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- 1 - Der Weg durch die Dornenhecke Ein Einstieg in die esoterische Märcheninterpretation von Elias Erdmann eMail: [email protected] http://www.google.com/profiles/EliasErdmann Im Märchen von Dornröschen wird eine Dornenhecke beschrieben, „die jedes Jahr höher ward und endlich das ganze Schloss umzog und darüber hinauswuchs, dass gar nichts mehr davon zu sehen war, selbst nicht die Fahne auf dem Dach. Es ging aber die Sage in dem Land von dem schönen, schlafenden Dornröschen, denn so ward die Königstochter genannt, also dass von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloss dringen wollten. Es war ihnen aber nicht möglich, denn die Dornen, als hätten sie Hände, hielten fest zusammen, und die Jünglinge blieben darin hängen, konnten sich nicht wieder losmachen und starben eines jämmerlichen Todes.“ (zitiert nach: http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=969&kapitel=66 ) In der Esoterik begegnet uns manchmal eine ganz ähnliche „Dornenhecke“, wenn wir nach dem Seelenanteil suchen, der IN UNS „schläft“. Dieser schlafende Anteil befindet sich nicht in einem Schloss, aber der Zugang zu diesem inneren Anteil ist für uns üblicherweise auch verSCHLOSSen. Und er schläft auch nicht in einem Turm, aber man könnte ihn durchaus als einen „höheren Seelenanteil“ bezeichnen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Systeme und Theorien entwickelt, wie man den Zugang zu diesem höheren Seelenanteil finden könnte. Aber die Systeme entwickelten sich weiter, mutierten davon, und aus den Wurzeln der alten esoterischen Lehren entstanden immer wieder neue Seitentriebe, die sich immer weiter verästelten und die das alte Wissen immer mehr überwucherten. Wenn man nach dem Seelenanteil sucht, der IN UNS schläft, dann kann es einem so ähnlich ergehen wie den Königssöhnen im Märchen: Es besteht die Gefahr, dass man irgendwo in dieser Hecke hängen bleibt und dass man sich in den hochkomplexen Lehren und Symbolssystemen hoffnungslos verheddert. Das Märchen beschreibt in einer bildhaften Sprache ein ganz typisches Problem, das uns begegnen kann, wenn wir uns auf den esoterischen Weg begeben. Aber die Art und Weise, wie das Problem im Märchen dargestellt wird, ist gleichzeitig auch schon der erste Schritt auf dem Weg zur Lösung. Das Märchen verwendet nämlich eine relativ einfache Symbolik, und dadurch kann es uns helfen, dass wir den Einstieg in die Symbolsprache der Märchen und Mythen finden. Je mehr wir diese Sprache verstehen, umso mehr verstehen wir auch, was der höhere Seelenanteil uns sagen will, denn dieser „schläft“ nicht wirklich, sondern er redet zu uns in einer ganz ähnlichen Sprache. Wir haben nur den Eindruck, dass er schläft, weil wir ihn nicht mehr erkennen und weil wir seine Sprache nicht mehr verstehen. Wenn man lernt, wie man den höheren Seelenanteil erkennen und verstehen kann, dann kann der Eindruck entstehen, als würde dieser Seelenanteil in uns erwachen. Aber genau genommen ist es nicht unser höherer Seelenanteil, der in uns erwacht, sondern es ist unser Bewusstsein bzw. unsere Wahrnehmungsfähigkeit für den höheren Seelenanteil.

Elias Erdmann - Der Weg durch die Dornenhecke

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Das Märchen von Dornröschen beschreibt in einer bildhaften Sprache ein ganz typisches Problem, das uns begegnen kann, wenn wir uns auf den esoterischen Weg begeben. Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele esoterische Systeme und Theorien entwickelt. Aber diese Systeme entwickelten sich weiter, mutierten davon, und aus den Wurzeln der alten esoterischen Lehren entstanden immer wieder neue Seitentriebe, die sich immer weiter verästelten und die das alte Wissen immer mehr überwucherten. Wenn man den esoterischen Weg beschreitet, dann kann es einem so ähnlich ergehen wie den Königssöhnen im Märchen: Es besteht die Gefahr, dass man irgendwo in dieser Hecke hängen bleibt. Dieser Text vermittelt einen Einstieg in die esoterische Märcheninterpretation und zeigt eine Möglichkeit, wie man mit diesem Problem umgehen kann, an denen man üblicherweise hängen bleibt.

