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Kopf-Halskarzinome Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Nachsorgeuntersuchungen in Tirol

Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und ... · Kopf-Halstumore umfassen Neubildungen von der Lippe bis zum Eingang der Speiseröhre sowie Neubildungen der Nase und Nasennebenhöhlen,

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Kopf-Halskarzinome

Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Nachsorgeuntersuchungen in Tirol

Kopf-Halstumore umfassen Neubildungen von der Lippe bis zum Eingang der Speiseröhre sowie Neubildungen der Nase und Nasennebenhöhlen, der Kopfspeicheldrüsen und der Haut von Kopf, Gesicht und Hals. Malignome der Schilddrüse werden in diesen Empfehlungen nicht behandelt. Bei den bösartigen Neubildungen der Kopf-Halsregion handelt sich ganz überwiegend um Karzinome. Diese sind Gegenstand der vorliegenden Empfehlungen zu Diagnostik, Therapie und Nachsorgeuntersuchungen in Tirol des Tiroler Arbeitskreises für Onkologie (TAKO).

Den rechtlichen Rahmen für Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Kopf-Halskarzinomen bilden neben zivil-, straf- und berufsrechtlichen Bestimmungen unter anderem das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, das Tiroler Krankenanstaltengesetz, die Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta), das Gesundheitsqualitätsgesetz, der Österreichische Strukturplan Gesundheit 2010 sowie der Rehabilitationsplan 2009 der GÖG. Der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) enthält Empfehlungen zur abgestuften integrierten Versorgung mit speziellen Strukturen auf ambulanter und stationärer Ebene mit dem Ziel einer flächendeckenden Verbesserung der onkologischen Versorgung unter Einbeziehung der gesamten Behandlungskette von der Früherkennung über die Diagnostik und Behandlung bis hin zur Nachsorge mit messbaren Ergebnissen.

Im intramuralen Bereich unterscheidet der ÖSG zwischen onkologischem Referenz zentrum (ONKZ), onkologischem Schwerpunkt (ONKS) und assoziier ter onkologischer Versorgung (ONKA). Kennzeichen von ONKZ und ONKS ist u.a. die Vorhaltung aller im interdisziplinären Team (Tumorboard) vorgesehenen Fachbereiche sowie weiterer zuständiger Sonderfächer und die Sicherstellung der Radioonkologie in räumlicher Nähe. Aufgaben der ONKA umfassen die Erbringung von Therapie und Übernahme weiterer Leistungen in Abstimmung mit kooperierenden ONKZ und/oder ONKS sowie Notfall versorgung. Dies erfolgt in Kooperation mit dem ONKZ und/oder dem ONKS und dem jeweiligen Tumorboard. Im extramuralen Bereich sieht der ÖSG die Aufgaben primär bei Früherkennung, Diagnostik, Nachsorge sowie supportiver Therapie.

Kern der Versorgung in einem ONKZ und ONKS ist ein interdisziplinäres Tumorboard, dem neben dem Organfach Vertreter der Inneren Medizin/Hämato-Onkologie, der Radiodiagnostik, der Radioonkologie und der Pathologie unter Gleichberechtigung der beteiligten Fachrichtungen angehören. Im Tumorboard ist jede Person mit einer malignen Neuerkrankung

Kopf-Halskarzinome Vorwort 3

Vorwort

Schilddrüsenkarzinome werden in diesen

Empfehlungen nicht abgehandelt

anzumelden. Dabei ist jene Abteilung zunächst zuständig (Case manager), die den Patienten dem Tumorboard vorstellt. Das Tumorboard stellt zunächst das verbindliche TNM-Stadium fest und erstellt oder ändert vorhandene Behandlungsvorschläge. Es besteht Dokumentationspflicht.

Für den intra- und extramuralen Bereich soll mit den vorliegenden Empfehlungen das rasch wachsende Wissen auf dem Gebiet der Kopf-Hals Onkologie zusammengefasst, bewertet und unter Berücksichtigung der hoch entwickelten medizinischen Infrastruktur allen onkologisch tätigen Ärzten in Tirol angeboten werden. Für die Erstellung dieser Empfehlungen wurden eine Reihe von Empfehlungen und Leitlinien unter anderem der European Society for Medical Oncology (1), der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (2), der Deutschen Krebsgesellschaft (3), der Arbeitsgruppe für Hals- und Gesichtschirurgie der Schweizerischen Gesellschaft für ORL, Hals- und Gesichtschirurgie, des National Cancer Institute der USA (4) sowie die Practice Guidelines des National Comprehensive Cancer Networks der USA (5) berücksichtigt. Neben diesen Leitlinien wurden Review- Artikel aus Core-Journalen herangezogen (1;6). Für Patienten mit fortgeschrittenem Tumorstadium liegen zwei umfangreiche prospektive Untersuchungen der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) und der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) zur postoperativen Radio- und Radiochemotherapie vor, die erheblichen Einfluss auf die Therapie von PatientenInnen mit Kopf-Halskarzinomen genommen haben (7-9).

Ich möchte mich bei allen Autoren für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bei der Erstellung dieser TAKO-Empfehlungen, aber auch im klinischen Alltag und bei gemeinsamen wissenschaftlichen Projekten bedanken.

Univ.-Prof. Dr. Herbert RiechelmannLeitung und Koordination

4 Kopf-Halskarzinome Vorwort

Obmann1. Obmann-Stv.2. Obmann-Stv.Schriftführer1. Schriftführer-Stv.2. Schriftführer-Stv.KassierÄrztekammervertreter

Koordinator

TAKOVorstand und Mitwirkende

TAKO Vorstand

Univ.-Prof. DI Dr. Peter Lukas Strahlentherapie-Radioonkologie, InnsbruckPrim. Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Gattringer Innere Medizin, KufsteinUniv.-Prof. Dr. Günther Gastl Hämatologie & Onkologie, InnsbruckPrim. Univ.-Doz. Dr. Ewald Wöll Innere Medizin, Zamsao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Eisterer Innere Medizin, Innsbruckao. Univ.-Prof. Dr. Reinhard Stauder Hämatologie & Onkologie, InnsbruckUniv.-Doz. Dr. Eberhard Gunsilius Hämatologie & Onkologie, InnsbruckDr. Stefan Kastner Ärztekammer Tirol

Mitwirkende in der Arbeitsgruppe Kopf-Halskarzinome

Dr. Ulrike Beier Zahnersatz und Zahnerhaltung, Innsbruck Dr. Silvia Brunold Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, InnsbruckDoz. Dr. Michael Fiegl Hämatologie & Onkologie, InnsbruckDr. Oliver Galvan HNO, InnsbruckPrim. Dr. Paul Goller HNO, BrixenLisa-Maria Griesser Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, InnsbruckProf. Dr. Ingrid Grunert Zahnersatz und Zahnerhaltung, InnsbruckDoz. Dr. Frank Kloss Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, InnsbruckAndrea Kofler HNO, InnsbruckJulia Lobenwein HNO, InnsbruckDr. Susanne Maislinger Medizinische Psychologie, InnsbruckProf. Dr. Hans Maier Pathologie, InnsbruckDr. Roland Moschen Medizinische Psychologie, InnsbruckDr. Wilhelm Oberaigner Klinische Epidemiologie, InnsbruckPrimar Dr. Peter Ostertag HNO, KufsteinDr. Georg Pall Innere Medizin, Onkologie, InnsbruckProf. Dr. Gerhard Pierer Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, InnsbruckDr. Andrea Posch Strahlentherapie-Radioonkologie, InnsbruckProf. Dr. Michael Rasse Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, InnsbruckProf. Dr. Thomas Rettenbacher Radiologie, InnsbruckDr. Ursula Riccabona Anästhesie und Intensivmedizin, InnsbruckProf. Dr. Herbert Riechelmann HNO, InnsbruckDr. Ulrich Rieger Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, InnsbruckDr. Markus Rungger Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, InnsbruckProf. Dr. Matthias Schmuth Dermatologie und Venerologie, Innsbruck

Kopf-Halskarzinome TAKO Vorstand und Mitwirkende 5

6 Kopf-Halskarzinome TAKO Vorstand und Mitwirkende

Prof. Dr. Hans-Ulrich Strohmenger Anästhesie und Intensivmedizin, InnsbruckDr. Arpad Sztankay Strahlentherapie-Radioonkologie, InnsbruckDr. Hagen Thomas Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, InnsbruckDr. Christian Uprimny Nuklearmedizin, InnsbruckProf. Dr. Irene Virgolini Nuklearmedizin, InnsbruckDoz. Dr. Gerlig Widmann Radiologie, InnsbruckPrim. Doz. Dr. Ewald Wöll Internistische Onkologie, ZamsOA Dr. August Zabernigg Internistische Onkologie, KufsteinProf. Dr. Patrick Zorowka Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck

Satz, Gestaltung und Version

Dr. Eugen Preuß pdl, InnsbruckVersion 1.0Copyright: pdl 2011

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1 Epidemiologie1.1 Epidemiologische Daten in Tirol1.2 Das Tumorregister des IET1.3 Früherkennung und Prävention1.3.1 Populations-basiertes Screening (Massenscreening)1.3.2 Selektives (inzidentes risikoorientiertes) Screening1.3.3 Speichel-Screening

2 Ätiologie und Histopathologie2.1 Ätiologie2.2 Pathogenese2.2.1 Genetisches Progressionsmodell2.2.2 Tumorstammzellen2.2.3 Tumorimmunologie2.2.4 Tumorprogression2.2.5 Prognosefaktoren2.3 Histopathologie2.3.1 Dysplasien, Carcinoma in situ, intraepitheliale Neoplasie2.3.2 Plattenepithelkarzinome2.3.3 Adenokarzinome2.3.4 Maligne Speicheldrüsentumore2.3.5 Andere Malignome2.4 Häufige Lokalisation von Metastasen von Kopf-Hals-Tumoren2.5 Bearbeitungsempfehlungen Pathologen

3 Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilungen3.1 Tumor-Lokalisationen und T-Stadien nach UICC 20103.1.1 Lippen3.1.2 Mundhöhle3.1.3 Oropharynx3.1.4 Nasopharynx3.1.5 Hypopharynx3.1.6 Larynx3.1.7 Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen3.1.8 Speicheldrüsen3.1.9 Kopf- und Gesichtshaut3.2 N-Stadien3.2.1 N-Stadien außer Nasenrachen und Haut3.2.2 N-Stadien Nasenrachen3.2.3 N-Stadien Karzinome der Haut

Inhaltsverzeichnis

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3.3 M-Stadien3.4 UICC-Stadiengruppierung3.4.1 UICC-Stadiengruppierung außer Nasenrachen und Haut3.4.2 UICC-Stadiengruppierung Nasenrachenkarzinom3.4.3 UICC-Stadiengruppierung Haut3.5 R-Status (Residualtumor)3.6 Fakultative Deskriptoren3.6.1 Lymphgefäßinvasion3.6.2 Veneninvasion3.6.3 Perineurale Invasion (ab 2010)3.7 Abgeleitete und andere Klassifikationschemata3.7.1 Lokal begrenzt (limited), lokoregionär fortgeschritten (advanced) und

rezidiviert oder metastatisch (recurrent or metastatic)3.7.2 Klassifikation nach Prognose des AJCC Cancer Staging Manual3.7.3 Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorregister3.8 Ersterkrankung, Rezidiv, Zweittumor

4 Diagnostisches Vorgehen4.1 Diagnoseverzögerung4.2 Komorbidität und Performance Status4.3 Klinische Untersuchung4.4 Bildgebende Verfahren4.4.1 Halssonographie4.4.2 Computertomographie Kopf-Hals4.4.3 Computertomographie Thorax4.4.4 Kernspintomographie4.5 Sicherer Umgang mit CT, MR und US Kontrastmittel4.6 Nuklearmedizinische Diagnostik4.6.1 PET/CT4.6.2 Knochenszintigraphie4.7 Panendoskopie in Narkose4.8 Sentinel-Lymphknotenbiopsie4.9 Abklärung bei Verdacht auf Halslymphknotenmetastase bei

unbekanntem Primärtumor (CUP Syndrom)4.10 Zahnärztliche Diagnostik und Planung der dentalen Rehabilitation4.10.1 Maßnahmen prä radiationem4.10.2 Maßnahmen intra radiationem4.11 Erheben des Ernährungsstatus, Ernährungstherapie, Perkutane

endos ko pische Gastrostomie

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4.12 Diagnostik von Hören, Stimme, Sprechen, Schlucken4.12.1 Erstuntersuchung4.12.2 Stimmlosigkeit und Stimmersatz4.12.3 Besonderheiten bei einzelnen Tumorlokalisationen4.12.4 Chemotherapie/Radiochemotherapie4.12.5 Zusammenfassung

5 Therapie5.1 Therapiegrundsätze bei Erstdiagnose5.2 Chirurgische Therapie5.2.1 Indikation zur chirurgischen Therapie – Resektabilität und

Operationsrisiko5.2.2 Empfohlene chirurgische Verfahren unter kurativem Ansatz

aufgeschlüsselt nach Tumorlokalisation5.2.3 Prinzipien der chirurgischen Therapie des Halses5.2.4 Präoperative anästhesiologische Untersuchung und gemeinsame

perioperative Planung5.2.5 Indikation zur präliminaren Tracheotomie bei Kopf-Hals Eingriffen5.2.6 Palliative chirurgische Verfahren5.2.7 Empfehlung zur perioperativen Ernährung bei ausgedehnten

tumorchirurgischen Eingriffen der Kopf-Halsregion5.3 Radiotherapie, Radiochemotherapie und Radioimmuntherapie5.3.1 Radiotherapie5.3.2 Radiochemotherapie (RCT)5.3.3 Radioimmuntherapie5.4 Systemische Therapie5.4.1 Palliative systemische Therapie5.4.2 Präoperative neoadjuvante Chemotherapie bei Erstbehandlung

fortgeschrittener Tumorstadien5.4.3 Induktionschemotherapie vor kombinierter Radiochemotherapie bei

Erstbehandlung fortgeschrittener Tumorstadien5.5 Feststellung des Remissionsstatus5.6 Phase I Rehabilitation5.7 Therapiegrundsätze bei Rezidiv, Tumorpersistenz oder

Fernmetastasierung

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6 Nachsorge und Rehabilitation6.1 Nachsorgeuntersuchungen6.1.1 Erkennung von Rezidiven oder persistierender Tumorerkrankung6.1.2 Erkrankungsfolgen6.1.3 Laboruntersuchungen6.1.4 Ernährung, Körpergewicht, Leistungsfähigkeit6.1.5 Dentale Nachsorge6.1.6 Sozialmedizinische Betreuung in der Nachsorge6.2 Phase II Rehabilitation6.2.1 Geeigneter Zeitpunkt und Dauer für Phase II Rehabilitation6.2.2 Erforderliches Behandlungsangebot6.3 Ambulantes Behandlungsangebot und Home-Care6.4 Selbsthilfegruppen

7 Psychosoziale Aspekte und Psychoonkologie7.1 Begriffsdefinition „Psychoonkologie“7.2 Grundprinzipien der psychoonkologischen Versorgung7.3 Psychoonkologische Versorgungskonzepte und Interventionen7.4 Behandlungsbedarf und Indikationsstellung in der Psychoonkologie

8 Literaturverweise

Kopf-Halskarzinome Abkürzungen 11

Abkürzungen

AHB Anschlussheilbehandlung AJCC American Joint Committee on CancerASA American Association of AnesthsiologistsCDDP Cis-Diaminodichloroplatin (Cisplatin)CR Vollständiges Ansprechen (complete response)CUP Carcinoma of unknown primary DCO Death Certificate OnlyECOG Eastern Cooperative Oncology GroupEE enterale ErnährungEORTC European Organisation for Research and Treatment of CancerGÖG Gesundheit Österreich GmbHHPV Humane PapillomavirenIET Institut für klinische Epidemiologie der TILAKKHT Kopf-Hals-Tumorboard mRND modifiziert radikale HalslymphknotendissektionNC Keine Veränderung (no change)ONKA assoziierte onkologische VersorgungONKS onkologischer SchwerpunktONKZ onkologisches Referenzzentrum ORL Oto-Rhino-LaryngologieÖSG Österreichischer Strukturplan GesundheitPD Progressive Erkrankung (progressive disease)PE parenterale ErnährungPR Partielles Ansprechen (partial response)RCT RadiochemotherapieRND radikale HalslymphknotendissektionSL Sentinel LymphknotenSLB Sentinel-LymphknotenbiopsieSND selektive HalslymphknotendissektionTAKO Tiroler Arbeitskreis für OnkologieTILAK Tiroler Landeskrankenanstalten GmbHTIVA Total intravenöse AnästhesieUICC Union for International Cancer Control

Abkürzungen

Kopf-Halskarzinome Epidemiologie 13

Karzinome im HNO-Bereichweltweit an vierter Stelle

In Tirol erkranken pro Jahr um die 140 Patienten an einem Karzinom im HNO-Bereich

Der Kopf-Hals-Region werden der ICD-O3 folgend Malignome der Regionen Lippen und Mundhöhle, Pharynx, Larynx, Nasenhöhle und Nasennebenhöhlen, Große Speicheldrüsen und Schilddrüse zugerechnet. Weltweit erkranken pro Jahr um die 310.000 Frauen und 800.000 Männer und versterben 210.000 Frauen und 500.000 Männer an einem Karzinom im HNO-Bereich. Damit liegen die Karzinome im HNO-Bereich weltweit in der Häufigkeit der Tumorgruppen an vierter Stelle. Die altersstandardisierte Rate (pro 100.000) ist bei den Frauen in Westeuropa mit 7 deutlich niedriger als in den weniger entwickelten Ländern (mit 12) und bei den Männern mit 37 etwas höher als in den weniger entwickelten Ländern (mit 30). In allen Regionen erkranken etwa drei Mal so viele Männer wie Frauen an einem Karzinom im HNO-Bereich. Das individuelle Risiko bis zum Alter 74 an einem HNO-Karzinom zu erkranken, liegt bei den Frauen bei 0.7% und bei den Männern bei 2.4%.

1.1 Epidemiologische Daten in Tirol

In Tirol erkranken pro Jahr um die 140 Patienten (ca. 40 Frauen und 100 Männer) an einem Karzinom im HNO-Bereich, damit hat diese Karzinom-gruppe einen Anteil von 4% an allen neudiagnostizierten bösartigen Erkrankungen und liegt an der siebten Stelle der Häufigkeit (10). Bezüglich der Krebsmortalität liegen die Karzinome im HNO-Bereich mit etwa 45 Todes-fällen (ca. 10 Frauen und 35 Männer) pro Jahr und einem Anteil von 3% an der zehnten Stelle in der Häufigkeit der Krebstodesfälle. Das Verhältnis von Frauen zu Männern ist in Tirol 1:3.Den größten Anteil nehmen die Larynxkarzinome ein (27%), gefolgt von Tonsillen (8%), Mundboden (7%), restliche Mundhöhle, Hypopharynx, rest-

1 Epidemiologie

Abbildung 1: Vergleich Inzidenz- und Mortalitätsrate HNO außer Larynx mit EU-Ländern

(altersstandardisierte Rate pro 100 000, rot: bei Frauen; blau: bei Männern )

14 Kopf-Halskarzinome Epidemiologie

Knapp 1000 TirolerInnen

haben ein Kopf-Halskarzinom

(Prävalenz)

licher Oropharynx und Lippen mit jeweils 6%. Im Vergleich zu den EU-Ländern liegen die altersstandardisierten Raten der Karzinome im HNO-Bereich ohne Larynx in Tirol bei den Frauen deutlich über dem EU-Durchschnitt (Inzidenz und Mortalität) und bei den Männern im EU-Durchschnitt (s. Abbildung 1), die Larynxkarzinome bei den Männern liegen unter dem EU-Durchschnitt.

Das durchschnittliche Alter bei Diagnose liegt bei 63 Jahren, 10% der weiblichen und 15% der männlichen Patienten sind jünger als 50. Die Anzahl der prävalenten Karzinome im HNO-Bereich beträgt in Tirol um die 250 Frauen und 700 Männer. Diese Schätzungen sind im Wesentlichen konsistent mit Prävalenzschätzung der Statistik Austria.

Die altersstandardisierte Inzidenzrate der Karzinomen im HNO-Bereich ohne Larynx zeigt bei den Frauen im letzten Jahrzehnt eine Zunahme der Inzidenz und Mortalität um 3% pro Jahr und bei den Männern ebenfalls eine Zunahme von 1% pro Jahr (jeweils statistisch signifikant, siehe Abbildung 2). Die Inzidenz der Larynxkarzinome hat bei den Männern 3% pro Jahr statistisch signifikant abgenommen. Die regionale Verteilung auf Bezirksebene zeigt

Abbildung 2: Zeitliche Entwicklung altersstandardisierte Rate HNO (außer Larynx) in Tirol (pro 100 000); 3-Jahres-Glättung

Kopf-Halskarzinome Epidemiologie 15

Das relative Fünfjahresüberleben liegt bei ca. 55%

Zur möglichst vollständigen Erfassung in klinischen Registern eignen sich die ICD-10 Codes C00-C15, C30-C34, C39, C40, C41, C43, C44, C49, C69-C72, C76-C80, C97, D00-D04, D09, D37, D38 und D48

bei einigen Schwankungen keine statistisch signifikant erhöhten oder erniedrigten Raten im Vergleich zum Landesdurchschnitt.

Das relative Fünfjahresüberleben der Karzinome im HNO-Bereich ohne Larynx liegt bei den Frauen bei 65% und ist fast identisch zu den Vergleichsdaten aus den USA und bei den Männern mit 50% statistisch signifikant schlechter als die Vergleichsdaten aus den USA mit 60%. Bei den Larynxkarzinomen beobachten wir in Tirol ein relatives Fünfjahresüberleben von 70% (besser als die Vergleichsdaten aus den USA mit 60%, aber nicht statistisch signifikant). Diese Überlebensdaten beruhen auf den Diagnosejahren 2001-2005 (wegen der fünfjährigen Nachbeobachtung bis 2010). In der Eurocare-4-Studie wurde basierend auf den Daten 1995-99 bei den Karzinomen im HNO-Bereich für Österreich ein relatives Fünfjahresüberleben von 37% berechnet, das unter dem EU-Durchschnitt mit 39% lag und bei den Larynxkarzinome ein relatives Fünfjahresüberleben von 63% und damit identisch mit dem EU-Durchschnitt. Die seit 2008 erhobenen 1-Jahresüberlebensraten liegen über dem EU-Durch schnitt und sind mit den Daten aus den USA vergleichbar.

1.2 Das Tumorregister des IET

Das Tumorregister Tirol erhält Daten über neu auftretende Tumorfälle von den Tiroler Krankenhäusern und Sanatorien. Niedergelassene Fachärzte werden über die Sanatorien erfasst. Tumorfälle werden nur in Ausnahmefällen ausschließlich von Praktikern behandelt, über die Pathologie-Befunde werden auch solche Tumorfälle registriert (Basisdokumentation). Dies führt zu einem sehr hohen Grad an Vollständigkeit. Daneben führt das Tumorregister Tirol für einige Kliniken der Universitätsklinik Innsbruck ein Krankenhausregister für Tumoren mit einem wesentlich detaillierteren Dokumentationsumfang (Spezialdokumentation). Um einen möglichst hohen Grad an Vollständigkeit zu erreichen, werden Pathologiedaten, Krankenhausabgangsdiagnosen sowie Abteilungsdaten verwendet. Nach Abgleich mit der Datenbank werden solche Befunde, für die kein Tumor gemeldet wurde, nachrecherchiert. Schließ lich werden in einem relativ aufwändigen Verfahren für diejenigen Tumor todesfälle, für die keine Meldung eines Krankenhauses vorliegt, über Kranken häuser und niedergelassene Ärzte nach medizinischen Daten recherchiert und gegebenenfalls nachdokumentiert. Falls keine weiteren Informationen gefunden werden, wird der Tumorfall als DCO-Fall ausgewertet (Death Certificate Only).

16 Kopf-Halskarzinome Epidemiologie

Risikogruppe: Raucher über 45

mit erhöhtem Alkoholkonsum

Populations-basierte Vorsorgeprogramme

derzeit nicht zielführend

1.3 Früherkennung und Prävention

Die wichtigste Präventivmaßnahme sind allgemeine Programme gegen Nikotinkonsum. Es gibt nur wenige Daten zu Vorsorgeprogrammen speziell bei Kopf-Hals-Tumoren. Ungefähr 70% der Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren der Innsbrucker Universitäts-HNO-Klinik stellen sich erstmals mit fortgeschrittenen Tumorstadien vor. Da das Tumorstadium eng mit dem Überleben korreliert, erscheint es plausibel, dass Früherkennung die Prognose von Kopf-Hals-Tumoren verbessert. Hierzu liegen allerdings keine gesicherten Daten vor. Die relevante Risikogruppe sind Männer über 45 mit erhöhtem Alkohol- und Nikotinkonsum, Immunsupprimierte und Menschen, die schon mal ein Kopf-Halskarzinom hatten.

