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KRIEG IM AETHER Vorlesungen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich im Wintersemester 1974/1975 Leitung: Abteilung für Übermittlungstruppen, Divisionär A. Guisolan Energie für die Zukunft Podiumsgespräch Referent: Prof. Dr. H. Gränicher Diese Vorlesung wurde durch die Stiftung HAMFU digitalisiert und als PDF Dokument für www.hamfu.ch aufbereitet.

Energie für die Zukunft, ein Podiumsgespräch - hamfu.ch · heute in der Situation befinden, infolge der leichten Handhabung von Erdöl eine nur rudimentäre Infra-struktur aufgebaut

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KRIEG IM AETHER

Vorlesungen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürichim Wintersemester 1974/1975

Leitung: Abteilung für Übermittlungstruppen, Divisionär A. Guisolan

Energie für die ZukunftPodiumsgespräch

Referent: Prof. Dr. H. Gränicher

Diese Vorlesung wurde durch die Stiftung HAMFU digitalisiert und alsPDF Dokument für www.hamfu.ch aufbereitet.

Energie für die Zukunft - Podiumsgespräch - Vorlesung Krieg im Aether 1974/1975 (ETH Zürich) HAMFU History

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Podiumsgespräch„Energie

fUrdie Zukunft"

Gesprächsleiter: Prof. Dr. H. Gränicher, EIR Würenlingen

Gesprächsteil nehmer: Dr. sc. techn. U. La Roche, Brown Boveri & Cie AG Baden *)

PD Dr. Ing. W. Seifritz, EIR Würenlingen

Dr. G. Stucky, Erdölvereinigung Zürich

Prof. Dr. Horst Weber, Universität Bern

*) stellvertretend für Herrn Prof. Dr. Ambros P. Speiser, Brown Boveri & Cie AG Baden

Einleitung

Prof. H. Gränicher

Der Gesprächsleiter begrüsst die Gesprächsteilnehmer. Nach dem Hinweis, dass unter den Zuhörern weitereFachleute aus verschiedenen Gebieten der Energietechnik anwesend sind, welche in der Diskussion ergän-zende Hinweise liefern können, gibt der Gesprächsleiter den Referenten Gelegenheit, über ihre Vorträgeeine kurze Zusammenfassung zu präsentieren. Nicht alle Anwesenden waren an sämtlichen Vorträgen dabei,und diese liegen teilweise auch schon längere Zeit zurück. Die Zusammenfassungen dienen dazu, allen An-wesenden in kurzer Zeit ein Gesamtbild der bisherigen Kolloquien zu geben.

Kurzvoten

Dr. U. La Roche

Zum Vortrag über die Forschungs- und Entwicklungsrichtungen im Lichte der Energiekrise von Herrn Prof.A. Speiser ergänzt der Votant:

Ansatzpunkte zur Beurteilung von Forschungs- und Entwicklungsrichtungen im Lichte der Energiekrise wa-ren die folgenden 3 Hauptpunkte:

1. Wärme und Arbeit ist zu unterscheiden. Ueber 60t70 % unseres Energiebedarfs ist Wärme unter 100°C.Es ist deshalb nicht weiter unverständlich, dass wir in der Vergangenheit nur Arbeit, z.B. Elektrizitätals Energie bezeichnet haben. Holz, Kohle etc., also weitgehend feste Brennstoffe, haben bis etwa 1960den grössten Teil unserer Wärmeversorgung bestritten. Da alle festen Brennstoffe verschiedenster Art gegeneinander ausgetauscht werden konnten, war selbst eine drastische Versorgungslücke mit Kohle währenddes 2. Weltkrieges praktisch momentan durch eine Diversifikation auf Holz und Torf zu beheben.

"Krieg im Aether", Folge XIV

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Erdöl, insbesondere in Form von Heizöl, hat seit 1960 die festen Brennstoffe fast vollständig verdrängt,da zu der Eigenschaft, leicht transportierbare und speicherbare Energie zu sein, noch die grosse Bequem-lichkeit der Handhabung gekommen ist. Dabei ist aber jede Diversifizierbarkeit verlorengegangen. AlsLieferant kommt für W-Europa praktisch nur die OPEC in Frage.