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Der Weg durch die Dornenhecke

Ein Einstieg in die esoterische Märcheninterpretation

von Elias Erdmann

eMail: [email protected]

http://www.google.com/profiles/EliasErdmann

Im Märchen von Dornröschen wird eine Dornenhecke beschrieben, „die jedes Jahr höher ward

und endlich das ganze Schloss umzog und darüber hinauswuchs, dass gar nichts mehr davon zu

sehen war, selbst nicht die Fahne auf dem Dach. Es ging aber die Sage in dem Land von dem

schönen, schlafenden Dornröschen, denn so ward die Königstochter genannt, also dass von Zeit

zu Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloss dringen wollten. Es war ihnen

aber nicht möglich, denn die Dornen, als hätten sie Hände, hielten fest zusammen, und die

Jünglinge blieben darin hängen, konnten sich nicht wieder losmachen und starben eines

jämmerlichen Todes.“

(zitiert nach: http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=969&kapitel=66 )

In der Esoterik begegnet uns manchmal eine ganz ähnliche „Dornenhecke“, wenn wir nach dem

Seelenanteil suchen, der IN UNS „schläft“. Dieser schlafende Anteil befindet sich nicht in einem

Schloss, aber der Zugang zu diesem inneren Anteil ist für uns üblicherweise auch

verSCHLOSSen. Und er schläft auch nicht in einem Turm, aber man könnte ihn durchaus als

einen „höheren Seelenanteil“ bezeichnen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden viele Systeme und

Theorien entwickelt, wie man den Zugang zu diesem höheren Seelenanteil finden könnte. Aber

die Systeme entwickelten sich weiter, mutierten davon, und aus den Wurzeln der alten

esoterischen Lehren entstanden immer wieder neue Seitentriebe, die sich immer weiter

verästelten und die das alte Wissen immer mehr überwucherten. Wenn man nach dem

Seelenanteil sucht, der IN UNS schläft, dann kann es einem so ähnlich ergehen wie den

Königssöhnen im Märchen: Es besteht die Gefahr, dass man irgendwo in dieser Hecke hängen

bleibt und dass man sich in den hochkomplexen Lehren und Symbolssystemen hoffnungslos

verheddert.

Das Märchen beschreibt in einer bildhaften Sprache ein ganz typisches Problem, das uns

begegnen kann, wenn wir uns auf den esoterischen Weg begeben. Aber die Art und Weise, wie

das Problem im Märchen dargestellt wird, ist gleichzeitig auch schon der erste Schritt auf dem

Weg zur Lösung. Das Märchen verwendet nämlich eine relativ einfache Symbolik, und dadurch

kann es uns helfen, dass wir den Einstieg in die Symbolsprache der Märchen und Mythen finden.

Je mehr wir diese Sprache verstehen, umso mehr verstehen wir auch, was der höhere

Seelenanteil uns sagen will, denn dieser „schläft“ nicht wirklich, sondern er redet zu uns in einer

ganz ähnlichen Sprache. Wir haben nur den Eindruck, dass er schläft, weil wir ihn nicht mehr

erkennen und weil wir seine Sprache nicht mehr verstehen. Wenn man lernt, wie man den

höheren Seelenanteil erkennen und verstehen kann, dann kann der Eindruck entstehen, als würde

dieser Seelenanteil in uns erwachen. Aber genau genommen ist es nicht unser höherer

Seelenanteil, der in uns erwacht, sondern es ist unser Bewusstsein bzw. unsere

Wahrnehmungsfähigkeit für den höheren Seelenanteil.

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Konsequenz 1: Die Frage nach dem historischen Kern

Was würden wir von einem Schüler halten, der sein Englisch-Übungsbuch ablehnt, weil die

darin enthaltenen Geschichten frei erfunden sind? Diese Begründung mag absurd klingen.

Schließlich geht es bei einem solchen Übungsbuch nicht darum, ob diese Geschichten wahr sind

oder erfunden. Es geht darum, dass der Schüler an diesen Geschichten die Sprache erlernen soll.

Aber tatsächlich bleiben viele Menschen auf dem esoterischen Weg an einem ganz ähnlichen

Problem hängen, weil sie die mythischen Geschichten nicht als „Übungstexte“ verwenden,

sondern weil sie bei diesen Geschichten nach einem historischen Kern suchen. Im Fall von

Dornröschen wird z.B. darüber spekuliert, ob die Sababurg im Reinhardswald das historische

Vorbild für das Dornröschenschloss gewesen sein könnte. Für die Nutzung als „symbolischen

Übungstext“ ist diese Fragestellung jedoch völlig irrelevant. Sie lenkt sogar vom eigentlichen

Ziel hab. Die Frage nach dem historischen Kern mag natürlich im konkreten Fall bei

Dornröschen nicht als so schwerwiegend und bedeutungsvoll erscheinen, aber im Bereich der

religiösen Mythen wird zum Teil ganz erbittert über diese Frage gestritten. Einerseits gibt es sehr

viel Kritik an den mythischen Geschichten, weil diese bei historischen Details sehr fehlerhaft

und widersprüchlich sind. Und andererseits gibt es Menschen, die trotz aller Fehler und

Widersprüche darauf beharren, dass sich alles genau so ereignet hat, wie es in den heiligen

Schriften steht. Es sind zwei unterschiedliche Arten, wie man an diesem Thema hängen bleiben

kann – aber letztendlich kommt man in beiden Fällen nicht weiter.

