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3 / 2009 Die technische Zeitschrift des ABB-Konzerns www.abb.com/abbreview ABB Technik a Herausforderung Klimawandel Seite 6 Lösungen für ein effizientes Netzmanagement Seite 33 100 Jahre Hochspannungsdurchführungen von ABB Seite 66 Energie- versorgung

Energie- versorgung - ABB · 2018. 5. 10. · einen aktuellen Einblick in die Funktionsweise der Energie-versorgung von heute und morgen geben und Ihnen das Engagement von ABB für

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Page 1: Energie- versorgung - ABB · 2018. 5. 10. · einen aktuellen Einblick in die Funktionsweise der Energie-versorgung von heute und morgen geben und Ihnen das Engagement von ABB für

3 / 2009

Die technische Zeitschrift des ABB-Konzerns

www.abb.com/abbreview

ABBTechnik

a

Herausforderung Klimawandel Seite 6

Lösungen für ein effizientes Netzmanagement Seite 33

100 Jahre Hochspannungsdurchführungen von ABB

Seite 66

Energie-versorgung

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Auf dem Weg in eine kohlenstoff-ärmere und nachhaltigere Zukunft spielen Stromnetze eine wichtige Rolle. Sie müssen nicht nur in der Lage sein, erneuerbare Energiequellen mit einem naturgemäß schwankenden und schwer prognostizierbaren Energiedargebot wie Sonne und Wind einzubinden, sondern sie müssen diese Energie auch auf effiziente Weise von den häufig entlegenen Standorten der Gewinnung zu den Verbrauchern transportieren können.

Diese Ausgabe der ABB Technik befasst sich mit einigen Technologien, die dabei halfen, die Effizienz, Zuver-lässigkeit und Sicherheit der Energie-versorgung zu erhalten und auszu-bauen, damit auch in Zukunft die Lichter nicht ausgehen, wenn die Sonne untergeht.

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3ABB Technik 3/2009

Editorial

Für uns ist es nahezu selbstverständlich, dass jeder Raum eines Gebäudes mit Steckdosen und elektrischem Licht ausgestattet ist. Doch es ist nicht nur diese Allgegenwart, die das elektrische Netz von allen anderen Strukturen abhebt, die der Mensch geschaffen hat (mit Ausnahme vielleicht der Funkkommunikation), sondern auch seine extrem hohe Verfügbarkeit: Wir erwarten, dass das Licht angeht, wann immer wir es wünschen. Für die Netzbetrei-ber bedeutet dies, dass das Angebot strikt der Nachfrage folgen muss.Hinsichtlich der Funktion des elektrischen Netzes findet zurzeit ein fundamentaler Paradigmenwechsel statt. Einer der Gründe hierfür ist die verstärkte Nutzung alternativer Energiequellen mit schwankendem und schwer prognosti-zierbarem Energiedargebot wie Wind und Sonne, die häufig in großer Entfernung von den Verbrauchsschwerpunkten in Gegenden zu finden sind, in denen die vorhandene Netz-infrastruktur zu schwach ist, um die zusätzlichen Lastflüsse zu bewältigen. Hinzu kommt, dass immer mehr Verbrau-cher die Herkunft ihres Stroms bestimmen können, was wiederum den Transport der Energie über größere Entfer-nungen erfordert.Das Netz von morgen wird oft als „intelligentes Netz“ bezeichnet. Vorangetrieben wird dieses Konzept vor allem durch Fortschritte in der Leistungselektronik und Automati-sierung. Im Netz der Zukunft wird es keine einseitige Beziehung zwischen Erzeugung und Bedarf geben, bei der sich die Erzeugung nach dem Bedarf richtet, sondern vielmehr eine Wechselbeziehung zwischen beiden Seiten, bei der Maßnahmen wie Energiespeicherung und der versorgungsabhängige Einsatz von Anlagen eine umwelt-schonendere und wirtschaftlichere Nutzung der Erzeu-gungs- und Übertragungsinfrastruktur ermöglichen.Da sich voraussichtlich eine der kommenden Ausgaben der ABB Technik schwerpunktmäßig mit dem Thema „intelli-gente Netze“ befasst, wird das Thema in dieser Ausgabe nur zum Teil behandelt. Dennoch stehen viele der hier vorgestellten Technologien entweder direkt oder indirekt damit im Zusammenhang.Um größere Lastflüsse bewältigen zu können, muss die Stabilität des Netzes durch geeignete Technologien gewähr-leistet werden. HVDC Light® bietet nicht nur zusätzliche Übertragungskapazität, sondern sorgt auch für eine bessere Stabilität und Regelbarkeit von bestehenden Übertragungs-korridoren. In vielen Fällen kann die Übertragungskapazi-tät sogar um mehr als die zusätzlich installierte Leistung erhöht werden.

Ein bedeutender Aspekt des Netzes von morgen ist eine deutlich verbesserte Regelbarkeit, die durch eine Vielzahl von Mess- und Überwachungspunkten und entsprechende Stellelemente sichergestellt wird. So könnte durch die un-mittelbare Lokalisierung und Behebung von Störungen zum Beispiel ein „selbstheilendes“ Netz realisiert werden. Außer-dem lassen sich durch die kontinuierliche Überwachung einzelner Betriebsmittel über längere Zeiträume hinweg Instandhaltungsarbeiten besser planen. Bei Störfällen (zum Beispiel nach einem Sturm) können entsprechende Systeme dabei helfen, Schäden zu lokalisieren und die Entsendung von Reparaturmannschaften unterstützen, sodass die Zeit bis zur Wiederherstellung des normalen Netzbetriebs er-heblich verkürzt wird. Die Bereitstellung großer Datenmen-gen kann jedoch ein Leitsystem vor große Herausforderun-gen stellen und zu einer Datenüberflutung führen, in der wichtige Informationen verloren gehen. Ebenso wichtig wie die Messungen selbst ist daher eine Strategie zu deren Verarbeitung, bei der die Daten auf möglichst niedriger Ebene in Informationen umgewandelt werden. Mehrere Artikel in dieser Ausgabe der ABB Technik befassen sich mit diesen und damit verbundenen Aspekten.Weitere energiebezogene Themen sind das Management einer Flüssigerdgasanlage vom LNG-Empfangsterminal bis zum Erdgas-Verteilnetz sowie die Bedeutung von Standards für den Wirkungsgrad von Motoren. Letztere bieten dem Kunden eine bessere Transparenz im Hinblick auf die Beurteilung der Lebenszykluskosten und CO

2-Bilanz ihrer

Anlagen.In der Rubrik „Pionierleistungen“ befassen wir uns diesmal mit der 100-jährigen Erfahrung von ABB in der Herstellung von Durchführungen und deren Anpassung an immer höhere Spannungen.Wir hoffen, Ihnen mit dieser Ausgabe der ABB Technik einen aktuellen Einblick in die Funktionsweise der Energie-versorgung von heute und morgen geben und Ihnen das Engagement von ABB für mehr Effizienz, Zuverlässigkeit und Sicherheit näherbringen zu können.

Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen

Peter TerwieschChief Technology OfficerABB Ltd.

Gestaltung des Stromnetzes von morgen

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4 ABB Technik 3/2009

ABB Technik 3/2009Energieversorgung

Inhalt

Energie und Umwelt

6Herausforderungen und ChancenMöglichkeiten zur Bewältigung des Klimawandels

11Lenkung des GasflussesVerbesserung von LNG-Prozessen mithilfe der

ABB-Systeme SCADA Vantage und System 800xA

Energieübertragung und -verteilung

17Effizienter WiederaufbauFeld- und leitstellenbasierte Wiederversorgung in

Verteilnetzen

23Leistung macht den UnterschiedDie HVDC-Light®-Technologie erreicht 1.100 MW

27Das Gleichgewicht der KräfteIntegration von HVDC Light® in fortschrittliche

Übertragungsnetze

33Effizientere NetzeReduzierung der Energieverluste und Spitzenlasten

durch Spannungs- und Blindleistungsoptimierung

38Informationen statt DatenAutomatische Erkennung und Meldung von Ereignissen

in Verteilnetzen in Echtzeit

45Netzmanagement für VerteilnetzeInnovative Netzleitstellen für die Verteilnetze von morgen

Effizienz und Normen

50In HarmonieEntwicklung globaler Energieeffizienz-Normen

56OPC UADer zukünftige Standard für Kommunikation und

Informationsmodellierung in der Automatisierung

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ABB Technik 3/2009

6

17

23

62

62ÜbersetzungshilfeKostengünstiges Anlagen-Engineering durch die

intelligente Integration von Subsystemen

Pionierleistungen

66Hochspannungsdurchführungen100 Jahre technischer Fortschritt

www.abb.com/abbreview

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Mache bezeichnen es als „Katastrophe in Zeitlupe“. Die Auswirkungen sind bereits deutlich spürbar, doch die wahre Bedrohung wird uns wohl erst in ein paar Generationen treffen. Seit Jahrzehnten tragen Wissenschaftler Beweise zusammen, doch noch bis vor Kurzem hat die Gesellschaft gezögert, gegenzu-steuern. Mittlerweile ist der Klimawandel in aller Munde, und Regierungen rund um den Globus leiten Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissio-nen ein. Doch die Herausforderungen sind enorm: Die Welt gleicht einem Supertanker, der direkt auf ein Riff zusteuert. Eine schnelle, aber schwierige Wende ist dringend erforderlich.Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine langfristige Aufgabe, die bedeuten-de Veränderungen seitens der Industrie und der Gesellschaft bei der Erzeugung und Nutzung von Energie und Elektrizität erfordert. ABB hat sich dazu verpflich-tet, ihren Kunden durch die Bereitstellung einer breiten Palette von Produkten, Systemen und Dienstleistungen dabei zu helfen, eine effizientere Energienut-zung und eine Reduzierung der Umweltbelastung zu ermöglichen. Ein weiteres Ziel von ABB ist es, den Energieverbrauch des Konzerns pro hergestellter Einheit im Laufe der nächsten zwei Jahre um 5 % zu senken.

Herausforderungen und ChancenMöglichkeiten zur Bewältigung des KlimawandelsAnders H. Nordstrom

6 ABB Technik 3/2009

Energie und Umwelt

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7ABB Technik 3/2009

Herausforderungen und Chancen

Energie und Umwelt

einen Anstieg der durchschnittlichen Oberflächentemperatur der Erde um 1,1 bis 6,4 °C bis zum Ende dieses Jahr-hunderts.

Abschwächung als HerausforderungUm die Gefahren des Klimawandels zu minimieren, plädieren die Europäische Union (EU) und andere Länder seit Langem für eine Begrenzung des globa-len Temperaturanstiegs auf 2 °C gegen-über dem vorindustriellen Wert. Dazu ist eine Stabilisierung der Treibhausgas-konzentration in der Atmosphäre auf deutlich unter 450 ppm CO

2-Äquivalent2)

erforderlich.

Angesichts der derzeitigen Entwicklung der globalen Emissionen stellen diese 450 ppm ein anspruchsvolles Ziel dar. Bei einer Fortsetzung der gegenwärtigen Praxis (Business-as-usual-Szenario) geht die Internationale Energieagentur (IEA) von einem starken Anstieg der energie-bezogenen Treibhausgasemissionen in absehbarer Zukunft aus: So wird der globale Primärenergiebedarf im Jahr 2030 gegenüber heute um 45 % anstei-gen, wobei 80 % des Energiemix noch immer aus fossilen Brennstoffen gewon-

Klimadaten konserviert. Durch Unter-suchung der chemischen Zusammen-setzung der tief unten im Eis einge-schlossenen Luftblasen kann die CO

2-

Konzentration zu einer bestimmten Zeit ermittelt werden. Die durchschnittliche Temperatur der betreffenden Zeitspan-ne lässt sich durch Messung des Verhält-nisses zwischen verschiedenen Sauer-stoffisotopen im Eis bestimmen. Die Massenspektroskopie ermöglicht eine sehr genaue Bestimmung dieses Verhält-nisses und lässt sogar die Erkennung saisonaler Schwankungen zu. Bis heute haben Untersuchungen von Eisbohr-kernen Informationen über mehrere hunderttausend Jahre Klimageschichte offenbart.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird die durchschnittliche Temperatur an der Erdoberfläche mithilfe von Messauf-zeichnungen bestimmt. Die regelmäßige Messung der CO

2-Konzentration in der

Atmosphäre begann im Jahr 1958 auf Hawaii, und die bisher gesammelten Daten zeigen eine Zunahme der CO

2-

Konzentration sowie charakteristische saisonale Schwankungen 1 .

Heute werden fortschrittliche Compu-termodelle verwendet, um zukünftige Klimaänderungen vorauszuberechnen. Dabei wird versucht, mithilfe der Modelle möglichst viele der relevanten physikalischen Vorgänge abzudecken und gekoppelte allgemeine Zirkulations-modelle für die Atmosphäre und Ozeane mit Modellen für Meereis und Landeis zu kombinieren. Das IPCC hat solche Modelle auf verschiedene Emissions-szenarien angewandt und prognostiziert

Dass die globale Erwärmung zunimmt, ist allgemein bekannt.

In den letzten hundert Jahren haben Meteorologen einen Anstieg der Tempe-ratur an der Erdoberfläche von 0,74 ±0,18 ºC festgestellt. Gleichzeitig ist die CO

2-Konzentration in der Atmosphäre

von 280 ppm (Parts per Million; Teile pro Million) vor der industriellen Revo-lution bis heute auf fast 390 ppm gestie-gen. Dieser Wert übertrifft bei Weitem die natürliche CO

2-Konzentration in der

Atmosphäre über die letzten 650.000 Jahre und ist vollständig auf mensch-liche Aktivität zurückzuführen. Der Hauptgrund für diesen Anstieg, der jedes Jahr um 2 ppm zunimmt, liegt in der Verbrennung fossiler Brennstoffe.Der Weltklimarat IPCC1) (Intergovern-mental Panel on Climate Change) ist zu dem Schluss gekommen, dass ein Groß-teil des beobachteten Temperaturan-stiegs seit Mitte des 20. Jahrhunderts mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Anstieg der Treibhausgaskonzentratio-nen zurückzuführen ist. Diese Schluss-folgerung basiert auf Tausenden von Studien, die von Wissenschaftlern unter-schiedlicher Disziplinen überall auf der Welt durchgeführt wurden.

Klimageschichte und PrognosenDie Natur hat ihre eigene Klimageschich-te auf verschiedene Art archiviert, und Wissenschaftler haben Methoden ent-wickelt, diese Daten zu untersuchen und zu interpretieren. So können histo-rische Temperaturen z. B. aus der Breite der Jahresringe von Bäumen und dem Wachstum von Korallen abgeleitet wer-den, und auch in den Eisschichten der Arktis und Antarktis sind wertvolle

Fußnoten1) Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des IPCC

werden von Wissenschaftsakademien in vielen

Ländern unterstützt.2) Das heutige CO2-Äquivalent liegt bereits bei etwa 455

ppm, wenn fünf andere anthropogene Treibhausgase

mit berücksichtigt werden. Es wird jedoch angenom-

men, dass diese zusätzliche Erwärmung durch Fein-

staub in der Atmosphäre und Ozon in der Troposphäre

weitgehend kompensiert wird, sodass sich eine effek-

tive CO2-Konzentration von etwa 387 ppm ergibt.

2 IEA-Emissionsszenarien

CO2-Emissionen (Gt)

Quelle: IEA, WEO 2008

Aktueller Trend

40

30

202000 2010 2020 2030

450-ppm-Szenario

Energie-effizienz

23%

14%

9%

Erneuerbare Energien und Biokraftstoffe

Kernenergie

CCS*

* CO2-Abscheidung und -Speicherung

54%

Jahr

1 Kontinuierlicher Anstieg der CO2-Konzentrationen

CO2-Konzentration am Mauna Loa im monatlichen Mittel

Teile

pro

Mill

ion

(ppm

)

Jahr

390

388

386

384

382

380

378

3762005 2006 2007 2008 2009 2010

Apr

il 20

09

Quelle: http://www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/trends/

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8 ABB Technik 3/2009

Herausforderungen und Chancen

Energie und Umwelt

weltweiten jährlichen Bruttoinlandspro-dukts (BIP). Gleichzeitig können sowohl die Betriebs- als auch die Energiekosten durch eine verbesserte Energieeffizienz gesenkt werden.

McKinsey & Company hat eine umfang-reiche Studie zum Emissionsreduktions-potenzial und zu den damit verbundenen Kosten für mehr als 200 Technologien aus 10 verschiedenen Bereichen durch-geführt, die alle relevanten Emissions-quellen (nicht nur energiebezogene) in 21 verschiedenen Regionen rund um den Globus abdeckt. Dabei fand das Unternehmen heraus, dass eine 70%ige Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber dem Business-as-usual-Szenario bis zum Jahr 2030 ebenso möglich ist wie eine Begrenzung des

das Ziel von 450 ppm selbst dann nicht eigenständig erreichen, wenn sie ihre Emissionen auf null senken würden.Das Szenario prognostiziert einen Anstieg des Primärenergiebedarfs von 22 % bis 2030 bei einem Anteil von fossilen Brennstoffen am Energiemix von 67 %3). Die energiebezogenen CO

2-

Emissionen werden im Vergleich zum Business-as-usual-Szenario um 37 % reduziert. Ganze 54 % der Einsparungen werden durch Maßnahmen zur Steige-rung der Energieeffizienz erzielt, wäh-rend erneuerbare Energien und Bio-kraftstoffe mit 23 % dazu beitragen. Die CO

2-Abscheidung und -Speicherung

(CCS) sowie die Kernenergie spielen ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der Emissionen 2 .

Umfangreiche Investitionen sind für die Umwandlung des Energiesystems erfor-derlich. Laut Schätzungen der IEA belaufen sich die durchschnittlichen Kosten hierfür bis 2030 auf 0,55 % des

nen werden. Dabei entfallen 97 % des Zuwachses auf die Nicht-OECD-Länder. Die IEA warnt vor den schwerwiegen-den und irreparablen Klimaschäden, die dieses Szenario mit sich ziehen wird.Die Sicherung einer bezahlbaren globa-len Energieversorgung zur Deckung eines stetig steigenden Bedarfs ohne einen übermäßigen Ausstoß von Treib-hausgasen ist eine große Herausforde-rung.

Die IEA hat ein Szenario entwickelt und analysiert, mit dem das Ziel der Stabili-sierung bei 450 ppm erreicht werden kann. Dazu ist jedoch ein entschlosse-nes und gemeinschaftliches Handeln zur Reduzierung der Treibhausgasemis-sionen erforderlich. Die Grundlage hier-für sind erfolgreiche internationale Klimaverhandlungen, bei denen sich alle Länder, insbesondere die Länder mit dem höchsten Ausstoß, zu einer Reduzierung der Emissionen verpflich-ten. Laut IEA können die OECD-Staaten

Fußnote3) Auch bei diesem Szenario spielen die fossilen Brenn-

stoffe für einen beträchtlichen Zeitraum eine dominie-

rende Rolle.

