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Essen, Januar 2011 Nr. 138 Elternverein Nordrhein-Westfalen e.V. - beim Schulministerium zur Mitwirkung anerkannter Verband - überparteilich - E L T E R N B R I E F www.elternverein-nrw.de Das Jahr, das nun vorübergeht, hat uns nicht pausenlos ergötzt. Wer stets auf eignen Vorteil späht, wird leicht vom Schicksal hart versetzt. Der Tunnelblick auf Garantie von Wohlergehn und Friedlichkeit verführt, doch führt zum Glück er nie - denn Leben birgt nun mal auch Leid. Des Glückes Schlüssel liegt im Innern der eignen Seele tief versenkt, und willst Du's finden, mußt erinnern die Freuden, die Dir heut geschenkt. Ein frohes Suchen, festes Hoffen und auf das Gute treuen Blick, für Zweinullelf noch Träume offen, das wünschen wir, und: reichlich Glück! „ELTERNWILLE“: EINMAL UND NIE WIEDER! Die neue Landesregierung bringt neuen Wind. Die Schulministerin Sylvia Löhrmann, selbst Lehrerin mit 11 Jahren Berufserfahrung an einer Gesamtschule, wollte per Schulversuch bis zum Ende ihrer Amtszeit 30 % aller Schulen in NRW (ca 600) in „Gemein- schaftsschulen“ umwandeln. Inzwischen hat sie er- kannt, daß bei 50 Schulen eine Grenze erreicht ist, wo verfassungsrechtliche Anfechtungen weitere Schul- versuche vereiteln könnten. Danach ist sie bereit, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, auch wenn da- durch ein Volksbegehren wie in Hamburg gegen diese schleichende Strukturveränderung möglich wird. Löhrmanns Lieblingssatz: „Keiner wird gezwungen.“ Und der zweite: „Wir können die Eltern nicht beein- flussen.“ Diese beiden Sätze sagt sie gern in einem Atemzug. Das klingt ja so beruhigend! Wie läuft denn aber die Umwandlung einer Realschule, einer Haupt- schule zur „Gemeinschaftsschule“? Der Rat der Ge- meinde oder Stadt läßt von einem „Bildungsexperten“ von Einrichtungen wie „Institut für Schulentwicklungs- forschung“, „Projektgruppe Bildung und Region“ oder „Lehrstuhl für pädagogische Forschung“ ein teures Gutachten erstellen. Darin steht, eine „Gemein- schaftsschule“ sei die Lösung aller sozialen, demogra- phischen und finanziellen Probleme der Kommune. ...geht es fast ausschließlich um die „Gemeinschafts- schule“: „Elternwille“: einmal und nie wieder! ........................ Seite 1 „Gemeinschaftsschule“ - eine neue KOOP-Schule? ......................................................... Seite 2 Das gemeinsame Lernen und der Bildungserfolg ............................……………………. Seite 3 „Gemeinschaftsschule“ - Trojanisches Pferd zur Einheitsschule? ................................................... Seite 5 „Gemeinschaftsschule“ - rechtmäßig? ..................... Seite 6 Arbeitsbericht zur Landesversammlung 06.11.2010 Neuss .......................................……...... Seite 8 „Keine Macht den Drogen“ ...................................... Seite 8 PISA 2009 ................................................................. Seite 9 Gemeinsame Erklärung zur Zukunft der sonderpädagogischen Förderung .......................... Seite 11 Wichtiges in Kürze ................................................. Seite 12 IN DIESEM HEFT

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Essen, Januar 2011 Nr. 138

Elternverein Nordrhein-Westfalen e.V.- beim Schulministerium zur Mitwirkung anerkannter Verband - überparteilich -

E L T E R N B R I E F

www.elternverein-nrw.de

Das Jahr, das nun vorübergeht,hat uns nicht pausenlos ergötzt.

Wer stets auf eignen Vorteil späht,wird leicht vom Schicksal hart versetzt.

Der Tunnelblick auf Garantievon Wohlergehn und Friedlichkeit

verführt, doch führt zum Glück er nie- denn Leben birgt nun mal auch Leid.

Des Glückes Schlüssel liegt im Innernder eignen Seele tief versenkt,

und willst Du's finden, mußt erinnerndie Freuden, die Dir heut geschenkt.

Ein frohes Suchen, festes Hoffenund auf das Gute treuen Blick,

für Zweinullelf noch Träume offen,das wünschen wir, und: reichlich Glück!

„ELTERNWILLE“: EINMAL UND NIE WIEDER!

Die neue Landesregierung bringt neuen Wind. DieSchulministerin Sylvia Löhrmann, selbst Lehrerin mit11 Jahren Berufserfahrung an einer Gesamtschule,wollte per Schulversuch bis zum Ende ihrer Amtszeit30 % aller Schulen in NRW (ca 600) in „Gemein-schaftsschulen“ umwandeln. Inzwischen hat sie er-kannt, daß bei 50 Schulen eine Grenze erreicht ist, woverfassungsrechtliche Anfechtungen weitere Schul-versuche vereiteln könnten. Danach ist sie bereit, einGesetzgebungsverfahren einzuleiten, auch wenn da-durch ein Volksbegehren wie in Hamburg gegen dieseschleichende Strukturveränderung möglich wird.

Löhrmanns Lieblingssatz: „Keiner wird gezwungen.“Und der zweite: „Wir können die Eltern nicht beein-flussen.“ Diese beiden Sätze sagt sie gern in einemAtemzug. Das klingt ja so beruhigend! Wie läuft dennaber die Umwandlung einer Realschule, einer Haupt-schule zur „Gemeinschaftsschule“? Der Rat der Ge-meinde oder Stadt läßt von einem „Bildungsexperten“von Einrichtungen wie „Institut für Schulentwicklungs-forschung“, „Projektgruppe Bildung und Region“ oder„Lehrstuhl für pädagogische Forschung“ ein teuresGutachten erstellen. Darin steht, eine „Gemein-schaftsschule“ sei die Lösung aller sozialen, demogra-phischen und finanziellen Probleme der Kommune.

...geht es fast ausschließlich um die „Gemeinschafts-schule“:

„Elternwille“: einmal und nie wieder! ........................ Seite 1

„Gemeinschaftsschule“ - eine neue KOOP-Schule? ......................................................... Seite 2

Das gemeinsame Lernen und der Bildungserfolg ............................……………………. Seite 3

„Gemeinschaftsschule“ - Trojanisches Pferd zur Einheitsschule? ......................................…............. Seite 5

„Gemeinschaftsschule“ - rechtmäßig? ..................... Seite 6

Arbeitsbericht zur Landesversammlung 06.11.2010 Neuss .......................................……...... Seite 8

„Keine Macht den Drogen“ ...................................... Seite 8

PISA 2009 ................................................................. Seite 9

Gemeinsame Erklärung zur Zukunft der sonderpädagogischen Förderung .......................... Seite 11

Wichtiges in Kürze ................................................. Seite 12

IN DIESEM HEFT

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2 Elternbrief Nr. 138

schule“. Dann werden die auslaufenden Schulen auf-geteilt, Klassen verlagert in andere, ältere Gebäude,ganze Schulen an andere Standorte verlegt, weil ihrjetziges schönes Gebäude für die neue „Gemein-schaftsschule“ vorgesehen ist, und: diese Schulendürfen ab sofort keine neuen Schüler mehr aufnehmen!Zuerst wandern die guten Lehrkräfte ab und lassensich zu gesicherten Schulen versetzen, nach und nachauch alle anderen; zuletzt ist es „organisatorisch nichtmehr zumutbar“, für ein oder zwei Klassen den Betriebaufrechtzuerhalten, und die Abschlußklassen müssensich - während ihrer Vorbereitungen auf die Prüfungen!- auf andere Orte, andere Wege und andere Lehrer ein-stellen.

