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Emotionale Entwicklung I: Emotionsverständnis Die Entwicklung von Emotionsverständnis und sein Einfluss auf die soziale Kompetenz

Emotionale Entwicklung I: Emotionsverständnis · 0‐6 M. 12 M. 2 J. 3 J. 4 J. 5 J. 6.J 7.J Reaktion auf Gesichtsaus‐ drücke Reaktion auf Gesichtsaus‐ drücke Bedeutung von

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Emotionale Entwicklung I: Emotionsverständnis

Die Entwicklung von Emotionsverständnis und sein 

Einfluss auf die soziale Kompetenz

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Emotionsverständnis: Definition

• das Verständnis davon, wie man Emotionen identifiziert, was sie bedeuten, was sie beeinflusst und welche sozialen Funktionen sie besitzen (nach Siegler 2005)

• Wichtige Elemente:– Fähigkeit, Emotionen zu erkennen und zu benennen

– Wissen über Emotionsauslöser

– Verständnis und Einsatz vorgetäuschter Emotionen

– Verständnis gleichzeitiger und ambivalenter Emotionen

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Emotionsverständnis: Bedeutung

bei sich selbstEmotionsregulierung

bei anderenErwerb sozialer Kompetenz

• Umgang mit Emotionen• Verständnis von Verhalten und Motiven

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Exkurs: Soziale Kompetenz

• „Fähigkeit, in sozialen Situationen persönliche Ziele zu erreichen und gleichzeitig positive Beziehungen zu anderen aufrecht zu erhalten.“ (nach Siegler 2005)

• Emotionale KompetenzAnwendung emotionaler Fertigkeiten in sozialen Situationen

• Emotionsausdruck

• Emotionsverständnis

• Emotionsregulation

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Entwicklung von EmotionsverständnisEinflussfaktoren

• Alter

• Individuelles Entwicklungstempo

• Verbale Fähigkeiten

• Bindungsverhalten– Besseres / früheres Emotionsverständnis bei sicherer Bindung

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Entwicklung von EmotionsverständnisAbfolge der erkannten Emotionen

• Positive Emotionen• Freude

• Negative Emotionen• Ärger

• Wut

• Komplexe / selbstbezogene Emotionen• Überraschung

• Stolz

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0‐6 M.

12 M.

2 J.

3 J.

4 J.

5 J.

6.J

7.J

Reaktion auf Gesichtsaus‐drücke

Reaktion auf Gesichtsaus‐drücke

Bedeutung von Gesichtsaus‐drücken

Bedeutung von Gesichtsaus‐drücken

Unterscheidung eigene – fremde Emotionen

Unterscheidung eigene – fremde Emotionen

Erkennen und Benennen emotionaler Gesichtsaus‐drücke

Erkennen und Benennen emotionaler Gesichtsaus‐drücke

Emotion zu Gesichtsaus‐druck zuordnen

Emotion zu Gesichtsaus‐druck zuordnen

Emotionen zu bekannten Situationen zuordnen

Emotionen zu bekannten Situationen zuordnen

Zunehmend mehr 

Ursachen benennen

Zunehmend mehr 

Ursachen benennen

Verständnis interindividueller Unterschiede

Verständnis interindividueller Unterschiede

Zusammen‐hang 

Wünsche ‐Emotionen

Zusammen‐hang 

Wünsche ‐Emotionen

Zusammen‐hang 

Erinnerung‐Emotion

Zusammen‐hang 

Erinnerung‐Emotion

Kognition wichtiger als Situation

Kognition wichtiger als Situation

Willentliche Variation 

Emotionsausdruck

Willentliche Variation 

Emotionsausdruck

Willentliches Zeigen aller 

Basisemotionen (außer Ärger, 

Wut)

Willentliches Zeigen aller 

Basisemotionen (außer Ärger, 

Wut)

Soziale Ausdrucks‐regeln

Soziale Ausdrucks‐regeln

Eine Art von Emotion pro Situation

Eine Art von Emotion pro Situation

2 kompatible Emotionen pro Situation

2 kompatible Emotionen pro Situation

2 kompatible Emotionen pro Person

2 kompatible Emotionen pro Person

ErkennenErkennen

Situative / kognitive EmotionsauslöserSituative / kognitive Emotionsauslöser

Vorgetäuschte EmotionenVorgetäuschte Emotionen

Multiple EmotionenMultiple Emotionen

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Hierarchische EntwicklungsmodelleBanerjee (1997)

• Drei Entwicklungsphasen:

1. Grundlegendes Verständnis von mimischen Emotionsausdrücken und Emotionswörtern

2. Kognitives Verständnis von Emotionen als subjektiv erlebte Zustände

3. Fähigkeit, das kognitive Emotionsverständnis im Alltag anzuwenden

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Hierarchische EntwicklungsmodellePons, Harris, de Rosnay (2004)

• Wichtige Komponenten:1. Erkennen und Benennen von Emotionsausdrücken

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Hierarchische EntwicklungsmodellePons, Harris, de Rosnay (2004)

• Wichtige Komponenten:1. Erkennen und Benennen von Emotionsaudrücken

2. Verständnis situativer Emotionsauslöser

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Hierarchische EntwicklungsmodellePons, Harris, de Rosnay (2004)

• Wichtige Komponenten:1. Erkennen und Benennen von Emotionsaudrücken

2. Verständnis situativer Emotionsauslöser

3. Wünsche als Emotionsauslöser

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Hierarchische EntwicklungsmodellePons, Harris, de Rosnay (2004)

