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SPEZIAL 1/2019 Österreichische Post AG MZ 02Z030834 M. LW Werbe- und Verlags GmbH, Ringstraße 44/1, 3500 Krems. Retouren an PF 100, 1350 Wien Komplettumbau des Wiener Energiesystems 100 PROZENT ERNEUERBAR Lebenswert und nachhaltig SMART CITY ENERGIE aus Wien für Wien

ENERGIE · 2019-05-08 · Wien gilt als eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität über-haupt. Damit das so bleibt, sind große An-strengungen notwendig – denn das stete

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Page 1: ENERGIE · 2019-05-08 · Wien gilt als eine der Städte mit der höchsten Lebensqualität über-haupt. Damit das so bleibt, sind große An-strengungen notwendig – denn das stete

SPEZIAL 1/2019

Österreichische Post AG MZ 02Z030834 M. LW Werbe- und Verlags GmbH, Ringstraße 44/1, 3500 Krems. Retouren an PF 100, 1350 Wien

Komplettumbau des Wiener Energiesystems

100 PROZENT ERNEUERBAR

Lebenswert und nachhaltig

SMART CITY

ENERGIE aus Wien für Wien

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Universum Spezial | 1-2019

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DDie Stadt Wien landet bei in-ternationalen Standort-Ran-kings regelmäßig auf Top-

Plätzen. Sei es die viel zitierte Stu-die des Beratungsunternehmens Mercer, sei es die Rangliste der

„Economist Intelligence Unit“, seien es Rankings der Europäischen Uni-on: Überall schneidet Wien in Sa-chen Lebensqualität hervorragend ab. Als Stärken Wiens gelten dabei u. a. die soziale Ausgewogenheit, die hervorragende Infrastruktur, der sehr gut ausgebaute öffentliche Ver-

kehr, die hochklassigen Bildungsein-richtungen oder der hohe technolo-gische Standard.

Die Herausforderungen an leben-dige Großstädte sind heute enorm. Zum einen zeigen urbane Regionen ein ungebremstes Wachstum: Welt-weit lebt bereits die Mehrzahl der Menschen in urbanen Gebieten – und der Anteil wird weiter steigen. Wien zählt zu den am stärksten wachsenden Städten in Europa: In den nächsten Jahrzehnten wird sich die Bevölkerung um so viele Men-

schen erhöhen, wie die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, Einwohner hat. Schon in einigen Jahren wird die Zwei-Millionen-Einwohner-Mar-ke überschritten werden. Das bringt viele Herausforderungen, vor allem für die Infrastruktur, mit sich: Das beginnt bei der Stadtplanung und reicht über den Wohnbau und das Verkehrssystem bis hin zur Ver- und Entsorgung (Wasser, Abfall, Energie usw.).

Zum anderen muss diese Ent-wicklung auf umweltfreundliche

Weise erfolgen. In Zeiten von Klima-wandel und Ressourcenverknap-pung müssen alle Überlegungen und Maßnahmen den Kriterien der Nachhaltigkeit genügen. Diese sind in den „Nachhaltigen Entwicklungs-zielen“ der UNO festgelegt und fin-den sich auch in Strategien auf an-deren Ebenen – von den Klima-Zie-len der EU über die österreichische Klima- und Energiestrategie bis hin zu urbanen Planungskonzepten. Von diesen Kriterien sind so gut wie alle Bereiche des Lebens betroffen –

Editorial

Die Welt wird immer urbaner. Auch in Österreich wachsen die größeren Städte, allen voran Wien, das aller Voraussicht nach im kommenden Jahr-

zehnt die Zwei-Millionen-Einwohner-Schwelle über-schreiten wird. Dieses Wachstum muss bewältigt wer-den – und zwar auf eine nachhaltige Weise und so, dass die hohe Lebensqualität Wiens erhalten bleibt. Be-dingt durch Klimawandel und Ressourcenverknappung müssen das Wirtschafts- und insbesondere das Ener-giesystem umgebaut werden.

Darum geht es in diesem UNIVERSUM Special, das wir in Kooperation mit Wien Energie gestaltet haben: Dargestellt werden zahlreiche Initiativen, durch die die Energieversorgung Wiens bis zur Mitte des Jahrhun-derts CO

2-neutral werden soll. Das beginnt beim Aus-

bau des Fernwärmenetzes und der stärkeren Ver-schränkung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen und reicht hin bis zu hohen Investitionen in die Photovol-taik und die Bildung von Energie-Gemeinschaften mit

„Prosumern“, also Bürgern, die auch selbst Energie produzieren.

Wir leben in einer spannenden Zeit!

MARTIN KUGLER Chefredakteur

Lebenswertes WienWien gilt als eine der

Städte mit der höchsten Lebensqualität über-haupt. Damit das so

bleibt, sind große An-strengungen notwendig – denn das stete Wachs-tum und die Begrenzt-heit der Ressourcen er-fordern neue Lösungen.

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vom Arbeiten, Wohnen und der Mo-bilität bis zur Energieversorgung.

Wien als Sonnenenergie-StadtEin zentraler Leitbegriff dabei lau-tet „Smart City“: Das sind gesamt-heitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grü-ner und sozial inklusiver zu gestal-ten. Anfangs dominierten dabei technologische Themen, doch im Laufe der Zeit rückte der Mensch immer mehr ins Zentrum der Über-legungen. Heute beinhalten die Konzepte sowohl technologische als auch soziale Innovationen. In Wien wurde bereits im Jahr 2010 eine Smart-City-Initiative gestartet, seit fünf Jahren gibt es auch eine Smart-City-Rahmenstrategie.

