann eine allmähliche Ausrichtung der Magnetchen in die Feldrichtung von H .

Page 66: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

66 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Bei Sättigung sind nahezu alle Elementarmagnete ausgerichtet. Bei abnehmender Er-regung „klappen“ infolge der inneren Reibung nicht alle wieder in den ungeordnetenAnfangszustand „zurück“, eine Restmagnetisierung bleibt bestehen. Bei abgeschalteterErregung sind demnach immer noch ausgerichtete Elementarmagnete vorhanden, d. h.es besteht eine Remanenz. Erst durch eine Erregung in umgekehrter Richtung wird derungeordnete Zustand wiederhergestellt, hierzu benötigt man die Koerzitivkraft.

Weich- und hartmagnetische Werkstoffe. Wird die Wicklung eines magnetischen Krei-ses von Wechselstrom durchflossen, so wird das Eisen im Takte der Frequenz entlang derHystereseschleife ummagnetisiert. Dies bedeutet eine ständige Umorientierung der Ele-mentarmagnetchen, was zu einer Erwärmung des Eisens führt. Die dafür erforderlicheLeistung ist proportional zum Flächeninhalt der Hystereseschleife, womit man von Hys-tereseverlusten spricht. Sie liegen bei B D 1 T und einer 50 Hz-Ummagnetisierung etwaim Bereich von 1 bis 2 W pro Kilogramm Elektroblech. Bleche der Stärke 0,25 bis 0,5 mmanstelle von Massivmaterial sind einmal mit Rücksicht auf die Herstellung der Teile durchstanzen, aber auch zur Minderung der in Abschn. 1.2.3.4 erläuterten Wirbelströme erfor-derlich.

Zur Führung von magnetischen Wechselfeldern verwendet man daher zur Minimierungder Hystereseverluste Eisen in Form von Elektroblechen mit einer möglichst schmalenSchleife (Abb. 1.55a). Genau entgegengesetztes Verhalten ist aber bei Dauermagneten er-wünscht. Einmal entlang der Neukurve aufmagnetisiert, soll das Material eine möglichsthohe Remanenzflussdichte Br behalten. Ferner soll durch eine große KoerzitivfeldstärkeHC eine Entmagnetisierung durch Fremdfelder vermieden werden. Dauermagnete be-sitzen daher Kennlinien nach Abb. 1.55b. Man erreicht heute mit Legierungen aus derGruppe der Seltenen Erden wie Samarium oder Neodym Werte von Br � 1,4 T undjHCj � 1000 kA=m.

Energie des Magnetfeldes. Befindet sich in dem Volumen V eines Stoffes ein homo-genes Magnetfeld mit den Größen H und B , so ist die magnetische Energie Wm imVolumen V

Wm D 1

2BHV (1.48)

Setzt man B in Vs=m2, H in A=m und V in m3 ein, so ergibt sich Wm in Vs=m2 �A=m m3 D V As D J.

Sind die Feldgrößen im Volumen V nicht homogen, so ergibt sich Wm durch Summie-ren der Energieteile dWm in den Volumenteilen dV

dWm D 1

2BH dV Wm D

Z

dWm D 1

2

Z

BH dV (1.48a)

Page 67: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 67

Abb. 1.56 Ringspule zu Beispiel 1.29. a Abmessungen, b Luftspule, c Spule mit Eisenkern

Beispiel 1.29

In einer Ringspule aus Stahlguss mit den Abmessungen nach Abb. 1.56a soll ein Ma-gnetfeld mit dem Fluss ˚ D 1;544 � 10�3 Vs erzeugt werden. Hierzu ist entlang desUmfangs eine Wicklung mit N D 200 verteilt (Abb. 1.56c).

a) Welchen Strom I muss die Spule führen?Nach Gl. 1.45 entsteht im Ring die magnetische Flussdichte

B D ˚

AD 1;544 � 10�3 Vs

965 � 10�6 m2D 1;6 T :

Für diese Flussdichte ist nach Kurve b in Abb. 1.53 eine magnetische Feldstärkevon H D 40 A=cm erforderlich. Bei einer mittleren Weglänge von l D 45,5 cmwird nach Gl. 1.47 die Durchflutung

IN D Hl D 40 A=cm � 45;5 cm D 1820 A

benötigt. Dies verlangt einen Spulenstrom von

I D 1800 A=200 D 9 A :

b) Wie groß wird der Fluss ˚ , wenn der Stahlgussring entfernt, d. h. eine Luftspulenach Abb. 1.56b vorhanden ist. Der Spulenstrom bleibt I D 9 A.Nach Gl. 1.41 erzeugt die Feldstärke von H D 40 A=cm im Spuleninnern die Fluss-dichte

B D 0H D 0;4 � � � 10�6 � Vs

Am� 4000

A

mD 0;005 T :

Dies ergibt den Fluss

˚ D BA D 0;005Vs

m2� 965 � 10�6 m2 D 4;825 � 10�6 Vs :

Dieser Wert ist 1;544 � 10�3=4;825 � 10�6 = 320-mal kleiner als unter a). Der Stahl-guss hat also im Betriebspunkt die relative Permeabilität r D 320.

Page 68: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

68 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.57 Magnetischer Kreiszu Beispiel 1.30

Beispiel 1.30

Der magnetische Kreis eines Elektromagneten aus Elektroblech nach Abb. 1.57 hat dieDaten: Querschnitte: A1 D 150 mm2, A2 D A1, A3 D 100 mm2.

Mittlere Feldlinienlängen: l1 D 150 mm, l2 D 1 mm, l3 D 80 mm.

Im Luftspalt soll eine Flussdichte von B1 D B2 D 1,0 T entstehen.

Es ist der Spulenstrom I bei D 500 Windungen zu bestimmen.

Es wird vereinfachend angenommen, dass der magnetische Fluss im ganzen Kreis kon-stant ist. Dann wird

˚ D B2A2 D 1;0 T � 150 � 10�6 m2 D 150 � 10�6 Vs :

Dies ergibt

B3 D ˚

A3

D 150 � 10�6 Vs

100 � 10�6 m2D 1;5 T

Nach Kurve b in Abb. 1.53 werden für die Teile 1 und 3 die Feldstärken H1 D 3 A=cmund H3 D 20 A=cm benötigt. Für einen Luftspalt gilt

H2 D B2

0

D 1 Vs � A m

m2 � 0;4 � � � 10�6 VsD 0;796 � 106 A

m

Die Durchflutungsanteile errechnen sich zu

H1l1 D 3A=cm � 15 cm D 45 A

H2l2 D 0;797 � 106 A=m � 1 � 10�3 m D 797 A

H3l3 D 20 A=cm � 8 cm D 160 A

Nach Gl. 1.47b ergibt dies die erforderliche Durchflutung

� D H1l1 C 2H2l2 C H3l3 D 45 A C 1594 A C 160 A D 1799 A

Bei N D 500 Windungen benötigt man den Spulenstrom I D �=N D 1799 A=500 D3;59 A.

Page 69: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 69

Aufgabe 1.24

Der magnetische Kreis in Abb. 1.57 habe keinen Luftspalt und die Länge l D200 mm. Wie groß ist die Flussdichte B im Eisen bei I D 1 A und N D 100,wenn die Kennlinie b in Abb. 1.53 anzunehmen ist?

Ergebnis: B D 1,2 T

1.2.3 Kräfte und Spannungserzeugung immagnetischen Feld

1.2.3.1 Kräfte imMagnetfeldKräfte zwischen den Magnetpolen. An den senkrecht zur magnetischen Flussrichtunggelegenen Trennflächen verschiedener Stoffe in einem magnetischen Kreis, z. B. zwischenEisen und Luft, treten magnetische Kräfte auf, die bei Elektromagneten, magnetischenAufspannplatten, Bremslüftmagneten, elektromagnetischen Kupplungen, Schaltschützen,Relais usw. ausgenutzt werden. Den Betrag der dabei auftretenden Kraft kann man auseiner Energiebetrachtung herleiten.

Im Luftraum zwischen dem feststehenden Joch und dem beweglichen Anker einesElektromagneten (Abb. 1.58) ist ein homogenes Magnetfeld mit den Feldgrößen EH und EBvorhanden. Das Magnetfeld füllt das durch die Polfläche A und den Luftspalt lL gebildeteVolumen V D AlL gleichmäßig aus, so dass in ihm nach Gl. 1.48 die magnetische Energie

Wm D 1

2BHAlL

gespeichert ist. Da in Luft nach Gl. 1.41 B D 0H gilt, wird

Wm D 1

2� B2

0

AlL :

Nähert sich der bewegliche Anker unter dem Einfluss der Kraft EFm um ein Stück dl demJoch, so muss nach dem Energieprinzip die von EFm längs des Weges dl verrichtete Arbeit

Abb. 1.58 Kraft Fm zwischenMagnetpolen

Page 70: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

70 1 Grundlagen der Elektrotechnik

gleich der Abnahme der magnetischen Energie im Luftraum sein. Es gilt demnach

Fmdl D 1

2� B2

0

A dl

Hieraus erhält man den Betrag dieser Kraft, die Zugkraftformel

Fm D 1

2� B2A

0

(1.49)

Die magnetische Zugkraft eines Elektromagneten mit gegebener Polfläche A ist also nurvon der Flussdichte B im Luftraum abhängig. Bei konstanter Erregung mit Gleichstromsteigt während des Anzugs des Ankers die Zugkraft an, da mit kleiner werdendem Luft-spalt die Flussdichte B größer wird. Die Haltekraft, das ist die Kraft bei am Joch anlie-gendem Anker, beträgt meist ein Vielfaches der Anzugskraft bei größtem Luftspalt desMagneten.

Die Richtung der magnetischen Kraft EFm an den Trennflächen zwischen zwei Stoffenzeigt stets zum Stoff mit der kleineren Permeabilität hin, an den beiden Trennflächen desMagneten in Abb. 1.58 also in den Luftraum hinein. Diese Richtung ist unabhängig vonder Feld- und damit auch der Stromrichtung in der Erregerspule des Magneten.

Aufgabe 1.25

Es gelten die Daten aus Beispiel 1.30. Mit welcher Kraft F wird das Joch 3 inAbb. 1.57 vom Kern 1 angezogen?

Ergebnis: F D 179 N

Aufgabe 1.26

Ein Kran mit langgestrecktem Elektromagnet erreicht aufliegend B D 1,2 T undsoll 5 m lange Doppel-T-Träger aus Stahl (% D 7,8 t=m3) mit dem Querschnitt Q D200 cm2 sicher abladen. Welchen luftseitigen Querschnitt A muss der Magnet min-destens haben?

Ergebnis: A > 134 cm2

Kräfte auf stromdurchflossene Leiter im Magnetfeld. In Abb. 1.59 befindet sich einLeiter der Länge l , der den Strom I führt, in einem homogenen Magnetfeld der Fluss-dichte B . Nach der Maxwellschen Theorie der Elektronenbewegung entstehen in dieser

Page 71: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 71

Abb. 1.59 Magnetische KraftEFm auf einen stromdurchflos-

senen Leiter im Magnetfeld (a)und Bestimmung der Richtungder magnetischen Kraft EFm

nach der Rechtsschraubenre-gel (b)

Anordnung auf die Ladung gerichtete Kräfte. Sie werden als Lorentz-Kraft bezeichnetund ergeben sich aus dem Vektorprodukt (Kreuzprodukt)

EF D Q.Ev � EB/ :

Es entsteht eine Kraft EF senkrecht zur Fläche, welche die Vektoren der Flussdichte B

und der Geschwindigkeit v der Ladungen aufspannen. Mit den bekannten BeziehungenQ D I t und v D I=t wird daraus eine für die Praxis zugeschnittene Gleichung nach

EFm D I.El � EB/ (1.50)

Stehen Leiter und Magnetfeld wie stets bei elektrischen Maschinen senkrecht aufeinan-der, so vereinfacht sich Gl. 1.50 zu

Fm D I lB (1.50a)

Die Richtung der Kraft Fm erhält man leicht nach Abb. 1.59b über die Anwendung derRechtsschraubenregel.

Kräfte zwischen stromdurchflossenen Leitern. In Abb. 1.60 verlaufen zwei Leiter mitden Strömen I1 und I2 im Abstand a parallel. Durch ihre Magnetfelder entstehen zwi-schen ihnen Kräfte, die sich unmittelbar aus Gl. 1.50 berechnen lassen. So erzeugt z. B.der Strom I2 nach den Gl. 1.39 und 1.40 beim Leiter 1 die Flussdichte

B2 D 0

I2

2� � a

was entsprechend Gl. 1.50 zu der Beziehung

Fm D 0 � l

2� � a� I1 � I2 (1.51)

führt.

Page 72: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

72 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.60 Kräfte zwischenzwei Leitern. a gleiche Strom-richtung, b entgegengesetzteStromrichtung

Abb. 1.61 Versuchsanord-nung zum Induktionsgesetz.M Fremdmagnet, S Spule

Bei gleicher Stromrichtung erhält man eine positive Kraft im Sinn einer Anziehung,bei entgegengesetzter Richtung stoßen sich die Leiter ab.

Obiges Ergebnis erhält man in Abb. 1.60 anschaulich durch die Feldbilder. Die Über-lagerung der Felder I1 und I2 ergibt bei gleicher Stromrichtung ein Gesamtfeld, das dieLeiter umfasst und quasi wie mit Gummifäden zusammenführt. In anderen Fall drückt esdie Leiter auseinander.

Induktionsgesetz. In Abb. 1.61 erzeugt ein Elektromagnet M mit seinem Strom IM einenmagnetischen Fluss ˚ , der am Nordpol austritt. Der Fluss durchsetzt vollständig alle N

Windungen einer darüber liegenden Spule S , die über einen zunächst offenen Schaltermit einem Widerstand R belastet ist. Ein Voltmeter misst eine mögliche Spannung uq, einAmperemeter den Strom i D uq=R.

Ergebnis: Solange der Fluss ˚ sich nicht ändert, zeigt das Voltmeter uq D 0 an. Diesändert sich erst, wenn man den Magnetstrom IM erhöht oder auch absenkt. Im ersten Fallwird der Fluss ˚ mit d˚=dt > 0 verstärkt und das Voltmeter zeigt eine positive Spannunguq im Sinne des Zählpfeiles an. Im anderen Fall verringert sich mit d˚=dt < 0 der Flussund es entsteht in der Zeit der Änderung eine negative Spannung uq. Damit ergibt sich dieallgemeine Aussage:

Eine induzierte Spannung entsteht nur während der Zeit einer Flussänderung

Diese Aussage formuliert das Induktionsgesetz durch die Gleichung

uq D N � d˚

dt(1.52)

Wie noch gezeigt wird, ist es dabei gleichgültig ob die Flussänderung in den N Windun-gen durch eine Feldänderung in der ruhenden Spule oder durch deren Bewegung erfolgt.

Page 73: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 73

Lenzsche Regel. Schließt man in Abb. 1.61 den Schalter, so fließt der eingetrageneStrom i , wobei die Zählpfeile von uq und i für den Fall eines Anstiegs von ˚ gewähltsind. Damit fließt in den N Windungen der Spule ein Strom, dessen Eigenfeld ˚i die-sem rechtshändig zugeordnet ist, also von oben nach unten und damit dem Fremdfeld ˚

entgegengerichtet ist. Die von i erzeugte Durchflutung N i versucht also die positiveFlussänderung d˚=dt > 0 zu verhindern – wirkt ihr entgegen. Im Falle eines abnehmen-den Flusse mit d˚=dt < 0 würde sich die Richtung von i umkehren und die DurchflutungN i würde das Feld ˚ stützen und damit wieder der Feldänderung entgegenwirken. Inbeiden Fällen gilt also:

Ein induzierter Strom wirkt immer der ihn hervorrufenden Flussänderungentgegen.

Dieses Gesetz besagt allgemein, dass eine Wirkung immer seiner Ursache entgegengerich-tet ist. So entsteht z. B. bei einer durch eine Kraft bewegten Masse auf dem Untergrundeine Reibung (Wirkung), welche die Bewegung (Ursache) hemmt.

Vorzeichen. In Formelsammlungen usw. wird Gl. 1.52 vielfach mit einem Minuszei-chen versehen. Dies ist nicht erforderlich, wenn man die Zählpfeile von ui und i wiein Abb. 1.61 definiert und damit die durch die Lenzsche Regel erzwungene linkshändigeZuordnung von Strom i und dem verursachenden Magnetfeld ˚ beachtet. Bleibt man beieiner rechtshändigen Zuordnung der beiden Größen, so muss man dies durch das Minus-zeichen korrigieren.

Beispiel 1.31

Nimmt der magnetische Fluss in einer Spule mit 20 Windungen in 0,5 s gleich-mäßig von 4 Vs auf 7 Vs zu, dann ist in jeder Windung die Flussänderung d˚ D.7 � 4/ Vs D 3 Vs und die zeitliche Flussänderung d˚=dt D 3 Vs=0;5 s D 6 V. Somitist während der Dauer der Flussänderung nach Gl. 1.52 die Spannung an der Spuleuq D N d˚=dt D 20 � 6 V D 120 V.

Aufgabe 1.27

In einer Spule mit N D 100 Windungen wird während �t D 0,1 s eine Spannungvon 100 V induziert. Welchen Endwert hat der Fluss ˚ , wenn er in der Zeit von nulllinear ansteigt?

Ergebnis: ˚ D 0,1 Vs

Page 74: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

74 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.62 a Selbstinduktionin einer Ringspule (Luftspule),b Schaltzeichen einer Spulebzw. Induktivität, c Ersatz-schaltung einer realen Spule

Aufgabe 1.28

Eine Zündspule soll für die Zeitspanne �t D 50 ms eine Spannung von U q =1 kV liefern. Welche Windungszahl N ist erforderlich, wenn eine Feldänderung�˚=�t D 0,8 Vs=s möglich ist?

Ergebnis: N D 1250

1.2.3.2 Spannungserzeugung durch Selbstinduktion, InduktivitätSelbstinduktion. Eine einfache Möglichkeit, Flussänderungen in der Windungsfläche ei-ner Spule zu bewirken, besteht darin, durch diese Spule aus einer Spannungsquelle u einenzeitlich sich ändernden Strom i zu schicken (Abb. 1.62a). Die hierdurch bedingten Fluss-änderungen d˚=dt induzieren ihrerseits in den einzelnen Windungen der Spule selbstSpannungen. Diese Erscheinung nennt man Selbstinduktion, weil die induzierte Span-nung durch den Spulenstrom selbst, also ohne ein fremdes Magnetfeld hervorgebrachtwird. Nach der Lenzschen Regel wird die induzierte Spannung ihre Ursache, also z. B.einen Feldaufbau bei ansteigendem Strom i , zu behindern versuchen. Der Strom wirddamit auch ohne ohmschen Spulenwiderstand begrenzt, was man der Wirkung der Induk-tivität L als Kenngröße einer Spule zuschreibt.