3 Globale Kostenkurve für die Vermeidung von Treibhausgasemissionen nach McKinsey (v 2.0)

Haushaltselektronik

Geringer Windenergieanteil

Gas CCS (Nachrüstung)

Kohle CCS (Nachrüstung)

Kohle CCS (Neubau)

Hoher Windenergieanteil

PhotovoltaikSolarthermie

Eisen & Stahl CCS (Neubau)

Plug-In-Hybridfahrzeuge

Wiederaufforstung

Kernenergie

Aufforstung Weideland

Rekultivierung Ödland

Effizienzsteigerung neue Gebäude

Biomasse-Mitverbrennung (Kraftwerke)

Vermeidung intensiver Landwirtschaft

Biokraftstoffe (2. Generation)

60

50

40

30

20

10

0

-10

-20

-30

-40

-50

-60

-70

-80

-90

-100

Vermeidungskostenin € per tCO2e

Vermeidungspotenzialin GtCO2e pro Jahr

Haushaltsgeräte

HLK Haushalte (Nachrüstung)Management Bodenbearbeitung und Ernterückstände

Dämmung Haushalte (Nachrüstung)

Vollhybrid-Fahrzeuge

Abfallrecycling

Rekultivierung organischer Böden

Geothermie

Graslandmanagement

Vermeidung Entwaldung durch Umwandlung in Weideland

Vermeidung Entwaldung durch Brandrodung

Kleinwasserkraftwerke

Reismanagement

Effizienzsteigerungen andere Industrien

Elektrizität aus Deponiegas

Klinkersubstitution durch Flugasche

Nährstoffmanagement Ackerland

Wirkungsgrad Motorsysteme

Dämmung Gewerbe (Nachrüstung)

Austausch Glühlampen gegen LEDs (Haushalte)

Anmerkung: Die Kurve stellt das maximale geschätzte Potenzial der verschiedenen technischen Maßnahmen zur Treibhausgasvermeidung unter 60 € pro tCO2e bei energischer Verfolgung der Möglichkeiten dar. Es handelt sich nicht um eine Prognose der Rollen, die die Vermeidungsmaßnahmen und – Technologien in Zukunft spielen werden. Quelle: McKinsey & Company

Biokraftstoffe (1. Generation)

5 10 15 20 25 30 35 38

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9ABB Technik 3/2009

Herausforderungen und Chancen

Energie und Umwelt

Nach dem sogenannten Bali-Aktionsplan, der vor zwei Jah-ren auf der COP-13 verabschie-det wurde, sind die Regierun-gen gehalten, ein weltweites Nachfolgeabkommen zu dem im Jahr 2012 auslaufenden Kyoto-Protokoll zu schließen.Über folgende Kernpunkte soll auf der COP-15 verhandelt werden: Die Höhe der Emissions-reduzierung, zu der sich die Industrieländer verpflichten müssen, sowie deren Finan-zierung

Angemessene Maßnahmen zum Klimaschutz für Schwellenländer, ins-besondere für China und Indien

Die Möglichkeit zur Erzielung einer zuverlässigen Vereinbarung über die Stabilisierung der Treibhausgaskon-zentrationen in der Atmosphäre bei 450 ppm CO

2-Äquivalent oder weniger

Der Erfolg der COP-15 hängt davon ab, ob akzeptable Kompromisse für diese Punkte gefunden werden und eine neue Vereinbarung getroffen wird. Doch auch ohne ein neues weltweites Abkommen sind viele Länder und Regi-onen bereits dabei, entsprechende Ziele und Vorschriften zur Reduzierung der Emissionen umzusetzen.Die Europäische Union (EU) gehört zu den eifrigen Verfechtern des UN-Prozes-ses zur Bekämpfung des Klimawandels und ist bereits seit einiger Zeit dabei, entsprechende klimapolitische Ziele und Vorschriften umzusetzen. Ihr wich-tigstes Werkzeug ist das Emissionshan-delssystem EU ETS (European Union Emission Trading System), das zurzeit 12.000 Anlagen aus dem Bereich der Stromerzeugung und einigen Bereichen der Industrie (und somit 50 % der EU-weiten Emissionen) umfasst. Das EU-Klimaschutzpaket 20-20-20 enthält unter anderem folgende Zielsetzungen bis zum Jahr 2020:

Reduzierung der CO2-Emissionen um

20 % gegenüber dem Ausstoß von 1990. Der Prozentsatz wird auf 30 % erhöht, wenn ein entsprechendes weltweites Klimaabkommen zustande kommt.

Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen kann einen erheblichen Beitrag zur Energieeinsparung leisten.

In der Industrie lassen sich ebenfalls erhebliche Einsparungen erzielen. Laut einem Bericht der IEA entfallen ein Drittel des weltweiten Energiever-brauchs und 36 % der CO

2-Emissionen

auf die industrielle Fertigung. Der Ener-gieverbrauch der Industrie ist in den vergangenen 25 Jahren stark gestiegen, wobei 80 % des Zuwachses in China zu verzeichnen sind. Die IEA hat für die Fertigungsindustrie ein jährliches Ein-sparungspotenzial von 25 bis 37 EJ4) (Exajoule) errechnet, wenn optimale Verfahrensweisen („Best Practices“) und bewährte Technologien5) eingesetzt werden. Dies entspräche einer 7- bis 12%igen Reduzierung der derzeitigen globalen CO

2-Emissionen.

Das größte Einsparungspotenzial in der Fertigungsindustrie bieten elektrische Antriebssysteme. Durch die Optimie-rung dieser Systeme ließen sich jährliche Einsparungen von 6 bis 8 EJ erzielen, was einem Viertel der weltweiten nuk-learen Stromerzeugung entspricht 4 . Maßnahmen zur Realisierung dieser Einsparungen sind unter anderem der Einsatz von Motoren mit hohen Wir-kungsgraden, die Verwendung von drehzahlgeregelten Antrieben zur Rege-lung der Motordrehzahl und ein geeig-neter Motorschutz, der den Einsatz von kleineren Motoren mit geringerer Leis-tung ermöglicht.

Verhandlungen und KlimapolitikZurzeit bereiten sich die Regierungen weltweit auf die 15. UN-Klimakonferenz (COP-15) vor, die dieses Jahr im Dezember in Kopenhagen stattfindet.

globalen Temperaturanstiegs auf unter 2 °C. Die Realisie-rung des gesamten Potenzials ist jedoch eine gewaltige Her-ausforderung, da der Erfolg von der Umsetzung nahezu aller identifizierten Möglich-keiten abhängt. Laut McKin-sey ist bei einer Verzögerung von 10 Jahren bei der Umset-zung der Maßnahmen eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 2 °C nicht mehr möglich. Die jähr-lichen Vermeidungskosten bis 2030 werden auf 1 % des pro-gnostizierten weltweiten BIP geschätzt. Übereinstimmend mit der IEA kommt auch diese Studie zu dem Schluss, dass ein Großteil der Anfangsinvestitionen durch zukünftige Energieeinsparungen kompensiert werden 3 .

EnergieeffizienzIn vielen Ländern ist die Energieeffizienz nach der Ölkrise in den 1970er Jahren deutlich gestiegen. Heutzutage wird in den Industrieländern für die Produktion einer BIP-Einheit 30 % Prozent weniger Energie benötigt als 1973. Dies ist das Ergebnis von Produktivitätsverbesserun-gen und dem Einsatz von energieeffizi-enteren und intelligenteren Produkten.

In den 1990er Jahren war die Steigerung der Energieeffizienz rückläufig, da die Energiepreise niedrig und stabil waren und bereits erhebliche Reduzierungen der Energieintensität erreicht worden waren. Wenn die Energiekosten nur einen Bruchteil der Gesamtkosten eines Unternehmens ausmachen, gerät die Energieeffizienz bei der Optimierung von Fertigungsprozessen und der Pro-duktleistung leicht in Vergessenheit.Heute hat das Thema Energieeffizienz in vielen Unternehmen einen hohen Stellenwert, und seine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Klimawandel ist all-gemein anerkannt.

Energieeinsparungspotenziale finden sich überall – zum Beispiel in der Elek-trizitätswirtschaft entlang der gesamten Versorgungskette von der Stromerzeu-gung bis hin zum Verbraucher. In öffentlichen und privaten Gebäuden kann der Energieverbrauch durch eine bessere Isolierung und die effiziente Steuerung von Heizungs- und Klima-systemen reduziert werden. Auch die

Footnotes4) 1 Exajoule (EJ) = 1018 Joule5) Mit einer Steigerung der Energieeffizienz um 18 bis 26 %

4 Energieeinsparungspotenzial in der Fertigungsindustrie: Motorsysteme bieten ernorme Möglichkeiten (Daten aus einem Bericht der IEA).

Motor-systeme

EJ/

Jahr

8

7

6

5

4

3

2

1

0Kraft-

Wärme-Kopplung

Dampf-systeme

Prozess-integration

VerstärktesRecycling

Energie-rück-

gewinnung

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10 ABB Technik 3/2009

Herausforderungen und Chancen

Energie und Umwelt

mehr als 1 % des konzernweiten Ener-giebedarfs verbrauchen. Außerdem hat sich ABB dazu verpflichtet, ihren Kun-den durch die Bereitstellung einer brei-ten Palette von Produkten, Systemen und Dienstleistungen dabei zu helfen, eine effizientere Energienutzung und eine Reduzierung der Umweltbelastung zu ermöglichen. So helfen zum Beispiel die fortschrittlichen IT-Systeme des Unternehmens zur Steuerung und Opti-mierung integrierter industrieller Prozes-se, elektrischer Energieversorgungsnetze und Gebäude dabei, Energie zu sparen und Emissionen zu reduzieren.Die Kopplung und Stärkung von Ener-gieversorgungssystemen durch Hoch-spannungs-Gleichstrom-Übertragungs-technologie (klassische HGÜ und HVDC Light®) und flexible Drehstrom-Übertragungssysteme (FACTS) ermögli-chen umfangreiche Einsparungen durch eine gleichmäßigere Lastverteilung, eine effiziente Nutzung von Primärenergie-quellen und eine höhere Versorgungs-qualität bei gleichzeitiger Reduzierung der CO

2-Emissionen. Darüber hinaus

unterstützen diese Technologien eine umfangreiche Einbindung erneuerbarer Energiequellen in die Stromnetze.

Die hocheffizienten Motoren und dreh-zahlgeregelten Antriebe von ABB tragen ebenfalls in erheblichem Maße zur Reduzierung der Emissionen bei. Im Jahr 2008 konnten durch den installier-ten Bestand an Niederspannungs-Antriebssystemen von ABB geschätzte 170 TW/h an elektrischer Energie einge-spart werden – eine Energiemenge die ausreichen würde, um den jährlichen Strombedarf von 42 Millionen Haushalten in der EU zu decken und den weltwei-ten CO

2-Ausstoß um etwa 140 Millionen

Tonnen im Jahr zu senken.Für ABB stellt der Klimawandel eine große Herausforderung und Chance zugleich dar. Getreu dem Motto „Power and productivity for a better world“ ist das Unternehmen bestrebt, seinen Kun-den weiterhin aktuelle und neue Tech-nologien bereitzustellen, die den stei-genden Marktanforderungen in puncto Energie- und Klimaeffizienz langfristig gerecht werden.

Ziel enthält, die Energieintensität bis 2010 um 20 % zu senken. Außerdem soll der Anteil an erneuerbaren Energien in China bis 2020 verdoppelt werden. Ein weiteres ambitioniertes Programm sieht eine Reduzierung des Energiever-brauchs der 1.000 größten Unternehmen des Landes vor.

Der Beitrag von ABBDie Bekämpfung des Klimawandels ist eine langfristige Aufgabe, die bedeuten-de Veränderungen seitens der Industrie und der Gesellschaft bei der Erzeugung und Nutzung von Energie und Elektrizi-tät erfordert. Der Erfolg hängt von einem veränderten Verbraucherverhal-ten sowie von der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien in großem Umfang ab.Das Ziel von ABB ist es, den konzern-weiten Energieverbrauch pro hergestell-ter Einheit im Laufe der nächsten zwei Jahre um 5 % zu senken. Im Jahr 2008 hat ABB ihre Produktionsleistung um 20 % gesteigert, während der Energie-verbrauch nahezu unverändert blieb. Dies ist das Ergebnis von Energieeffizi-enzprogrammen, die im gesamten Kon-zern eingeführt wurden. Zu den typi-schen Maßnahmen gehören eine bes-sere Klimaregelung, eine effizientere Beleuchtung und die Installation von energieeffizienten Betriebsmitteln in Fabriken und Büros. Dies hat zu ein-druckvollen Ergebnissen in allen Teilen der Welt geführt. So ist zum Beispiel die Stromintensität bei ABB China in 5 Jah-ren um 55 % gesunken.Nun sind die Durchführung von Ener-gieaudits und die Einführung entspre-chender Programme zur Verbesserung der Energieeffizienz für alle 23 ABB-Fertigungsstandorte vorgesehen, die

Erhöhung des Anteils von erneuerba-ren Energien am Energiemix auf 20 %

Reduzierung des primären Energie-verbrauchs um 20 % durch Maß-nahmen zur Verbesserung der Ener-gieeffizienz

Die US-Regierung hat signalisiert, dass sie in Kopenhagen ein Abkommen anstrebt, das eine verbindliche Verpflich-tung zur Reduzierung der Emissionen beinhaltet. Das „New Energy for America“-Programm der US-Regierung beinhaltet folgende Zielsetzungen: Reduzierung der Emissionen auf den Stand von 1990 bis 2020 und um 80 % bis 2050

Erhöhung des Anteils von Plug-In-Hybridfahrzeugen bis 2015 auf eine Million Fahrzeuge

Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien auf 10 % bis 2012 und auf 25 % bis 2025

Einführung eines gesamtwirtschaft-lichen Emissionshandelsprogramms

China hat sich dem im Kyoto-Protokoll verankerten Prinzip der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung“ („common but differentiated responsibi-lities“) verschrieben. Dieses besagt, dass die Industrieländer bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen die Füh-rung übernehmen und den Entwick-lungsländern finanzielle und technolo-gische Unterstützung zukommen lassen. Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass China bereit ist, seinen Widerstand gegen eine Kontrolle seiner Emissionen zu lockern und an einer Vereinbarung in Kopenhagen interessiert ist. Vor zwei Jahren hat China sein nationales Pro-gramm zum Klimawandel verabschie-det, das unter anderem das ehrgeizige

Anders H. Nordstrom

ABB Group Sustainability

Sollentuna, Schweden

[email protected]

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11ABB Technik 3/2009

Energie und Umwelt

Lenkung des GasflussesVerbesserung von LNG-Prozessen mithilfe der ABB-Systeme SCADA Vantage und System 800xAZhimei Feng, Fei Wang, Xiaoxing Bi

In letzter Zeit wurden viele neue Anla-gen für Flüssigerdgas (Liquefied Natu-ral Gas, LNG) in China fertiggestellt, die mittlerweile erfolgreich in Betrieb sind und für eine Zunahme der LNG-Importe sorgen. Der internationale Handel mit Flüssigerdgas basiert in erster Linie auf langfristigen soge-nannten Take-or-Pay-Verträgen, bei denen ein Käufer verpflichtet ist, für eine festgelegte Produktmenge zu zahlen, auch wenn diese letztendlich

nicht benötigt wird. Das bedeutet, dass das Importvolumen und die Lagerkapazität an den Empfangtermi-nals direkt von den nachgelagerten Verbrauchern beeinflusst wird. Im Ver-trag ist ein Transportplan festgelegt, der die Menge an LNG bestimmt, die vom Verladeterminal zum Empfangs-terminal transportiert und dort in gekühlten Lagertanks gespeichert wird. Durch eingehende Analyse der Angebots- und Nachfragekette kann ein Prozessleitsystem dafür sorgen, dass genügend Lagerkapazität vor-

handen ist, um alle planmäßigen LNG-Lieferungen aufzunehmen. Dies wird durch die Steuerung des Gasum-schlags zwischen dem LNG-Emp-fangsterminal und der Gaspipeline erreicht. Moderne Informationsverar-beitungs- und Automatisierungstech-nologie hilft dabei, Fehleinschätzun-gen zu vermeiden, sodass die Ankunft von LNG-Lieferungen am Empfangs-terminal effizient und sicher mit dem Weitertransport des Gases und der Belieferung der nachgelagerten Ver-braucher koordiniert werden kann.

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Heute wird die konstante Gasversor-gung von Kraftwerken und kommerziel-len Gasnetzen durch die Integration von Produktion, Transport und Vertei-lung sichergestellt. Für das Fujian LNG-Projekt wurde ein Prozess entwickelt, der die Produktion, Lagerung, den Transport, den Empfang und die Wieder-verdampfung (Regasifizierung) des LNG umfasst 1 .

Die konstante Gasver-sorgung wird durch die Integration von Produk-tion, Transport und Verteilung sichergestellt.

Der LNG-EmpfangsterminalGenerell umfasst ein LNG-Empfangs-terminal fünf Teilsysteme: LNG-Ent-ladung, Lagerung, Regasifizierung (Export), Dampfaufbereitung und Ab-fackeln (Abblasen) 2 .

Entladung und LagerungNach dem Anlegen des LNG-Tankers wird das LNG über den Entladearm am Anleger aus den Tanks an Bord des Schiffs in einen Lagertank an Land gepumpt. Da während des Abpumpens der Druck in den Schiffstanks allmäh-lich sinkt, wird Gas aus dem Lagertank in die Schiffstanks zurückgeleitet, um den Druck aufrechtzuerhalten. Findet kein Entladevorgang statt, wird die Entladeleitung an Land mithilfe von LNG aus den Lagertanks gekühlt. Dieses LNG wird über eine isolierte Rohrlei-tung in den Lagertank zurückgeführt.

Regasifizierung und ExportNachdem es mithilfe der Transferpumpe des Tanks unter Druck gesetzt wurde, gelangt ein Teil des LNG aus dem Lagertank in den Rückverflüssiger, wo eine bestimmte Menge an Dampf ver-flüssigt wird. Das LNG vom Rückver-flüssiger und der Niederdruckpumpe des Tanks wird mittels einer Hoch-druckpumpe dem Verdampfersystem zugeführt. Zähler messen das Gasvolu-men, bevor es durch die Fernleitung zu den Verbrauchern transportiert wird. Um einen normalen Betrieb der Trans-ferpumpen des Tanks und der Hoch-

LNG wird meist mit speziellen Trans-portschiffen vom Verladeterminal am Herkunftsort zum Empfangsterminal transportiert, wo es wieder in den gas-förmigen Zustand überführt und über Gasfernleitungen zu den Verbrauchern transportiert wird. Der Hauptbestandteil von Erdgas ist Methan (CH

4). Wird die-

ses Gas unter normalen Druckbedin-gungen auf -162 °C heruntergekühlt, geht es in den flüssigen Zustand über. Durch die Verflüssigung kann das Volu-men von Erdgas auf etwa 1/600 redu-ziert werden, was den Transport über große Entfernungen, die Lagerung und die Nutzung vereinfacht. Aus diesem Grund hat sich LNG als bedeutendste Form des Erdgastransports auf dem See-weg etabliert1).

Die Fujian LNG-Anlage in Südost-china ist das erste Projekt, das

unter der unabhängigen Führung eines inländischen Unternehmens in China realisiert, betrieben und gewartet wird. Seit Februar 2009 wird die Anlage mit Gas aus dem Togguh-Gasfeld in Indo-nesien beliefert. Das derzeitige Import-volumen beträgt 2,6 Millionen Tonnen im Jahr, wobei eine Erweiterung um 5 Millionen Tonnen für den Zeitraum nach 2012 geplant ist. Das Projekt umfasst einen LNG-Empfangsterminal und eine 360 km lange Gasfernleitung durch die Küstenregionen und die Städte Fuzhou, Putian, Quanzhous, Xiamen und Zhangzhou im Südosten der Provinz Fujian, über die fünf städti-sche Gasversorger und drei gasbefeu-erte Kraftwerke beliefert werden.

12 ABB Technik 3/2009

Energie und Umwelt

Lenkung des Gasflusses

Fußnote1) Siehe „Tanker auf Sparkurs“ auf Seite 74 der

ABB Technik 1/2009.

1 Die „LNG-Kette“

LNG-Verladeterminal

Fahrt mit Ballast

Fahrt mit Ladung

Kommerzielle Gasnetze

KraftwerkLNG-Empfangsterminal

Beladen

Entladen

2 Prozesssystem für einen LNG-Empfangsterminal

LNG-TankerEntladearm

BOG-Verdichter

MessstationFernleitung

ORV

ORV

ORV

HD-Pumpe

Lagertank

LNG-Lagertank

Rückver-flüssigung

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13ABB Technik 3/2009

Lenkung des Gasflusses

Energie und Umwelt

dard-Kommunikationsprotokoll, sodass ein Informationsaustausch mit den meisten Arten von PLS-Controllern mög-lich ist. Die Integration eines SCADA-Systems und eines PLS ist schon nicht einfach, doch die Integration von Steue-rungssystemen verschiedener Anbieter ist noch schwieriger. Beim Fujian LNG-

geachtet. Die meisten Protokolle für die interne Kommunikation zwischen dem PLS und dem PLS-Controller werden unabhängig voneinander entwickelt und sind daher häufig nicht kompatibel. Das SCADA-System von ABB hingegen basiert auf einem offenen, umfassend kompatiblen und weit verbreiteten Stan-

druck-Exportpumpen zu gewährleisten, sind Rückflussleitungen an allen Pumpenauslässen erforderlich. So kön-nen Veränderungen im LNG-Transport-volumen kompensiert und niedrige Temperaturen im System gewährleistet werden, auch wenn keine Abgabe statt-findet.

Dampfaufbereitung und AbblasenDas Dampfaufbereitungssystem hat die Aufgabe, einen normalen Lagertankbe-trieb innerhalb eines bestimmten Druck-bereichs zu gewährleisten. Im Lagertank überwacht ein Druckmessumformer die Druckwerte. Steigt oder sinkt der Druck über oder unter den Sollwert, wird der Gasdruck im Lagertank über das Dampf-aufbereitungssystem entsprechend ge-regelt. Um die Bildung eines Vakuums im LNG-Lagertank zu verhindern, ist ein Vakuum-Gaszufuhrsystem im Prozess-fluss vorgesehen.

Die GaspipelineDie Gaspipeline umfasst eine Hauptgas-leitung mit Zweigleitungen, Ventilstati-onen und Entnahmestationen. Eine Ven-tilstation hat die Aufgabe, die Pipeline bei Bedarf abzusperren und eine unbe-mannte Überwachung und Steuerung zu ermöglichen, während eine Entnahme-station die Aufgabe hat, das Erdgas nach der Filterung, Messung, Erwär-mung und Druckregelung an nachge-lagerte Verbraucher wie städtische Gas-netze und Kraftwerke zu leiten 3 .

LeitsystemDa das Fujian LNG-Projekt verschiedene Prozesse umfasst, waren ein Fernwirk- und Datenerfassungssystem (Super-visiory Control and Data Acquisition, SCADA) Infobox 1 , ein Notabschaltsystem (Emergency Shutdown, ESD) Infobox 2 , ein Feuer- und Gaswarnsystem (F&G) Infobox 3 , ein Prozessleitsystem (PLS) sowie lokale Steuerungs- und Fernüber-wachungssysteme erforderlich. Die Integration all dieser Systeme stellte die größte technische Herausforderung des Projekts dar.