Das Tollste aber ist: demnächst gibt es keine Wahlmehr zwischen Hauptschule, Realschule und Gymna-sium: die Einheitsschule ist die einzige, die noch exi-stiert! „Elternwille“ ade!

Regine Schwarzhoff

Der Rat beschließt dieses Gutachten dann unter derBezeichnung „Schulentwicklungsplan“ einschließlichder Festlegung, welche Schulen dafür geschlossenwerden müssen. Als nächster Schritt werden Elternbefragt: die Eltern der dritten und vierten Klassen derGrundschulen im Umkreis. Ihnen erzählt man viel vonder „Freihaltung des Lebensweges“, von „gymnasia-len Standards“, von „länger gemeinsam lernen“, von„Verzicht auf Aussortieren“. „Gemeinschaftsschule“klingt ja schon so kuschelig und anheimelnd und nachgroßer harmonischer Gemeinschaft, und die Grund-schuleltern beantworten den Fragebogen wahrheits-gemäß: zu solch einer Schule würden sie ihr Kind gernschicken.

Gleichzeitig dürfen die Eltern der fünften, sechsten,siebten, achten, neunten und zehnten Klassen an denHaupt- und Realschulen, die laut Ratsbeschluß ge-schlossen werden, ihre Meinung sagen - aber die istunmaßgeblich, denn der „Bedarf“ ist festgestellt: der(wessen?) „Elternwille“ fordert die „Gemeinschafts-

I. „Gemeinschaftsschule“

Schulministerin Sylvia Löhrmann bietet den Kom-munen eine neue Schulform an, die „Gemeinschafts-schule“. Was verbirgt sich hinter diesem freundlichklingenden Begriff?

Eigentlich ist dieser Begriff schon vergeben, denn imGegensatz zu den öffentlichen katholischen und evan-gelischen Grund- und Hauptschulen gibt es seit vielenJahren die Gemeinschaftsgrundschulen und die Ge-meinschaftshauptschulen. In der Landesverfassungheißt es: „Grundschulen sind Gemeinschaftsschulen,Bekenntnisschulen oder Weltanschauungsschulen“sowie im nächsten Absatz: „Hauptschulen sind vonamts wegen als Gemeinschaftsschulen zu errichten“(Art. 12 Abs. 3 u. 4 LV NRW). Und weiter: „In Gemein-schaftsschulen werden die Kinder auf der Grundlagechristlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit fürdie christlichen Bekenntnisse und für andere religiöseund weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam un-terrichtet und erzogen“ (Art.12 Abs.6 LV NRW).

Ist die neue „Gemeinschaftsschule“ eine Gemein-schaftshauptschule? Weit gefehlt! Es gelten folgendenEckpunkte:

Bildungsweg• Schule für Klassen 5-10• Aufnahme von Kindern aller Begabungen • gemeinsamer, also integrierter Unterricht in den

Klassen 5 und 6

• „Orientierung“ an den Lehrplänen des Gymna-siums

• 2. Fremdsprache ab Klasse 6• gebundener Ganztagsbetrieb, d.h. Teilnahmepflicht

für alle• Klasse 7-10 mit

zwei Möglichkeiten, festzulegen bei der Errichtung:Fortführung des gemeinsamen Unterrichts oder Tei-lung in Hauptschul-, Realschul- und gymnasialenZweig

• alle nach Klasse 10 erreichbaren Abschlüsse möglich • eigene gymnasiale Oberstufe oder feste Vereinba-

rung mit der gymnasialen Oberstufe einer anderenSchule

Schulorganisation• Zügigkeit: mindestens 3zügig• Mindestschülerzahl: 3 x 23 = 69• Aufteilung auf verschiedene Gebäude möglich • Pflichtstundenzahl für Lehrkräfte 25,5 wie an Gym-

nasien u. Gesamtschulen• Versuchszuschläge von 0,5 Lehrerstellen je Schule

und je Klasse• Entscheidung über die Errichtung bei den kommu-

nalen Schulträgern• Auslaufen von bestehender Hauptschule, Real-

schule und Gymnasium und Beginn einer Gemein-schaftsschule mit Klasse 5

„GEMEINSCHAFTSSCHULE“ - EINE NEUE KOOP-SCHULE?

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Elternbrief Nr. 138 3

• Bevorzugung durch kleine Klassen von 23 Schülernbei Fortführung des gemeinsamen Unterrichts inKlassen 7-10

II. KOOP-Schule

Die rot-gelbe Koalition unter Ministerpräsident HeinzKühn (SPD) und seinem Stellvertreter InnenministerBurkhart Hirsch (FDP) hatte 1977 einen Gesetzentwurfzu Orientierungsstufe und Kooperativer Schule in denLandtag eingebracht. Schulversuche hatte es nicht ge-geben. Vorgesehen war:Bildungsweg• Schule für Klassen 5-10• Aufnahme von Kindern aller Begabungen • gemeinsamer Unterricht in den Klassen 5 und 6 =

Orientierungsstufe• in Klasse 6 Fachleistungsgruppen in Mathematik

und Englisch, davon je eine entsprechend dem Bil-dungsgang der Hauptschule

• Klasse 7-10 Teilung in Hauptschul-, Realschul- undgymnasialen Zweig

• mindestens zwei Zweige, darunter der Hauptschul-zweig

• schulfachliche Zusammenarbeit und Abstimmungdes Unterrichtsangebots, in Teilbereichen Bildungvon schulformübergreifenden Lerngruppen

• alle nach Klasse 10 erreichbaren Abschlüsse mög-lich

• nach Möglichkeit eigene gymnasiale Oberstufe Schulorganisation• Zügigkeit: vierzügig• Mindestschülerzahl: 4 x 28 = 112• Entscheidung über die Errichtung bei den kommu-

nalen Schulträgern• Errichtung in Schulzentren• Auslaufen bestehender Hauptschulen, Realschulen

und Gymnasien bei Einrichtung von KooperativenSchulen mit Klasse 5

III. Vergleich

Wesentliche Strukturunterschiede der beiden Schul-formen sind:

„Gemeinschaftsschule“„Gymnasiale“ Standards2. Fremdsprache in Klasse 6Möglichkeit und Vorteile für die integrierte Führungder Klassen 7-10

KOOP-SchuleSicherung des HauptschulbildungsgangesHauptschul-, Realschul- und gymnasiale Zweigemit integrierten Anteilen

Damals war die KOOP-Schule und heute ist die „Ge-meinschaftsschule“ als Zwischenschritt geplant, das

gegliederte Schulwesen mit Hauptschule, Realschuleund Gymnasium durch eine Einheitsschule für alle ab-zulösen.

Damals sahen breite Bevölkerungskreise in NRW dieBedrohung für die Qualität der Bildung, auch der best-möglichen Bildung für im theoretischen Bereich lern-schwächere Schüler. Der Landtag in Düsseldorf verab-schiedete zwar am 08.11.1977 die Änderungen desdamaligen Schulverwaltungsgesetzes mit den Stim-men von SPD und FDP gegen die Stimmen der CDU.

Der Widerstand gegen die Kooperative Schule hatte aberbereits lange vor der Verabschiedung des Gesetzes be-gonnen. Lehrer- und Elternverbände hatten sich zu einer„Bürgeraktion Volksbegehren gegen die KooperativeSchule“ zusammengeschlossen, darunter der Eltern-verein NRW und der Vorläufer des Elternrats Haupt-schulen. Sie fanden Unterstützung bei der CDU. Im Vor-feld waren an vielen Orten Informationsveranstaltungengelaufen, Flugblätter und Informationsschriften verteiltworden. So konnte schon am 30.11.1977 der Antrag aufZulassung eines Volksbegehrens gestellt werden. Esging mit den Stimmen von knapp 30 % der wahlberech-tigten Bürger von NRW in den Eintragungslisten im März1977 erfolgreich aus. Der Landtag verzichtete auf einenVolksentscheid und hob das beanstandete Gesetz auf.Eine KOOP-Schule hat es nie gegeben.