1.3.1 Populations-basiertes Screening (Massenscreening)Unter anderem für Haut- Mamma- und Prostatakrebs gibt es in Tirol ein sehr erfolgreiches Populationsscreening durch das Angebot für gezielte Vorsorgeuntersuchungen. Das Department für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde der Universität Baltimore führte im April 2008 ein populations-basiertes kostenloses Kopf-Hals-Tumor Screening im Rahmen der von der Yul Brynner Foundation gesponserten Oral, Head and Neck Cancer Awareness Week durch. Die Mehrzahl der Teilnehmer waren weibliche Nicht raucherinnen (70%). Bei immerhin 10% der Teilnehmer fanden sich Verdachts momente, die eine weiterführende Diagnostik auslösten. Dieses Ergebnis zeigt, dass die relevante Zielgruppe über Programme zur speziellen Vorsorge-unter suchung nur unzureichend erreicht wird. Außerdem sind gezielte Vorsorgeuntersuchungen wie Mamma- oder PSA-Screening bei Kopf-Hals-Tumoren ökonomisch kaum zu rechtfertigen. Es wurde kalkuliert, dass ca. 18.000 Bürgerinnen und Bürger gescreent werden müssten, um ein Leben zu retten. Dabei bezieht sich diese Zahl auf die leicht detektierbaren Mund -höhlen karzinome, nicht auf die schwieriger zu erfassenden Mund rachen-karzinome oder andere Kopf-Hals Tumorlokalisationen.

Ein grundsätzliches Problem bei allen Screening-Untersuchungen ist, dass die oft zitierten 7 Warnsymptome (s. Tabelle) nicht Frühsymptome darstellen, sondern mit der Ausnahme der Heiserkeit bei Tumoren der Stimmlippe bereits ein fortgeschrittenes Tumorstadium anzeigen. Darüber hinaus sind diese Symptome unspezifisch, so dass eine hohe Fehldetektionsrate besteht.

Kopf-Halskarzinome Epidemiologie 17

Typische 7 Warnzeichen für Kopf-Halstumoren laut American Cancer Society

Risikogruppen-orientiertes Screening durch AllgemeinärzteInnen

SchluckbeschwerdenFremdkörper- und Kloßgefühl im Halsins Ohr ausstrahlende SchmerzenHusten, manchmal mit BlutauswurfHeiserkeitSchmerzen oder Kratzen im HalsKnotenbildung am Hals

1.3.2 Selektives (inzidentes risikoorientiertes) ScreeningEine rezente Übersichtsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass eine sinnvolle Früherkennung von AllgemeinmedizinerInnen durchgeführt werden kann (incidental screening). Hierbei werden Patienten mit Risikofaktoren, die sich in der Regel aus Kopf-Hals unabhängigen Gründen vorstellen, einer standardisierten Untersuchung der Kopf-Hals-Region unterzogen. Weil Angehörige von Risikogruppen insgesamt eher selten zum Zahnarzt gehen, erfolgt inzidentes (also im Rahmen eines ohnehin stattfinden Arztbesuches) risikogruppen-orientiertes Screening am ehesten durch AllgemeinärzteInnen. Die Detektionsrate von Kopf-Hals-Tumoren bei Allgemeinärzten wird auf ca. 1:63000 Konsultationen geschätzt.

Eine der umfangreichsten inzidenten risikogruppen-orientierten Screening Projekte wurde in Boston durchgeführt. Dabei wurden 4611 RaucherInnen über 40 Jahre von Allgemeinärzten (primary care physicians) in Stadtbezirken mit bekannt hoher Inzidenz von Kopf-Hals-Tumoren systematisch anhand eines Untersuchungsbogens erfasst. Der Untersuchungsbogen enthielt Fragen nach 4 von 7 Kopf-Halstumor-relevanten Warning-Signs der American Cancer Society, nämlich persistierende Halsschmerzen, Knoten am Hals, Schluck schwierigkeiten und persistierende Heiserkeit. Außerdem wurde nach Gewichtsverlust gefragt und die Mundhöhle auf tumorverdächtige Veränderungen untersucht. Von den 4611 PatientenInnen wurden 318 Patienten wegen pathologischer Befunde zur weiterführenden fachärztlichen Unter suchungen überwiesen. Von diesen 318 Patienten waren lediglich 4% auch wegen Kopf-Hals-Symptomen zum Allgemeinarzt gegangen. Die Fachuntersuchungen nahmen dann 208 Patienten auch tatsächlich in Anspruch. Zuletzt wurden 6 Krebsdiagnosen verifiziert, wobei 4 Diagnosen durch die Screening-Untersuchung festgestellt wurden und 2 Diagnosen erst 3 Jahre später. Somit ergibt sich in etwa eine Detektionsrate von ca. 1:1000 bei inzidentem, risikogruppen-orientiertem Screening. Dabei ist aber nicht bekannt, ob die 4 berichteten detektierten Tumore auch ein prognostisch günstiges, frühes Tumorstadium aufwiesen.

18 Kopf-Halskarzinome Epidemiologie

1.3.3 Speichel-Screening Das Screening von Speichelproben wird in erster Linie bei Mund höhlen-karzinomen durchgeführt, gelingt aber möglicherweise auch für andere Kopf-Hals-Tumorlokalisationen. SolCD44 war bei Tumorpatienten im Speichel zwar hochsignifikant erhöht, zeigte aber keine ausreichende Diskrimination zwischen Tumorpatienten und Kontrollen. Bahar und Koautoren konnten bei der Untersuchung von Antioxidantien im Speichel ebenfalls keine ausreichende Diskrimination erreichen. Mittels Microarry-Analysen identi-fizierten Wong und Mitarbeiter 7 Transskripte im menschlichen Speichel (DUSP1, H3F3A, IL1B, IL8, OAZ1, SAT und S100P), die in Kombination mit einer Sensitivität und Spezifität von 90% Tumorpatienten von Kontrollen diskriminierten. Sethi und Koautoren konnten an Speichelproben von 27 Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren und von 10 Kontrollen mittels multiplex ligation-dependent probe amplification (MPLA) an Hand der Genprodukte von 2 Genen (PMAIP1 und PTPN1) eine vollständige Diskrimination erreichen. Mittels quantitativer methylierungs-spezifischer PCR (Q-MSP) konnten Carvalho und Mitarbeiter Paneele hypermethylierter Promotersequenzen in Blutserum (CDH1, CCND2, TIMP3, HIC1 und PGP9.5) und Speichel (MINT31, CCNA1, DCC, p16) identifizieren, die Kopf-Tumorpatienten mit hoher Spezifität, allerdings geringer Sensitivität detektierten.

Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie 19

Alkoholkonsum und Rauchen sind die wichtigsten Risikofaktoren für Kopf-Halskarzinome

2.1 Ätiologie

Risikofaktoren für die Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der Kopf- Hals-Region sind chemische Noxen, in aller erster Linie Alkohol- und Tabakkonsum. Über die fatale Rolle von Alkohol und Rauchen für Entstehung und Rezidiv von Kopf-Hals-Karzinomen wissen lediglich 15% der Betroffenen Bescheid. Eine Sicherungsaufklärung über diese Risiken dient der Gefahrenabwehr im Interesse des Patienten. Eine weitere wesentliche ätiologische Bedeutung haben Humane Papillomaviren (HPV). Sie spielen eine besondere Rolle in der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen bei Nikotin- und Alkoholabstinenten. In 80-90% aller HPV-DNA-positiven Platten-epithelkarzinome wird HPV Typ 16 gefunden. Weiterhin spielen physikalische Noxen (radioaktive Strahlen und chronische mechanische Irritation, z.B. durch scharfkantige Zähne), berufliche Schadstoffexposition (Schwarz-deckenarbeiter, Maler, Schreiner, Asbestarbeiter) sowie Ernährungs -faktoren und familiäre sowie genetische Disposition eine Rolle. Arbeiter in der Holzindustrie haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Adeno -karzinomen der Nasennebenhöhlen. Kopf-Hals-Karzinome treten bei immun-supprimierten Patienten gehäuft auf. Generell treten Platten epithel karzinome des oberen aerodigestiven Trakts häufiger bei Männern auf.

2.2 Pathogenese

2.2.1 Genetisches ProgressionsmodellNach dem genetischen Progressionsmodell entstehen Kopf-Hals-Karzinome aus präneoplastischen Veränderungen. Dabei führen epigenetische Mecha-nismen, Genamplifikationen und Gendeletionen zur Aktivierung von Onkoge-nen und zu Funktionsverlust von Tumorsuppressorgenen. Da häufig DNA-Reparaturmechanismen und apoptoseinduzierende Mechanismen funktionell beeinträchtigt sind, entsteht eine hohe genomische Instabilität, in deren Folge zahlreiche weitere Mutationen auftreten. Obwohl der Tumor initial aus einem Zellklon entsteht, kommt es durch die genomische Instabilität zu einer hohen Zellheterogenität im Tumor. Dies äußert sich auch in der hohen Aneuploidie, Polyploidie und einer Vielzahl chromosomaler Anomalien von Kopf-Hals-Tumoren. Insbesondere unter dem selektiven Druck einer Therapie können strahlen- oder chemotherapieresistente Zellklone entstehen.

2 Ätiologie undHistopathologie

20 Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie

2.2.2 TumorstammzellenBei Tumorstammzellen handelt es sich um CD44+ Zellen in Kopf-Halskarzinomen, die extensiv proliferieren können und ca. 10% der Tumorzellen in Kopf-Hals-Tumoren ausmachen(11). Tumorstammzellen sind in der Lage, im Tiermodell Implantattumoren zu induzieren, während die übrigen Tumorzellen dies kaum vermögen. Es wird vermutet, dass diese Zellen für die Repopulation nach Strahlen- oder Chemotherapie ausschlaggebend sind.

2.2.3 TumorimmunologieKopf-Hals-Tumorzellen exprimieren einige weitgehend tumorspezifische Antikörper. Tumorantigene, die eine humorale Immunantwort induzieren, können mittels serologischer Analyse rekombinanter Expressions-Libraries (SEREX) und über Microarray-Analysen identifiziert werden. Zu den Kopf-Hals-Tumorenantigenen gehören unter anderem der EGF-Rezeptor, VEGF-Rezeptor, Ep-CAM, einige CD44 Splice-Varianten, p16 sowie die Somatostatinrezeptoren 2 und 5. Nasenrachenkarzinome exprimieren gehäuft EBV-Antigene. Trotz der Expression von Tumorantigenen gelingt es dem Immunsystem nicht, die Tumorzellen zu eliminieren.Zu den Faktoren, die die Abwehrlage von Kopf-Halstumorpatienten beeinträchtigen gehören Alkohol- und Tabakkonsum, HPV-Infektion und schlechter Ernährungszustand. Kopf-Hals-Tumorzellen entgehen der humoralen und zellulären Immunüberwachung zusätzlich gezielt über unterschiedliche Mechanismen. Sie „verstecken“ sich vor dem Immunsystem, unter anderem durch geringe HLA-Klasse I Rezeptor-Expression. Andererseits

Abbildung: Genetisches Progressionsmodell von Kopf-Hals Karzinomen

Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie 21

Klinische Prognosefaktoren: Tumorgröße, Tumorlokalisation,Halslymphknotenstatus, Fernmetastasierung

supprimieren sie die Aktivität von Immunzellen systemisch und insbesondere lokal. Tumorinfiltrierende Lymphozyten (TIL) gehören überwiegend zu CD4+ CD25+ FoxP3+ regulatorischen T-Zellen, die Immuntoleranz induzieren. Darüber hinaus supprimieren Tumorzellen die Aktivität unterschiedlicher Immunzellen durch Freisetzung immunsupprimierender Faktoren wie IL-10, TGF-ß und PGE2.

2.2.4 TumorprogressionUnter Tumorprogression versteht man die Ausbreitung maligne transformierter Zellen im Organismus. Zu den Mechanismen der Tumorprogression zählen Invasion, Destruktion, Angiogenese, Ausbildung eines bindegewebigen Stromas (Desmoplasie), Verlust der Zelladhäsion und Einbruch in Lymph- und Blutgefäße, Extravasation und Metastasenbildung.

2.2.5 PrognosefaktorenPrognosefaktoren ermöglichen Aussagen über die Überlebens wahr schein-lichkeit. Relevante klinische Prognosefaktoren bei Platten epithelkarzinomen umfassen Tumorgröße, Tumorlokalisation, Halslymphknotenstatus, Fern-metastasierung, Performance-Status, und Erst- vs. Rezidiverkrankung. Alter und Geschlecht spielen eine untergeordnete Rolle. Nach chirurgischem Vorgehen sind R-Status und extrakapsuläres Lymphknotenwachstum als weitere prognostisch relevante Parameter verfügbar. Prognostisch relevant ist auch das Vorliegen einer ausgeprägten desmoplastischen Stromareaktion in den Lymphknotenmetastasen. Ein positiver Lymphknotenbefund erhöht signifikant die Wahrscheinlichkeit von hämatogenen Fernmetastasen, stärker noch bei extranodaler Tumorinfiltration. Daneben gibt es zahlreiche tumorbiologische Parameter mit prognostischer Bedeutung wie z.B. das Ausmaß der EGFR Expression oder der p16-Status. Prädiktive Faktoren sollen Aussagen darüber ermöglichen, welche Therapieverfahren erfolg-versprechend sind und eine individuell optimierte Therapieempfehlung ermöglichen. Die Datenlage zu prädiktiven Faktoren bei Kopf-Halstumoren ist inkonsistent.

22 Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie

2.3 Histopathologie

Als Grundlage der histopathologischen Klassifikation von Kopf-Halstumoren wird die World Health Organization Classification of Tumours, Pathology & Genetics, Head and Neck Tumours, empfohlen (12).

2.3.1 Dysplasien, Carcinoma in situ, intraepitheliale NeoplasieZu den präneoplastischen Veränderungen werden die Leukoplakie mit den Unterformen verruköse Hyperplasie (früher: orale floride Papillomatose) und proliferative verruköse Hyperplasie sowie die Erythroplakie gezählt, aus der sich im Verlauf jeweils eine squamöse intraepitheliale Neoplasie (SIN) mit geringer (low grade) oder hochgradiger (high grade) Dysplasie (siehe Tabelle 1) und schließlich ein invasives Karzinom entwickeln können. Die Entartungsrate bei der Leukoplakie liegt abhängig vom Dysplasiegrad zwischen 3 und 10%, bei der Erythroplakie bei über 50%, wiederum variabel je nach Lokalisation der Präkanzerose (am höchsten an Mundboden, Zunge und Lippe).

In Tirol wird für intraepitheliale Läsionen die Klassifikation der WHO (siehe z.B. Barnes 2005) empfohlen (s. Tabelle 1, Spalte links).

2.3.2 PlattenepithelkarzinomeDie häufigsten malignen Neubildungen der Kopf-Halsregion sind Platten-epithel karzinome. Typische Merkmale sind ein unterschiedliches Ausmaß an Keratini sierung und invasives Wachstum.

Sonderformen des PlattenepithelkarzinomsVerruköses KarzinomVorwiegend exophytisches Wachstum, seltener Tumor des älteren Menschen, lokalisiert meist in der Mundhöhle (Gingiva und Wangenschleimhaut) oder

Tabelle 12005

WHO Classification Squamous Intraepithelial

Neoplasia (SIN) Ljubljana Classification Squamous

Intraepithelial Lesions (SIL)

Squamous cell hyperplasia Squamous cell (Simple) hyperplasia

Mild dysplasia SIN 1 Basal/parabasal cell hyperplasia*

Moderate dysplasia SIN 2 Atypical hyperplasia**

Severe dysplasia SIN 3*** Atypical hyperplasia**

Carcinoma in-situ SIN 3*** Carcinoma in-situ

Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie 23

Die häufigsten malignen Neubildungen der Kopf-Halsregion sind Plattenepithelkarzinome

im Larynx. Der Tumor sitzt breitbasig auf, zeigt plumpzapfiges infiltratives Wachstum mit oft scharf gezogen erscheinender Abgrenzung gegenüber der Epithelunterlage und ist gekennzeichnet durch ein Epithel, das die üblichen zytologischen Malignitätskriterien vermissen lässt. Die Diagnosestellung kann besonders in der Abgrenzung zu nichtmalignen Läsionen wie einem Platten epithelpapillom, einer verrukösen Hyperplasie oder einer reaktiven inflamma torischen papillomatösen Plattenepithelhyperplasie schwierig sein.

SpindelzellkarzinomBiphasischer Tumor aus Zellen eines Plattenepithelkarzinoms und pleo-mor phen spindeligen Zellelementen, die als eine sekundär entwickelte sarkomatoide Tumorkomponente betrachtet werden. Wenn in einer Biopsie die Plattenepithelkomponente nicht erfasst ist, kann die Abgrenzung zu anderen Spindelzellsarkomen oder einer nodulären Fasziitis problematisch sein.

Basaloides PlattenepithelkarzinomSeltene Variante, die bei hoher Tendenz zu einer lymphogenen und hämato-genen Metastasierung ein aggressives Verhalten aufweist. Lokalisation meist Zungenbasis, Sinus piriformis und supraglottischer Larynx. Der Tumor zeigt ein Nebeneinander eines konventionellen Plattenepithelkarzinoms und einer Komponente aus kleinen basaloiden Zellen in soliden läppchenartigen Komplexen.

Adenoides Plattenepithelkarzinom (akantholytisches Plattenepithelkarzinom)Selten; entsteht meist im Bereich der (Unter-)Lippe. Der Tumor zeigt durch Akantholyse ausgebildete pseudoglanduläre Spaltbildungen ohne Ausbildung echter Drüsen und ohne Vorliegen von Mukozyten. Die vorhandene Keratini-sierung hilft in der Abgrenzung zum adenoid-zystischen Karzinom und mukoepidermoiden Karzinom.

Adenosquamöses KarzinomKontroversieller gemischter Tumor, meist im Larynx bei Männern.

Papilläres PlattenepithelkarzinomSeltene Variante.

Nasopharyngeales Karzinom/Lymphoepitheliales Karzinom (Schmincke-Tumor)Undifferenziertes epidermoides Karzinom mit prominenter lymphatischer Reaktion, typischerweise des Nasopharynx, assoziiert mit Nachweis von Epstein-Barr-Virus mittels In-situ-Hybridisierung oder PCR am Tumorgewebe.

24 Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie

Adenokarzinome des NNH-Systems treten gehäuft nach beruflicher Holzstaubexposition auf

2.3.3 AdenokarzinomeAusgangsorte können die großen und kleinen Speicheldrüsen, seromuköse Drüsen der Nasenhöhle, der Nasennebenhöhlen und der oropharyngealen und laryngealen Schleimhaut sein. Die histologische Präsentation ist sehr unterschiedlich. Die Varianten der Speicheldrüsenkarzinome sind in Abschnitt Maligne Speicheldrüsentumore separat aufgelistet.

Adenokarzinom vom intestinalen TypZum Teil Assoziation mit Staubexposition in der Holzindustrie, in diesen Fällen meist Männer betroffen und meist lokalisiert im Sinus ethmoidalis. Bei Fällen ohne Staubexposition meist Frauen mit Lokalisation im maxillären Antrum. Sie gelten als aggressive Karzinome mit Rezidivneigung und Tendenz zu Lymphknoten- und Fernmetastasen.

Low-grade Adenokarzinom/nasopharyngeales papilläres Adeno karzinomSeltene Tumore, meist in der Nasenhöhle. Als low-grade klassifizierte Karzinome haben eine gute Prognose.

2.3.4 Maligne SpeicheldrüsentumoreSie entstehen de novo oder manchmal aus (den wesentlich häufigeren) gutartigen Speicheldrüsentumoren:

Maligner Mischtumor Entsteht fast immer aus einem pleomorphen Adenom, meist Bild eines gering differenzierten Adenokarzinoms NOS. Minimal invasive Karzinome haben eine fast ebenso exzellente Prognose wie gutartige Tumore, breit invasive jedoch sind extrem aggressiv und zeigen bei Diagnosestellung oft bereits Lymphknoten- und Fernmetastasen. Die Invasionstiefe ist prognostisch relevant, über 1,5 mm extrakapsuläre Invasion ist mit signifikant schlechterer Prognose assoziiert.

Myoepitheliales Karzinom Zu 50% Entstehung de novo, sehr variable Histologie mit meist typischem immunhistochemischen Profil, variable Prognose.

Basalzell-Adenokarzinom Low-grade Adenokarzinom meist der Parotis mit aggressiv- infiltrativem Wachstum, Nekrosenbildung, perineuraler und/oder perivaskulärer Ausbreitung.

Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie 25

Adenoid-zystische Karzinome: Nachsorge über mind. 10 Jahre

Mukoepidermoides Karzinom In vielen Serien der häufigste maligne Speicheldrüsentumor, meist der Parotis, mit typischer Histologie. Verhalten und Prognose variieren abhängig von Stadium und Tumordifferenzierung, wobei es kein international aner-kanntes Grading-Schema gibt. High-grade Tumore zeigen meist schon Fern- oder Lymphknotenmetastasen.

Azinuszellkarzinom Lokalisiert in >90% der Fälle in der Parotis, äußerst variable und varianten-reiche Histologie.

Adenoid-zystisches Karzinom Nach WHO drei Varianten (tubulär, glandulär/kribriform, solid). Langsam wachsender, breit infiltrativer Tumor mit Tendenz zu perineuraler Ausbreitung. Unter allen lokalen malignen Tumoren höchste Rezidivrate (über 70%) auch nach 10 oder mehr Jahren. In bis zu 50% Fernmetastasen, Lymph knoten-metastasen eher selten. Prognostische Faktoren sind Lokalisation, Stadium, Grad, neurale Infiltration und Radikalität der Operation.

Polymorphes low-grade AdenokarzinomZweithäufigstes enorales Speicheldrüsenkarzinom, ca. 60% der Fälle am Gaumen lokalisiert. Histologisch und zytologisch monomorpher, aber infiltrativ wachsender Tumor mit sehr guter Prognose bei radikaler Entfernung, Rezidive auch nach Jahren kommen aber nicht so selten vor und liegen dann oft sinunasal, seltener im Bereich der Orbita oder sogar intrakraniell.

Kribriformes Adenokarzinom der ZungeErst 1999 beschriebene, seltene Entität, morphologisch Ähnlichkeiten mit polymorphem low-grade Adenokarzinom oder mit papillärem Schilddrüsen-karzinom (immunhistochemisch aber immer Thyreoglobulin-negativ). Bei Diagnose stellung immer bereits Lymphknotenmetastasen beschrieben.

Epithelial-myoepitheliales KarzinomSeltener Tumor aus epithelialen und myoepithelialen Komponenten und duktaler Architektur, prognostisch als low-grade oder intermediate-grade-Karzinom einzustufen.

KlarzellkarzinomTumor der kleinen Speicheldrüsen an Gaumen, Zunge und Mundboden, bestehend aus monomorphen hellen Zellen ohne myoepitheliale Differen-zierung, mit guter Prognose.

26 Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie

SpeicheldrüsengangkarzinomKarzinom der Drüsenausführungsgänge mit einer Histologie, die dem duktalen Mammakarzinom ähnelt. Der klinische Verlauf ist abhängig vom Differenzierungsgrad und dem Stadium (intraduktal oder bereits invasiv). Mehrere histologische Varianten sind beschrieben. High-grade Karzinome gehören zu den aggressivsten Speicheldrüsenkarzinomen. Hohes Risiko der Lymphknotenmetastasierung, klinisch negative Halslymphknoten sind histologisch oft bereits befallen. Die prognostische Relevanz des her2/neu-Status ist bei diesem Karzinom noch unklar.

Sebazäres KarzinomSebazäre Drüsen kommen vor allem in der Glandula parotis vor. Die Prognose ist abhängig von Differenzierungsgrad und Ausdehnung und scheint etwas besser zu sein als bei gleichartigen Karzinomen der Haut.

Sebazäres LymphadenokarzinomExtrem seltene, publikationswürdige Entität.

ZystadenokarzinomMultizystischer Tumor mit invasiver Ausbreitung, bei niedrigem Grad und Stadium mit guter Prognose.

Muzinöses AdenokarzinomSubtypen: Kolloidkarzinom und Siegelringzellkarzinom, typische massive intra-/extrazelluläre Schleimbildung, als high-grade Tumore eingestuft.

Adenokarzinom Not Otherwise Specified (NOS)Adenokarzinome duktaler oder glandulärer Differenzierung, die keine diagnostischen Kriterien für einen anderen Adenokarzinomtyp aufweisen.

Kleinzelliges (neuroendokrines) KarzinomIn dieser Lokalisation seltener Tumor, eine Metastase eines Lungenkarzinoms ist prinzipiell klinisch auszuschließen. Die Prognose ist besser als bei gleichartigen Tumoren der Lunge.

Großzelliges (undifferenziertes) KarzinomSeltener, aggressiver, breit invasiv wachsender Tumor, der bei Diagnose-stellung oft bereits inoperabel ist. Auch hier sollte eine Metastase ausgeschlossen werden. Tritt oft zusammen mit einem anderen gutartigen oder malignen Speicheldrüsentumor auf.

Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie 27

Primäres PlattenepithelkarzinomWenn ausgehend von den Speicheldrüsen, immer ein aggressives Karzinom mit schlechter Prognose.