Zur Steuerung der Förderrichtung der Pumpen am Empfangsterminal wurde die Logik zur kombinierten Steuerung des Gasflusses (Dispatch) in das PLS des Empfangsterminals integriert. Dabei wurde insbesondere auf einen reibungs-losen Informationsaustausch zwischen dem PLS und dem SCADA-System

Das SCADA-Vantage-System sorgt für eine

effizientere Nutzung der Pipeline und der

Druckerhöhungsstation. Dadurch werden der

Umschlag beschleunigt und verschiedene

Funktionen verbessert. Das LNG kann in kürzes-

ter Zeit und zu minimalen Kosten vom Produk-

tionsstandort zum Verbraucher transportiert

werden. Die von ABB bereitgestellte Lösung

hilft dabei, die Betriebskosten zu minimieren.

Eigenschaften:

Redundante und offene Struktur

Objektorientierte Echtzeit-Datenbank

Integrierter Server für historische Protokolle

Integriertes Pipelinemodell und fortschritt-

liche Prozessgrafik

Erweiterbar vom Einzelknoten- zum

Multi-Server-System

Intuitive Konfigurationstools für das

Gesamtsystem und die Anwendung

Kommunikationsprotokolle unterstützen

OPC und andere Industriestandards wie

IEC 870-5-101/104 und DNP 3.0

Einfache Integration mit der automatischen

Lösung zur Steuerung der Pipeline-Stationen

Infotbox 1 Das Fernwirk- und Datenerfassungssystem SCADA Vantage

Das SCADA-Vantage-System bietet Steue-

rungs- und Datenerfassungsfunktionen für

spezielle Industriezweige wie die Lagerung

und Lieferung von LNG. Es ist vielseitig und

kann durch seine offene Kompatibilität in ver-

schiedenen Anwendungen von Einzelknoten-

systemen bis hin zu Multi-Server-Systemen

eingesetzt werden.

Die Prozessausführung basiert auf dem

Client-Server-Prinzip und einem redundanten

objektorientierten System. Ein konfigurier-

bares Berechtigungssystem sorgt dafür, dass

sich keine unbefugten Personen im System

anmelden können. Die Kommunikation

erfolgt auf der Basis der Standardprotokolle

ODBC, COM, OPC und OL (siehe hierzu

auch den Artikel „OPC Unified Architecture“

auf Seite 56 dieses Hefts). Außerdem verfügt

das System über eine Frontend-Kommuni-

kation mit redundanter Konfiguration, die im

Falle einer Unterbrechung der Kommunika-

tion mithilfe dezentraler Geräte automatisch

umgeschaltet werden kann.

3 Netzwerkstruktur des Fujian LNG-Leitsystems

BS

PLSESD

Steuerung Entnahme-station (insgesamt 12 Systeme)

Steuerung Ventilstation (insgesamt 6 Systeme)

WAN

SPSIEDs

BS

BS

BSHauptleitwarte

SCADA-Server

SCADA-Server

Anwen-dungs-server

LNG-TerminalABB System 800xA

SCADA-Client

PLS ESD F&G IEDs

Anwen-dungs-server

Notleitwarte

-

B B

-

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14 ABB Technik 3/2009

Lenkung des Gasflusses

Energie und Umwelt

Sicherheitsintegritätsstufe 3 (SIL 3). Kommt es zu Prozessstörungen, die die Sicherheit des Personals, der Umwelt oder der Betriebsmittel gefährden oder zu großen wirtschaftlichen Verlusten führen könnten, initiiert das ESD-System die entsprechenden Schutzverriegelun-gen, um eine Eskalation weiterer Gefah-ren oder Unfälle zu verhindern. Beim F&G-System handelt es sich um das Feuer- und Gaswarnsystem von ABB mit SIL 3. Dieses System erkennt Feuer und gefährliche Gasleckagen, löst einen Alarm aus, aktiviert bei Bedarf Feuer-löschsysteme und leitet Maßnahmen zur Isolierung von Produktionsanlagen ein.

Leitsystem für die GasleitungDas zur Überwachung und Steuerung der Gasfernleitung eingesetzte ABB SCADA-Vantage-System besteht in erster Linie aus Haupt- und Reserveleitstellen, mehreren Steuerungssystemen für die Entnahmestationen und einer fernge-steuerten Ventilstation. Die Entnahme-stationen und die Ventilstation tauschen Daten über die Haupt- und Reserve-Kommunikationsleitungen mit der Leit-stelle aus, wobei die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Datenkommunikation durch das SCADA-System gewährleistet wird. Das SCADA-System unterstützt verschiedene Kommunikationsproto-kolle wie MODBUS TCP/IP, OPC und IEC 1042).

integriert werden. Durch die Fähigkeit zur Verwendung diverser Kommunika-tionsprotokolle ist die System-800xA-Software in der Lage, nahtlos Daten mit Drittanbieterkomponenten am Emp-fangsterminal auszutauschen, während die SCADA-Vantage-Software die Über-wachung von zentralen Steuerungssys-temen und Steuerungssystemen an den Stationen der Gasleitung ermöglicht.

Leitsystem für den EmpfangsterminalDas Leitsystem für den Empfangsterminal besteht aus einem zentralen Steuerungs-system und einem Steuerungssystem für den Anleger. Beide umfassen ein PLS, ein ESD-System und ein F&G-System. Bis auf die Einrichtungen am Anleger werden sämtliche Anlagen, d. h. der Lagertank, Verdichter, Rückverflüssiger und die mit Meerwasser beheizte Ver-dampfungsanlage (Open Rack Vaporizer, ORV) zentral gesteuert.

Das PLS ist ein umfangreiches Automa-tisierungssystem, das die Aufgabe hat, den Prozessfluss am Empfangsterminal zu überwachen und zu steuern. Darüber hinaus umfasst das System zwei weitere unabhängige Komponenten: das ESD-System zur Abschaltung des Empfangs-terminals und das F&G-System zur Erkennung von Feuer und LNG- bzw. Erdgasleckagen. Das ESD-System basiert auf dem Sicherheitssystem von ABB mit

Projekt entschied man sich dafür, das Extended Automation System 800xA von ABB zur Überwachung der Steue-rungssysteme im LNG-Empfangsterminal und das SCADA-Vantage-System von ABB zur Überwachung der Steuerungs-systeme an der Gasfernleitung einzu-setzen Infobox 5 . Dazu mussten das PLS, das ESD- und das F&G-System vollstän-dig mithilfe der System-800xA-Plattform

1. Über den Not-Aus-Schalter kann eine manuelle Notabschaltung ausgelöst werden, um die Prozessanlagen ver-schiedener Einheiten zu isolieren.

2. Die Notabschaltung wird durch die automatische Erkennungsfunktion des Systems ausgelöst. Die Sicherheit der Eingangssignale wird mithilfe von Voting-Verfahren gewährleistet.

3. Rücksetzung einer Notabschaltung: Nachdem die Bedingungen für die Auslösung einer Verriegelung manuell bestätigt und zurückgesetzt wurden, kann das System in einen normalen Zustand zurückkehren, um die Sicherheit der Produktion zu gewährleisten.

4. Umgehung von Verriegelungen: Das ESD-System bietet die Möglichkeit einer Umgehung zu Wartungszwecken sowie einen Überbrückungsschalter. Diese können verwendet werden, um einen Online-Test der Ausrüstung durchzuführen, ohne die normale Produktion zu beein-trächtigen, um eine Umgehung des Sig-nals beim ersten Anfahren des Prozess-systems abzuschalten und um eine Umgehung an der ESD-Schnittstelle durchzuführen, wenn der Schalter durch die Umgehung in die zulässige Stellung gesetzt werden kann.

Infobox 2 Hauptfunktionen des ESD-Systems

1. Erfassung und Anzeige der Betriebs-zustände von Gas- und Feuermeldern

2. Erkennung von LNG-Leckagen und Ausgabe von akustischen und visuellen Alarmen für den jeweiligen anormalen Zustand

3. Erfassung und Anzeige der Betriebs-zustände von Brandbekämpfungs- und Hilfseinrichtungen

4. Ausführung der Logik für die Notab-schaltung und Anzeige entsprechender Alarmsignale

5. Verknüpfung von Brandbekämpfungs-einrichtungen

6. Ausgabe eines Nothaltsignals an das ESD-System

Infobox 3 Hauptfunktionen des F&G-Systems

1. Echtzeitüberwachung von Prozesspara-

metern wie Druck, Flüssigkeitsstand,

Temperatur und Durchfluss

2. Dynamische Anzeige des Produktionsab-

laufs an der Empfangsstation, wichtiger

Prozessparameter und des Betriebszu-

stands der Ausrüstung

3. Alarmierung bei anormalen Betriebszu-

ständen, Ausdrucken des Alarms für das

Protokoll und Speicherung wichtiger Para-

meter

4. Bereitstellung einer Möglichkeit zur Ein-

stellung und Veränderung von Prozess-

steuerungsparametern und Fernsteuerung

von Geräten wie Ventilen und Pumpen

5. Überwachung der Anlandung, Lagerung

und Gasifizierung von LNG sowie des

Exports und der Messung von Erdgas

6. Sicherung der Echtzeitkommunikation mit

den folgenden Systemen für ein zentrales

Infobox 4 Hauptmerkmale des PLS

Management der Produktionsinforma-

tionen der gesamten Empfangsstation:

Datenerfassungssystem des Lagertanks

Verdichter für das Boil-Off-Gas (BOG)

Schwingungsüberwachungssystem für

die Pumpe im Tank und die Hochdruck-

pumpe

SCADA-System der Export-Pipeline

Kaianlegesystem

Schiff-Land-Kommunikation

Power-Management-System

Erdgas-Analysengerät

Steuerungssystem für die Beladung

von Tankfahrzeugen

Elektrochlor-System

Meerwasser-System

Abrechnungszählersystem

ESD-System

F&G-System

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15ABB Technik 3/2009

Lenkung des Gasflusses

Energie und Umwelt

plan für die nachgelagerten Verbrau-cher. Daraufhin übernimmt das System den Dispatch und die Steuerung der Exportmenge vom Empfangsterminal entsprechend dem Druck auf der Eingangsseite, den Exporten in die Gasfernleitung und der vorhandenen Gasmenge in der Fernleitung.

Bei der Steuerung des kombinierten Dispatchings prüft der PLS-Controller zuerst, ob der Exportdruck innerhalb des erforderlichen Bereichs liegt. Ist der

des Empfangsterminals und der Gaslei-tungen zu überwachen. Gleichzeitig kann das SCADA-System den täglichen, wöchentlichen, monatlichen und jähr-lichen Gaslieferplan für die nachgelager-ten Verbraucher sowie den Transport-plan für die vorgelagerten LNG-Trans-portschiffe über Webserver abrufen. Diese Daten werden zusammen mit Informationen über die Exportmenge jeder Entnahmestation an das PLS über-mittelt. Geschützt durch eine Firewall können sich berechtigte Benutzer über das Internet beim Webserver anmelden und den Nominierungsplan für die Gas-lieferungen ändern. Die kombinierte Dispatching-Funktion des PLS liefert eine Prognose für den Transport und die Verteilung des Erdgases nach dem Flüssigkeitsstand im Lagertank, dem LNG-Transportplan und dem Gasliefer-

Integriertes Dispatching-SystemDas SCADA-System übernimmt die Datenerfassung und Steuerung der Ent-nahmestationen sowie die Fernsteue-rung der Ventilstationen der Gasfern-leitung. Außerdem übernimmt es die wichtigsten Prozessparameter des Empfangsterminals sowie Daten, die vom PLS bereitgestellt werden, wie der Füllstand im Lagertank und die für die Verladung auf Lkw vorgesehene Export-menge. Diese Daten werden über Standardprotokolle wie OPC oder MODBUS TCP/IP kommuniziert. Das SCADA-System betrachtet das PLS eben-falls als eine „Entnahmestation“ und ermöglicht so eine Überwachung der Produktionsabläufe des Empfangstermi-nals in Echtzeit und bietet Benutzern über den Webserver die Möglichkeit, die Produktions- und Betriebszustände

Das System 800xA von ABB ist ein leistungs-

starkes Leitsystem mit einer einfachen,

optisch ansprechenden Benutzerschnittstel-

le. Es bietet eine flexible, verteilte Enginee-

ring-Umgebung für Engineering- und Design-

aufgaben, die Konfiguration von Automatisie-

rungsstrategien, Prozessvisualisierung, Infor-

mationsmanagement, Ressourcenoptimie-

rung und die Integration von Feldgeräten.

Grafisches Funktionsdesign

Dank des grafischen Funktionsdesigns von

System 800xA können Ingenieure wirklich

Ingenieure bleiben und müssen nicht zu

Programmierern werden. Durch die automa-

tische Erstellung von Prozessgrafiken werden

Projekte erheblich einfacher und praktikabler.

Da das Design funktionsbasiert ist, kann ein

Design auch ohne ein tiefgehendes Verständ-

nis des Controllers und der E/As erstellt

werden. Darüber hinaus bietet System 800xA

Funktionen zur Online-Überwachung und

-Abstimmung.

Prozessvisualisierung

Interaktive Prozessgrafiken können mithilfe

vordefinierter Elemente und Symbole aus der

umfangreichen Bibliothek von System 800xA

bequem angepasst werden. Darüber hinaus

werden Bitmaps, Fotos und grafische Ele-

mente von Drittanbietern unterstützt.

Gerätemanagement

Das Gerätemanagement unterstützt die Pro-

tokolle HART (Highway Addressable Remote

Transducer), Foundation Fieldbus und Profi-

Infobox 5 Eigenschaften des ABB System 800xA

bus und bietet ein komfortables Designtool,

das alle Aspekte von der Netzwerktopologie bis

zu den Feldgeräten einschließlich Gerätepara-

metrisierung, Applikationsplanung, Probelauf

und detaillierte Diagnosefunktionen umfasst.

Massendatenverwaltung

Mithilfe von Microsoft Excel® und Excel-Add-Ins

ermöglicht die Massendatenverwaltung von

System 800xA den automatischen Import von

externen Daten wie Signallisten, Label-Bezeich-

nungen oder Dokumenten. Außerdem können

die Systemdaten jederzeit zur Validierung oder

Modifizierung exportiert werden.

Berichterstellung und -verteilung

System 800xA bietet verschiedene flexible

Reportfunktionen mit bekannten, benutzer-

freundlichen Formaten. Die Reports erfüllen

nicht nur die Dokumentationsanforderungen

der Anlagen und Aufsichtsbehörden, sondern

dienen auch als leistungsstarkes Entschei-

dungsfindungs- und Planungswerkzeug zur

Verbesserung der Performance.

Fortschrittliche Datenumwandlung

Benutzerdefinierte Datenstrukturen und

Berechnungen bieten leistungsstarke, wieder-

verwendbare Algorithmen und Programme zur

Umwandlung der Rohdaten in Informationen

wie Leistungskennzahlen (KPI) oder Material-

eigenschaften. Auch eine leistungsstarke

Automatisierungsunterstützung ist möglich.

Außerdem können die Datenstrukturen zur Ein-

bindung externer Daten in das System genutzt

werden.

Sichere Speicherung und Zugriff auf

historische Daten

Fehlertolerante und dezentrale Datenkonfigu-

rationen sorgen für eine zuverlässige Spei-

cherung und Verfügbarkeit der Daten, die

durch eingeschränkte Zugriffsrechte und

Offline-Speicherung geschützt sind. Die

Daten erfüllen die Anforderungen an elektro-

nische Aufzeichnungen und liefern eine

zuverlässige Grundlage für Entscheidungen.

Integrierte Administration und

Konfiguration

Die eingebetteten Historienfunktionen nutzen

die integrierte Systemkonfiguration und

Administration. Dadurch ist ein Änderungs-

management von einem einzigen Punkt aus

möglich und Inkonsistenzen zwischen meh-

reren Datenbanken werden ebenso vermie-

den wie doppelter Engineering-Aufwand.

Chargenproduktion, Produktqualität und

Produktionszyklus

Das System 800xA Batch Management bie-

tet hervorragende Funktionen für das Pro-

duktionsmanagement, die Chargensteuerung

und die Verfahrenssteuerung und hilft dabei,

die Sicherheit, Zuverlässigkeit und die

Einhaltung von Spezifikationen zu gewähr-

leisten. Dies ermöglicht eine schnelle und

flexible Reak-tion auf steigende Produktan-

forderungen bei gleichzeitiger Reduzierung

der Betriebskosten und Produktionsausfälle

und verschafft dem Nutzer so einen langfris-

tigen Wettbewerbsvorteil.

Fußnote2) Das MODBUS-Protokoll wurde 1979 von Modicon

entwickelt und ist ein Protokoll für die Master-Slave/

Client-Server-Kommunikation zwischen intelligenten

Geräten. TCP/IP steht für „Transmission Control

Protocol/Internet Protocol“ und OPC für „OLE for

Process Control“.

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16 ABB Technik 3/2009

Lenkung des Gasflusses

Energie und Umwelt

Durch die umfassende Nutzung moder-ner Automatisierungs- und Informations-verarbeitungstechnologie zur Integration verschiedener, aber zusammengehöriger Steuerungssysteme für den Produktions-prozess ist es dem Fujian-Projekt gelun-gen, einen effizienten kombinierten Dispatching-Prozess für den LNG-Emp-fang und den Erdgasexport zu realisie-ren. Das SCADA-Vantage-System und System 800xA von ABB ermöglichen eine effizientere Steuerung des Gas-flusses und helfen dabei, betriebliche Fehleinschätzungen zu verhindern, den kombinierten Dispatch zwischen dem LNG-Empfangsterminal und der Gas-fernleitung zu koordinieren und somit die Fähigkeiten des Unternehmens im Hinblick auf Produktion, Betrieb und Management insgesamt zu verbessern.

werden. Ist das Motor Control Center (MCC) zur Steuerung der Niederdruck-, Hochdruck und Meerwasserpumpen nicht in der Lage, die Anforderungen der Steuerungslogik zu erfüllen, gibt der PLS-Controller automatisch einen Alarm aus, der das Bedienpersonal dazu auf-fordert, auf manuellen Betrieb umzu-schalten.

Mit Bezug auf den Transportplan der LNG-Tanker beurteilt das integrierte Dispatching-System, ob die vorhandene LNG-Menge ausreicht, um die geplante Exportmenge für die Gasfernleitung über den Prognosezeitraum bis zum Entladen des LNG-Tankers zu decken. Ist dies nicht der Fall, gibt das System einen Alarm aus, der das Bedienpersonal daran erinnert, den Gasverbrauchsplan durch Verhandlungen mit den nachge-lagerten Verbrauchern anzupassen. Außerdem prüft das System, ob im LNG-Tank genügend Kapazität vorhan-den ist, um die Ladung des Tankers auf-zunehmen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird ein Alarm ausgegeben, der das Bedienpersonal daran erinnert, mit den nachgelagerten Verbrauchern eine Anpassung des Lieferplans abzustimmen oder die Liefermenge auf andere Weise (z. B. durch den Transport mit Tank-wagen) zu erhöhen, sodass im Lager-tank entsprechende Kapazitäten zur Aufnahme der geplanten LNG-Lieferung geschaffen werden.

Das LeitsystemDie Haupteigenschaften des Leitsystems sind in Infobox 5 aufgeführt. Die Hauptleit-stelle kommuniziert mit dem Leitsystem am Empfangsterminal und der Leitstelle für die Entnahmestationen. Letztere überwacht mehrere Entnahmestationen und Ventilstationen. Die Sicherheit des Systems wird durch die redundante Ausführung der Server, Controller und Netzwerke gewährleistet.

OptimierungIn der Fujian LNG-Anlage wurde die erste LNG-Lieferung bereits erfolgreich abgewickelt. Durch die optimierte Steuerungslösung können mehrere Millionen US-Dollar bei der monatlichen Versorgung mit LNG eingespart werden. Mit dem Erdgas werden Stationen in Putian, Hui’an, Quanzhou und Honglu versorgt, und die daran angeschlosse-nen Verbraucher nutzen bereits das Erd-gas aus dem Fujian LNG-Projekt.

Druck zu hoch (ca. 90 % des maxima-len Werts) wird der Export reduziert. Übersteigt der Druck den Maximalwert, führt das ESD-System eine Notabschal-tung des Exports aus. Ist der Druck hin-gegen zu niedrig (ca. 110 % des mini-malen Werts), erhöht das System den Export und signalisiert einen Alarm.

Der PLS-Controller berechnet umgehend die Differenz zwischen der Abgabemenge des Empfangsterminals und der Gesamt-abgabe der verschiedenen Entnahme-stationen. Außerdem schätzt er die vor-handene Gasmenge in der Fernleitung und bestimmt unter Berücksichtigung des Gaslieferplans der vorherigen zwei Stunden, ob die vorhandene Export-menge plus der Gasmenge in der Lei-tung ausreicht, um den Bedarf über die nächsten zwei Stunden zu decken. Sollte der prognostizierte Bedarf die erwartete Exportmenge übersteigen, initiiert der PLS-Controller eine Erhöhung des Exports.