Ideale Spule. An einer Spule mit N Windungen tritt nach Gl. 1.52 die Quellenspannunguq D N d˚=dt auf. Nimmt man eine widerstandslose Luftspule also ideale Spule mitR D 0 an, so gilt beim Fließen eines Stromes i auch für die Klemmenspannung u derSpule

u D N d˚=dt :

Bei allen ausschließlich sich in Luft ausbildenden Magnetfeldern ist nach Ab-schn. 1.2.2.3 der Fluss proportional dem ihn erregenden Strom i . Mit den oben her-geleiteten magnetischen Gesetzen

˚ D BA B D 0H iN D Hl

erhält man

˚ D BA D 0HA D 0

NA

li

Page 75: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 75

Somit ergibt sich

u D Nd˚

dtD 0

N 2A

l

di

dtoder u D L

di

dt(1.53)

Diese Gleichung gibt den allgemein gültigen Zusammenhang zwischen den Augenblicks-werten der Spannung u und des Stromes i einer idealen Spule an.

Induktivität. Die Größe L heißt Induktivität der Spule. Nach Gl. 1.53 folgt aus

L D u

di=dtihre Einheit

1 V

A=sD 1 �s D 1 H (Henry) :

Eine ideale Spule hat demnach die Induktivität 1 H, wenn bei einer zeitlichen Stromän-derung von 1 A=s an den Klemmen der Spule die Spannung 1 V herrscht. In Abb. 1.62bzeigt das genormte Schaltzeichen für eine Induktivität L.

Für eine Ringspule in Form der Luftspule gilt nach der obigen Herleitung

L D 0

N 2A

l(1.54)

In diesem Fall ist L eine feste Größe, die allein von der geometrischen Form (A, l) und derWindungszahl N der Spule abhängt. Bei Eisenspulen sind die Verhältnisse verwickelter.In Gl. 1.54 tritt anstelle von 0 die Permeabilität des Eisens, die nach der Magnetisie-rungskennlinie von der Durchflutung und somit vom Strom abhängt.

Beispiel 1.32

Man berechne die Induktivitäten der Spulen aus Abb. 1.56 für Beispiel 1.29. Für dieLuftspule ergibt sich nach Gl. 1.54

LL D 0 � N 2A

lD 0;4 � � � 10�6 Vs

A m� 2002 � 965 � 10�6 m2

0;455 mD 0;107 mH :

Bei der Spule mit Gusseisenring ist die Induktivität entsprechend dem Wert der rela-tiven Permeabilität r stromabhängig. Bei dort I D 9 A wurde r D 320 bestimmt.Damit wird

LFe D rLL D 320 � 0;107 mH D 34;1 mH :

Magnetische Energie. Nimmt eine Induktivität L in der Zeit dt die elektrische EnergiedW D ui dt auf, so muss nach dem Energieprinzip in derselben Zeit die magnetischeEnergie in der Spule um einen gleich großen Betrag dWm zunehmen: dWm D dW .

Nach Gl. 1.53 erhält man somit

dWm D ui dt D Ldi

dti dt D Li di :

Page 76: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

76 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Steigt in einer Spule mit der Induktivität L der Strom von i D 0 auf i D I an, so ergibtsich die gespeicherte magnetische Energie durch Integration zu

Wm D L

IZ

0

i di und damit Wm D 1

2L I 2 (1.55)

Während man elektrische Energie mit We D 0;5 CU 2 nach Gl. 1.38 zumindest grund-sätzlich durch Aufladen eines Kondensators speichern kann, würde dies bei magnetischerEnergie das Aufrechterhalten eines ständigen Stromes bedeuten. Zudem entstehen durchden ohmschen Widerstand R der Spule in der Induktivität L Wärmeverluste, so dass dieseMöglichkeit der Energiespeicher keine Bedeutung hat.

Die höchsten Werte Wm finden sich in den Erregerspulen von elektrischen Maschinenund betragen z. B. bei einem Gleichstrommotor pro Pol bei L = 0,2 H und I = 5 A Wm =2,5 Ws.

Reale Spule. In einer realen, also nicht widerstandslosen Spule nach Abb. 1.62c tritt ander Induktivität L die Spannung uL D L di=dt Gl. 1.53 auf. Außerdem ist am Wider-stand R der Spule nach dem Ohmschen Gesetz die Spannung uR D iR erforderlich, sodass nach der Maschenregel für die Klemmenspannung gilt

u D uR C uL oder u D iR C L di=dt

Das Ersatzschaltbild einer Spule mit ohmschem Widerstand R besteht demnach aus einerReihenschaltung von R und L.

Aufgabe 1.29

Ein Stahldraht zur Ableitung des Blitzstromes gegen Erde habe eine Induktivitätvon L D 1 H. Welche Spannung U entsteht zwischen Einschlagpunkt und Erdebei einem Blitzstrom I D 40 kA in der Zeitspanne �t D 40 s?

Ergebnis: U D 1 kV

Aufgabe 1.30

Die magnetische Energie einer stromdurchflossenen Wicklung mit L D 0;2 H be-trägt Wm D 90 Ws. Beim Öffnen eines Schalters möge der Strom innerhalb von�t D 10 ms linear auf null abklingen. Welche Überspannung tritt am Schalter auf?

Ergebnis: U D 600 V

Page 77: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 77

Abb. 1.63 Verfahren der Spannnungsinduktion. a Außenpolgenerator, b Innenpolgenerator,c Transformatorprinzip

1.2.3.3 Transformatorische und rotatorische SpannungserzeugungNach dem Induktionsgesetz entsteht dann in einer Wicklung (Spule) eine Spannung, wennsich der mit ihr verkettete magnetische Fluss ändert. Wie dies erfolgt, ist ohne Bedeutung,so dass verschiedene Verfahren möglich sind:

• Die induzierte Wicklung kann wie in Abb. 1.63c mit einer anderen (Primärwicklung)magnetisch gekoppelt sein, in der sich der Primärstrom und damit auch das gemein-same Magnetfeld periodisch ändert. Dies ist die Technik der Transformatoren, die inAbschn.4.2 besprochen werden.

• Die induzierte Wicklung kann sich mit der Drehzahl n in einem zeitlich konstantenMagnetfeld z. B. eines Dauermagneten wie in Abb. 1.63a bewegen und dadurch ihreVerkettung mit dem Magnetfluss ˚ ändern.

• Die induzierte Wicklung kann selbst ruhen und sich ein Magnetfeld auf einem mit derDrehzahl n rotierenden Läufer an ihr vorbeibewegen (Abb. 1.63b).

Die beiden letzten Verfahren werden für die Konstruktion von Generatoren verwendet,wobei für die Generatoren in Kraftwerken die Innenpolvariante zum Einsatz kommt. Hierliegt die induzierte Wicklung im Ständer als feststehenden Teil der Maschine, womit keineGleitkontakte für die Entnahme des Verbraucherstromes nötig sind.

In der Technik in Abb. 1.63c wird im Unterschied zu den beiden anderen elektri-sche Energie nicht durch Umwandlung mechanischer Arbeit des Antriebs erzeugt, son-dern elektrische Energie nur auf einen anderen Spannungswert umgewandelt. Die in Ab-schn. 4.2 besprochenen Transformatoren werden daher auch als Umspanner bezeichnet.Da beide Wicklungen vom selben Fluss ˚ durchsetzt sind, erhalten sich nach

Uq1

Uq2

D N1

N2

(1.56)

die beiden Spannungen wie die Windungszahlen ihrer Wicklungen.

Bewegungsspannung. Erfolgt wie in den Varianten a) und b) die Feldänderung durcheine Relativbewegung, so verwendet man gerne den Begriff der Bewegungsspannung und

Page 78: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

78 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.64 Bestimmung einer Bewegungsspannung. a Bewegter Leiter L im ruhenden Magnet-feld B , b Senkrechte Zuordnung der Größen in Gleichung uq D Blv, c Ruhender Leiter L imbewegten Magnetfeld

bestimmt sie durch Umformung des Induktionsgesetzes in eine spezielle Beziehung. InAbb. 1.64a sind zwei parallele leitende Schienen durch einen Spannungsmesser verbun-den. Ihr Abstand l entspricht der Länge eines beweglichen Leiters L an der Stelle x. Dieganze Fläche innerhalb der Schienen füllt ein homogenes Magnetfeld der Dichte B aus.

Bewegt sich der Leiter l mit der Geschwindigkeit v nach rechts, so vergrößert sich dermit der Windung aus Leiter – Schienen – Messgerät verkettete Fluss ˚ um den Anteil

�˚ D B�A D Bl�x :

Mit �x=�t D v und der Windungszahl N D 1 erhält man für die in einem Stab der Län-ge l induzierte Spannung die einfache Gl. 1.57. Vorausgesetzt ist dabei die in elektrischenMaschinen immer zutreffende senkrechte Zuordnung aller Größen (Abb. 1.64b).

uq D Blv (1.57)

Dasselbe Ergebnis erhält man nach Abb. 1.64c, wo der Leiter fest auf den Schienen liegtund sich das Magnetfeld mit der Geschwindigkeit v bewegt. Auch hier erfährt die Win-dung pro Zeiteinheit eine Feldänderung �˚ , so dass sich wieder eine induzierte Spannungnach Gl. 1.57 ergibt. Da in der Praxis stets eine Wicklung mit N Windungen gegeben ist,von denen eine Seite im Bereich eines Nord- die andere im Bereich des Südpols liegt,erhält man für die 2N Leiter der Wicklung die insgesamt induzierte Spannung zu

Uq D 2NBlv : (1.58)

Die Wirkung von Magnetfeld und Bewegung erhält man auch über das totale Differenzialvon Gl. 1.52 mit

uq D N � d˚x,t

dtD N � d˚

dx� dx

dt: (1.59)

Page 79: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 79

Nach dieser Gleichung ist direkt zu erkennen, dass bei konstanter Relativgeschwindig-keit v D dx=dt der zeitliche Verlauf der induzierten Spannung von der räumlichen Ge-stalt des Magnetfeldes entsprechend der Änderung mit d˚=dx abhängt. Will man für dieSpannung Sinuskurven erhalten, muss der Feldverlauf also möglichst einer Sinuswelleentsprechen.

Beispiel 1.33

Ein zweipoliger Generator nach Abb. 1.63a erhält im Ständer ein Magnetfeld von kon-stant B = 0,8 T das zu 70 % die Halbkreisfläche des Läufers bedeckt. Der Läufer miteinen Durchmesser d = 30 cm und der Länge l = 40 cm trägt N = 50 in Reihe geschal-tete Windungen.

a) Bei welcher Drehzahl n des Läufers entsteht in der Wicklung die Spannung Uq =500 V?Die vom Nord- und gegenüberliegenden Südpol nach Gl. 1.57 induzierten Leiter-spannungen haben eine entgegengesetzte Richtung und addieren sich damit. Dabeiwerden 70 % der Leiter induziert. Zwischen Drehzahl n und Umfangsgeschwindig-keit v der Leiter gilt v D d�n. In Gl. 1.58 eingesetzt und nach n aufgelöst, ergibtdie Gleichung

n D Uq

0;7 � 2 N � B � l � d � �D 500 V

0;7 � 100 � 0;8 T � 0;4 m � 0;3 m � �

D 23;68 � s�1 D 1421 � min�1

b) In den Leitern fließt der Strom I = 50 A. Wie groß ist das Drehmoment M desLäufers?Das Drehmoment entsteht durch die Summe aller tangentialen Kräfte F nachGl. 1.50 multipliziert mit dem Läuferradius als Hebelarm, also

M D d

2�X

F mitX

F DX

BlI D 0;7 � 2 N � B � l � I

Damit M D 0;5 d � 0;7 � 2 N � B � l � I

M D 0;15 m � 0;7 � 100 � 0;8 Vs=m2 � 0;4 m � 50 A D 168 Ws D 168 N m

1.2.3.4 WirbelströmeEntstehung der Wirbelströme. Wird ein Magnetfeld ˚ in einem massiven Eisenkerngeführt, so kann man sich den Querschnitt nach Abb. 1.65a in viele in sich geschlosseneWindungen mit der Leitfähigkeit des Eisens aufgeteilt denken. Die Windungen haben alleuntereinander Kontakt und bilden in der Summe eine leitende Fläche.

Page 80: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

80 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.65 Wirbelströme in ei-nem Eisenkern. a Freie Bahnender Ströme iw in Massivmate-rial M , b Kern aus isoliertenElektroblechen der Stärke d

Nach dem Induktionsgesetz entstehen nun bei jeder Feldänderung in den gedachtenWindungen mit der Windungszahl N D 1 nach uw D d˚=dt Spannungen, die ent-sprechend dem Widerstand rw der Windung Ströme iw D uw=rw hervorrufen. In derQuerschnittsfläche fließen also bei jeder Feldänderung flächenhafte Ströme iw, die manWirbelströme nennt.

Unterdrückung der Wirbelströme. Würde man in der elektrischen Energietechnik dieEisenkerne von Spulen, Transformatoren, elektrischen Maschinen und Geräten, in denensich magnetische Wechselfelder ausbilden, als massive Bauteile ausführen, so würden sichdie Wirbelströme wegen des relativ kleinen elektrischen Widerstandes dieser Bauteile mitihren großen Querschnitten nahezu ungehindert ausbilden können und erhebliche Verlus-te und Erwärmungen wären die Folge. Um die mit der Frequenz wachsenden Verlusteso klein wie möglich zu halten, baut man die Eisenkerne aus gegeneinander isolierten,dünnen Blechen auf, deren Berührungsflächen wie in Abb. 1.65b gezeigt quer zu denStrombahnen liegen. Innerhalb des kleinen Blechquerschnitts können sich die Wirbelströ-me nur noch schwach ausbilden. Verwendet man außerdem mit Silizium legierte Bleche,so lassen sich durch den damit wesentlich erhöhten ohmschen Widerstand die Wirbel-stromverluste noch weiter herabsetzen.

In der Hochfrequenztechnik werden besondere Kerne, sog. Massekerne oder Ferritker-ne, verwendet. Erstere bestehen aus feinstem Eisenpulver, das durch einen thermoplas-tischen Kunststoff isolierend gebunden wird. Die Ferritkerne bestehen aus sehr schlechtleitenden Eisenoxydgemischen, so dass dadurch die Bildung von Wirbelströmen unmög-lich ist.

Ausnutzung der Wirbelströme. Mit dem Auftreten von Wirbelströmen ist immer eineUmwandlung von mechanischer oder elektrischer Energie in Wärme verbunden. Diese istnicht immer unerwünscht, sie wird vielmehr in der Technik auch vielseitig ausgenutzt.

Die bekannteste Anwendung für die Umwandlung mechanischer Energie in Wärme istdie Wirbelstrombremse. Ihr Grundelement ist ein metallischer Körper, der im Magnetfeldeines Dauermagneten oder Elektromagneten bewegt wird. Beispiele hierfür sind:

• Bremsscheibe im Luftspalt des Dauermagneten eines elektrischen Zählers• Dämpferscheibe des beweglichen Messwerkes im Luftspalt des Dauermagneten eines

elektrischen Messinstrumentes

Page 81: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.2 Elektrisches Feld und magnetisches Feld 81

• Rotationskörper (z. B. Stahlzylinder) in einem durch einen Elektromagneten erregtenMagnetfeld einer Wirbelstrombremse (s. Abschn. 4.4.2).

Die Umwandlung elektrischer Energie in Wärme wird immer mehr bei der induktiven Er-wärmung von Werkstücken beim Schmieden, Löten oder Härten ausgenutzt. Im Innereneiner Spule befindet sich das elektrisch leitende Werkstück. Die Spule wird mit Wech-selstrom möglichst hoher Frequenz erregt, um ein rasch sich änderndes Magnetfeld unddamit durch die entstehenden Wirbelströme eine hohe Wärmekonzentration im Werkstückzu bekommen.

Beispiel 1.34

Wie groß ist die Anzugskraft auf das Joch 3 in Abb. 1.57 aus Beispiel 1.30?

Die Anzugskraft entsteht an beiden Luftspaltseiten bei jeweils B1 D 1,0 T und A1 D150 mm2. Sie beträgt damit nach Gl. 1.49

F D 2 � 1

2� B2

1 � A1

0

D .1;0 Vs/2 � A m � 150 � 10�6 m2

m4 � 0;4 � � � 10�6 VsD 119 N :

Wie groß ist die Anzugskraft bei anliegendem Joch und unverändert I D 3,59 A?

Ohne Luftspalt verteilt sich die Durchflutung � D 1797 A auf die beiden Feldlinien-strecken l1 und l3 nach der Gleichung

1797 A D H1.B1/ � l1 C H3.B3/ � l3

wobei sich die beiden Feldstärken in Abhängigkeit von B aus der Kennlinie für Elek-troblech in Abb. 1.53, Kurve b ergeben. Die obige Gleichung ist nur durch Probierenzu lösen und man erhält:

H1 D 6;7 A=cm bei B1 D 1;26 T und H3 D 212 A=cm bei B3 D 1;89 T :

Kontrolle: 6;7 A=cm � 15 cm C 212 A=cm � 8 cm D 1797 A

Anstelle B1 D 1 T besteht bei anliegendem Joch an der Kontaktfläche also die Fluss-dichte B3 D 1,26 T. Die Anzugskraft ändert sich quadratisch mit B , so dass der neueWert

F D 119 N � 1;262 D 190 N

beträgt.

Beispiel 1.35

Entlang des Umfangs einer Gleichstrommaschine sind N D 150 Windungen der An-kerwicklung untergebracht. Das Magnetfeld des Ständers hat im Mittel die FlussdichteB D 0,9 T, der Anker die Länge l D 35 cm bei einem Durchmesser von d D 25 cm.

Page 82: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

82 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Man berechne die Kraft Fm auf jeden Leiter und das im Innern der Maschine erzeugteDrehmoment Mi, wenn der Leiterstrom 10 A beträgt.

Nach Gl. 1.50 wird auf jeden Leiter die Kraft Fm ausgeübt.

Fm D BIl D 0;9Vs

m2� 10 A � 0;35 m D 3;15

J

mD 3;15 N

Insgesamt befinden sich z D 2N D 300 Leiter im Magnetfeld. Somit wird die gesamteUmfangskraft F D 300 � 3;15 N D 945 N und das im Innern der Maschine erzeugteDrehmoment

Mi D Fd

2D 945 N � 0;125 m D 118;1 N m :

Aufgabe 1.31

Der Anker in Beispiel 1.35 dreht sich mit n D 1200 min�1. Wie groß ist die in derAnkerwicklung induzierte Spannung, wenn die Wicklung zwei parallele Zweigehat?

Ergebnis: U D 742 V

1.3 Wechselstrom und Drehstrom

Die öffentliche Versorgung mit elektrischer Energie beruht heute weltweit auf der Er-zeugung von zeitlich sinusförmigen Wechselspannungen, die in der Drehstromtechnikmiteinander verbunden sind. Der Grund liegt in der in Gl. 1.56 definierten Möglichkeit,die elektrische Energie W D UI t stets auf ein vorteilhaftes Spannungsniveau U zu trans-formieren. So erfolgt die Fernübertragung zur Minderung der Verluste I 2R bei minimalerStromstärke und dafür möglichst hoher Spannung z. B. U = 380 kV während der Endver-braucher U = 230 V erhält.