Erdöl und seine Derivate haben zunehmend auch Anwendung in Arbeitsmaschinen gefunden, so dass wir unsheute in der Situation befinden, infolge der leichten Handhabung von Erdöl eine nur rudimentäre Infra-struktur aufgebaut zu haben, die erstens eine Diversifikation der Energieträger und zweitens eine opti-male Ausnützung von Arbeitsfähigkeit und Wärme (Abwärme) eines chemischen Energieträgers erlauben würde.Dies wird dann zum schmerzlichen Erlebnis, wenn dieser Energieträger schlagartig zum Preis seines in Ar-beitseinheiten ausgedrückten sogenannten "gerechten Preises" gekauft werden muss. Ebensowenig wie einEnergiefachmann in Zukunft ohne Kenntnis des 2. H.S. auskommen kann, ist fürderhin ein wirtschaftli-cher Energiehaushalt ohne eine Infrastruktur, die dessen Gegebenheiten Rechnung trägt (Fernheizung, Ver-bundwirtschaft Elektrizität - Gas) möglich.

2. Ende des Zeitalters unbegrenzter Ressourcenausbeutung. Mit einem gewissen Gegensatz zu den Ausführun-gen von Herrn Dr. G. Stucky stelle ich fest, dass die Erdölressourcen endgültig überblickbar beschränktsind. Und dies sowohl nach Vorkommen wie nach Preis.

Die Feststellung, es habe schon immer nur für etwa 30 Jahre gesicherte Reserven gegeben und dies seinoch lange so, hält den Fortschritten in der Qualität heutiger geologischer Untersuchungsmethoden nichtstand.

Auf Grund der geopolitischen Lage der Pufferzone W-Europa und Arabien zwischen den beiden SupermächtenUSSR und USA ergibt sich, dass für W-Europa mit grosser Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 10T15Jahre ein mengen- und/oder preislich bedingtes Versorgungsdefizit an Erdöl im Umfang von ca. 50%T70% desVerbrauchs entsteht. Während in USA die Erdölsubstitution erst ab 1990 von Belang sein wird, ist sie fürdie Zone "kontinentales W-Europa" bereits heute dringlich.

Dies führt uns zur Aufstellung der möglichen alternativen Energiequellen. Man stellt fest, dass diesenur unter der Bedingung erschliessbar sind, falls die praktisch universal bis in alle Zukunft benützbareInfrastruktur und Verbundwirtschaft von Elektrizität, Wasserstoff und Fernheizung aufgebaut wird. Essind dies:- Wasserkräfte Grönlands mit einem Potential bis 1 TW (10 W) zu Preisen ab li2 Rp/kWh am Erzeugungsort,

sofort realisierbar.- Kernenergie, Elektrizität zu ca. 5T8 Rp/kWh (elektrisch), Fernwärme beim Verbraucher incl. Kapital-

dienste 3f8 Rp/kWh (thermisch) bis 50 km vom Kraftwerk, sofort realisierbar- Sonnenenergie, Fusion.

Entweder weil zuerst die Rohstoffkrise gemeistert werden muss (materialintensive Sonnenfarm) oder weilnoch eine erhebliche Entwicklung notwendig ist (Fusion) erst im Zeithorizont von 30 Jahren realisier-bar.Bei Sonnenenergie ist hier nicht die einen Beitrag an die Einsparung liefernde dezentralisierte Aus-nutzung der Sonnenheizung gemeint.

Der Energiebedarf wird in Zukunft steigen, selbst bei Nullwachstum. Die Rohstoffkrise allein verursachtmit Recycling und Aufrechterhalten des Rohstoffinventars bis zu 3T5 kW/Kopf Mehrbedarf (heutiger CH-Ver-brauch ca. 3,6 kW/Kopf).