Die Systeme von ABB ermöglichen eine effizientere Steuerung des Gasflusses und helfen dabei, Fehleinschätzungen zu verhindern und den Dispatch zwischen dem LNG-Empfangsterminal und der Gasfernleitung zu koordinieren.

Bei der Bestimmung, ob der Export zu erhöhen oder zu reduzieren ist, prüft das System zuerst, ob es gemäß dem Gaslieferplan in den letzten zwei Stunden große Schwankungen im Gasverbrauch gegeben hat. Liegen die Schwankungen innerhalb der maximalen Exportmenge eines Hochdruckpumpensatzes, reicht ein Anfahren bzw. Abschalten dieser Pumpen aus. Sind die Schwankungen hingegen größer als die maximale Exportmenge dieses Pumpensatzes, müssen je nach Größe der Schwankung zwei oder auch drei Hochdruckpumpen-sätze angefahren bzw. abgeschaltet werden. Bei der Erhöhung bzw. Redu-zierung der Exportmenge muss auch der Betrieb anderer Prozessausrüstun-gen wie Niederdruckpumpen und Meer-wasserpumpen entsprechend angepasst

Zhimei Feng

ABB Process Automation

Beijing, China

[email protected]

Fei Wang

Xiaoxing Bi

CNOOC Fujian LNG Company

Fujian, China

[email protected]

[email protected]

Weiterführende Literatur

Yudong, W. (2007): „The principle and process for

natural gas conditioning“. China Petrochemical Press.

Kuichang, G. (2008): ): „The application and safety of

liquefied natural gas (LNG)“. China Petrochemical Press.

ABB System 800xA Technical Manual

ABB SCADA Version Technical Manual

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17ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Extreme und auch weniger extreme Witterungsbedingungen können schwere Schäden an elektrischen Übertragungs- und Verteilnetzen anrichten. Die Geschwindigkeit und Effizienz, mit der diese Schäden behoben werden können, hängt zu einem großen Teil davon ab, welche Entscheidungsunterstützungs-systeme oder -werkzeuge dem Energieversorgungsunternehmen zur Verfügung stehen.

Der traditionelle Ablauf zur Wiederherstellung der Stromversorgung mit der Entgegennahme von Störungsanrufen und der Entsendung von Feldpersonal kann mehrere Stunden dauern. In den letzten Jahren sind die Energieversorger jedoch dazu übergegangen, automatische und kommunikationsf-ähige Schaltgeräte wie Recloser und Leistungsschalter mit intelligenten elektronischen Geräten (Intel-ligent Electronic Devices, IEDs) für Schutz- und Steuerungsaufgaben auf Abzweigebene zu implemen-tieren. Das Ergebnis ist eine deutlich geringere Ausfalldauer und bessere Systemzuverlässigkeit. Die von den IEDs bereitgestellten Informationen ermöglichen eine relativ einfache automatische Lokalisie-rung und Isolierung der Fehler, doch die Realisierung einer automatischen Wiederversorgung ist um einiges anspruchsvoller.

ABB hat zwei einander ergänzende Steuerungskonzepte zur Wiederversorgung entwickelt, die die Grundlage für eine selbstüberwachende und selbstheilende Verteilnetzlösung darstellen.

Effizienter WiederaufbauFeld- und leitstellenbasierte Wiederversorgung in Verteilnetzen James Stoupis, Zhenyuan Wang, Fang Yang, Vaibhav Donde, Fahrudin Mekic, William Peterson

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aufzubauen, das folgende Anforderun-gen erfüllt: Das Netz ist strahlenförmig. An keiner der Netzkomponenten kommt es zu unzulässigen Strom-werten. An keinem der Netzknoten kommt es zu unzulässigen Spannungswerten.

Aus diesem Grund wird die Schaltfolge zur Wiederversorgung nicht anhand vorprogrammierter Regeln ermittelt, die üblicherweise offline generiertet wer-den, sondern entsprechend des Netz-zustands vor dem Fehler online gene-riert.

Da eine potenzielle Rückspeisungs-quelle möglicherweise nur eine begrenzte Leistung bereitstellen kann, sind in einigen Fällen mehrere Quellen erforderlich, um eine entsprechende Lösung zur Wiederversorgung zu reali-sieren. Wenn eine stromlose Lastzone von der Rückspeisungsquelle über einen einzelnen Pfad versorgt werden kann, wird dies als „Single-Path-Resto-ration“ bezeichnet. Andernfalls muss die betreffende Lastzone in zwei oder mehr Zonen unterteilt werden, um eine Rückspeisung zu ermöglichen. In diesem Fall spricht man von einer „Multi-Path-Restoration“. In beiden Fällen kann ein Lastabwurf erforderlich sein, wenn die Leistung der Rückspei-sungsquelle oder die Belastbarkeit der Abzweigkomponenten nicht aus-reicht.

Der Algorithmus der RSA-Engine sucht zunächst mithilfe der Baumstruktur des Netzes vor dem Fehler nach einem geeigneten Trennschalter für die Rück-speisung, wobei der ausgelöste Leis-tungsschalter/Recloser als Ausgangs-punkt dient. Entlang der Baumstruktur wird der letzte nachgelagerte Schalter gesucht, durch den der Fehlerstrom geflossen ist. Dieser Schalter wird als „Forward-Feed“-Trennschalter bezeich-net. Die Suche wird auf der ersten Ebene der nachgelagerten Schalter fort-gesetzt, die als „Back-Feed“-Trenn-schalter bezeichnet werden. Dann führt der Algorithmus zahlreiche rekursive Schritte aus, z. B.: die Identifikation sämtlicher Last-knoten mit mehreren Verbindungen (sog. „T-Knoten“) die Bestimmung, ob eine Wiederver-sorgung über einen einzigen Pfad

relativ leicht automatisch lokalisiert und isoliert werden kann. Dadurch kann die Dauer der Ausfälle erheblich verkürzt und die Zuverlässigkeit des Netzes verbessert werden.

Während die Erkennung und Isolation eines Fehlers also relativ einfach ist, bleibt die automatische Wiederversor-gung eine anspruchsvolle Aufgabe, mit der sich zahlreiche Forschungsvor-haben befassen. Hierbei geht es unter anderem um die Berücksichtigung von betrieblichen Randbedingungen, Last-ausgleichsaspekten und anderen prak-tischen Faktoren.

Im Rahmen ihrer eigenen Forschungs-tätigkeit hat ABB zwei einander ergän-zende Steuerungskonzepte zur Wieder-versorgung auf Feldebene und auf Leit-stellenebene entwickelt. Beide Kon-zepte beinhalten spezielle Schaltanaly-sen (Restoration Switching Analysis, RSA) mit dem Ziel, eine Wiederversor-gung per Rückspeisung (Feed-Back Resoration) zu realisieren, d. h. tech-nisch einwandfreie Lastzonen, die vom Ausfall betroffen sind, werden über Kuppelschalter an ihren Grenzen aus benachbarten Quellen gespeist. Beim feldbasierten Konzept wird die RSA auf einem Stationscomputer von Typ COM600 ausgeführt, während dies beim leitstellenbasierten Konzept über das Ausfallmanagement der Network-Manager-DMS-Lösung erfolgt.

Das feldbasierte KonzeptBeim feldbasierten Konzept läuft die RSA-Engine auf dem COM600-Stations-computer, über den auch die Kommu-nikation mit den IEDs im Abzweig erfolgt. Außerdem fungiert der COM600 als speicherprogrammierbare Steuerung in Softwareform (Soft-SPS), die Steuer-befehle auf der Basis der von der RSA-Engine generierten Schaltfolge zur Wiederversorgung an die IEDs ausgibt.

Die RSA-Engine auf dem COM600 arbeitet mit einem einfachen Verteil-netzmodell, das die wichtigen Ab-zweig komponenten beinhaltet: Quellen wie die Stationstransformatoren, Schalt-geräte wie Längstrennschalter zur Unterteilung des Netzes, Lastschalter und Recloser sowie Lasten. Die RSA-Engine verwendet einen speziellen Algorithmus auf Netzverfolgungsbasis, um ein Netz zur Wiederversorgung

Die Erkennung von Stromausfällen erfolgt bei vielen Energieversor-

gungsunternehmen (EVUs) traditionel-lerweise über ein Störungsmeldesystem, bei dem die Kunden einen Stromaus-fall per Telefon melden. Daraufhin entsendet die Verteilnetzleitstelle ein Team, das zunächst den Fehler vor Ort prüft und dann verschiedene Schalt-handlungen zur Isolierung des Fehlers und zur Wiederherstellung der Versor-gung vornimmt. Je nachdem, wie schnell die Kunden den Stromausfall melden und das Feldpersonal den Feh-lerort lokalisiert, kann dieser Vorgang mehrere Stunden dauern.

Im Laufe der Jahre sind die Anforde-rungen an die EVUs immer weiter gestiegen, weshalb viele Verteilnetze heute nicht mehr nur (traditionelle) passive, sondern vielmehr aktive Eigenschaften besitzen und sich dyna-misch anpassen können.

Mitdenkende Netze„Intelligente Netze“ – das Ziel vieler EVUs – sind elektrische Netze, die zur Steigerung der Zuverlässigkeit und Effi-zienz der Stromversorgung beitragen, indem sie Störungen automatisch vor-hersehen und darauf reagieren. Zur Realisierung eines solchen intelligenten Verhaltens auf Verteilnetzebene wurden bereits verschiedene Automatisierungs-technologien in den Bereichen Mes-sung, Schutz und Steuerung erprobt. In diesem Zusammenhang ist die automa-tische Wiederversorgung nach einem Stromausfall ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem intelligenten Netz.

Um sich dem intelligenten Netzkonzept weiter anzunähern, sind EVUs in den letzten Jahren dazu übergegangen, Schaltgeräte wie Recloser und Leis-tungsschalter mit intelligenten elektro-nischen Geräten (IEDs) für Schutz- und Steuerungsaufgaben auf Abzweigebene zu implementieren. Die Fähigkeiten dieser IEDs zur automatisierten Mes-sung, Überwachung, Steuerung und Kommunikation liefern die Grundlage für die Implementierung einer automa-tischen Fehlererkennung, Fehlerisolie-rung und Wiederversorgung.

Die IED-Daten werden an einen Stationscomputer in einer Unterstation oder an die Leitstelle übertragen, von wo aus der Fehler anhand dieser Daten

18 ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Effizienter Wiederaufbau

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19ABB Technik 3/2009

Effizienter Wiederaufbau

Energieübertragung und -verteilung

Die Funktion des feldbasierten Kon-zepts wurde mithilfe eines Demonstra-tions-Verteilnetzes mit drei Quellen, fünf Schaltern und drei Lasten validiert 3 . Die Demonstrationsschaltung, bei der der Algorithmus in einem COM600 zur Steuerung von fünf IEDs imple-mentiert wurde, zeigt, wie verschiede-ne Wiederversorgungsszenarios über einen bzw. mehrere Pfade realisiert werden. Da zum Beispiel keine der Quellen S2 und S3 über ausreichend Leistung verfügt, um die Summe der Lasten L2 und L3 zu versorgen, führt ein Fehler an L1 dazu, dass sich R3 öffnet, wodurch das nicht versorgte

Restoration, bei der ein Fehler am Last-knoten L1 durch einen Forward-Feed-Trennschalter (R1) und einen Back-Feed-Trennschalter (R2) isoliert werden muss2). In diesem Beispiel kann nach der Fehlerisolierung keine der Rück-speisungsquellen (S2 bis S5) alle unbe-einträchtigten Lasten vollständig ver-sorgen. Aus diesem Grund teilt der Algorithmus das Netz durch Öffnen von R13 in zwei Teile, und die strom-losen Lasten werden durch Schließen von R8 und R11 (Trennung von S3 und S4) wiederversorgt. Die Topologie nach der Wiederversorgung ist in 2b dargestellt.

und eine einzige Quelle erreicht wer-den kann. Ist dies nicht möglich, sucht der Algorithmus nach anderen Schaltern im Netz, um eine Wieder-versorgung über mehrere Pfade zu erreichen.

Im Fall einer Multi-Path-Restoration versucht der Algorithmus, die optimale Neukonfiguration zu bestimmen. In einigen Fällen muss das Netz in zwei Teilnetze aufgeteilt werden, um die Wiederversorgung aller unbeeinträch-tigten Lasten zu erreichen, indem einer oder mehrere der normalerweise offe-nen Kuppelschalter an die Stelle ande-rer Schaltgeräte verlagert werden. In anderen Fällen können selbst nach einer Verlagerung der Kuppelschalter nicht alle unbeeinträchtigten Lasten vollständig wiederversorgt werden.

Typische Ergebnisse der RSA-Engine sind in 1 und 2 dargestellt. 1a zeigt eine Single-Path-Restoration, bei der ein Fehler am T-Knoten L3 durch Öff-nen des Forward-Feed-Trennschalters (R3) und der beiden Back-Feed-Trenn-schalter (R6 und R10) isoliert werden muss1). Die Rückspeisungsquellen (S3 und S4) liefern beide ausreichend Leis-tung, um die stromlosen Lasten auf ihrem jeweiligen Wiederversorgungs-pfad zu versorgen, und die Kuppel-schalter (R9 und R12) können geschlossen werden, um die Wieder-versorgung zu erreichen. Die Topolo-gie nach der Wiederversorgung ist in 1b dargestellt. 2a zeigt eine Multi-Path-

Fußnoten1) Normalerweise fungieren Leistungsschalter an Abzwei-

gen nicht als Kuppelschalter. In diesem Beispiel wer-

den sie nur zur Verdeutlichung des Konzepts als sol-

che verwendet.2) In diesem Fall ist keine Forward-Feed-Restoration

erforderlich.

a Normale Topologie

1 Beispiel für eine Wiederversorgung über einen einzelnen Pfad (Single-Path-Restoration)

b Topologie nach der Wiederversorgung

R52000

R52000

S2400

S2400

S12000 S1

2000

S4500 S4

500

R122000 R12

2000

R112000 R11

2000

R102000 R10

2000

R12000 R1

2000

R22000 R2

2000

R32000 R3

2000

R62000 R6

2000

R72000 R7

2000

R92000 R9

2000

R82000 R8

2000

R42000

R42000

L4100

L4100

S3900 S3

900

L1100 L1

100

L9250 L9

250

L8100 L8

100

L2200 L2

200

L5200 L5

200

L6350 L6

350

L7350 L7

350

L3200 L3

200

a Normale Topologie

2 Beispiel einer Wiederversorgung über mehrere Pfade (Multi-Path-Restoration)

b Topologie nach der Wiederversorgung

R52000

R52000

R102000

R102000

S2400

S2400

R42000

R42000

L5100

L5100

L4100

L4100

S12000

S12000

S4700

S4700L7

100L7100

R122000

R122000

R112000

R112000

S3500

S3500

S5400

S5400

R92000

R92000L8

100L8100

R72000

R72000

R12000

R12000

R22000

R22000

R32000

R32000

R62000

R62000

R82000

R82000L1

100L1100

L2100

L2100

L9250

L9250

R132000

R132000L6

100L6100

L3100

L3100

a Physische Schaltung

3 Die Demonstrationsschaltung

b Normaler Betrieb b Betrieb nach der Wiederversorgung

S1Max 1000A

S1Max 1000A

S2Max 400A

S2Max 400A

S3Max 400A

S3Max 400A

R1Max 1000A

R1Max 1000A

R4Max 900A

R4Max 900A

R2Max 600A

R2Max 600A

R3Max 600A

R3Max 600A

R5Max 900A

R5Max 900A

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

L2200APF=0.85

L2200APF=0.85

L3300APF=0.9

L3300APF=0.9

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

AMWMVar

L1400APF=0.95

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20 ABB Technik 3/2009

Effizienter Wiederaufbau

Energieübertragung und -verteilung

(üblicherweise in einer Orac-le-Datenbank gespeicherte) Modell eines vollständigen EVU-Verteilnetzes von den Komponenten in den Unter-stationen bis zu den Nieder-spannungstransformatoren in Wohngebieten. Die Bediener-schnittstelle für ein in Net-work Manager DMS model-liertes typisches Verteilnetz mit Hausanschlüssen ist in 5 dargestellt. Die durchgezoge-nen Linien stellen Freileitun-gen und die gepunkteten Linien unterirdische Versor-gungsleitungen dar. Die Kästen stehen für Recloser oder Schalter, wobei rot für norma-lerweise geschlossene und grün für normalerweise offene Geräte (d. h. potenzielle Wieder versorgungspfade) steht. Die roten Dreiecke repräsentieren Niederspan-nungstransformatoren.

Bisher ist es so, dass die Kun-den bei einem Stromausfall beim EVU anrufen. Ein auto-matisches Störungsmelde-system leitet die Ausfalldaten an das Network Manager DMS

weiter, wo sie auf der Bedienerschnitt-stelle angezeigt werden. Mit zuneh-mender Anzahl von Anrufen versucht Network Manager DMS, die Ursache für den Ausfall zu bestimmen (z. B. ein Schaltgerät oder eine Sicherung, die aufgrund eines Fehlers ausgelöst wur-de, oder der Ausfall eines Transforma-

Leitstelle entweder automatisch oder nach Freigabe durch das Bedienperso-nal. Die übergeordnete Systemarchitek-tur dieses Konzepts ist in 4 dargestellt.

Network Manager DMS ist das Ausfall-management- und Störungsmelde-system von ABB. Es beinhaltet das

Netz, bestehend aus L2, R3 und L3, geteilt wird 3b . Die Kuppelschalter R4 und R5 werden beide geschlossen, um die Versorgung der strom-losen Lasten wiederherzustel-len 3c .

Das leitstellenbasierte KonzeptBeim leitstellenbasierten Kon-zept fungiert der COM600-Sta-tionscomputer als Gateway zur Übertragung der Feld-daten von den IEDs zum Aus-fallmanagementsystem in der Leitstelle bzw. zur Übertra-gung von Steuerbefehlen von der Leitstelle zu den IEDs im Verteilnetz. Zunächst erfasst der COM600 über anerkannte Standardprotokolle wie IEC 61850, DNP3 und Modbus die erforderlichen Daten von allen IEDs im Abzweig und analysiert diese, um festzu-stellen, ob ein Fehler im Netz vorliegt. Ist dies der Fall, sen-det der COM600 diese Infor-mation mithilfe proprietärer Methoden über ein Echtzeit-Meldesystem an das Network Manager DMS. Dort werden die Daten analysiert, der Feh-ler lokalisiert und die RSA durchge-führt, um die erforderlichen Schalt-handlungen zur Isolation und Wieder-versorgung zu bestimmen. Schließlich sendet Network Manager DMS die ent-sprechenden Steuerbefehle an den COM600. Dies erfolgt je nach Konfigu-ration der DMS-Anwendung in der

5 Bedienerschnittstelle (OrMap) für Network Manager DMS 6 Bedienereinstellungen für die leitstellenbasierte Wiederversorgung

4 Übergeordnete Systemarchitektur zur Integration von Abzweigautomatisierung und DMS

CB LeistungsschalterR RecloserS LängstrennschalterFCI Fehlerstromanzeiger Kommunikationsgerät

Kommunikationstechnologie (z. B. GSM, Satellit, Funk, Lichtwellenleiter)

Verteilnetzstation

Abzweig

SicherungenS

S

S

S

S

120/240VUnterirdischer Hausanschluss

Dreiphasige Last

Schaltbare Kondensator-batterie

Verbindung zum benachbarten Abzweig (normalerweise offen)

CB

R

Verteilnetzschutz und -Steuerung (IEDs)

COM600

Tibco-Meldung

ABB DMS

DSG1-25 MW

FCI

FCI

FCI

FCI

FCI

LVI

FCI

R

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21ABB Technik 3/2009

Effizienter Wiederaufbau

Energieübertragung und -verteilung

dar. Die weiteren Ebenen werden entsprechend fortlau-fend bezeichnet (z. B. zweite Ebene, dritte Ebene). Bei einer hohen Belastung des Netzes reicht das Schließen der Schalter der ersten Ebene möglicherweise nicht aus, um die Leistungsanforderungen der nicht versorgten Lasten zu erfüllen. Dann kann eine Ver-lagerung der Lasten aus der Zone zwischen der ersten und der zweiten Ebene in die Zone zwischen der zweiten und der dritten Ebene erfor-derlich sein. Zur Lösung die-ses Problems wurde ein gene-tischer Algorithmus imple-mentiert.

ABB hat ein leitstellenbasier-tes Konzept im Labor ent-wickelt und validiert. Außer-dem wurde ein Demonstra-tionssystem realisiert, um das Konzept in der praktischen Anwendung zu zeigen 8 . Das System umfasst einen Net-work-Manager-DMS-Server mit einem Beispielmodell eines Netzes sowie ein Laptop mit einem Network-Manager-DMS-Client für den Zugang und die Darstellung des Modells. Die Kommunikation zwischen den Computern, dem COM600-Stationscompu-ter und zwei IEDs vom Typ REF615 erfolgt über einen Ethernet-Switch und TCP/IP. Die zwei Recloser-Controller vom Typ PCD kommunizieren über serielle Verbindungen per Modbus-Protokoll mit dem COM600.

