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Elementare Geometrie Vorlesung 18 Markus Rost 13.6.2019

Elementare Geometrie Vorlesung 18 - math.uni-bielefeld.derost/eg/Vorlesung18.pdf · Scherungen IX Eine Scherung swird festgelegt durch: 1 Die Vorgabe einer Geraden g, der Fixpunktgeraden

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Elementare Geometrie Vorlesung 18

Markus Rost

13.6.2019

Fixpunkte I

Sprechweisen zu Fixpunkten einer Selbstabbildung:

Es sei M eine Menge und es sei

f ∶M →M

eine Abbildung der Menge M in sich.

Definition

Ein Fixpunkt von f ist ein Element P ∈M das von f festgelassenwird:

f(P ) = P

Die Fixpunktmenge von f ist die Menge der Fixpunkte von f .Notation:

Fix(f) = {P ∈M ∣ f(P ) = P }

Fixpunkte II

Betrachten wir zum Beispiel Permutationen einer Menge

M = {A,B,C}mit 3 Elementen.

Die zyklische Vertauschung

f ∶ A→ B → C → A

hat keine Fixpunkte (die Fixpunktmenge ist leer):

Fix(f) = ∅Die Transposition

t∶ A↔ B, C ↔ C

hat nur den einen Fixpunkt C:

Fix(t) = {C}

Fixpunkte III

Einen Sonderfall bildet die identische Abbildung idM :

idM ∶M →M

idM(x) = x

Hier ist die Fixpunktmenge die ganze Menge:

Fix(idM) =M

Hat f keinen Fixpunkt, also

Fix(f) = ∅

so spricht man von einer fixpunktfreien Abbildung.

Fixpunkte IV

Weitere Beispiele sind Transformationen der euklidischen Ebene E:

Eine Drehung um einen Winkel α hat genau einen Fixpunkt,das Drehzentrum (falls α ≠ 0).

Die Parallelverschiebung (Translation)

f(P ) = P + v

um einen Vektor v hat keinen Fixpunkt (falls v ≠ 0).

Ist hier α = 0 bzw. v = 0, so handelt es sich jeweils um dieidentische Abbildung.

Scherungen I

Scherungen (Transvektionen) sind gewisse Abbildungen

s∶E→ E

der euklidischen Ebene E in sich.

Es handelt sich dabei um eine spezielle Klasse vonflachenerhaltenden Abbildungen.

Die Fixpunktmengeg = Fix(s)

einer Scherung ist eine Gerade, die sogenannte Fixpunktgeradevon s. Man spricht von einer Scherung entlang g.

Bei einer Scherung werden alle Geraden auf Geraden abgebildet.

Die zur Fixpunktgeraden parallelen Geraden werden sogar auf sichselbst abgebildet (mit einer Verschiebung).

Scherungen II

Konkret sehen alle Scherungen entlang der x-Achse so aus:

Man wahle eine reelle Zahl m. Die Abbildung

s(x, y) = (x +my, y)

ist dann eine Scherung.

Die Matrix-Darstellung von s ist

(xy)↦ (x +my

y) = (1 m

0 1)(xy)

Wir wollen m ≠ 0 annehmen um den Fall der identischen Abbildungauszuschließen.

Scherungen III

Ein Punkt P = (a, b) ist ein Fixpunkt von

s(x, y) = (x +my, y)genau dann wenn

(a +mb, b) = (a, b)also wenn

a = a +mbd.h.

0 =mbIst m ≠ 0, bedeutet dies b = 0.

Die Fixpunktmenge von s ist also tatsachlich die x-Achse:

Fix(s) = { (a,0) ∣ a ∈R} = { y = 0}

Scherungen IIIa

Außerdem sehen wir, daß alle horizontalen Geraden (die Parallelender x-Achse)

hc = { y = c}auf sich abgebildet werden:

s∶hc → hc

s(x, c) = (x +mc, c)

Es handelt sich hierbei um eine Verschiebung um m ⋅ c

x↦ x +mc

Die Große der Verschiebung ist proportional zum Abstand c. (Istc = 0, so haben wir die identische Abbildung der x-Achse.)

Scherungen IV

In den folgenden Skizzen ist g die Fixpunktgerade der Scherung s.