3. Verbundstruktur als Mittel zur höheren Effizienz der Ausnützung, Umweltschonung und Erschliessung al-ternativer Energiequellen. Die Kopplung elektrischer Energie mit einem synthetischen chemischen Energie-träger stellt die Speicherfähigkeit und Transportfähigkeit von Elektrizität in bisher Erdöl vorbehalte-nen Anwendungen sicher und erlaubt, den Anteil an elektrisch erzeugter Energie am Gesamtbudget stark zuerhöhen. Die Ausnutzung der Abwärme zu Heizzwecken ist ein Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Umwelt-schonung.

10 KKW à 1 GW (elektrisch) könnten um 25% des Gesamtenergiebedarfs zusätzlich als Heizwärme abgeben. Ko-stengünstig ist die notwendige Fernheizinstallation auch: ca. 1 Mia SFr. (1973) pro KKW; jedoch nur beieiner ei ni germassen rationellen Bauweise (Bauzeit kleiner als 5T10 Jahre)', bei einer stückchenweisen Re-alisierung mit Bauzeiten über 20T30 Jahren liegen die Kosten so hoch, dass man genau so wirtschaftlichweiter die OPEC-Rente bezahlen kann.

Die Aufbauphasen einer solchen Verbundwirtschaft zur Substitution von 50f70 % des Verbrauchs an Erdölde-rivaten sind in folgenden Etappen zu sehen:

a) Ausbau der KKW zur Erzeugung elektrischer Energie. Parallel dazu Elimination individueller Oelheizun-gen durch regionale Heizkraftnetze auf fossiler Basis; Zeitraum 10 Jahre. Ab sofort.

b) Ergänzung der Elektrizitäts-Wirtschaft zu einer Elektrizitäts-Wasserstoffwirtschaft. Zusammenschlussder regionalen Fernheiznetze und Anschluss an KKW zur direkten Abwärmenutzung. Ab 1980.

Dies alles stellt für CH eine Investition von ca. 30 Mia SFr. (1973) dar. Man vergleiche die Tabelle CH-Volkswi rtschaft.

Aus diesen drei Hauptelementen leiten sich sodann die dazu relevanten Forschungsrichtungen ab, nämlich:

1. Kernenergie: Brennstoff-Zyklus , Materialtechnologie

2. Verbundwirtschaft: grosstechnische Realisierung von Energieumwandlung und Verteilung. Material/Sy-stemtechnik.

3. Alternative künftige Energiequellen, Fusion, Sonne etc. Schwerpunkt Materialtechnologie.

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Tabelle: Volkswirtschaft der Schweiz. Schlüsselzahlen in Mia. SFr.

geschätzt73/74 78

Bruttosozialprodukt 130 145

Staatl. Defizite - 2 - 8Staatl. Anteil total 44 60Staatsbetriebe 6 16

AHV/IV 8 12davon aus Staatshaushalt 2,4 4

Krankenkassenprivat 3 0,5staatl. - 4

Iniandinvesti tionen : 37 34langjähriges Minimum zurExistenzsicherung Europa26% von GNP: 34 36

Erdöl importeDifferenz seit 1.4.73 3 4,5

Jahresrate 3 (für 10 Jahre)Nuklear-Substitutionfür Erdöl(incl. Fernheizung/H^-Gas)

Energiekonsum

Aufteilung

Bild 1: Mögliche Verbrauchsentwicklung bei gezielter Substitution

Ausgehend von der historischen Entwicklung bis 1973 ist die mögliche Erdölsubstitution durch dasvorgeschlagene Verbundsystem Kernenergie - Fernheizung - Wasserstoff dargestellt.

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Prognose der Erdölversorgung

USAUSSRGBN

West-EuropaJapan

OPEC

100%

1980 1990 2000

^ Imp.+ Subst.

eigenes Oel

Import

SubstitutionundEinsparungeigenes Oel

1970 1980 1990 2000

Bild 2: Regionale Differenzierung der Prognose der Erdölversorgung,wie sie sich aus der geopoliti sehen Lage und den Erdölvor-kommen ergibt.