1.3.1 Wechselgrößen und Grundgesetze

1.3.1.1 Sinusförmige Wechselgrößen (Sinusgrößen)Kenngrößen einer Sinusspannung. Bei der rotatorischen Spannungserzeugung nachAbb. 1.63b und Gl. 1.58 erhält man durch ein mit konstanter Drehzahl rotierendes räum-lich sinusförmiges Läufermagnetfeld in der ruhenden Ständerwicklung eine zeitlich sinus-förmige Spannung nach der Beziehung

u D Ou � sin 2�t

T

Page 83: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 83

Abb. 1.66 Zeitdiagramm ei-ner Wechselspannung

wobei Ou der Scheitelwert oder die Amplitude und T die Periodendauer der Sinusfunktionbedeuten (Abb. 1.66). Im Argument der Sinusfunktion wird

! D 2�

TD 2� � f (1.60)

als Kreisfrequenz bezeichnet, da mit t D T ein Fahrstrahl einen Kreisumfang umläuft.Den Kehrwert der Periodendauer bezeichnet man nach

f D 1

T(1.61)

als Frequenz f mit der Einheit 1=s D 1 Hz (Hertz).

Beispiel 1.36

Die Wechselspannungen in den Netzen der Kraftwerke haben in Deutschland einheit-lich die mit höchster Genauigkeit konstant gehaltene Frequenz 50 Hz, also 50 Peri-oden pro Sekunde. Die Wechselspannung der Deutschen Bundesbahn hat die Frequenz(50=3) Hz = 162=3 Hz. Somit gelten für die vorkommenden „technischen“ Wechsel-spannungen folgende Werte:

Öffentliche Versorgungsnetze

f D 50 Hz T D .1=50/ s D 0;02 s ! D 314 s�1

Bahnnetz der DB

f D 162=3 Hz T D .3=50/ s D 0;06 s ! D 104;7 s�1

Effektivwert. Hierunter versteht man den über eine Periodendauer T gebildeten quadra-tischen Mittelwert einer Wechselgröße. Liegt also z. B. eine Wechselspannung u bzw. einWechselstrom i mit den gegebenen Zeitfunktionen

u D Ou sin !t i D O� sin !t

vor, dann gilt für den Effektivwert U der Wechselspannung u bzw. den Effektivwert I desWechselstroms i

U D

vuuut

1

T

TZ

0

u2 dt I D

vuuut

1

T

TZ

0

i2 dt : (1.62)

Page 84: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

84 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.67 Messung der Effek-tivwerte

Mathematisch erhält man durch Einsetzen von u und i aus obigen Gleichungen bei sinus-förmigen Wechselgrößen allgemein die Effektivwerte

U D Oup2

D 0;707 Ou I D O�p2

D 0;707 O� : (1.63)

Mit den Effektivwerten U und I (Abb. 1.67) bestimmt man die „Effektivität“ des sinus-förmigen Verlaufs von Spannung und Strom über einer Periode. Mit P D U 2R D I 2R

errechnet man wie bei Gleichstrom jetzt die mittlere Leistung durch die Sinusgrößen.

Nullphasenwinkel, allgemeine Gleichungen. Mit den Gl. 1.63 lauten die Zeitfunktionennun

u D p2U sin !t i D p

2I sin !t

Bei der bisherigen Betrachtung war vorausgesetzt, dass die Zeitrechnung t D 0 jeweilsbeim positiven Nulldurchgang der Wechselgrößen beginnt. Wenn dies nicht der Fall ist,d. h. wenn bei t D 0 bei der Wechselspannung u ein Nullphasenwinkel 'u, beim Wechsel-strom i ein Nullphasenwinkel 'i vorhanden ist, lauten die allgemeinen Gleichungen derWechselgrößen

u D p2U sin.!t C 'u/ i D p

2I sin.!t C 'i / (1.64)

Beispiel 1.37

Wenn an den beiden Klemmen einer Steckdose (Abb. 1.67) eine Wechselspannung230 V, 50 Hz vorhanden ist, dann ist damit der Effektivwert U D 230 V und die Fre-quenz f D 50 Hz dieser Wechselspannung gemeint. Der Effektivwert entspricht demAugenblickswert bei t D T=8 bzw. !t D �=4 D 45ı (Abb. 1.67), während dieAmplitude bei t D T=4 D 0;005 s bzw. !t D �=2 D 90ı den weit größeren WertOu D p

2U D p2 � 230 V D 325 V erreicht; es gilt dann u D 325 V sin !t .

Entsprechend hat z. B. ein Wechselstrom von 5 A den Effektivwert I D 5 A, somitden Scheitelwert O� D p

2I D 7,07 A. Die Messinstrumente in Abb. 1.67 zeigen dieEffektivwerte 230 V bzw. 5 A an.

Page 85: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 85

Abb. 1.68 Sinusspannung u an Verbrauchern. a Ohmscher Widerstand, b Induktivität, c Konden-sator

Aufgabe 1.32

Bei der Aufzeichnung einer Sinusspannung mit f D 250 Hz wird fehlerhaft nurder Anfangsbereich der Kurve mit u D 2,5 V bei t D 1=3 ms angegeben. Es ist derEffektivwert U der Spannung zu bestimmen.

Ergebnis: U D 3,54 V

1.3.1.2 Belastungsarten imWechselstromkreisSpannungen und Ströme bei R, L, C -Belastung. Wie die nachstehenden Schaltbilderzeigen, sind nacheinander ein Widerstand R, eine Induktivität L und ein Kondensator C

an eine Sinusspannung u gelegt. Gesucht wird jeweils der zeitliche Verlauf des Stromes i

im betreffenden Bauteil, wozu die bereits bekannten Beziehungen aus den Gl. 1.7, 1.33und 1.53 verwendet werden.

u D iR u D L di=dt u D .1=C / s i dt (1.65)

Wird an die drei Bauelemente eine Sinusspannung nach

u D p2U � sin !t

angelegt, dann erhält man über die obigen Beziehungen die drei Stromgleichungen

iR D u

RiL D 1

L

Z

u dt iC D Cdu

dt(1.66)

iR D p2

U

Rsin !t iL D �p

2U

!Lcos !t iC D p

2U!C � cos !t (1.67a)

Mit � cos !t D sin.!t � �=2/ wird daraus

iR D p2

U

R� sin !t iL D p

2U

!Lsin

�!t � �

2

iC D �p2U!C � sin

�!t � �

2

�(1.67b)

Page 86: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

86 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Blindwiderstände. Bringt man die Ströme iL und iC in die allgemeine Form

i D p2I sin.!t � �=2/

so kann man in Erweiterung des Ohmschen Gesetzes die Stromeffektivwerte

IR D U

RIL D U

XLIC D U

XC(1.68)

angeben. Im Vergleich mit den Ergebnissen in Gl. 1.67 ist dabei definiert:Für eine Induktivität (ideale Spule) der induktive Blindwiderstand

XL D !L (1.69a)

Für eine Kapazität (Kondensator) der kapazitive Blindwiderstand

XC D � 1

!C(1.69b)

Das Minuszeichen bei XC berücksichtigt die gegenläufige Phasenlage des Kondensator-stromes im Vergleich zu dem einer Spule. Kondensatoren sind damit Lieferanten (Gene-ratoren) für induktive Ströme.

Will man mit den Leitwerten der drei Bauelemente rechnen, so gilt

G D 1=R BL D 1=XL BC D 1=XC

Zeitdiagramme. Abbildung 1.69 zeigt das Ergebnis der vorstehenden Berechnungen.Ausgehend von der Sinusspannung u sind die drei Ströme zugeordnet. Entsprechend denGl. 1.67 liegt iR in Phase mit seiner Spannung, während iL der Spannung um �=2.90ı)nacheilt. Der Kondensatorstrom iC eilt der Spannung �=2 vor und liegt damit stets gegen-läufig zu iL.

In Abb. 1.70 sind mit p D ui die momentanen Produkte von Spannung und Strom unddamit die Augenblicksleistung angegeben. Man erkennt, dass nur im Falle des Widerstan-des über eine Periode gemittelt ein Wert größer als null entsteht. In den beiden anderenFällen pendelt die Leistung p mit dem Mittelwert null um die Zeitachse. Die Bewertungdieser Ergebnisse erfolgt in Abschn. 1.3.1.4.

Die zeitliche Lage der Ströme zu ihrer Spannung wird durch Phasenverschiebungswin-kel ' ausgedrückt. Er ist als Winkel der Spannung gegen den Strom festgelegt.

' D 'u � 'i

Page 87: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 87

Abb. 1.69 Zeitlicher Verlaufdes Wechselstromes bei R-, L-und C -Belastung

Abb. 1.70 Zeitlicher Ver-lauf der Leistungen bei R-, L-und C -Belastung

Im Vergleich der Gl. 1.67 ergeben sich die Phasenwinkel:

R L C

' D 0ı ' D 90ı D �

2' D �90ı D ��

2(1.70)

Spannung und Strom Spannung eilt Strom Spannung eilt Stromin Phase um 90ı vor um 90ı nach

Bei der vorstehenden Herleitung wurden idealisierte („reine“) Bauteile sowohl als Spu-le (Induktivität L ohne R/ und als Kondensator (Kapazität C ohne R/ vorausgesetzt.Somit erhält man jeweils getrennt bei R die Wirkung des Strömungsfeldes, bei L dieWirkung des Magnetfeldes und bei C die Wirkung des elektrischen Feldes bei Wechsel-strom.

Beispiel 1.38

Ein Widerstand R D 200 � wird an die sinusförmige Wechselspannung 230 V, 50 Hzangeschlossen (Abb. 1.71). Man gebe die Wechselgrößen im Stromkreis an.

Abb. 1.71 Messung der Ef-fektivwerte U und I beiAnschluss von R, L und C

Page 88: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

88 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Für den Effektivwert des Wechselstromes ist nach Gl. 1.68

I D U=R D 230 V=200 � D 1;15 A :

Für die Amplituden der Wechselspannung und des Wechselstromes erhält man ausGl. 1.63

Ou D p2U D p

2 � 230 V D 325 V O� D p2I D p

2 � 1;15 A D 1;63 A :

Somit gelten als Zeitfunktionen der Wechselspannung Gl. 1.65 und des WechselstromsGl. 1.66 dieses Stromkreises

u D 325 V sin !t i D 1;63 A sin !t :

Prinzipielle (nicht maßstäbliche) Darstellung durch die Kurven u und iR in Abb. 1.70.

Beispiel 1.39

Eine Spule (R D 0) wird an ein Wechselspannungsnetz 230 V, 50 Hz angeschlossenund ein Wechselstrommessgerät zeigt einen Strom von 2 A an. Welche Wechselgrößentreten im Stromkreis auf?

Nach den Gl. 1.68 und 1.69a ergibt sich für die Induktivität L der Spule

L D U=I! D 230 V=.2 A � 314 s�1/ D 0;366 �s D 0;366 H :

Der Blindwiderstand XL beträgt

XL D U=I D 230 V=2 A D 115 � :

Für die Amplituden von Wechselspannung und Wechselstrom ergeben sich Ou D 325 Vund O� D p

2 � 2 A D 2;83 A. Somit gelten folgende Zeitfunktionen für Wechselspan-nung Gl. 1.67 und Wechselstrom

u D 325 V sin !t i D 2;83 A sin.!t � �=2/

Prinzipielle (nicht maßstäbliche) Darstellung durch die Kurven u und iL in Abb. 1.70.

Beispiel 1.40

Ein Kondensator wird an ein Wechselstromnetz 230 V, 50 Hz angeschlossen und einStrom von 0,5 A gemessen. Wie groß sind Kapazität und kapazitiver Blindwiderstand,welchen Betrag haben die Amplituden von Spannung und Strom?

Nach Gl. 1.67 ergibt sich für die Kapazität des Kondensators

C D I

U!D 0;5 A

230 V � 314 s�1D 6;92 � 10�6 s=� D 6;92 �F :

Page 89: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 89

Abb. 1.72 Frequenzverhaltenvon Wechselstromwiderstän-den

Der kapazitive Blindwiderstand nach Gl. 1.69b beträgt

XC D � 1

!CD � 106

314 s�1 � 6;92 s=�D �460 � :

Die Amplituden der Wechselspannung und des Wechselstroms sind Ou D 325 V und O� Dp2�0;5 A D 0;707 A. Somit gelten die folgenden Zeitfunktionen für Wechselspannung

Gl. 1.67 und Wechselstrom

u D 325 V sin !t i D �0;707 A sin.!t � �=2/

Prinzipielle (nicht maßstäbliche) Darstellung durch die Kurven u und iC in Abb. 1.70.

Beispiel 1.41

In der elektrischen Nachrichtentechnik spielt die Abhängigkeit der Wechselstromwi-derstände von der Frequenz eine wichtige Rolle.

Man berechne und stelle die Größen R, XL und XC aus den Beispielen 1.38 bis 1.40abhängig von der Frequenz (bis 500 Hz) in einem Schaubild (Abb. 1.72) maßstäblichdar.

Beispiel 1.38: R D 200 � D konstant, also unabhängig von der Frequenz

Beispiel 1.39: XL D !L D 115 � bei 50 Hz; XL D 2�fL steigt proportional mit f

an (Ursprungsgerade), also z. B. XL D 1150 � bei 500 Hz

Beispiel 1.40: XC D j1=!C j D 460 � bei 50 Hz; XC D 1=.2�f C / verläuft umge-kehrt proportional f (Hyperbel); für 25 Hz wird XC D 2 � 460 � D 920 �, für 250 Hzwird XC D1 =5 � 460 � D 92 �, für 500 Hz wird XC D 46 �.

Page 90: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

90 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.73 Entwicklung des Zeigerbildes für sinusförmige Wechselgrößen

Aufgabe 1.33

Ein Kondensator nimmt bei f D 50 Hz den Strom I D 0,1 A auf. Mit welcherFrequenz wird er betrieben, wenn I D 2 A gemessen wird?

Ergebnis: f D 1 kHz

Aufgabe 1.34

Eine Spule mit dem Widerstand R D 0;5 � besitzt die Induktivität L D 0,6 mH.Bei welcher Frequenz f gilt für den induktiven Blindwiderstand XL D R?

Ergebnis: f D 132,6 Hz

1.3.1.3 Darstellung vonWechselgrößen im ZeigerbildHerleitung der Zeigerbilder. Eine weitere, in der Wechselstromtechnik viel verwendeteund besonders einfache Darstellung sinusförmiger Wechselspannungen und -ströme ge-schieht mit Hilfe der nun zu besprechenden Zeigerbilder.

Der Augenblickswert u D p2U sin !t einer sinusförmigen Wechselspannung kann

nach Abb. 1.73a nämlich durch die Projektion eines Spannungszeigers dargestellt wer-den, dessen Betrag gleich der Amplitude

p2U der Spannung ist und der mit der

Kreisfrequenz ! vereinbarungsgemäß entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn rotiert. NachAbb. 1.73a gilt mit ˛ D !t in jedem Augenblick

u D p2U sin a D p

2U sin !t (1.71)

Auf gleiche Weise lässt sich auch ein sinusförmiger Wechselstrom i D p2I sin !t ,

wie er sich bei Anschluss eines Widerstandes R an eine Spannungsquelle ergibt, durcheinen mit ! im Gegenuhrzeigersinn rotierenden Stromzeigers mit dem Betrag

p2I dar-

stellen (Abb. 1.73b). Da in diesem Fall Spannung und Strom in Phase sind (' D 0ı),

Page 91: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 91

decken sich im Zeigerbild beide Zeiger in jedem Augenblick (Abb. 1.73c). Das Zeiger-bild ersetzt vollwertig die viel umständlicher zu zeichnenden Zeitschaubilder (Liniendia-gramm) nach der Art von Abb. 1.70, dort die Kurven u und iR.

Zeigerbild und Schaltplan. Der Vorteil des Zeigerbildes erweist sich besonders bei derBerechnung von Wechselstromkreisen. Mit Rücksicht auf die praktische Verwendung istes zweckmäßig, das Abb. 1.73c noch zu vereinfachen. Da man mit den Effektivwerten vonSpannungen und Strömen rechnet und Wechselstrominstrumente ebenfalls Effektivwerteanzeigen, liegt die Vereinbarung nahe, im Zeigerbild durch die Zeigerstrecken nicht diefür ihre Herleitung benutzten Amplituden, sondern ebenfalls die Effektivwerte U und I

darzustellen (Abb. 1.73d). Die Orientierung der Zeiger in der Zeichenebene kann will-kürlich gewählt werden, z. B. waagerecht wie in Abb. 1.73d. Weiter wird für alle Zeigereinheitlich vereinbart, dass sie im Gegenuhrzeigersinn mit der Kreisfrequenz ! rotieren,so dass der Drehpfeil für ! in Abb. 1.73d wegbleiben kann.

Schließlich ist es erforderlich, bei der Zusammensetzung mehrerer gleichartiger Zeigeraußer ihren Beträgen auch ihre Phasenlage zu berücksichtigen. Sie werden also nicht alge-braisch sondern wie Vektoren z. B. Kräfte in der Mechanik geometrisch addiert. Man trägtdiesem Sachverhalt dadurch Rechnung, dass man die Zeiger durch Unterstreichung desFormelbuchstabens mit U bzw. I kennzeichnet. Schreibt man schließlich in den Schalt-plänen an die Zählpfeile anstelle von u und i ebenfalls U bzw. I , so stimmen die Bezeich-nungen in den Schaltplänen und Zeigerbilder überein.

Zusammenfassung. In Tab. 1.74 sind oben Schaltpläne und Zeigerbilder für Wider-stand R, Induktivität L und Kapazität C dargestellt. Für den Widerstand R decken sichSpannungs- und Stromzeiger, Spannung und Strom sind in Phase und ' D 0ı. Bei der In-duktivität L eilt die Spannung um den Phasenverschiebungswinkel ' D C90ı dem Stromvoraus. Umgekehrt eilt bei einer Kapazität C die Spannung dem Strom um ' D �90ınach.

Zweipol (Eintor). Verbraucher mit zwei Anschlüssen sollen nachstehend weiterhin mitder gewohnten Bezeichnung Zweipol benannt werden, obwohl für die zwei betrieblichzusammen–gehörigen Anschlüsse (früher Pole) der Begriff Eintor (entsprechend Vier-pol D Zweitor) empfohlen wird. Ein passiver Zweipol nimmt elektrische Leistung ausdem Stromkreis auf und es ist P > 0, im Grenzfall P D 0. Man kann deshalb nicht nurdie 3 Bauteile R, L und C für sich getrennt darstellen, sondern jede beliebige, aus pas-siven Zweipolen zusammengesetzte Wechselstromschaltung mit 2 Klemmen als passivenZweipol behandeln. Durch die Größe

Z D U=I (1.72)

Page 92: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

92 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Tab. 1.74 Zusammenfassende Darstellung

Widerstand Induktivität Kapazität Zweipol (passiv)

Schaltplan

Zeigerbild

Widerstand R XL D !L XC D �1=!C Z

Phasenverschie-bungswinkel

' D 0ı ' D 90ı ' D �90ı 90ı � ' �D �90ı

Leistung P D UI P D 0 P D 0 P D UI cos '

Blindleistung Q D 0 Q D UI Q D �UI Q D UI sin '

Scheinleistung S D UI S D UI S D UI S D UI D pP 2 C Q2

Leistungsfaktor cos ' D 1 cos ' D 0 cos ' D 0 cos ' D P=S

Arbeit W D U=t W D 0 W D 0 W D P t

Blindarbeit Wq D 0 Wq D U=t Wq D �U=t Wq D Qt

den Scheinwiderstand des Zweipols, und den Phasenverschiebungswinkel ' des Zweipolsliegt auch das Zeigerbild fest. Bei einem passiven Zweipol liegt ' zwischen C90ı und�90ı ; das Schaltzeichen für Z nach (Tab. 1.74) gilt für beliebigen Winkel '.