Die Bedrohung für die Qualität der Bildung ist beider „Gemeinschaftsschule“ noch größer, als sie bei derKOOP-Schule war. Die „Gemeinschaftsschule“ ist be-reits „die kleine Schwester der Gesamtschule“, wie siedie Kölner Schuldezernentin getauft hat (Kölner Stadt-Anzeiger 4./5.12.2010).

1. Die integrierte Führung der Klassen 7-10 ist dieoffen bevorzugte Schulstruktur, die bei der KOOP-Schule nicht in den Vordergrund gestellt war. Derbis Klasse 10 integrierte Unterricht bedeutet dasgemeinsame Lernen aller Kinder bis Klasse 10 beiEinrichtung einiger Erweiterungskurse. Es kannnicht die bestmögliche Förderung für Lernschwä-chere wie Lernstärkere gewährleisten. Auch dieGruppe der mittleren Begabungen kommt nichtauf ihren Höchststand, wie die Leistungsver-gleiche gezeigt haben und der folgende Beitrag indiesem Elternbrief erläutern wird (Seite 4).

2. Der für den gesamten Unterricht in der „Gemein-schaftsschule“ vorgeschriebene „gymnasiale“Standard überfordert entweder die Mehrzahl derSchüler oder wird so weit gesenkt, daß es keingymnasialer Standard mehr ist. Wem soll dashelfen? Die Meinung des sowjetischen Wissen-schaftlers Lyssenko, man könne jeden „begaben“,ist schon im noch sowjetischen Rußland ver-worfen worden.

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4 Elternbrief Nr. 138

DAS GEMEINSAME LERNEN UND DER BILDUNGSERFOLG

„Sollen Kinder länger gemeinsam lernen?“ Wegen der Bedeutung der Informationen hier nochmals ein Teildes Beitrages von Ulrich Sprenger aus dem EB Nr.137, der seinenAusführungen bei unserer Landesversammlung 2010 in Neuss zu-grundelag:

Beiträge der BildungsforschungEs gibt aus der Bildungsforschung keinen einzigen überzeu-genden Hinweis auf Vorteile eines „längeren gemeinsamenLernens“ (z.B. Verlängerung der Grundschulzeit, d.Red.). Wohl

aber gibt es dort viele Hinweise darauf, dass ein „längeres gemeinsames Lernen“ sowohl für die leistungs-stärkeren als auch für die leistungsschwächeren Schüler erhebliche Nachteile bringt.

Die „Gemeinschaftsschule“ kann in anbetracht der inLandesteilen von NRW stark sinkenden Schüler-zahlen und damit der Existenzgefährdung für vieleSchulen ein verlockendes Angebot für so mancheKommune sein. Mindestens eine „Gemeinschafts-schule“ wird es zum nächsten Schuljahr geben - fallsgenügend Eltern ihre Kinder dort anmelden. Sie soll„Profilschule“ heißen, wird in Ascheberg im Münster-

land stehen und ist von Ministerin Löhrmann bereitsgenehmigt.

Warum scheint heute Rot-Grün etwas zu erreichen,was 1977 Rot-Gelb nicht gelang? Entscheidend ist derUnterschied im strategischen Vorgehen - siehe „Ge-meinschaftsschule - Trojanisches Pferd?“ (S. 5)

Dr. Gisela Friesecke

1. Die Probleme von undifferenzierten, leistungsge-mischten Lerngruppen sind durch Binnendifferen-zierung nicht zu bewältigen. Sie taugt nicht als Al-ternative zur Äußeren Differenzierung in Kursenoder Klassen. (Roeder 1997)

2. Wenn in einer Klasse die Unterschiede der Vor-kenntnisse und der Begabungen allzu groß sind,dann zwingt das die Lehrer zu einer Verlangsa-mung des Unterrichtstempos und zu einer Intensi-vierung des Übens und Wiederholens. „Diese re-petitive Unterrichtsführung nützt wider ErwartenSchülern mit ungünstigen Eingangsvorausset-zungen nur wenig, während die Lernfortschritteder Schüler des oberen Leistungsdrittels merklichbeeinträchtigt werden.“ (Baumert, Roeder, Sangund Schmitz 1986)

3. In Dreier-Differenzierung arbeitende Schulsyste-me haben und garantieren höhere Lernleistungenals in Zweier-Differenzierung arbeitende Systeme.(Fend 1984)

4. Gesamtschulen haben für „vergleichbare“ Schülerkeinen höheren Fördereffekt als Hauptschulen:„Bei gleichen Eingangsbedingungen wird amEnde der 10. Jahrgangsstufe ein identischer Wis-sensstand erreicht.“ (Baumert und Köller 1998)

5. Realschulen haben für „vergleichbare“ Schülereinen deutlich höheren Fördereffekt als Gesamt-schulen: „Bei gleichen intellektuellen und sozialen

Eingangsbedingungen erreichen Realschüler amEnde der Sekundarstufe I etwa in Mathematikeinen Wissensvorsprung von etwa zwei Schul-jahren.“ (Baumert und Köller 1998)

6. „Noch stärker sind die Effekte, wenn man Gesamt-schule und Gymnasium vergleicht. Bei gleichen in-tellektuellen und sozialen Bedingungen beträgtder Leistungsvorsprung in Mathematik an Gymna-sien mehr als zwei Schuljahre.“ (Baumert undKöller 1998)

7. Der Leistungsrückstand der Gesamtschüler inMathematik bleibt so bis zum Ende des 13. Jahr-gangs bestehen. Im Fach Englisch erfolgt wäh-rend der Oberstufe sogar ein Leistungseinbruch(Köller, Baumert, Schnabel u.a. 1999 und 2004)

8. Durch ihre Herkunft benachteiligte, leistungs-schwächere Kinder sind in undifferenzierten oderunzureichend differenzierten Lerngruppen weiter-führender Schulen durch den Bezugsgruppenef-fekt und die ständigen Aufwärtsvergleiche hohenpsychischen Belastungen ausgesetzt, die ihnenan Hauptschulen erspart bleiben: „Nach diesenErgebnissen stellen Hauptschulen im Hinblick aufdie Persönlichkeitsentwicklung also eher selbst-wertschützende Nischen dar - und zwar auch undgerade dann, wenn das Fähigkeitsniveau derSchülerschaft sinkt.“ (Baumert, Stanat und Water-mann 2006)

Ulrich Sprenger, Arbeitskreis Schulformdebatte e.V., Recklinghausen, April 2010Weitere Informationen, auch über die zitierten Experten: www.schulformdebatte.de

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Elternbrief Nr. 138 5

Weitere aufschlußreiche Fakten:Beim Leistungsvergleich PISA 2006 sind auch Schülerleistungen 15jähriger in Deutschland in verschiedenen Schul-formen verglichen worden. Das Ergebnis:

Naturwissenschaften Lesen MathematikHauptschule 431 407 420Gesamtschule 477 463 464Realschule 525 515 509Gymnasium 598 581 591alle Schulen 516 495 504

Im Krieg um eine schöne Frau, Helena mit Namen,wurde einst das standhafte Troja etwa 1100 Jahre vorChristi Geburt mithilfe eines hölzernen Pferdes erobert- so schildert Homer es in seiner Ilias. Diese überdi-mensionale Skulptur eines Pferdes auf Rädern wurdevor Trojas Stadttor gerollt, und die Trojaner verstandendies als Geschenk und Friedensangebot und zogendas Pferd in das Innere der Stadtmauern, die bisherjedem Ansturm standgehalten hatten. Im Inneren derSkulptur jedoch befanden sich in einem großen Hohl-raum griechische Krieger, die sich nachts daraus be-freiten und die Stadt von innen heraus mühelos er-oberten, so der Mythos. Das Trojanisches Pferd wareine sehr erfolgreiche Kriegslist, die nur aufgrund einerTäuschung gelang.