Tabelle alternativer Energiequellen

Quelle Sub-

stit.Energie-dichte

Infra-struktur

ReifePoten-tial

Sonne

Strahlung

Meerwärme

Grönland

Wind

L

(Q) L

L

L

100 W/m2

1 W/m2

(Wasser-kraftw.)H10W/m 2

SpeicherungVerbund

TransportVerbund

TransportVerbund

Speicherung

30a *)

30a *)

10 a

0

00

1 TW

negl.

Gezeiten L Kosten:

4 x KKWTransportVerbund

0 0,05 TW

Erdwärmethermisch

Fission

(L) Q

L Q

1 W/m2

(Kern-kraftw.)

TransportVerbund

Verbund

0

0

1 TW

Fusion L Q (Kern-kraftw.)

Verbund 30a °) »

Legende

L ArbeitQ Wärme» >100 TW nach >30a. Weltverbrauch 1975 zum Vergleich: 8 TW*) Materialintensiv. Zwar ist Materialproblem im Prinzip gelöst.°) Materialproblem auch im Prinzip nicht gelöst.

Zum Vorschein kommt die Bedeutung einer Verteil- und Speicher-Infrastruktur für praktisch allewichtigen Alternativen.

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Verbundsysteme Kernenergie - Fernheizung - Wasserstoff

Legende

A Atomkraftwerk - Komplex

Atomreaktor

H 2 - Elektrolyse - Werk

Gasometer

Elektrizität

Fernheizung

H H2 - Pipeline

P Wärmepumpe

S Aquifer - Speicher

W Wasserkraftwerk

Bild 3: Prinzipschema des Verbundsystems Elektrizität - Fernheizung - Wasserstoffzur graduellen Substitution von Erdöl auf Kernenergiebasis.

Im Endzustand könnte auf diese Weise in CH vom Energiebudget gedeckt werden:

10% Hydraulische Elektrizität25% Elektrizität aus KKW25% - 50% Fernheizung aus KKW25% - 0% Erdöl15% Wasserstoff

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Energiekrise: Vorgänge und Zeitkonstanten

OPECMonopol -aktionen

Frlihpl anungder Energie-wirtschaft

2a

Devisen-balance-Störung

2a

Vorausaktionender Industrie

T = 2x3a

StaatlicherZwangshaushalt"Kriegswirtsch. "

= H 3 a

Industrielle Umstellungreduziert Oel-Abhängigkeit

BeschleunigteRealisation

Substitution

T =

OECDProsperität

1Kernkraft-

kontroverseKernkraft-

kontroverse

rlOa = la v

Schema: Mögliches Ablaufschema der Bewältigung der Erdölkrise und Rückwirkung auftretender Widerstände(Vergleiche Bild 2 als Hintergrund).Zeitverzögerung r in Jahren

PD Dr. W. Seifritz

Zum Vortrag: "Die Wasserstoffwirtschaft - eine mögliche Alternative zur Fossilienwirtschaft".

Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

Das Thema dieses Podiumgesprächs hat die Lieberschrift "Energie für die Zukunft".

Die Kernenergie wird in Form von Kernkraftwerken zweifelsohne eine hervorragende Rolle bei den zukünf-tigen Primärenergiequellen spielen.

Gegenwärtig werden in praktisch allen industrialisierten Ländern Pläne und Strategien ausgearbeitet, ummit Hilfe von Kernreaktoren den Anteil der Elektrizität am Energieverbrauch anteilhaft zu erhöhen, um soden hohen Oelverbrauch eindämmen zu können.

Unser Nachbar Frankreich will z.B. in den nächsten 10 Jahren, also bis 1985, den Anteil des Erdöls amEnergieverbrauch von gegenwärtig 66% auf 40 Prozent senken. Zur gleichen Zeit soll der Anteil der Atom-energie von 3% auf 25% erhöht werden. Andere Industrienationen, wie z.B. die BRD, Japan und die USAhaben ähnlich ehrgeizige Pläne.

In meinem Vortrag habe ich versucht, Ihnen zu zeigen, dass zukünftige Kernreaktoren in einer späterenPhase neben dieser Produktion von Elektrizität auch synthetisches Gas und für Fernheizzwecke nutzbare,hochwertige Abwärme liefern können.