Bei dem in 8 dargestellten System besteht die veränderbare Last 1 aus einer Glühlampe mit einem ferngesteu-erten Dimmer. Last 2 ist eine feste Last in Form einer Glühlampe ohne Dim-mer. Zur Simulation eines Fehlers wird über die Fernbedienung des Dimmers die Last (Helligkeit der Glühlampe) vom halben auf den vollen Wert gestellt. Dies verursacht einen Fehler, der den Controller PCD1 nach Durch-laufen einer Folge von Wiederein-schaltvorgängen schließlich dazu ver-anlasst, endgültig abzuschalten, da

ist eine Single-Path-Restoration ausrei-chend, während bei einer hohen Belas-tung entweder eine Wiederversorgung über mehrere Pfade oder eine RSA über mehrere Ebenen erforderlich ist.

Das Konzept einer RSA über mehrere Ebenen ist in 7 dargestellt, wobei die grünen Quadrate Kuppelschalter bzw. Trennschalter zur Fehlerklärung dar-stellen. Die Kuppelschalter, die den nicht versorgten Lastbereich eingren-zen, stellen die erste Ebene von Kup-pelschaltern für die Wiederversorgung

tors bzw. einer anderen Kom-ponente). Über die Bediener-schnittstelle und mithilfe der Ausgabedaten der RSA-Funk-tion von Network Manager DMS koordiniert das Bedien-personal dann die Isolation und Wiederversorgung des Abzweigs durch die Entsen-dung von Feldpersonal, das die entsprechenden Schalt-handlungen ausführt.

Beim integrierten leitstellen-basierten Konzept erkennt der COM600 den Ausfall anhand der von den IEDs erfassten Ereignisse im Netz und infor-miert das Network Manager DMS automatisch. Sobald Network Manager DMS diese Meldung erhält, führt das System die RSA für die betref-fende Ausfallregion aus und generiert entsprechende Wie-derversorgungsstrategien, die auch als Wiederversorgungs-Schaltpläne (Restoration Swit-ching Plans, RSP) bezeichnet werden. Ob ein RSP unmittel-bar nach der RSA zur Durch-führung an den COM600 wei-tergeleitet wird oder nicht, hängt von den Bedienervor-gaben ab. Die Bediener-schnittstelle bietet drei Mög-lichkeiten zur Steuerung der Wiederversorgung 6 : Vollautomatische Steuerung ohne Beteiligung des Bedienpersonals an der Ausführung des RSP Ausführung des RSP nach Freigabe durch das Bedien-personal per Mausklick Bedienergestützte Auswahl und Ausführung des RSP

Die RSA nutzt ein detailliertes Netz-modell und eine Analyse der asymmetri-schen Lastflüsse für dieses Modell, um sicherzustellen, dass nach der Wieder-versorgung keine unzulässigen Strom- oder Spannungswerte im Netz auftre-ten. Die RSA kombiniert einen Algo-rithmus zur Netzverfolgung entlang der Baumstruktur mit einem genetischen Algorithmus, sodass sowohl geringe als auch hohe Belastungszustände des Netzes berücksichtigt werden können. Bei einer leichten Belastung des Netzes

7 Konzept der RSA über mehrere Ebenen

S1

Freischal-tung

Isolie-rung

Unver-sorgte Lasten

Ebene 1

Ebene 2

Ebene 3

S7

S6

NO

NO

NO

NO

NO

NO

S2

S3

NO

S5

S4

11

10

9

12 1413

1 2 53 4 6 7 8

15

21

22

23

1617 18 2019

27

28

29

30

24 25 26

8 Anschlussplan des Demonstrationssystems für die leitstellenbasierte Wiederversorgung

Quelle 1

Quelle 2 Quelle 3

Network Manager-

Client

Network Manager-

Server

COM600-Stations-computer

Ethernet-Switch

TCP/IP-Verbindung

PCD1 (normaler-weise geschlossen)

REF615 A (normaler-weise geschlossen)

Last 1 (einstellbar)

PCD2 (normalerweise offen,

Wiederversorgungspfad 1)

REF615 B (normalerweise offen, Wiederversorgungspfad 2)

Last 2

Fehler

Serielle Verbindung

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22 ABB Technik 3/2009

Effizienter Wiederaufbau

Energieübertragung und -verteilung

Verteilungssteuerung. Das feldbasierte und leitstellenbasierte Steuerungskon-zept für eine effiziente Wiederversor-gung sind nur zwei Beispiele hierfür. Diese Technologien liefern die Grund-lage für eine selbstüberwachende und selbstheilende Verteilnetzlösung, mit der die Ausfallzeiten beim Kunden erheblich verkürzt und die Zuverlässig-keit der Versorgung gesteigert werden kann.

James Stoupis

Zhenyuan Wang

Fang Yang

Vaibhav Donde

ABB Corporate Research Center

Raleigh, NC, USA

[email protected]

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Fahrudin Mekic

ABB Medium Voltage Products

Allentown, PA, USA

[email protected]

William Peterson

ABB Power Systems Network Management

Raleigh, NC, USA

[email protected]

Literaturangabe

[1] Wang, Z., et al. (Juli 2009): „A deterministic analysis

method for back-feed power restoration of distribu-

tion networks“. IEEE General Meeting, Calgary,

Kanada

das Bedienpersonal den besten Pfad „manuell“ aus, indem es die Ausgabe-daten der RSA wie die zulässige Kapa-zität, Belastungen und Lastflüsse aus-wertet. Die Bedienerschnittstellen von Network Manager DMS für die halb-automatische Isolation und Wieder-versorgung mit Freigabe durch das Be dienpersonal sind in 9 und 10 dar-gestellt.

Das Demonstrationssystem wurde 2009 auf verschiedenen Konferenzen wie der DistribuTech, der ABB Automation & Power World 11 und dem FERC Expo Day präsentiert.

Selbstheilende VerteilnetzeABB arbeitet aktiv an der Entwicklung neuer Netztechnologien, insbesondere in den Bereichen Verteilnetzautomati-sierung, Abzweigautomatisierung und

dessen eingestellter Ansprechstrom zwischen der Last vor dem Fehler (hal-be Last) und der Last nach dem Fehler (volle Last) liegt.

Das Abschalten von PCD1 löst die Fehler erkennung des COM600 aus. Dieser informiert das Network Manager DMS, und die RSA wird automatisch ausgeführt, um alle möglichen Wieder-versorgungspfade zu ermitteln. Je nach Voreinstellung der RSA werden die Isolations- und Wiederversorgungs-maßnahmen vollautomatisch, halb-automatisch mit Freigabe durch das Bedienpersonal oder halbautomatisch mit Auswahl und Freigabe des Wieder-versorgungspfads durch das Bedien-personal ausgeführt. In den ersten beiden Fällen wird die beste Wieder-versorgungsstrategie automatisch durch die RSA ermittelt. Im letzten Fall wählt

9 NNM-DMS-Schnittstelle (OrMap) für die halbautomatische RSA 10 NM-DMS-Schnittstelle (OrMap) nach der Wiederversorgung

11 Demonstrationssystem bei der ABB Automation & Power World 2009 in Orlando

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23ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Unser Bedarf an elektrischer Energie scheint grenzenlos und wird sich in den kommenden 40 Jahren voraussichtlich ver-doppeln. Dieser enorme Bedarf geht auch zu Lasten der Umwelt – sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Übertragung. Ein zunehmender Anteil der neu erzeugten Energie stammt aus erneuerbaren Quellen, die häufig an entlegenen Standorten zu finden sind. Seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigt sich ABB mit der Entwicklung eines neu-en Systems zur Hochspannungs-Gleich- stromübertragung mit der Bezeichnung HVDC (High-Voltage Direct Current) Light®, das eine Alternative zu herkömmlichen Übertragungssystemen mit allen ihren Nachteilen darstellt. HVDC Light ermöglicht den Transport von Gleichstrom über große Entfernungen mithilfe robuster, schnell verleg- barer Kabelsysteme auf Polymer-basis an Land und unter Was- ser. Darüber hinaus unterstützen HVDC-Light-Umrichter den Netzbetrieb durch nützliche Eigen-schaften wie eine verbesserte Schwarzstartfunktionalität.

Leistung macht den UnterschiedDie HVDC Light®-Technologie erreicht 1.100 MWBjörn Jacobson, Marc Jeroense

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24 ABB Technik 3/2009

Leistung macht den Unterschied

Energieübertragung und -verteilung

tungsfluss und Spannung am Anschluss-punkt ermöglichen. Bei der klassischen HGÜ (mit thyristorbasierten Umrichtern statt Transistoren) ist diese unabhängige Regelung von Wirkleistung und Netz-spannung nicht automatisch gegeben, sondern erfordert zusätzliche Kompo-nenten. Außerdem kann bei der VSC-basierten Übertragung der Leistungsfluss umgekehrt werden, ohne dass die Pola-rität der Spannung umgekehrt werden muss. Auch dies ist bei der klassischen HGÜ nicht möglich. Die Umkehrung des Leistungsflusses erfolgt stattdessen durch die Umkehr der Stromrichtung. Diese Eigenschaft ist ein großer Vorteil, da eine Umkehr der Polarität zu hohen elektrische Feldbelastungen im Kabel-system führen kann.

HVDC-Light-Kabel sind als bipolare Kabelpaare ausgeführt – eines mit posi-tiver und eines mit negativer Polarität. Werden die Kabel mit antiparallelen Strömen betrieben, hebt sich ihr Mag-netfeld praktisch auf – ein weiterer posi-tiver Aspekt der HVDC-Light-Technolo-gie. Dank der koordinierten Entwick-lung von Umrichtern, bipolaren Transis-toren mit isoliertem Gate (IGBTs) und HVDC-Light-Kabelsystemen sind VSC-basierte Übertragungssysteme in der Lage, eine synchronisierte Spannung für einen ganzen Windpark zu erzeugen, und stellen damit eine Alternative zu

Westen über 2.000 km zu den Verbrau-chern im Süden und Osten des Landes zu transportieren 1 .

UmrichterDie Elektrizität wird im Kraftwerk in Form von Wechselstrom erzeugt und gelangt als Wechselstrom zum Verbrau-cher. HGÜ-Leitungen benötigen an jedem Ende Umrichter, die den Wechsel-strom (mithilfe von Gleichrichtern) in Gleichstrom und nach der Übertragung (mithilfe von Wechselrichtern) wieder in Wechselstrom umwandeln. Dies erfolgt bei der klassischen HGÜ mithilfe von Thyristoren und bei HVDC-Light-Syste-men mithilfe von Transistoren.

HVDC LightABB ist der einzige Hersteller, der über eine mehr als 10-jährige Betriebserfah-rung mit solchen Übertragungssystemen auf der Basis von Spannungszwischen-kreis-Umrichtern (Voltage-Source Con-verters, VSC) verfügt. Das erste HVDC-Light-Projekt war eine 10-kV-Versuchs-anlage in Hällsjön-Grängesberg, die 1997 fertiggestellt wurde. Seitdem wurden zahlreiche Umrichterstationen gebaut, die zur Zufriedenheit der Kunden erfolg-reich in Betrieb sind.

VSC-basierte Übertragungssysteme können mit sehr schwachen Netzen und sogar mit Netzen ohne zusätzliche Ener-giequellen gekoppelt werden. Sie stabili-sieren die Spannung, indem sie nach Bedarf Blindleistung einspeisen oder verbrauchen und so eine gleichzeitige oder unabhängige Regelung von Leis-

In unserer urbanisierten Welt steht immer weniger Platz für den Bau

neuer Stromleitungen zur Verfügung. Gleichzeitig werden die Netze durch die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energie-quellen wie Sonne, Wind und Wasser stärker beansprucht. In den abgelege-nen Regionen, in denen diese Energie-quellen für gewöhnlich zu finden sind, stehen häufig nur schwache Netze zur Verfügung. Dennoch erleben erneuer-bare Energien heutzutage einen starken Aufschwung, da sie als eine Lösung für die zunehmende CO

2-Problematik

gelten. Mit neuen Initiativen zum Klima-schutz und Energiehandel werden unweigerlich auch neue Anforderungen an die Übertragungsnetze gestellt. Die HVDC-Light®-Technologie ist eine inter-essante Alternative für die zwingend erforderliche Stärkung der Stromnetze.

HochleistungsübertragungDie Hochspannungs-Gleichstromüber-tragung (HGÜ) ermöglicht den Trans-port elektrischer Energie mit geringen Verlusten. Der klassische Einsatzbereich der HGÜ liegt in der Energieübertragung über Seekabel bzw. der Übertragung hoher Leistungen über große Entfernun-gen. ABB ist seit den 1930er Jahren füh-rend in der Entwicklung von HGÜ-Sys-temen und kann zahlreiche erfolgreiche HGÜ-Projekte vorweisen – von der Ins-tallation der ersten kommerziellen 12-Puls-Umrichter auf der Insel Gotland im Jahr 1954 bis zu den Großanlagen in China, die zurzeit gebaut werden, um bis zu 6.400 MW elektrischer Energie von den großen Wasserkraftwerken im

Fußnote1) Cigré ist eine 1921 gegründete nichtstaatliche Organi-

sation, die sich mit Richtlinien für die Planung und den

Betrieb von Stromnetzen befasst.

2 Historische Entwicklung der HGÜ-Spannungen

1.200

1.000

800

600

400

200

0

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Leistung (MW) Spannung (kV)

1 1.100-MW-Umrichterstation mit einer Ausdehnung von 160 m x 70 m bis zum Zaun

a AC-Filterhalleb Drosselhallec Ventilhalled Kühler

e DC-Hallef Servicegebäudeg Umrichtertransformatoren

a

bc

d

ef

g

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25ABB Technik 3/2009

Leistung macht den Unterschied

Energieübertragung und -verteilung

keiten. Dazu gehören Offshore-Anwen-dungen wie die Versorgung von Ölplatt-formen vom Landnetz aus und die Fort-leitung der von Offshore-Windparks erzeugten Elektrizität. Da HVDC-Light-Kabel keine wechselnden Magnetfelder und externe elektrische Felder aufwei-sen und im Erdboden verlegt werden können, ist die Akzeptanz neuer Über-tragungssysteme auf der Basis der HVDC-Light-Technologie groß. Eine geringe Sichtbarkeit und eine schnelle, wenig störende Installation tragen zu verkürzten Genehmigungsverfahren und einer schnellen Projektrealisierung bei. Die kompakten Abmessungen des Kabelsystems und das vereinfachte Ins-tallationsverfahren mit einer geringeren Anzahl von Verbindungsmuffen pro Kilometer sowie die Langlebigkeit der Erdkabel sorgen für eine kosteneffiziente Installation und Instandhaltung. Ein gro-ßer Teil der Kosten bei einem HVDC-Light-Übertragungssystem entfällt auf die Umrichtertechnik. Außerdem nimmt

die Übertragungskapazität – anders als bei Drehstromleitun-gen – mit zunehmender Ent-fernung nicht ab, d. h. das HVDC-Light-System wird mit zunehmender Übertragungs-entfernung immer kosteneffizi-enter. Ungeachtet der sehr unterschiedlichen örtlichen Bedingungen haben Fallstudien gezeigt, dass HVDC Light bei Entfernungen über 200 km selbst in finanzieller Hinsicht eine interessante Alternative zu Freileitungen mit vergleichbarer Kapazität darstellt.

Extrudierte und masse-imprägnierte KabelWie das Valhall-Projekt gezeigt hat, können auch Kabel mit masseimprägnierter Papieriso-lierung (MI-Kabel) mit HVDC Light verwendet werden. Sowohl MI-Kabel als auch Polymerkabel lassen sich am Meeresgrund verlegen, aller-dings werden für die höchsten Spannungen (400 bis 500 kV DC) derzeit MI-Kabel bevor-zugt. Polymerkabel werden hingegen an Land bevorzugt eingesetzt, da sie schnell und einfach zu verbinden und zu verlegen sind 4 .

per Frequenz- und Blindleistungsrege-lung gesteuert werden. Zur Regelung der Wirkleistung kann ein bestimmtes Niveau vorgegeben oder die benötigte Leistung durch die Netzfrequenz be-stimmt werden (Automatikmodus). Ebenso kann die Blindleistung vorgege-ben oder als Funktion der Netzspannung variieren (Spannungsregelungsmodus).Darüber hinaus stehen bei Bedarf ver-schiedene Arten von Dämpfungsfunktio-nen zur Verfügung, zum Beispiel zur Dämpfung sub-synchroner torsionaler Wechselwirkungen zwischen Netz und Generatoren. HVDC Light kann dabei helfen, diese Pendelungen zu dämpfen und so die Generatoren vor potenziell schädlichen Vibrationen schützen.

Neue MöglichkeitenDie Einführung von HVDC-Light-Um-richterstationen und extrudierten Poly-merkabeln erweitert den Markt der tradi-tionellen HGÜ (d. h. lange Seekabelver-bindungen) und eröffnet neue Möglich-

Hochspannungs-Drehstromstromleitungen (mit 400 und 500 kV AC) dar. Die Designphilosophie von HVDC Light bestand in einer vorsichtigen Anhebung des Spannungsniveaus auf vorhandene Werte 2 . Dazu wurden strenge Tests im Einklang mit den Cigré-Empfehlungen1) durchgeführt. Die Prototypentests, Hochspannungs-Isolationsprüfungen und Bauteilprüfungen fanden bei ABB und in externen Labors statt. Kritische Bauteile wurden in einem eigens ent-wickelten, einzigartigen Hochspannungs-Schaltkreis geprüft. Die Berechnungen, Simulationen und Betriebsprüfungen bei maximaler Leistung wurden für jede Komponente durch Feldmessungen verifiziert. Mit über 1.500 km verlegten HVDC-Light-Kabeln und über 28.000 IGBTs in 29 Umrichtern (bzw. 22 Umrich-terstationen) genießt die HVDC-Light-Technologie von ABB einen hervorragen-den Ruf für eine effiziente und zuverläs-sige Energieübertragung Infobox .

Spezielle TransistorenSämtliche IGBTs für HVDC Light werden von ABB selbst produziert. Der größte von ihnen hat einen maximalen Abschaltstrom von 4.000 A im Normalbetrieb und kann unter Kurzschlussbedingungen ca. 18 kA standhalten 3 . Unter Be-rücksichtung der erforderlichen Sicherheitsmargen bedeutet dies eine Gleichstrom-Trag-fähigkeit von etwa 1.800 A.

LeitsystemDas MACH2TM ist ein compu-tergestütztes, schnelles Leitsys-tem mit einer Zykluszeit für die internen Regelkreise von 100 µs. Das System überwacht den Zustand der Umrichter und der verbundenen Betriebs-mittel und schützt diese vor Strom- und Spannungsüberlas-tung. Es ermöglicht zudem eine schnelle Regelung des internen Ventilstroms und der Gleichspannung. Die schnells-ten Schaltungen zum Schutz der Ventile reagieren innerhalb von 10 µs.

Zu den Hauptfunktionen von MACH2 gehört die Leistungs- und Spannungsregelung. Alter-nativ kann das System auch

Infobox ABB verfügt über umfangreiche Erfahrungen mit HVDC-Light- und Blindleistungskompensationsanlagen (SVC)

Projekt Anzahl der Jahr der Umrichter Inbetriebnahme 1 Hällsjön 2 1997 2 Hagfors (SVC) 1 1999 3 Gotland 2 1999 4 Directlink 6 2000 5 Tjæreborg 2 2002 6 Eagle Pass 2 2000 7 Moselstahlwerke (SVC) 1 2000 8 Cross Sound Cable 2 2002 9 Murraylink 2 200210 Polarit (SVC) 1 200211 Evron (SVC) 1 200312 Troll A 4 200513 Holly (SVC) 1 200414 Estlink 2 200615 Ameristeel (SVC) 1 200616 ZPSS (SVC) 1 200617 Mesnay (SVC) 1 200818 BorWin 1 (Nord E.ON 1) 2 200919 Martham (SVC) 1 200920 Liepajas (SVC) 1 200921 Siam Yamato (SVC) 1 200922 Caprivi Link 2 201023 Valhall 2 201024 Liepajas Metalurgs (SVC) 1 201025 Danieli – GHC2 (SVC) 1 201126 Danieli – UNI Steel (SVC) 1 201127 EWIP 2 2012

Die Projekte 1–18 wurden bereits installiert; 19–23 sind in Auftrag gegeben und befinden sich im Bau, sind jedoch noch nicht in Betrieb.