Entsprechend der Definition der Blindleitwerte ist der Kehrwert des Scheinwider-stands Z als Scheinleitwert Y definiert, so dass allgemein gilt

Y D 1=Z :

Somit gilt auch allgemein für den Zweipol

U D IZ und I D U Y: (1.73)

1.3.1.4 Leistung, Leistungsfaktor, ArbeitAugenblickswert der Leistung, Wirkleistung. Zur Ermittlung der Leistung bei Wech-selstrom geht man von dem allgemein gültigen Gesetz für den Augenblickswert Pt derelektrischen Leistung entsprechend Gl. 1.6 aus:

Pt D ui (1.74a)

Setzt man die Zeitfunktionen

u D p2U sin.!t C 'u/ i D p

2I sin.!t C 'i /

Page 93: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 93

in Gl. 1.74a ein, erhält man unter Zuhilfenahme der Beziehung

sin ˛ � sin ˇ D .1=2/Œcos.˛ � ˇ/ � cos.˛ C ˇ/ und ' D 'u � 'i

Pt D p2U sin.!t C 'u/

p2I sin.!t C 'i /

Pt D 2UI.1=2/Œcos' � cos.2!t C 'u C 'i /

Damit lautet die allgemeingültige Gleichung für einen Zweipol

Pt D UI cos ' � UI cos.2!t C 'u C 'i /

p D P � P� (1.74b)

Der Augenblickswert Pt der elektrischen Leistung setzt sich somit aus zwei Anteilenzusammen: dem Durchschnittswert P oder zeitlich konstanten Mittelwert der Leistung,den man

Wirkleistung P D UI cos ' (1.75)

oder auch kurz nur Leistung nennt und dem Wechselanteil P� der Leistung, der mit derAmplitude UI und der doppelten Frequenz des Wechselstroms um die Wirkleistung P

sinusförmig schwingt, im Mittel also keinen Beitrag zur Leistung liefert. Man beachte,dass für die von einem Zweipol aufgenommene Leistung P bei Gleichstrom das ProduktUI , bei Wechselstrom aber das Produkt UI cos ' maßgebend ist.

Beispiel 1.42

Drei Verbraucher für U D 230 V, 50 Hz nehmen alle den Strom I D 1,15 A auf.Das Zeitdiagramm in Tab. 1.74 zeigt bei a) Spannung und Strom phasengleich, b) denWinkel ' D 90ı nacheilend, c) den Winkel ' D 90ı voreilend.

Es sind die drei Verbraucherarten zu bestimmen.

a) Ohmscher Widerstand R D 230 V=1,15 A D 200 �

b) Induktivität mit XL D !L D 200 � und damit L D 200 �=.2� � 50 Hz/ D 0;64 Hc) Kapazität mit XC D 1=!C und damit C D 1=.2� � 200 �/ D 795;8 �F.

Blindleistung, Scheinleistung, Leistungsfaktor. Außer der Leistung P (Wirkleistung)sind nun bei Wechselstrom die zwei weiteren Leistungsgrößen Blindleistung und Schein-leistung definiert, die keine physikalische Realität haben und nur zweckmäßig gewählteRechengrößen sind. Für einen Zweipol ist definiert

Blindleistung Q D UI sin ' (1.76)

Scheinleistung S D UI: (1.77)

Page 94: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

94 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.75 Zweipol. a Zeigerbild, b Leistungsdreieck, c Arbeitsdreieck

Somit ergibt sich zusammenfassend

P D UI cos ' D S cos 'I Q D UI sin ' D S sin 'I S D UI Dp

P 2 C Q2 : (1.78)

Die Einheit aller drei Leistungsgrößen sind nach obigen Definitionen 1 W = 1 VA. Umdie 3 Größen deutlich voneinander zu unterscheiden, wird nach DIN 1301 in der Praxisnur die Wirkleistung P in Watt (W), dagegen die Scheinleistung S in Volt-Ampere (VA)und die Blindleistung in Var (var) angegeben. Es gilt 1 W = 1 VA = 1 var. Allgemein istdas Verhältnis der Wirkleistung zur Scheinleistung der

Leistungsfaktor � D P

S� 1 : (1.79)

Im Fall der hier betrachteten Sinusgrößen folgt damit aus Gl. 1.78 für den

Leistungsfaktor � D cos ' (1.80)

der in der elektrischen Energietechnik besondere Bedeutung hat.Sind wie in Schaltungen der Leistungselektronik vor allem die Netzströme nicht sinus-

förmig, sondern enthalten auch höherfrequente Anteile, so wird � < j cos 'j. Auf dieseProblematik wird in Abschn. 4.6.3.2 eingegangen.

Leistungsdreieck. Aus dem Zeigerbild eines Zweipols (Abb. 1.75a) lässt sich mit demgleichem Winkel ' sofort ein rechtwinkliges Leistungsdreieck (Abb. 1.75b) mit den 3definierten Leistungsgrößen P , Q, S des Zweipols zeichnen, wie aus Gl. 1.78 folgt.

Beispiel 1.43

An einer Steckdosenleiste sind bei U D 230 V, 50 Hz die Verbraucher R D 100 �

und eine Induktivität mit XL D 115 � angeschlossen. Es ist der Zuleitungsstrom zubestimmen.

Page 95: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 95

Die Verbraucher erhalten nach Gl. 1.68 die Ströme

IR D U=R D 230 V=100 � D 2,3 A und IL D U=XL D 230 V=115 � D 2 A

Nach Tab. 1.74 wird PR D UIR D 230 V � 2;3 A D 529 W und QL D UIL D 230 V2 A = 460 var.

Die Scheinleistung ergibt sich mit Abb. 1.75 zu S Dq

P 2R C Q2

L D p5292 C 4602VA

D 701 VA.

Dies ergibt den Zuleitungsstrom I D S=U D 701 VA=230 V = 3,05 A.

Arbeit, Blindarbeit. Die elektrische Arbeit ergibt sich auch bei Wechselstrom aus demProdukt von Leistung und Zeitspanne

Arbeit (Wirkarbeit) W D P � t : (1.81)

Entsprechend der Blindleistung Q ist wiederum ohne jede physikalische Realität definiert

Blindarbeit Wq D Q � t : (1.82a)

Die weitere DefinitionScheinarbeit Ws D S � t (1.82b)

ist das Produkt von Scheinleistung und Zeitspanne und die Hypothenuse in Abb. 1.75c.Nach den vorstehenden Ausführungen ist für W die SI-Einheit 1 Ws = 1 J und für

Wq die SI-Einheit 1 var s in Gebrauch, für Ws empfiehlt sich 1 VAs. In der elektrischenEnergiewirtschaft wird bei der Messung der Wirkarbeit mit dem kWh-Zähler die Einheit1 kWh = 3,6 �106 Ws verwendet, während bei der Messung der Blindarbeit mit dem kvarh-Zähler, z. B. in Hochspannungsanlagen von Industriebetrieben, die entsprechende Einheit1 kvarh = 3,6 �106 var s bei der Verrechnung der Stromkosten auftritt.

Man erkennt, dass sich die Blindleistung und die Blindarbeit bei der Spule positiv,beim Kondensator negativ ergeben. Läuft demnach ein kvarh-Zähler bei induktiver Blind-leistung z. B. rechts herum, so muss er bei kapazitiver Blindleistung links herum laufen,falls im Zähler keine Rücklaufhemmung eingebaut ist. Heben sich induktive und kapa-zitive Blindleistung gerade auf, so steht der kvarh-Zähler still. Im praktischen Sprach-gebrauch spricht man meist von Blindleistungsaufnahme bzw. -abgabe eines Zweipols.Man versteht dann unter Blindleistungsaufnahme induktive Blindleistung (Q > 0), unterBlindleistungsabgabe kapazitive Blindleistung (Q < 0) und spricht dementsprechend vonAufnahme bzw. Bezug von Blindarbeit (Wq > 0) oder von Abgabe bzw. Lieferung vonBlindarbeit (Wq < 0).

Page 96: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

96 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Beispiel 1.44

a) Man gebe für die 3 Schaltelemente von Beispiel 1.38 bis 1.40 die Arbeit W und dieBlindarbeit Wq an, wenn sie je 4 Stunden in Betrieb sind.Widerstand R: W D 0;2645 kW � 4 h D 1;058 kWh; Wq D 0Induktivität L: W D 0; Wq D 0;46 kvar � 4 h D 1,84 kvarh (Aufnahme von Blindar-beit)Kapazität C : W D 0; Wq D �0;115 kvar � 4 h D �0;460 kvarh (Abgabe von Blind-arbeit)

b) Welche Arbeit zeigt der kWh-Zähler, welche Blindarbeit der kvarh-Zähler an, wennbei einem Abnehmer alle 3 Schaltelemente gleichzeitig in Betrieb sind?W D 1,058 kWh; Wq D .1;84�0;460/ kvarh D 1,380 kvarh (Aufnahme von Blind-arbeit)

c) Welche Leistungsgrößen, welcher Netzstrom und Phasenverschiebungswinkel erge-ben sich insgesamt, wenn die 3 Schaltelemente gleichzeitig eingeschaltet sind?P D P

P D 264,5 W; Q D PQ D .460 � 115/ var D 345 var;

S D pP 2 C Q2 D

p264;52 C 3452VA D 434,7 VA

I D S=U D 434,7 VA=230 V D 1,89 A; cos ' D P=S D 264,5=434,7 D 0,608;' D 52,5ı

Aufgabe 1.35

An einer Steckdosenleiste mit U D 230 V, 50 Hz sind drei Verbraucher mit folgen-der Stromaufnahme angeschlossen.

a) Widerstand mit IR D 4 A, b) Ideale Spule mit I D 6 A, c) Kondensator mit IC

D 3 A

Wie groß ist der Strom in der Zuleitung?

Ergebnis: I D 5 A

1.3.2 Wechselstromkreise

1.3.2.1 Kirchhoffsche Regeln bei WechselstromKnotenregel und Maschenregel. Bei Gleichstrom gilt für die Ströme am Knotenpunkteiner elektrischen Schaltung nach Gl. 1.16 die Knotenregel

PIzu D P

Iab und fürdie Spannungen in einem geschlossenen Stromkreis nach Gl. 1.17 die MaschenregelP

U D 0.Allgemein gelten die Kirchhoffschen Regeln für die Augenblickswerte der Wechsel-

ströme i und der Wechselspannungen u von beliebigem zeitlichem Verlauf, also nicht nur

Page 97: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 97

Abb. 1.76 Zusammensetzungsinusförmiger Wechselspan-nungen u D u1 C u2.a Schaltplan, b Zusam-mensetzung rotierenderSpannungszeiger, c geome-trische Zusammensetzung derZeiger U D U 1C U 2

für die Sinusform. Demnach lautet die Knotenregel

Xizu D

Xiab (1.83)

und die Maschenregel Xu D 0 (1.84)

Die Regeln für Gleichstrom sind also Spezialfälle der allgemein gültigen obigen Regeln.

Zusammensetzung von Zeigern. Bei Wechselstrom erfordert demnach die Knotenregeldie Zusammensetzung der Augenblickswerte von Wechselströmen, die Maschenregel dieZusammensetzung der Augenblickswerte von Wechselspannungen. Bei sinusförmigemVerlauf der Wechselgrößen ist die rechnerische Durchführung mit Hilfe der Strom- undSpannungsgleichungen weit mühsamer als diejenige mit Hilfe ihrer Zeiger, die nunmehrerläutert wird.

In einer Wechselstromschaltung (Abb. 1.76a) liegen an zwei Scheinwiderständen zweisinusförmige Wechselspannungen gleicher Frequenz mit den Effektivwerten U1 und U2,die zunächst mit den Zählpfeilen u1 und u2 im Schaltbild angegeben sind. Die Spannun-gen sind gegeneinander um den Winkel '12 versetzt. Gesucht sind der Effektivwert U undder Winkel '1u der Wechselspannung u gegen u1. Es gilt nach der Maschenregel Gl. 1.84

u D u1 C u2 :

In Abschn. 1.3.1.3 wurde bei der Erläuterung der Zeigerbilder bereits gezeigt, dass dieProjektion eines Zeigers, dessen Betrag der Amplitude der betreffenden Wechselgrößeentspricht, auf der Ordinate ihren jeweiligen Augenblickswert darstellt. Für die Zeigerp

2U1 undp

2U2 ergeben sich die Augenblickswerte u1 und u2 in einem beliebigen Zeit-punkt nach Abb. 1.76b. Setzt man den Zeiger

p2U1 durch Parallelverschieben an der

Spitze des Zeigersp

2U2 an, so ergibt sich der Zeigerp

2U , dessen Projektion auf die Or-dinate u D u1 Cu2 ist. Demnach ist

p2U der gesuchte Spannungszeiger. Führt man jetzt

noch die in Abb. 1.73e vereinbarte Zeigerdarstellung ein, so erhält man nach Abb. 1.76c

U D U 1 C U 2

Page 98: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

98 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Zeiger werden also, wie in Abschn. 1.3.1.3 bereits erwähnt, wie Vektoren geometrisch,d. h. unter Berücksichtigung ihres Betrags und ihrer Richtung zusammengesetzt. Deshalbverwendet man in allen Schaltplänen von Wechselstromschaltungen, die berechnet werdensollen, Zeiger U , I anstelle der Zählpfeile u, i .

Zeichnet man die Zeiger U 1 und U 2 hinsichtlich ihrer Phasenlage zueinander maßstäb-lich auf (Abb. 1.76c), so können die Effektivwerte U und der Winkel '1u der gesuchtenSpannung einfach auf grafischem Wege (mit Hilfe von Maßstab und Winkelmesser) er-mittelt werden. Eine rechnerische Lösung wäre wie folgt durchzuführen:

U Dq

U 21 C U 2

2 C 2U1U2 cos '12 cos '1u D U 2 C U 21 � U 2

2

2U U1

Die grafische Zusammensetzung von Stromzeigern erfolgt auf entsprechende Weise.

Zusammensetzung. Die Zusammensetzung sinusförmiger Spannungen und Ströme istdurchzuführen

algebraisch für die Augenblickswerte, z. B.

u D u1 C u2 C : : : bzw. i D i1 C i2 C : : :

geometrisch für die Zeiger

U D U 1 C U 2 C : : : bzw. I D I 1 C I 2 C : : : :

Man erhält demnach die Kirchhoffschen Regeln bei sinusförmigen Wechselgrößen end-gültig in der Schreibweise mit Strom- und Spannungszeigern

KnotenregelX

I zu DX

I ab (1.85)

MaschenregelX

U D 0 (1.86)

Man beachte: Die Kirchhoffschen Regeln gelten bei Wechselstrom für die Zeiger undnicht für ihre Beträge! Die Zeiger sind geometrisch wie Vektoren zusammenzusetzen.In den folgenden Abschnitten werden Wechselstromkreise mit Hilfe der KirchhoffschenRegeln behandelt.

1.3.2.2 Wechselstromschaltungen mit R, L und C

Zunächst wird an 5 Beispielen gezeigt, wie Zweipolschaltungen mit Widerständen, Spulenund Kondensatoren mit Hilfe der Zeigerbilder berechnet werden.

Page 99: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 99

Abb. 1.77 Reihenschaltung von R und L. a Schaltplan, b Zeigerbild, c Zeitschaubild

Beispiel 1.45

Reihenschaltung von R und L. Der Widerstand R und eine Induktivität L sind nachAbb. 1.77a in Reihe an ein Wechselstromnetz angeschlossen. Die Wechselspannunghat den Effektivwert U und die Kreisfrequenz ! D 2�f .

Gesucht sind Betrag I des von der Schaltung aufgenommenen Netzstromes, der Pha-senverschiebungswinkel ' der Netzspannung gegen den Netzstrom sowie die von demZweipol aufgenommenen Leistungen.

Schaltplan, Zeigerbild. Zunächst werden sämtliche in der Schaltung auftretenden Span-nungen und Ströme mit ihren Zählpfeilen in den Schaltplan eingetragen.

Nach der Maschenregel Gl. 1.86,P

U D 0 folgt für einen Umlauf im Uhrzeigersinn

U R C U L � U D 0 oder U D U R C U L :

Diese Gleichung von Spannungszeigern ist nun im Zeigerbild darzustellen. Man gehthierbei von einer im Schaltbild auftretenden gemeinsamen Wechselgröße aus. Bei einerReihenschaltung ist dies immer ein Strom, der im vorliegenden Fall für R und L ge-meinsam ist. Der Stromzeiger I wird im Zeigerbild z. B. von links nach rechts gezeichnet(Abb. 1.77b). Dann liegt nach Tab. 1.74 der Spannungszeiger U R in Phase mit dem Strom-zeiger.

Nach obiger Spannungsgleichung ist an den Zeiger U R der Zeiger U L anzusetzen,U L eilt nach Tab. 1.74 dem Strom I durch die Spule um 90ı voraus, weist im Zeiger-bild also senkrecht nach oben. Somit ergibt die geometrisch durchzuführende Additionden Spannungszeiger U der Netzspannung. Nun kann auch der Phasenverschiebungswin-kel ' im Zeigerbild angegeben werden, der vom Stromanzeiger zum Spannungszeigerweist.

Berechnung. An Hand des Zeigerbildes können Netzstrom I und Winkel ' aus demrechtwinkligen Spannungsdreieck ermittelt werden. Der folgende Rechengang enthält dieBeträge der Zeiger, also ihre Effektivwerte. Nach Tab. 1.74 ist

UR D IR und UL D I!L :

Page 100: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

100 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Aus dem rechtwinkligen Spannungsdreieck in Abb. 1.77b erhält man U Dq

U 2R C U 2

L

oderU D I

pR2 C .!L/2 :

Der Scheinwiderstand der Schaltung ergibt sich nach Z D U=I oder zu

Z Dp

R2 C .!L/2 : (1.87)

Schließlich errechnet man den Phasenverschiebungswinkel aus dem Zeigerbild

tan ' D UL

URD !L

R: (1.88)

Mit den obigen Beziehungen sind I und ' bekannt. Somit lassen sich auch die Span-nungen UR und UL berechnen. In Zahlenbeispielen können nun auch die Gleichungen fürNetzspannung u und Netzstrom i zahlenmäßig angegeben werden, zweckmäßig in derFormentweder mit 'i D 0: u D p

2U sin.!t C '/ i D p2I sin !t (Abb. 1.77c)

oder mit 'u D 0: u D p2U sin !t i D p

2I sin.!t � '/

und die zugehörigen Zeitschaubilder u D f .t/ und i D f .t/ maßstäblich gezeichnetwerden.

Nach Tab. 1.74 sind sodann die von der Schaltung aufgenommenen Leistungen P , Q

und S zu berechnen:

P D UI cos ' Q D UI sin ' S D UI

Schließlich folgt nach Tab. 1.74 für die Arbeit

W D P t und für die Blindarbeit Wq D Qt

Kontrolle der Berechnung. Nach dem Energieprinzip muss die im Widerstand R auf-tretende Leistung PR D URI � cos 'R D I 2R D U 2

R =R gleich der vom Netz geliefertenLeistung P und die in der Spule auftretende Blindleistung QL D ULI � sin 'L D I 2!L DU 2

L =!L gleich der vom Netz gelieferten Blindleistung Q sein.