Lymphoepitheliales Karzinom (siehe oben)

2.3.5 Andere Malignome Olfaktorisches Neuroblastom (Ästhesioneuroblastom)Ausgehend von olfaktorischen Stammzellen der Riechschleimhaut, meist in Nasen- und Nasennebenhöhlen. Neuroendokriner Tumor mit hoher Rezidiv- und Metastasierungsneigung, auch nach über 20 Jahren, weshalb immer ein Langzeit-Follow-up angezeigt ist.Seltene maligne Tumoren des oberen aerodigestiven Trakts sind Sarkome, Lymphome und das maligne Melanom.

2.4 Häufige Lokalisation von Metastasen von Kopf-Hals-Tumoren

Häufigste Absiedlungsorte von Kopf-Hals-Tumoren sind die Lymphknoten der oberen und tiefen Halsregion, vornehmlich auf der Seite des Primär-tumors. Hauptsitz von Fernmetastasen sind die Lungen. Dieser Umstand führt zu der manchmal nicht klärbaren Frage, ob es sich bei einem epider-moid differenzierten Lungentumor um eine Metastase des bekannten Platten-epithel karzinoms des oberen aereodigestiven Systems oder um ein zweites Primum der Lunge handelt.

2.5 Bearbeitungsempfehlungen der Operationspräparate für Pathologen

Die Aufgabe des Pathologen ist es, alle für den Kliniker möglicherweise bedeutsamen Informationen über den resezierten Tumor in seinen Befund einzuschließen. Dazu gehören Angaben über den histologischen Typ, den Differenzierungsgrad, die Tumorausdehnung, die Tumordicke, das Wachs-tums muster, Vorliegen oder Fehlen von perineuraler Ausbreitung und Gefäß invasion sowie die Evaluation der Resektionsgrenzen mit Angabe des Tumorabstandes zu definierten Absetzungsrändern. Letzteres setzt voraus, dass vom Chirurgen am Operationspräparat Richtungsangaben mit Faden- oder Nadelmarkierungen klar gekennzeichnet werden. Bei Schleim hautresektaten wird die Arbeit für den Pathologen erleichtert,

28 Kopf-Halskarzinome Ätiologie und Histopathologie

wenn sie auf einer Korkplatte aufgespannt werden. Wenn Neckresektate zur Beurteilung vorliegen, müssen die Anzahl der Tumorherde bzw. der befallenen Lymphknoten, ihre Größe, ihre Lokalisation und Seite in Bezug zum Sitz des Primärtumors und Angaben zu einer allfälligen extrakapsulären Tumorausbreitung aufgelistet werden.

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 29

Das klinische Tumorstadiumwird im Tumorboard unter Berücksichtigung der klinischen und bildgebenden Untersuchungsergebnisse festgestellt

Die Orts-Bezeichnung des Tumors erfolgt nach dem Bezirk, in dem der gedachte Masseschwerpunkt des Tumors liegt

3 Tumor-Lokalisationenund Stadieneinteilungen

Die Festlegung und Dokumentation des Tumorbezirks sowie die klinische (prätherapeutische) TNM Klassifikation (cT, cN und cM Stadium) ist unerläßlich für die Auswahl und Bewertung der Therapie. Die verbindliche Festlegung des klinischen Tumorstadiums erfolgt im Rahmen einer inter-disziplinären Konferenz (Tumorboard) unter Berücksichtigung der klinischen und bildgebenden Untersuchungsergebnisse. Bestehen im Einzelfall Zweifel bezüglich der korrekten Zuordnung zu der T-, N-und M-Kategorie, soll die niedrigere, d. h. weniger fortgeschrittene Kategorie gewählt werden. Overstaging ist für den Patienten möglicherweise nachteiliger als Under-staging. Understaging führt dazu, dass eine Behandlung am Ende nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Overstaging führt dazu, dass möglicher weise wirksamere oder schonendere Therapieverfahren gar nicht erst zum Zuge kommen. Das initiale TNM-Stadium bleibt unverändert und wird nicht durch den weiteren Krankheitsverlauf beeinflusst. Das klinische TNM-Stadium wird durch das pathologische TNM-Stadium (postoperative histopatho logische Klassifikation) ergänzt, nicht ersetzt.

3.1 Tumor-Lokalisationen und T-Stadien nach UICC 2010

In Anlehnung an die UICC-Klassifikation wird die Kopf-Hals Region in folgende Bezirke eingeteilt (13;14): Lippen, Mundhöhle, Oropharynx, Naso -pharynx, Hypopharynx, supraglottischer Larynx, glottischer Larynx, Sub-glottis, Nasenhöhle/Siebbeinzellen, Kieferhöhle, Speicheldrüsen und Kopf- und Gesichtshaut. Die Orts-Bezeichnung des Tumors erfolgt nach dem Bezirk, in dem der gedachte Masseschwerpunkt des Tumors liegt. Es kann nur ein Bezirk namensgebend sein (es gibt demnach kein Oro-Hypopharynx-karzinom). Die Bezirke werden weiter aufgeschlüsselt und es werden ihnen mehr stufige Unterbezirke zugeordnet. Nach UICC gehören Schilddrüsen-karzinome zu den Kopf-Hals-Tumoren, sie werden jedoch in diesen Empfehlungen nicht abgehandelt

3.1.1 LippenHäufiger ätiologischer Faktor in dieser Lokalisation ist die Sonneneinstrahlung. Die Tumorgröße bestimmt das T Stadium. Perineurales Wachstum kann zur Ausbreitung in die Mandibula führen, weshalb diese bei Staging und Follow-up immer mituntersucht werden sollte.

30 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

Unterbezirke der Lippe

T-Stadien

Unterbezirke

1. Oberlippe, Lippenrot (C00.0)

2. Unterlippe, Lippenrot (C00.l)

3. Mundwinkel (C00.6)

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ

Tl Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung

T2 Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung

T3 Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung

T4a Lippe Tumor infiltriert durch kortikalen Knochen, den N. alveolaris inferior, in Mundhöhlenboden oder in Haut (Kinn oder Nase)

T4b Tumor infiltriert Spatium masticatorium, Processus pterygoideus oder Schädelbasis oder umschließt die A. carotis interna

3.1.2 MundhöhlePlattenepithelkarzinome der Zunge entwickeln sich meist seitlich, sind tief infitrativ und haben das höchste Metastasierungsrisiko unter allen epidermoiden Karzinomen der Mundhöhle. Wangenkarzinome können nach außen penetrieren. Im Bereich der Gingiva des Ober- und Unterkiefers können Karzinome mit entzündlich-reaktiven Schleimhautveränderungen verwechselt werden und umgekehrt. Karzinome haben bei Diagnosestellung meist einen radiologisch abzuklärenden Bezug zum Kieferknochen.

1. Mundschleimhaut a) Schleimhaut der Ober- und Unterlippe (C00.3,4) b) Wangenschleimhaut (C06.0) c) Retromolargegend (C06.2)d) Sulcus buccomandibuIaris und -maxillaris (C06.1)

2. Oberer Alveolarfortsatz und Gingiva (C03.0)

3. Unterer Alveolarfortsatz und Gingiva (C03.1)

4. Harter Gaumen (C05.0)

5. Zunge a) Zungenrücken und Zungenrand vor den Papillae vallatae (C02.0,l)

b) Zungenunterseite (C02.2)

6. Mundboden (C04)

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 31

T-Stadien

Unterbezirke

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ

Tl Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung

T2 Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung

T3 Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung

T 4a Tumor infiltriert durch kortikalen Knochen in äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und M styloglossus), Kieferhöhle oder Gesichtshaut

T4b Tumor infiltriert Spatium masticatorium, Processus pterygoideus oder Schädelbasis oder umschließt die A. carotis interna

Anmerkung: Eine nur oberflächliche Erosion des Knochens oder eines Zahnfaches durch einen Primärtumor der Gingiva berechtigt nicht zur Einordnung eines Tumor als T4.

3.1.3 OropharynxPlattenepithelkarzinome der Tonsillen neigen zu rascher Tiefeninfitration mit Ausbreitung in die Zungenbasis und die laterale Pharynxwand sowie zu Wachstum unter intakter Mukosa in Richtung Nasopharynx. Sie entwickeln sich oft multifokal aus einem ausgedehnten Carcinoma in situ. An der Zungenbasis entstandene Karzinome zeigen schon in frühen Stadien zu über 70% Lymphknotenmetastasen, eventuell auch bilateral.

1. Vorderwand (glossoepiglottische Region)

a) Zungengrund (hinter den Papillae circumvallatae)

b) Vallecula (C10.0)2. Seitenwand (C10.2) a) Tonsillen (C09.9)

b) Fossa tonsillaris (C09.0) und Gaumenbögen (C09.1)

c) Glossotonsillarfurche (C10.2)3. Hinterwand (C10.3) 1)

4. Obere Wand a) Orale Oberfläche des weichen Gaumens (C05.1)

b) Uvula (C05.2)

32 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

T-Stadien

Unterbezirke

T-Stadien

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ

T1 Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung

T2 Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung

T3 Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung

T4a Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, wie Larynx, äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und M. styloglossus), Lamina medialis des Processus pterygoideus, harten Gaumen und Unterkiefer

T4b Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, wie M. pterygoideus lateralis, Lamina lateralis des Processus pterygoideus, Schädelbasis oder umschließt die A. carotis interna

3.1.4 NasopharynxDie WHO Klassifikation unterscheidet Plattenepithelkarzinome (keratini-sierend), nicht-keratinisierende Karzinome (bei diesen differenzierte und undifferenzierte Tumore) und basaloide Plattenepithelkarzinome. Diese Tumore verlaufen klinisch ungünstiger, wenn die Symptomatik länger als ein Jahr besteht, die Histologie des Tumors eine Verhornung aufweist, die tiefen Hals lymph knoten befallen sind, Hirnnerven befallen sind und Fernmetastasen vorliegen.

1. Dach und Hinterwand: beginnt auf Höhe des Übergangs zwischen hartem und weichem Gaumen und endet an der Schädelbasis (C11.0,1)

2. Seitenwand: schließt die Rosenmüller-Grube ein (C11.2)

3. Untere Wand, entsprechend der nasalen Flache des weichen Gaumens (C11.3)

T1 Tumor auf den Nasopharynx begrenzt oder mit Ausbreitung auf den Oropharynx und/oder Nasenhöhle

T2 Tumor mit parapharyngealer Ausbreitung*

T3 Tumor infiltriert Knochenstrukturen der Schädelbasis und/oder Nasennebenhöhlen

T4 Tumor mit intrakranieller Ausbreitung und/oder Befall von Hirnnerv(en), Fossa infra temporalis, Hypopharynx, Augenhöhle, Spatium masticatorium

* Parapharyngeale Ausbreitung bedeutet die posterolaterale Infiltration jenseits der Fascia pharyngeobasilaris.

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 33

Unterbezirke

T-Stadien

3.1.5 HypopharynxHypopharynxkarzinome haben generell eine ungünstige Prognose. Submuköse Ausbreitung unter intakter Schleimhaut, frühe Neigung zu Lymph gefäßeinbrüchen und –metastasen sowie zu Fernmetastasen sind typisch. Karzinome der Postkrikoidregion sind mit Plummer-Vinson-Syndrom und Mangelernährung assoziiert. Sie neigen zur Ausbreitung nach inferior und Vorwachsen gegen Trachea und Ösophagus.

1. Pharyngoösophageale Grenze (Postkrikoidgegend) (C 13.0): Erstreckt sich von der Höhe der Aryknorpel mit Verbindungsfalten bis zum Unterrand des Ringknorpels und bildet die Vorderwand des Hypopharynx.

2. Sinus piriformis (C12.9): Erstreckt sich von der pharyngoepiglottischen Falte bis zum oberen Ende des Osophagus. Er wird seitlich vom Schildknorpel und medial von der hypopharyngealen Oberfläche der aryepiglottischen Falte (C13.1) sowie von Ary- und Ringknorpel begrenzt.

3. Hypopharynxhinterwand (C 13.2): Erstreckt sich zwischen der Höhe des oberen Randes des Zungenbeines (oder des Bodens der Vallecula) bis zur Höhe des Unterrandes des Ringknorpels und vom Apex eines Sinus piriformis zum anderen.

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

Tis Carcinoma in situ

T1 Tumor auf einen Unterbezirk des Hypopharynx begrenzt und 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung

T2 Tumor infiltriert mehr als einen Unterbezirk des Hypopharynx oder einen benachbarten Bezirk oder misst mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung, ohne Fixation des Hemilarynx

T3 Tumor misst mehr als 4 cm in größter Ausdehnung oder Tumor mit Fixation des Hemilarynx

T4a Tumor infiltriert Nachbarstrukturen, z. B. Schild-/Ringknorpel, Zungenbein, Schilddrüse, Ösophagus, zentrale Weichteile des Halses.

T 4b Tumor infiltriert prävertebrale Faszien, umschließt die A. carotis interna oder infiltriert Strukturen des Mediastinums

Anmerkung: Die zentralen Weichteile des Halses schließen die gerade Halsmuskulatur und das subkutane Fett ein.

34 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

Unterbezirke

T-Stadien

3.1.6 LarynxTraditionell werden diese Tumore – auch in der TNM Klassifikation – in Tumore der Supraglottis, Glottis und Subglottis unterteilt. Prognostisch bedeutsam sind hier die Tumorgröße, der Lymphknotenstatus, und bei Lymph knotenmetastasen das Vorhandensein einer extrakapsulären Tumor-ausbreitung. Supraglottische Larynxkarzinome neigen zu bilateraler Hals-lymph knotenmetastasierung.

SupragIottischer Larynx

a) Suprahyoidale Epiglottis einschließlich freiern Epiglottisrand, lingualer (vorderer) und laryngealer Oberfläche

b) Aryepiglottische Falte, laryngeale Oberfläche

c) Arytenoidgegend

d) Infrahyoidale Epiglottis

e) Taschenfalten

T1 Tumor auf einen Unterbezirk der Supraglottis begrenzt, mit normaler Stimmlippenbeweglichkeit

T2 Tumor infiltriert Schleimhaut von mehr als einem benachbarten Unterbezirk der Supraglottis oder Glottis oder eines Areals außerhalb der Supraglottis (z. B. Schleimhaut von Zungengrund, Vallecula, mediale Wand des Sinus piriformis), ohne Fixation des Larynx

T3 Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation, und/ oder Tumor mit Infiltration des Postkrikoidbezirks, des präepiglottischen Gewebes und/oder geringgradiger Erosion des Schildknorpels (innerer Kortex)

T4a Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich außerhalb des Kehlkopfes aus, z. B. Trachea, Weichteile des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse, Ösophagus

T4b Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale Strukturen oder umschließt die A. carotis interna

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 35

Unterbezirke

T-Stadien

T-Stadien

Glottischer Larynx

a) Stimmlippen

b) Vordere Kommissur

c) Hintere Kommssur

T1 Tumor auf Stimmlippe(n) begrenzt (kann auch vordere oder hintere Kommissur befallen), mit normaler Beweglichkeit

T1a Tumor auf eine Stimmlippe begrenzt

T1b Tumorbefall beider Stimmlippen

T2 Tumor breitet sich auf Supraglottis und/oder Subglottis aus und/oder Tumor mit eingeschränkter Stimm lippen-beweglichkeit

T3 Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation und/oder Invasion der Postkrikoidgegend und/oder des präepiglottischen Gewebes und/oder des paraglottischen Raumes mit geringgradiger Erosion des Schildknorpels (innerer Kortex)

T4a Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich außerhalb des Kehlkopfes aus, z. B. Trachea, Weichteile des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse, Ösophagus

T4b Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale Strukturen oder umschließt die A. carotis interna

Subglottis

T1 Tumor auf die Subglottis begrenzt

T2 Tumor breitet sich auf eine oder beide Stimmlippen aus, diese mit normaler oder eingeschränkter Beweglichkeit

T3 Tumor auf den Larynx begrenzt, mit Stimmlippenfixation

T4a Tumor infiltriert durch den Schildknorpel und/oder breitet sich außerhalb des Kehlkopfes aus, z. B. Trachea, Weichteile des Halses eingeschlossen äußere Muskulatur der Zunge (M. genioglossus, M. hyoglossus, M. palatoglossus und M. styloglossus), gerade Halsmuskulatur, Schilddrüse, Ösophagus

T4b Tumor infiltriert den Prävertebralraum, mediastinale Strukturen oder umschließt die A. carotis interna

36 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

Unterbezirke

T-Stadien

3.1.7 Nasenhöhle und NasennebenhöhlenÜber 50% der Tumore sind im Sinus maxillaris lokalisiert. Wegen der unspezifischen Frühsymptomatik werden viele dieser Tumore erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. In der Regel handelt es sich um verhornende epidermoide Karzinome. Die Gruppe der nicht-keratinisierenden Karzinome in dieser Region hat eine über viele Jahrzehnte kontroversielle Nomenklatur; heute noch verwendete Synonyme sind Zylinderzellkarzinom und Übergangszellkarzinom (amerikanische Literatur). Bei den Karzinomen der Siebbeinregion handelt es sich meist um Adenokarzinome.

Nasenhöhle und Siebbeinzellen

1) Nasenhöhle a) Septumb) Nasenbodenc) Laterale Wandd) Vestibulum

2) Siebbeinzellen a) rechtsb) links

T1 Tumor auf einen Unterbezirk der Nasenhöhle oder Siebbeinzellen beschränkt, mit oder ohne Arrosion des Knochens

T2 Tumor in zwei Unterbezirken eines Bezirkes oder Ausbreitung auf einen Nachbarbezirk innerhalb des Nasen-Siebbeinzellen-Areals, mit oder ohne Arrosion des Knochens

T3 Tumor breitet sich in die mediale Orbita oder den Orbitaboden aus oder in Kieferhöhle, harten Gaumen oder Lamina cribrosa

T4a Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Inhalt der vorderen Orbita, Haut von Nase oder Wange, minimale Ausbreitung in vordere Schädelgrube, Processus pterygoideus, Keilbeinhöhle oder Stirnhöhle

T4b Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Orbitaspitze, Dura, Gehirn, mittlere Schädelgrube, Hirnnerven ausgenommen den maxillären Ast des N. trigeminus V2, Nasopharynx, Clivus

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 37

T-Stadien

Unterbezirke

T-Stadien

KieferhöhleT1 Tumor auf die antrale Schleimhaut begrenzt ohne Arrosion

oder Destruktion des Knochens T2 Tumor mit Arrosion oder Destruktion des Knochens

(ausgenommen die posteriore Wand) einschließlich Ausdehnung auf harten Gaumen und/oder mittleren Nasengang

T3 Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Knochen der dorsalen Wand der Kieferhöhle, Subkutangewebe, Boden oder mediale Wand der Orbita, Fossa pterygopalatina, Sinus ethmoidalis

T4a Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Inhalt der vorderen Orbita, Wangenhaut, Processus pterygoideus, Fossa infratemporalis, Lamina cribrosa, Siebbeinzellen, Stirnhöhle

T4b Tumor infiltriert eine oder mehrere der folgenden Strukturen: Orbitaspitze, Dura, Gehirn, mittlere Schädelgrube, Hirnnerven ausgenommen den maxillären Ast des N. trigeminus V2, Nasopharynx, Clivus.

3.1.8 Speicheldrüsen

Glandula parotis (C07.9)

Glandula submandibularis (C08.0)

Glandula sublingualis (C08.1)

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

T1 Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung

T2 Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung

T3 Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung und/oder mit extraparenchymatöser Ausbreitung

T4a Tumor infiltriert Haut, Unterkiefer, äußeren Gehörgang, N. facialis

T4b Tumor infiltriert Schädelbasis, Processus pterygoideus oder umschließt A. carotis interna

Anmerkung: „Extraparenchymatöse Ausbreitung“ ist die klinische oder makro-s kopische Infiltration von Weichteilen oder Nerven, ausgenommen die unter T4a und T4b aufgelisteten. Der lediglich mikroskopische Nachweis entspricht nicht der „extraparenchymatösen Ausbreitung“ als Klassifikations kriterium.

38 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

Unterbezirke

T-Stadien

3.1.9 Kopf- und Gesichtshaut

Lippenhaut (ohne Lippenrot) (C44.0)

Augenlid (C44. 1)

Haut des äußeren Ohres (C44.2)

Andere Partien der Gesichtshaut (C44.3)

Haut von Kopf und Hals (C444)

Haut des Stamms (einschließlich Analrand und perianale Haut) (C44.5)

Haut von oberer Extremität und Schulter (C44.6)

Haut von unterer Extremität und Hüfte (C44.7) Skrotum (C63.2)

TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

T1 Tumor 2 cm oder weniger in größter Ausdehnung, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung

T2 Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 4 cm in größter Ausdehnung, ohne extraparenchymatöse Ausbreitung

T3 Tumor mehr als 4 cm in größter Ausdehnung und/oder mit extraparenchymatöser Ausbreitung

T4a Tumor infiltriert Haut, Unterkiefer, äußeren Gehörgang, N. facialis

T4b Tumor infiltriert Schädelbasis, Processus pterygoideus oder umschließt A. carotis interna

Anmerkung: „Extraparenchymatöse Ausbreitung“ ist die klinische oder makro-skopische Infiltration von Weichteilen oder Nerven, ausgenommen die unter T4a und T4b aufgelisteten. Der lediglich mikroskopische Nachweis entspricht nicht der „extraparenchymatösen Ausbreitung“ als Klassifikationskriterium.

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 39

N-Stadien außerNasenrachen und Haut

N-Stadien Nasenrachen

3.2 N-Stadien

3.2.1 N-Stadien außer Nasenrachen und HautDie regionären Lymphknoten bei Kopf-Hals-Tumoren sind die Kopf- und Halslymphknoten einschließlich der oberen mediastinalen Gruppe. Metastatischer Lymphknotenbefall in anderen Regionen wird als Fernmetastasierung kodiert. Das Stadium pN0 erfolgt nach selektiver Neck-Dissektion und histologischer Untersuchung üblicherweise von 6 oder mehr Lymphknoten oder nach radikaler oder modifiziert-radikaler Neck-Dissektion und histologischer Untersuchung üblicherweise von 10 oder mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind, aber die Zahl der üblicherweise untersuchten Lymphknoten nicht erreicht wird, soll pN0 klassifiziert werden. Wenn die Größe ein Kriterium für die pN-Klassifikation ist, werden die Metastasen, nicht die Lymphknoten gemessen.

NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Einzelner, auf der Seite des Tumors gelegener und bis zu 3 cm großer Lymphknoten

N2a Einzelner, auf der Seite des Tumors gelegener und 3-6 cm großer Lymphknoten

N2b Mehrere, auf der Seite des Tumors gelegene und bis zu 6 cm große Lymphknoten

N2c beidseitige oder auf der gegenüberliegenden Seite gelegene und bis zu 6 cm große(r) Lymphknoten

N3 Lymphknoten, die größer als 6 cm bemessen sind

In der Mittellinie gelegene Lymphknoten gelten als ipsilateral.

3.2.2 N-Stadien Nasenrachen

NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Metastase(n) in unilateralen Lymphknoten über der Supraklavikulargrube, 6 cm oder weniger in größter Ausdehnung

N2 Metastase(n) in bilateralen Lymphknoten über der Supraklavikulargrube, 6 cm oder weniger in größter Ausdehnung

N3a > 6 cm in größter Ausdehnung

N3b Ausdehnung in die Supraklavikulargrube

40 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

N-Stadien Haut

Es gibt kein Mx mehr!

3.2.3 N-Stadien Karzinome der HautRegionäre Lymphknoten für Hauttumore der Kopf-Hals-Region sind ipsilaterale präaurikuläre, submandibuläre, zervikale und supraklavikuläre Lymphknoten.

NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastase(n) in einem Lymphknoten, 3 cm oder weniger in größter Ausdehnung

N2 Metastase(n) in einem Lymphknoten, mehr als 3 cm, aber nicht mehr als 6 cm in größter Ausdehnung oder in multiplen Lymphknoten, keiner mehr als 6 cm in größter Ausdehnung

N3 Metastase(n) in einem Lymphknoten, mehr als 6 cm in größter Ausdehnung

3.3 M-Stadien

Mx wurde in der 7. Auflage der UICC-TNM-Klassifikation abgeschafft.