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26 ABB Technik 3/2009

Leistung macht den Unterschied

Energieübertragung und -verteilung

gungsnetze eingesetzt zu werden. Das Wort „Light“ verweist dabei lediglich auf die einfache Anwendung und nicht auf einen Mangel an Leistungsfähigkeit. Angesichts der umfangreichen Erfahrun-gen aus zahlreichen Installationen gilt die Zuverlässigkeit der Technologie als erwiesen und gesichert.Die Ingenieure von ABB arbeiten weiter daran, die Grenzen der Technologie zu erweitern. Spannung, Stromstärke, Leis-tung, Platzbedarf und Effizienz sind eini-ge der Schlüsselparameter, die kontinu-ierlich verbessert werden. Langfristig ist auch die Realisierung eines Gleichstrom-netzes denkbar, das das Drehstromnetz überlagert und somit dabei hilft, die Übertragungskapazität zu erhöhen, ohne die Stabilität zu gefährden oder mehr Freileitungen zu erfordern. Auch wenn dafür noch einige Schwierigkeiten bewältigt werden müssen, z. B. im Hin-blick auf das Abschalten von Gleich-strömen, könnte ein Gleichstromnetz eine geeignete Lösung zur Einbindung und Verteilung nachhaltiger Energie von Sonne, Wind und Wasser bei gleichzei-tiger Reduzierung der CO

2-Emissionen

darstellen. Zu den Schlüsselkomponen-ten, die kontinuierlich weiterentwickelt werden, gehören IGBTs, Kabelsysteme sowie die Hard- und Software der Leit-technik.

Ein neuer MeilensteinHVDC Light hat mit einer Übertragungs-leistung von 1.100 MW mittlerweile einen bedeutenden Meilenstein erreicht und stellt damit eine neue Alternative für die elektrische Energieübertragung über große Entfernungen mit Erdkabeln dar. Zudem eröffnen sich neue Möglich-keiten wie die Verstärkung bestehender Netze, die Versorgung isolierter Verbrau-cher wie Offshore-Anlagen und die Anbindung entlegener erneuerbarer Energiequellen an die Wohn- und Arbeitsstätten der Menschen.

was auch die Trassenlegung erleichtert. Sogar eine Kombination aus Freileitun-gen und Erdkabeln ist möglich. Da die Freileitungen jedoch der Atmosphäre ausgesetzt sind, müssen sie durch Über-spannungsableiter und elektronische Schutzeinrichtungen gegen Blitzschläge geschützt werden.

Drehstrom und Hochleistungsüber-tragung über große EntfernungenDreh- bzw. Wechselstrom oszilliert mit 50 bzw. 60 Perioden in der Sekunde (d. h. einer Frequenz von 50 bzw. 60 Hz), ganz gleich ob es sich um Ultrahoch-spannung, Hochspannung, Mittelspan-nung oder Niederspannung handelt. Innerhalb jeder Periode wird das Kabel auf die Netzspannung geladen und wie-der entladen. Dieser Ladestrom nimmt mit der Kabellänge zu. Ab einer be-stimmten Kabellänge ist der Ladestrom so hoch, dass keine nutzbare Leistung mehr übrig bleibt. Natürlich ist das Drehstromkabel schon lange vorher nicht mehr wirtschaftlich. Dieses Prob-lem nimmt mit der Höhe der Spannung zu, weshalb die Länge und das Leis-tungsvermögen von Drehstromkabeln begrenzt ist. Für kurze Strecken können sie sehr nützlich sein, doch nicht für die Übertragung hoher Leistungen über große Entfernungen. In Gleichstromkabeln hingegen tritt ein solcher Ladestrom nicht auf, womit der gesamte Strom nutzbar ist.

Eine ausgereifte TechnologieMit den leistungsfähigen IGBTs und den schlanken Hightech-Kabelsystemen von ABB ist die HVDC-Light-Technologie bereit, als integraler und bedeutender Bestandteil der weltweiten Übertra-

3 IGBT-Ventile – das Herz der Umrichter

Erdkabel und FreileitungenIn einigen Regionen, z. B. in bergigem Gelände, das für Bagger und Lkw nur schwer zugänglich ist, stellen Erdkabel nicht immer eine Alternative dar. Unter bestimmten Umständen sind Freileitun-gen sogar deutlich kostengünstiger. In diesem Fall kann HVDC Light auch mit Freileitungen realisiert werden. Ein Bei-spiel hierfür ist die zurzeit im Bau be-findliche Caprivi-Verbindung in Namibia, die durch 970 km unwegsames Gelände führt und Ende 2009 in Betrieb gehen soll. Mit HGÜ-Freileitungen lässt sich eine höhere Leistung pro Leitung errei-chen als mit entsprechenden Drehstrom-leitungen. Dies gilt besonders für lange Verbindungen. Somit sind weniger Über-tragungsleitungen erforderlich, um die erforderliche Leistung zu transportieren,

4 HVDC-Light-Kabel sind extrudierte Polymerkabel.

a Aluminiumleiterb Widerstandspolymerc Isolierender Polymerd Äußerer Widerstandspolymere Mantel f Feuchtigkeitssperreg Mechanischer Schutz

a

b

c

d

e

f

g

Björn Jacobson

ABB Power Systems

Ludvika, Schweden

[email protected]

Marc Jeroense

ABB Power Systems

Karlskrona, Schweden

[email protected]

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Das Gleichgewichtder KräfteIntegration von HVDC Light® in fortschrittliche ÜbertragungsnetzeJiuping Pan, Reynaldo Nuqui, Bertil Berggren, Stefan Thorburn, Björn Jacobson

Haben Sie sich jemals gefragt, wie Drahtseilartis-ten es schaffen, auf einem so dünnen Seil die Balance zu halten? Dabei müssen sie nicht nur auf ihr eigenes Gleichgewicht achten, sondern auch die Bewegungen des Seils berücksichtigen, die durch ihre eigenen Bewegungen entstehen. Eine Möglichkeit besteht darin, sich sehr lang-sam zu bewegen, um kritische Schwingungen zu vermeiden. Raffinierter wäre es, wenn der Artist diese Bewegungen einkalkulieren und durch geschicktes Ausnutzen bzw. Entgegenwirken so kontrollieren könnte, dass er sich gleichzeitig schneller bewegen kann. Je flexibler die Reak-tionen des Akrobaten, desto besser kann er die Dynamik des gesamten Systems für sich nutzen.

Mit dem Betrieb eines Stromnetzes scheint dies auf den ersten Blick nicht viel zu tun zu haben. Doch auch hier können erhebliche Stabilitäts-probleme auftreten. Traditionell wird dem ent-gegengewirkt, indem die Belastung unter einer bestimmten Grenze gehalten wird, um jegliche Gefahr von Instabilitäten auszuschließen. Doch die Liberalisierung der Strommärkte und die ver-stärkte Nutzung erneuerbarer Energien führen dazu, dass die Elektrizität über immer größere Entfernungen transportiert wird, was eine bessere Regelbarkeit der Netze erforderlich macht. Mit HVDC Light® verfügt ABB über eine Technologie, die nicht nur in der Lage ist, die Übertragungs-kapazität von Stromnetzen zu erhöhen, sondern auch Leistungspendelungen aktiv zu dämpfen und die Stabilität des Netzes zu verbessern.

27ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

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Wird dadurch der Energietransport von den bevorzugten Erzeugungsquellen zu den Verbrauchsschwerpunkten einge-schränkt, sind die Netzbetreiber gezwun-gen, teurere oder weniger effiziente Erzeugungsressourcen einzusetzen.

Hinzu kommt, dass in immer größerem Umfang erneuerbare Energiequellen in die Stromnetze eingebunden werden. Die verstärkte Nutzung dieser intermittie-renden Quellen in Verbindung mit häufig schwachen Netzen in Regionen, in denen die erneuerbaren Energiequellen zu fin-den sind, stellen den sicheren Betrieb von Stromnetzen vor neue Herausforde-rungen. Insbesondere in Europa, wo sich die Planung von Offshore-Windparks in der Größenordnung von mehreren Giga-watt bereits im fortgeschrittenen Stadium befindet, ist eine zuverlässige und robus-te Übertragung zum Festland erforder-lich. In den USA gilt die unzureichende Übertragungsinfrastruktur als das größte Einzelhindernis für einen verstärkten Ausbau der Windenergie und der Errei-chung des Ziels, bis zum Jahr 2025 20 % der nationalen Stromversorgung durch Windenergie abzudecken 1 . Die Weiter-entwicklung der Übertragungsnetze ist also von zentraler Bedeutung für die Sicherung einer nachhaltigen Energiever-sorgung in der Zukunft.

Eine robuste und wirtschaftliche AlternativeEine Erhöhung der Übertragungskapazi-tät durch den Bau zusätzlicher Dreh-stromleitungen herkömmlicher Art wird in vermaschten, stark belasteten Dreh-stromnetzen zunehmend problematisch. Eine der wichtigsten Einschränkungen ist der öffentliche Widerstand gegen sicht-bare Freileitungen, was eine Netzerweite-rung mit solchen häufig ausschließt. Zudem werden die Möglichkeiten einer Erweiterung durch Drehstromleitungen – sowohl in Form von Freileitungen als auch von Erdkabeln – oft durch Proble-me mit der Spannungsstabilität und dyna-mischen Stabilität, höhere Kurzschluss-leistungen und Bedenken hinsichtlich unzulässiger paralleler Lastflüsse im Netz eingeschränkt. Ein weiterer Aspekt sind die Kosten für neue Leitungstrassen in Stadtgebieten. Hinzu kommt der

nach neuen Technologien, die in der Lage sind, diese Anforderungen zu erfül-len und gleichzeitig die Regelbarkeit und Stabilität des Netzes zu erhalten bzw. zu verbessern.Das bedeutet, dass der durch physikali-sche Gesetze bestimmte „natürliche“ Leistungsfluss in einem Stromnetz zuneh-mend durch wirtschaftliche Triebkräfte beeinflusst wird. Neben Zuverlässigkeits-kriterien gilt es bei der Entwicklung der Übertragungsinfrastruktur der Zukunft auch ökologische Aspekte und Energie-effizienzaspekte zu berücksichtigen.Bedingt durch ihre Regelbarkeit und die damit verbundenen Verbesserungen in puncto Sicherheit und Effizienz eröffnet der Einsatz moderner HVDC-Light-Systeme in regionalen Übertragungsnetzen völlig neue Möglichkeiten für den intelligenten Betrieb von Stromnetzen.

Gewachsene Infrastruktur an ihren GrenzenAufgrund zunehmender Engpässe sind die Übertragungsnetze nicht immer in der Lage, einen wirtschaftlichen Energie-austausch zwischen benachbarten Ener-giemärkten bzw. die optimale Nutzung von Erzeugungsressourcen zu gewähr-leisten. Zu einem Engpass kommt es, wenn der tatsächliche oder geplante Leis-tungsfluss über wichtige Übertragungs-korridore aufgrund der physischen Kapa-zität oder aufgrund von Sicherheitsmaß-nahmen niedriger ausfällt als gewünscht.

Die meisten Stromnetze sind traditio-nell dafür ausgelegt, Elektrizität vom

Erzeuger an die Verbraucher in der un-mittelbaren Umgebung zu liefern. Daher befinden sich die Kraftwerke bis heute meist in der Nähe großer Städte, was sich auch in der Infrastruktur widerspiegelt. Heutzutage wird immer mehr Elektrizität an entlegenen Orten erzeugt und über große Entfernungen übertragen. Dies hat mehrere Gründe: zum einen die zuneh-mende Nutzung erneuerbarer Energie-quellen, die oft nur an entlegenen Orten zur Verfügung stehen, und zum anderen die zunehmende Liberalisierung der Strommärkte, die die Nutzung der Kraft-werke mit den niedrigsten Grenzkosten begünstigt. Daher werden die Hochspan-nungsnetze zunehmend zur Fernübertra-gung genutzt, und die Netzbetreiber suchen nach Möglichkeiten, die Grenzen der Nutzung weit entfernter Energie-quellen zu reduzieren.

Da Hochspannungsnetze zunehmend auf eine Weise genutzt werden, für die sie ursprünglich gar nicht vorgesehen waren, müssen einige Übertragungskorridore näher an ihren Belastungsgrenzen betrie-ben werden als je zuvor. Im Falle der erneuerbaren Energiequellen kommt erschwerend hinzu, dass diese nur mit hoher, zum Teil schwer prognostizier-barer Volatilität zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund ist man auf der Suche

28 ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Fußnote1) HVDC Light® ist der Produktname eines von ABB

entwickelten HGÜ-Systems mit Spannungszwischen-

kreis-Umrichtern.

Das Gleichgewicht der Kräfte

1 In den USA gelten Engpässe in den Übertragungsleitungen als das größte Einzelhindernis für einen verstärkten Ausbau der Windenergie.

Kritisches Engpassgebiet

Quelle: National Electric Transmission Congestion Study, US DoE 2006

Gebiete mit hohem Winddargebot

Flussrichtung zum kritischen Engpassgebiet

Flussrichtung zum betreffenden Engpassgebiet bzw. von den Ressourcen zu den Verbrauchern

230kV – 344kV 345kV – 499kV 500kV – 734kV 735kV – 999kV DC

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29ABB Technik 3/2009

Das Gleichgewicht der Kräfte

Energieübertragung und -verteilung

Intelligente ÜbertragungHVDC Light eignet sich ideal für die Ein-bettung in vermaschten Drehstromnetze. Zu den besonderen Eigenschaften der Technologie gehören die Fähigkeit zur flexiblen Regelung des Leistungsflusses und zur dynamischen Spannungsunter-stützung der umgebenden Drehstrom-netze. In Verbindung mit fortschrittlichen Regelungsstrategien kann so eine intelli-gente Übertragung mit einem verbesser-ten stationären und dynamischen Leis-tungsverhalten des Netzes realisiert werden [3].

Optimierung regionaler NetzkupplungenUnter normalen Betriebsbedingungen kann der Leistungsfluss eines HVDC-Light-Systems nach wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Gesichtspunkten geplant werden. Darüber hinaus können die Leistungsflüsse im Gleichstrom-Zwi-schenkreis in Echtzeit verändert werden.

zwar sowohl mit Erdkabeln als auch mit Freileitungen. Damit verbunden sind zahlreiche ökologische Vorteile wie „unsichtbare“ Stromleitungen, neutrale bzw. statische elektromagnetische Felder, ölfreie Kabel und kompakte Umrichter-stationen. Der Leistungsbereich von HVDC Light hat sich in den letzten Jahren rasch vergrößert 3 . Im oberen Leistungs-segment ist mittlerweile eine Übertra-gungsleistung von 1.200 MVA für symme-trische, einpolige Systeme mit Erdkabeln möglich. Bei zweipoligen Systemen mit Freileitungen sind es sogar 2.400 MVA [2]. Ein interessantes Merkmal von HVDC Light ist, dass die Richtung des Leistungs-flusses durch Umkehr der Stromrichtung und nicht durch Umpolung der Gleich-spannung verändert wird. Dies erleichtert den Aufbau eines HVDC-Light-Systems mit mehreren Anschlusspunkten. Diese können sowohl im selben Drehstromnetz oder in verschiedenen Drehstromnetzen liegen. Das daraus resultierende HVDC-Light-System kann eine strahlenförmige, ringförmige oder vermaschte Topologie aufweisen 4 .

Bedarf für eine regelbare Übertragung zur wirksamen Lenkung veränderlicher Lastflüsse und Anbindung intermittieren-der Energiequellen 2 . Seit der Einfüh-rung im Jahr 1997 erweist sich HVDC Light1) zunehmend als attraktive Lösung, wenn es darum geht, die erforderliche Verbesserung der Übertragungskapazität zu erreichen, eine zuverlässige Integra-tion von umfangreichen erneuerbaren Energiequellen zu gewährleisten und gleichzeitig strenge ökologische und technische Anforderungen zu erfüllen.

HVDC-Light-TechnologieDie HVDC-Light-Technologie basiert auf Spannungszwischenkreis-Umrichtern (VSC), die mit bipolaren Transistoren mit isoliertem Gate (Insulated-Gate Bipolar Transistors, IGBT) ausgestattet sind [1]. Die Umrichter arbeiten mit einer hoch-frequenten Pulsweitenmodulation (PWM) und sind so in der Lage, Wirkleistung und Blindleistung schnell und unabhän-gig voneinander zu regeln. Mit HVDC Light kann elektrische Energie über große Entfernungen übertragen werden, und

a Eine zusätzliche Drehstromverbindung zwischen Gebiet 1 und Gebiet 2 nimmt einen Teil der Last auf, kann aber den Pfad über Gebiet 3 nicht vollständig entlasten.

b Durch die Regelbarkeit der HGÜ-Verbin-dung kann die gewünschte Last aufge-nommen werden, sodass die anderen Leitungen entlastet werden.

2 Verbesserung der Regelbarkeit von Stromnetzen durch HVDC Light

Risiko zu hoher Kurzschluss-leistung

Dynamische Spannungs-unterstützung

Drehstromleitung HVDC LightThermische Grenze Thermische Grenze

Stabilitätsgrenze Stabilitätsgrenze

Risiko zu hoher Kurzschluss-leistung

Dynamische Spannungs-unterstützung

Gebiet 2 Gebiet 2Gebiet 1 Gebiet 1

Gebiet 3 Gebiet 3

~=

~=

3 HVDC-Light-Umrichterstation und Leistungsbereich für ein symmetrisches einpoliges System mit Kabeln

HVDC Light

HVDC-Light-Umrichterstation und Leistungsbereich für ein symmetrisches einpoliges System mit Kabeln

Freiluft

Innenraum

AC

IGBT-Ventile

DC

DC-Spannung 580 A 1140 A 1740 A

± 80 kV 100 MVA 200 MVA 300 MVA

± 150 kV 190 MVA 370 MVA 540 MVA

± 320 kV 400 MVA 790 MVA 1210 MVA

4 Flexible Konfiguration von HVDC-Light-Systemen mit mehreren Anschlusspunkten: a strahlenförmig, b ringförmig und c vermascht

~=

~=

~=

~=

~=

~=

~=

~=

~=

~=

~=

a

b

c

5 Da der Leistungsfluss in einer HVDC-Light-Verbindung genau geregelt werden kann, lassen sich regionale Lastflüsse entsprechend vertraglicher Vereinbarungen lenken, was zur Stabilisierung des Netzes beiträgt.

RegionA

RegionB~

= ~=

Pac

Pdc + Pac

Pdc

Zeit

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30 ABB Technik 3/2009

Das Gleichgewicht der Kräfte

lichen Vereinbarung vereinfacht die Bepreisung und Abrechung von Energie-übertragungen und hilft, unerwünschte Leistungsflüsse zu verhindern 5 .

Verbesserte KorridornutzungIn vielen Fällen kann die Kapazität von Drehstromleitungen in einem Übertra-gungskorridor aufgrund von Einschrän-kungen hinsichtlich der Spannungsstabili-tät oder der dynamischen Stabilität nicht vollständig genutzt werden. Mit HVDC Light kann die Übertragungskapazität eines solchen Korridors durch den Ein-satz einer parallelen HVDC-Light-Verbin-dung erhöht werden. Laut Studien kann diese Erhöhung sogar die Nennleistung der HVDC-Light-Verbindung übersteigen, was auf die wirksame Dämpfungsrege-lung und dynamische Spannungsunter-stützung für die parallelen Drehstrom-leitungen zurückzuführen ist [4]. Darüber hinaus kann für eine große Bandbreite von Übertragungsleistungen eine optima-le Aufteilung der Leistung realisiert wer-den, um die Gesamtenergieverluste des hybriden AC/DC-Korridors zu minimieren. Je nach Betriebszustand des hybriden AC/DC-Korridors kann die Regelung des HVDC-Light-Systems entweder auf eine Minimierung der Verluste oder eine Maxi-mierung der Übertragungsleistung ausge-richtet werden. Durch diese adaptive Regelungsstrategie kann eine gute Balan-ce zwischen Übertragungseffizienz und Korridornutzung erreichen werden 6 .

Integration von Offshore-WindparksHVDC Light ermöglicht die effiziente Nutzung von langen Land- oder See-kabeln zur Einbindung großer Offshore-Windparks in vorhandene Übertragungs-netze 8 . Die wichtigsten Merkmale von HVDC Light für die Anbindung von

Diese hohe Regelbarkeit des Leistungs-flusses erlaubt es den Netzbetreibern, wirtschaftlichere und sauberere Erzeu-gungsressourcen zu nutzen, günstige bilaterale Transaktionen zu realisieren und ein effektives Engpassmanagement umzusetzen. Darüber hinaus können HVDC-Light-Systeme, ähnlich wie ent-sprechende Erzeugungseinheiten, auch als kommerzielle Übertragungseinrichtun-gen eingesetzt werden. Die präzise Rege-lung des Leistungsflusses durch ein HVDC-Light-System gemäß einer vertrag-

Energieübertragung und -verteilung

8 HVDC Light ermöglicht eine optimale Integration großer Offshore-Windparks in das Stromnetz.

Windenergieressourcen sind: Vollständige Erfüllung der Netzan-schlussregeln (Grid Code).

Die Generatoren der Windkraftanlagen müssen nicht mehr die Erfüllung der Netzanschlussregeln ausgelegt sein, sondern können im Hinblick auf Kosten, Effizienz und Robustheit opti-miert werden.

Ein HVDC-Light-System ist in der Lage, den Windpark vom Drehstromnetz zu trennen. So bewirken Netzfehler keine Belastungen oder Störungen der Wind-kraftanlagen, und Störungen im Wind-park haben keinen Einfluss auf das Drehstromnetz.

HVDC Light ermöglicht die Regelung der Spannung und der Frequenz. Dabei kann ein gewünschtes Trägheitsmoment nachgebildet werden, um die Stabilität des Drehstromnetzes zu verbessern.