Neben den Themen Stadtplanung und Mobilität steht dabei insbeson-dere das Energiesystem im Zentrum. Eine zentrale Antwort auf die gro-ßen Herausforderungen ist, die Energieversorgung zu dezentralisie-ren und zu regionalisieren – kurz gesagt: Energie aus Wien für Wien. Dazu soll insbesondere die Solar-energie stark ausgebaut werden: Wien soll demnach eine Sonnen-energie-Stadt werden. In Form der Sonnenstrahlung gelangt innerhalb weniger Stunden so viel Energie auf die Erdoberfläche, wie die gesamte Menschheit in einem Jahr ver-braucht. Das Potenzial ist also ge-waltig – zum einen zur Produktion von elektrischem Strom via Photo-voltaik, zum anderen zur Bereitstel-lung von Wärme (und in der Folge auch Kälte) durch Solarthermie.

Es gibt eine Reihe von Initiativen, um diese Potenziale zu heben. Viele Einfamilienhausbesitzer haben be-reits – gefördert von der öffentli-

chen Hand – Solarpaneele auf ihren Dächern. Es gibt Freiflächen-Solar-kraftwerke und Bürgerbeteiligungs-modelle. Und seit Kurzem ist es dank einer Gesetzesänderung auch möglich, Mehrparteienhäuser mit Solaranlagen auszurüsten. Zur ein-fachen Verwirklichung solcher Pro-jekte hat Wien Energie ein Paket ge-schnürt: Wenn es von Bewohnern Interesse gibt, prüft der Energie-dienstleister, ob eine Solaranlage technisch möglich ist, er über-nimmt Planung, Errichtung, Betrieb und Wartung und sorgt für die Ver-teilung des Stroms. Die interessier-ten Bewohnerinnen und Bewohner können diesen Strom über einen vergünstigten Tarif beziehen – denn Netzgebühren und Abgaben fallen dabei weg. Bei normalem Ver-brauchsverhalten kann ein teilneh-mender Haushalt auf diese Weise rund ein Drittel seines Energiebe-darfs mit Strom vom eigenen Dach abdecken.

Konsumenten werden zu „Prosumern“Der Umbau des Energiesystems hin zu einer dezentralen Form hat eine wichtige Konsequenz: Die Men-schen, die bisher reine Konsumen-ten von Energie waren, werden nun auch Produzenten und aktive Teil-nehmer im Energiesystem. Das wird seit einigen Jahren mit dem Kunst-wort „Prosumer“ ausgedrückt. Das fließt auch in zahlreiche Initiativen ein, bei denen Stadtviertel „smart“ werden und sich selbst mit Energie versorgen sollen.

Eines dieser Großvorhaben ist die Seestadt Aspern: Am Gelände des ehemaligen Flugfeldes Aspern im Südosten Wiens sollen bis Ende der 2020er-Jahre Wohnungen für 20.000

Menschen und ebenso viele Arbeits-plätze entstehen. Von Anfang an war dabei eine gute Verkehrsanbin-dung an die Innenstadt vorgesehen, die als Verlängerung der U2 reali-siert wurde. Die Seestadt Aspern ist auch Schauplatz eines großen For-schungs- und Entwicklungsprojek-tes namens „Aspern Smart City Re-search“ (ASCR), in dem sowohl

„Smart Buildings“ (intelligente Häu-ser) als auch „Smart Grids“ (intelli-gente Netze) in einem Praxisversuch getestet werden. Bei diesem Groß-projekt kooperieren Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, die Wirt-schaftsagentur Wien und die Immobiliengesellschaft „Wien 3420 Holding“. Seit dem Jahr 2013 wurden 38,5 Mio. Euro investiert, für eine zweite Projektphase (bis 2023) sind weitere 45 Mio. Euro budgetiert.

Kernstück des ASCR-Projekts sind drei Gebäude mit unterschiedli-chen Nutzungen: In einem Wohnge-bäude mit 213 geförderten Miet-wohnungen wurden Solarthermie- und Photovoltaik-Anlagen, Wärmespeicher und Wärmepumpen, die beispielsweise Abwärme aus der Garage nutzen, eingebaut, sodass das Gebäude komplett wärmeautark ist. In 111 Haushalten, die an dem Versuch teilnahmen, wurde weiters smarte Mess-, Steuer- und Rege-lungstechnik installiert, mit deren Hilfe die Nutzer Temperatur und Luftqualität etwa über Smartpho-nes steuern können („Smart Home“). Das zweite „Testbed“ ist ein Studie-rendenheim mit 313 Wohnplätzen, das mit großen Photovoltaik-Panee-len und einem Batteriespeichersys-tem ausgerüstet wurde. Das dritte Gebäude im ASCR-Bunde ist ein Bil-

dungscampus für rund 230 Kinder-gartenkinder und 420 Volksschüler- Innen, bei dem u. a. die Wärme der Abluft (Körperwärme und Abwärme von Geräten) zurückgewonnen wird.

Smart HomeDie erste Projektphase ist mittler-weile abgeschlossen. Es zeigte sich, dass ein hoher Eigenversorgungs-grad und massive Einsparungen bei den CO

2-Emissionen erzielbar sind.

Weiters wurden Methoden des akti-ven Lastmanagements und der Inte-gration von Speichersystemen in die Netze entwickelt und erprobt. Mit solchen Systemen ist es möglich, hohe Lastspitzen und damit teure Netzausbauten zu vermeiden.

Und man fand so auch einiges da-rüber heraus, wie die Menschen sol-che technischen Systeme in der Pra-xis nutzen. Fast die Hälfte der Be-

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Erneuerbare Energie wird auf vielfältige Wei-se verfügbar und nutzbar gemacht. Das muss in enger Kooperation mit der Architektur ge-

schehen; das Thema der Architekturtage 2019 ist daher folgerichtig „Wiener Klima“.

In Freiflächenanlagen, z. B. auch Bracheflächen, kann nicht nur viel Solarstrom gewonnen werden. Zwischen und unter den Solarpaneelen gibt es auch viel Lebensraum für Pflanzen und Tiere – so kann dort beispielsweise bester Honig produziert werden.