Wasserstoff, als vollsynthetisches Gas zunächst durch Wasserelektrolyse und später durch Thermolyse mit-tels Hochtemperatur-Prozesswärme gewonnen, bietet sich wegen seiner besonderen Umweltfreundlichkeit undSpeicherbarkeit neben der Elektrizität als Energieträger an. Dies insbesondere für ein Land wie dieSchweiz, das keinerlei fossile Energiequellen besitzt. So ist es für uns auch nicht möglich, an Kohle-vergasungsprozesse und die Aufbereitung von Teersanden zu denken, wie es Herr Dr. Stucky am Beispiel Ka-nadas aufgezeigt hat.

Ich hatte versucht, Ihnen auch klar zu machen, dass Wasserstoff keine neue Energiequelle ist, sonderndass dieses Gas ein besonders vorteilhafter Energieträger ist, der aus allgegenwärtigem Wasser herge-stellt wird und über die Biosphäre problemlos rezykliert werden kann. Als Primärenergiequelle habe ichIhnen ein gegenwärtig stark diskutiertes, sog. symbiotisches System von Brut- und Hochtemperaturreakto-ren vorgestellt, das es erlaubt, in optimalster Weise die Uran- und Thoriumreserven, deren Energiein-halt praktisch unbegrenzt ist, auszubeuten.

Damit bietet sich eine Energiewirtschaft in einer Vorwärtsstrategie an, dessen primäre Energiequelle dieKernenergie liefert und dessen Energieträger auf der Trilogie: Elektrizität, Wasserstoff und Fernwärmebasiert. Die Elektrizität spielt dabei die R o He des Trägers der edelsten oder entropieärmsten Energie-form für Kraft, Licht usw; Wasserstoff wäre der Träger chemisch latenter Energie, insbesondere für dieIndustrie z.B. Kunstdüngerproduktion über die Ammoniaksynthese, Eisenerzreduktion, Flugpetrolersatz usw.Letztlich wäre die Fernwärme der Träger der niederwertigsten oder entropiereichsten Form der Energie mitWasservorlauftemperaturen um 120°C in den Fernwärmenetzen. Die Errichtung eines nuklear beheizten Fern-heiznetzes ist für uns von ganz besonderer Wichtigkeit, da, wie Sie wissen, die Raumheizung rund 50%der Erdöl einfuhren in Anspruch nimmt. Hier bietet sich daher der erste Ansatzpunkt, um die 80%-ige Ab-hängigkeit im Primärverbrauch vom Erdöl längerfristig zu senken.

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Energie, meine Damen und Herren, ist der Lebenshauch einer Industriegesellschaft. Es besteht weltweitein linearer Zusammenhang zwischen dem spezifischen Bruttosozialprodukt, also der Höhe des Lebesstan-dards, und der installierten spezifischen Primärenergieleistung. Ohne Energie gibt es keine menschlicheZivilisation und auch jene immateriellen Güter nicht, die wir unter dem Begriff "Kultur" zusammenfassen.Gerade heute ist das Energieproblem wieder stark in den Vordergrund gerückt und wird viel diskutiert,vielmals auch von Leuten, die recht abstruse und weltfremde Vorstellungen in dieser Beziehung haben.

Es bedarf heute mehr denn je einer realistischen Betrachtungsweise auf diesem Sektor. Die Kerntechnikbietet zur Lösung des Energieproblems heute eine praktikable, ökonomische und umweltfreundliche Antwortan.

Dr. G. Stucky

Zum Vortrag: "Die Zukunft der Kohlenwasserstoffe".

Verzichtet aus Zeitgründen auf eine Zusammenfassung des Vortrages und beantwortet stattdessen eine Frageaus dem Publikum betreffend Energiesparmassnahmen durch bessere Isolation von Wohnräumen und Arbeits-plätzen.