M0 Keine Fernmetastasierung

M1 Fernmetastasierung vorhanden

Die Kategorie M1 kann wie folgt spezifiziert werden:

PUL Lunge

OSS Knochen

HEP Leber

BRA Hirn

LYM Lymphknoten (außer regionäre Lymphknoten

MAR Knochenmark

PLE Pleura

PER Peritoneum

ADR Nebenniere

SKI Haut

OTH Andere Organe

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 41

UICC-Stadien außerNasenrachen und Haut

UICC-Stadien Nasenrachen

3.4 UICC-Stadiengruppierung

3.4.1 UICC-Stadiengruppierung außer Nasenrachen und Haut

Auf der Basis des T-, N- und M-Stadiums werden UICC-Stadien ermittelt. UICC-Stadien außer Nasenrachenkarzinom und Haut sind:

T N M

Stadium 0 Tis N0 M0

Stadium I T1 N0 M0

Stadium II T2 N0 M0

Stadium III T3 N0 M0

T1-3 N1 M0

Stadium IVA T1-3 N2 M0

T4a N0-2 M0

Stadium IVB jedes T N3 M0

T4b N0-3 M0

Stadium IVC jedes T jedes N M1

3.4.2 UICC-Stadiengruppierung Nasenrachenkarzinom

T N M

Stadium 0 Tis N0 M0

Stadium I T1 N0 M0

Stadium IIA T2a N0 M0

Stadium IIB T2b N0, N1 M0

Stadium III T1, T2a, T2bT3

N2N0, N1, N2

M0M0

Stadium IVA T4 N0, N1, N2 M0

Stadium IVB jedes T N3 M0

Stadium IVC jedes T jedes N M1

42 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

UICC-Stadien Haut

UICC-Klassifikation des R-Status

3.4.3 UICC-Stadiengruppierung Haut

T N M

Stadium 0 Tis N0 M0

Stadium I T1 N0 M0

Stadium II T2 N0 M0

Stadium III T3 N0 M0

T1-3 N1 M0

Stadium IV T1-3 N2, N3 M0

T4 Jedes N M0

jedes T jedes N M1

3.5 R-Status (Residualtumor)

Das Fehlen oder Vorhandensein von Residualtumor (Resttumor) nach Behandlung wird durch die R-Klassifikation beschrieben. Die Angabe des R-Status ist grundsätzlich nicht auf die Situation nach chirurgischer Therapie begrenzt, aber durch die Einteilung zum Teil impliziert und wird im klinischen Alltag ganz überwiegend für den Resektionsstatus nach chirurgischer Therapie verwendet. Die R-Klassifikation ist aus historischen Gründen nicht obligater Bestandteil der TNM·Klassifikation. Aufgrund ihrer prognostischen Bedeutung ist sie aber, insbesondere nach chirurgischer Therapie, unerlässlich.

RX Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden

R0 Kein Residualtumor

R1 Mikroskopischer Residualtumor

R2 Makroskopischer Residualtumor

Ob makroskopischer Residualtumor verbleibt (R2), wird vom Operateur anhand der intraoperativen Vollständigkeit der Tumorresektion bewertet und im Operationsbericht vermerkt. Ob mikroskopischer Residualtumor vorliegt, wird anhand des minimalen Abstands der Tumorgrenzen vom Resektatrand im Rahmen der histopathologischen Aufarbeitung bewertet. Grundlage hierfür sind die Standards des Royal College of Pathologists (15)

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 43

Klassifikationkleinster Abstand zwischen

Tumor und Resektatrandin sano (R0) > 5 mm*

knapp in sano (R-Status im Einzelfall zu klären)

kleinster Abstand zwischen 5 mm und 1 mm

non in sano (R1) kleinster Abstand unter 1 mm

Randbildung (R1) Tumor im Resektatrand

* Bei Laserresektionen > 3 mm

3.6 Fakultative Deskriptoren

3.6.1 Lymphgefäßinvasion

Lx Lymphgefäßinvasion kann nicht beurteilt werden

L0 Keine Lymphgefäßinvasion

L1 Lymphgefäßinvasion

3.6.2 Veneninvasion

Vx Veneninvasion kann nicht beurteilt werden

V0 Keine Veneninvasion

V1 Mikroskopische Veneninvasion

3.6.3 Perineurale Invasion (ab 2010)

PnX perineurale Invasion kann nicht beurteilt werden

Pn0 keine perineurale Invasion

Pn1 perineurale Invasion

3.7 Abgeleitete und andere Klassifikationschemata

Um eine einfachere Beschreibung der untersuchten Populationen und eine Prognose- und Risikostratifizierung zu erreichen, sind weitere vom UICC-Stadium abgeleitete Klassifikationsschemata gebräuchlich. Außerdem wird zwischen resektablen und nicht-resektablen Tumoren unterschieden. Diese Deskriptoren werden in zahlreichen Publikationen gebraucht, um die unter-suchte Population zu charakterisieren.

44 Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung

Die häufige Klassifizierung

'locally advanced' reicht von

T1N1 bis T4bN3

3.7.1 Lokal begrenzt (limited), lokoregionär fortgeschritten (advanced) und rezidiviert oder metastatisch (recurrent or metastatic)

Deutsch Englisch UICC-StadienFrühstadien Lokal begrenzt

early stage limited

I und II

lokoregionär fortgeschritten

locally advanced III bis IVb

Rezidiv oder Fernmetastase

recurrent or metastatic

Präfix r IVc

3.7.2 Klassifikation nach Prognose des AJCC Cancer Staging Manual

Prognosegruppe TNM-Merkmale

UICC-Klassifikation

Niedriges Risiko low-risk T1-2 N0 I-II

Intermediäres Risiko intermediate risk

T3 N0T1-3 N1

III

Hohes Risiko high-risk T4a N0-N1T1-T4a alle N2

IVa

Sehr hohes Risiko very high risk T4b alle Nalle T N3

IVb

ungünstige Prognose poor prognosis alle T und N M1

IVc

3.7.3 Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft deutscher Tumorregister

Gruppe Kürzel TNM-Merkmale

In situ I Tis N0 M0

Lokal L T1-3 N0

Regional R T4, alle N, M0alle T, N>0, M0

Fernmetastasen M alle T, alle N, M1

Systemerkrankung S nicht anwendbar

unbekannt X

Der Nachteil dieses Klassifikationsschlüssels ist die fehlende direkte Zuordnung zu UICC-Stadien.

Kopf-Halskarzinome Tumor-Lokalisationen und Stadieneinteilung 45

Zweitkarzinome sind im Kopf-Halsbereich häufig

3.8 Ersterkrankung, Rezidiv, Zweittumor

Ein erstmaliges Auftreten eines Kopf-Hals-Karzinoms bei einem Patienten wird als Ersterkrankung definiert. Ein erneutes Auftreten eines Karzinoms innerhalb einer 5 Jahres- Frist in einem Bereich, in dem der Patient bereits ein Karzinom hatte, wird als Rezidiv und nach den 5 Jahren als Zweittumor klassifiziert. Die Definition von Mehrfachkarzinomen im Kopf-Hals-Bereich wurde erstmals von Warren und Gates (16) aufgestellt und später modifiziert (17). Danach soll ein Zweittumor, der innerhalb einer 5-Jahresfrist entsteht, durch mindestens 2 cm nicht neoplastisch veränderte Mukosa von dem Primär tumor oder dem Resektionsrand nach Entfernung des Ersttumors ent-fernt sein. Treten die Zweittumoren gleichzeitig oder innerhalb von 6 Monaten auf, so bezeichnet man sie als synchron. Werden sie mehr als 6 Monate zeit-lich versetzt diagnostiziert, so bezeichnet man sie als metachron.

46 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Leitsymptome

Vom ersten Symptom bis zur Einleitung der Therapie

vergehen oft Monate

4 DiagnostischesVorgehen

Minimal erforderlich ist eine vollständige Anamnese mit Dokumentation der Leitsymptome, des Zeitpunkts des Beginns der Symptome, Angaben zum Alkoholkonsum (Drinks pro Tag) sowie des Nikotinkonsums (pack years) und Erfassung von Begleiterkrankungen (s. Komorbiditäten). Diagnoseweisend ist die Inspektion des oberen Aerodigestivtraktes, im Bedarfsfall mit starren oder flexiblen Optiken sowie die Palpation von Mundhöhle und Oropharynx. Bei tumorverdächtigen Veränderungen muss eine histologische Sicherung durch Biopsie herbeigeführt werden. Dies kann in Lokalanästhesie oder im Rahmen einer Untersuchung in Narkose (Panendoskopie, s.u.) erfolgen. Bildgebend ist ein CT (oder MR) mit Kontrastmittel der Primärtumorregion, von Hals und Thorax, sowie eine CT- oder ultrasonografische Untersuchung des Oberbauches erforderlich.

Symptome von Kopf-Hals-Tumoren umfassen Schmerzen im Wangen-, Zungen- oder Gaumenbereich, nicht heilende Wunden auf der Lippe oder innerhalb der Mundhöhle, Knoten oder Geschwüre auf der Lippe, innerhalb der Mundhöhle oder des Rachens, weiße oder rote Flecken am Zahnfleisch oder der Zunge, Blutungen, Schmerzen oder Taubheitsgefühl im Mund, nicht heilende Halsentzündung oder „Fremdkörpergefühl“ im Hals, Kau- oder Schluckschwierigkeiten, Kieferschwellungen (Zahnprothese passt nicht mehr oder wird unangenehm), Kieferöffnungsstörungen, Störungen der Zungenmobilität, Stimmklangveränderungen, Ohrschmerzen und meist harte, indolente Knoten am Hals.

4.1 Diagnoseverzögerung

Die Mehrzahl der Patienten mit Kopf-Halstumoren stellen sich mit prog-nostisch ungünstigem fortgeschrittenem Tumorstadium im onkologischen Referenz zentrum oder Schwerpunkt vor. Es stellt sich die Frage, ob die Zeit spanne vom ersten Auftreten krankheitstypischer Symptome bis zur Diagnose sicherung (Diagnoseverzögerung, Diagnostic delay) hierfür eine wesentliche Ursache ist und ob eine Verkürzung dieser Zeitspanne zu einem höheren Anteil von Patienten mit prognostisch günstigen frühen Tumorstadien führt. In den meisten Untersuchungen lag die Zeitspanne zwischen Auftreten erster Krankheitssymptome und der Erstvorstellung im Behandlungszentrum bei deutlich über 3 Monaten. Hinzu kommt die Zeitspanne zwischen Erstvorstellung im onkologischen Zentrum und Einleitung der definitiven Therapie, die in den meisten Untersuchungen ca. 4 Wochen beträgt. Die Datenlage über den Zusammenhang zwischen Diagnoseverzögerung und Krankheitsstadium bei Aufnahme im Zentrum/Schwerpunkt ist inkonsistent. Ein solcher Zusammenhang kann derzeit nicht belegt werden. Möglicherweise

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 47

Phaseneinteilung der Diagnoseverzögerung

Komorbiditäten

ist die Kinetik der Erkrankung für das Krankheitsstadium bei Aufnahme von größerer Bedeutung. Trotzdem gilt, dass alle Personen mit Verdacht auf einen Kopf-Halstumor unverzüglich in einem onkologischen Referenzzentrum oder Schwerpunkt vorgestellt werden sollen und im Zentrum ohne vermeidbaren Zeitverlust einer definitiven Therapie zugeführt werden müssen.

Allgemein wird die Diagnoseverzögerung in 2 Phasen geteilt: die patienten-bezogene Diagnoseverzögerung ist die Zeitspanne zwischen Erstauftreten von Krankheitssymptomen und Aufsuchen eines/r Arztes/Ärztin und die arztbezogene Diagnoseverzögerung ist die Zeitspanne zwischen Erst-konsultation eines Arztes/Ärztin und der Vorstellung im onkologischen Referenz zentrum bzw. onkologischem Schwerpunkt.

4.2 Komorbidität und Performance Status

Patienten mit Kopf-Halstumoren haben neben dem Tumorleiden häufig weitere Begleiterkrankungen (Komorbidität). Diese haben Einfluss auf die Prognose des Tumorleidens und beeinflussen die Therapieempfehlung. Im Hinblick auf die Prognose des Tumorleidens wurden mehrere Komorbiditäts-indices entwickelt. Diese beruhen teils auf detaillierten Untersuchungen zu Erkrankungen einzelner Organsysteme, teils wird zur Bewertung des allgemeinen Gesundheitszustandes ein Scorewert abgeschätzt. In mehreren Untersuchungen zeigte sich der American Association of Anesthsiologists (ASA) Score als aussagekräftiger Parameter für den Einfluss der Komorbidität auf die Prognose des Tumorleidens. Es wird empfohlen, den ASA-Score als Komorbiditätsindex zu verwenden. Als Indices für den Performance-Status sind der Karnofski-Index und der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG) Performance Status gebräuchlich. Beide Indices haben bei Kopf-Halstumoren einen geringen Aussagewert, da bei Patienten mit Kopf-Halstumoren ganz überwiegend Werte von 80%-100% (Karnofsky) bzw. 0 oder 1 (ECOG) erhoben werden.

Zusätzliche Risikofaktoren sind oft jahrelanger Nikotin- und C2H5OH Abusus, daraus resultierend Uneinsichtigkeit bezüglich der Tumorerkrankung und der daraus notwendigen Reduktion der zugeführten Noxen.

48 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Synopsis von klinischer Untersuchung und

bildgebenden Verfahren ausschlaggebend

4.3 Klinische Untersuchung

Es wird ein vollständiger fachspezifischer Untersuchungsstatus erhoben. Dies umfasst die endoskopische Untersuchung des oberen Aerodigestivtraktes mit starren oder flexiblen Optiken, wenn möglich die Palpation des tumorsuspekten Bezirkes und die palpatorische Untersuchung des Halses.

4.4 Bildgebende Verfahren

Bildgebende Verfahren dienen der Identifikation und Ausdehnungsbestimmung des Primärtumors, von lokoregionären Metastasen und von Fernmetastasen sowie der Erkennung von Rezidiven(18;19). Darüber hinaus sind sie essen-tiell für die interdisziplinäre Kommunikation sowie die Dokumentation der Tumorausdehnung, die interdisziplinäre stadiengerechte Planung und Durch-führung der Therapie und hierbei insbesondere der Operationsplanung, der Einschätzung der Prognose und für den Vergleich unterschiedlicher Therapien an vergleichbaren Patienten. Bildgebende Verfahren müssen die für das klinische Staging relevanten Fragen nach Infiltration von Haut, Muskeln, Nerven (perineurale Invasion), Gefäßen (Sinus cavernosus, Carotis communis und interna) Knochen und Schädelbasis, Knorpel, Ösophagus, Mediastinum sowie der prävertebralen Faszie beantworten. Für die Operationsplanung relevant ist unter anderem die Frage nach einer Mittellinienüberschreitung bei Zungen- und Zungengrundtumoren oder die Beteiligung von präepiglottischem Fettkörper, subglottischem Raum, Aryknorpel und vorderer Kommissur bei Larnyxkarzinomen.

Primärtumore und Halslymphknotenmetastasen können sich der klinischen Untersuchung und auch der sensitivsten Bildgebung einschließlich moderner nuklearmedizinischer Techniken entziehen. Dies rührt daher, dass es sich oft um Tumorzellnester von einigen 1000 Zellen handelt, die erst im weiteren Krankheitsverlauf proliferieren und sich klinisch manifestieren. Dies ist typisch für sogenannte okkulte Halsmetastasen. Die Ausbreitung von Tumoren der Kopf-Hals-Region erfolgt oft entlang bindegewebiger fetthaltiger Gewebs-Lamellen. Das Wachstum entlang dieser Gewebslamellen kann bild gebend detektiert werden. Die Beteiligung des Gefäß-Nervenbündels, perineurales Wachstum oder extrakapsuläres Tumorwachstum bei Lymph knoten-metastasen sind wichtige Informationen bildgebender Verfahren.

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 49

Empfehlung

Halssonographie auch für engmaschiges follow up

CT ist das Standardverfahren

Minimal erforderliche bildgebende Staginguntersuchungen umfassen eine Oberbauchsonographie und ein Röntgen-Thorax in zwei Ebenen sowie eine Halssonographie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ohne Schnittbilddiagnostik eine ev. submuköse Tumorausbreitung nicht beurteilt werden kann und insbesondere kleinere Lungenmetastasen vielfach nicht im Röntgen-Thorax erkennbar sind.

Empfohlen wird ein CT der Primärtumorregion, von Hals und Thorax sowie vom Oberbauch.

Werden bei diesen oder sensitiveren Untersuchungen keine Hinweise für lokoregionäre oder Fernmetastasen gefunden, wird cN0 bzw. cM0 kodiert.

4.4.1 HalssonographieDie Halssonographie ist ein sensitives und spezifisches diagnostisches Verfahren zur Detektion von metastasensuspekten Halslymphknoten. Es sind zahlreiche Kriterien zur Differenzierung von normalen und tumorbefallenen Lymphknoten entwickelt worden, die brauchbare Hinweise zur Dignität liefern. Die Sonographie eignet sich zudem gut zur Darstellung von Zungen- und Zungengrundtumoren. Insbesondere beim CUP-Syndrom lässt sich die Sonographie zur gezielten Biopsie oder Drahtmarkierung eines patho-logischen Halslymphknoten verwenden.

4.4.2 Computertomographie Kopf-HalsDie Computertomographie der Kopf-Halsregion mit Kontrastmittel ist die Standarduntersuchung zur Bildgebung von Kopf-Halstumoren. Weiter-führende Untersuchungen der Primärtumorregion und der loko regionären Lymphabflusswege sind nur bei besonderen Fragestellungen erforderlich. Das CT mit Kontrast bildet den Tumor weitgehend größentreu ab und lässt die Beziehungen zu wichtigen Nachbarschaftsstrukturen erkennen. Eine ausreichend sensitive und spezifische Abbildung von Halslymphknoten wird erreicht. Dabei werden folgende Einstellungen bevorzugt:

ScanbereichOs frontale oberhalb des Sinus frontalis bis oberes Mediastinum. Bei starken Zahnmetallartefakten ist die Akquisition einer 2. Schichtung mit Angulierung zur Okklusionsebene notwendig.

50 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Kernspin, wenn im CT zahlreiche Zahnartefakte

zu erwarten sind oder bei speziellen Fragen

zur Weichteilinfiltration

Scaneinstellungen120kV, 150mAs, Kollimation 32-128 x 0,5-0,6 mm, pitch 0.8-1.2, (rekonstr.) Schichtdicken axial, coronar und sagittal jeweils 2-3 mm, Rekonstruktions-intervall 2-3 mm, Kern WT (plus gegebenfalls Knochen). Rekon struktionen im Knochenkern sind obligat bei V.a. Infiltration der Schädel basis und bei NNH-Tumoren.

Kontrastmittelobligat, Konzentration ≥ 300 mgJ/ml, Volumen 100-120 ml, Injektionsrate 2-2,5 ml/sec., Startverzögerung 60-80 sec.

4.4.3 Computertomographie ThoraxBeim primären Staging wird ein CT des Thorax empfohlen, das günstiger-weise zugleich mit dem Kopf-Hals-CT durchgeführt wird. Bronchialsystem und Lungen sind eine häufige Lokalisation von simultanen Zweittumoren und Fernmetastasen. Andererseits bestehen oft unspezifische Befunde, die im Verlauf kontrolliert werden. Ungünstig ist es, wenn erst im Rahmen von Verlaufskontrollen erstmals ein Thorax-CT durchgeführt und ein Befund detektiert wird. Man kann nicht zwischen neuaufgetretenem und vorbe-stehendem Befund differenzieren, wenn primär ein weniger sensitives bild-gebendes Verfahren durchgeführt worden war.

4.4.4 KernspintomographieDie Kernspintomographie ist die bildgebende Modalität mit dem höchsten Weichteilkontrast. Kernspintomographische Untersuchungen sind unter anderem indiziert bei Unverträglichkeit von Kontrastmitteln für CT und der Abklärung von Tumorinfiltration von Muskeln, Knorpel, Knochen, Orbita und intrakraniellen Strukturen. Das MR ist als primäres bildgebendes Verfahren indiziert, wenn aufgrund des Zahnstatus im CT zahlreiche Zahnartefakte zu erwarten sind, die die Tumorregion überstrahlen. Dabei werden folgende Einstellungen empfohlen:

SpuleKopf + Halsspule, (additiv Oberflächenspulen)

UntersuchungsbereichSinus frontalis bis Jugulum (coronar), axiale Schichten adaptiert auf Lokal-befund.

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 51

PET/CT bei CUP-Syndrom oder bei unklaren radiologischen Befunden

SequenzenSTIR/TIRM: koronar, 3 mm Schichtdicke, 256-512er MatrixT1-SE: axial 3 mm Schichtdicke, 256-512er MatrixT2-TSE +/- Fatsat: axial 3mm Schichtdicke, 256-512er MatrixT1-SE nach i.v. KM (Gadolinium) mit Fatsat: axial (plus koronar bei Mund-höhlen und Larynxtumoren sowie V.a. Schädelbasisinfiltration) 3 mm Schicht-dicke, 256-512er MatrixT1-GRE/VIBE Fatsat nach i.v. KM: koronar 3 mm mit axialen und sagittalen Rekonstruktionen.MR-Angio nach i.V. KM und Time of flight Angio bei Gefäßfehlbildungen, -tumoren, Glomustumoren.

4.5 Sicherer Umgang mit CT, MR und US Kontrastmittel

Es werden die ESUR (European Society of Urogenital Radiology) Guidelines für Kontrastmittel empfohlen (siehe http://www.esur.org/ESUR_Guidelines.23.0.html)

4.6 Nuklearmedizinische Diagnostik

4.6.1 PET/CTCT und PET stellen komplementäre Untersuchungmodalitäten dar. Mit Hilfe moderner kombinierter PET/CT-Kamerasysteme ist es möglich, Tumore in einem Untersuchungsgang sowohl rein morphologisch mittels CT als auch hinsichtlich Metabolismus mit Hilfe der PET zu charakterisieren. CT- und PET-Bilder werden überlagert dargestellt und beurteilt. Je nach Anforderung kann eine vollwertige diagnostische CT mit Kontrastmittel oder lediglich eine sogenannte „low-dose“-CT durchgeführt werden, die der Abschwächungskorrektur der PET-Daten dient und nur für lokalisatorische Zwecke herangezogen werden kann. Bei HNO-Tumoren ist 18F-FDG (Fluor deoxy glucose) der Tracer der Wahl. Die meisten Tumore, wie zum Beispiel das Plattenepithelkarzinom, zeigen einen gesteigerten Glucose-meta bolismus. FDG als Glucoseanalogon wird dadurch im Gegensatz zu normalem Gewebe vermehrt in Tumorzellen angereichert. Einzelne, seltene Tumor entitäten, wie zum Beispiel das adenoidzystische Karzinom, können aber auch FDG-negativ sein und sind somit für eine FDG-PET nicht geeignet.

52 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Mit der FDG-PET ist es möglich

narbige, ametaboleVeränderungen von vitalem Tumorgewebe abzugrenzen

PrimärstagingDer Stellenwert der FDG-PET/CT in der Primärdiagnostik wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert. Es herrscht kein Konsens, ob die FDG-PET /CT prinzipiell im Primärstaging zum Einsatz kommen sollte. Sinnvoll erscheint die FDG-PET bei unklaren Befunden in der rein morphologischen-radiologischen Bildgebung. Insbesondere in der Differenzierung zwischen maligner versus reaktiver Lymphadenopathie bei morphologisch vergrößerten Lymphknoten sowie in der Charakterisierung von nicht eindeutig zuordenbaren Befunden in der radiologischen Bildgebung (z.B. unklarer Lungenrundherd) kann die PET richtungsweisend sein. Zusätzlich sei das Potential der PET als sogenannte Markerfunktion erwähnt. Mit Hilfe der PET-Information können synchrone Karzinome bzw. Fernmetastasen festgestellt werden, die in der morphologischen Bildgebung unentdeckt bleiben.

CUP-SyndromDie Abklärung eines CUP-Syndroms stellt eine klare Indikation für eine FDG-PET/CT dar. Um allerdings falsch positive Befunde durch postinterventionelle entzündliche Veränderungen zu vermeiden, sollte die PET möglichst vor einer invasiven Abklärung bzw. Durchführung von Biopsien erfolgen.

Therapiemonitoring/TherapiekontrolleFür eine Bewertung der FDG-PET/CT im Therapiemonitoring ist die Daten-lage zu wenig aufschlussreich. Beim Einsatz der FDG-PET im Abschluss-staging ist darauf zu achten, dass ein ausreichender Abstand zur durch-geführten Therapie eingehalten wird, um einerseits falsch negative Befunde bei Chemotherapie bzw. falsch positive Befund bei Radiatio infolge post-radio gener entzündlicher Veränderungen zu vermeiden (Chemotherapie: 6 Wochen nach Therapieabschluss; Strahlentherapie: 3 Monate nach Therapie abschluss).

Tumornachsorge/RezidivdiagnostikDie FDG-PET/CT wird nicht als Standarduntersuchung im follow-up empfohlen. Radiologische Methoden, insbesondere die CT sind hierfür ausreichend. Beim Rezidivverdacht und im speziellen bei inkonklusiven bildmorphologischen Befunden stellt die FDG-PET jedoch eine sinnvolle Ergänzung dar. Mit der FDG-PET ist es möglich narbige, ametabole Veränderungen von vitalem Tumorgewebe abzugrenzen. Jeder positive PET-Befund muss aber histologisch verifiziert werden, um entzündungsbedingte, falsch positive Befunde auszuschließen.

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 53

Knochenszintigraphie bei klinischem oder radiologischem Verdacht auf (seltene) ossäre Metastasierung

Panendoskopie in Vollnarkose im Regelfall erforderlich

4.6.2 Knochenszintigraphie Mittels der Knochenszintigraphie ist es möglich pathologische ossäre Prozesse darzustellen, die mit einem gesteigertem Knochenstoffwechsel einhergehen. Neben benignen Veränderungen, wie zum Beispiel Entzündungen und degenerativen Veränderungen werden damit auch osteoblastische bzw. gemischtförmige Knochenmetastasen nachgewiesen. Festzuhalten ist, dass rein osteolytische Metastasen sowie maligne Knochenmarksinfiltrationen mit dieser Methode nicht erkannt werden können. Bei HNO-Karzinomen ist der Einsatz bei lokal fortgeschrittenen Tumoren bzw. bei Tumoren mit nachgewiesenen extraossären Fernmetastasen sinnvoll, weiters in der Abklärung unklarer ossärer Herde in anderen Untersuchungsmodalitäten.