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wohner des Forschungs-Wohn- hauses gab zu Beginn an, technisch versiert und am Thema Energie in-teressiert zu sein, und knapp ein Drittel hatte ein hohes Interesse, Energie einzusparen. In der Praxis folgten dieser Selbsteinschätzung aber nicht immer Taten. Es zeigte sich nämlich, dass nur rund ein Fünftel der Benutzer die Smart-Home-Technologien regelmäßig nutzte. Lastverschiebungen in Haushalten (aus Zeiten mit Strom-mangel im Netz zu Stunden mit Überflüssen) waren daher nur in geringem Ausmaß möglich.

Versuche mit Blockchain Eine zentrale Erkenntnis lautet: Sol-len „smart User“ dazu motiviert werden, im Sinne der Energiewende zu handeln, so muss die Qualität der Wohnungen und der technischen Ausstattung entsprechend hoch

sein. Überdies bedarf es einer engen Kooperation zwischen Bauträgern, Wohnungswirtschaft, Energiever-sorgern und Technologieanbietern.

Eine sehr spezielle neue Techno-logie wird nun im VIERTEL ZWEI neben der Trabrennbahn Krieau er-probt: die Blockchain-Technologie. Diese Methode, die sichere Transak-tionen ermöglicht, soll es den ein-zelnen privaten Strom-Produzenten erlauben, ihren überschüssigen Strom aus Photovoltaik-Anlagen über eine Plattform zu verkaufen. Jede einzelne erzeugte Kilowatt-stunde bekommt dabei quasi ein

„digitales Mascherl“, durch das transparent und nachvollziehbar wird, woher der Strom kommt und wo er verwendet wird.

Einen ganz anderen Ansatz auf dem Weg zu einer „Smart City“ ver-folgt man im Stadtentwicklungsge-biet Nordbahnhof (auf dem Gelände

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des ehemaligen Bahnhofs beim Pra-terstern): Dort wurden noch im Pla-nungsstadium Überlegungen für eine zukunftsfähige Nutzungsmi-schung angestellt. In dem „Mi-schung possible!“ genannten Projekt erarbeiteten Forscher der TU Wien Ideen für eine Mischung zeitgenös-sischer Formen des Wohnens und Arbeitens in einem ökologisch nach-haltigen Stadtquartier. Herausge-kommen ist ein Konzept, bei dem der Rand des Areals bebaut ist, in der Mitte befindet sich hingegen ein freier Raum, in dem u. a. soziale In-teraktionen stattfinden können.

Elektro- und Mikro-Mobilität Ein riesiges Thema, das eng mit dem Energiesystem verknüpft ist, wird in den nächsten Jahren auch die Mobilität: Durch den Siegeszug der Elektro-Mobilität gibt es künftig eine direkte Verknüpfung zwischen

Energienetzen und Mobilität – und zwar in Form von Stromtankstellen, die sowohl in übergeordnete Netze als auch in lokale Mikronetze integ-riert werden können und dort, bei intelligenter Nutzung, für eine Stabilisierung der Netze sorgen können.

Eng damit verbunden ist die Ent-wicklung der sogenannten „Mikro-Mobilität“: E-Scooter, E-Bikes oder Segways können sinnvolle Ergän-zungen zu herkömmlichen Ver-kehrsmitteln sein. So will man bei-spielsweise im VIERTEL ZWEI – das bewusst autofrei gestaltet ist – her-ausfinden, welche Rahmenbedin-gungen die Menschen brauchen, um solche Sharing-Angebote zu nützen. Es geht dabei um Fragen, wie ein ideales Buchungssystem aussehen sollte oder welche Verkehrsmittel die Menschen bevorzugt nutzen, wenn die Bedingungen passen. Ω

Die Sonne macht Dächer zu Kraftwerken. Die neu ge-schaffene Möglichkeit, Solar-strom unter den Hauspartei-en aufzuteilen, eröffnet neue Geschäftsmodelle, mit denen Wien Energie den Photovol-taik-Ausbau in Wien deutlich voranbringen will. Realisiert wurde bereits eine Gemein-schafts-Solaranlage in der Lavaterstraße in Wien-Do-naustadt: Auf 400 Quadrat-metern Dachfläche wurden Solarpaneele verlegt, die rund 60.000 kWh im Jahr er-zeugen. Die Anlage ist so di-mensioniert, dass ein Teil des Solarstroms am Standort von derzeit 38 Haushalten ver-braucht wird, die ein Drittel ihres Bedarfs damit decken können. Der Überschuss wird ins Netz eingespeist.www.wienenergie.at/pv

Gemeinschafts- Solaranlagen

Im VIERTEL ZWEI, einem Stadtentwicklungsgebiet bei der Wiener Krieau, werden auch erste Schritte für Ener-gie-Gemeinschaften („Urban Pioneers“) gesetzt. Ziel ist es, das Thema Energie künftig angreifbarer und nachvoll-ziehbarer zu machen. Per Blockchain-Technologie soll Energie ein „digitales Ma-scherl“ bekommen. Der Weg von der Produktion zum Ver-brauch kann so transparent eingesehen und – fälschungs-sicher – gesteuert werden. Beim ANON Blockchain Sum-mit in Wien wurde kürzlich ein Blockchain-Kühlschrank vorgestellt, der zeigt, wie Haushalte ihren Stromver-brauch per App auf sichere und transparente Weise kon-trollieren und beeinflussen können.

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Wasser und Pflanzen – hier im VIERTEL ZWEI – sind wichtige Maßnahmen im Kampf gegen die sommerliche Hitze. Unter dem Motto #wienbleibtcool finanziert die Stadt Wien u. a. 150 Fassadenbegrünungen, 13 neue Parks, Brunnen oder kühle Plätze mit Nebelduschen.