Verhalten bei schweren StörungenIn Übertragungsnetze eingebettete HVDC-Light-Systeme können zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes während und nach schweren Störungen beitragen. Hierzu können eine Reihe erweiterter Regelungsfunktionen zur Behandlung verschiedener Probleme während und nach der Störung imple-mentiert werden 7 .

NetzstabilisierungGefährdet eine schwere Störung die dynamische Stabilität des Netzes, kann HVDC Light durch schnelle Erhöhung oder Senkung der Leistung helfen, einen synchronisierten Netzbetrieb aufrechtzu-erhalten. Während der Störung kann durch das sofortige Umkehren des Leis-tungsflusses im HVDC-Light-System aus-reichend Leistung aufgenommen werden, um die Beschleunigung der Generatoren zu begrenzen. Darüber hinaus können die HVDC-Light-Umrichter so gesteuert werden, dass nach Beseitigung des Feh-

6 Eine parallele HVDC-Light-Verbindung ermöglicht die Steuerung des resultieren hybriden AC/DC-Korridors und gewähr-leistet eine optimale Balance zwischen Übertragungseffizienz und Korridornutzung.

~= ~

=

Pac

Pdc

Optimale Leistungsteilung

Gesamtleistung im AC/DC-Korridor (MW)

1.000

800

600

400

200

00 100 200 300 400 500 600 700 800

Leis

tung

pro

Kom

pone

nte

(MW

)

Ptotal MW Pdc MW Pac MW

Pgesamt MW PDC MW PAC MW

Q-Regelung (P=0) P-Regelung (Q=0) Gemischte Regelung Kein DC-

Zwischenkreis

Last

span

nung

(p.u

.)

PLast (p.u.)

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

1,10

1,05

1,00

0,95

0,90

0,85

7 Erweiterte Regelungsfunktionen gehören zu den Merkmalen von HVDC Light.

Verlustminimierung Netzstabilisierung Thermische Grenzen

Spannungsstabilität/-wiederkehr

Frequenzunterstützung

RingflussregelungDämpfung von

LeistungspendelungenSpannungsunterstützung

Frequenzregelung

Fehler tritt auf

Zeit

20–30 Minuten nach Auftreten des Fehlers

Vor der Störung Nach der Störung BedienereingriffTransiente Phase

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31ABB Technik 3/2009

Das Gleichgewicht der Kräfte

Energieübertragung und -verteilung

Fußnoten2) Statischer Blindleistungskompensator (Static Var Compensator) – ein Gerät, das typischerweise aus thyristorgeschal-

teten Kondensatoren und Oberschwingungsfiltern besteht und zur Einspeisung bzw. Aufnahme von Blindleistung

und somit zur Verbesserung der Spannungsstabilität verwendet wird.3) STATCOM: Statischer synchroner Kompensator – ein Gerät mit ähnlicher Funktion wie ein SVC, jedoch basierend auf

Spannungszwischenkreis-Umrichtern4) Das Phänomen der kalten Lastaufschaltung besteht darin, dass die Last beim Zuschalten nach einem längeren Aus-

fall häufig größer ist als vor dem Blackout. Dies kann z. B. durch eine Kombination aus gerätebedingten Effekten

(Einschaltströme von Kondensatoren, Magnetisierungsströme von Transformatoren usw.) und lastbedingten Effekten

wie dem Neustart von Maschinen und Prozessen verursacht werden.

lichen. Die Frequenzregelung und -unter-stützung von HVDC Light kann mit vor-handenen Lastabwurfkonzepten bei Frequenzunterschreitung koordiniert werden, um den Frequenzverfall bei großen Netzstörungen zu begrenzen.

SchwarzstartfunktionalitätHVDC Light ist außerdem in der Lage, bei einem Schwarzstart oder beim Netz-wiederaufbau zu unterstützen. Die Hauptmerkmale hierbei sind eine kurze Anlaufzeit, der – im Gegensatz zur klassi-schen HGÜ – nicht vorhandene Bedarf an Kurzschlussleistung aus dem Netz, die Fähigkeit zur Spannungsregelung im reinen „SVC-Modus“ und die Fähigkeit zur Unterstützung der Frequenzstabilität beim Netzwiederaufbau. Aufgrund der mit einer kalten Lastaufschaltung verbundenen Phänomene4) muss die Dampferzeugung in einem Kraftwerk normalerweise ange-fahren sein, bevor die Last aufgeschaltet wird. Mit der Verfügbarkeit lastferner

transiente als auch für längerfristige Spannungsschwankungen. Durch die schnelle Modulation von Blindleistung kann eine dynamische Blindleistungsun-terstützung zur Sicherung der dynami-schen Spannungsstabilität bereitgestellt werden. Bei längerfristigen Instabilitäten, bei denen Stufenschalter und die Reak-tionen von Erregersystemen eine Rolle spielen, kann HVDC Light durch die kon-tinuierliche Modulation von P und Q und die Verringerung der Wirkleistungsüber-tragung zur Erhöhung der möglichen Blindleistungsabgabe an den Umrichter-stationen dabei helfen, einen Spannungs-zusammenbruch zu verhindern 10.

Frequenzregelung und -unterstützungSind die Gleich- und Wechselrichter mit zwei nicht synchronisierten Netzen ver-bunden, kann ein Netz die Frequenz-stabilisierung im anderen mithilfe der Modulationsfunktion unterstützen. Bei dieser Regelungsart verstärkt oder verrin-gert das HVDC-Light-System die geplante Leistungsübertragung proportional zur Frequenzabweichung. Ebenso kann die Frequenzunterstützung verwendet wer-den, um die Zusammenschaltung von infolge einer Störung getrennten Netzen zu beschleunigen. Hierbei liefert HVDC Light die Wirkleistungsreserve, die zur Regelung der Frequenz einer benachbar-ten Netzinsel erforderlich ist. Gleichzeitig fungiert das System als zusätzliche Last für die andere Insel, um ein rechtzeitiges Anfahren der Generatoren zu ermög-

lers zusätzliche Blindleistungs- und Span-nungsunterstützung gewährleistet wird.

Dämpfung von LeistungspendelungenHVDC Light ist in der Lage, elektrome-chanische Pendelungen durch die Modu-lation von Wirk- und Blindleistung wirk-sam zu dämpfen. Dabei kann ein Rück-kopplungssignal, z. B. von der Messung des Wirkleistungsflusses, als Eingangs-größe für eine zusätzliche Dämpfungs-regelung verwendet werden. Alternativ kann auch die SVC-ähnliche2) Eigenschaft der Umrichterstationen zur Dämpfung genutzt werden, indem modulierte Span-nungssignale in den Spannungsregelkreis des Umrichters gespeist werden. Dabei können P und Q parallel moduliert werden, um eine effektivere Dämpfung zu erzielen. Mit HVDC Light können sowohl lokale als auch überregionale Pendelungsarten gedämpft werden 9 .

Spannungsstabilität und -unterstützungHVDC Light bietet verschiedene Möglich-keiten zur Verbesserung der Spannungs-stabilität. Indem der Umrichter während und nach der Störung als SVC oder STATCOM3) betrieben wird, lässt sich eine Verbesserung der dynamischen Span-nungsstabilisierung und eine Minimie-rung der Spannungsschwankungen er-reichen. Dies ist besonders hilfreich beim Wiederaufbau des Netzes nach einer Störung und verringert die Auswirkungen auf empfindliche Lasten. HVDC Light bietet Gegenmaßnahmen sowohl für

10 Die Fähigkeit von HVDC Light zur Blindleis-tungsmodulation hilft, die Spannung nach einer Störung stabil zu halten.

Vor der Störung

1,2

0P0

VMit HVDC LightVAR-Unterstützung

Nach der StörungSpannungsinstabilität

11 Unterstützung des Netzwiederaufbaus durch HVDC Light nach einem Blackout

Leistung Dampferzeugung

DC-Leistung

Sanfter Nulldurchgang bei Leistungsumkehr

Last

Zeit

9 Dämpfung von Leistungspendelungen mit HVDC Light

Ohne Modulation des DC-Zwischenkreises Mit Modulation des DC-Zwischenkreises

Zeit Zeit

AC-Leistung DC-Leistung

AC-Leistung DC-Leistung

2.740

2.720

2.700

2.680

2.740

2.720

2.700

2.680

40

20

0

-20

0 1 2 3 4 5 6 7 8 0 1 2 3 4 5 6 7 8

Leistung (MW) Leistung (MW)

AC DC

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32 ABB Technik 3/2009

Das Gleichgewicht der Kräfte

für den Gleichstrom-Zwischenkreis wer-den im Rahmen der kurzfristigen Betriebs-planung bestimmt, in der die gewünschte Stärke der Verbindung zwischen den bei-den Anschlusspunkten festgelegt wird.

Das Übertragungsnetz der ZukunftEs wird erwartet, dass sich die zukünftige Übertragungsinfrastruktur in Richtung einer hybriden AC/DC-Netzstruktur ent-wickelt. Dabei werden insbesondere eingebettete HVDC-Light-Systeme in Ver-bindung mit WAMS- und WACS-Systemen zu einer erheblichen Verbesserung des intelligenten Betriebs von Übertragungs-netzen beitragen können.

Regelung von Netzkomponenten genutzt. WAMS/WACS-Anwendungen reichen von der Überwachung (Zustandsbeurteilung und Überwachung der Spannungssicher-heit) bis zur Weitbereichsregelung, z. B. zur Dämpfung von Leistungspendelun-gen. Für die Zukunft wird eine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit von Übertragungsnetzen durch die koordinier-te Regelung von HVDC-Light-Systemen mithilfe von WAMS/WACS angestrebt 12.

Nachbildung von DrehstromverbindungenIn einigen Fällen bietet es sich an, den Gleichstrom-Zwischenkreis zu nutzen, um das Verhalten von Drehstromleitun-gen bei der Lastflussverteilung im Falle von Engpässen nachzubilden. So kann der Gleichstrom-Zwischenkreis die Leis-tungsübertragung bis zu seinem maxima-len Bemessungswert erhöhen oder die übertragene Leistung nach einer Störung automatisch verringern, um einer mög-lichen Überlastung benachbarter Dreh-stromleitungen entgegenzuwirken 13. Ein in ein Übertragungsnetz eingebettetes HVDC-Light-System kann als eine Art „Pseudo-Drehstromleitung“ autonom geregelt werden, ohne dass regelmäßige Einsatzentscheidungen vom Netzbetrei-ber erforderlich sind. Diese Regelungsart ist für Situationen vorgesehen, in denen keine zentrale Steuerung der HVDC-Light-Verbindung gefordert ist. Die Sollwerte

Energie und einer entsprechenden Steue-rung des HVDC-Light-Systems kann der Netzwiederaufbau jedoch erheblich erleichtert und das Phänomen der kalten Lastaufschaltung gemindert werden 11. Geschwindigkeit und Robustheit sind besonders wichtige Faktoren bei der Wiederherstellung, da die Folgen und Kosten eines Blackouts mit seiner Dauer erheblich zunehmen.

Weitere VerbesserungenMithilfe von Fernmessungen sind HVDC-Light-Systeme in der Lage, wirksame indi-viduelle oder kooperative Regelungsmaß-nahmen zu initiieren, um die Übertragungs-kapazität zu erhöhen und Störungen wie Leistungspendelungen entgegenzuwirken. Solche dezentralen Netzinformationen können zum Beispiel aus einem Weitbe-reichsüberwachungssystem (Wide-Area Monitoring System, WAMS) entnommen werden. Ein WAMS besteht aus Vektor-messgeräten (Phasor Measurement Units, PMUs), die an verschiedenen Stellen im Netz verteilt sind. Sie erfassen per GPS zeitlich synchronisierte Messungen der Spannungs- und Stromvektoren, die zu-sammen mit Frequenzsignalen und ande-ren binären Signalen von einem Daten-konzentrator abgeglichen werden. Diese WAMS-Signale werden von einem Weit-bereichsregelungssystem (Wide-Area Control System, WACS) für die erweiterte

Energieübertragung und -verteilung

Literaturhinweise

[1] „It’s time to connect – Technical description of HVDC Light® technology“. ABB Power Technologies AB 2008. (http://www.abb.com/hvdc).

[2] Asplund, G. (Juni 2008): „Electric Transmission System in Change“. IEEE Power Electronics Specialists Conference. Rhodos, Griechenland

[3] Pan, J., Nuqui, R., Srivastava, K., Jonsson, T., Holmberg, P., Hafnert, Y. J. (November 2008): „AC Grid with Embedded VSC-HVDC for Secure and Efficient Power

Delivery“. IEEE Energy 2030. Atlanta, USA

[4] Johansson, S. G., Asplund, G., Jansson, E., Rudervall, R. (2004): „Power System Stability Benefits with VSC DC-Transmission Systems“. CIGRE-Konferenz. Paris, Frankreich

12 In Kombination mit einem Weitbereichsüberwachungs- und Weitbereichsregelungssystem (WAMS/WACS) kann HVDC Light zur Verbesserung der Netzstabilität und Übertragungseffizienz beitragen.

PMU

HVDC-Light-Leitsystem

PMU

V1∠δ

1V

2∠δ

2

ΔP1, ΔQ

1

~ ~

HVDC-Light-Leitsystem

13 Nachbildung einer Drehstromverbindung nach einer Störung. Diese Betriebsart hilft, mögliche Überlastungen benachbarter Drehstromleitungen zu mindern.

V1∠δ

1

Pdc=V1V2 sin(δ1-δ1) / Xpseudo

V2∠δ

2

RegionA

Zeitquelle

Vor der StörungTransiente

Phase Nach der Störung

RegionB~

= ~=

Pac

Pac

Pdc

PdcPdc_max

Jiuping Pan

Reynaldo Nuqui

ABB Corporate ReserachRaleigh, NC, [email protected]@us.abb.com

Bertil Berggren

Stefan Thorburn

ABB Corporate ReserachVästerås, [email protected]@se.abb.com

Björn Jacobson

ABB Power SystemsLudvika, [email protected]

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Effizientere NetzeReduzierung der Energieverluste und Spitzenlasten durch Spannungs- und Blindleistungsoptimierung Xiaoming Feng, William Peterson, Fang Yang, Gamini M. Wickramasekara, John Finney

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie viel Strom die Welt verbraucht oder wie viel Energie auf dem Weg vom Kraftwerk zum Verbraucher verloren geht? Und haben Sie sich je gefragt, wie viel Energie eingespart oder wie viele Treibhausgasemissionen ver-mieden werden könnten, wenn diese Energieverluste auch nur geringfügig reduziert würden? ABB ist eines der weltweit führenden Unternehmen, die sich mit der Entwicklung neuer Technologien zur Reduzierung der elektrischen Energieverluste und Spitzenlasten in elektrischen Verteilnetzen befassen.ABB bietet ein breites Spektrum an Produkten zur Steigerung der Energieeffizienz und Optimierung des Bedarfsmanagements, das um eine Anwendung zur Spannungs- und Blindleistungsoptimierung (Voltage and Var Optimisation, VVO) erweitert wurde. Anders als herkömmliche Verfahren auf der Basis unkoordinierter lokaler Regelungen nutzt VVO Echtzeit-Informationen und Online-Modellierungsverfahren, um eine optimierte und koordinierte Regelung von asymmetrischen Verteil-netzen zu ermöglichen. Durch die Maximierung der Versorgungseffizienz und eine optimierte Spitzenlast-verteilung können Energieverteilungsunternehmen enorme Einsparungen erzielen. VVO hilft ihnen dabei, diese Ziele durch den optimierten Einsatz von Blind-leistungsressourcen und Spannungsregelungseinrich-tungen über das gesamte Jahr hinweg umzusetzen.

33ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

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34 ABB Technik 3/2009

Effizientere Netze

Energieübertragung und -verteilung

ken (Unterstationen) zu den Verbrauchern weiterzuleiten. Es umfasst Mittelspannungsleitun-gen (mit weniger als 50 kV), Stationstransformatoren, mast- bzw. sockelmontierte Transfor-matoren, Niederspannungs- Verteilerkabel und Stromzähler. Das Verteilnetz eines Stromver-sorgungsunternehmens kann Hunderte Unterstationen und Hunderttausende Komponen-ten umfassen, die alle von einem Verteilungsmanagement-system (Distribution Manage-ment System, DMS) verwaltet werden.

Die meisten Energieverluste, die in einem Verteilnetz auftreten, sind ohm-sche Verluste3), die beim Fluss von elektrischem Strom durch einen Leiter entstehen Infobox 1 .Der Stromfluss durch einen Leiter in einem Verteilnetz kann in zwei Kompo-nenten zerlegt werden: Wirkstrom und Blindstrom Infobox 2 .Blindleistungs-Kompensationseinrich-tungen haben die Aufgabe, den unpro-duktiven Anteil des Stroms zu reduzie-ren bzw. zu beseitigen und damit die Energieverluste zu senken. Das Span-nungsprofil4) an den Abzweigen5) kann, abhängig von der Art und Zusammen-setzung der Lasten im System, ebenfalls die Stromverteilung und daher den

Der weltweite Bedarf an elektrischer Energie ist

riesig und beläuft sich auf mehrere Billionen Kilowatt-stunden (kWh) im Jahr – ein Betrag, der mit der zunehmen-den Industrialisierung einiger Länder weiter ansteigt. Der weltweite Stromverbrauch ist zwischen 1980 und 2006 jähr-lich um etwa 3,1 % gestiegen1) und soll bis zum Jahr 2030 auf 33.300 Mrd. kWh anwachsen2) 1 . Bei einem Verbrauch von 16.790 Mrd. kWh im Jahr 2008 ist bis 2030 also fast eine Ver-doppelung des weltweiten Strom bedarfs zu erwarten [1].

Elektrische EnergieverlusteGegenwärtig geht eine beträchtliche Menge (ca. 10 %) der in den Kraftwer-ken erzeugten elektrischen Energie bei der Übertragung und Verteilung an die Verbraucher verloren. Etwa 40 % der Gesamtverluste treten im Verteilnetz auf 2 . Allein im Jahr 2006 lag der Gesamt-energieverlust bei 1,638 Mrd. kWh mit einem Verteilungsverlustanteil von 655 Mrd. kWh. Schon eine geringfügige Reduzierung der Verteilungsverluste um 10 % könnte also etwa 65 Mrd. kWh an elektrischer Energie einsparen. Dies ist mehr Elektrizität, als die 7,5 Millionen Einwohner der Schweiz im Jahr 2008 verbraucht haben, und entspricht einem CO

2-Ausstoß von 39 Mio. Tonnen [1].

Da der Bedarf an Elektrizität steigt, müssen neue Kraftwerke gebaut wer-den, um mit zusätzlicher Kapazität sowohl den Spitzenbedarf als auch unvorhergesehene Ereignisse abzude-cken. Die Spitzenlastzeit in einem Netz liegt normalerweise unter 5 % der

2 Verteilnetzübersicht des Network-Manager-Systems (DMS)

Fußnoten1) US Energy Information Administration: International

Energy Annual 20062) US Energy Information Administration: World Net

Electric Power Generation, 1990–20303) Der Spannungsabfall über einem stromdurchflossenen

Netzabschnitt (Zelle) aufgrund des inneren Wider-

stands der Zelle

Gesamtzeit (d. h. nur wenige hundert Stunden im Jahr). Das bedeutet, dass einige Kraftwerke nur während der Spitzenlastzeit benötigt werden und ihr Potenzial relativ selten genutzt wird. Durch aktives Bedarfsmanagement im Verteilnetz mittels Laststeuerung (Demand Response) und VVO kann die Spitzenlast im ganzen elektrischen Netz reduziert werden, sodass teure Investiti-onen in Verteilungs-, Übertragungs- und Erzeugungseinrichtungen entfallen. Selbst geringfügige Reduktionen bieten ein enormes wirtschaftliches Einspa-rungspotenzial. In den USA lag die nichtkoinzidente Spitzenlast (d. h. die einzelnen Bedarfsspitzen, die zu unter-schiedlichen Tageszeiten im Stromnetz auftreten) im Jahr 2008 zum Beispiel bei etwa 790 GW. Mit jeder Senkung der Spitzenlast um 1 % könnte der Bau von Kraftwerken in der Größenordnung von 7.900 MW eingespart werden 3 .

Verluste im VerteilnetzDas elektrische Verteilnetz hat die Auf-gabe, den Strom von den Umspannwer-

1 Weltweiter Stromverbrauch

18.000

16.000

14.000

12.000

10.000

8.000

6.000

4.000

2.000

0

1980 1985 1990 1995 2000 2005

Mrd. kWh

Jahr

3 Reduzierung des jährlichen Spitzenbedarfs in den USA um 1 %

Jahr

9.000

8.000

7.000

6.000

5.000

4.000

3.000

2.000

1.000

0

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

MW

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35ABB Technik 3/2009

Effizientere Netze

Energieübertragung und -verteilung

stehen. Dies könnte zentral durch den Einsatz eines Stationsautomatisierungs-systems oder eines DMS geschehen. Dieser Ansatz wird allgemein als „integ-rierte VVO“ bezeichnet. Die zunehmen-de Implementierung von Automatisie-rungstechnik auf Stations- und Abzweig-ebene sowie der verbreitete Aufbau einer Infrastruktur für intelligente Zäh-ler- und Messtechnik (Advanced Mete-ring Infrastructure, AMI) haben durch die Bereitstellung der erforderlichen Sensoren, Aktoren und zuverlässigen Zweiwege-Kommunikation zwischen

sogenannte Spannungsregler, sind eben-falls an verschiedenen Stellen an den Abzweigen installiert. Sie bieten die Möglichkeit zur Feinabstimmung der Spannung an bestimmten Punkten der Abzweige.