4.7 Panendoskopie in NarkoseDie Panendoskopie dient der genauen Bestimmung der Tumorausdehnung, der Sicherung der histologischen Diagnose durch Gewebsbiopsie verdächtiger Bezirke sowie dem Ausschluss von simultanen Zweittumoren (20). Bei der Panendoskopie wird die chirurgische Resektabilität des Tumors festgestellt. Sie ist deswegen in erster Linie bei Patienten indiziert, bei denen eine chirurgische Therapie in Frage kommt oder bei denen eine Biopsie gewinnung ohne Narkose nicht zumutbar ist. Bei der Panendoskopie wird in Vollnarkose (meist total intravenöse Anästhesie) die Mundhöhle, der Rachen, der Kehlkopf, der Tracheobronchialbaum und die Speiseröhre meist mit starren Rohren unter Zuhilfenahme von Optiken und/oder eines Operations mikroskops visualisiert. Nur mit starren Rohren können die Weich teile angehoben und die Schleimhaut von Mundhöhle und Rachen gestrafft werden. Dadurch können sonst in Schleimhautfalten verborgene Veränderungen detektiert werden. Bei Halslymhknotenmetastasen bei unbekanntem Primärtumor (CUP-Syndrom) werden, sofern kein Primärtumor visualisiert werden kann, Routinebiopsien aus dem Nasenrachen und dem Zungengrund gewonnen und eine Tonsillektomie durchgeführt (21). Die Visualisierung des Tracheobronchialbaumes gelingt mit starren Endo-skopen im Regelfall bis zu den Segmentbronchien und den Abgängen der Subsegmentbronchien, die Visualisierung des Ösophagus bis zur Kardia. Wesentliche Risiken umfassen das Narkoserisiko, Zahnschäden und die Perforation der Speiseröhre. Eine genaue Evaluation bezüglich der Intubierbarkeit, aber auch der Möglichkeit einer ausreichenden Masken-beatmung sollte präoperativ erfolgen, um in Übereinkunft mit dem Chirurgen einen sicheren Atemweg zu gewährleisten; bei schwierigen Verhältnissen empfiehlt sich eine fiberoptische Wachintubation. Zu den Kontra indikationen gehören die Unmöglichkeit zur orotrachealen Intubation z.B. in Folge einer

54 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Sorgfältige Palpation der Tumorregion und des Zungengrundes

Tumorzeichnung auf Formblättern

Kieferklemme oder HWS-Veränderungen. Die Möglichkeit zur Tracheotomie muss gewährleistet sein und der Patient muss hierüber aufgeklärt werden.

Die Ausdehnung eines Tumors an der Schleimhautoberfläche kann visuell während einer Panendoskopie am besten festgestellt werden. Tumore können unter der intakten Schleimhautoberfläche eine wesentlich größere Aus dehnung haben, die sich visuell nicht erschließt (submuköses Wachs-tum). Deswegen ist die manuelle oder instrumentelle Palpation des Tumors unerlässlich. Eine palpatorische Untersuchung des Zungengrundes wird in jedem Falle durchgeführt. Zur Feststellung submukösen Wachstums sowie der Tiefeninfiltration sind die Ergebnisse bildgebender Verfahren zu berück-sichtigen.

Über die Panendoskopie ist ein Operationsbericht zu erstellen. Dokumentiert werden die Schleimhautbefunde der einzelnen Bezirke und Unterbezirke des oberen Aerodigestivtraktes sowie die tatsächlichen Tumorgrenzen, also einschließlich palpatorisch erfassbarer submuköser Anteile. Diese werden zusätzlich in einer Tumorzeichnung auf geeigneten Vorlagen genau skizziert.

4.8 Sentinel-Lymphknotenbiopsie

Sentinel-Lymphknoten (SL) liegen in der initialen lymphatischen Drainage einer primären bösartigen Läsion. Die Sentinel-Lymphknotenbiopsie (SLB) dient der Detektion subklinischer Metastasen in SL beim cN0-Hals. Der Primärtumor wird mit einem Radiotracer (meist Technetium-Tc99m- Schwefel kolloid oder -Albumin-Mikrokolloid) intramukodermal umspritzt und der Abfluss des Tracers in die SL wird mit einer Gammakamera dokumentiert (Lympho szintigraphie). Am gleichen Tag verwendet der Operateur an der zuvor durch Gammaszintigraphie identifizierten Stelle eine steril überzogene hand gehaltene Gamma-Sonde, um intraoperativ transkutan die Lage der SLs zu bestätigen. Daraufhin kann der SL freigelegt und zur histopathologischen Unter suchung geschickt werden. Da die histopathologische Detektion im Schnell schnitt nicht ausreichend zuverlässig ist, erfolgt im Falle des Nach-weises von Mikrometastasen nach HE-Färbung möglichst in Seriens chnitten die kurative Behandlung des Halses in einem zweiten Schritt gesondert. SLB können bei T1 und T2 Tumoren von Gesichts- und Kopf haut, Mundhöhle und Oropharynx durchgeführt werden. Andere Kopf-Hals-Lokalisationen sind der Injektion des Radiotracers in der Regel nicht ohne Vollnarkose zugänglich. Aufgrund der Besonderheiten des zervikalen Lymphsystems gibt es am Hals meist mehrere SL und häufig einen bilateralen Abfluss, so

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 55

Sentinel-Lymphknoten-biopsie derzeit kein Standardverfahren

ca. 5% CUP-Syndrome

Beachte

dass zur vollständigen Sentinel-Entfernung meist mehrere Lymphknoten entfernt werden müssen. SL in der Nähe des Primärtumors sind aufgrund von Streustrahlung schwer zu finden. Bei Kopf-Hals Karzinomen der Primärtumorstadien > T2 ist die SLB unzuverlässig. Die Ausdehnung und das Volumen dieser Tumore machen aberrante Abflusswege wahrscheinlich. Voroperierte oder vorbestrahlte Patienten sind für die SLB nicht geeignet. Zusammengefasst sind für die SLB bei frühen oralen und oropharyngealen Plattenepithelkarzinomen derzeit 3 Indikationen anerkannt: (1) Staging des ipsilateralen Halses bei einseitigen cT1/2 cN0 Tumoren, (2) Staging des ipsi-und kontralateralen Halses bei Tumoren in der Mittellinie oder Tumoren mit Überschreiten der Mittellinie (CT1/2 cN0) und (3) Staging des kontralateralen Halses bei Tumoren in der Mittellinie oder Tumoren mit Überschreiten der Mittellinie (CT1/2 cN>0 ipsilateral)(22).

Da die selektive Halslymphknotendissektion eine nur unwesentlich höhere Morbidität als die SLB aufweist und zugleich therapeutisch wirksam ist, wird beim cN0 Hals in erster Linie die selektive Halslymphknotendissektion anstatt einer SLB empfohlen.

4.9 Abklärung bei Verdacht auf Halslymphknotenmetastase bei unbekanntem Primärtumor (CUP Syndrom)

Halslymphknotenmetastasen eines Plattenpithelkarzinoms erscheinen meist als harte indolente zervikale Knoten. Lässt sich bei einer fachgerechten klinischen Untersuchung des oberen Aerodigestivtraktes ein Suspicium für einen Primärtumor im lymphatischen Quellgebiet eines Halslymphknotens nachweisen, so folgt die histologische Sicherung ausschließlich aus dem Primär tumor-Suspicium. Ist das Primärtumor-Suspicium histologisch positiv, ist keine weitere histologische Abklärung des Halslymphknoten erforder lich, sondern man kann mit ausreichender Wahrscheinlichkeit von einer Hals-lymph knotenmetastase ausgehen. Findet sich kein Primärtumor-Suspicium, wird zur zytologischen oder histologischen Abklärung eine Feinnadelbiopsie oder eine Stanzbiospie aus dem Knoten durchgeführt. Für die Diagnostik bei CUP-Syndrom ist im Regelfall ein PET/CT vor der obligatorischen Panendo-skopie mit repräsentativen Gewebeentnahmen sinnvoll.

Eine offene Biopsie aus einer potentiellen Halslymphknotenmetastase führt wegen Tumorzellverschleppung zu einer Verschlechterung der Prognose und darf nicht erfolgen.

56 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Zahnmedizinische Diagnostik erforderlich

4.10 Zahnärztliche Diagnostik und Planung der dentalen Rehabilitation

Das Ziel der dentalen Betreuung von Patienten mit Kopf-Halstumoren ist es, orale Komplikationen zu minimieren und eine Reduktion lokaler und systemischer Infektionen während und nach der onkologischen Therapie zu erreichen. Dazu ist eine enge Kooperation zwischen den behandelnden Kliniken, den Zahnambulatorien der Krankenkassen und dem nieder-gelassenen Bereich notwendig. Die Maßnahme können in Maßnahmen prä, inter und post radiationem eingeteilt werden.

4.10.1 Maßnahmen prä radiationemObligatorisch ist die dentale Fokussuche zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens 3 Wochen vor Beginn der geplanten Strahlentherapie. Sie beinhaltet eine gründliche zahnärztliche Untersuchung, die durch radiologische Aufnahmen ergänzt wird. Eine Panoramaaufnahme (OPTG) und ein Einzelbildstatus werden empfohlen. In den Fällen, wo es durch einen intraoralen Tumor zu Komplikationen bei den Einzelzahnaufnahmen kommt (Schmerzen), sollte mindestens eine Panoramaaufnahme, Bissflügelaufnahmen und wenn möglich bei jedem Zahn mit einer apikalen Transluzenz und jedem nicht sensiblen Zahn ein Einzelbild angefertigt werden. Ziel ist das Auffinden von Zähnen die potentiell als Infektionsherd zu betrachten sind (Risikozähne). Liegen diese Zähne im oder in der Nähe des Strahlenfeldes, sollten sie präventiv entfernt werden, um als Spätkomplikation die infizierte Osteoradionekrose zu vermeiden. Aufgrund der Gefäßversorgung sind die Molaren im Unterkiefer besonders kritisch zu untersuchen. Hierfür muss das voraussichtliche Strahlenfeld zur Fokussuche bekannt sein. Damit wird eine adäquate Extraktionsplanung möglich. Diese Extraktionen müssen in einem genügend langem Zeitraum (mindestens 10-14 Tage) vor Beginn der Strahlentherapie und/oder Chemotherapie erfolgen, damit eine entsprechende Wundheilung gewährleistet werden kann. Als potentielle Foki gelten:• Alle endodontisch versorgten Zähne• Alle nicht sensiblen Zähne• Fortgeschritten parodontal geschädigte Zähne• Fortgeschritten kariös zerstörte Zähne• Teilretinierte Zähne mit Risiko zur Schlupfwinkelinfektion• Insuffizient konservierend versorgte Zähne, bei deren Restauration eine

Beteiligung der Pulpa erwartet werden kann, da dies eine Wurzelbehandlung zur Folge hätte

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 57

Desweiteren beinhaltet die Fokussuche eine umfassende zahnärztliche Untersuchung mit Sensibilitätsstatus und Kariesdiagnostik der einzelnen Zähne, Beurteilung der konservierenden und prothetischen Versorgung und Beurteilung des parodontalen Status. Insbesondere Zähne, deren konser-vierende Versorgung mehr als 50% ausmacht und die im Strahlenfeld liegen, sind kritisch zu beurteilen. Die möglichen Infektionsherde und zahnärztlichen Befunde werden interdisziplinär diskutiert und die notwendigen Maßnahmen mit dem Patienten und seinem betreuenden Zahnarzt besprochen.Vor der tumortherapeutischen Behandlung sollten folgende orale Sanierungs-maßnahmen erfolgen:• Extraktion der Risikozähne• Glätten scharfer Kanten an Zähnen, Füllungen und Zahnersatz• Notwendige konservierende Maßnahmen• Ggf. Abtragen scharfer Knochenkanten • Wenn metallische prothetische Konstruktionen oral fest auf Implantaten

verankert sind (Stegkonstruktionen), die eine hohe Ordnungszahl im Elementensystem vorweisen, müssen diese entfernt werden (z.B. Gold 79)

• Anfertigung von Schutzschienen zur Verringerung der Streustrahlung ausge hend von metallischen Füllungen in der Mundhöhle die gleichzeitig als Applikationsträger für die Fluoridierungsmaßnahmen (s.unten) einge-setzt werden können

• Orale Prophylaxe durch Fachpersonal (Prophylaxeassistentinnen):- Entfernung aller harten und weichen Beläge am Restzahnbestand- Motivation und Instruktion zu überdurchschnittlicher Mundhygiene

(Mund hygieneprotokoll)- Instruktion Anwendung Fluoridierungsschiene und Fluoridgel 1,1% zur

Kariesprophylaxe- Hilfe bei der Zubereitung der Mundspüllösung (z.B. Natriumhydrogen-

carbonat mundspüllösung)• ErnährungsberatungIn jedem Fall ist das zeitliche Fenster bis zum Beginn der Strahlentherapie zu berücksichtigen.

4.10.2 Maßnahmen intra radiationemIn der Phase der tumortherapeutischen Bestrahlung bis zirka 6 Wochen danach sollten alle zahnärztlichen und chirurgischen Behandlungen unbedingt vermieden werden, die mit einer Wundsetzung einhergehen. Jede Schädigung der Mundschleimhaut stellt eine potentielle Eintrittspforte für Infektionserreger dar, die durch prophylaktische Maßnahmen vermieden werden sollte. Die Mukositis ist direkt durch toxische Zytostatika (z.B. Fluorouracil 5-FU,

58 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Bei fortgeschrittenen UICC-Stadien ist

prätherapeutisch meist eine PEG-Anlage indiziert

Methotrexat) und indirekt durch Übelkeit, Erbrechen und Unterernährung bedingt. Zur Prophylaxe sind in diesem Zeitraum zahnhygienische Maß-nahmen und Mundspüllösungen (Natriumhydrogencarbonatlösung, Fluorid-lösungen und Caphosol zur Remineralisation) und Salbeitee geeignet. Zur Vermeidung einer Prothesendruckstelle, die als Epitheldefekt eine Bestrahlungs pause erzwingen würde, gilt unter Bestrahlung eine strenge Prothesen karenz (auch 3 Monate bis zu 6 Monaten nach dem letzten Bestrahlungs termin). Im Idealfall wird die Mundschleimhaut während der Bestrahlung einmal wöchentlich untersucht (bei Infektionen ggf. AB-Gabe, Fungo statikum). Desweiteren können folgende Maßnahmen unterstützend verfolgt werden:• Ernährungsberatung (Karenz externer Noxen wie Alkohol, Nikotin, scharfe

Speisen, stark zuckerhaltige Lebensmittel etc.)• Regelmäßiges Befeuchten der Mundhöhle• Täglicher Einsatz der Fluoridierungsschiene• Trismusprophylaxe-Mundöffnungsübungen• Stimulierung der Speichelflußrate:• Pilocarpin 5,0 mg 3/d bis 10 mg 3/d• künstlicher Speichel (Mouthkote, Xerolube, Moistir, Salivart, Sage)• Biotene Produkte Kaugummi, Zahnpasta• Akupunktur zur Stimulierung der Speichelflußrate

4.11 Erheben des Ernährungsstatus, Ernährungstherapie, Perkutane endoskopische Gastrostomie

Mangelernährung und Kachexie sind bei Patienten mit Kopf-Halstumoren häufig und unbehandelt prognostisch ungünstig. Bei Patienten mit Kopf-Halskarzinomen soll im Rahmen der Erstdiagnose und wiederholt im weiteren Krankheitsverlauf ein Screening des Ernährungszustandes erfolgen. Als Instrument wird das Hauptscreening des Nutrition Risk Screening 2002 (NRS), ergänzt um das Präalbumin als biochemischer Marker empfohlen. Der Score beinhaltet die Erhebung anthropometrischer Daten (BMI), eine Beurteilung der oralen Nahrungszufuhr, eine Wertung des Schweregrades der Erkrankung, sowie das Alter des Patienten. Das numerische Ergebnis soll dokumentiert werden. Bei Patienten mit einem Scorewert ≥ 3 im NRS-Haupt screening soll eine Ernährungstherapie durch eine Fachkraft für Diätologie eingeleitet werden. Unter onkologischer Therapie sind zumindest wöchentliche Ernährungsvisiten durchzuführen. Nachkontrollen finden im Rahmen der onkologischen Nachuntersuchungen statt und werden überdies dem Bedarf entsprechend geplant.

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 59

Diagnostischer Work Flow

60 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Stimme, Sprechen, Schlucken:

Ausführliche Diagnostik und Beratung

Eine perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) ist indiziert, wenn mit Störungen der Nahrungsaufnahme zu rechnen ist, die eine perorale Bedarfsdeckung über mehr als 14 Tage unwahrscheinlich machen. Alternativ zur endoskopisch perkutanen Gastrostomie kann eine CT-gesteuerte Gastrostomie oder eine chirurgische Gastrostomie erfolgen. Bei kurzfristiger (<14 Tage) Verhinderung der peroralen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme kommt eine nasogastrale Ernährungssonde in Betracht.

4.12 Diagnostik von Hören, Stimme, Sprechen, Schlucken

Die Kopf- und Halsregion beherbergt Strukturen wichtiger funktionaler Systeme wie des Hörens, der Stimmbildung, des Sprechens und Schluckens, die für die Integration des Patieten in seine Umgebung von großer Bedeutung sind. Zur Beurteilung ihrer Funktionalität werden folgende diagnostische Maßnahmen empfohlen: • Erhebung des ohrmikroskopischen Befunds sowie audiometrische

Abklärung des Hörvermögens, • Erhebung des Stimmstatus inklusive diagnostischer Lupenlaryngoskopie

und - wenn möglich - Endo-Stroboskopie,• Spiegeltechnische und endoskopische Beurteilung der Artikulation,• Beurteilung des Schluckvermögens (i.d. R. mittels flexibler Video-Endo -

s kopie).

4.12.1 Erstuntersuchung Der TAKO empfiehlt eine phoniatrische Konsultation unmittelbar nach Diagnose stellung bzw. nach Festlegung des Tumortherapiekonzeptes. Dazu sollte der Patient/die Patientin ggf. eine Begleitperson beiziehen. Bei der ärztlichen Erstuntersuchung kann festgestellt werden, welche Aus wirkung die Tumortherapie auf die oben genannten Strukturen und deren Funktions-ausfall haben kann. Dabei werden mögliche präventive sowie erforderliche rehabilitative Maßnahmen geplant. Der Patient/die Patientin und ggf. die Begleitperson werden darüber ausführlich informiert und über die Modalitäten der Hör-, Stimm-, Sprech- und Schluckrehabilitation nach Tumortherapie aufgeklärt. Sollte bei der Erstuntersuchung bereits eine gravierende Schluckstörung als Folge der Tumortherapiekonzeptes festgestellt werden, ist die baldige Anlage einer PEG- Sonde zu empfehlen.

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 61

4.12.2 Stimmlosigkeit und Stimmersatz Bei Tumoren im Bereich der stimmbildenden Organe strebt die Tumortherapie grundsätzlich den Stimmerhalt an. Dies ist in einigen Fällen aber nicht möglich, sodass ein partieller oder totaler Stimmverlust eintritt (Kehlkopfteilresektion oder totale Kehlkopfentfernung), der einen Ersatzsphonationsmechanismus notwendig macht. Die mögliche Ersatzphonation hängt vom Ausmaß der notwendigen Resektion und den verbleibenden Reststrukturen des Larynx und/oder der oropharyngealen Strukturen ab. Deshalb ist zur Einschätzung der Stimmrehabilitation eine phoniatrische Konsultation notwendig. Als Standardverfahren der Stimmrehabilitation bei Kehlkopflosigkeit ist derzeit der Einsatz einer Stimmprothese (Stimmventil) bei pharyngotrachealer Fistel-anlage etabliert. Da die Prothese wegen Besiedelung mit Candidaspezies und konsekutiver Undichte des Stimmventils (Stimmverschlechterung, Aspiration) nur zeitlich begrenzt benutzt werden kann, muss sie regelmäßig gewech selt werden. Die Benutzungsdauer beträgt im Mittel etwa 3 Monate, variiert jedoch zwischen wenigen Wochen und mehreren Monaten. Zusätzlich zur operativen Stimmrehabilitation mittels Shuntbildung und Stimm prothese besitzt das Erlernen der Ruktusstimme (Oesophagusersatz-stimme) als funktionelle Stimmrehabilitation nach wie vor seine Bedeutung. Bei ungenügender Stimmgebung mit der Stimmprothese ist mit der erlernten Ruktusstimme eine lautsprachige Verständigung möglich. Bei bestehenden Kontraindikationen für den Einsatz von Stimmprothesen (z.B. einer pulmonalen Grunderkrankung) ist die Ruktusstimme weiterhin eine etablierte Alternative der Stimmrehabilitation. Die Stimmrehabilitation mittels Stimmprothese und Ruktusstimme ermög licht bei den meisten Patienten eine zufriedenstellende sprachliche Kommuni-kation. Als dritte Form der Stimmrehabilitation nach totaler Kehlkopf ent-fernung steht in indizierten Fällen die elektronische Sprechhilfe zur Verfügung, die auch eine kurzfristige Verständigung ermöglicht.

4.12.3 Besonderheiten bei einzelnen Tumorlokalisationen Bei Lippenkarzinomen sind die Lippenform und möglicherweise der Mund-schluss beeinträchtigt. Eine Rehabilitation zur Verbesserung der Artikulations-fähigkeit und der Schluckfunktion ist hier je nach Ausmaß indiziert. Mundhöhlentumore haben häufig Bewegungsstörungen oder Substanz-verluste der Zunge zur Folge, die zu Behinderungen der oralen Schluck-phase und zu Artikulationsstörungen führen können. In diesen Fällen ist eine Rehabilitation zur Verbesserung der Artikulation und vor allem Schluck-funktion erforderlich.

62 Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen

Pharyngeale Tumoren können, je nach Lokalisation, zu einer Beein-trächtigung der Gaumensegelbeweglichkeit führen. Die Folgen sind Nasalität (Rhinophonia aperta), Dysphagie (nasale Penetration) und Mittel ohr-belüftungs störungen (Tubenfunktion). Auch hier sind rehabilitative Maßnahmen angezeigt. Bei Tumoren im Bereich des Hypopharynx und Larynx sind Stimm- und Schluckstörungen eine mögliche Folge, die sich mitunter bei einer notwendigen Radiochemotherapie weiter verstärken können. Eine Stimm- und insbesondere Schluckrehabilitation zur Verhinderung einer Aspiration sind hier dringend indiziert. Bei ausgeprägten Schluckstörungen kann eine lang fristige parenterale Ernährung mittels Sondennahrung nötig werden, um eine Mangelernährung zu verhindern. Hierzu ist die Anlage einer PEG- Sonde angezeigt.Die Hörrehabilitation erfolgt nach ohrmikroskopischer Befunderhebung und audiologischer Diagnostik. Die Schluck-, und Stimmrehabilitation sowie die Verbesserung der Artikulation werden nach differenzierter (endoskopischer) Diagnostik der Strukturen zur Stimmfunktion und des Schluckvermögens durchgeführt.

4.12.4 Chemotherapie/Radiochemotherapie Vor, während und nach Chemotherapie oder Radiochemotherapie mit CDDP werden wegen dessen Ototoxizität audiologische Kontrolluntersuchungen empfohlen. Bei akut auftretender Hörminderung unter CDDP Therapie ermöglicht ein Wechsel zu Carboplatin eine Verringerung der Ototoxizität. Unter Chemotherapie/Radiochemotherapie entwickelt sich oft eine Mucositis, welche die Rehabilitation erschweren kann. Bei starker Schmerzsymptomatik und/oder erheblicher Schleimhautschwellung ist es dann notwendig, die Rehabilitation kurzfristig zu unterbrechen.

4.12.5 ZusammenfassungEine Rehabilitation bei Störungen des Hörens, der Stimmbildung, des Sprechens und des Schluckens nach Tumortherapie ist indiziert, um dem Patienten eine Reintegration in seine Umgebung zu ermöglichen eine adäquate Lebensqualität zu bieten. Die Rehabilitation setzt eine phoniatrische Diagnostik zur Eruierung „funktioneller Reserven“ und Erstellung eines individuellen, mehr-dimensionalen Rehabilitationskonzepts für eine gezielte Therapie voraus. Dabei kommen neben den notwendigen medizinischen Maßnahmen zur organischen oder funktionellen Verbesserung der Stimm,-Sprech-und

Kopf-Halskarzinome Diagnostisches Vorgehen 63

Schluck funktion die logopädische Therapie, Ergotherapie, Physiotherapie sowie eine entsprechende Ernährungsberatung zum Einsatz. Während der Rehabilitation sind regelmäßige phoniatrische Kontrollen angezeigt, um optimal aufeinander abgestimmte rehabilitative Maßnahmen jederzeit im Therapieverlauf zu gewährleisten. Die Rehabilitation soll möglichst früh beginnen („Akutrehabilitation“). Es ist damit zu rechnen, dass sie - mit Unterbrechungen - über einen längeren Zeitraum hinweg durchgeführt werden muss.