Konsequenz 2: Die Frage der Beweisbarkeit

Wenn man eine Sprache erlernt, dann kann man beim Lesen eines Textes eine Bedeutungsebene

wahrnehmen, die man vorher nicht erkennen konnte. Man entwickelt also im Vergleich zu

vorher eine „erweiterte Wahrnehmungsfähigkeit“. Die Bedeutung des Textes, die man nun

zusätzlich wahrnehmen kann, kann man jedoch in einem physikalischen Sinne weder messen

noch wiegen. Trotzdem käme vermutlich niemand auf die Idee, die Existenz dieser

Bedeutungsebene zu leugnen oder zu behaupten, die Bedeutung des Textes sei nur eine Sache

des Glaubens. Mit der Symbolsprache verhält es sich ganz ähnlich. Auch diese Sprache eröffnet

uns eine erweiterte Wahrnehmungsfähigkeit – und auch diese ist keine Frage des Glaubens.

Genau darin unterscheidet sich übrigens echte Esoterik von den üblichen Religionen. Echte

Esoterik ist im Gegensatz zu den Religionen kein spekulatives Glaubenssystem, sondern ein

spirituelles Erkenntnissystem.

Die Konsequenz, die sich aus der anderen Sichtweise ergibt

Es hängt von unserer Sichtweise ab, ob wir an diesen Problemen hängen bleiben wie an einer

Dornenhecke oder ob wir die nützlichen Aspekte erkennen.

Die mythischen Geschichten enthalten vieles, was frei erfunden ist. Das ist wahr – aber daran

muss man nicht hängen bleiben. Als „symbolische Übungstexte“ sind sie nämlich trotzdem

nutzbar.

Die erweiterten Wahrnehmungsmöglichkeiten, die sich aus der Symbolsprache ergeben, sind

nicht beweisbar (ebenso, wie es auch nicht beweisbar ist, dass eine Geschichte lustig oder

spannend ist). Auch das ist wahr. Diese Wahrnehmungsebene ist jedoch erkennbar und erlebbar,

wenn man sich auf diese Sprache einlässt.

Und in ganz ähnlicher Weise lösen sich auch viele andere Probleme auf: Viele esoterischen

Konzepte sind z. B. nicht wissenschaftlich begründbar und erscheinen uns dadurch als ziemlich

willkürlich. Warum gibt es beispielsweise vier Elemente (Feuer, Luft, Wasser, Erde)? Warum

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nicht drei oder fünf? Aber ebenso könne man sich auch fragen: Warum gibt es in unserer

Grammatik vier Fälle? Auch dafür gibt es keinen rationalen Grund. Um die esoterische

Symbolsprache nutzen zu können, muss man nicht an die Vier-Elemente-Lehre „glauben“ –

ebenso, wie man bei der deutschen Grammatik auch nicht an die vier Fälle „glauben“ muss.

Diese Strukturen sind keine „Glaubensinhalte“, sondern Hilfsmittel, mit denen man Ideen

darstellen und vermitteln kann.

Je mehr sich diese Probleme auflösen und je mehr wir die nützlichen Aspekte erkennen, um so

mehr verwandeln sich die Dornen in Blumen – genau so, wie es auch im Märchen beschrieben

wird:

„Als der Königssohn sich der Dornenhecke näherte, waren es lauter große schöne Blumen, die

taten sich von selbst auseinander und ließen ihn unbeschädigt hindurch, und hinter ihm taten sie

sich wieder als eine Hecke zusammen.“

ISBN 978-3-937568-82-9

408 Seiten

Ein systematischer Aufbau der esoterischen Symbolsprache und weitere

Deutungen von Märchen und biblischen Texten sind im Buch „Blicke in eine

andere Wirklichkeit“ enthalten, das im Spirit-Rainbow-Verlag erschienen ist.

Elias Erdmann:

Blicke in eine andere Wirklichkeit

Das verborgene Wissen in der biblischen Symbolik,

in den deutschen Volksmärchen und in unserer inneren Bilderwelt

Das Buch beschreibt einen Weg, wie man über die Symbolsprache der

Märchen und Mythen einen Zugang zum inneren Wissen finden kann. Nach

einleitenden Kapiteln, die zur esoterisch-symbolischen Denkweise hinführen,

folgt ein theoretischer Teil, der die wichtigsten Symbole, Motive, Strukturen

und Zusammenhänge vermittelt. Anhand von esoterischen Texten,

Volksmärchen und Bibelstellen wird dann im dritten Teil die Symbolsprache

angewendet und erweitert. Die Symbolik der Märchen und Mythen kann uns

für die Symbolsprache unserer inneren Bilderwelt sensibilisieren und auch

umgekehrt. So, wie man das esoterische Wissen in den mythischen Texten

erkennen kann, so kann man auch das innere Wissen erkennen, das sich in

den Bildern unserer Seele offenbart – in unseren Träumen und Phantasien.

Und auf ähnliche Weise kann man auch das Göttliche erkennen, das sich in

der Schöpfung offenbart. Letztendlich geht es also um einen Weg, der zur

Gotteserkenntnis führt.