Zusammenfassung. Die hier ausführlich dargestellte systematische Ermittlung der wich-tigsten Wechselgrößen in vier Stufen

1. Entwerfen des Schaltplanes mit Zeigerangabe an den Zählpfeilen2. Anschreiben der Kirchhoffschen Regeln3. Aufzeichnen des Zeigerbildes4. Berechnung der Beträge und des Phasenverschiebungswinkels

wird in den folgenden Beispielen einheitlich angewendet.

Page 101: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 101

Abb. 1.78 Schaltplan undZeigerbild für eine Reihen-schaltung von R und C

Aufgabe 1.36

Die Wicklung eines Wechselstrommotors hat die Daten R D 1,2 � und L D 0,2 H.Es sind die Stromwärmeverluste in der Wicklung bei U D 230 V, 50 Hz zu bestim-men.

Ergebnis: Pv D 16,1 W

Beispiel 1.46

Reihenschaltung von R und C . Wie oben für die Reihenschaltung von R und L

gesehen, zeichnet man die Zählpfeile für Strom I und Spannungen U , U R und U C inden Schaltplan des Zweipols ein (Abb. 1.78a). Nach der Maschenregel, Gl. 1.86 ist

U D U R C U C :

Beim Aufzeichnen des Zeigerbildes (Abb. 1.78b) dieser Reihenschaltung geht manwieder vom Stromzeiger I aus; U R liegt in Phase mit I , während nach Tab. 1.74 derSpannungszeiger U C am Kondensator dem Stromzeiger I um 90ı nacheilt. Setzt manden Spannungszeiger U C an die Zeigerspitze von U R an, so erhält man den Span-nungszeiger U der Netzspannung. Der Phasenverschiebungswinkel ' ist negativ, dieSpannung U eilt dem Strom I nach.

Die Beträge der Zeiger sind nach Tab. 1.74 UR D IR und UC D I=!C . Aus demrechtwinkligen Spannungsdreieck ergeben sich hiermit

U Dq

U 2R C U 2

C D I

s

R2 C�

1

!C

�2

Z Ds

R2 C�

1

!C

�2

(1.89)

tan ' D �UC

URD � 1

R!C(1.90)

Kontrolle: Es muss P D UI cos ' D URI cos 'R D URI D I 2R D U 2R =R und

Q D UI sin ' D UCI sin 'C D �UCI D �I 2=!C D �U 2C !C sein.

Page 102: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

102 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.79 Schaltplan undZeigerbild für eine Parallel-schaltung von R und L

Beispiel 1.47

Parallelschaltung von R und L. Der Schaltplan in Abb. 1.79a mit der für R und L

gemeinsamen Spannung U enthält die Ströme I (Netzstrom), I R und I L, die wiedernach Tab. 1.74 der Spannung U zuzuordnen sind. Die Knotenregel, Gl. 1.85, ergibtI D I R C I L.

Bei der Aufzeichnung des Zeigerbildes (Abb. 1.79b) geht man von dem gemeinsa-men Spannungszeiger U aus; I R liegt in Phase mit U . An die Pfeilspitze von I R istnach obiger Stromgleichung der Strom I L durch die Induktivität, der dem Spannungs-zeiger U um 90ı nacheilt, einzutragen, so dass sich der Zeiger des Netzstromes I

ergibt. Die Netzspannung U eilt dem Netzstrom I um den Phasenverschiebungswin-kel ' vor, ' ist demnach positiv.

Die Beträge der Zeiger sind nach Tab. 1.74 IR D U=R und IL D U=XL. Aus demrechtwinkligen Stromdreieck (Abb. 1.79b) ergeben sich dann

I Dq

I 2R C I 2

L D U

q1=R2 C 1=X2

L D U=Z

1

ZD

s1

R2C 1

X2L

Ds

1

R2C 1

.!L/2(1.91)

tan ' D IL

IRD R

!L: (1.92)

Beispiel 1.48

Parallelschaltung von R und C . Abbildung 1.80a zeigt die Schaltung mit demSpannungspfeil U und den Strompfeilen I (Netzstrom), I R und I C. Die Knotenregel,Gl. 1.85, ergibt

I D I R C I C :

Ausgehend vom gemeinsamen Spannungszeiger U ergeben sich im Zeigerbild(Abb. 1.80b) der Stromzeiger I R in Phase mit U und der Stromzeiger I C um 90ıdem Spannungszeiger U voreilend. Nach obiger Stromgleichung folgt der Stromzei-ger I durch geometrische Addition, so dass sich ' negativ ergibt.

Page 103: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 103

Abb. 1.80 Schaltplan undZeigerbild für eine Parallel-schaltung von R und C

Aus dem rechtwinkligen Stromdreieck (Abb. 1.80b) erhält man mit den Beträgen IR DU=R und I D U=XC (Tab. 1.74)

I Dq

I 2R C I 2

C D U

q1=R2 C 1=X2

C D U=Z

1

ZD

s1

R2C 1

X2C

Ds

1

R2C 1

.!C /2(1.93)

tan ' D �IC

IRD �R!C : (1.94)

Beispiel 1.49

Zusammengesetzte Schaltung. Als Beispiel wird eine aus den drei Schaltelemen-ten R, L und C zusammengesetzte Schaltung (Abb. 1.81a) untersucht. In ihr treten dieSpannungen U , U R und die an L und C gemeinsame Spannung U LC sowie die dreiStröme I (Netzstrom), I L und I C auf. Die Knotenregel, Gl. 1.85, ergibt

I D I L C I C :

und aus der Maschenregel, Gl. 1.86 folgt

U D U LC C U R :

Nun sind je eine Gleichung für Stromzeiger und für Spannungszeiger im Zeigerbilddarzustellen. Beim Aufzeichnen des Zeigerbildes (Abb. 1.81b) geht man von der an L

und C gemeinsamen Spannung U LC aus. Der Stromzeiger I L eilt dem Spannungs-zeiger U LC um 90ı nach, der Stromzeiger I C eilt dem Zeiger U LC um 90ı vor, so

Abb. 1.81 Schaltplan undZeigerbild für eine zusammen-gesetzte Schaltung

Page 104: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

104 1 Grundlagen der Elektrotechnik

dass sich als Summe der Stromanzeiger I des Netzstromes ergibt. Da der Netzstrom I

durch den Widerstand R fließt, liegt U R in Phase mit I , so dass man resultierend alsSumme den Zeiger U der Netzspannung erhält.

Nach Tab. 1.74 ist

UR D IR IL D ULC=XL IC D ULC=XC :

Somit wird

I D IL � IC D ULC

XL� ULC

XC

und hieraus

ULC D I

.1=!L/ � !CD I!L

1 � !2LC:

Aus dem rechtwinkligen Spannungsdreieck (Abb. 1.81b) folgt U Dq

U 2R C U 2

LC, somitsind Netzspannung, Scheinwiderstand und Phasenverschiebungswinkel

U D I

s

R2 C�

!L

1 � !2LC

�2

I Z Ds

R2 C�

!L

1 � !2LC

�2

I

tan ' D ULC

URD !L

R.1 � !2LC /

1.3.2.3 SchwingkreiseJe nach der Anordnung von L und C im Schaltplan unterscheidet man Reihenschwing-kreise (Abb. 1.82a) und Parallelschwingkreise (Abb. 1.83a). Die sich für diese beidenResonanzkreise ergebenden Verhältnisse werden im Folgenden gegenübergestellt: Rei-henschwingkreis, Parallelschwingkreis.

Zeichnet man in die Schaltpläne Abb. 1.82 und 1.83 die auftretenden Spannungen undStröme

Reihenschwingkreis: U , U R, U L, U C, I

Parallelschwingkreis: U , I , I R, I L, I C

ein, so ergibt sich nach der

Reihenschwingkreis: Knotenregel, Gl. 1.85 U D U R C U L C U C

Parallelschwingkreis: Maschenregel, Gl. 1.86 I D I R C I LC I C

Page 105: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 105

Abb. 1.82 Reihenschwing-kreis

Abb. 1.83 Parallelschwing-kreis

Page 106: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

106 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Beim Aufzeichnen der Zeigerbilder 1.82b und 1.83b geht man vom

Reihenschwingkreis: gemeinsamen Stromzeiger I

Parallelschwingkreis: gemeinsamen Spannungszeiger U

aus. Die Phasenlage der

Reihenschwingkreis: Spannungszeiger U R, U L, U C zum Stromzeiger I

Parallelschwingkreis: Stromzeiger I R, I L, I C zum Spannungszeiger U

liegt nach Tab. 1.74 fest, so dass sich durch geometrische Addition der

Reihenschwingkreis: Zeiger U der NetzspannungParallelschwingkreis: Zeiger I des Netzstromes

und die Phasenverschiebungswinkel ', jeweils vom Zeiger I des Netzstroms zum Zei-ger U der Netzspannung ergeben. Aus den rechtwinkligen Dreiecken in den Zeigerbildernfolgen

Reihenschwingkreis:

U Dq

U 2R C .UL � UC/2

UR D IRUL D I!LUC D I=!C

Parallelschwingkreis:

I Dq

I 2R C .IL � IC/2

IR D U=RIL D U=!LIC D U!C

Somit erhält man

Reihenschwingkreis:

U D I

s

R2 C�

!L � 1

!C

�2

Parallelschwingkreis:

I D U

s1

R2C

�1

!L� !C

�2

Page 107: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 107

und die Phasenverschiebungswinkel ' aus

Reihenschwingkreis:

tan ' D UL � UC

URD !L � 1

!C

R

Parallelschwingkreis:

tan ' D IL � IC

IRD

1!L

� !C

1=R

Resonanz. Die obigen Gleichungen zeigen, dass bei gegebener Netzspannung U undgegebenem Widerstand R der Netzstrom I bei

Reihenresonanz den Maximalwert Imax D U=R annimmt, wenn !L � 1!C

D 0

Parallelresonanz den Minimalwert Imin D U=R annimmt, wenn 1!L

� !C D 0

wird, d. h., wenn in beiden Fällen die Bedingung

!2LC D 1 (1.95a)

oder, da ! D 2�f ist, die Bedingung

f D 1

2�p

LC(1.95b)

erfüllt ist. Die Gleichungen, die beide dasselbe aussagen, heißen Thomsonsche Formeln.In beiden Schaltungen wird bei Resonanz der Netzstrom – abgesehen von der Netzspan-nung U – nur durch den Widerstand R bestimmt. Im Zeigerbild Abb. 1.82c heben sich dieTeilspannungen U L und U C, im Zeigerbild Abb. 1.83c die Teilströme I L und I C gegen-seitig auf. Es gilt

U L D �U C somit U D U R I L D �I C somit I D I R

UL D UC somit U D UR IL D IC somit I D IR

Aus den Bildern folgt, dass die Effektivwerte dieser Teilspannungen bzw. -ströme weitgrößer als der Effektivwert der Netzspannung U bzw. des Netzstroms I sein können. Die-se bei Resonanz auftretenden Verhältnisse widersprechen aber nicht den physikalischenGesetzen der Wechselstromlehre. Zeichnet man beispielsweise in beiden Fällen die Zeit-schaubilder aller Spannungen und Ströme auf, so sind die Kirchhoffschen Gesetze für dieAugenblickswerte in jedem Zeitpunkt erfüllt.

In beiden Resonanzfällen sind Spannungszeiger U und Stromzeiger I in Phase, d. h.,es ist ' D 0. Induktivität L und Kapazität C heben sich gegenseitig im Bezug auf dieKlemmen der Schaltung in ihrer Wirkung auf und es ist scheinbar nur noch der ohmscheWiderstand R vorhanden. Damit gilt bei Resonanz für die Einzelleistungen

P D UI Q D 0 S D P

Page 108: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

108 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.84 Blindstromkom-pensation einer Leuchtstoff-lampe

Blindstromkompensation. Die Schwingkreisschaltungen nehmen bei Resonanz alsonur Wirkleistung aus dem Netz auf, während sich die induktiven Blindleistungen derSpulen und die kapazitiven Blindleistungen der Kondensatoren gegenseitig aufheben.Nimmt z. B. ein induktiv wirkender Zweipol wie Motor, Leuchtstofflampe und dgl. beiAnschluss an ein Wechselstromnetz den nacheilenden Strom I L auf, so kann durch Paral-lelschalten eines Kondensators zu dem betreffenden Gerät (Abb. 1.84a) erreicht werden,dass dem Netz nur Wirkleistung entnommen wird. Der Blindstrom des Geräts wird nachAbb. 1.84b durch den Kondensatorstrom I C kompensiert, so dass Gerät samt Kondensatorden Strom I aufnehmen und damit für das Netz reine Wirklast darstellen.

Blindstromkompensation durch eine Kondensator-Batterie wird in Werksnetzen gernedann angewandt, wenn ein resultierend zu schlechter cos '-Wert entsteht. Die Energie-versorgungsunternehmen (EVU) verlangen in diesen Fällen auch eine Vergütung für dieBlindleistung, die man durch die hauseigene Batterie netzseitig vermeidet.

Aufgabe 1.37

Zur Verbesserung des netzseitigen Leistungsfaktors cos ' D 0;707 einer Fabrikan-lage mit P D 200 kW bei U D 400 V, 50 Hz Drehspannung auf cos ' D 0,95 isteine Kondensator in Dreieckschaltung vorgesehen. Es ist die erforderliche Kapazi-tät pro Strang Cst zu bestimmen.

Ergebnis: Cst D 890 �F

Rundfunk. Bei beiden Schwingkreisschaltungen lässt sich nach Gl. 1.95b Resonanzdurch Verändern der Induktivität L bzw. der Kapazität C einstellen. Beim Rundfunk-empfang wird die Eigenfrequenz f der im Gerät vorhandenen Schwingungskreise z. B.durch Verändern von C (Drehkondensatoren, Kapazitätsdioden) auf die Sendefrequenzfs des Senders eingestellt, der empfangen werden soll (f D fs/. Es kann erreicht wer-den, dass die gleichzeitig von der Antenne empfangenen Wellen anderer Sender mit engbenachbarten Frequenzen so stark unterdrückt werden, dass ein störungsfreier Empfangdes gewünschten Senders möglich ist.

Page 109: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 109

Abb. 1.85 Schwingkreise.a Elektrisch, b mechanisch

Analogie zu mechanischen Schwingungen. Schließlich sei noch die Analogie zwischenelektrischen und mechanischen Schwingkreisen, wie sie z. B. auch in der Schwingungs-lehre behandelt werden, an einem Beispiel erläutert.

Einem elektrischen Reihenschwingkreis nach Abb. 1.85a entspricht ein mechanischerSchwingkreis (Abb. 1.85b), der aus einer Masse m, einer geschwindigkeitsproportionalwirkenden Bremse mit der Dämpfungskonstanten %, und einer Feder mit der Federkon-stanten c besteht und von einer äußeren Kraft mit dem Augenblickswert/erregt wird.

Spannungsgleichungen nach der Maschenregel (P

U D 0) (siehe Abb. 1.85a):

uL C uR C uC D u

Für die Teilspannungen gelten

uL D L di=dt D L d2q=dt2

uR D Ri D R dq=dt

uC D 1

C

Z

i dt D 1

Cq

da i D dq=dt; di=dt D d2q=dt2 und

s i dt D q ist

Somit folgt für die Spannungen

Ld2q

dt2C R

dq

dtC 1

Cq D u

Kräftegleichung nach dem Gleichgewicht der Kräfte (P

f D 0) (siehe Abb. 1.85b):

fm C fp C fc D f

Für die Teilkräfte gelten

Massenkraft fm D ma D m d2s=dt2

Dämpfungskraft fp D rv D r ds=dt

Federkraft fs D cs

da v D ds=dt a D dv

dtD d2s

dt2ist :

Page 110: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

110 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.86 Gaußsche Zahle-nebene. Komplexe Zahl z undkonjugiert komplexe Zahl z*

Somit folgt für die Kräfte

m D d2s

dt2C r

ds

dtC cs D f

Der Aufbau dieser Differentialgleichungen stimmt vollkommen überein. Den elektri-schen Spannungen entsprechen mechanische Kräfte, der Ladung q entspricht der Weg s,dem Strom i die Geschwindigkeit v. Somit können auch die Ergebnisse der Behandlungdes elektrischen Schwingkreises bei zeitlich sinusförmiger Änderung der Spannung u aufden Fall übertragen werden, dass sich die erregende Kraft f des mechanischen Schwing-kreises zeitlich sinusförmig ändert. Dieser Fall spielt in der Regelungstechnik bei derUntersuchung des Zeitverhaltens der Regelkreisglieder nach der Frequenzgangmethodeeine wichtige Rolle.

1.3.2.4 Komplexe Berechnung vonWechselstromschaltungenDie Berechnung von Wechselstromschaltungen nach Abschn. 1.3.2 mit Hilfe des geome-trischen Zeigerbilds und algebraischer Berechnung wird umso umfangreicher und schwie-riger, je mehr Knoten und Maschen im Schaltplan vorhanden sind.

Einfacher ist der Lösungsweg mit Hilfe der komplexen Rechnung, die auch im Maschi-nenbau, z. B. in der Schwingungslehre und in der Regelungstechnik mit Vorteil angewandtwird. Sie soll hier erläutert und anhand einiger Beispiele mit der oben behandelten Berech-nung mit Hilfe von Zeigerbildern verglichen werden. Das Rechnen mit komplexen Zahlenmuss dabei als bekannt vorausgesetzt werden.

Komplexe Zahlen. In der Gaußschen Zahlenebene (Abb. 1.86) mit der waagrechten Ach-se für die reellen Zahlen und der senkrechten Achse für die imaginären Zahlen mit derDefinition j D p�1 kann man eine komplexe Zahl z durch einen Punkt P oder durcheinen Pfeil oder Strahl vom Nullpunkt zum Punkt P mathematisch in zwei Formen dar-stellen:

Page 111: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 111

Komponentenformz D a C jb D Re z C jIm z

Hierin ist a D Re z der Realteil, b D Im z der Imaginärteil der komplexen Zahl z.Exponentialform

z D z � ej˛ D z cos ˛ C jz sin ˛

Für den Betrag z und den Winkel ˛ von der positiven reellen Achse zum Strahl z geltendie Beziehungen (s. Abb. 1.86):

z Dp

a2 C b2a D z cos ˛b D z sin ˛ tan ˛ D b=˛

Damit ergibt sich mit Hilfe der Eulerschen Gleichung

ej˛ D cos ˛ C j sin ˛

aus der Komponentenform die Exponentialform.Für die zu z konjugiert komplexe Zahl z* (Punkt P’ in Abb. 1.86) gilt

z� D a � jb D z � e�j˛

Beispiel 1.50

a) Die quadratische Gleichung 5x2 � 2x C 2 D 0 hat die Lösungen z und z�. Mangebe beide Lösungen in der Komponenten- und Exponentialform an.