64 Kopf-Halskarzinome Therapie

Therapiealgorithmus

5 Therapie

5.1 Therapiegrundsätze bei Erstdiagnose

Im Regelfall erfolgt die Therapie von Tumoren der Stadien I und II unimodal chirurgisch oder radiotherapeutisch, die der fortgeschrittenen Stadien multimodal. Dabei sind die genaue Ausdehnung des Tumors, die Histologie, seine Beziehung zu kritischen Strukturen, der zu erwartende posttherapeutische Defektzustand, der Allgemeinzustand und vor allem der Wunsch des Patienten zu berücksichtigen. Bei Resektabilität (s.u.) wird die primäre chirurgische Therapie mit oder ohne postoperative Radiotherapie empfohlen, andernfalls die primäre Radiotherapie oder Radio chemotherapie . (bei Larynxkarzinomen wird der Organerhalt durch teilablative chirurgische Verfahren oder primäre kombinierte Radiochemotherapie empfohlen). Bei

Kopf-Halskarzinome Therapie 65

Kurative chirurgische Therapie nur, wenn R0-Resektion mit großer Wahrscheinlichkeit erreichbar

prätherapeutischem Verdacht auf extra kapsuläres Lymphknotenwachstum wird eine primäre RCT und 6 Wochen nach Abschluss der Primärtherapie bei vollständigem Ansprechen des Primärtumors eine geplante Hals-lymphknotendissektion empfohlen. Bei Kopf-Halstumoren der Tumor stadien III und IV ist nach primärer chirurgischer Therapie eine postoperative Radiotherapie indiziert. Gelingt bei primärer chirurgischer Therapie keine R0-Resektion oder wenn postoperativ extra kapsuläres Lymphknotenwachstum festgestellt wird, ist eine postoperative Radio chemotherapie indiziert. 6-12 Wochen nach Abschluss der Primärtherapie soll eine Kontrolle des Remissionsstaus erfolgen. Bei Tumorpersistenz nach Abschluss der Initial-therapie ist wenn möglich eine Salvage-Chirurgie indiziert.

5.2 Chirurgische Therapie

5.2.1 Indikation zur chirurgischen Therapie – Resektabilität und Operationsrisiko

Chirurgische Verfahren können unter kurativem und palliativem Ansatz eingesetzt werden. Eine chirurgische Tumorresektion unter kurativem Ansatz ist nur indiziert, wenn der Tumor resektabel ist. Der Begriff Resek-tabilität ist nicht durch internationale oder nationale Leitlinien definiert. Unter Resektabilität wird verstanden, dass der Tumor und loko regionäre Metastasen mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem adäquaten Sicherheits-abstand bei für den Patienten vertretbarer Morbidität entfernt werden können. Adäquater Sicherheitsabstand bedeutet, dass am histo patho logischen Resektionspräparat allseits ein Abstand von 5mm zwischen Tumor rand und Resektatrand nicht unterschritten wird (R0). Es wird geschätzt, dass ca. 75% der Patienten nach R1 Resektion gegenüber 25% nach R0 Resektion ein Lokalrezidiv entwickeln. Da das Tumorpräparat durch Entnahme und Fixierung um etwa 30% schrumpft (23), muss die Resektion intraoperativ allseits mit einem chirurgischen Sicherheitsabstand von 10mm zum sichtbaren oder tastbaren Tumorrand erfolgen, um einen histopathologischen Sicherheitsabstand von 5 mm zu gewährleisten. Bei Laserresektionen kann ein etwas geringerer Resektionsabstand gewählt werden, da der Laserschnitt selbst einen Durchmesser von ca. 0,5 mm hat und sich an ihn eine ca. 0,5 mm große Verkohlungs- und Nekrosezone anschließt. Tumor freie Nachresektate haben keine vergleichbare Aussagekraft wie eine R0 Resektion, weil nicht gewährleistet ist, dass die Nachresektate an der richtigen Stelle entnommen wurden (24). Bei Resektion von Tumoren fortgeschrittener Tumorstadien sind in der Regel rekonstruktive Verfahren erforderlich, um den entstandenen Defekt zu versorgen. Eine R1-Resektion ist eine Indikation zur Nachresektion

66 Kopf-Halskarzinome Therapie

Operationsplanung in enger Abstimmung

mit dem Anästhesie-Team

oder zur postoperativen Radiotherapie (Stadium I/II) oder kombinierten Radiochemotherapie (Stadium III/IV) (9), die mit einer wesentlichen höheren Morbidität einhergeht als die adjuvante Radiotherapie nach R0 Resektion (25). In der Regel ist bei Fernmetastasierung keine primäre chirurgische Therapie von Primärtumor und lokoregionären Metastasen indiziert.

Neben der Resektabilität ist die Einschätzung des Operationsrisikos wesent-liche Entscheidungsgrundlage. Eine präoperative anästhesiologische Unter-suchung und gemeinsame perioperative Planung ist eine grundsätzliche Voraussetzung der chirurgischen Therapie von Kopf-Halstumoren.

5.2.2 Empfohlene chirurgische Verfahren unter kurativem Ansatz aufgeschlüsselt nach Tumorlokalisation

Die chirurgischen Verfahren richten nach dem T und N Stadium und werden im Folgenden tabellarisch dargestellt. Die Empfehlungen lehnen sich an die Empfehlungen des ACO-ASSO Manual der Österreichischen Gesellschaft für chirurgische Onkologie (2), die Kurzgefassten Interdisziplinären Leitlinien 2008 - Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie maligner Erkrankungen der Deutschen Krebsgesellschaft (3), die Empfehlungen für die Abklärung, Behandlung und Nachsorge von Patienten mit Karzinomen des Kopf-Hals-Bereiches der Schweizerischen Gesellschaft für Oto-Rhino-Laryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie (26) sowie die Clinical Practice Guidelines Head and Neck Cancers des National Comprehensive Cancer Network der USA (5) an. Bei den folgenden chirurgischen Therapieempfehlungen ist T4 mit T4a gleichzusetzen, da ein Tumorstadium T4b im Regelfall bedeutet, dass der Tumor nicht resektabel ist.

Kopf-Halskarzinome Therapie 67

Lippenkarzinom

Bei Primärtumoren nahe der Mittellinie oder cN2c ist die bilaterale SND und/oder mRND anzustreben. Bei cT1cN1 Tumoren kann eine ipsilaterale SND anstatt einer mRND erwogen werden. Bei Tumorstadien >T2 kann eine kontralaterale SND auch bei klinischem negativem kontralateralem Hals erwogen werden.

Mundhöhlenkarzinom

cT1 cT2 cT3 cT4acN0 Resektion Resektion +

DefektrekonstruktionResektion + Defektrekonstruktion + SND

Resektion + Defektrekonstruktion + SND

cN1 Resektion + mRND

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

cN2a/b Resektion + mRND

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

cN2c Resektion + mRND bds.

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

cN3 Resektion + RND

Resektion + Defektrekonstruktion + RND

Resektion + Defektrekonstruktion + RND

Resektion + Defektrekonstruktion + RND

cT1 cT2 cT3 cT4acN0 enorale

Resektion + SND

enorale Resektion + Defektrekonstruktion + SND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + SND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + SND

cN1 enorale Resektion + mRND

enorale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

cN2a/b enorale Resektion + mRND

enorale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

cN2c enorale Resektion + mRND bds.

enorale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

cN3 enorale Resektion + RND

enorale Resektion + Defektrekonstruktion + RND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + RND

transfaziale Resektion + Defektrekonstruktion + RND

68 Kopf-Halskarzinome Therapie

Bei Primärtumoren nahe der Mittellinie oder cN2c ist die bilaterale SND und/oder mRND anzustreben. Bei cT1cN1 Tumoren kann eine ipsilaterale SND anstatt einer mRND erwogen werden. Bei Tumorstadien >T2 kann eine kontralaterale SND auch bei klinischem negativem kontralateralem Hals erwogen werden.

Oropharynxkarzinom

Bei Primärtumoren nahe der Mittellinie oder cN2c ist die bilaterale SND und/oder mRND anzustreben. Bei cT1cN1 Tumoren kann eine ipsilaterale SND anstatt einer mRND erwogen werden. Bei Tumorstadien >T2 kann eine kontralaterale SND auch bei klinischem negativem kontralateralem Hals erwogen werden.

NasopharynxkarzinomDas Nasopharynxkarzinom stellt im Regelfall keine Indikation zur chirurgischen Therapie des Primärtumors dar. Wenn nach Abschluss der Radiotherapie der Primärtumor nicht mehr, wohl aber resektable regionäre Lymphknotenmetastasen nachweisbar sind, ist eine Neck-dissection angezeigt. Bei großen Metastasen (N3a), vor allem beim Plattenepithelkarzinom, kann in besonderen Fällen eventuell eine Neck-dissection vor der Radiotherapie durchgeführt werden.

cT1 cT2 cT3 cT4acN0 transorale

Resektion + SND

transorale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + SND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + SND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + SND

cN1 transorale Resektion + mRND

transorale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

cN2a/b transorale Resektion + mRND

transorale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND

cN2c transorale Resektion + mRND bds.

transorale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + mRND bds.

cN3 transorale Resektion + RND

transorale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + RND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + RND

transfaziale oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion + RND

Kopf-Halskarzinome Therapie 69

Hypopharynxkarzinom

a) in der Regel mit einem Operationslaserb) Hemilaryngo-Hemipharyngektomie nach Laccourreyec) Laryngektomie und (Hemi)pharyngektomie in der Regel erforderlich

Supraglottisches Karzinom

cT1 cT2 cT3 cT4acN0 transorale

Resektiona) + SND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + SND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b)

+ SND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + SND

cN1 transorale Resektion a) + mRND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND

cN2a/b transorale Resektion a) + mRND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND

cN2c transorale Resektion a) + mRND bds.

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND bds.

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND bds.

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND bds.

cN3 transorale Resektion a) + RND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + RND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + RND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + RND

cT1 cT2 cT3 cT4acN0 transorale

Resektiona) + SND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + SND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b)

+ SND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + SND

cN1 transorale Resektion a) + mRND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND

cN2a/b transorale Resektion a) + mRND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND

cN2c transorale Resektion a) + mRND bds.

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND bds.

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND bds.

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND bds.

cN3 transorale Resektion a) + RND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + RND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + RND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + RND

70 Kopf-Halskarzinome Therapie

Aufgrund der Häufigkeit bilateraler zervikaler Metastasierungen ist eine beidseitige SND und/oder mRND anzustreben.a) in der Regel mit einem Operationslaserb) supraglottische Laryngektomie oder supracricoidale Laryngektomie mit

Cricohyoidopexie (CHP), gelegentlich Laryngektomie erforderlichc) Laryngektomie und (Hemi)pharyngektomie in der Regel erforderlich

Glottisches Karzinom

a) in der Regel mit einem Operationslaserb) vertikale Hemilaryngektomie oder supracricoidale Laryngektomie mit

Cricohyoidoepiglottopexie (CHEP) c) Laryngektomie und (Hemi)pharyngektomie in der Regel erforderlich

Subglottisches KarzinomT1–4: Keine standardisierte Therapie, da der Tumor sehr selten ist. Beim operativen Vorgehen ist meist eine Laryngektomie notwendig. Selten sind Teilresektionen möglich, in der Regel ist eine bilaterale Halslymph-knotendissektion einschließlich Level VI erforderlich (paratracheale Lymph-knoten).

cT1 cT2 cT3 cT4acN0 transorale

Resektiona) + SND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + SND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b)

+ SND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + SND

cN1 transorale Resektion a) + mRND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND

cN2a/b transorale Resektion a) + mRND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND

cN2c transorale Resektion a) + mRND bds.

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND bds.

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + mRND bds.

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + mRND bds.

cN3 transorale Resektion a) + RND

transorale a) oder transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + RND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion b) + RND

transzervikale Resektion + Defektrekonstruktion c) + RND

Kopf-Halskarzinome Therapie 71

Okkulte Halsmetastasen bei cN0-Hals ließen sichhistopathologisch in 33% der Dissektionspräparate nach elektiver NDnachweisen

5.2.3 Prinzipien der chirurgischen Therapie des Halses

Klassifikation und Terminologie der HalsdissektionenDie Klassifikation und Terminologie des Committee for Head and Neck Surgery and Oncology der American Academy of Otolaryngology-Head and Neck Surgery (27;28) hat sich inter national durchgesetzt und wird für Tirol empfohlen. Demnach werden die Hals lymph knotenstationen des rechten und des linken Halses bestimmten Leveln und Unterleveln zuge-ordnet wie in neben stehender Abbildung und unten stehender Tabelle dargestellt.

Nach dem Ausmaß der Resektion werden die Halsdissektionen in vollständige Hals-dissektionen (Resektion aller Level I-V) und selektive Halsdissektionen eingeteilt, bei denen weniger als die Level I-V reseziert werden.

Nach der Indikation werden Halsdissektionen in elektive und therapeutische Halsdissektionen unterteilt. Die elektive Halsdissektion wird im Gegensatz zur therapeutischen Halsdissektion per definitionem beim cN0-Hals durchgeführt und dient der Erkennung und Entfernung okkulter Halsmetastasen. Okkulte Halsmetastasen sind weder palpatorisch noch mit modernen bildgebenden Verfahren zu detektieren und können pathohistologisch extrakapsuläres Wachstum zeigen (29). Okkulte Halsmetastasen bei cN0-Hals ließen sich histopathologisch in 33% der Dissektionspräparate nach elektiver ND nach weisen (30). Sie machen sich durch Halslymphknoten-Frührezidiv nach erfolgter Therapie bemerkbar, wenn die initial nicht detektierten metastatischen Tumorzellnester in den Halslymphknoten proliferieren und klinisch manifest werden. Durch die elektive ND oder die elektive Bestrahlung wird die Häufigkeit von Halsrezidiven reduziert (31;32).

Zur elektiven Halsdissektion gibt 2 Alternativen: Engmaschige Kontrollen und elektive Bestrahlung der zervikalen Lymphabflusswege. Zu den Ergebnissen engmaschiger Kontrollen liegen nur wenige Daten vor. Das erforderliche sehr enge Follow up ist eine Belastung für den Patienten. Möglicherweise entstehen mehr Fernmetastasen, wenn Halsmetastasen nicht rechtzeitig erkannt werden und die Heilungsrate bei fortgeschrittenem Halsrezidiv ist

72 Kopf-Halskarzinome Therapie

ungünstig. Bei Primärtumorlokalisationen mit einer Wahrscheinlichkeit für okkulte zervikale Metastasen von 25% oder mehr sollte eine elektive Hals-dissektion oder eine elektive Halsbestrahlung erfolgen. Eine elektive Hals-dissektion soll nach den Grundsätzen für selektive Halsdissektionen (s. unten) erfolgen.

Level und Unterlevel des Halses

Level Sublevel Bezeichnung GrenzenI kranial des Zungenbeins, kaudal des M. mylohyoideus, ventral

des dorsalen Randes der Glandula submandibularisIa submentale

Gruppezwischen den medialen Rändern der anterioren Bäuche des M. digastricus

Ib submandibuläre Gruppe

posterolateral zu Level Ia

II obere juguläre Gruppe

kraniokaudale Ausdehnung von der Schädelbasis bis zum Zungenbein, dorsal des Hinterrandes der Glandula Submandibularis, ventral des dorsalen Randes des M. sternocleidomastoideus

IIa der V. jugularis interna benachbart

IIb dorsal der V. jugularis interna III mittlere juguläre

Gruppekraniokaudale Ausdehnung vom Zungenbein bis zum kaudalen Rand des Ringknorpels, ventral des dorsalen Randes des M. sternocleidomastoideus

IV untere juguläre Gruppe

kraniokaudale Ausdehnung vom kaudalen Rand des Ringknorpels bis in Höhe der Schlüsselbeine, ventral einer Linie, welche den dorsalen Rand des M. sternocleidomastoideus und den posterolateralen Rand des M. scalenus anterior verbindet, lateral zur A. carotis communis

V nuchale Gruppe, hinteres

Halsdreieck

kraniokaudale Ausdehnung von der Schädelbasis bis zu den Schlüsselbeinen, dorsal einer Linie, welche den dorsalen Rand des M. sternocleidomastoideus und den posterolateralen Rand des M. scalenus anterior verbindet, anterior zum ventralen Rand des M. trapezius

Va kraniokaudale Ausdehnung von der Schädelbasis zum kaudalen Rand des Ringknorpels, dorsal zum dorsalen Rand des M. sternocleidomastoideus

Vb kraniokaudale Ausdehnung vom Ringknorpel bis zu den Schlüsselbeinen, dorsal einer Linie, welche den dorsalen Rand des M. sternocleidomastoideus und den posterolateralen Rand des M. scalenus anterior verbindet

VI anteriore cervikale Gruppe

kraniokaudale Ausdehnung vom kaudalen Rand des Zungenbeins bis zum kranialen Rand des Manubrium sterni, medial der A. carotis communis

VII obere mediastinale

Gruppe

kaudal des kranialen Randes des Manubrium sterni medial der A. carotis communis

Kopf-Halskarzinome Therapie 73

Anmerkungen

In ausgewählten Fällen kann auch bei cN1 Hals eine selektive Halsdissektion indiziert sein

Vollständige Halsdissektionen: radikale und modifiziert radikale HalsdissektionVollständige Halsdissektionen umfassen zumindest die vollständige Resektion der Fett-Lymphknotempakete der Halslevel I-V. Sie sind bei klinisch positiven Halslymphknoten (>cN0) indiziert und werden nach der Resektion der drei Halsstrukturen m. sternocleidomastoideus, v. jugularis interna und n. accessorius weiter unterteilt in:

• Radikale Halsdissektion (RND) mit Resektion aller drei genannten Strukturen

• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt von m. sternocleido-mastoideus, n. accessorius und v. jugularis interna

• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt von m. sternocleido-mastoideus und v. jugularis interna

• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt von n. accessorius und v. jugularis interna

• Modifiziert radikale Halsdissektion (MRND) mit Erhalt des n. accessorius

Welche Form der vollständigen Halsdissektion durchgeführt wird, hängt von Lokalisation, Ausdehnung und Infiltrationsverhalten der tumorbefallenen Halslymphknoten ab.

Andere theoretisch mögliche Varianten kommen selten vor, können sich aber intraoperativ ergeben

Der Begriff ‚funktionelle Halsdissektion‘ entspricht vom Resektionsausmaß der mRND mit Erhalt von m. sternocleidomastoideus, n. accessorius und v. jugularis interna, allerdings liegt hier ein besonderes von Suarez und Bocca etabliertes chirurgisches Konzept unter Berücksichtigung der Faszienräume des Halses vor.

Selektive HalsdissektionenBei der selektiven Halsdissektion werden nur bestimmte Halslymphknotenlevel reseziert. Grundlage hierfür ist die Beobachtung, dass in Abhängigkeit von der Lokalisation des Primärtumors bestimmte Halslymphknotenareale häufig, andere selten okkulte Halslymphknotenmetastasen aufweisen. Die typische Indikation für eine selektive Halsdissektion ist der cN0-Hals und der klinisch fragliche cN1 Hals. Sie hat vor allem diagnostische Bedeutung. Bestätigt sich auch histopathologisch das Fehlen von Hals-lymph knotenmetastasen, kann bei R0-Resektion eines Primärtumors <T3 auf eine postoperative Radiotherapie in der Regel verzichtet werden (33).

74 Kopf-Halskarzinome Therapie

Enge Abstimmung von Chirurgie

und Anästhesie

Erbringt die histopathologische Aufarbeitung des entnommenen Fett-Halslymphknotenpaketes eine klinisch nicht erkannte Metastasierung, ist in der Regel eine postoperative Radiotherapie indiziert.

Für Karzinome von Lippen und Mundhöhlen umfasst die selektive Halsdissektion die Level I-III, für Karzinome von Oropharynx, Hypopharynx und Larynx die Level II-IV (bei subglottischen Karzinomen und fort-geschrittenen glottischen und hypopharyngealen Tumoren einschließlich Level VI), für Hauttumoren der seitlichen und hinteren Kopfhaut die Level II-V. Bei selektiven Halsdissektionen wird die Glandula submandibularis im Gegensatz zu vollständigen Halsdissektionen in der Regel belassen. Bei mittellinienüberschreitenden oder mittelliniennahen Primärtumoren ist die bds. selektive Halsdissektion oder die Kombination von vollständiger und selektiver Halsdissektion indiziert.

Bei Mundhöhlen und Larynkarzinomen <T3 muss der Level IIB nicht in die selektive Halsdissektion inkludiert werden, da hier okkulte Metastasen selten sind und die Funktion des N. accessorius bei Dissektion des Levels IIB gefährdet ist.

5.2.4 Präoperative anästhesiologische Untersuchung und gemeinsame perioperative Planung

Die genaue präoperative Evaluation erfasst außer den üblichen Vorunter-suchungen eine Erhebung des Venenstatus sowie der zu erwartenden Intubationsschwierigkeiten. Eine gemeinsame perioperative Planung umfasst auch die Vereinbarung der Intubationsdauer sowie eine mögliche Anlage einer Tracheotomie.Eine verlängerte Intubationsdauer wird empfohlen bei • kombinierten endopharyngeotrachealen Operationen mit Eröffnung des

Halses von außen,• beidseitigen Eröffnungen des Halses im Sinne von beidseitigen Neck

Dissektionen,• ausgedehnten einseitigen Halsoperationen mit und ohne Eröffnung des

Pharyngealschlauches,• vermehrter interaoperativer Schwellung und Blutung,• Revisionen einer Nachblutung,• ausgedehnten enoralen und transoralen Resektionen, • drohenden oralen und oropharyngealen Nachblutungen und drohender

Aspiration,• Schwellungen im Bereich des Pharynx, Zungengrundes oder Larynx.

Kopf-Halskarzinome Therapie 75

Eine präliminare Tracheotomie ist häufig sinnvoll

Bei größeren tumor-chirurgischen Eingriffen wird die Anlage eines ZVK empfohlen

Nach einer vereinbarten verlängerten Intubation erfolgt vor geplanter Extubation eine neuerliche gemeinsame Inspektion des Operationsgebietes und des oberen Luftweges.

5.2.5 Indikation zur präliminaren Tracheotomie bei Kopf-Hals EingriffenBei zahlreichen onkochirurgischen Eingriffen im Kopf-Hals Bereich ist eine geplante, präliminare Tracheotomie indiziert. Vorteile einer präliminaren Tracheotomie umfassen neben Sicherheitsaspekten (Nachblutung, Schwellung, Aspiration) die schnellere Entwöhnung von der künstlichen Beatmung sowie die Möglichkeit für frühe Mobilisation und frühe Verlegung auf Normalstation. Nachteile sind die mit der präliminaren Tracheotomie verbundene Morbidität (Infektion, Pneumonie, Halsemphysem/Pneumo-thorax, Trachealstenose, Blutungen) die eingeschränkte Kommunikation, mögliche Schluckprobleme und die mögliche Notwendigkeit eines Tracheo-stoma verschlusses als Zweiteingriff.

Eine präliminare Tracheotomie sollte bei Tumoreingriffen im Rachen und Larynxbereich, bei Tumorstadien > T1, bei vorbestehenden Lungen erkran-kungen und positiver Alkoholanamnese erwogen werden.

5.2.6 Palliative chirurgische VerfahrenPalliative chirurgische Verfahren sind bei Kopf-Hals-Tumoren häufig erforder-lich. Die häufigsten Palliativeingriffe sind die Tracheotomie bei tumor-bedingter Atemnot, transorales Tumordebulking meist mit dem Operations-laser zur Verbesserung von Atmen und Schlucken sowie die transorale Glottiserweiterung zur Behebung von tumorbedingter Atemnot.

5.2.7 Empfehlung zur perioperativen Ernährung bei ausgedehnten tumorchirurgischen Eingriffen der Kopf-Halsregion

Bei längerdauerndem intravenösem Ernährungsaufbau empfiehlt sich die Anlage eines zentralvenösen Zugangs. Bei den angegebenen Präparaten handelt es sich um Beispiele, es können alternativ ähnliche zugelassene Präparate zur Ernährung eingesetzt werden.