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Die Seestadt Aspern ist eines der größten Stadt- erweiterungsgebiete Europas. Dort werden u. a. modernste Energie-Technologien installiert und getestet. Das neue Viertel ist höchst lebendig und bietet auch Raum für Kunst (mitte unten das FLEDERHAUS, eine 16 Meter hohe Freiraum- Skulptur aus Holz mit Aussicht über den See.)

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98 Interview

Elisabeth Oberzaucher ist Zoologin und Anthropologin und erforscht menschliches Verhalten, u. a. in urbanen Umgebungen. Sie ist Autorin des – äußerst lesenswerten – Buches „Homo

Urbanus“ (Springer Verlag), Trägerin eines Ig-Nobelpreises und Mitglied der „Science Busters“.

Wir spazieren gerade durch eines der neuesten Stadtviertel Wiens, das VIERTEL ZWEI, wo versucht wird, eine neue Form von Urbanität zu schaffen. Was geht Ihnen da als Anthropologin durch den Kopf? Elisabeth Oberzaucher: Ich finde es sehr begrüßenswert, dass man von diesen langen geraden Straßen weggeht, die kein Profil und kein Gesicht haben. In den etwas älteren Neubaugebieten hat man das Ge-fühl, dass man gar nicht so genau weiß, wo man ist, weil alles gleich aussieht. Hier wird einerseits der Architekturvielfalt Raum gegeben, und andererseits achtet man auf die Freiraumgestaltung: Dadurch wird die Qualität erhöht.

Mit „Qualität“ meinen Sie, dass das dem Menschen und seinen Bedürf-nissen angemessener ist? Oberzaucher: Ja. Ich schätze an den Entwicklungen, dass man vom klassischen Ansatz weggeht, nur über das Gebäude nachzudenken. Bei der Stadtentwicklung ist gerade das Dazwischen entscheidend: Dort begegnen sich die Menschen. Die Hauptfunktion des urbanen Raums ist die soziale Interaktion. In die-sen Bereich muss man investieren. Denn wenn die Nachbarschaft funktioniert, dann funktionieren auch die anliegenden Gebäude.

Allgemein gefragt: Welche Wünsche hat der Mensch an die Umgebung?

Oberzaucher: Wir brauchen eine Umgebung, die nicht reizarm ist, die uns aber auch gleichzeitig nicht mit Reizen überflutet. In Gegenden z. B. in Bahnhofsnähe passiert sehr viel. Das überfordert uns kognitiv und führt zu körperlichem Stress,

der langfristig nicht gut für uns ist. Wenn die Umgebung auf der anderen Seite aber zu reizarm ist, wirkt sich das ebenfalls negativ auf uns aus – unsrer Sinne brauchen schon eine gewisse Stimulation. Naturelemente spielen eine wichti-ge Rolle, um eine positive Form von Komplexität einzuführen: Pflanzen und Wasser sind nicht so langweilig wie eine Betonwand, gleichzeitig überfordern sie uns aber nicht. Das hat etwas mit unserer Evolutions-geschichte zu tun: Wir tun uns da-mit leichter, weil unser kognitiver Apparat lange Zeit hatte, um zu lernen, wie man mit solchen Reizen umgeht.

Stichwort Biophilie – uns Menschen ist eine gewisse Liebe zum Grünen angeboren …

Oberzaucher: Ja, genau. Pflanzen haben viele positive Wirkungen auf den Menschen, daher kann eine Stadt gar nicht zu grün sein. Gera-de in Zeiten von Klimaerwärmung können uns Pflanzen durch die Verdunstung von Wasser und durch die Beschattung auch dabei helfen, Überhitzungsprobleme im urbanen Raum zu bewältigen und Starkre-gen zu versickern, damit dieser we-niger Probleme macht. Außerdem fühlen sich Menschen im Grünen wohler: Wo es grün ist, gibt es mehr soziale Interaktionen, wir sind gesünder und können besser denken. Natürlich gibt es da das große Problem, dass die Rentabili-tät eine Umwegrentabilität ist: Das Grün hat positive Auswirkungen auf volkswirtschaftlicher Ebene – und nicht notwendigerweise auf die Bauträger. Aber auch für Bauträger ist es relevant, weil man eine Woh-nung oder ein Büro in einer schö-nen Gegend teurer verkaufen kann.

Die neuen Formen von Urbanität sind mit dem Thema „Smart City“ verknüpft: Man versucht, die Tech-nik möglichst optimal zu gestalten. Wird dabei Ihrer Meinung nach der Mensch ausreichend berücksichtigt? Oberzaucher: Man darf den Men-schen nicht aus dem Auge verlieren. Technologie kann uns dabei helfen, nachhaltiger zu agieren und Pro- bleme zu lösen, die uns sonst sehr viel Zeit stehlen würden. Man soll-

Die Anthropologin und Stadtforscherin Elisabeth Oberzaucher über die neuen Formen der Urbanität und die Wünsche der

Menschen an „Smart Cities“.

„Den Menschen nicht aus dem Auge verlieren“

te sich aber nicht auf der Technolo-gie ausruhen, sie muss immer in Wechselwirkung mit den Menschen entwickelt werden. Es gibt viele tol-le Technologien und Apps, die aber niemand nutzt, weil sie an den Menschen vorbei entwickelt wur-den. Diese Schnittstelle Mensch–Maschine muss ganz im Zentrum stehen. „Smart City“, so wie es in Wien verstanden wird, beinhaltet auch stark den Faktor Mensch.

Wir sprechen bisher v. a. über neue, „smarte“ Stadtviertel. Wie sieht es eigentlich in den innerstädtischen Gebieten, in den alten Gründerzeit-vierteln aus? Besteht dort aus Ihrer Sicht großer Handlungsbedarf? Oberzaucher: Die Altstadtviertel

sind nicht von ungefähr so beliebt. Und zwar nicht, weil früher alles besser gewesen wäre. Sondern es ist das aus früheren Zeiten übrig ge-blieben, was gut war und gut funk-tioniert hat. Daher funktioniert dort sehr vieles sehr gut. Da hat man in der Gründerzeit schon vie-les richtig gemacht.