1. Energiesparmassnahmen lassen sich meistens nicht kurzfristig anberaumen - wie vieles andere in derEnergiepolitik auch -, sondern zeigen ihre Wirkungen erst nach einer gewissen Zeit. Dies gilt auch füreine verbesserte Isolation von Wohnräumen und Arbeitsplätzen, namentlich jetzt, wo der Wohnbau eher zu-rückgeht.

Ausserdem sollte man bei der Isolation nicht nur vom K-Wert ausgehen, sondern ebenso von der Luftumwäl-zung (dem sog. N-Wert). Eine Studie der EMPA im Auftrag der Eidg. Kommission für Lufthygiene hat klarnachgewiesen, dass die Luftumwälzung ebenso stark den Energieaufwand beeinträchtigt wie die Isolation.

2. Langfristig wird die Fernwärme-Heizung in den Agglomerationen eine bedeutende Rolle spielen, dochmuss man sich bewusst bleiben, dass die Umstellung enorm kapital- und arbeitsintensiv ist. Das Kapitalfehlt zurzeit bei der öffentlichen Hand, um den Ausbau zügig vorzunehmen; auf der Arbeitsseite hat eineUeberschlagsrechnung ergeben, dass z.B. der Anschluss sämtlicher Häuser in der Stadt Zürich zwei Ar-beitstrupps voll bis ins Jahr 2040 beschäftigen würde. Dazu kommt das politische Problem, nämlich, dassder Widerstand gegen Kernkraftwerke in unmittelbarer Nähe von Städten besonders ausgeprägt ist.

Auch technisch ergibt sich die Schwierigkeit, dass bei der Elektrizitätserzeugung in Leichtwasserreakto-ren nur lauwarmes Wasser anfällt, das sich für die Fernheizung nicht eignet.

Voraussetzung eines wirtschaftlichen Betriebs ist schliesslich eine relativ hohe Wohndichte, die nur inden Agglomerationen gegeben ist.

Prof. H. Weber

Zum Vortrag: "Laser - ein Beitrag zur Lösung der Energieprobleme ?"

In allen grossen Industrienationen werden erhebliche Mittel in die Laserforschung gesteckt. Neben zahl-reichen militärischen Anwendungen, die bereits realisiert worden sind oder in nächster Zeit realisiertwerden, gibt es zwei sehr interessante Anwendungen in ferner Zukunft, die für die Erzeugung von Energievon grösster Bedeutung sind: - Isotopentrennung

- laserinduzierte Fusion.

Schmalbandige, abstimmbare Laser mittlerer Leistung können zur Isotopentrennung eingesetzt werden. DasPrinzip wurde bereits in zahlreichen Labors demonstriert; ungewiss ist noch, ob eine technische Reali-sierung der Laser-Isotopentrennung wirtschaftlich ist und mit dem konventionellen Isotopentrennverfahrenkonkurrieren kann. Vielversprechend bei der Laserisotopentrennung sind der geringe Energieaufwand undder hohe Anreicherungsgrad.

Die laserinduzierte Fusion zur Energieerzeugung wird, wenn überhaupt, sehr viel später realisiert werdenals die Laserisotopentrennung. Zwar ist es in mehreren Labors gelungen, mit dem Laser Kernfusionsreakti-onen einzuleiten, aber von einer Energieerzeugung ist man noch weit entfernt. Folgende Probleme stellensich:- wird es Laser im grünen Spektralbereich mit hohem Wirkungsgrad (< 10%) und genügend Ausgangsenergie

(105 Joule) geben?- Wird es gelingen, diese Energie in ein Deuterium-Plasma hineinzubringen und auf die notwendigen Tempe-

raturen aufzuheizen?

Beide Fragen können z.Z. nicht beantwortet werden, und es gilt das gleiche, wie bei der Laserisotopen-trennung. Die Laserfusion kann von den physikalischen Prinzipien her realisiert werden. Ob es technischeLösungen gibt, ist ungewiss.

So kann die anfangs gestellte Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Sicher ist nur, wenn der Lasereinen Beitrag zur Lösung der Energieprobleme liefert, dann erst in 20-30 Jahren.