76 Kopf-Halskarzinome Therapie

Anmerkungen: Voraussetzung: Stoffwechselstabiler Patient, 60-70 kg KG. Beginn früh enteral (12-24h), minimal enteral (10-25 ml/h), Steigerung nach VerträglichkeitFlüssigkeit: Bevorzugt enterale Zufuhr je nach BilanzMonitoring: Glukose, Triglyceride. Wasser- und fettlösliche Vitamine (Bsp.: Soluvit, Vitalipid): Bei mehrtägiger Gabe von Tag 1EE = enterale Ernährung; PE = parenterale ErnährungQuellen: AKE, DGEM (Leitlinie Enterale und Parenterale Ernährung, 2008)

Enteral/zentral-venöser Ernährungsaufbau

Enteral/peripher-venöser Ernährungsaufbau

Tag EE (Sonde) Kcal Sonde PE (peripher-venös) Kcal

Gesamt

OP1000 ml Glukose 5%, Elektrolytlösung

200

1 250 ml Isosource Standard®

20 ml/h250 1206 ml Structokabiven peri®

830kcal1030

2500 ml Isosource Standard®

40 ml/h500 1206 ml „StructoKabiven peri®

830 kcal“1330

3 750 ml Isosource Standard®

60 ml/h750 1904 ml „StructoKabiven peri®

1300 kcal“2050

Tag EE (Sonde) Kcal Sonde PE (peripher-venös) Kcal

Gesamt

OP1000 ml Glukose 5%, Elektrolytlösung

200

1 250 ml Isosource Standard®20 ml/h

25025ml/hStructokabiven EF® 1477 ml

900

2500 ml Isosource Standard®40 ml/h

50040ml/hStructoKabiven EF® 1477 ml

1480

3 750 ml Isosource Standard®60 ml/h

75050 ml/h StructoKabiven EF® 1477 ml

1950

Kopf-Halskarzinome Therapie 77

Standard ist eine CT-gestützte 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung

5.3 Radiotherapie, Radiochemotherapie und Radioimmuntherapie

Die Strahlentherapie kann als alleinige Therapieform oder adjuvant postoperativ durchgeführt werden. Die präoperative Strahlentherapie ist nicht mehr üblich, weil sich diese in zwei vergleichenden Studien bezüglich der Lokalrezidivrate (34;35) und in einer Untersuchung auch hinsichtlich des Überlebens (35) gegenüber einer postoperativen Radiotherapie unterlegen zeigte. Am häufigsten wird in der Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren die perkutane Strahlentherapie mit Energien zwischen 4 und 15 Megaelektronen-volt [MeV] mithilfe eines Linearbeschleunigers (LINAC) eingesetzt. Zur Immobilisation sind die Anfertigung einer individuellen thermoplastischen Maske, einer Fixationsschiene des Oberkiefers bzw. die Lagerung in einer Kopfschale erforderlich. Vor der RT ist eine Zahnsanierung unerlässlich.

5.3.1 RadiotherapiePrimäre konventionell fraktionierte RadiotherapieEine alleinige konventionell fraktionierte Radiotherapie kann bei Tumoren in den UICC Stadien I und II in kurativer Intention durchgeführt werden. Schlechtere Ergebnisse bringt die primäre Radiotherapie bei Muskel- Knorpel- oder Knocheninfiltration (36). Als Alternative zur primären Operation beruht die Entscheidung zur Radiotherapie auf vergleichbar guten Heilungsraten und der Möglichkeit eines guten funktionellen und ästhetischen Ergebnisses (37). Bei höheren Tumorstadien verfolgt die primäre konventionell fraktionierte Radiotherapie in der Regel eher palliative Ziel setzungen. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 70Gy, die Lymph abflusswege zwischen 50 und 60Gy.

Primäre hyperfraktionierte RadiotherapieDie hyperfraktionierte Radiotherapie ist eine Alternative zur kombinierten Radiochemotherapie oder Radioimmuntherapie, wenn diese Verfahren nicht zur Therapie geeignet sind. Bei der Hyperfraktionierung werden in der Regel zwei Bestrahlungen pro Tag mit einer jeweiligen Dosis von weniger als 2 Gy durchgeführt. Durch die Hyperfraktionierung wird die Dosisintensität erhöht. In einer Untersuchung der MARCH Gruppe (Meta-Analysis ofRadiotherapy in Carcinomas of Head and neck Collaborative Group) zeigte sich eine Überlegenheit der hyperfraktionierten Strahlentherapie bei fortgeschrittenen Tumorstadien (III und IV) gegenüber der konventionell fraktio nierten Strahlentherapie, während akzelerierte Therapieregime

78 Kopf-Halskarzinome Therapie

Brachytherapie sinnvolles therapeutisches Konzept

keine Vorteile brachten (38). Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden zweimal täglich 1,3Gy appliziert. Die Primär tumor-region erhält 70,2Gy, die Lymphabflusswege zwischen 49,4 und 59,8Gy.

BrachytherapieDie Brachytherapie ermöglicht die Verabreichung von biologisch hoch wirk-samen Dosen im unmittelbaren Tumorbereich bei gleichzeitiger Schonung des umliegenden, nicht tumorbefallenen Gewebes und führt dadurch einer-seits zur ausgezeichneten lokalen Tumorkontrolle, anderseits zu einer akzep-ta blen Nebenwirkungsrate. Neben der hohen Konformität bietet die kurze Gesamtbehandlungszeit einen zusätzlichen strahlenbiologischen Vorteil.

Die Brachytherapie kann sowohl als primär definitive Monotherapie bei Tumoren in Frühstadien (Stad. I. und II.), als auch in Kombination mit einer perkutanen Radio(Chemo)therapie zur lokalen Dosisaufsättigung (Boost) mit kurativer Intention durchgeführt werden. Sie ist auch in der Rezidiv situation nach vorangegangener Radiotherapie als Salvagetherapie oder auch als palliative Therapiemaßnahme ein wertvolles Instrument der Therapie. Voraussetzung einer erfolgreichen Behandlung sind die sorgfältige Patienten-selektion und eine enge und harmonische interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Eine Indikation zur Brachytherapie kann bei Tumoren im Nasopharynx, Oropharynx und in der Mundhöhle gestellt werden. Applikationstechniken der Brachytherapie beinhalten Methoden der interstitiellen-, endoluminalen-, endocavitären- oder Kontaktbestrahlung. Betont werden muss, dass für die im deutschen Sprachraum allgemein verwendete high-dose-rate Brachytherapie (HDR) die Datenlage deutlich spärlicher ist als für die um Jahrzehnte länger angewandte low-dose-rate Brachytherapie (LDR). Eine Alternative zu den LDR- und HDR-Verfahren bietet das pulsed-dose-rate- (PDR) Verfahren, welches die radiobiologischen und bestrahlungstechnischen Vorteile der LDR- und der HDR- Brachytherapie vereint, allerdings nur in wenigen hochspezialisierten Zentren zur Verfügung steht.

Postoperative adjuvante RadiotherapieVorteil der postoperativen Radiotherapie ist die Möglichkeit der präziseren Indikationsstellung zur Dosis der Radiotherapie aufgrund der auf patho-logisch-anatomischen Befunden begründeten Stadieneinteilung und Konstellation der individuellen Risikosituation. Strahlenbiologischen nach-teilig sind der postoperativ veränderte Gefäßstatuts und die dadurch bedingte relative Hypoxie mit reduzierter Strahlensensibilität.

Kopf-Halskarzinome Therapie 79

Postoperative Radiotherapie bei fortgeschrittenen Stadien nach R0 Resektion

In den UICC-Stadien I und II ist bei den meisten Tumorlokalisationen entweder eine alleinige Tumorresektion oder eine alleinige Radiotherapie indiziert. Die Kombination von Tumoresektion und postoperativer adjuvanter Strahlentherapie ist in der Regel in den UICC Stadien III und IV indiziert (39). Ausgenommen hiervon ist die R1 oder R2 Resektion und das extrakapsuläre Lymphknotenwachstum, bei denen eine postoperative Radio chemo therapie indiziert ist (9). Eine postoperative RT ist auch im Stadium I und II bei Lymphangiosis carcinomatosa, perineuraler Invasion und Gefäßeinbruch indiziert. Die Datenlage spricht auch bei pT1pN1 und pT2pN1 nach R0-Resektion eher dafür, eine postoperative Radiotherapie einzu leiten (40;41). Individuell zu entscheiden ist die Empfehlung bei pT3pN0 glottischem Larynxkarzinom nach Laryngektomie mit R0 Resektion. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzu-streben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 60Gy, die Lymphabflusswege 50Gy.

5.3.2 Radiochemotherapie (RCT)Die Radiotherapie kann mit einer Chemotherapie kombiniert werden. Dies kann sequentiell, alternierend oder simultan (konkomitant) erfolgen. Dabei hat sich die konkomitante RCT gegenüber den sequentiellen Formen als überlegen erwiesen (42). Die primäre kombinierte RCT ist bei fortgeschrittenen Tumorstadien (UICC III und IV) der alleinigen RT überlegen, geht allerdings mit einer erhöhten Morbidität einher. Die RCT kann primär erfolgen bei nicht-resektablen fortgeschrittenen Kopf-Halskarzinomen oder mit dem Ziel des Organerhalts bzw. des Erhalts der Organfunktion bei Pharynx- und Larynxkarzinomen. Die postoperative RCT ist indiziert bei R1-Resektion und extrakapsulärem Wachstum von Halslymphknotenmetastasen. Bei Lymphangiosis carcinomatosa, perineuraler Invasion und Gefäßeinbruch bei fortgeschrittenen Tumorstadien ist die postoperative RCT zu erwägen.

Zum Ausschluss von Kontraindikationen gegen eine Chemotherapie muss vor Beginn einer RCT eine Freigabe durch einen Hämatologen/Onkologen erfolgen.

80 Kopf-Halskarzinome Therapie

Primäre konkomitante RCT Alternative zu OP + RT bei fortgeschrittenen Stadien

Postoperative RCT nach R1-Resektion

oder extrakapsulärem Lymphknotenbefall

Primäre RCTDie primäre RCT ist bei nicht-resektablen fortgeschrittenen Kopf-Hals-karzinomen indiziert und kann mit dem Ziel des Organerhaltes bzw. der Organfunktion bei resektablen Pharynx- und Larynxkarzinomen durchgeführt werden. Für Larynx und Hypopharynxkarzinome wurden die Indikationen zum Organerhalt vom internationalen Larynx Preservation Consensus Panel beschrieben. Demnach ist der Larynxerhalt durch RCT indiziert bei Patienten mit T2 und T3 Karzinomen des Larynx oder Hypopharynx, die nicht für einen partielle Laryngektomie in Frage kommen, keine Tracheotomie, keine Schluck störung, keine Aspirationen und ein Alter unter 70 Jahren aufweisen.

In einem kürzlich erschienen Cochrane Report war die kombinierte RCT der alleinigen RT bei nicht-resektablen Mundhöhlen- und Oropharynxkarzinomen überlegen. Allein CDDP basierte RCTs waren hinsichtlich der Gesamt-mortalität der alleinigen RT bei einer OR von 0,66 (95% CI 0,57-0,77) überlegen. Zusätzlich 5-FU zu CDDP zeigte keine Verbesserung gegenüber allein CDDP basierten RCTs (OR im Vergleich zur alleinigen RT 0,71, 95% CI 0,62-0,81). Andere RCT-Kombinationen zeigten teils schlechtere Ergebnisse als die alleinige CDDP-basierte RCT (43)

Als Referenzverfahren bei nicht resektablen Tumoren oder zum Organerhalt bei resektablen Tumoren wird die kombinierte RCT mit 70 Gy und 100 mg/m2

Cisplatin an den Tagen 1, 22 und 43 angesehen. (44) Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 70Gy, die Lymphabflusswege zwischen 50 und 60Gy.

Postoperative RCT mit CDDPIn zwei unabhängigen prospektiven randomisierten Untersuchungen (EORTC #22931 und RTOG # 9501) wurde eine postoperative normofraktionierte RT mit 60-66 Gy in einem Untersuchungsarm um CDDP 100 mg/m2 an den Tagen 1, 22 und 43 ergänzt. Die Untersuchungen zeigten konsistent eine Überlegenheit der postoperativen RCT gegenüber der alleinigen RT. Der Vorteil der postoperativen RCT gegenüber der postoperativen alleinigen RT beschränkte sich auf Patienten nach R1-Resektion oder mit extrakapsulärem Lymph knoten befall. Die Kombination von normofraktionierter RT ( 60-66 Gy) mit 3 Zyklen CDDP mit 100 mg/m2 wird derzeit wegen der guten Datenlage durch diese beiden großangelegten Untersuchungen als Referenzverfahren der postoperativen RCT angesehen. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte

Kopf-Halskarzinome Therapie 81

Radioimmuntherapie Alternative zur Radiochemotherapie

Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 70Gy, die Lymphabflusswege zwischen 50 und 60Gy.

Alternative primäre und postoperative RCT mit 2 Zyklen täglicher CDDP Gabe 20 mg/m2 mit 5-FUAlternativ kann ein anderes CDDP Dosierungsschema in Kombination mit 5-FU verwendet werden. Hierbei werden 20 mg/m2 an den Tagen 1 bis 5 und 29 bis 33 in Kombination mit 5-FU als kontinuierliche Infusion über 120 Stunden mit einer Tagesdosis von 600 mg/m2 Körperoberfläche gegeben (45). Es werden 70 Gy bei primärer RCT gegeben und 60-66 Gy nach R1 Resektion bzw. extrakapsulärem Lymphknotenwachstum.

Alternative primäre und postoperative RCT mit 2 Zyklen Mitomycin C (MMC) und 5-Flurouracil (5-FU)Aufgrund der guten Verträglichkeit empfehlen wir eine kombinierte Radio-chemotherapie mit Mitomycin C 10 mg/m²/d (Absolutdosis 15 mg/d) d1 und d36 und 5-FU 1000 mg/m²/d (Absolutdosis 1500 mg/d) d1-4 und d36-39 (nur an Bestrahlungstagen). Eine erste Auswertung der HART-B-Studie (Budach et. al.) hat in der lokalen Wirksamkeit einen Vorteil für 5-FU/MMC ergeben, während 5-FU/Cisplatin eine bessere Wirkung auf Fernmetastasen zeigte.

5.3.3 RadioimmuntherapieAls Alternative zur RCT kann bei fortgeschrittenen Kopf-Halskarzinomen eine Radioimmuntherapie mit Cetuximab erfolgen. Cetuximab ist ein für die Therapie von Kopf-Halskarzinomen zugelassener monoklonaler Antikörper gegen den epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor. In einer prospektiven, randomisierten Studie war die Kombination von RCT + Cetuximab der alleinigen Radiotherapie überlegen (46;47). Es ist wie bei der RCT mit einer erhöhten Morbidität im Vergleich zur alleinigen RT zu rechnen. Cetuximab wird in einer Dosis von 400 mg/m2 an d1 gegeben (loading dose) und dann wöchentlich während der Dauer der Bestrahlung in einer Dosis von 250 mg/m2. Die Strahlenbehandlung erfolgt in Form einer CT-gestützten 3D Planung, anzustreben ist eine intensitätsmodulierte Bestrahlung. Es werden einmal täglich 2Gy appliziert. Die Primärtumorregion erhält 70Gy, die Lymphabflusswege zwischen 50 und 60Gy. Es sind anaphylaktische Reaktionen auf die Antikörpergabe möglich, die durch IgE-Antikörper gegen das Oligosccharid Galactose-alpha-1,3-Galactose auf dem Fab Fragment der schweren Kette des Antiköpers bedingt sind. Für die häufigen akneartigen Hautveränderungen existieren standardisierte Behandlungskonzepte.

82 Kopf-Halskarzinome Therapie

Lebensverlängerung bei oft guter Lebensqualität

durch Systemtherapie

5.4 Systemische Therapie

5.4.1 Palliative systemische TherapieBesteht die klinische Situation eines Lokalrezidivs ohne Möglichkeit für eine radiotherapeutische oder chirurgische Intervention bzw. liegen Fernmetastasen vor, so ist von einer palliativen Therapiesituation auszu-gehen. In dieser Konstellation ist die Sinnhaftigkeit einer palliativen systemischen Therapie zu evaluieren. Ziel einer derartigen Therapie ist primär die Linderung tumorassoziierter Symptome, damit verbunden eine Verbesserung der Lebensqualität sowie sekundär auch eine Verlängerung der Überlebenszeit. Generell wird der Einsatz palliativer Systemtherapien bei Patienten mit Plattenepithel-Karzinomen des HNO-Bereichs häufig durch das Vorliegen von schwerwiegenden Komorbiditäten, reduziertem Performance Status sowie schlechter sozialer Einbettung der Betroffenen verkompliziert. Dementsprechend sind diese Faktoren bei der Auswahl der Therapie unbedingt zu berücksichtigen.

Für Patienten mit gutem Allgemeinzustand hat sich die Kombination Cisplatin/5-FU/Cetuximab als Standard etabliert:

Cisplatin 100 mg/m2 Tag 1

5-FU 1000 mg/m2 Tag 1-4

Cetuximab 400 mg/m2 Tag 1 bzw. dann 250 mg/m2 wöchentlich

Zykluswiederholung Tag 22

Bei entsprechend guter Verträglichkeit und adäquater Wirkung (zumindest Krankheitsstabilisierung) sollte die Verabreichung von 6 Zyklen dieser Therapie angestrebt werden. Im Anschluss daran ist die Fortführung einer Cetuximab-Erhaltungstherapie bis zur Progredienz zu empfehlen. Bei Vorliegen einer Kontraindikation gegen Cisplatin (v.a. Niereninsuffizienz) kann alternativ auch Carboplatin (AUC 5) eingesetzt werden.

Ein durchaus großer Prozentsatz der Patienten kommt auf Grund oben genannter Faktoren (reduzierter Performance-Status, Komorbiditäten) nicht für eine Kombinationschemotherapie in Betracht. Für diese Situation ist kein klarer Standard definiert. Eine ganze Reihe von Zytostatika hat in Phase-II-Studien grundsätzliche biologische Aktivität bei Patienten mit Kopf-Halskarzinomen bewiesen. Alle diese Substanzen kommen somit grundsätzlich für eine palliative Monotherapie in Betracht zumal auch

Kopf-Halskarzinome Therapie 83

aussage kräftige vergleichende Studien fehlen. Die im Folgenden angeführten Therapieoptionen stellen somit eine Auswahl aus den gegebenen Möglich-keiten dar und können je nach klinischer Situation eingesetzt werden:

Platin + Cetuximab: Die Zugabe des EGFR-Antikörpers zu einer Platin-Mono-therapie erhöht die Ansprechraten, bei gleichzeitig nur geringfügig erhöhter Toxizität. Diese Therapieoption bietet sich somit in Fällen mit hoher palliativer Dringlichkeit, jedoch Kontraindikation gegen eine Triple-Kombination (Cis/5-FU/Cetuximab), an.

Docetaxel: Taxane weisen in Phase-II-Studien neben Platinderivaten die höchsten Ansprechraten auf. Ein Vorteil von Docetaxel liegt im von der Nierenfunktion unabhängigen Metabolismus.

Methotrexat (MTX): MTX galt lange Zeit als Referenzstandard. Auf Grund seiner guten Verträglichkeit stellt es eine vor allem bei älteren oder komorbiden Patienten eine Therapieoption dar. Da deutliche Tumorregressionen unter MTX jedoch selten sind gilt dies insbesondere dann, wenn eine Krankheits-stabilisierung für einen palliativen Nutzen ausreichend ist.

Cetuximab-Monotherapie: Geringe Toxizität. Moderate Ansprechraten (ca. 15%). Survival – Benefit als Monotherapie nicht durch randomisierte Studien abgesichert.

Zweitlinientherapie:Der palliative Nutzen einer Zweitlinientherapie ist nicht erwiesen und es ist kein Standardvorgehen definiert. Dennoch ist ihr Einsatz weit verbreitete klinische Praxis. Der TAKO empfiehlt in dieser Situation eine besonders strenge Risiko-Nutzen-Abwägung. Generell sollte einer Monotherapie der Vorzug gegenüber einer Kombinationstherapie gegeben werden. Zur Auswahl stehen prinzipiell jene Substanzen, die bereits im Abschnitt zur Erstlinien therapie angeführt wurden.

5.4.2 Präoperative neoadjuvante Chemotherapie bei Erstbehandlung fortgeschrittener TumorstadienZur präoperativen Chemotherapie bei Erstbehandlung fortgeschrittener Tumor stadien wurden in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Studien durch geführt. In einer Meta-Analyse ergab sich für diese Behand lungs -strategie insgesamt kein signifikanter Überlebensvorteil. Für die spezi-fische Kombination Cisplatin/5-Fluorouracil war ein solcher Benefit zwar

84 Kopf-Halskarzinome Therapie

Besonders bei organ- oder funktionserhaltenden

Konzepten ist die Feststellung des

Remissionsstatus und Einleitung weiterer

Therapiemaßnahmen bei unvollständigen

Ansprechen essentiell

detektierbar, er war jedoch numerisch deutlich geringer ausgeprägt als jener für eine konkomitante Radiochemotherapie, sodass diese das zu bevorzugende Therapieprocedere darstellt. In der Praxis für eine neoadjuvante Chemotherapie nachteilig sind des weiteren die Verzögerung der definitiven Therapie, die manchmal fehlende Bereitschaft der Betroffenen, sich nach einer präoperativen Chemotherapie noch einer definitiven Therapie zu unter ziehen und das medikolegale Problem, wenn nach präoperativer Chemo therapie im Resektionspräparat kein Tumor mehr nachweisbar ist.

5.4.3 Induktionschemotherapie vor kombinierter Radiochemotherapie bei Erstbehandlung fortgeschrittener TumorstadienOb die Sequenz aus einer taxanhaltigen Induktionschemotherapie (Docetaxel /Cisplatin/5-FU = TPF-Schema) gefolgt von einer Radiochemo- oder Radio-immun therapie einer alleinigen Radiochemo/immuntherapie überlegen ist, wird derzeit in randomisierten Studien geprüft. Bis zum Vorliegen dieser Resultate wird dieses Vorgehen als experimentell angesehen uns sollte außerhalb von Studien einzelnen, speziellen Situationen (z. Bsp. junge Patienten mit sehr gutem Allgemeinzustand und ausgeprägten Lokal-symptomen sowie Unmöglichkeit zu einem unverzüglichen Beginn der Radio-chemotherapie) vorbehalten bleiben (43;49).

5.5 Feststellung des Remissionsstatus

Bei nicht-chirurgischer Therapie ist klinisch die Einteilung nach den WHO Response-Kriterien (50) üblich und wird für Tirol auch für die Beschreibung des Remissionsstatus nach chirurgischer Therapie empfohlen:

Vollständiges Ansprechen(Complete response; CR)

Verschwinden aller bekannten Krankheitsmanifestationen

Partielles Ansprechen(Partial response; PR)

Größenabnahme aller bekannten Krankheitsmanifestationen (total tumor load) um 50% oder mehr ohne neu aufgetretene Läsionen oder Größenzunahme auch nur einer Läsion

Keine Veränderung(No change; NC)

Weder eine Größenabnahme aller Tumormanifestationen um mindestens 50% noch eine Größenzunahme von 25% oder mehr von einer oder mehreren Tumormanifestationen noch Entstehung neuer Läsionen

Progressive Erkrankung(Progressive disease; PD)

Größenzunahme von 25% oder mehr von einer oder mehreren Läsionen oder Entstehung neuer Läsionen.

Die modernere und aufwändigere Einteilung nach den RECIST-Kriterien (51) wird für klinische Studien empfohlen.

Kopf-Halskarzinome Therapie 85

Moderne Konzepte bei Rezidiv oder Fernmetastasen wirksam

Die Erfassung des Remissionsstatus soll 6-8 Wochen nach Abschluss der Therapie erfolgen und umfasst neben einer Endoskopie der ehemaligen Primärtumorregion mit histologischer Sicherung ein CT der ehemaligen Primärtumorregion, des Halses, des Thorax und des Abdomens.

5.6 Phase I Rehabilitation

Dem Rehabilitationsplan 2009 der ÖBIG Forschungs- und Planungs-gesellschaft mbH folgend wird unter Phase I Rehabilitation (Akutrehabilitation) die Frühmobilisation im Akutkrankenhaus verstanden. Diese umfasst physika lisch-therapeutische Einzelmaßnahmen, funktions orientierte physika -lische Therapie, physikalisch-medizinische Komplex behandlung und die mehrdimensionale funktionelle Stimm- und Schluckrehabilitation („phonia-trisch-logopädische Intensivtherapie“) vor allem bei Aspiration und Aphonie sowie den Einsatz weiterer Therapiebereiche (Ergotherapie, Psychotherapie, Logo pädie) in patientenbezogenen unterschiedlichen Kombinationen und bei unterschiedlichem Zeitaufwand. Für diese Phase wird zum Teil auch der Begriff „Akutrehabilitation“ verwendet. Die Phase I Rehabilitation hat in der Behandlung von Kopf-Halstumoren einen hohen Stellenwert.

5.7 Therapiegrundsätze bei Rezidiv, Tumorpersistenz oder Fern-metastasierung

Das Auftreten von lokoregionären Rezidiven oder Tumorpersistenz ist prognostisch ungünstig, unter anderem weil die Behandlungsmöglichkeiten durch vorangegangene Therapien oft eingeschränkt sind. Es gelten grund-sätz lich die gleichen therapeutischen Prinzipien wie bei der Behandlung von erstdiagnostizierten Erkrankungen. Bei chirurgischer Resektion sind wegen der schlechten lokalen Heilungsaussichten infolge vorangegangener Behandlungen im Regelfall gefäßgestielte oder freie Transplantate zur Defekt rekonstruktion erforderlich. In vielen Fällen besteht die Möglichkeit für eine Reirradiation, auch in Kombination mit einer Chemotherapie. Bei singulären oder wenigen Fernmetastasen in Lunge oder Leber bieten sich chirurgische Resektion, Radiofrequenztherapie oder extrakranielle stereo-taktische Bestrahlung als moderne Therapiemöglichkeiten an. Besteht keine Möglichkeit für chirurgische oder strahlentherapeutische Intervention, stehen palliative chemotherapeutische Verfahren im Vordergrund. Für die Grund-sätze der supportiven Therapie wird auf die diesbezügliche TAKO-Leitlinie verwiesen.