Die Versprechungen der Parteien vor der Wahl warenunter anderem die flächendeckende Einführung der„Gemeinschaftsschule für alle“. Nach der Koalitions-bildung begegnen uns die beiden NRW-Führungs-damen Kraft und Löhrmann mit ausgestreckter Handzu einem „Schulfrieden“ mit Verweis auf das Vorbilddes Landes Bremen. Mit einer großzügigen Umar-mungsgeste wird die „Gemeinschaftsschule“ auf der

„Bildungskonferenz“ allen Verbänden als die optimaleKlammer zwischen dem sogenannten Elternwillen undder politischen Durchführbarkeit präsentiert. Wer sollteeinen Schulfrieden nicht wollen, wie wir ihn schließlichseit Jahren fordern?

Innerhalb der fünf Jahre dieser Koalition - sofern sie solange durchhält - sollten 30 % der vorhandenen

„GEMEINSCHAFTSSCHULE“ – TROJANISCHES PFERD

ZUR EINHEITSSCHULE?

Diese Ergebnisse stellte Prof. Manfred Prenzel vor, derVerantwortliche für PISA 2006 in Deutschland. Zu derVeranstaltung hatte das Schulministerium im De-zember 2007 die Verbände der Lehrer und Eltern nachDüsseldorf eingeladen. Dabei ertönte von einem Ge-samtschulvertreter aus der Zuhörerschar der Vorwurf,wieso hier ein Schulformvergleich gezeigt werde, manhabe doch zugesagt, daß ein solcher Vergleich nichtstattfände! Er war ungehalten, hier Minderleistungender Gesamtschulen herausgestellt zu sehen, Leist-ungen sogar unterhalb des Leistungsdurchschnittsaller deutschen Schulen! 2008 erschien aus den Datenvon PISA 2006 ein Schulformvergleich in einzelnenBundesländern (PISA-E). Für NRW brachte er ähnlichePunktwerte wie für Deutschland mit nahezu gleichenAbständen. Daß die Hauptschule schwächere Lei-

stungen vorweist, liegt daran, daß sie als Pflichtschulejeden Schüler beschulen muß, sei er auch noch solernunwillig. Ausgenommen sind nur die förderschul-bedürftigen Schüler.

Bei PISA 2009 sind keine Leistungsergebnisse derdeutschen Bundesländer gesondert ausgewiesenworden. Stattdessen hatten sich die Länder in der Kul-tusministerkonferenz darauf geeinigt, die Ergebnisseder Lernstandserhebungen in den 9. Klassen bekannt-zugeben. Eine Unterteilung nach den SchulformenHauptschule, Realschule und Gesamtschule unter-blieb dabei, angeblich, weil diese Schulformen nicht inallen Bundesländern geführt würden.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!!!

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6 Elternbrief Nr. 138

Schulen in Nordrhein-Westfalen in „Gemeinschafts-schulen“ umgewandelt werden. Nach Abschluß diesesSchulversuchs, der auf sechs Jahre angelegt ist, solleine Auswertung vorgelegt werden. Aber selbst wenndie Erfolge dieser „Gemeinschaftsschulen“ nieder-schmetternd sein sollten: ein solches Ergebnis der ge-setzlich geforderten wissenschaftlichen Begleitungdieses Schulversuchs ist ziemlich ausgeschlossen -das will nämlich in der Regierung niemand wissen.

Nun führt die rot-grüne Landesregierung ihr angeblichneues Schulmodell nicht flächendeckend per Gesetzein; sie bahnt nur den Weg für einen Schulversuch: siestellt den Schulträgern, also den Kommunen undKreisen, die Entscheidung frei, ob sie mit mehrerenihrer vorhandenen Schulen an einem „ModellvorhabenGemeinschaftsschule“ teilnehmen wollen, der vomgeltenden Schulgesetz § 25 („Experimentierklausel“)gedeckt ist. Damit wird allen Beteiligten eine kurzfri-stige Versuchsanordnung vorgespiegelt, die baldwieder in den „Normalzustand“ übergeht. Ein schickerneugebastelter Prototyp verschwindet ja wieder in derVersenkung, wenn er nicht als Siegertyp und Markt-führer produziert werden kann. Nur daß bei diesemPrototyp - ob er nun „Gemeinschaftsschule“, „Profil-schule“, „Mini-Gesamtschule“ oder gleich „Einheits-schule“ heißt - andere marktbeherrschende Modelleweichen müssen: die Schüler werden ja den Haupt-und Realschulen entzogen. Diese Schulen, bewährte,technisch ausgereifte Modelle, kann man also nichtmehr aus der Garage holen, wenn der Prototyp sich alsunbrauchbar erwiesen hat. Sein Top-Design und dieAusstattung mit vielen blitzenden Extras (kleineKlassen, Funktionsstellen, Zusatzpersonal, beste Ge-bäude etc.) haben den Markt für solide Normalausstat-tungen für alle leergefegt. Die „Gemeinschaftsschulen“können also nicht „rückabgewickelt“ und in die gutfunktionierenden Haupt- und Realschulen zurückver-wandelt werden, die sie einmal waren. Dann heißt es,die Eltern hätten entschieden, das sei die „Abstim-mung mit den Füßen“.

Diese Landesregierung verlagert also die Entscheidungauf die Stadt- bzw. Gemeindeebene und schleicht sichso aus der Verantwortung. Dahinter steckt Angst. SPDund Grüne fürchten eine Auseinandersetzung à la Ham-burg wie der Teufel das Weihwasser und vermeidendeshalb eine Gesetzgebung, die durch ein Volksbe-gehren anfechtbar wäre. Wie das ausgehen würde,steht auch in NRW fest: nach der Forsa-Umfrage vomApril 2010 steht nicht einmal die Anhängerschaft derLinken hinter den Einheitsschulplänen ihrer Landes-spitze; 57 % sind dagegen, und bei Grünen und SPDsieht die Unterstützung dieser Pläne durch die Basisnoch viel erbärmlicher aus. Aber das scheint dort nie-manden zu stören - durch stetes Wiederholen der ei-genen Thesen wird irgendwann auch dem letzten derProtest zu lästig. Und die manipulierte „Umleitung“ der

Schülerströme scheint ja dieser Politik rechtzugeben.So werden Fakten geschaffen, ohne parlamentari-schen Auftrag!

Die Schulministerin, studierte Deutsch- und Englisch-lehrerin, benutzt unsere Sprache sehr gezielt: Schondie Verwendung des Begriffes „Gemeinschafts-schule“ ist sehr geschickt gewählt, weil er keinen Arg-wohn weckt und ein gemütliches, friedvolles „gemein-sames“ Lernen suggeriert. Außerdem haben wir inNordrhein-Westfalen schon „Gemeinschaftsschulen“,flächendeckend - siehe Seite 4 dieses Elternbriefes.Der Name ist also ein bekannter, geläufiger Begriff.Aber er wird verschleiernd für einen ganz anderen In-halt verwendet.