5x2 � 2x C 2 D 0I x12 D 2 ˙ p4 � 40

10

D 2 ˙ p�36

10D 2 ˙ j6

10D 0;2 ˙ j0;6

z D 0;2 C j0;6I z Dp

0;22 C 0;62 D 0;632Itan ˛1 D 0;6=0;2 D 3I ˛1 D 71;6ıI z D 0;632ej 71;6ı

z� D 0;2 � j0;6I z Dp

0;22 C 0;62 D 0;632I tan ˛2 D �3I˛2 D �71;6ıI z� D 0;632e�j 71;6ı

b) Gegeben z D 3 � j4. Somit ist a D 3; b D �4; z D 5; tan ˛ D �4=3; cos ˛ D 0;6;sin ˛ D �0;8; ˛ D �53ı; z D 5 � e�j53ı

und z� D 3 C j4; z� D 5 � ej53ı

c) Einige Rechenregeln: ej0 D 1; ej90ı D j; e�j90ı D �j; j2 D �1; 1=j D �j

Page 112: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

112 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.87 Darstellung der Zeigerbilder in der komplexen U - und I -Ebene. a I -Zeiger in posi-tiv reeller Achse der U -Ebene. b U -Zeiger in positiv reeller Achse der I -Ebene. c Allgemein fürZweipol U = Re U C jIm U , I = Re I C j Im I

d) Addieren und Subtrahieren komplexer Zahlen erfolgt zweckmäßig in Komponen-tenform

z D z1 � z2 C z3 D .a1 C jb1/ � .a2 C jb2/ C .a3 C jb3/

D .a1 � a2 C a3/ C j.b1 � b2 C b3/ D a C jb

e) Multiplizieren und Dividieren komplexer Zahlen erfolgt zweckmäßig in Exponenti-alform

z D z1 � z2

z3

D z1 � ej˛1 � z2 � ej˛2

z3 � ej˛3D z1 � z2

z3

ej.˛1C˛2�˛3/ D zej˛

f) Komplexe Nenner von Brüchen macht man reell, indem man Zähler und Nenner mitdem konjugiert komplexen Nenner multipliziert, z. B.

z D a1 C jb1

a2 � jb2

D .a1 C jb1/.a2 C jb2/

.a2 � jb2/.a2 C jb2/

D .a1a2 � b1b2/ C j.a1b2 C a2b1/

a22 C b2

2

D a C jb

Komplexe Spannungen und Ströme. Die Darstellung komplexer Zahlen in der Gauß-schen Zahlenebene wird zunächst auf die komplexe Darstellung der Spannungs- undStromzeiger angewandt. Zu diesem Zweck ordnet man komplexe Spannungs- und Stro-mebenen nach Abb. 1.87 an, wieder mit positiv reellen Achsen nach rechts (C) und positivimaginären Achsen nach oben (j). Überträgt man nun die Zeigerbilder für R, L und C

(z. B. aus Tab. 1.74) in diese Darstellung, dann können Spannungs- und Stromzeiger wiefolgt dargestellt werden, je nachdem, ob man die Stromzeiger (I in Abb. 1.87a) oder die

Page 113: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 113

Spannungszeiger (U in Abb. 1.87b) in die positiv reellen Achsen legt:

I D Iej0ı D I I U (R) D U ej0ı D IRI U (L) D U ej90ı D jI!LIU (C) D U e�90ı D �jI=!C I U D U ej0ı D U I I (R) D Iej0ı D U=RII (L) D Ie�j90ı D �jU=!LI I (C) D Iej90ı D �jU!C

Bei beliebiger Lage der Zeiger gilt für R, L, C :

U D IR U D jI!L D jI XL U D �jI=!C D �jIXC

I D U G I D �jU =!L D �j U BL I D jU !C D jU BC (1.96)

Somit kann hier und allgemein bei einem Zweipol, bei dem beide Zeiger U D U ej'u undI D Iej'i in beliebiger Richtung liegen (Abb. 1.87c) und den Phasenverschiebungswinkel' D 'u � 'i einschließen, gesetzt werden:

U D I ZI D U Y Y D 1=Z (1.97)

Komplexe Widerstände und Leitwerte. Die komplexe Berechnung von Wechselstrom-schaltungen läuft darauf hinaus, die komplexen Größen Z bzw. Y des Zweipols zu be-stimmen. Durch Vergleich der Gl. 1.96 und 1.97 ergibt sich, dass allgemein der komplexeWiderstand Z D U =I durch

Z D R C j.XL � XC/ bzw. Z D U ej'u

Iej'iD Zej'

mit

Z D U=I Dp

R2 C .XL � XC/2 und ' D arctanXL � XC

R(1.98)

der komplexe Leitwert Y D I =U D 1=Z durch

Y D G C j.BC � BL/ bzw. Y D 1

Z � ej'D Y e�j'

mit

Y D I=U Dp

G2 C .BL � BC/2 und ' D arctanBL � BC

G(1.99)

angegeben werden kann. Die Lösungen Z bzw. Y stellen für einen Zweipol in der komple-xen Z- bzw. Y -Ebene jeweils einen einzigen Punkt bzw. Ursprungsstrahl dar (Abb. 1.88).

Page 114: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

114 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.88 a Ermittlung vonZ D Zej' bei Reihenschal-tungen, b Ermittlung vonY D Y e-j'

Tab. 1.89 Zusammenstellung für komplexe Berechnung

R L C Zweipol (passiv)

Gesetz U D IR U D jI XL U D �jIXC U D IZ

I D U G I D �jU BL I D jU BC I D U Y

Widerstand R j!L D jXL �j 1!C

D �jXC Z D R C j.XL �XC/ D Z � ej'

Leitwert G D 1=R �j 1!L

D �jBL j!C D jBC Y D GCj.BC�BL/ D Y �e�j'

Zusammenfassung. Die bei Gleichstrom für Ohmsche Widerstände bzw. Leitwerte her-geleiteten Regeln der Reihen- und Parallelschaltung gelten bei Wechselstrom für die kom-plexen Scheinwiderstände bzw. Scheinleitwerte.

Bei einer Reihenschaltung addieren sich die einzelnen komplexen Widerstände

Z D Z1 C Z2 C Z3 C : : : DX

R C jhX

XL �X

XC

i

bei einer Parallelschaltung addieren sich die einzelnen komplexen Leitwerte

Y D Y 1 C Y 2 C Y 3 C : : : DX

G C jhX

BC �X

BL

i:

Bei zusammengesetzten Schaltungen wird schrittweise mit Hilfe der obigen Gleichungender Lösungsweg gefunden.

Beispiel 1.51

a) Die drei Bauelemente R D 100 �, C D 10 �F und L D 0;01 sind in Reihe geschal-tet. Es ist der komplexe Widerstand Z bei der Frequenz f D 1 kHz zu bestimmen.Nach Gl. 1.69 ist XC D �1=!C D �1=.2� � 103 Hz � 10 � 10�6 F/ D �15;9 �

XL D !L D 2� � 103Hz � 0;01 H D 62;8 �

Nach Gl. 1.98 wird Z D R C jXL � jXC D 100 � C j.62;8 � 15;9/ � D 100 � Cj 46;9 �

Der Betrag wird Z Dp

1002 C 46;92 � D 110;5 �.

Page 115: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 115

Abb. 1.90 Scheinleistung S inVierquadranten-Darstellung

b) Man zeichne die Ergebnisse der Beispiele 1.45 bis 1.49 von Wechselstromschaltun-gen in die komplexe Z- und Y -Ebene ein und erläutere, wie die komplexe Berech-nung durchgeführt wird.

Komplexe Leistung. Es liegt nahe, abschließend auch ein einfaches Verfahren zur kom-plexen Berechnung der Wechselstromleistungen S , P und Q herzuleiten. Probiert man esmit dem Produkt U � I so erhält man

U I D U ej'u � Iej'i D U � Iej.'uC'i /

Der Ansatz U I ist deshalb nicht brauchbar, weil im Ergebnis ein Winkel 'u C 'i stattdes Phasenverschiebungswinkels ' auftritt. Nimmt man aber bei der Produktbildung derZeiger den zu I konjugiert komplexen Stromzeiger I � D Ie�j'i zu Hilfe, dann wird

S D U I � D U ej'u � Ie�j'i D UIej.'u�'i / D Sej'

wobei S D U � I nach Gl. 1.77 und ' D 'u � 'i gesetzt wurde.Man erhält somit für die komplexe Leistung

S D U I � D Sej' D S cos ' C jS sin ' D P C jQ : (1.100)

Wobei Scheinleistung S , Wirkleistung P und Blindleistung Q nach Gl. 1.78 eingeführtsind.

Abbildung 1.90 zeigt abschließend die Größe S in einer Vierquadranten-Darstellungmit folgenden Bewertungen der Anteile P und Q:

1. Quadrant – Aufnahme von P und Q z. B. für einen Motor2. Quadrant – Abgabe von P und Aufnahme von Q, z. B. bei einem Asynchrongenerator3. Quadrant – Abgabe von P und Q, z. B. bei einem Kraftwerksgenerator4. Quadrant – Aufnahme von P und Abgabe von Q, z. B. einem übererregten Synchron-

motor

Page 116: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

116 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.91 Verfahrenzur Frequenzmessung:a Zungenfrequenzmesser:1 Stahlzungen, 2 Erreger-spule, 3 Permanentmagnete,4 Skala, b Skalenbild bei derMessung (Anzeige in Hz),c digitale Anzeige

Beispiel 1.52

Von einem Zweipol ist bekannt: U D 220 V, 'u D 75ı; I D 5 A, 'i D 45ı. Manbestimme die 3 Leistungsgrößen dieses Zweipols.

Man erhält

S D UIej.'u�'i/ D 220 V � 5 Aej30ı D 1100 VA.cos 30ı C j sin 30ı/

S D P C jQ D .953 C j550/ VAI S D 1100 VA; P D 953 W; Q D 550 var :

1.3.2.5 Messungen bei WechselstromFür den Einsatz von Strom- und Spannungsmessern gelten die gleichen Bedingungen wiein Abschn. 1.1.2.4 für den Gleichstromkreis besprochen. Die Messgeräte zeigen bei Si-nusgrößen den Effektivwert an. Sind Strom oder Spannung mit Anteilen höherer Frequenzversehen, d. h. oberschwingungshaltig, so können große Messfehler entstehen. Auf diesesProblem wird in Abschn.3 eingegangen.

Die Wirkleistung P D UI cos ' wird von dem in Abschn. 3.2.1.3 beschriebenenelektrodynamischen Messwerk angezeigt. Durch Einbau eines Phasendrehers im Span-nungspfad kann man auch die Blindleistung Q D UI sin ' bestimmen.

Die elektrische Arbeit (Wirkarbeit) misst man bei Wechselstrom mit Induktionszäh-lern. Ohne auf ihre Wirkungsweise hier näher einzugehen, sei erwähnt, dass die Dreh-zahl n des Zählers proportional der entnommenen elektrischen Leistung P ist: n P .Somit ist die Zahl z der in einer bestimmten Zeit t zurückgelegten Umdrehungen z D nt

der Zählerscheibe proportional der in dieser Zeit über den Zähler geführten elektrischenArbeit W D P t , also z W . Für die Messung der Blindarbeit können ebenfalls Indukti-onszähler in Verbindung mit Kunstschaltungen verwendet werden.

Frequenz. In den öffentlichen Hoch- und Niederspannungsnetzen wird die Frequenzdurch Regelung der Turbinendrehzahl in den Kraftwerken konstant gehalten und ist damitbekannt (50 Hz).

Zu ihrer Messung verwendete man früher meist den Zungenfrequenzmesser(Abb. 1.91a). Stahlzungen 1 mit Eigenfrequenzen im Messbereich von z. B. 20 Hz bis

Page 117: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 117

Abb. 1.92 Ersatzschaltbilder einer Luftspule mit den genormten Anschlussbezeichnungen am Netzbei Gleichstrom (a) und Wechselstrom (b)

100 Hz befinden sich im Magnetfeld einer Spule 2. Fließt durch die Spule ein Wechsel-strom der gesuchten Frequenz, so wird diejenige Zunge zu Schwingungen angeregt, derenEigenfrequenz mit der Frequenz des Spulenstromes übereinstimmt. Benachbarte Zungenschwingen etwas mit, so dass wie in Abb. 1.91b auch Zwischenwerte geschätzt werdenkönnen.

Moderne digitale Anzeigen (Abb. 1.91c) beruhen z. B. auf der Erfassung der anstei-genden Flanken der Sinusgröße. Deren Anzahl wird über eine Zeitspanne (Torzeit) erfasstund damit die Frequenz als Zahlenwert angegeben – s. Abschn. 3.4.2.3.

Beispiel 1.53

Eine Luftspule entnimmt einem Gleichspannungsnetz von 24 V den Strom 1,2 A, ei-nem Wechselspannungsnetz von 230 V, 50 Hz den Strom 2,3 A.

a) Es sollen die Ersatzschaltbilder für Gleich- und Wechselstrom mit eingezeichnetenMessinstrumenten für Strom und Spannung entworfen werden.Die Ersatzschaltung der Luftspule ist nach Abb. 1.77a eine Reihenschaltung von R

und L. Zur Messung von Spannung und Strom werden deshalb nach Abb. 1.92Gleich- und Wechselstrommessinstrumente in der hierfür erforderlichen Weise ge-schaltet.

b) Es sind Wirkwiderstand R, Induktivität L und Phasenwinkel ' der Luftspule zuberechnen. Nach Gl. 1.89 ist der Spulenstrom

I D Up

R2 C .!L/2

Für Gleichstrom ist f D 0, mithin auch ! D 0 und somit I D U=R; der Wirkwi-derstand der Spule ist dann

R D U

ID 24 V

1;2 AD 20 �

Für Wechselstrom erhält man aus Gl. 1.87 für den Scheinwiderstand

Z D U

ID 230 V

2;3 AD 100 �

Page 118: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

118 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.93 Schaltplan zu Bei-spiel 1.54

Der induktive Blindwiderstand der Spule ist

!L Dp

Z2 � R2 Dp

.100 �/2 � .20 �/2 D 98 �

Somit beträgt die Induktivität

L D 98 �

314 s�1D 0;312 H

Den Phasenverschiebungswinkel erhält man aus Gl. 1.88

tan ' D !L

RD 98 �

20 �D 4;9

' D 78;5ı

Der Leistungsfaktor ist also cos ' D 0;2.

Beispiel 1.54

Gegeben ist die Schaltung nach Abb. 1.93 mit C D 220 �F, R1 D 20 �, !L D 40 �,R2 D 5 �. Gesucht sind Teilspannungen und -ströme für die Netzspannung U D230 V, 50 Hz.

a) In das Schaltbild werden sämtliche auftretenden Spannungen U , U 1, U 2, U 3 undStröme I , I 1, I 3 eingetragen, dann gilt nach der Knotenregel I D I 1C I 2 (1) undnach der Maschenregel U D U 1C U 2C U 3 (2).

b) Man zeichnet das Zeigerbild 1.94, ausgehend von dem R1 und L gemeinsamenSpannungszeiger U 0

2 nimmt zunächst U 02 D 100 V an und wählt als bequemen Maß-

stab z. B. 1 cm bD 20 V, 1 cm bD 2 A.Dann gilt für die Ströme durch R1 und L für U 0

2 D 100 V

I 01 D U 0

2=R1 D 100 V=20 � D 5 A I 01 ist in Phase mit U 0

2

I 02 D U 0

2=!L D 100 V=40 � D 2;5 A I 02 eilt U 0

2 um 90ı nach

Damit ergibt sich für den Stromzeiger I 0 der Betrag (Kontrolle anhand des Zeiger-bildes)

I 0 Dq

I021 C I

022 D

p52 C 2;52 A D 5;6 A

Page 119: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 119

Abb. 1.94 Zeigerbild zu Bei-spiel 1.54

Somit werden die Spannungen an R2 und an C

U 03 D I 0R2 D 5;6 A � 5 � D 28 V U 0

3 ist in Phase mit I 0

U 01 D I 0

! CD 5;6 A

314 s�1 � 220 � 10�6 FD 81 V U 0

1 eilt I 0 um 90ı nach

Den Betrag des Spannungszeigers U 0 entnimmt man der Zeichnung und findet U 0 D124 V.

c) Da die tatsächliche Netzspannung U D 230 V ist, müssen sämtliche vorstehend er-mittelten Ströme und Spannungen mit U=U 0 D 230 V=124 V D 1;855 multipliziertwerden, um die wirklich auftretenden Teilspannungen und Teilströme zu erhalten.Somit sind

U2 D 185;5 V I1 D 9;27 A I2 D 4;64 A

I D 10;39 A U3 D 51;9 V U1 D 150;2 V :

Beispiel 1.55

Vier Quecksilber-Hochdrucklampen für 230 V, 450 W, 3,7 A sollen in der Montage-halle einer Fabrik getrennt geschaltet werden können. Der Blindstrom jeder Lampe istdurch je einen Kondensator zu kompensieren.

a) Der Schaltplan der Beleuchtungsanlage ist zu entwerfen.Die in Parallelschaltung an das Stromversorgungsnetz nach Abb. 1.95a angeschlos-senen Stromkreise der vier Lampen können durch je einen Schalter unabhängigvoneinander ein- und ausgeschaltet werden. Jeder Stromkreis enthält einen Strom-zweig mit Lampe und vorgeschalteter Stabilisierungsdrossel. In einem parallel ge-schalteten Stromzweig liegt der zugehörige Kondensator zur Kompensation desBlindstroms.

Page 120: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

120 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.95 Blindstromkom-pensierte Beleuchtungsanlage(a) mit Zeigerbild (b) und Zeit-schaubild (c)

b) Mit Hilfe des Zeigerbildes eines Lampenstromkreises soll die Größe des zugehöri-gen Kondensators bestimmt werden.Eine Quecksilber-Hochdrucklampe samt Vorschaltdrossel nimmt Wirk- und Blind-leistung auf. Das Ersatzschaltbild des Lampenstromkreises ist nach Abb. 1.77 eineReihenschaltung von R und L. Aus P D UI cos ' erhält man den Phasenverschie-bungswinkel

cos ' D P

UID 450 W

230 V � 3;7 AD 0;529 ' D 58;1 ı:

Jetzt kann das Zeigerbild des Lampenstromkreises gezeichnet werden (Abb. 1.95b).Zerlegt man den Stromzeiger I in Wirkstrom I w und Blindstrom I b, so werden dieBeträge von Wirk- und Blindstrom

Iw D I cos ' D 3;7 A � 0;529 D 1;96 A

Ib D I sin ' D 3;7 A � 0;849 D 3;14 A :

Schaltet man den Kondensator parallel (Abb. 1.95a), so nimmt dieser einen derSpannung U um 90ı voreilenden Strom I C auf. Wählt man die Kapazität des Kon-densators so groß, dass IC D Ib wird, so heben sich die Stromzeiger I b und I C imZeigerbild auf. Der Netzstrom I N ist dann gleich dem Wirkstrom I w, der Phasen-verschiebungswinkel ' D 0ı und der Leistungsfaktor cos ' D 1;0.Aus Ib D IC folgt 3,14 A = U!C und hieraus

C D 3;14 A

230 V � 314 s�1D 43;46 � 10�6 F D 43;46 �F :

Page 121: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 121

Die Blindleistung eines Kondensators beträgt

Q D �UIC D �230 V � 3;14 A D �722 var D �0;722 kvar :

c) Die Zeitschaubilder der Netzspannung und der in Abb. 1.95b auftretenden drei Strö-me sollen gezeichnet werden.Netzspannung

Ou D p2U D p

2 � 230 V D 325 V u D 325 V sin !t

Netzstrom

O�N D p2IN D p

2 � 1;96 A D 2;77 A iN D 2;77 A sin !t

Lampenstrom

O� D p2I D p

2 � 3;7 A D 5;23 A i D 5;23 A sin.!t � 58;1ı/

Kondensatorstrom

O�C D p2IC D p

2 � 3;14 A D 4;44 A iC D 4;44 A cos !t

Aus dem Zeitschaubild (Abb. 1.95c) erkennt man, dass die Knotenregel iN D i C iC

für die Augenblickswerte der Ströme in jedem beliebigen Zeitpunkt erfüllt ist.Der Netzstrom lässt sich durch die Kompensation je Lampe von 3,7 A auf 1,96 A,also um 47 % senken. Die Zuleitungen vom Speisepunkt werden also entlastet unddie mit dem Strom quadratisch steigenden Stromwärmeverluste in den Zuleitungenwerden auf das (1,96 A=3,7 A)2 D 0;281fache, d. h. um fast 72 % gesenkt.