Energie für die Zukunft - Podiumsgespräch - Vorlesung Krieg im Aether 1974/1975 (ETH Zürich) HAMFU History

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Einführung in die Diskussion

Prof. H. Gränicher

Das Problem der Energieversorgung ist nicht nur sehr komplex, weil es von vielen Einflussfaktoren ab-hängt, sondern auch sehr schwierig, weil sich Entscheidungen auf diesem Gebiet nur langsam realisierenlassen. Die Diskussion soll sich nicht auf die spärlichen kurzfristig zu verwirklichenden Massnahmenkonzentrieren, sondern auf Fragen der mittel- bis langfristigen Politik.

Ferner wird vorgeschlagen, nicht eine Diskussion um die zu treffende politische Entscheidung zu führen,sondern ein politisches Postulat an den Anfang zu stellen und dann die Podiumsdiskussion über die Frage"Wie?" zu führen, d. h. über das Problem der wissenschaftlich-technischen Massnahmen, welche die Ver-wirklichung des Postulats erst ermöglichen.

Das auch in unserer Oeffentlichkeit oft erhobene politische Postulat lautet:

"Die Energierversorgung der Schweiz ist so zu entwickeln, dass - so rasch als möglich, spätestens biszur Wende des Jahrtausends - sich die heutige, extrem starke Auslandabhängigkeit (ca. 80% der Primär-energie ist heute Erdöl und -Gas) wesentlich verkleinert".

Zur Begründung des Postulats halte man sich kurz vor Augen:

a) Die gegenwärtige Situation impliziert eine unerwünschte aussenpolitische Abhängigkeit, welche im Konfliktfall als Mittel politischer Erpressung dienen kann. Denkbar wäre die Lage, dass die weltweit wich-tigsten Erdölvorkommen des Nahen Ostens in den ausschliesslichen Einflussbereich einer einzigen, ag-gressiv orientierten Grossmacht gelangen.

b) Die wirtschaftliche Situation bildet bezüglich Erdöl-Versorgung eine Zwangslage:

Entweder gibt man einem wachsenden Preisdruck der Förderländer nach, gleich wie - angenommen - die librigen Verbraucherländer. Damit verschiebt sich zwar die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft gegenüberden anderen erdölabhängigen Industrieländern in erster Näherung nicht; aber der rasch anwachsende Mit-telabfluss an harter Währung führt zu einem "wirtschaftlichen Ausverkauf der Heimat".

Oder man widersetzt sich dem Preisdruck, bevor alternative Primärenergiequellen genügend erschlossensind. In diesem Falle müssten drastische Verbrauchseinschrändkungen im privaten sowie im wirtschaftli-chen Bereich hingenommen werden. Zunächst mag diese Senkung des Lebensstandards noch tragbar scheinen.Die Massnahmen besitzen aber eine negative Rückkopplung: Weniger Energie für unsere Wirtschaft bedeuteteinen Verlust an Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit und damit einen Verlust an Arbeitsplätzen. Damitaber verschlechtert sich unsere Aussenhandelsbilanz, d.h. uns fehlen die Mittel in Fremdwährung, um dieunerlässl iche Primärenergie im Ausland kaufen zu können. Ein circulus vitiosus.

Die möglichen Massnahmen zum Problem der Diskussionsfrage "Wie kann man die Auslandabhängigkeit min-dern?" sind einteilbar in Massnahmen zur Energiekonservation und solche zur Diversifikation primärer Energi equel 1 en.

Unter den Begriff "Energiekonservation" fallen die Massnahmen zur Energie-Einsparung sowie zur rationelleren Verwendung bei gleichbleibendem Nutzeffekt. Die Wärmedämmung ist beispielsweise solch eine Mass-nahme.

Dieversifikation primärer Energiequellen ist die Umstellung vom bisherigen Erdöl und -Gas auf neue, an-dersgeartete, namentlich

- Nuklearenergie aus Spaltreaktoren- Nuklearenergie aus Fusionsreaktoren- andere, unkonventionelle Energiequellen