In Kombination mit den ständig erwähnten „gymna-sialen“ Standards, die diese Schule bieten soll, mußdas in den Ohren von Eltern, die nur das Beste für ihreKinder wollen, großartig klingen - es hört sich so an, alsob jedes Kind Abitur machen könnte (und sollte), wennes nur auf die „richtige“ Schule geht. Daß dieses tolleAngebot schon an der Gesamtschule nicht funktioniertund Eltern sich oft völlig überrumpelt fühlen, wenn dortihrem Sprößling in Klasse neun „nur“ ein mittelmäßigerHauptschulabschluß in Aussicht gestellt wird, wird nir-gendwo erwähnt. Dabei wird auch das Wörtchen „nur“gezielt benutzt: in Verbindung mit den Wörtern „Haupt-schule“ oder „Hauptschulabschluß“ beschämt esMenschen, die das nicht verdienen. Mit diesem kleinenWort wird gezielt der Eindruck der Minderwertigkeit er-weckt. Die wenigsten Eltern nehmen diesen Effekt be-wußt wahr, aber folgen ihm bei der Wahl der weiterfüh-renden Schule. Mit dieser Vorspiegelung falscherTatsachen wird ein Sog zu Schulen mit äußerst frag-würdigen „gymnasialen“ Standards erzeugt, damit ge-plante „Gemeinschaftsschulen“ die erforderlichen An-meldezahlen bekommen. Dabei führen sie in der Regelgar keine gymnasiale Oberstufe!

Als drittes Element der Täuschung, die die rot-grüneRegierung sich vorhalten lassen muß, wirkt die gezielteAusblendung der nachgewiesenen Minderleistun-gen von integrierten Schulen, die man schon am Bei-spiel unserer Gesamtschule eindeutig belegen kann.Daß diese Ergebnisse (siehe vorangehende Artikel) seitJahrzehnten vorliegen und bei allen Studien in schönerRegelmäßigkeit wiederkehren, will man bei SPD undGrünen nicht wahrhaben. Stattdessen wird vom „so-zialen“ Lernen, vom „Ausgleich sozialer Benachteili-gung“ und von „Chancengleichheit“ geschwärmt unddie Wahrheit über vorliegende Ergebnisse der Bil-dungsforschung bewußt ausgeblendet. Es wäre diePflicht der Landesregierung, dafür zu sorgen, daß alleEltern vor der Wahl der weiterführenden Schule umfas-send, ausgewogen und sachlich richtig über Vor- undNachteile der Schulformen aufgeklärt werden -schließlich tragen sie die Verantwortung für ihre Kinder.

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Elternbrief Nr. 138 7

Das Modellvorhaben „Gemeinschaftsschule“ stützt dieLandesregierung auf § 25 des Schulgesetzes, der Ab-weichungen von den gesetzlichen Regelungen imRahmen von Schulversuchen gestattet. Die „Profil-schule“ Ascheberg wird als Schulversuch ausge-geben. Im Koalitionsvertrag ist jedoch festgelegt: „Esist unser Ziel, in den nächsten fünf Jahren mindestens30% der allgemeinbildenden Schulen in der Sekundar-stufe I zu Gemeinschaftsschulen umzuwandeln“ - daswären ca. 600 Schulen.

Wegen dieser Ankündigung hat der PhilologenverbandNRW Herrn Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Inhaberdes Lehrstuhls für Öffentliches Recht der UniversitätBonn, um ein Rechtsgutachten gebeten. Der Rechts-wissenschaftler kommt zum Ergebnis, daß die laut Ko-alitionsvertrag geplante weitgehende Einführung von„Gemeinschaftsschulen“ verfassungswidrig und damitrechtswidrig wäre. Das Handeln der Verwaltung, alsodes Schulministeriums, bedarf in wesentlichen Fragender parlamentarischen Legitimation, also einer gesetz-lichen Grundlage. Das Parlament muß die wesentli-chen schulpolitischen Entscheidungen selbst treffen.Die Einführung von „Gemeinschaftsschulen“ ist einewesentliche schulpolitische Entscheidung, denn siehat schwerwiegende Folgen für Schüler, Lehrer und El-tern. Und wie sieht der Gutachter den entsprechendenSchulversuch? Schulversuche sind zulässig, müssenaber „eng umgrenzt“ bleiben. Hinsichtlich der Zahl derSchulen legt er sich nicht fest, hält aber schon die Um-wandlung von 10% der bestehenden allgemeinbil-denden Schulen (das wären 200 Schulen!) für unzu-lässig.

Auch die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Er-ziehung von NRW (VBE NRW) hat ein Rechtsgutachtenerstellen lassen, und zwar von Prof. Christoph Gusyvon der Universität Bielefeld. Er hält ebenfalls ein Ge-

setz für nötig, um die „Gemeinschaftsschule“ als neueSchulform in NRW einzuführen. Für den Beginn miteinem Schulversuch verweist er auf die Beschrän-kungen, die generell für Schulversuche gelten wie be-grenzt, zeitlich befristet und sachverständig ausge-wertet. Als Begrenzung des Schulversuchs„Gemeinschaftsschule“ reicht ihm die Aussage desKoalitionsvertrages, daß eine schulgesetzliche Rege-lung geplant ist.

Beide Gutachter lassen klare Aussagen zu den kon-kreten Grenzen des Schulversuchs „Gemeinschafts-schule“ vermissen, der den Kommunen in NRW landes-weit angeboten wurde. Zum Beispiel begann derVersuch mit Gesamtschulen in NRW mit 30 Schulen.Kein Wort ist in den Gutachten zu der Festlegung im Ko-alitionsvertrag zu lesen: „Es (längeres gemeinsamesLernen = d. Red.) ist ein Baustein auf dem Weg zu eineminclusiven Schulsystem“ - d.h. auf dem Weg zu „EineSchule für alle“. Kann ein Vorhaben noch als Schulver-such angesehen werden, wenn das Ergebnis politischbereits vorweggenommen wird und vor Auswertung desVersuchs 30% der bestehenden Schulen in „Gemein-schaftsschulen“ umgewandelt werden sollen?

Dr. Gisela Friesecke

Ohne diese Informationen aber werden Eltern ge-zielt in ihren Entscheidungen manipuliert.

Für grundsätzliche Eingriffe in die Schulstruktur müßteeine verfassungsändernde Mehrheit im Landtag erfor-derlich sein - so meinen wir und fordern hiermit denLandtag auf, dies in die nordrhein-westfälische Verfas-sung aufzunehmen. Stattdessen bedient sich die rot-grüne Koalition des in dreifachem Sinne Trojanischen

Pferdes „Modellvorhaben Gemeinschaftsschule“ mitdem Ziel, unsere schulische Vielfalt auf kaltem Wegeumzustrukturieren.

Jedes Kind hat nur eine Schulzeit und Anspruchdarauf, daß sie bestmöglich gefüllt und erfüllt wird.Deshalb lehnen wir diese Schulversuche ab!

Regine Schwarzhoff

OECD-Beauftragter und PISA-Koordinator Prof. Dr. Andreas Schleicher bei der Tagung des Bundeselternrates im Mai 2005 in Porta Westfalica:

„Die deutschen Gesamtschulen sind gescheitert“.

„GEMEINSCHAFTSSCHULE“ RECHTMÄSSIG ?

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8 Elternbrief Nr. 138

Aktivitäten des Elternvereins NRW im Geschäfts-jahr 2009/2010: Die Arbeit des Elternvereins NRWnimmt nicht ab, sondern zu.

Im Ministerium haben wir an allen Zusammenkünftenmit verschiedensten Besetzungen teilgenommen undimmer wieder unsere Ablehnung der neuen Schulver-suche deutlich gemacht. Sowohl der Schulversuch„Gemeinschaftsschule“ als auch der Schulversuch„Rückkehr“ zu G9 finden bei uns keine Billigung, weilbeides keinem Schüler nützt. Zum Thema „Gemein-schaftsschule“/“Längeres gemeinsames Lernen“ sindunsere Haltung und deren Gründe hinlänglich bekanntund in unseren Elternbriefen und Flugblättern ver-öffentlicht; die sogenannte „Rückkehr“ zum 9jährigenGymnasialbildungsgang würde wieder viel Unruhe indie Schulen tragen und stößt darum auf breite Ableh-nung.