Ein großes Thema bei der Debatte um eine zeitgemäße Urbanität ist die Mobilität. Ist der Mensch an sich ein mobiles Wesen? Oberzaucher: Mobilität steckt grundsätzlich in uns drinnen. Un-sere Vorfahren haben sehr lange nomadisch gelebt, sie blieben höchstens ein paar Tage an einem Ort und sind dann weitergezogen.

Heute hat die Mobilität mit unse-ren technischen Hilfsmitteln na-türlich eine ganz andere Dimensi-on. Wenn wir innerhalb weniger Stunden rund um die Erde kom-men können, schrumpft die Welt in unserer Wahrnehmung. Das hat den positiven Effekt, dass wir uns anderen Kulturen öffnen. Auf der anderen Seite wird aber unser Be-dürfnis nach Mobilität weniger ge-stillt, je schneller wir uns fortbe-wegen: Wenn wir den Weg gar nicht mehr mitbekommen, dann wissen wir nicht, dass wir uns fortbewegt haben. Daher sollten wir auch die altmodischste Form der Fortbewe-gung, das zu Fuß gehen, fördern. Die „Walkability“ – also wie gut eine Stadt zu Fuß nutzbar ist – ist ein zentrales Kriterium für die Le-bensqualität in einer Stadt.

Gibt es ein Mobilitätssystem, das aus anthropologischer Sicht ideal für den Menschen wäre? Oberzaucher: Die Mobilität der Zu-kunft wird von Multimodalität ge-prägt sein – dass wir also unter-schiedlichste Mobilitätsformen miteinander kombinieren. Im urba-nen Raum ist das in vielen Städten durchaus schon umgesetzt. Man kann noch an einigen Schrauben drehen, um die Nutzbarkeit zu er-leichtern. Im ländlichen Raum ist das noch ein Riesenthema: Die Om-nipräsenz des individuellen Fahr-zeugs ist schwer aufzubrechen.

Sie sind als Beraterin in vielen Städ-ten tätig: Kennen Sie ein Beispiel, wo all diese Anforderungen an eine Stadt optimal umgesetzt werden? Oberzaucher: Nein. Es gibt überall noch etwas zu tun, wir werden nie-mals angekommen sein. Aber Wien muss man in diesem Zusammen-hang loben: Wien ist eine sehr schöne Stadt und hat eine hohe Le-bensqualität, weil sehr viele dieser Themen sehr gut gelöst sind. Ω

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„Die Hauptfunktion des urbanen Raums

ist die soziale Interaktion.“

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Alle Berichte seriöser Klimafor-scher kommen zu einem gemein-samen Schluss – und dieser findet

sich folgerichtig auch im Pariser Weltkli-mavertrag aus dem Jahr 2015: Demnach muss der Ausstoß von Treibhausgasen bis zur Jahrhundertmitte drastisch sin-ken, um die globale Erwärmung auf halbwegs verträgliche zwei Grad zu be-grenzen. Das bedeutet, dass in den kom-menden Jahrzehnten ein weitestgehen-der Ausstieg aus der Verbrennung fossi-ler Energieträger notwendig ist.

Dieses Ziel einer vollständigen Dekar-bonisierung bis zum Jahr 2050 klingt aus heutiger Sicht reichlich utopisch. Doch wie eine Studie des renommierten Beratungsunternehmens ecofys im Auf-trag der Wien Energie zeigt, ist das durchaus möglich – und zwar in einer richtigen Balance aus einer nachhaltigen, wirtschaftlich erfolgreichen und sozial verträglichen Entwicklung.

Dafür reicht freilich eine Umstellung der Stromproduktion auf erneuerbare Quellen – also eine „Energiewende“ im landläufigen Sinn – bei Weitem nicht aus. Vielmehr müsse viel weiter gedacht und der gesamte Energiebedarf inklusive der Sektoren Wärme und Mobilität einbezo-gen werden, heißt es in der Studie. Ja noch mehr: Das zentrale Ergebnis der

Studie ist nämlich, dass die Verkehrs- und Wärmewende das größte Potenzial zur Dekarbonisie-rung bietet.

Die drei Sektoren Strom, Wärme und Mobilität müssen nicht nur gemein-sam gedacht, son-dern sie müssen überdies viel stärker miteinander ver-knüpft werden. Man nennt dies

„Sektorkopplung“. Dafür gibt es viele Möglichkeiten: Strom und Wärme-netze können bei-spielsweise über so-genannte Kraft-

Wärme-Kopplungen bei Kraftwerken oder über Wärmepumpen miteinander verbunden werden. Im Energiebereich selbst müssen Strom- und Gasnetze stär-ker als bisher miteinander verknüpft werden. Und der Mobilitätssektor kann zum einen über die Elektromobilität, zum anderen aber auch über erneuerba-re Treibstoffe an den Energiebereich an-geknüpft werden.

Emissionsfreie WärmeDie Sektorkopplung gilt überdies als eine der wichtigsten Maßnahmen, um mehr Wind- und Solarenergie in die Net-ze einspeisen zu können: Windräder dre-hen sich nur dann, wenn der Wind bläst, und Solarpaneele liefern nur dann Ener-gie, wenn die Sonne scheint. Zusätzlich zu diesen Fluktuationen fällt die Menge der produzierten Energie selten mit dem Bedarf zusammen. Daher muss in den Netzen ein Ausgleich zwischen dem ak-tuellen Energieangebot und der -nach-frage geschaffen werden – und das ge-lingt, zusätzlich zu Speichern, am ein-fachsten durch die Sektorkopplung.