86 Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation

Empfohlene Nachsorge bei Kopf-Halstumoren, Intervalle

und Untersuchungen

6 Nachsorge undRehabilitation

6.1 Nachsorgeuntersuchungen

Tumornachsorge dient einerseits der Früherkennung von Rezidiven und Zweit tumoren. Hierzu erfolgen an jedem Nachsorgetermin routinemäßig klinische Untersuchungen und zu bestimmten Terminen (s. Abbildung) zusätz liche bildgebende Untersuchungen. Andererseits dient die Tumor-nach sorge der Behandlung von Erkrankungs- und Therapiefolgen, der Optimierung der Rehabilitation sowie der Dokumentation und Qualitäts-sicherung. In der ersten Tumornachsorgeuntersuchung wird zunächst geprüft, ob das Behandlungskonzept schon vollständig umgesetzt ist oder z.B. noch eine Behandlung von Residualtumor erforderlich ist, ob ein Tracheo stomaverschluss oder eine PEG-Entfernung ansteht und ob schon eine Anschlussheilbehandlung erfolgt ist. Außerdem werden Folgen und Komplikationen dokumentiert, die Patienten über den bisherigen Verlauf der Behandlung beraten und ein Rehabilitationsplan erstellt. Oft ist eine psycho-onkologische Behandlung erforderlich (s. Kapitel 7). Eine dritte wichtige Funktion von Nachsorgeuntersuchungen ist die optimale supportive Therapie bei inkurabler Situation.

Zu den regelmäßigen Untersuchungen im Rahmen der Tumornachsorge zählen neben der klinischen Untersuchung die Messung des Köpergewichts und die Blutentnahme für Laboruntersuchungen. Bei Lymphödem wird eine Lymph drainage, bei Schulter-Arm-Syndrom oder Einschränkung der Hals-beweg lichkeit eine Physiotherapie und bei Sprech-, Stimm-, oder Schluck -

Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation 87

störung eine logopädische Therapie eingeleitet. Wesentlich ist die sorgfältige Zahnhygiene und Trismusprophylaxe, gelegentlich ist eine Schmerz therapie erforderlich.

6.1.1 Erkennung von Rezidiven oder persistierender TumorerkrankungDie möglichst frühe Erkennung von Rezidiven der Tumorerkrankung ist eine wesentliche Aufgabe der Tumornachsorge. Sie erfolgt durch Anamnese-erhebung (neu aufgetretene Symptome, Gewichtsverlust, Verän de rungen der Schluck- oder Stimmfunktion) und klinische Untersuchung einschließ lich Untersuchung mit starren oder flexiblen Optiken und Palpation. Bei unklaren Befunden werden weiterführende bildgebende Untersuchungen oder eine Spiegelung in Narkose mit Histologiegewinnung veranlasst. Bei begründetem Verdacht auf ein Rezidiv oder Tumorpersistenz erfolgt eine Vorstellung im interdisziplinären Tumorboard.

6.1.2 ErkrankungsfolgenHäufige Folgen der Erkrankung und ihrer Behandlung umfassen • Störungen von Mundöffnung, der Kau- und Schluckfunktion, • Zahnprobleme (Karies, Parodontose und Zahnausfall, Zust. n. Kiefer(teil)

resektionen, oft ist eine aufwändige zahnärztliche und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgische Behandlung erforderlich),

• Strahlenulzera und Osteoradionekrose,• Lymphstau,• Mundtrockenheit (Xerostomie), chronische Entzündung der Mund- und

Rachenschleimhäute, Verlust des Schmecksinnes,• Gewichtsverlust, Depressionen, Schwächung und Erschöpfung in Folge

der Erkrankung und erschwerter Nahrungsaufnahme (oft PEG erforderlich), Anämie,

• Verlust der Stimme, Artikulationsstörungen und undeutliche Sprache, offenes Näseln,

• rezidivierende Atemnotzustände, bleibender Luftröhrenschnitt (Halsatmer), • Beeinträchtigungen der Kopf- und Armbeweglichkeit, Hals- Schulter-

schmerzen, Fehlstellungen von Kopf und Schulter,• ästhetische Beeinträchtigung (Verlust der oralen Kompetenz, Bartwuchs-

störungen, Narben, Hals- Asymmetrie, Lymphödem, Dermatitis)• oft bleibende Arbeitsunfähigkeit, wirtschaftliche Probleme, sozialer

Rückzug (Regression).

88 Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation

Bei den beschriebenen Folgezuständen handelt es sich um häufige und schwere Gesundheitsstörungen. Bei frühzeitiger konsequenter Behandlung kann man die Entstehung dieser Gesundheitsstörungen verhindern oder wesentlich abmildern, eine Chronifizierung vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern. Außerdem trägt eine Behandlung wesentlich dazu bei, die Selbständigkeit im Alltag und die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen.

6.1.3 LaboruntersuchungenZu den routinemäßig durchgeführten Laboruntersuchungen zählen ein kleines Blutbild, TSH, Elektrolyte und Präalbumin. Diese Untersuchungen werden im Bedarfsfall ergänzt.

6.1.4 Ernährung, Körpergewicht, LeistungsfähigkeitBei den Nachsorgeuntersuchungen soll der Ernährungszustand durch das Hauptscreening des Nutrition Risk Screening 2002 (NRS) in regelmäßigen Abständen erfolgen. Bei Werten ≥ 3 soll eine Ernährungstherapie durch Fachkräfte für Diätologie eingeleitet werden.

6.1.5 Dentale NachsorgeNach erfolgter Therapie stehen regelmäßige (alle 3 Monate) Kontrollen zur frühzeitigen Erfassung und adäquaten Therapie radiogen induzierter Komplikationen an der Bezahnung und an Kieferknochen sowie an der Mund schleimhaut im Mittelpunkt. Im speziellen zu bewältigende Störungen betreffen Bestrahlungskaries, Einbissverletzungen durch Lymphstau von Hals und Zunge, Xerostomie, Trismus und Osteoradionekrose.

In der Nachsorge sind folgende Punkte zu berücksichtigen:• Weiterführende Fluoridapplikation• Maßnahmen zur Stimulation der Speichelflußrate• Prothesenkarenz mindestens 3 bis zu 6 Monate• Wiederherstellung der Kaufunktion: wegen des reduzierten Restzahn-

bestandes, der Radioxerostomie, tumor-bedingter Kieferdefekte und der Verminderung der muskulären Balance aufgrund von Operations narben und fibrotischer Strahlenfolgen ist eine konventionelle zahnärztlich-prothetische Versorgung oft nicht möglich, wünschenswert wären Implantat-getragene Zahnersatzversorgungen

Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation 89

• Konservierende Maßnahmen können durchgeführt werden, viel wichtiger ist aber die gute Mundhygiene, ein kariesprotektives Prophylaxeprotokoll und regelmäßiger Recall zur Begutachtung der Mundhygiene.

• Eine Zahnextraktion sollte nicht vor Ablauf eines halben Jahres nach Beendigung einer Bestrahlung durchgeführt werden, falls notwendig nur unter folgenden Kautelen: perioperative, systemische antiinfektive Prophy-laxe, möglichst atraumatisch ohne Osteotomie, Alveolotomie, primär plastische Schleimhautdeckung.

• Implantate zur Haltverbesserung sollten im Unterkiefer frühestens 10 Monate nach Abschluss der Strahlentherapie eingebracht werden.

• Bei nicht heilenden Ulzera im Kieferbereich bzw. Verdacht auf Osteo-radionekrose ist eine umgehende kieferchirurgische Vorstellung indiziert.

• Dehnungsübungen der Mundöffnung zur Behandlung oder Vorbeugung der Verschlechterung einer Kieferklemme sollten gegebenenfalls täglich durchgeführt werden.

6.1.6 Sozialmedizinische Betreuung in der NachsorgeDie Diagnose eines Kopf-Halstumors hat weitreichende Folgen für die Lebenssituation der Betroffenen. Sie sind oft auch nach der stationären Entlassung auf professionelle Hilfe durch Sozialberatung angewiesen, die in die Tumornachsorge eingebunden werden soll. Die Sozialberatung unterstützt Patienten mit Kopf-Halstumoren unter anderem bei der Antrags stellung einer Anschlussheilbehandlung, bei Pensionsanträgen, Pflegegeld, Mietzinsbeihilfen, Grundsicherung, sowie Geltendmachung von sozialen Ansprüchen und Maßnahmen zur finanziellen Absicherung. Oft brauchen Betroffene Unterstützung bei Verhandlungen mit Krankenkassen, Pensionsversicherungen, Gerichten, Arbeitsämtern und weiteren Beratungs-stellen. Die sozialmedizinische Versorgung ist in ein regionales Netzwerk von Sozial- und Pflegestationen, Rehabilitationseinrichtungen, niedergelassenen Ärzten, Palliativ- und Hospizeinrichtungen eingebunden.

90 Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation

Anschlussheilbehandlung nach Therapie

fortgeschrittener Kopf-Halstumore in

spezialisierten Kliniken

6.2 Phase II Rehabilitation

Die Phase II Rehabilitation erfolgt entweder nach Phase I im Anschluss an das Akutkrankenhaus (= „Anschlussheilverfahren“ oder „Rehabilitation nach Unfall“) oder nach einer akuten Krankenbehandlung im extramuralen Bereich (= „Rehabilitationsheilverfahren“). Sie findet grundsätzlich in Einrichtungen statt, die im Sinne des § 2 (1) KAKuG als Sonderkrankenanstalten genehmigt sind, die vorwiegend der Rehabilitation dienen. Der Übergang in die stationäre Rehabilitation erfolgt bei Anschlussheilverfahren entweder unmittelbar bzw. innerhalb von zwölf Wochen im Anschluss an einen Spitalsaufenthalt oder nach einer rehabilitationsrelevanten Krankenbehandlung, jedenfalls aber erst dann, wenn eine ausreichende Stabilität der Patientin/des Patienten für die Anwendung rehabilitativer Therapie in der erforderlichen Intensität und Dauer besteht. Rehabilitationsmedizinische Maßnahmen im Ausmaß von mindestens zwei bis drei Stunden täglich sollen durchgeführt werden können.

Für die Rehabilitation der oben beschriebenen Erkrankungsfolgen kann durch eine geeignete stationäre Therapie den Gesundheitszustand dauerhaft gebessert und wiederholte stationäre Aufnahmen in Einrichtungen der Akut- und Maximalversorgung reduziert werden. Die stationäre Behandlung von Folgezuständen nach Kopf-Halstumorerkrankung in einer hierfür spezialisierten Einrichtung muss fester Bestandteil der integrativen Versorgung von Patienten mit Kopf-Halstumoren sein. Die stationäre Behand lung ist wegen der notwendigen Therapiedichte und Intensität (viele aufeinander abgestimmte Behandlungen) in einer speziell dafür eingerich-teten Klinik erforderlich.

6.2.1 Geeigneter Zeitpunkt und Dauer für Phase II RehabilitationIm Regelfall sollte die erste stationäre Behandlung der Gesundheitsstörungen nach Kopf-Halstumor ca. 6 Wochen nach Abschluss der Initialtherapie erfolgen, also unter folgenden Bedingungen:• abgeschlossene Primärbehandlung - stabile Sekundärheilung,• Wundheilung abgeschlossen,• Fistelheilung bei Stimmanbahnung abgeschlossen,• Bestrahlung seit ca. 6 Wochen beendet,• Akute Haut- und Schleimhautentzündung ausgeheilt,• Mundtrockenheit und Lymphschwellung im Kopf-Halsbereich beginnend,

aber noch nicht über Monate manifest und dadurch schwerer beeinflussbar,• Patient muss sich selbst versorgen können und aktiv am Behandlungs-

programm teilnehmen.

Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation 91

Phase II Rehabilitation von Patienten mit Kopf-Halstumoren braucht ein spezialisiertes und umfassendes, eng aufeinander abgestimmtesBehandlungsangebot mit hoher Behandlungsdichte

Die Dauer des stationären Aufenthalts wird nach medizinischen Gesichts-punkten festgelegt und beträgt im Regelfall 3 Wochen.

6.2.2 Erforderliches BehandlungsangebotFür die Phase II Rehabilitation von Patienten mit Kopf-Halstumoren braucht es ein spezialisiertes und umfassendes, eng aufeinander abgestimmtes Behandlungsangebot mit hoher Behandlungsdichte. Erforderlich sind unter anderem:• Beratung im Umgang mit der Erkrankung und deren Folgen• Stimm- und Sprachtherapie (Logopädie)• Schlucktherapie (z.B. Facial-Oral Tract Therapy)• Spezielle Ernährungsberatung für Kopf-Hals-Patienten• Hilfsmittelschulung (Kanüle, PEG-Sonde)• Atemtherapie• Lymphdrainage zur Entstauung der Kopf-Halslymphschwellung• Schmerzlinderung bei Kopf-Halslymphschwellung (z.B. Marnitztherapie)• Verbesserung der Beweglichkeit im Hals- Schulter- Oberarmbereich

(Physiotherapie)• Medikamentöse und physiotherapeutische Schmerzbehandlung• Wassertherapie für Kehlkopflose• Psychologische und psychoonkologische Betreuung• Sozialmedizinische Beratung• Mitbehandlung von Begleiterkrankungen durch Internisten, Gastro-

enterologen, Urologen und Gynäkologen.

6.3 Ambulantes Behandlungsangebot und Home-Care

Die stationären Behandlungsmöglichkeiten sollten um ein ambulantes Behand lungsangebot ergänzt werden, das auf die speziellen Bedürfnisse von Kopf-Halstumorpatienten abgestimmt ist. Schwerpunkte hierfür sind Stimm- und Sprachtherapie (Logopädie), Schlucktherapie, Spezielle Ernährungs-beratung für Kopf-Hals-Patienten, Hilfsmittelschulung, Lymphdrainage zur Entstauung der Kopf-Halslymphschwellung, Physiotherapie, Medikamentöse und physiotherapeutische Schmerzbehandlung, psychoonkologische Betreu-ung und sozialmedizinische Beratung. Eine wichtige Funktion haben die Home-Care Einrichtungen von Herstellern von Hilfsmitteln für Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren. Durch sie erfolgt eine Patientenschulung und Anleitung bei der Verwendung von Hilfsmitteln und bei der Ernährung über Sonde.

92 Kopf-Halskarzinome Nachsorge und Rehabilitation

Es wird als vorteilhaft erachtet, ambulanten Dienste und ambulantes Behandlungsangebot in ein integratives Behandlungskonzept einzubinden. Hierzu ist das vorhandene Behandlungsangebot zu sichten, die spezielle Kompetenz für die Patienten mit Kopf-Halstumoren sicherzustellen und es sind den Patienten brauchbare Empfehlungen an die Hand zu geben.

6.4 Selbsthilfegruppen

In Tirol gibt es derzeit keine Selbsthilfegruppe für Kopf-Halstumorpatienten oder Kehlkopflose und Halsatmer. Es wird vorgeschlagen, gemeinsam mit der Tiroler Krebshilfe, der Selbsthilfe Tirol - Dachverband der Tiroler Selbsthilfegruppen und -vereine im Gesundheitsbereich sowie dem Verein der Kehlkopflosen und Halsatmer Österreichs die Bildung einer Selbsthilfegruppe Kopf-Hals-Tumore oder einer Tiroler Sektion des Verein der Kehlkopflosen und Halsatmer zu unterstützen.

Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte 93

Die drei wesentlichen Aufgabenbereiche in der Psychoonkologie

7 Psychosoziale Aspekteund Psychoonkologie

7.1 Begriffsdefinition „Psychoonkologie“

Die Psychoonkologie ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, deren Ziel es ist, die verschiedenen psychosozialen Aspekte in Entstehung, Behandlung und Verlauf einer Krebserkrankung im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenalter wissenschaftlich zu untersuchen und die entsprechenden Erkenntnisse in die Versorgung und Behandlung der PatientInnen und deren Bezugspersonen umzusetzen. Die drei wesentlichen Aufgabenbereiche in der Psychoonkologie beinhalten:• Die Betreuung und Behandlung der onkologischen PatientInnen sowie die

Unterstützung der Angehörigen und Bezugspersonen.• Die Arbeit mit den onkologischen Behandlungsteams, die neben dem

interdisziplinären Austausch über die einzelnen PatientInnen vor allem in Form von psychoonkologischen Fallkonferenzen, Super- oder Intervision sowie Aus- und Fortbildungsangeboten durchgeführt wird.

• Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit psychosozialen Themen in der Onkologie.

7.2 Grundprinzipien der psychoonkologischen Versorgung

Die Psychoonkologie ist ein integraler Bestandteil der onkologischen Diagnostik, Behandlung und Nachsorge von PatientInnen mit Kopf-Halstumoren. Über entsprechende Fachgesellschaften werden in Österreich Fort- und Weiterbildungs- Curricula angeboten, um die fachliche Qualifikation sicherzustellen. Die psychoonkologische Betreuung erfolgt im interdisziplinären Ansatz, in der Zusammenarbeit mit allen an der Behandlung des Patienten/der Patientin beteiligten Berufsgruppen, also PsychologInnen, ÄrztInnen, PflegerInnen, ErnährungstherapeutInnen, LogopädInnen, PhysiotherapeutInnen, SozialarbeiterInnen, SeelsorgerInnen etc. Dies impliziert, dass eine psychoonkologische Fachkraft im jeweiligen Versorgungssetting (stationäre und ambulante Behandlung, stationäre Rehabilitation, ambulante Nachsorge) im Behandlungsteam integriert ist und in regelmäßigem Austausch mit den medizinisch Behandelnden steht. Im stationären Kontext gewährleistet die Verankerung der psychoonkologischen Betreuung im Liaisonmodell durch eine hohe personelle Konstanz, eine regelmäßige Anwesenheit zu festgelegten Zeiten, durch die Teilnahme an Visiten, interdisziplinären Fallbesprechungen sowie durch interne Fortbildungstätigkeit über psychoonkologische Fragestellungen die Integration von psychoonkologischen Interventionen und Wissen in den klinischen Alltag.

94 Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte

• Psychoonkologische Behandlungsmaßnahmen sollten in das Gesamt-konzept der onkologischen Therapie integriert werden.

• Alle PatientInnen sollen frühzeitig über Möglichkeiten psychoonkologischer Hilfestellungen informiert werden.

7.3 Psychoonkologische Versorgungskonzepte und Interventionen

Psychoonkologische Versorgung von PatientInnen mit Kopf-Halstumoren beinhaltet eine patientengerechte Information und Beratung, eine qualifizierte psychologische Diagnostik und Bedarfsfeststellung sowie eine gezielte psychoonkologische Behandlung zur Unterstützung der Bewältigung der Erkrankungs- und Behandlungsfolgen. Die Einbeziehung des sozialen Umfeldes, die Entlastung und Unterstützung der Angehörigen ist selbst-verständlicher Bestandteil psychoonkologischer Arbeit.Die Mannigfaltigkeit und Komplexität möglicher psychischer Beeinträch-tigungen bei Kopf-Halstumoren in unterschiedlichen Krankheits- und Behandlungs phasen erfordern, dass der psychosoziale Behandlungsbedarf individuell festgestellt wird und eine psychoonkologische Fachkraft bei Bedarf einbe zogen wird. Nur so kann auf die unterschiedlichen Problemlagen und Belastungen von PatientInnen adäquat eingegangen werden.

Im Kopf-Hals-Bereich lokalisierte Tumore beeinträchtigen je nach Ausdehnung die grundlegendsten menschlichen Funktionen wie das Sprechen, das Schlucken, die Nahrungsaufnahme etc. und zeigen durch Gesichts entstellungen „offensichtliche“ Auswirkungen von Krankheit und onkologischer Therapie. Der Verlust von Organen und Organfunktionen führt zu Körperbildveränderungen. Die Beeinträchtigung des eigenen Selbstwerts und die Verunsicherung im Umgang mit anderen Menschen gehören zu den höchsten Belastungen dieser PatientenInnengruppe. Soziale Belastungen entstehen häufig durch finanzielle Schwierigkeiten, unversorgte Familienangehörige – insbesondere Kinder – und nicht gesicherte Arbeitsplatzsituationen.

Themenbereiche psychoonkologischer Interventionen bei PatientInnen mit Kopf-Hals-Tumoren sind:• Angst, Depression, Trauer, Belastungserleben• Krankheitsverarbeitung, Krankheitseinstellungen• gesundheitsbezogene Lebensqualität und funktioneller Status• Körperbild• Selbstkonzept

Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte 95

• soziale Beziehungen, Kommunikation, Stigmatisierungsgefühle• Substanzmissbrauch und -abhängigkeit • Fatigue• Schmerzen• Sexualität• Behandlungscompliance und -adherence• neuropsychologische Beeinträchtigungen (Aufmerksamkeit, Gedächtnis,

Konzentrationsfähigkeit)

Psychoonkologische Interventionen sind:• am individuellen Bedarf der Patientinnen auszurichten• sollten frühestmöglich angeboten werden• validierte Messinstrumente können zur Bedarfsfeststellung hilfreich sein,

wie z.B.:- Psychoonkologische Basisdokumentation (PO-Bado)- Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)- Hornheider Screening-Instrument (HSI)- Fragebogen zur Belastung von Krebskranken (FBK)- NCCN Distress-Thermometer.

Psychoonkologische Interventionen bei Kopf-Hals-TumorpatientInnen umfassen mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung im Akutkrankenhaus, in der Rehabilitationsklinik und im weiteren Verlauf der Nachsorge oder palliativen Versorgung folgende Maßnahmen:• supportive Einzelgespräche• Krisenintervention• Patientenschulung, psychoedukative Gruppenintervention• symptomorientierte Verfahren (Entspannung, Imagination)• neuropsychologisches Training• künstlerische Therapieverfahren (Kunst-, Musik- und Tanztherapie)• Paar- und Familiengespräche, Sexualberatung• Anbahnung und Vermittlung der Nachsorge• sozialrechtliche Beratung• Sterbebegleitung

Zur Gewährleistung einer Kontinuität der psychoonkologischen Betreuung nach der stationären Behandlung sollen die PatientInnen über weiterführende ambulante und nachsorgende Angebote informiert werden (Krebsberatungsstellen, niedergelassene PsychoonkologInnen, Selbst hilfe-gruppen, Sozialberatung etc.).

96 Kopf-Halskarzinome Psychosoziale Aspekte

Es hat sich als hilfreich erwiesen, neben den klassischen Parametern auch die Lebensqualität für die Beurteilung und Planung der Diagnostik und Therapiemaßnahmen mit einzubeziehen.Für die Erfassung der Lebensqualität können neben dem ausführlichen Gespräch auch strukturierte und standardisierte Fragebögen (wie bspw. der EORTC QLQ C30 oder FACT-G) eingesetzt werden. Anhand dieser Fragebögen können die Befindlichkeit der PatientInnen in somatischen (Intensität und Häufigkeit körperlicher Symptome, funktionelle Einschränkungen), psychischen (Angst, Depression, kognitive Einschrän-kungen) und sozialen (Familienleben, Arbeit, Sexualität) Bereichen evaluiert werden. Sie sind in aufwendigen Studien hinsichtlich ihrer Messgüte (Reliabilitat, Validität und Sensitivität) überprüft worden. Mittlerweile liegen Studien zum Einsatz von Lebensqualitätsinstrumenten in der Routine-versorgung vor.

7.4 Behandlungsbedarf und Indikationsstellung in der Psycho onko-logie

PatientInnen mit Kopf-Halstumoren sind durch Diagnose, Behandlung und Nachsorge einer Vielzahl von psychosozialen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Mehrere Untersuchungen ermittelten bei 40% der PatientInnen mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich behandlungsbedürftige psychische Auffälligkeiten, u.a. depressive Störungen, Angststörungen, Fatigue, Schlafstörungen, Körperbildstörungen etc. Diese psychosozialen Belastungen sind mit einer Reihe negativer Auswirkungen verbunden, beispielsweise einer schlechteren Compliance, geringerer Behandlungszufriedenheit, einer eingeschränkten Krankheitsbewältigung und einer verminderten Lebensqualität. Unbehandelte psychische Auffälligkeiten können chronifizieren, zu länger andauernder Hospitalisierung und damit zu erhöhten Behandlungskosten führen. In Studien zu ökonomischen Auswirkungen psychoonkologischer Behandlungen finden sich klare Hinweise dafür, dass eine adäquate psychosoziale Versorgung onkologischer PatientInnen Kosteneinsparungen für das Gesundheitssystem mit sich bringt. Im Rahmen der fachlichen Anforderungen an zertifizierten onkologischen Zentren wird u.a. auch der Versorgungsbedarf bzw. die mindestens notwendige psychoonkologische Ressource mit mindestens 1 Stelle für 300 PatientInnen festgelegt.

Kopf-Halskarzinome Literatur 97

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