Ein heftig diskutiertes Thema ist die „Inklusion“ unddie behauptete Rechtsverbindlichkeit der Vereinba-rung der Vereinten Nationen (UN-Konvention) über dieRechte von Menschen mit Behinderung. Im Vergleichmit der englischen Originalfassung der Konventionwird deutlich, daß die Auslegung des Wortes „inclu-sion“ eine gezielte Fehlinterpretation ist. Die UN-Kon-vention ist nicht für Deutschland gedacht, sondernrichtet sich an Staaten, in denen behinderte Kinderkeinen Zugang zu allgemeiner Schulbildung geschwei-ge denn eine Schulpflicht haben wie bei uns. Unsersiebenfach differenziertes Förderschulangebot dage-gen bietet allen Kindern mit Behinderung eine hoch-qualifizierte individuelle Förderung, die als Vorbild fürdie meisten anderen Staaten dienen kann. Die Konven-tion betrifft Deutschland also gar nicht und wird nur alsweiteres Instrument zur Durchsetzung der Einheits-schule mißbraucht, sogar mit dem illusorischen Ziel,alle Förderschulen abzuschaffen. In diesem Zusam-menhang haben wir auf etlichen Diskussionsveranstal-tungen im Ministerium, bei Verbänden und auf Ta-gungen unsere Bedenken vorgetragen.

Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir im Januar anzwei Anhörungen im Schulausschuß des Landtagesteilgenommen, nach vorhergehender schriftlicher Stel-lungnahme. Die Grünen wollten die Einführung eines„Landeselternrates“ erreichen und hatten als Ex-pertin die ehemalige Vorsitzende und derzeitige Geschäftsführerin des Landeselternbeirates Baden-Württemberg eingeladen, die dessen Arbeit und Wirk-samkeit hoch lobte; wenige Tage später erfuhren wiraus der Presse, daß die dortige Vorsitzende aus Ärgerüber die geringen Einflußmöglichkeiten ihres Gre-miums gerade das Handtuch geworfen hatte: Eineklare Bestätigung für unsere Haltung, daß bei der viel-

fältigen Verbändebeteiligung in NRW viel gründlichereAuseinandersetzung mit den schulpolitischen Fragenund direktere Kommunikation möglich sind. Eine wei-tere Anhörung betraf die Abschaffung der Grund-schulgutachten bzw. ihrer sogenannten „Verbindlich-keit“. Wir legten dar, daß diese niemals bestanden hatund der überwiegende Teil der Eltern mit der Grund-schulempfehlung sehr zufrieden ist und sie als Hilfe er-fährt.

Das „Bildungssymposion“ des MSW zur Elternmitwir-kung im Februar in Essen, also noch unter der „alten“Regierung, während der Vorbereitung als „Elternkon-greß“ geplant, war enttäuschend, weil überwiegendden Eltern Pflichten zugewiesen wurden, statt auch aufeine Verbesserung der Kommunikation zwischen El-tern und Lehrerschaft hinzuwirken.

Besorgniserregend ist, daß nicht einmal die CDU eineklare Linie in Sachen Vielfalt des Schulsystems vertritt- trotz vieler Briefe, Gespräche und unserer Teil-nahme an CDU-Veranstaltungen ist sie sich offenbarihrer Verantwortung für die Bildung der Kinder nichtausreichend bewußt, sondern verläßt sich nur auf dasAnmeldeverhalten der Eltern. Wie manipulierbar bzw.schon manipuliert dies aber zum Teil ist, wird dort an-scheinend nicht betrachtet.

Im März hatten wir in Zusammenarbeit mit etlichen El-ternverbänden unter der Organisation der Vereinigungder Waldorfkindergärten einen Stand auf der Bil-dungsmesse „didacta“ in Köln, allerdings in der Hallefür das Vorschulalter. Der Elternverein hat sich dortzwei Tage mit einem Stand präsentiert und außerdemin einem angegliederten Forum drei Vorträge ange-boten: Helgard Woltereck, ehemalige Hauptschullei-terin und Buchautorin von „Das vergessene Drittel -Rettet die Hauptschüler!“ referierte, „Warum wir dieHauptschule nicht missen möchten“, und FrauSchwarzhoff zu den Themen „Schulmitwirkung - zumWohl unserer Kinder“ und „Wie Eltern Kinder beimLernen unterstützen können“. Diese Vorträge bietenwir auch Grundschuleltern an.

Im übrigen besuchten wir Bildung- und Familienkon-gressen, arbeiten beim Aktionsbündnis Schule mit undkooperieren wieder vermehrt mit anderen Elternver-bänden.

Auftritte auf Podien und in Fernsehinterviews und Ant-worten auf Interviewfragen von Zeitungen gehören mitt-lerweile fast zum täglichen Geschäft. Sogar Reportervom russischen Fernsehen haben ein langes Interviewüber die deutsche schulische Sexualerziehung undderen Grundlagen, die Schriften der Bundeszentrale für

ARBEITSBERICHT ZUR LANDESVERSAMMLUNG 06.11.2010 NEUSS

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Die Medien berichteten ausführlich über die Ergeb-nisse des vierten PISA-Schulleistungsvergleichs von15jährigen in 34 OECD-Mitgliedsländern aus dem Jahr2009. Oft wurde die trotz Verbesserung schlechte Le-seleistung der deutschen Schüler beklagt, währendderen relativ guten Leistungen in Mathematik und Na-turwissenschaften weniger Beachtung fanden. Wich-tige Ergebnisse nach PISA-Punkten, beginnend mitdem erfolgreichsten OECD-Land:

Lesen Südkorea 539Finnland 536alsdann folgen aus Europa: Niederlande, Belgien, Nor-wegen, Estland, Schweiz, Polen, Island, gleichauf Schweden und Deutschland mit 497 - danach Irland, Frankreich, Dänemark, Großbritannien,...Schlußlicht: Gesamtschulland Mexiko 425. Deutschland: Platz 16 von 34 Ländern, Platz 10 inEuropa

MathematikSüdkorea 546Finnland 541aus Europa folgen Schweiz, Niederlande, Belgien Deutschland 513

danach Estland, Island, Dänemark, Slowenien, ...Schlußlicht: Gesamtschulland Mexiko 419 Deutschland: Platz 10, Platz 5 in Europa

NaturwissenschaftenFinnland 554Südkorea 538aus Europa folgen Estland, Niederlande Deutschland 520danach Schweiz, Großbritannien, Slowenien, Polen,...Schlußlicht: Gesamtschulland Mexiko 416Deutschland: Platz 9, Platz 4 in Europa

PISA 2009

gesundheitliche Aufklärung, mit uns geführt (s. Berichtim EB 137). Ob und wann der Film gesendet wurde, istallerdings bis heute nicht bekannt. Über Manipulationenim Hintergrund darf man trefflich spekulieren.

Dieses Jahr arbeitet auch wieder die Jury für denDeutschen Hauptschulpreis, jetzt „Starke Schule“,der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, in der FrauSchwarzhoff den Deutschen Elternverein vertritt. Dieviele Arbeit mit der Auswertung und Beurteilung derBewerbungen und den Schulbesuchen ist immerwieder ein Quell der sicheren Überzeugung, welchegroßartigen Chancen Hauptschulabsolventen haben,sobald es gelingt, Bequemlichkeit und Vorurteile abzu-bauen und Potentiale zu sehen und zu entfalten.

Am 23. September hatte die neue Schulministerin SylviaLöhrmann gemeinsam mit Ministerpräsidentin Hanne-lore Kraft eine „Bildungskonferenz“ einberufen, dieeinen „Schulfrieden“ nach Bremens Vorbild herbei-führen soll. Sie tagt inzwischen in fünf verschiedenen Ar-beitskreisen. Viel ist von „Konsens“ und „Gemeinsam-keiten“ die Rede; die Veranstaltung dient als großzügigeUmarmungsgeste und will alle an Schule beteiligtenGruppen einbinden, aber man muß sehr aufpassen, daßman sich nicht für fremde Ziele vereinnahmen läßt.