Im Bereich Wärme kommt die ecofys-Studie zu dem Schluss, dass das beste-hende Fernwärme-Systemnetz eine her-vorragende Basis für umweltfreundli-ches Heizen bietet und ausgebaut bzw. noch stärker auf erneuerbare Energie-quellen umgebaut werden müsse. So soll der Ausbau dezentraler Wärmeerzeu-gung durch Wärmepumpen oder Nieder-temperaturnetze – dort, wo er realisier-bar ist – forciert werden. Überdies müss-ten die zentralen Wärmeversorgungs- anlagen emissionsfrei gemacht werden. Für die Umstellung auf regenerative Fernwärme würden Geothermie und Großwärmepumpen das größte Potenzial bieten, heißt es in der Studie. Zur Spit-zenlastabdeckung seien aber auch im Jahr 2050 noch gasbetriebene Wärme- erzeuger erforderlich – diese könnten dann aber mit sogenanntem „Grünen Gas“ betrieben werden. Als taugliche Technologien dafür gelten etwa Biogas aus Abfallstoffen oder erneuerbarer Wasserstoff bzw. Methan, die in soge-nannten „Power-to-Gas“-Anlagen mit- hilfe von Strom aus Solarenergie her- gestellt werden.

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Das Kraftwerk Simmering ist der größte Kraftwerksstandort Öster-reichs und erzeugt Strom für rund 440.000 Haushalte und Wärme für über 400.000 Haushalte. Trotz seiner bis zum Jahr 1902 zurückreichenden Geschichte ist es eine der modernsten und umweltfreundlichsten Anlagen Europas, dessen Wirkungsgrad Schritt für Schritt durch neueste Technologi-en in Richtung erneuerbarer Energien ausgebaut wird. Auf dem 300.000 Qua-dratmetern großen Gelände betreibt Wien Energie drei Kraft-Wärme-Kopp-lungsanlagen, ein Wald-Biomasse-kraftwerk, einen Wärmespeicher, eine Photovoltaikanlage, eine Solarther-mie-Anlage, ein Kleinwindrad, ein kleines Wasserkraftwerk und seit Kur-zem auch eine Großwärmepumpe.

Kraftwerk Simmering

Wie Wiens Energiesystem CO2-neutral wird Experten des Beratungsunternehmens ecofys haben gemeinsam mit Wien Energie einen Fahrplan zur vollständigen Dekarbonisie-rung des Energiesytems entwickelt. Kernpunkte sind die Nutzung von Solarenergie, der Ersatz von Erdgas durch „Grünes Gas“ und eine Kopplung der drei Sektoren Energie, Wärme und Mobilität.

Im Kraftwerk Leopoldau wurde ein E-Heizer installiert, der eine direkte Verbindung vom Strom- zum Wärmenetz schafft.

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Nicht nur der Wärmebedarf steigt, sondern auch der Käl-tebedarf – und zwar in Zei-ten des Klimawandels noch viel stärker. In zwanzig Jah-ren wird Europa laut Schät-zungen schon gleich viel Kühlenergie wie Heizener-gie brauchen. Wien Energie hat daher, parallel zum Aus-bau des Fernwärmenetzes, auch mit dem Aufbau eines Fernkältenetzes begonnen. Dabei kühlen Kältemaschi-nen, die mit Abwärme vom Verbrennen von Müll und von Kraftwerken betrieben werden, ein Kühlmittel, das in isolierten Leitungen zu den Abnehmern gebracht wird. Überdies werden de-zentrale Lösungen angebo-ten, bei denen Wien Energie direkt beim Kunden eine Kältezentrale errichtet.

Fernkälte

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Öffis und PhotovoltaikUm die Mobilität der Zukunft nachhal-tig zu gestalten, müsse es einen grund-sätzlichen Wechsel vom motorisierten Individualverkehr hin zu einer verstärk-ten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und des Fahrrads kommen. Überdies sollten mehr Wege zu Fuß erledigt wer-den. Für den Pkw- und leichten Nutz-fahrzeugverkehr wird ein Umstieg auf Elektro-Mobilität als gangbarer Weg angesehen, beim Schwerlastverkehr ein Umstieg auf „Grünes Gas“. Durch Um-stellung auf Elektro-Mobilität und er-neuerbare Kraftstoffe ließe sich der End-energieverbrauch bis 2050 fast halbieren, rechnen die ecofys-Experten vor.

Im Elektrizitätssektor schließlich wer-de Photovoltaik künftig zur wichtigsten erneuerbaren Stromquelle. Um die Ziele zu erreichen, müsse der Ausbau daher massiv forciert werden – und zwar so-wohl bei Dachanlagen auf Ein- und Mehrparteienhäusern als auch bei Frei-flächenanlagen, zum Beispiel auf Be-triebs- oder Verkehrsflächen. Darüber hinaus müssten die Wind- und Wasser-kraftpotenziale in Österreich, soweit ökologisch und gesellschaftlich vertret-bar, voll genutzt werden.

Zur Reduktion der Spitzenlasten – die besonders teuer sind und auf die Ener-gienetze ausgelegt werden müssen – sei-en Sektorkopplung, Energiespeicher und Nachfrage-Management (das Verschie-ben von Lasten) die wesentlichen Schlüs-sel. Trotz einer weitgehenden Dezentra-lisierung der Stromproduktion seien in-des weiterhin hocheffiziente Kraft- Wärme-Kopplungsanlagen und Spitzen-lastkraftwerke nötig, um die Versor-gungssicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten.

„Greening the Gas“Ab 2025 muss in den Augen der ecofys-Experten mit dem großflächigen Um-stieg auf erneuerbare Brenn- und Kraft-stoffe (Biomethan, erneuerbarer Wasser-stoff) zum Ersatz von Erdgas begonnen werden. Wie oben angedeutet, spielt die-se „Greening the Gas“ genannte Strate-gie eine tragende Rolle in allen drei Sek-toren – Strom, Wärme und Mobilität – sowie bei der Spitzenlastabdeckung.