1.3.3 Drehstrom

1.3.3.1 DrehstromsystemeDrehstromtechnik. Für die öffentliche Energieversorgung werden in den Kraftwerksge-neratoren grundsätzlich in drei räumlich gleichmäßig verteilten Wicklungen (Abb. 1.96)drei zueinander 120ı phasenverschobene, gleich große Wechselspannungen erzeugt(Abb. 1.97). Sie werden schaltungstechnisch miteinander verbunden und als Drehspan-nung bezeichnet. Diese Drehstromtechnik besitzt gegenüber der Verwendung nur einerWechselspannung, wie z. B. beim 15 kV-Bahnnetz folgende Vorteile:

• Die übertragene Leistung ist zeitlich konstant und pendelt nicht wie bei nur einerWechselspannung mit doppelter Netzfrequenz zwischen null und dem zweifachen Mit-telwert.

Page 122: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

122 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.96 Prinzip eines Dreh-stromgenerators

• Die drei Ströme bilden mit ihren Wicklungen im Luftspalt der Maschine ein Ma-gnetfeld, das synchron mit der Drehfrequenz rotiert und als Drehfeld bezeichnet wird(s. Abschn. 4.3.1.1). Dies ist die Grundlage der Wirkungsweise aller Drehstrommoto-ren.

• Im Vergleich zur Zweileitertechnik mit im Niederspannungsnetz z. B. 1 � 230 V kanneine Drehstromleitung mit drei Leitern und so 3 � 230 V D p

3 � 400 V bei gleicherStromstärke die dreifache Leistung übertragen. Generatoren und Leitungen werdenalso besser ausgenützt.

Erzeugung einer Drehspannung. In Abschn. 1.2.3.3 wird gezeigt, dass bei einer Rela-tivbewegung mit der Geschwindigkeit v zwischen einer Spule und einem Magnetfeld derDichte B in den N Windungen die Spannung Uq D 2N lBv entsteht. Nach diesem Prinziparbeiten alle Generatoren zur Erzeugung einer Wechsel- oder Drehspannung.

In Abb. 1.96 sind im Ständer aus Elektroblech drei räumlich um jeweils 120ı versetz-te Wicklungen untergebracht, was hier nur schematisch dargestellt ist. Die Anfänge derWicklungen mit der einheitlichen Windungszahl N haben die Anschlussbezeichnungen

Abb. 1.97 a Zeitdiagramm eines Drehspannungssystems, b Zeigerbild der Drehspannung

Page 123: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 123

U1, V1, W1 und die Enden U2, V2, W2. Im Läufer wird durch einen nicht gezeichnetenElektromagneten ein Gleichfeld erzeugt, dessen Flussdichte Bx sich längs des Umfangssinusförmig ändert. Dreht man nun den Läufer mit der konstanten Umfangsgeschwindig-keit v, so wird in jeder der drei Wicklungen eine zeitlich sinusförmige Wechselspannungvon gleicher Frequenz und gleichem Effektivwert erzeugt. Durch die räumliche Verset-zung der Spulen um 120ı gegeneinander sind aber die drei Wechselspannungen zeitlichum t D T=3 bzw. !t D 2�=3 oder 120ı gegeneinander phasenverschoben. Abbil-dung 1.97a zeigt das zugehörige Zeitschaubild, Abb. 1.97b das Zeigerbild der drei Wech-selspannungen.

Unter Drehstrom oder Dreiphasen-Wechselstrom versteht man demnach ein Systemvon drei sinusförmigen Wechselspannungen mit gleicher Frequenz und gleichem Effektiv-wert, die zeitlich gegeneinander jeweils um T=3 bzw. 2�=3 oder 120ı phasenverschobensind.

Mit Drehstrom kann ein räumlich umlaufendes magnetisches Feld, ein sogenanntesDrehfeld, erzeugt werden, woher der Drehstrom seinen Namen hat. Die in einem Strangerzeugte Wechselspannung hat nach Gl. 1.59 die Amplitude

Oust D p2Ust D 2 N � lBmax � v

Somit lauten die Gleichungen der drei Strangspannungen

Strang U1 � U2 Strang V1 � V2 Strang W1 � W2

uU D p2Ust sin !t uV D p

2Ust sin.!t � 120ı/ uw D p2Ust sin.!t � 240ı/

(1.101)

wobei Ust der Effektivwert der Strangspannung und ! D 2�f ihre Kreisfrequenz ist.Die genormte zeitliche Reihenfolge der drei Strangspannungen, ihre Phasenfolge, ist

U V W.

Verkettung der drei Stränge. Die sechs Anschlusspunkte der drei Stränge sind am An-schlusskasten von Drehstrommaschinen (Abb. 1.98a) in der Reihenfolge U1, V1, W1 undW2, U2, V2 angeordnet. Man könnte nun die drei Strangspannungen des Drehstrom-systems über sechs Leiter, ausgehend von den sechs Anschlusspunkten des Generators,zu den Verbrauchern fuhren. Durch geeignete Zusammenschaltung, Verkettung der dreiStränge genannt, ist es jedoch möglich, mit weniger als sechs Leitern auszukommen, wienun gezeigt wird.

Sternschaltung. Verbindet man am Anschlusskasten des Generators die drei Strangen-den U2, V2, W2 miteinander (Abb. 1.98a), so werden die drei Strangspannungen in die-sem Punkt, dem Sternpunkt, miteinander verkettet. In Abb. 1.99 ist die dann vorhandeneSternschaltung der drei Stränge gezeigt, weil die Zeiger der Strangspannungen einenSpannungsstern bilden. Die von den Stranganfängen U1, V1, W1 ausgehenden Leiter

Page 124: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

124 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.98 Genormte Anordnung der Anschlüsse am Anschlusskasten bei Drehstrommaschinenund -geräten L1, L2, L3 Außenleiter, N Neutralleiter. a waagrechte Verbindungen W2 – U2 – V2 beiSternschaltung ( ), b senkrechte Verbindungen U1 – W2, V1 – U2, W1 – V2 bei Dreieckschaltung(�)

werden als Außenleiter L1, L2, L3 bezeichnet und zusammen Drehstrom-Dreileiternetz.Wenn zusätzlich auch der vom Sternpunkt ausgehende Sternpunktleiter oder Neutrallei-ter N mitgeführt wird, ergibt sich ein Drehstrom-Vierleiternetz, wie es als Niederspan-nungsnetz heute ausschließlich der öffentlichen Stromversorgung dient.

Dreieckschaltung. Verbindet man am Anschlusskasten des Generators die Anschlüssesenkrecht miteinander (Abb. 1.98b), dann werden die drei Stränge so miteinander verket-tet, dass immer das Ende eines Strangs mit dem Anfang des folgenden Strangs verbundenwird; z. B. wird durch die Verbindungslasche U2 – V1 das Ende U2 des ersten Strangs mitdem Anfang V1 des zweiten Strangs verbunden usw. Diese in sich geschlossene Ring-schaltung der drei Strangspannungen ist technisch möglich, weil dabei die Zeiger der dreiStrangspannungen im Zeigerbild (Abb. 1.100) ein gleichseitiges Spannungsdreieck bil-den, so dass U UC U VC U w D 0 folgt. Natürlich ist dann auch in jedem beliebigenAugenblick des Zeitschaubildes (Abb. 1.97a) die Summe der Augenblickswerte der dreiStrangspannungen uU C uV C uw D 0, was auch rechnerisch aus Gl. 1.101 folgt. Mit denvon den drei Anschlussstellen ausgehenden Außenleitern L1, L2 und L3 erhält man einDrehstrom-Dreileiternetz, wie es vorwiegend bei Hochspannungen angewandt wird.

Anwendungen. Die vorstehend beschriebene Stern- und Dreieckschaltung von drei un-ter sich gleichen Strängen wird praktisch sowohl bei der Erzeugung elektrischer Energiein Drehstromgeneratoren als auch im Zuge der Fortleitung und Verteilung der Energie inden Primär- und Sekundärwicklungen von Drehstromtransformatoren und vor allem beider an die Drehstromnetze angeschlossenen Vielzahl von Drehstromverbrauchern, insbe-sondere bei den Wicklungen von Drehstrommotoren, angewandt. Die dabei gemeinsamauftretenden elektrischen Größen werden nun besprochen.

1.3.3.2 Elektrische Größen bei Stern- und DreieckschaltungSpannungen bei Sternschaltung. Zeichnet man die im Drehstrom-Vierleiternetz zurVerfügung stehenden drei Spannungen zwischen je einem Außenleiter und dem Stern-punktleiter, Sternspannungen genannt, in Abb. 1.99 ein, so sind diese gleich den drei

Page 125: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 125

Abb. 1.99 Sternschaltung derdrei Stränge. Spannungssternmit Sternspannungen (U )und Spannungsdreieck mitDreieckspannungen (U )

entsprechenden Strangspannungen

U 1N D U U U 2N D U V U 3N D U w

Bei einem symmetrischen Drehstromsystem sind die Effektivwerte U der Sternspan-nungen daher gleich den Effektivwerten Ust der Strangspannungen

U D Ust (1.102a)

Zwischen jedem Außenleiter und dem Sternpunktleiter steht eine sinusförmige Wechsel-spannung mit dem Betrag U (Sternspannung) zur Verfügung.

Außer den drei Sternspannungen sind zwischen den Außenleitern noch weitere dreiWechselspannungen verfügbar, die man Außenleiter- oder Dreieckspannungen nennt.

Die Zeiger der Dreieckspannungen bilden ein gleichseitiges Spannungsdreieck, dasden Spannungsstern umschließt. Auch die Dreieckspannungen sind gegeneinander um120ı phasenverschoben. Aus dem gleichseitigen Spannungsdreieck ergibt sich weiter-hin, dass z. B. die Dreieckspannung U 12 der Sternspannung U 1N D U U um 30ı voreilt.Aus Abb. 1.99 erhält man auch den Effektivwert U der Dreieckspannungen. Betrach-tet man das durch U1, N, V1 gebildete gleichschenklige Dreieck, so wird U D U12 D2U cos 30ı D 2U

p3=2 oder allgemein

U D p3U (1.102b)

Die drei Dreieckspannungen U sind alsop

3mal so groß wie die drei Sternspannun-gen U .

Beispiel 1.56

Ist in einem Drehstrom-Vierleiternetz die Sternspannung U �230 V, so ist die Drei-eckspannung U D p

3 � 230 V D 400 V. Ein solches Drehstrom-Vierleiternetz hatdie Bezeichnung 3 � 400 V=230 V oder 400 V=230 V. In diesem Vierleiternetz stehenSpannungen von 230 V und 400 V zur Verfügung. Wird der Sternpunktleiter im Netz

Page 126: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

126 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.100 Dreieckschal-tung der drei Stränge.Spannungsdreieck mit Drei-eckspannungen U

nicht mitgeführt, so erhält man ein Dreileiternetz, bei dem nur die Dreieckspannungenzur Verfügung stehen. Ein solches Dreileiternetz bezeichnet man z. B. als 10 kV-Netz,wobei 10 kV die Dreieckspannung („Drehspannung“) zwischen je zwei Außenleiternist.

Spannungen bei Dreieckschaltung. Es treten nur die in Abb. 1.100 eingezeichnetenDreieckspannungen und keine Sternspannungen auf, und es ist

U 12 D U U U 23 D U V U 31 D U w

Die Effektivwerte U der Dreieckspannungen sind gleich den Effektivwerten Ust derStrangspannungen

U D Ust (1.103)

Man erhält bei Dreieckschaltung also lediglich ein gleichseitiges Spannungsdreieck(Abb. 1.100) mit 3 gleich großen Spannungen, je vom Betrag U .

Ströme. An die drei Außenleiter L1, L2, L3 eines Drehstrom-Dreileiternetzes oder-Vierleiternetzes werden die Drehstromverbraucher in Stern- bzw. Dreieckschaltung an-geschlossen (Abb. 1.101 und 1.102). In beiden Schaltungen sind am Anschlusskasten desVerbrauchers dieselbe Anordnung und Bezeichnung der Anschlüsse wie am Generator(Abb. 1.98) gültig.

Wir beschränken unsere Betrachtungen auf symmetrische Belastung des Drehstrom-netzes. An das Drehstromnetz sollen also nur Verbraucher angeschlossen werden, dieaus drei gleichen Strängen bestehen, z. B. aus drei gleichen Wicklungssträngen in Dreh-strommotoren, drei gleichen Heizspulen in einem Elektroofen, drei gleichen Kondensato-ren einer Kondensatorbatterie. Jeder Strang eines Drehstromverbrauchers kann dann alsZweipol mit bekanntem Scheinwiderstand Z und Phasenverschiebungswinkel ' darge-stellt werden. Ist Ust die Strangspannung, dann gilt nach Gl. 1.73 für den Effektivwert desStrangstroms allgemein:

Ist D Ust=Z (1.104)

' ist der Phasenverschiebungswinkel der Strangspannung gegen den Strangstrom.

Page 127: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 127

Abb. 1.101 a Sternschal-tung eines symmetrischenDrehstromverbrauchers,b Zeigerbild, c Addition derStromzeiger am Sternpunkt

Sternschaltung. Hier bilden die drei zusammengeschlossenen Strangenden W2, U2, V2den Sternpunkt (Abb. 1.101a), so dass an den Strängen die Sternspannungen U 1N, U 2N,U 3N liegen. Nach Gl. 1.102a und b ist der Effektivwert jeder Strangspannung

Ust D U D U=p

3

Man erhält das in Abb. 1.101b gezeichnete Zeigerbild für die drei Strangspannungen unddie drei Strangströme I 1, I 2, I 3 D 0. Nach der Knotenregel, angewandt auf den Stern-punkt, gilt

I 1 C I 2 C I 3 D 0

Die drei Stromzeiger bilden im Zeigerbild Abb. 1.101c ein gleichseitiges Dreieck. Diegeometrische Addition der drei Zeiger ergibt also den Strom null, weil die Summe der dreiStrangströme in jedem Augenblick null ist, wie dies aus Abb. 1.97c auch für die Strömefolgt. Bezeichnet man allgemein den Effektivwert der Außenleiterströme mit I , so gilt, dabei der Sternschaltung die Strangströme gleich den Strömen in den Außenleitern sind

I D Ist D Ust=Z D U=p

3Z (1.105)

Page 128: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

128 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.102 a Dreieckschal-tung eines symmetrischenDrehstromverbrauchers, b Zei-gerbild, c Ermittlung desLeiterstroms I 1

Dreieckschaltung. Bei der Dreieckschaltung (Abb. 1.102a) liegen an den Strängen dieDreieckspannungen U 12, U 23, U 31 des Drehstromnetzes. Nach Gl. 1.103 ist somit derEffektivwert jeder Strangspannung Ust D U . Man erhält das in Abb. 1.102b gezeichneteZeigerbild für die drei Strangspannungen und die drei Strangströme I 12, I 23, I 31. Die ausdem Netz entnommenen Außenleiterströme I1, I 2, I 3 erhält man aus Abb. 1.102a nachder Knotenregel

I 1 D I 12 � I 31 I 2 D I 23 � I 12 I 3 D I 31 � I 23

Bildet man z. B. I 1 im Zeigerbild Abb. 1.102c, so erhält man ein gleichschenkliges Drei-eck, dessen Schenkel gleich den Strangströmen Ist sind. Somit ergibt sich nach Gl. 1.103und 1.104 für die Effektivwerte der Strangströme Ist und der Außenleiterströme I

Ist D U=ZI D p3Ist D p

3U=Z (1.106)

Leistungen, Leistungsfaktor, Arbeit Allgemein gilt für die Leistung (Wirkleistung) ei-nes Stranges nach Gl. 1.78

Pst D UstIst cos ' :

Page 129: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 129

Somit ist die gesuchte Drehstromleistung

P D 3Pst D 3UstIst cos ' : (1.107)

Bei Sternschaltung ergibt sich hieraus

P D 3Up

3I cos ' D p

3UI cos ' :

Bei Dreieckschaltung entsprechend

P D 3UIp3

cos ' D p3UI cos ' :

Allgemein gelten somit bei Drehstrom, symmetrisches Netz und symmetrische Belastungvorausgesetzt, für Stern- und Dreieckschaltung die folgenden Gleichungen:

Leistung (Wirkleistung)P D p

3UI cos ' (1.108)

Blindleistung. Für die Blindleistung eines Stranges ergibt sich nach Gl. 1.76Qst D Ust � Ist sin '. Für die Blindleistung aller drei Stränge ist somit in die vorste-hende Leistungsgleichung sin ' statt cos ' einzusetzen, und man erhält

Q D p3UI sin ' : (1.109)

Scheinleistung. Entsprechend erhält man für die Scheinleistung eines StrangesSst D UstIst und damit für die Scheinleistung aller drei Stränge

S D p3UI D

pP 2 C Q2 (1.110)

Man beachte sehr genau, dass in den vorstehenden drei Leistungsgleichungen bedeuten:

U Dreieckspannung des Drehstromnetzes = Spannung der Außenleiter,I Strom in einem Außenleiter des Drehstromnetzes,' Phasenverschiebungswinkel der Strangspannung gegen den Strangstrom.