Ein Gespräch mit KMK-Präsident Dr Spaenle inMünchen Ende September ergab weitestgehendeÜbereinstimmung in grundsätzlichen schulpolitischenFragen.

Elternanfragen befassen sich weiterhin sehr oft mitder schulischen Sexualerziehung und Beschwerdendazu; besorgte Eltern schildern immer häufiger, wie sieihre verstörten Kinder zuhause nur mühsam über dieInhalte beruhigen können, mit denen sie in der Schulekonfrontiert worden sind, häufig ohne Wissen der El-tern oder sogar wissentlich gegen deren klar geäu-ßerte Ablehnung.

Die Zahl der elterlichen Hilferufe zur Rettung ihrerSchulen nehmen seit dem Sommer ebenfalls rasantzu; vor allem in CDU-geführten Städten und Ge-meinden wie Neuss und Ascheberg wird in vorausei-lendem Gehorsam die Einführung von Gesamt- bzw.Gemeinschaftsschulen geplant, über die Köpfe der El-tern hinweg, deren Kinder gern zu den umzuwan-delnden Schulen gehen und dort erfolgreich und zu-frieden sind. Die Flut der bedrohten Schulen steigt,und wir müßten überall sein, um Eltern sachlich zu in-formieren und ihnen Unterstützung bei der Erhaltungihrer Schulen zu geben.

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Noch ein Ergebnis sollte hierzulande nicht außer achtgelassen werden: die Spitzenleistungen der ostasiati-schen Städte Shanghai/China, Hongkong und Sin-gapur, die sich mit ihren erreichten PISA-Punkten umFinnland gruppieren, an der Spitze stets Shanghai mit600 Punkten in Mathematik. Diese Städte hatten sichmit anderen an PISA 2009 beteiligt, obwohl sie nichtMitglieder der OECD sind. Deutschland muß sich derKonkurrenz stellen. Zu bedenken ist jedoch, daß derErfolg dort durch extreme Belastung der Schüler er-kauft wird.

Näheres: www.oecd.org/document/53/0,3343.de-3

Im Lesen liegt Deutschland im OECD-Leistungs-durchschnitt, in Mathematik und Naturwissenschaftenoberhalb des Durchschnitts. Merken sollte man sich,daß in diesen beiden Fachbereichen die oft als Vor-bilder angepriesenen skandinavischen Länder Däne-mark, Norwegen und Schweden außer Finnlandschlechter abschnitten als Deutschland. Wenn alledeutschen Bundesländer so erfolgreiche Schulenhätten wie Sachsen, Bayern und Baden-Württem-berg, die keine Gesamtschulen betreiben, ständeDeutschland international besser da! PISA 2009 do-kumentiert Deutschland einen steten soliden Auf-wärtstrend in allen drei Kompetenzfeldern - ohne Än-derung der Schulstruktur! -, während andere, auchFinnland, inzwischen absacken.

Selbst-Test zum Alkohol Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärungin Köln (BZgA) bietet im Internet einen Selbst-Testzum Alkohol-Konsum an, damit Jugendliche ihr Ver-hältnis zum Alkohol besser einschätzen können.Anonym ist ein Fragebogen auszufüllen, der Alter,Geschlecht und das regelmäßige Trinkverhalten ab-fragt, dazu das Trinkverhalten der letzten siebenTage. Weiter sind Fragen nach den Gründen desTrinkens zu beantworten und danach, ob man vonFamilienmitgliedern oder Freunden schon einmalauf seine Vorliebe für Alkohol angesprochen wordensei. Wer den Fragebogen vollständig ausfüllt, erhältals Ergebnis die Information, ob sich sein Trinkver-

halten noch im grünen, schon im orangefarbenenoder gar bereits im roten Bereich befindet. Der Testgehört zu „Limit“, Texten der BZgA zur Aufklärungüber Alkohol.(www.kenn-dein-limit.info/index.php?id=46)

Regeln fürs NaschenDie Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät Eltern,feste Zeiten für das Naschen zu verabreden, ambesten nach einer Mahlzeit, auf keinen Fall vorher.Auf diese Weise lerne das Kind, daß Süßigkeitennicht ständig verfügbar seien. Möglich sei auch, ge-meinsam mit dem Kind eine Ration für die Wochefestzulegen, über die das Kind dann selbständigverfügen kann. Gewarnt wird davor, Süßigkeiten alsBelohnung oder als Trostmittel einzusetzen, damitdiese keine betont emotionale Bedeutung erlangen.Andernfalls bestehe die Gefahr, daß die jungenMenschen auch später bei Belastungen, die nie aus-bleiben werden, zu Süßigkeiten greifen und in eineNaschsucht hineinschliddern.(www.dge-medienservice.de/index.php)

KEINE MACHT DEN DROGEN

IMPRESSUM

Herausgeber: Elternverein NRW e.V.Schinkelstraße 70, 45136 EssenT 0201 268326, www.elternverein-nrw.deMitgliedsbeitrag 25,00 Euro/Jahr

Bezugspreis: im Mitgliedsbeitrag enthalten

Druck: Schützdruck GmbHOerweg 20, 45657 Recklinghausen

Erscheint dreimal jährlich

Verantwortlich: Regine Schwarzhoff, RecklinghausenT 0176 42007679

Nachdruck mit Quellenangabe gestattet,Belegexemplar erbeten

Sparkasse KölnBonn BLZ 370 501 98Nr. 28 000 743

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GEMEINSAME ERKLÄRUNGbeim Gesprächskreis über die Zukunft der sonderpädagogischen Förderung

am 25. Januar 2010 im Ministerium für Schule und Weiterbildung

der Elternverbände LERNEN FÖRDERN NRW, Elternrat Hauptschulen NRW, Landeselternschaft der Realschulen NRW und Elternverein NRW

Wir begrüßen die Einberufung dieses Gesprächskreises über die Zukunft der sonderpädagogischen Förderung unddanken für die Einladung.Junge Menschen mit Behinderungen haben ein Recht darauf, daß ihre individuellen Schwierigkeiten rechtzeitig er-kannt und Lernsituationen geschaffen werden, die diese Schwierigkeiten angemessen berücksichtigen. Ihre Förde-rung bedarf • spezieller Unterrichtsmethoden, -materialien, -situationen,• überschaubarer Lerngruppen mit festen Bezugspersonen,• eines Raumes, der Konzentration unterstützt.Die für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nötigen Hilfen lassen sich nicht immer ortsnah verwirklichen.NRW hat mit der Pilot-Maßnahme „Kompetenzzentren“ einen guten Weg beschritten, so viel Gemeinsamkeit wiemöglich zu sichern, aber auch die nötige besondere Förderung zu gewährleisten. Nach dem Beginn im Schuljahr2008/2009 arbeiten inzwischen 30 solcher Pilot-Regionen. Weitere sind in Planung. Die bisher wirkenden Kompe-tenzzentren bündeln überwiegend die Förderung in den Bereichen Lernen, Sprache sowie emotionaler und sozialerEntwicklung. Diese Pilot-Maßnahme muß fortgeführt und evaluiert werden.Art. 24 der „UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ zwingt zu keiner Änderung. Die Kon-vention verlangt sicherzustellen: „ensure an inclusive education system at all levels and lifelong learning“, verlangtalso ein alle einbeziehendes Bildungs-S y s t e m. Ergänzend schreibt Art. 24 vor: Personen mit Behinderungendürfen nicht wegen der Behinderungen aus dem generellen Bildungssystem ausgeschlossen werden und nicht vonder kostenlosen und verpflichtenden Bildung in der Primarstufe und nicht von der Bildung in den Sekundarstufen;sie müssen Zugang haben zur umfassenden, qualifizierten und kostenfreien Bildung in Primar- und Sekundarstufenauf der gleichen Grundlage wie andere in der Gemeinde, in der sie leben; Vor diesen Vorschriften steht jedoch Art. 5 der Konvention, der für alle weiteren Artikel Geltung hat. Er handelt vonGleichheit und Nicht-Diskriminierung („Equality and Non-Discrimination“). Unter 4. wird zur Diskriminierung ausgeführt:„Specific measures which are necessary to accelerate or achieve de facto equality of persons with disabilities shallnot be considered discrimination under the terms of the present convention“. Das heißt: „Besondere Maßnahmen,die nötig sind, um faktisch eine Gleichheit von Personen mit Behinderungen zu erreichen oder schneller herbeizu-führen, sollen nicht als Diskriminierung nach den Regelungen dieser Konvention angesehen werden“.Deutschland hat mit seinem Sonderschulwesen Einrichtungen geschaffen, in denen die jungen Menschen mit Be-hinderungen in ihrer spezifischen Behinderung behandelt und gefördert werden, um die Behinderungen so weit wiemöglich auszugleichen.Es gibt verschiedenartige Behinderungen und insgesamt 7 verschiedene Förderschwerpunkte. Neben Lernen,Sprache sowie emotionaler und sozialer Entwicklung sind es noch körperliche und motorische Entwicklung, Sehen,Hören und Kommunikation und geistige Entwicklung. Bei manchen Kindern bestehen mehrfache Behinderungen.Einst gab es für jede Behinderungsform besondere Schulen und Lehrerausbildungen. Das in den letzten Jahren gel-tende Lehrerausbildungsgesetz sah das Lehramt für Sonderpädagogik mit dem Studium von 2 sonderpädagogi-schen Fachrichtungen vor. Das neue Gesetz vom 12. Mai 2009 behält dieses Lehramt mit zwei sonderpädagogi-schen Fachrichtungen bei. Das Ziel bestmöglicher Förderung von jungen Menschen mit Behinderungen wird alsovom Staat ernstgenommen. Und es gibt ein ausdifferenziertes System für die Prüfung der Behinderungen und dieZuweisung zum bestgeeigneten Förderort unter Beteiligung der Eltern.