Aus all diesen Maßnahmen wurde von ecofys eine „Dekarbonisierungs-Road-map“ für das Wiener Energiesystem bis zum Jahr 2050 entwickelt. Diese be-schreibt die zeitliche Abfolge der wich-

Photovoltaik (im Bild eine Anlage auf dem neuen Austria Campus) verfügt

in Städten über enormes Potenzial.

tigsten Handlungsfelder hin zu einer dekarbonisierten Zukunft in vier Phasen: 1. Entwicklung der Basistechnologien

(Erneuerbare, Effizienz) 2. Verstärkte Integration, z. B. Sektor-

kopplung und höhere Flexibilität3. Nutzung erneuerbarer Kraft- und

Brennstoffe und 4. Finale Dekarbonisierung. Bei Wien Energie ist man durchaus opti-mistisch, dass das zu schaffen ist. „Wir beginnen nicht bei Null, sondern haben bereits einige Maßnahmen eingeleitet“, erläutert der Vorsitzende der Wien Energie-Geschäftsführung, Michael Strebl. Das beginnt beim Ausbau erneuerbarer Energieformen, etwa von Bürgerbeteiligungsmodellen bei Photovoltaik-Anlagen, und geht über den Bau und die Beteiligung an Wind- und Wasserkraftwerken bis hin zum Bau der größten Wärmepumpe Mittel- europas beim Kraftwerk Simmering. Diese Anlage nutzt Abwärme aus dem Kühlwasserkreislauf der Kraftwerke und aus dem Donaukanal und versorgt 25.000 Wiener Haushalte mit Fern- wärme – und spart dabei 40.000 Tonnen CO

2 pro Jahr.

Investitionen in die ZukunftDie Wärmeversorgung von Wien ist heu-te schon vergleichsweise umweltfreund-lich, denn es wird auch die Abwärme aus Müllverbrennungsanlagen und Indus-triebetrieben genutzt. Zum Thema Geo-thermie läuft derzeit in Kooperation mit Partnern aus Wissenschaft und Wirt-schaft das Forschungsprojekt „GeoTief Wien“ zur Erkundung möglicher Poten-ziale. Gemeinsam mit Partnern aus Wis-senschaft und Wirtschaft wurden be-reits der Untergrund unter Wien durch 3D-Seismik untersucht und Probeboh-rungen durchgeführt. Die gewonnenen Daten werden derzeit ausgewertet, um daraus konkrete Potenziale für diese un-weltfreundliche Energieform abzuleiten.

In den nächsten fünf Jahren inves-tiert Wien Energie rund eine Milliarde Euro in Versorgungssicherheit, erneuer-bare Energie, Innovation und E-Mobili-tät. Davon fließen allein 100 Millionen Euro in den Ausbau der Solarkraft und 15 Mio. Euro in den Bau von 1000 neuen öffentlichen Ladestellen. „Wir haben mit der ecofys-Studie einen konkreten Fahr-plan in der Hand, wie wir die CO

2-Emis-

sionen in Wien bis 2050 massiv reduzie-ren können“, resümiert Strebl. Ω

Wien Energie investiert in den nächsten fünf Jahren rund eine Milliarde Euro in Versorgungssicherheit, erneuerbare Energie, Innovation und E-Mobilität.

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Bei der Gestaltung des Energiesystems arbei-tet Wien Energie sehr eng mit einer Reihe von Start-ups zusam-men. So kam man etwa auf eine innova-tive Lösung, um die 1.200 Kilometer lange Fernwärmeleitung zu inspizieren. Statt wie bisher mit Handmess-geräten die unterir-disch verlegten Leitun-gen abzugehen, sichtet das Smart Drone Ins-pection-Team diese nun mit einer Wärme-bild-Kamera, die auf einer Industriedrohne montiert ist, die von Piloten von Skyability gesteuert wird.

Kooperation mit Start-ups

Der Umbau des Energiesystems wird von einer Reihe innovativer Technologien begleitet – im Bild

eine Inspektion per Drohne.

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Universum Spezial | 1–2019

14 50 Jahre Fernwärme 15

IMPRESSUM Medieninhaber: LW Werbe- und Verlags GmbH, Geschäftsführer, Herausgeber: Erwin Goldfuss, Projektleitung: Prok. Alexandra Salvinetti, Chefredaktion: Martin Kugler, Grafik: Erich Schillinger, Anschrift: 1060 Wien, Linke Wienzeile 40/22, Tel.: +43 1 585 57 57-413, Fax-DW 415, [email protected], www.lwmedia.at, www.universum.co.at. Druck: Berger, A-3580 Berger. Stand: April 2019, Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Die vorliegende Beilage versteht sich als entgeltliche Einschaltung in Zusammenarbeit mit Wien Energie im Sinne des Medientransparenzgesetzes. Die redaktionelle Verantwortung liegt beim Universum Magazin.

Wien Energie

Dass sich in einer Abfallverbren-nungsanlage internationale De-legationen die Türklinke in die

Hand geben, dürfte wohl nicht allzu häufig auf der Welt vorkommen: In der Anlage in Wien-Spittelau ist dies aller-dings so. Und das ist kein Zufall: Denn das Werk, das 1987 von Friedensreich Hundertwasser so bunt gestaltet wurde, ist das Herzstück der Wiener Fernwär-me-Versorgung. Und diese ist eine der größten und bestausgebauten in Euro-pa: Mit Leitungen in der Länge von insgesamt 1200 Kilometern werden gut 400.000 Wohnungen – ein Drittel aller Wiener Haushalte – sowie mehr als 6800 Großkunden – Universitäten, Theater, Spitäler, Unter nehmen – mit umweltfreundlicher Wärme versorgt.