• Wichtige Komponenten:1. Erkennen und Benennen von Emotionsaudrücken

2. Verständnis situativer Emotionsauslöser

3. Wünsche als Emotionsauslöser

4. Belief

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Hierarchische EntwicklungsmodellePons, Harris, de Rosnay (2004)

• Wichtige Komponenten:1. Erkennen und Benennen von Emotionsaudrücken

2. Verständnis situativer Emotionsauslöser

3. Wünsche als Emotionsauslöser

4. Belief

5. Erinnerung

6. Kognitive Regulierung von Emotionen

7. Verständnis vorgetäuschter Emotion

8. Multiple Emotionen

9. Moralische Einflüsse (Gewissen)

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Hierarchische EntwicklungsmodellePons, Harris, de Rosnay (2004)

• Gliederung in drei hierarchische Phasen:1. Externale Aspekte von Emotion

• Erkennen und Benennen von Emotionsausdrücken• Verständnis situativer Emotionsauslöser• Erinnerung als Emotionsauslöser

2. Mentale Aspekte von Emotion• Wünsche als Emotionsauslöser• Belief• Verständnis vorgetäuschter Emotion

3. Reflexive Aspekte von Emotion• Kognitive Regulierung von Emotionen• Multiple Emotionen• Moralische Einflüsse (Gewissen)

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Studie: More than talk – Relations between emotion understanding and 

positive behaviour in toddlersRosie Ensor, Claire Hughes (Centre for Family Research, University of Cambridge)British Journal of Developmental Psychology, 2005

• Forschungsziele:1. Vergleich dreier Meßmethoden für positives Verhalten

2. Einzelne und gemeinsame Zusammenhänge von Emotionsverständnis und verbalen Fähigkeiten mit positivem sozialen Verhalten

3. Untersuchung, ob Unterschiede im Emotionsverständnis den Zusammenhang von verbalen Fähigkeiten und positivem Verhalten vermitteln bei Kleinkindern

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Studie: More than talkStudiendesign

• Teilnehmer: 36 Kleinkinder (17 m, 19 w, Durchschnittsalter 29 Monate) und ihre Mütter

• Verwendete Testverfahren:– 4 einfache Tests zum Emotionsverständnis

– Tests verbaler Fähigkeiten (Kind und Bericht durch Mutter)

– 3 Verfahren zur Bewertung des positiven Verhaltens:• Rating durch Mutter

• Videobasierte Bewertung bei 20minütigem Spielen mit

– Mutter

– vertrauten Gleichaltrigen

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Tests zum Emotionsverständnis

1. Welches Gesicht ist fröhlich, welches traurig/ärgerlich?

2. Wie fühlt sich die Puppe?

3. Welches Puppengesicht passt zum Gefühl fröhlich/traurig/ärgerlich?

4. Welches Puppengesicht passt zu einem Situationsbild?

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Studie: More than talkErgebnisse

Zu 1: Vergleich der 3 Meßmethoden für positives Verhalten

nur mäßige Korrelationen– Unterschiedlichkeit der Verfahren

– Beziehungs‐Spezifität des positiven Verhaltens

– Unterschiedlichkeit der gewerteten prosozialen Handlungen

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Studie: More than talkErgebnisse

Zu 2: Einzelne und gemeinsame Zusammenhänge von Emotionsverständnis und verbalen Fähigkeiten mit positivem sozialen Verhalten

Gemeinsam sind Emotionsverständnis und verbale Fähigkeiten signifikante Prädiktoren für individuelle Unterschiede in der Bewertung des prosozialen Verhaltens durch die MütterEinzelner Zusammenhang nur mit Emotionsverständnis

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Studie: More than talkErgebnisse

Zu 3: Vermitteln Unterschiede im Emotionsverständnis den Zusammenhang von verbalen Fähigkeiten und positivem Verhalten?

JaMögliche Erklärung:

• Emotionaler Aspekt der Kommunikation ist im Kleinkindalter besonders wichtig

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Studie: More than talkEinschränkungen

• Eingeschränkte Generalisierbarkeit wegen kleiner Stichprobe

• Resultate zeigen, dass vielfältige Beobachtungen zuhause wie im Labor mit klaren Kodierungs‐Schemata nötig wären

• Andere Einflüsse auf prosoziales Verhalten sollten auch berücksichtigt werden– z.B. Temperament

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Fazit und Ausblick

• Emotionsverständnis ist eine komplexe Fähigkeit, die aus verschiedenen Komponenten besteht und sich vom Säuglingsalter an entwickelt.

• Die Komponenten bauen teilweise aufeinander auf und lassen sich in verschiedene Phasen unterteilen: external, mental und reflexiv.

• Das Emotionsverständnis ist wichtig für den Umgang mit den eigenen Emotionen, aber auch für den Erwerb sozialer Kompetenz und insbesondere für prosoziales Verhalten.

• Und als Ausblick: Emotionsverständnis lässt sich durch Tests in verschiedenen Altersstufen erfassen und bei Bedarf trainieren (siehe Petermann & Wiedebusch 2008).

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Literaturangaben

• Siegler, R., DeLoache, J., Eisenberg, N. (2008). Entwicklungspsychologie im Kindes‐ und Jugendalter. Heidelberg: Springer Verlag. 

• Petermann, F., Wiedebusch, S. (2008). Emotionale Kompetenz bei Kindern. Göttingen: Hogrefe Verlag

• Ensor, R., Hughes, C. (2005). More than talk: Relations between emotion understanding and positive behaviour in toddlers. British Journal of Developmental Psychology, 23, 343‐363

• Pons, F., Harris, P., de Rosnay, M. (2004). Emotion comprehension between 3 and 11 years: Developmentalperiods and hierarchical organization. European Journal of Developmental Psychology, 1(2), 127‐152