Damit ist geklärt, daß Sonderschulen in NRW keine Diskriminierung bedeuten und folglich die UN-Konvention anNRW keine Forderungen stellt. Daß nicht alles so läuft, wie gewünscht, ist auf menschliches Versagen zurückzu-führen, das niemand ausschließen kann.Fazit: Wir wehren uns gegen eine fehlerhafte Interpretation der UN-Konvention über die Rechte von Men-schen mit Behinderungen. Dahinter steht das Ziel, „Eine Schule für alle“ durchzusetzen.Wir fordern die Weiterführung der Kompetenzzentren und deren Evaluierung, bevor neue Reformen sonder-pädagogischer Förderung in Angriff genommen werden.In Abstimmung mit dem Vorstand der Landeselternschaft der Realschulen

Karoline Pinkert Marlene Stähn Regine SchwarzhoffLERNEN FÖRDERN NRW Elternrat Hauptschulen NRW Elternverein NRW

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WICHTIGES IN KÜRZE

Das rot-grüne Sofort-ProgrammBereits im Juli 2010 legten die Koalitionsparteien demLandtag einen Entwurf mit vier Einzeländerungen zumSchulgesetz vor! Noch im Dezember 2010 wurde erverabschiedet und trat am 01.01.2011 in Kraft. Den zurMitwirkung anerkannten Verbänden war vorher Gele-genheit zu einer schriftlichen Stellungnahme und zueiner Anhörung im Ausschuß für Schule und Weiterbil-dung gegeben. Der Elternverein NRW übermittelte eineschriftliche Stellungnahme.

1. Änderung: Abschaffung der „verbindlichen“ Grund-schulempfehlung und des Prognoseunterrichts als un-berechtigte Einschränkung des ElternrechtsElternverein NRW: Falschinformation - die Grund-schulempfehlung war nur in wenigen besonderenFällen verbindlich, nämlich dann, wenn die Grund-schule nach einer pädagogischen Prognose einen fürdas Kind erfolgreichen Besuch einer von den Eltern ge-wünschten Realschule oder eines Gymnasiums fürausgeschlossen hielt. Diese Bewertung konnte durcheinen erfolgreichen Prognoseunterricht noch aufge-hoben werden. Die Regelung war gut. Eltern trauen zu-weilen ihren Kindern mehr zu als sie zu leisten ver-mögen. Überforderung kann den Bildungsweg einesKindes erheblich beeinträchtigen, weil es statt Lern-freude Lernfrust erlebt. Und der Staat hat aus seinemgrundgesetzlichen Bildungsauftrag das Recht, voraus-sichtlich ungeeignete Bewerber von Bildungsgängenauszuschließen.

2. Änderung: Abschaffung der Kopfnoten als unge-recht und beschämend für Kinder, Möglichkeit für dieeinzelnen Klassenkonferenzen, Berichte über das Ar-beits- und Sozialverhalten in die Zeugnisse aufzu-nehmen oder davon abzusehen.Elternverein NRW: Es bestehen rechtliche Bedenken- beliebiges Vorgehen in den einzelnen Klassen ver-stößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art.3 des Grundgesetzes. Gute Kopfnoten sind sehr sinn-voll, denn sie helfen Lernschwächeren, einen Ausbil-dungsplatz zu finden.

3. Änderung: Drittelparität in der Schulkonferenz fürSchüler, Lehrer, ElternElternverein NRW: Drittelparität ist verfassungs-widrig, weil Schüler und Eltern in der Schulkonferenzdie Lehrer überstimmen können, diese aber den Staat

repräsentieren, der nach Art. 7 Grundgesetz die Ver-antwortung für das Schulwesen trägt - so auch Prof.Gärditz (s. S. 7) in seinem Gutachten. Verfassungs-widrig ist die Drittelparität - um ein Beispiel aus demAufgabenkatalog zu nennen - wenn die Schulkonfe-renz über „Erprobung und Einführung neuer Unter-richtsformen“ entscheidet. Anderer Meinung ist Prof.Gusy, der dabei aber auf Befugnisse der Schulkonfe-renz abstellt, die nicht unmittelbar die staatliche Ver-antwortung berühren - ein Beispiel ist die Rahmenpla-nung von Schulveranstaltungen außerhalb desUnterrichts.

4. Änderung: Erlaubnis für Kommunen, wieder Schul-einzugsbereiche einzuführenElternverein NRW: Keine Einwendungen gegenSchuleinzugsbereiche bei Grundschulen, aber Ein-wendungen gegen Schuleinzugsbereiche bei weiter-führenden Schulen! Seit über das SchulprogrammSchwerpunkte gebildet werden können, sind Schulensehr verschieden. Daher würden Schuleinzugsbe-reiche das Elternrecht auf Wahl der weiterführendenSchule unvertretbar einschränken.

Strafe für Schulschwänzen in FrankreichDie Behörden in Frankreich können künftig das Kinder-geld streichen, wenn Kinder unentschuldigt die Schuleversäumen. Bereits ein viermaliges Fernbleiben kanndiese Folge auslösen (Schule heute, 10/2010).

Bewegungspausen„Unterbrechungen des Unterrichts, in denen gezielteBewegungsübungen stattfinden, sind keine ver-schenkte Zeit. Bewegungsübungen im Unterricht• tragen dem kindlichen Bewegungsbedürfnis Rech-

nung• entlasten und lockern• fördern die Konzentrationsfähigkeit• bauen Ermüdungserscheinungen ab• wirken Stress entgegen.Bewegungspausen sind gleichzeitig eine Gelegenheit,um für frische Luft zu sorgen: Nach fünf Minuten gehtes gestärkt und wach weiter im Unterricht“ (Aus: „Be-wegungspausen einlegen“ in „pluspunkt“, Zeitschriftder DGUV ( Deutsche gesetzliche Unfallversicherung),Mai 2010)