Jeder Punkt auf g bleibt also fest.

Auf allen zu g parallelen Geraden wirkt die Scherung s wie eineVerschiebung.

Die Große der Verschiebung ist dabei proportional zum Abstandvon g.

Die blaue Gerade wird auf die rote Gerade abgebildet.

Die rote Gerade wird auf die grune Gerade abgebildet.

Bezeichungen:s(P ) = P ′, s(P ′) = P ′′

Scherungen V

m = 1

Scherungen VI

m = 2

Scherungen VII

m = 1/2

Scherungen VIII

m = −1

Scherungen IX

Eine Scherung s wird festgelegt durch:1 Die Vorgabe einer Geraden g, der Fixpunktgeraden der

Scherung.2 Die Vorgabe eines Punktes P außerhalb von g und seinem

BildpunktP ′ = s(P )

Dabei muß P ′ auf der Parallelen zu g durch P liegen. Diebeiden Punkte haben also den gleichen Abstand zu g:

∣P ′g∣ = ∣Pg∣ ≠ 0

Dies ist komplizierter als bei der Beschreibung einer Drehung(Drehpunkt O + Winkel α) oder einer Parallelverschiebung(Verschiebungsvektor v).

Bei einer Scherung hat man nur die Fixpunktgerade g alszugeordnetes Objekt. Die Verschiebungen auf den parallelenGeraden sind abhangig vom Abstand zu g.

Scherungen X

Gegeben g und P , P ′ mit PP ′ ∥ g. Es sei s die Scherung mit

Fix(s) = gs(P ) = P ′

Sei Q ein beliebiger Punkt. Wo liegt der Bildpunkt Q′ = s(Q)?

Welche “Schere” benutzt man?

Scherungen Xa

Scherungen Xb

Scherungen Xc

Scherungen XI

Hat man g und P , P ′ vorgegeben (mit PP ′ ∥ g), so konstruiertman zu einem beliebigen Punkt Q den Bildpunkt

Q′ = s(Q)

mit folgendem Rezept:

1 Es sei h die Parallele zu g durch Q.

2 Es seiF = PQ ∩ g

der Schnittpunkt der Geraden PQ mit der Fixpunktgeraden g.

3 Dann istQ′ = h ∩ FP ′

das Bild von Q.

Scherungen XII

Bemerkungen:

Der Punkt Q′ muß auf der Parallelen h durch Q liegen. DennParallelen wie h von g werden in sich abgebildet.

Daher konstruiert man h wie in 1 .

Die Scherung bildet Geraden auf Geraden ab. Nun hat jede(nicht zu g parallele) Gerade ` einen Schnittpunkt F mit g.Der Punkt F ∈ ` bleibt fest. Ist P ein weiterer Punkt auf `, soist die Bildgerade

s(`) = s(FP ) = FP ′

die Gerade durch F und P ′ = s(P ).In 2 nimmt man ` = PQ. Dann liegt Q′ auf der zweitenGeraden s(`) = P ′Q′.

Scherungen XIII

Schritt 3 ist nun klar. Der gesuchte Punkt Q′ liegt auf denbeiden Geraden und ist daher ihr Schnittpunkt.

Schritte 1 und 2 sind von einander unabhangig. Man kanndie Reihenfolge vertauschen.

Vernachlassigt haben wir den Fall in dem PQ parallel zu g ist. Indiesem Fall kann man Schritt 2 nicht durchfuhren: Den Punkt Fgibt es nicht (und auch keine “Schere”).

In diesem Fall liegt Q aber auf der Geraden PP ′. Auf dieserGeraden ist s eine Verschiebung mit einem Vektor. Es gilt danneinfach ÐÐ→

QQ′ =ÐÐ→PP ′oder

Q′ = Q +ÐÐ→PP ′(Wenn man will, kann auch man einen dritten Punkt R außerhalbwahlen und zweimal “scheren”.)

Scherungen XIV

Scherungen eines Dreiecks entlang einer Seite. Der Flacheninhaltaller Dreiecke ist hc/2.

Scherungen XV

Scherung eines Rechtecks entlang einer Seite. Aus dem Rechteckwird ein Parallelogramm.

Scherungen erhalten die Flache. Aber nicht die Winkel.