Die Geschichte dieses Netzes reicht bis in die unmittelbare Nachkriegszeit zurück: Damals entstand nach schlim-men Kriegsschäden im Arsenal ein Fernheizwerk, etwas später wurden auch in städtischen Wohnhausanlagen

Kesselhäuser gebaut. Das heutige Fern-wärmenetz wurde ab 1969 aufgebaut, als die bestehenden Anlagen (damals 27 Kilometer Fernwärmeleitung, fünf Blockheizwerke und 17 kleinere Heiz-zentralen) von der Stadt Wien in eine eigene Gesellschaft – die „Heizbetriebe Wien“ – ausgegliedert wurde. Damals fiel auch der Startschuss für den Bau der Abfallverbrennungsanlage Spittelau, die vor allem für die Versorgung des Allgemeinen Krankenhauses konzipiert wurde. 1987 wurde die Anlage nach ei-nem Großbrand modernisiert und suk-zessive mit modernster Rauchgasreini-gung ausgerüstet. Die Effizienz der An-lage wird laufend erhöht, zuletzt etwa durch einen neuen Rost oder einen Hochtemperatur-Dampfkessel.

In den 1970er- und 1980er-Jahren ging es Schlag auf Schlag: Immer mehr Wohnhäuser und öffentliche Gebäude wurden an das Fernwärmenetz ange-schlossen – vom Rathaus und Parla-ment bis zum Stephansdom. Mit der Zeit entstanden immer mehr Kraft-

Wärme-Kopplungen (KWK) bei Kraft-werken, überdies wurden weitere Müll-verbrennungsanlagen an das Fernwär-menetz angeschlossen.

Heute stammt rund ein Drittel der eingespeisten Wärme aus vier Abfall-verbrennungen und dem Wald-Biomas-se-Kraftwerk in Simmering, die übrigen zwei Drittel kommen aus KWK-Anla-gen und aus Abwärme aus der Industrie. Die restlichen ein bis fünf Prozent lie-fern Fernheizwerke, die nur bei Bedarf zum Einsatz kommen. Vor zehn Jahren wurde überdies mit dem Aufbau eines Fernkältenetzes begonnen, in dem die umweltfreundliche Wärme in Kälte verwandelt und zu Verbrauchern (etwa Spitäler, Universitätsgebäude, Unter-nehmen oder den Wiener Hauptbahn-hof) geleitet wird.

Zukunftssystem FernwärmeDie Fernwärme ist ein wesentlicher Baustein für das Wiener Energiesystem der Zukunft. Schon heute ist sie sehr effizient und umweltfreundlich: Im Vergleich zu Kohle, Öl oder Gas spart sie bis zu 75 Prozent Energie ein, jedes Jahr werden 1,5 Mio. Tonnen CO

2-Emis-

sionen eingespart, und überdies werden große Mengen Feinstaub vermieden.

Die Zukunft soll noch viel „grüner“, die Fernwärme das zentrale Element für umweltfreundliches Heizen werden. Zum einen werden die Wärmeerzeuger sukzessive noch stärker auf erneuerba-re Quellen umgestellt. So wird derzeit eine neue Großwärmepumpe am Kraft-werksstandort Simmering installiert, die u. a. Abwärme der Kraftwerke nutzt. Im Laufen sind geologische Un-tersuchungen und Probebohrungen, mit denen geklärt wird, ob und wie viel die Geothermie zur Wärmeversorgung Wiens beitragen kann. Überdies gibt es Initiativen zur Umstellung auf „Grünes Gas“ (Biomethan oder Wasserstoff). Zum anderen wird die Fernwärme ver-stärkt mit anderen Teilen des Energie-systems verknüpft, sodass z. B. über-schüssiger Wind- und Sonnenstrom in Wärme umgewandelt wird und so ohne Probleme in die Netze eingespeist und bei Bedarf wieder entnommen werden kann. Ω

Das Fernwärmenetz steht im Zentrum eines sicheren und

umweltfreundlichen Energiesystems der

Zukunft.

Wärmeaus

AbfallFernwärme wird beispielsweise in der Müllverbrennungsanalage Spittelau produziert, seit Kurzem aber auch mit einer Großwärmepumpe im Kraftwerk Simmering.

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Wien Energie ist der größte regiona-le Energieanbieter Österreichs. Das Unternehmen versorgt mehr als zwei Millionen Menschen, rund 230.000 Gewerbeanlagen, industri-elle Anlagen und öffentliche Gebäu-de sowie rund 4500 landwirt-schaftliche Betriebe in Wien, Nie-derösterreich und Burgenland mit Strom, Erdgas und Wärme.

Die Strom- und Wärmeprodukti-on stammt aus Abfallverwertung, Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen und aus erneuerbarer Energie wie Wind-, Wasser- und Sonnenkraft so-wie Biomasse. Wien Energie setzt stark auf dezentrale Erzeugung und Energiedienstleistungen.

Informationen zum Unternehmen finden Sie online unter www.wienenergie.at

E-Mobilität: www.tanke-wienenergie.at

Photovoltaik: www.wienenergie.at/pv

Wien Energie Erlebniswelt: www.wienenergie.at/erlebniswelt

Das Jubiläum 50 Jahre Fernwärme wird im Rahmen des Zukunftsfestes 70 Jahre Wiener Stadtwerke am 11. Mai (14–20 Uhr) u. a. bei der Müll-verbrennung Spittelau und beim Kraftwerk Simmering gefeiert.

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WIR E-MOBILISIEREN

GANZ WIEN.

Wien Energie, ein Partner der EnergieAllianz Austria. www.wienenergie.at

Wir unterstützen den Ausbau der E-Mobilität in Wien, nicht zuletzt durch die Errichtung von 1.000 neuen öffentlichen E-Ladestellen bis Ende 2020 im gesamten Stadtgebiet – ein wichtiger Beitrag für die hohe Lebensqualität in der Stadt, damit auch die nächsten Generationen in einem gesunden und umweltfreundlichen Wien leben können. Weitere Informationen finden Sie auf tanke-wienenergie.at

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