Leistungsfaktor. Entsprechend Gl. 1.80 erhält man auch für Sinusgrößen bei Drehstromaus den vorstehenden Gleichungen

� D P

SD cos ' (1.111)

Arbeit (Wirkarbeit), Blindarbeit und Scheinarbeit. Diese sind mit den Gl. 1.108 bis 1.110

W D P t Wq D Qt WS D St (1.112)

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130 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Tab. 1.103 Spannungen, Ströme und Leistungen bei Stern- und Dreieckschaltung eines symmetri-schen Drehstromverbrauchers (je Strang Z, ')

Sternschaltung Dreieckschaltung � Verhältnis : �

Strangspannung UstU

p

3U 1 :

p3

Strangstrom IstU

p

3Z

UZ

1 W p3

Außenleiterstrom I Up

3Z

p

3UZ

1 : 3

Leistung P U 2

Zcos ' 3U 2

Zcos ' 1 : 3

Blindleistung Q U 2

Zsin ' 3U 2

Zsin ' 1 : 3

Scheinleistung S U 2

Z3U 2

Z1 : 3

Augenblickswert der Drehstromleistung. Aus den Gl. 1.74 und 1.101 folgt, dass für dieAugenblickswerte der Leistung in den drei Strängen (UVW) gilt:

PtU D Pst � UstIst cos.2!t C 'u C 'i/

PtV D Pst � UstIst cos.2!t C 'u C 'i � 120ı/

PtW D Pst � UstIst cos.2!t C 'u C 'i � 240ı/

Somit ergibt sich für den Augenblickswert der Drehstromleistung

Pt D PtU C PtV C PtW D 3Pst � UstIst � �cos.2!t C 'u C 'i /

C cos.2!t C 'u C 'i � 120ı/ C cos.2!t C 'u C 'i � 240ı/�

Da der Wert der eckigen Klammern in jedem Zeitpunkt 0 ist, folgt mit Gl. 1.108

Pt D 3Pst D 3UstIst cos ' D P

d. h. der Augenblickswert der Drehstromleistung ist konstant.

Beispiel 1.57

Aus Tab. 1.103 ist das Leistungsverhältnis Y=� D 1 W 3 zu beweisen.

Aus Gl. 1.107 gilt allgemein P D 3UstIst cos ' und damit für

Sternschaltung: PY D 3Ust.Ust=Z/ cos ' D 3.Ust/2=Z cos '

Dreieckschaltung: P� D 3UL.UL=Z/ cos ' D 3.UL/2=Z cos '

D 9.Ust/2=Z cos ' da UL D p

3Ust

Page 131: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 131

Abb. 1.104 Messung der Drehstromleistung. a Einwattmetermethode bei gleichmäßiger BelastungP D 3P3, b Dreiwattmetermethode im Vierleiternetz P D P1 C P2 C P3

1.3.3.3 Messungen im DrehstromnetzFür die Messung von Strömen und Spannungen gelten gegenüber dem Wechselstromkreiskeine neuen Vorschriften.

Die Leistung im Drehstromnetz besteht aus der Summe der drei Einzelwerte durchdie Ströme in den Leitungen L1, L2 und L3. Ist die Belastung völlig gleichmäßig, mannennt dies symmetrisch, so genügt die Bestimmung eines Wertes, der dann 1=3 der Ge-samtleistung ist. Man benötigt allerdings zu dieser Messung den Neutralleiter N, da an dieSpannungsspule die Sternspannung UN anzuschließen ist (Abb. 1.104a).

Sind die Leitungsströme ungleich, d. h. liegt eine unsymmetrische Belastung vor, sindim Vierleiternetz nach Abb. 1.104b drei Messgeräte erforderlich. Die Drehstromleistungergibt sich dann aus der Summe der Einzelwerte. In Niederspannungsnetzen werden diedrei Messwerke in ein Gerät mit gemeinsamer Achse und einer Skala vereint.

Zweiwattmeter-Methode. Im Dreileiter-Drehstromsystem, d. h. ohne die Mitnahme desan den Sternpunkt des Verteilertransformators angeschlossenen Leiters muss die Sum-me der drei Strangströme null ergeben. In diesem Falle genügt zur Leistungsbestimmungder Einsatz von nur zwei Messgeräten. Diese nach seinem Erfinder auch Aronschaltunggenannte Zweiwattmetermethode verwendet die Schaltung nach Abb. 1.105a. Wie in Ab-schn. 1.3.2.1 gezeigt, ergibt sich die Leistung in komplexer Schreibweise zu

S D U 1NI �1 C U 2NI �

2 C U 3NI �3 :

Nach Abb. 1.105b lässt sich umformen

U 1N D U 12 C U 2N und U 3N D U 32 C U 2N :

Setzt man dies in obige Leistungsgleichung ein, so erhält man bei gleichzeitiger Ord-nung der Terme die Beziehung

S D U 12I �1 C U 32I �

3 C U 2N.I �1 C I �

2 C I �3/ :

Page 132: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

132 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.105 Zweiwattme-termethode (Aronschaltung)im Dreileiternetz bei beliebi-ger Belastung. a Schaltungder Messgeräte und P DP12 C P32, b Zeigerdiagrammbei beliebigem cos '

Die Stromsumme innerhalb der Klammer ist null, so dass für den Wirkanteil der Dreh-stromleistung die Gleichung

P D Ul2I1 cos '1 C U32I3 cos '3 D P12 C P32

entsteht. Diese Beziehung wird durch die Schaltung in Abb. 1.105a erfasst.Die Drehstromleistung wird mit P D kw.˛1 C ˛2/ durch die Summe der Anzeigen

˛1 und ˛3 der beiden Leistungsmesser bestimmt. Der Faktor kw ist die Gerätekonstantein Watt/Skalenteil. Das Messverfahren hat die Besonderheit, dass ab ' � 60ı, d. h. beicos '-Werten unter 0,5 mit '1 D ' C 30ı der Ausschlag ˛1 negativ wird. In diesem Fallmuss die Stromspule von Wattmeter 1 umgepolt und die Leistung mit P D kw.˛3 �a1/

bestimmt werden.

Beispiel 1.58

Ein Drehstromofen nimmt bei Dreieckschaltung und Anschluss an das Drehstromnetz400 V=230 V die Leistung 10 kW auf.

a) Der Widerstand eines Heizstranges ist zu berechnen.An jedem Strang liegt bei der Dreieckschaltung die Strangspannung U D 400 V.Somit ist die Leistung aller drei Stränge P� D 3U 2=R. Hieraus folgt der gesuchteWiderstand

R D 3U 2

P�

D 3 � .400 V/2

10:000 WD 48 �

b) Wie groß sind die Außenleiter- und Strangströme bei Dreieckschaltung?Strangstrom

Ist D U

RD 400 V

48 �D 8;33 A

AußenleiterstromI D p

3Ist D p3 � 8;33 A D 14;43 A

Kontrolle

P� D p3UI cos ' D p

3 � 400 V � 14;43 A � 1 D 10:000 W D 10 kW

Page 133: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 133

Abb. 1.106 Zeigerbild fürSternschaltung (a) und Drei-eckschaltung (b)

c) Wie groß ergeben sich zum Vergleich die elektrischen Größen bei Sternschaltung?An jedem Strang liegt bei dieser Schaltung die Spannung U D 230 V. Somit ist dieLeistung der drei Stränge

P D 3U 2=R

Mit U D U=p

3 ist

P D U 2

RD 400 V2

48 �D 3330 W D 3;33 kW also P D 1

3P�

Für den Außenleiterstrom (Strangstrom) gilt

I D Ist D U

RD 230 V

48 �D 4;79 A also I D 1

3I�

Leistungskontrolle

P D p3UI cos ' D p

3 � 400 V � 4;79 A � 1 D 3330 W D 3;33 kW

d) Für Stern- und Dreieckschaltung ist ein maßstäbliches Zeigerbild mit Strangspan-nungen, Strangströmen und Außenleiterströmen zu entwerfen.Da reine Wirklast vorliegt, sind jeweils die Strangspannungen und Strangströme inPhase. Die Außenleiterströme sind somit bei beiden Schaltungen in Phase mit denentsprechenden Sternspannungen (Abb. 1.106).

Beispiel 1.59

Von einem Drehstrommotor, der an ein 230 V=400 V-Netz in Dreieckschaltung anzu-schließen ist, sind für Bemessungsleistung folgende Daten bekannt: Leistung 11 kW,Drehzahl 1455 min�1, Leistungsfaktor cos ' D 0;85, Wirkungsgrad � D 81,5 %.

a) Schaltplan und Schaltung am Anschlusskasten sind zu entwerfen. Abbildung 1.107zeigt die hergestellte Schaltung.

Page 134: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

134 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.107 Schaltplan mitSchalter und Anschlusskasteneines Drehstrommotors fürDreieckschaltung

b) Außenleiterstrom und Strangstrom sind zu berechnen und das Zeigerbild für einenMotorstrang ist zu zeichnen. Da die vom Motor abgegebene Leistung P2 D 11 kWbeträgt, ist die vom Motor aufgenommene Leistung

P1 D P2=� D 11 kW=0;815 D 13;5 kW :

Aus Gl. 1.108 folgt für den Außenleiterstrom

I D P1p3U cos '

D 13:500 Wp3 � 400 V � 0;85

D 22;92 A :

Der Strangstrom ergibt sich aus Gl. 1.106

Ist D Ip3

D 22;92 Ap3

D 13;24 A :

Mit Hilfe dieser Größen kann das Zeigerbild Abb. 1.108a gezeichnet werden.c) Die im Bemessungsbetrieb benötigte Blind- und Scheinleistung, der Leistungsver-

lust und das Drehmoment des Motors sind zu ermitteln.Nach Gl. 1.110 ist

S D p3UI D p

3 � 400 V � 22;92 A D 15:879 VA D 15;9 kVA :

Damit folgt aus Gl. 1.109, da sin ' D 0;527 wird

Q D S sin ' D 15;9 � 0;527 kvar D 8;238 kvar

Der Leistungsverlust des Motors ist

PV D P1 � P2 D .13;5 � 11/ kW D 2;5 kW :

Page 135: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 135

Abb. 1.108 Drehstrommotor.a Zeigerbild für einen Strang,b Leistungsdreieck

Das Drehmoment des Motors errechnet man aus Gl. 1.18

MN D P2N

2� � nND 11:000 Ws

2� � 1455=60D 72;2 N m

d) Welche Stromkosten entstehen bei Volllast je Stunde bei den Tarifen 8 Cent=kWhund 1 Cent=kvarh?Elektrische Arbeit in einer Stunde

W D P1t D 13;5 kW � 1 h D 13;5 kWh

Elektrische Blindarbeit in einer Stunde

Wq D Qt D 8;38 kvar � 1 h D 8;38 kvarh

Stromkosten in einer Stunde

K D 13;5 � 8 Cent C 8;38 � 1 Cent D 116 Cent D 1;16AC

e) Zu ermitteln ist die Blindleistung einer Kondensatorbatterie, die den Leistungsfaktorder Anlage bei Bemessungsbetrieb des Motors auf cos 'K D 0,95 verbessern soll.Zeichnet man mit den bekannten Größen P1 D 13,5 kW und Q D 8,38 kvar dasLeistungsdreieck auf (Abb. 1.108b), so ergibt sich als Hypothenuse des rechtwink-ligen Dreiecks die bereits ermittelte Scheinleistung S D 15,9 kVA. Trägt man,cos 'K D 0,95 entsprechend, 'K D 18,2ı in Abb. 1.108 ein, so ergibt sich ausdiesem Bild die erforderliche Kondensatorenleistung QK D �4 kvar.

QK D �Q C P1 tan 'K D �8;38 kvar C 13;5 � 0;329 kvar

D �3;94 kvar �4 kvar

f) Die Kapazitäten C und C� bei Stern- und Dreieckschaltung der Kondensatorensind zu berechnen. Aus Tab. 1.103 erhält man mit Q D QK, Z D 1=!C undsin ' D �1

Page 136: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

136 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Abb. 1.109 a Schaltplan der Abnehmergruppen I, II, III einer Fabrik (vereinfacht), b Zeigerbild derStröme

bei Sternschaltung

QK D �U 2!C hieraus

C D � QK

U 2!D 4000 VA

4002 V2 � 314 s�1D 79;6 � 10�6 F D 79;6 �F

bei Dreieckschaltung

QK D �3U 2!C� somit

3C� D C oder C� D 1

3C D 26;4 �F

Beispiel 1.60

In einer Fabrik sind am 400 V=230 V-Netz drei Abnehmergruppen installiert(Abb. 1.109a):

I) 60 Motoren zu je 2,2 kW cos 'I = 0,82; � D 79,5 %II) 20 Motoren zu je 5,15 kW cos 'II = 0,84; � D 81 %III) Elektrowärmegeräte 40 kW cos 'III D 1,0

Es kann vereinfacht angenommen werden, dass bei der Höchstbelastung 60 % der Mo-toren mit Bemessungsleistung und alle Elektrowärmegeräte in Betrieb sind.

a) Höchstbelastung, Gesamtstrom und Leistungsfaktor sind zu ermitteln.Die aufgenommene elektrische Leistung beträgt fürGruppe I 60 % von 60 Motoren = 36 Stück zu je 2,2 kW

PI D 36 � 2;2

0;795kW D 99;6 kW

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1.3 Wechselstrom und Drehstrom 137

Gruppe II 60 % von 20 Motoren = 12 Stück zu je 5,15 kW

PII D 12 � 5;15

0;81kW D 76;2 kW

Gruppe III 100 % der Leistung der Elektrowärmegeräte

PIII D 40;0 kW

Insgesamt auftretende Wirklast: P D 215,8 kWDie aufgenommene Blindleistung ist

Q D S sin ' D P

cos 'sin ' D P tan '

Somit wird die Blindleistung fürGruppe I QI D 99;6 � 0;698 kvar D 69;5 kvarGruppe II QII D 76;2 � 0;646 kvar D 49;3 kvarGruppe III –Insgesamt auftretende Blindlast: Q D 118;8 kvarDann wird die Scheinleistung nach Gl. 1.110

S Dp

P 2 C Q2 Dp

215;82 C 118;82 kVA D 246 kVA

und man erhält

I D Sp3U

D 246 kVAp3 � 400 V

D 0;355 kA D 355 A

Der Leistungsfaktor ist

cos ' D P

SD 215;8

246D 0;878

b) Die Sternspannung U 1N und die drei Anteile I I, I II und I III des Außenleiterstromessind in einem Zeigerbild darzustellen.Die gesamten Anteile addieren sich zum Leiterstrom I D I IC I II C I III. Die Be-träge der Ströme sind

II D 99:600 Wp3 � 400 V � 0;82

D 175;3 A aus cos 'I D 0;82 ergibt sich 'I D 34;9ı

III D 76:200 Wp3 � 400 V � 0;84

D 131 A aus cos 'II D 0;84 ergibt sich 'II D 32;9ı

IIII D 40:000 Wp3 � 400 V

D 57;7 A aus cos 'III D 1 ergibt sich 'III D 0 ı:

Page 138: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

138 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Aus einem Zeigerbild nach Abb 1.109b in genügend großer Darstellung wurden zurKontrolle abgelesen

I D 354 A Rechenwert unter a) I D 355 A

cos ' D 0;875 Rechenwert unter a) cos ' D 0;878 :

c) Welche Wirkleistung P1 darf bei Blindstromkompensation auf cos 'K D 1,0 zusätz-lich auftreten, ohne dass der zulässige Belastungsstrom I D 355 A überschrittenwird?Die erforderliche Kondensatorenbatterie muss die Blindleistung Q vollständigkompensieren. Somit ist die von den Kondensatoren aufzunehmende BlindleistungQK D �Q D �118;8 kvar.Die gesamte Wirkleistung bei einem Leiterstrom I D 355 A beträgt dann

Pges D p3UI cos 'K D p

3 � 400 V � 355 A � 1;0 D 246 kW :

Diese Leistung ist also gleich der bisherigen Scheinleistung S , so dass zusätzlicheine Wirkleistung

P1 D Pges � P D .246 � 215;8/ kW D 30;2 kW

auftreten darf.

Beispiel 1.61

Das Leistungsschild eines Drehstrommotors gibt als Bemessungsdaten an: UN D400 V, 50 Hz in Sternschaltung, IN D 4;8 A, PN D 2,2 kW, cos 'N = 0,85

a) Die Aufnahmeleistung P1N wird mit der Zweiwattmeter-Methode nach Abb. 1.105akontrolliert. Welche Teilleistungen P12 und P32 zeigen die zwei Leistungsmesseran?Nach Abschn. 1.3.3.3 gilt

P12 D U12I1 cos '1 und P32 D U32I3 cos '3

Bei cos 'N D 0;85 wird 'N D 31;79ı und damit nach dem Zeigerbild Abb. 1.105b

'1 D 'N C 30ı D 61;79ı und '3 D 'N � 30ı D 1;79ı

Mit I D I1 D I3 D 4;8 A und U12 D U32 D 400 V erhält man die Leistungsmes-seranzeigen

P12 D 400 V � 4;8 A � cos 61;79ı D 907;6 W

P32 D 400 V � 4;8 A � cos 1;79ı D 1919;1 W

Page 139: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

1.3 Wechselstrom und Drehstrom 139

b) Bei welchem Leistungsfaktor cos ' zeigt ein Leistungsmesser den Maximalwert an?Ein Maximalwert wird erreicht, wenn entweder cos '1 D 1 oder cos '3 D 1 auftritt.Nach Abb. 1.105b kann dies für einen nacheilenden Strom I nur mit '3 D 0ıentstehen, wobei dann ' D 30ı ist. Der Maximalwert wird damit bei cos ' D 0;866

erreicht.c) Wie groß ist der Wirkungsgrad �N des Motors?

Der Wirkungsgrad eines Motors steht nicht auf dem Leistungsschild, sondern mussaus dem Verhältnis Abgabeleistung PN an der Welle zur Aufnahmeleistung berech-net werden.Aufnahmeleistung des Motors nach Gl. 1.108

P1N D p3 UNIN cos 'N D p

3 400 V � 4;8 A � 0;85 D 2826;7 W

Kontrolle aus a):

P1N D P12 C P32 D 907;6 W C 1919;1 W D 2827 W

Wirkungsgrad�N D PN=P1N D 2200 W=2826;7 W D 0;78

d) Zur vollständigen Blindstromkompensation sollen drei Kondensatoren CD in Drei-eckschaltung eingesetzt werden. Welchen Wert muss ein Kondensator erhalten?Von der Kondensatorbatterie muss pro Leitung der Motorblindstrom

IbN D IN sin 'N D 4;8 A � 0;527 D 2;53 A

geliefert werden. Dies verlangt nach Gl. 1.106 den Kondensatorstrom

IC D Ist D IbN=p

3 D 2;53 A=p

3 D 1;46 A :

Mit IC D U!C nach Gl. 1.68 erhält man für den Kondensator

CD D 1;46 A=.400 V � 314 s�1/ D 11;6 �F

Aufgabe 1.38

Mit den Daten aus Beispiel 1.61 ist das Drehmoment an der Welle bei nN D1440 min�1 zu bestimmen. Wie groß ist ferner der warme Widerstand R der Stän-derwicklung, wenn die Stromwärmeverluste 50 % der Gesamtverluste betragen?

Ergebnis: M D 14;6 N m und R D 4;53 �

Page 140: Elektrotechnik für Maschinenbauer || Grundlagen der Elektrotechnik

140 1 Grundlagen der Elektrotechnik

Literatur

1. Büttner, W.: Grundlagen der Elektrotechnik. Oldenbourg (2004)

2. Frohne, H./Löcherer, K.-H., Müller, H.: Moeller Grundlagen der Elektrotechnik. ViewegCTeubner, Wiesbaden (2008)

3. Führer, A., Heidemann, K., Nerreter, W.: Grundgebiete der Elektrotechnik Band 1 und 2. CarlHanser Verlag, München, Wien (2002)

4. Busch, R.: Elektrotechnik und Elektronik. 5. Aufl. ViewegCTeubner, Wiesbaden (2008)