Blindleistungskompensatoren in Form von Kondensatorbatterien werden zur Verringerung des Blindleistungsflusses im Verteilnetzwerk eingesetzt. Die Kondensatorbatterien können sich in den Unterstationen oder an den Abzweigen befinden.

Herkömmliche Regelung kontra VVOTraditionell werden Einrichtungen zur Spannungsregelung und Blindleistungs-kompensation auf der Basis lokal verfügbarer Messungen, z. B. der Spannung oder des Stroms, betrieben. Befinden sich in einem Abzweig mehre-re solcher Einrichtungen, wird jedes Element häufig unabhängig, d. h. ohne Berücksichtigung der Auswirkungen anderer Regeleinrichtungen, geregelt. Dies führt häufig dazu, dass Regelvor-gänge, die auf lokaler Ebene sinnvoll sind, auf breiterer Ebene suboptimale Auswirkungen haben können.

Idealerweise sollten alle Spannungs-regelungs- und Blindleistungs-Kompen-sationseinrichtungen auf gemeinsame Informationen zugreifen können. Mög-liche Regelvorgänge sollten umfassend evaluiert werden, um sicherzustellen, dass deren Auswirkungen mit den optimalen Regelungszielen im Einklang

Leistungsverlust beeinflussen, wenn auch nur indirekt und in geringerem Umfang.

Spannungsregelung und Blindleistungs-kompensationSpannungsregelungseinrichtungen sind üblicherweise in den Unterstationen und an den Abzweigen installiert. Die Stationstransformatoren können mit Stufenschaltern ausgestattet sein, mit denen die Spannung an den Abzweigen an die jeweiligen Lastbedingungen angepasst werden kann. Spezielle Transformatoren mit Stufenschaltern,

Fußnoten4) „Spannungsprofil“ bezieht sich auf die räumliche Ver-

teilung und die Spannungsstärken an verschiedenen

Orten oder Knoten innerhalb des Netzes.5) Die Mittelspannungsleitungen, über die der Strom

von einer Unterstation an die Verbraucher oder an

kleinere Unterstationen verteilt wird.

Infobox 2 Wirk- und Blindleistung

Der Spannungs- und Stromverlauf in einer Wechselstromleitung ist typischerweise sinusförmig. In einem „idealen“ Stromkreis laufen die beiden Wellen vollkommen syn-chron, doch in der Realität gibt es häufig eine zeitliche Verschiebung zwischen ihnen. Dies wird durch die kapazitiven und induk-tiven Eigenschaften der angeschlossenen Geräte (und der Leitungen selbst) verur-sacht.

Die Leistung zu einem bestimmten Zeit-punkt entspricht dem Produkt aus dem momentanen Strom und der momentanen Spannung. Der Durchschnittswert dieser Leistung ist (bei unveränderter Spannungs- und Stromstärke) niedriger als ohne die Verschiebung. Tatsächlich fließt die Leistung kurzzeitig sogar in die „falsche“ Richtung.

Je größer die Verschiebung zwischen Strom und Spannung ist, desto geringer ist die Energieabgabe. Daher sollte die Verschie-bung (der sogenannte „Phasenwinkel“) minimiert werden. Die durchschnittliche Energieabgabe pro Zeiteinheit wird als „Wirkleistung“ (gemessen in W) bezeichnet. Die Blindleistung (gemessen in var) hinge-gen ist die zusätzliche Leistung, die zwar durch die Leitung fließt, aber nicht effektiv genutzt werden kann.

Infobox 1 Energieverluste

Der Energieverlust ist auf den Widerstand im Leiter zurückzuführen und ist proportio-nal zum Produkt aus dem Widerstand und dem Quadrat der Stromstärke. Folglich lassen sich Verluste entweder durch Senkung des Widerstands und/oder der Stromstärke reduzieren. Der Widerstand eines Leiters wird durch den spezifischen Widerstand des Leitermaterials, den Querschnitt und die Länge des Leiters bestimmt. Keine dieser Größen kann in einem bestehenden Verteilnetz ohne Wei-teres verändert werden. Die Stromstärke hingegen lässt sich durch die Beseitigung unnötiger Stromflüsse im Netz reduzieren.

I – StromR – Widerstand

Verlust = I2 R

4 Schematische Darstellung des Funktionsprinzips von VVO

VVO bestimmt die beste Regelung für Spannungsregler und Blindleistungsressourcen

Unterstation

C1C2

28

222324

2520

1413

1211

10

1521

1 2 3 4 5 6 7 8

16

17

9

19

18

C7

C5

C3

C4

C6

2627

29

30

Lastprognose auf der Basis von AMI/SCADA-Daten

Aktualisierung des Netzmodells durch Messungen

Übermittlung des Betriebmittelstatus an die Leitstelle

Bidirektionale Kommunikationsinfrastruktur

Übermittlung von Regelungssignalen an die Regeleinrichtungen

VVO-Server

Leitstelle

SC

AD

A/D

MS

S

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36 ABB Technik 3/2009

Effizientere Netze

Energieübertragung und -verteilung

Kondensatorbatterien als auch die Stellung des Stufenschalters eines Regeltransformators sind ganzzahlige Größen.

Nichtlineares Ziel als implizite Funk-tion von Entscheidungsvariablen – Energieverlust oder Spitzenlast sind Funktionen der Regelungen.

Nichtlineare Randbedingungen hoher Dimension – die Anzahl der Lastfluss-gleichungen geht im mehrphasigen Netzmodell in die Tausende.

Nichtkonvexe Menge von Zielen und Lösungen

Hochdimensionaler Suchraum – bei einer nicht gekoppelten Regelung kann sich die Zahl der Regelgrößen verdoppeln oder verdreifachen.

Jeder, der sich mit Optimierungsproble-men befasst hat, weiß, dass gemischt-ganzzahlige, nichtlineare, nichtkonvexe (MINLP-NC) Probleme am schwierigsten zu lösen sind (siehe „Die optimale Lösung“, ABB Technik 1/2009, S. 54).

Die größte Herausforderung besteht in der Entwicklung von Optimierungsalgo-rithmen zur effizienten Behandlung umfangreicher Probleme. Da ein bestimmtes Maß an Rechenaufwand (d. h. CPU-Zeit) nötig ist, um Verlust und Bedarf für eine einzelne spezifische Regelungslösung (eine einzelne Funk-tionswertberechung) zu bestimmen, gilt ein Algorithmus, der zur Bestimmung der bestmöglichen Lösung weniger Funktionswerte benötigt, allgemein als effizienter als ein Algorithmus, der mehr Funktionswerte benötigt, um zum glei-chen Ziel zu kommen. Im Fall der VVO beinhaltet eine einzige Funktionswert-berechnung die Lösung einer Reihe nichtlinearer Gleichungen – den asyme-trischen Lastfluss – mit mehreren Tau-send Zustandsvariablen. Die nichtlinea-ren, nichtkonvexen kombinatorischen Eigenschaften des VVO-Problems in Verbindung mit einer hohen Dimensio-nalität (große Zahl von Zustandsgrö-ßen) sind die Gründe, warum die VVO für die Industrie seit Langem eine Herausforderung darstellt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Forschung ver-stärkt auf meta-heuristische Verfahren (z. B. generische Algorithmen, „simu-lierte Abkühlung“, „Particle Swarm“) konzentriert, um die Komplexität der Modellierung zu umgehen. Dieser Ansatz zeigte bei der Lösung von Problemen mit geringem Umfang und in Offline-

Verteilnetzen auf der Basis von Echtzeit-Informationen 4 .Das Ziel von VVO ist es, die Leistungs-verluste und Überschreitungen der Spannungs-/Stromgrenzwerte6) in mehr-phasigen, asymmetrischen Verteilnetzen mit vermaschter Struktur und mehreren Stromquellen zu minimieren7). Die Regel-größen des VVO-Systems sind die Ein-stellungen für schaltbare Kondensatoren und Stufenschalter von Spannungsregel-transformatoren.

Hauptvorteile von VVODie Hauptvorteile von VVO für Verteil-netzbetreiber sind: Eine verbesserte Energieeffizienz und die damit verbundene Reduktion der Treibhausgasemissionen

Eine reduzierte Spitzenlast und gerin-gere Spitzenlastkosten für Energiever-sorgungsunternehmen

Allgemeine Problemstellung für VVOVVO muss die gewichtete Summe aus Energieverlust + Last (MW) + Span-nungsabweichung + Stromabweichung unter Berücksichtigung einer Vielzahl technischer Randbedingungen minimie-ren: Leistungsflussgleichungen (mehr-phasiges, asymmetrisches Maschen-netz mit mehreren Stromquellen)

Spannungsbezogene Bedingungen (Phase-Neutralleiter oder Phase-Phase)

Strombezogene Bedingungen (Kabel, Freileitungen, Transformatoren, Neu-tralleiter, Erdungswiderstand)

Beschränkungen bei der Stufenum-schaltung (Betriebsbereiche)

Beschränkungen beim Umschalten der Parallelkondensatoren (Betriebs-bereiche)

Zu den Regelgrößen für die Optimie-rung gehören: Schaltbare Parallelkondensatoren (gekoppelt oder ungekoppelt8))

Steuerbare Anzapfungen von Trans-formatoren/Spannungsreglern (gekoppelt oder ungekoppelt)

Dezentrale Energieerzeugung

Technische HerausforderungenDie Spannungs- und Blindleistungs-optimierung stellt im Wesentlichen ein kombinatorisches Optimierungsproblem mit folgenden Eigenschaften dar: Ganzzahlige Entscheidungsvariablen – sowohl der Schaltzustand von

dem Feld und der Verteilnetzleitstelle in den letzten Jahren die Grundlage für ein zentralisiertes Regelungskonzept gelegt. Nicht verfügbar war jedoch bis vor Kurzem eine Schlüsseltechnologie, die in der Lage ist, die fortschrittlichen Sensor-, Kommunikations-, und Fern-steuerungstechnologien zur kontinuier-lichen Optimierung von Spannung und Blindleistung zu nutzen. Vorherige Generationen von VVO-Technologien waren nicht in der Lage, große und komplexe Energieversorgungssysteme zu modellieren, und boten nur eine unzureichende Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Qualität, Robustheit und Geschwindigkeit ihrer Lösungen.

Wie funktioniert VVO?VVO ist eine fortschrittliche Software-anwendung, die periodisch oder auf Anforderung des Bedienpersonals in der Verteilnetzleitstelle oder in Stations-automatisierungssystemen ausgeführt wird. In Verbindung mit einer bidirek-tionalen Kommunikationsinfrastruktur und der Fernsteuerung von Kondensa-torbatterien und Spannungsregeltrans-formatoren ermöglicht VVO eine Opti-mierung der Versorgungseffizienz in

5 Bildschirmdarstellung des VVO-Prototyps

6 VVO im Vergleich zu bisherigen Methoden

Bisherige Methode ABB VVO-Funktionalität

Einphasiges,äquivalentes Modell

Mehrphasiges,asymmetrisches Modell

Symmetrische Last Unsymmetrische Last

Eine Quelle Mehrere Quellen

Strahlennetz Maschennetz

Gekoppelte Regelung Ungekoppelte Regelung

Akademische Systemgröße

Reale Systemgröße

Offline-Funktionalität Online-Funktionalität

Heuristisch Optimierungs-theoretisch

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37ABB Technik 3/2009

Effizientere Netze

Energieübertragung und -verteilung

strukturen für intelligente Zähler- und Messtechnik und Fernsteuerungstechno-logien steigt der Bedarf an intelligenten Anwendungen wie VVO zur Optimie-rung des Verteilnetzbetriebs. Mit der Entwicklung einer neuen Generation von VVO-Technologie unterstreicht ABB einmal mehr ihre Fähigkeit zur Bereitstellung intelligenter Netztechno-logien für ihre Kunden.

Xiaoming Feng

Fang Yang

ABB Corporate Research

Raleigh, NC, USA

[email protected]

[email protected]

William Peterson

Gamini Wickramasekara

John Finney

ABB Power Systems

Raleigh, NC, USA

[email protected]

[email protected]

[email protected]

aller Netzkomponenten werden phasen-basierte Modelle11) verwendet. Lasten oder Kondensatorbatterien können in Dreieck- 7a oder Sternschaltung 7b ver-bunden sein.

Transformatoren können in verschiede-nen Dreieck-/Sternschaltungen und ver-schiedenen sekundärseitig voraus- bzw. nacheilenden Konfigurationen mit oder ohne Erdwiderstand sowie mit primär- oder sekundärseitiger Regelmöglichkeit gekoppelt sein 8 .Sowohl die Spannungsregelung als auch die Blindleistungskompensation kann gekoppelt oder ungekoppelt sein. Das Verfahren funktioniert in Strahlen- wie in Maschennetzen mit einer oder meh-reren Stromquellen. Die Spannungs-regelung wirkt auf jede einzelne Phase je nach Anschlussart der Last durch Vorgabe der Leiter-Erde-Spannung oder der Spannung zwischen den Phasen.

Eine intelligente TechnologieMit der zunehmenden Implementierung fortschrittlicher Sensornetzwerke, Infra-

Anwendungen, in denen keine Online-Funktionalität erforderlich ist, einen beschränkten akademischen Wert.

VVO der nächsten GenerationABB hat 2008 eine neue Generation von VVO-Lösung entwickelt, die in der Lage ist, sehr große und komplexe Netze mit der Geschwindigkeit einer Online-Anwendung zu optimieren. Eine innovative Lösungsmethodik ermöglicht eine detaillierte und exakte Modellie-rung der Komponenten und Verbindun-gen des Verteilnetzes. Mithilfe fortschritt-licher gemischt-ganzzahliger Optimie-rungsalgorithmen ist das System in der Lage, die optimale Strategie zur Rege-lung von Spannung und Blindleistung aus Millionen, wenn nicht gar Milliarden von Möglichkeiten zu bestimmen.

Ein Prototyp, der direkt in das DMS von ABB integriert werden kann, wurde entwickelt und im Labor mithilfe von Modellen eines echten Verteilnetzes erfolgreich erprobt. Sowohl die Lösungs-qualität als auch Geschwindigkeit und Robustheit erfüllten bzw. übertrafen die Auslegungskriterien für Online-Anwen-dungen 5 .

Die Testsysteme umfassten zwischen 1.600 und 7.800 Knotenpunkte und zwischen 1.600 und 8.100 Abzweige pro Schaltkreis. Durch die Optimierung wurde eine Verbesserung der Verlust-minderung von 2,5 % auf 67 %9) und der Lastreduktion von 1,4 % auf 5,8 %10)

erreicht.Ein Zusammenfassung der wichtigsten Merkmale, die die VVO-Technologie von ABB von früheren Methoden unter-scheidet, ist in 6 aufgeführt.Das genaue Verhalten eines Verteilnet-zes wird mithilfe eines detaillierten Netzmodells modelliert. Zur Darstellung

Fußnoten6) Unerwünschte Abweichungen vom normalen Betriebsbereich, wenn z. B. der Strom den für einen bestimmten

Leitertyp noch sicheren Grenzwert überschreitet oder die Spannung eine für den Verbraucher gefährliche Grenze

übersteigt bzw. einen Wert unterschreitet, der für den normalen Betrieb der Verbraucher erforderlich ist.7) Ein Modell eines Verteilnetzes kann folgende Merkmale aufweisen: vermascht (ringförmig mit mehreren Verbindun-

gen zwischen den Knoten), mehrphasig (jede der Phasen L 1, L 2 und L 3 wird separat modelliert statt alle zusam-

men), mehrere Stromquellen (ein Verbraucher kann von mehren Quellen versorgt werden), asymmetrisch (mit asym-

metrischem Aufbau, z. B. als einphasiger Abzweig und/oder mit asymmetrischer Belastung, d. h. ungleicher Last auf

jeder Phase)8) Bei der gekoppelten Regelung werden mehrere Phasen im Einklang und bei der ungekoppelten Regelung unabhän-

gig voneinander betrieben.9) Die Höhe der Verlustminderung ist abhängig von den regelbaren Spannungs- und Blindleistungsressourcen im Netz,

dem Lastzustand des Netzes und der anfänglichen Regelungsstrategie.10) Die Höhe der Lastreduktion hängt von den Faktoren ab, die sowohl die Verlustminderung als auch das Lastmodell

beeinflussen. Bei 100 % konstanter Last kann eine Lastreduktion nur durch Verlustminderung erreicht werden.11) Ein exaktes Modell einer Komponente beinhaltet die Informationen zu allen vorhandenen Phasen.

Literaturhinweis

[1] CIA Online Factbook. https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/ (Stand Juni 2009)

8 Transformatormodell in Stern-Stern-Schaltung

t:1

VA

VB

VC

IA

IB

IC

*

*

*

*

*

*

~

~

~

Va

~

Vb

~

Vc

~

~

~

~

Ia

~

Ib

~

Ic

~

Y~

Y~

Y~

7 Last in Dreieckschaltung a und Kondensatorbatterie in Sternschaltung b

ILa

ICa

jBa

jBb

jBc

Van

+

+ +

-

ILb

ICb

ILc

ICc

~ ~~

~

~

~

~

~

~ ~

~ ~

Vab

Vbn

Vbc

Vca

Vcn

a b

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38 ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Wissen ist Macht, sagt ein altes Sprichwort. Wenn es darum geht, ein System zu steuern, sind genaue und aktuelle Kenntnisse über den momen-tanen Zustand des Systems unent-behrlich. Welche Fülle von Daten not-wendig ist, um ein komplexes System zu beherrschen, wird deutlich, wenn man die riesige Menge an Messwer-ten betrachtet, die in der Leitstelle eines Stromnetzes auflaufen.

Doch wie kann ein solches Leitsystem im Hinblick auf steigende Anforderun-gen und Erwartungen verbessert

werden? Der Logik nach müssten dazu noch mehr Daten notwendig sein, d. h. noch mehr Messgeräte, die noch mehr Messwerte (z. B. an den Abzweigen des Verteilnetzes und auf der sogenannten „letzten Meile“ zum Kunden) erfassen und an die Leitstelle übermitteln. Ein großer Teil der Bemü-hungen zur Realisierung von intelli-genten Stromnetzen für die Energie-versorgung von morgen richtet sich auf solche intelligenten Messgeräte.

Dies ist jedoch nur ein Teil des Ganzen. Ohne eine geeignete Strategie zur

Behandlung und Auswertung dieser Daten würden die Netzleitstellen regel-recht von einer Datenflut über-schwemmt, und eine Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichtigen Daten wäre nur schwerlich möglich. Die Antwort liegt in der Verfolgung von Informationen statt Daten. Hoch-wertige Informationen sind Fakten, die zur richtigen Zeit an richtiger Stelle bereitgestellt werden. Nur so kann gesammeltes Wissen dabei helfen, einen sicheren und zuverlässigen Stromfluss zu gewährleisten.

Informationen statt DatenAutomatische Erkennung und Meldung von Ereignissen in Verteilnetzen in EchtzeitMirrasoul J. Mousavi, Vaibhav D. Donde, James Stoupis, John J. McGowan, Le Tang

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39ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Informationen statt Daten

lich von zentraler Stelle oder von Menschen getroffen werden. Doch damit überhaupt Entscheidungen getroffen werden können, müssen hochwertige Informationen im gesamten System gesammelt werden. Das bedeutet, dass so viele Aufgaben wie möglich automatisiert werden müssen, um menschliche Ressourcen für die Auf-gaben freizusetzen, die nicht automatisiert werden können und sollten. Die Überlas-tung des menschlichen Bedienpersonals mit unnötigen Daten kann dazu führen, dass wichtigste Informationen verloren gehen und suboptimale Entscheidungen getroffen werden.Die Realisierung intelligenter Netze ist unweigerlich mit einer Erhöhung der Anzahl von Sensoren und Messpunkten verbunden, um eine Transparenz bis in die letzte Meile zu ermöglichen 2 . Folg-lich müssen mehr Daten erfasst und ver-arbeitet werden. Doch schon heute haben Netzleitstellen mit der Flut von Daten zu kämpfen, die von den bereits vorhandenen Systemen erfasst werden. Wenn der Ausbau des Systems durch neue Datenpunkte 3 nicht zu einem

„Daten tsunami“ führen soll, muss die Umwandlung der Daten in Informationen in jedem Schritt entlang des Pro-zesses optimiert werden. Das bedeutet, dass eine Umwand-lung, die auf einer niedrigeren Ebene durchgeführt werden kann, nicht auf einer höheren Ebene durchgeführt werden sollte. Denn das Letzte, was die Netzleitstellen gebrauchen können, sind zusätzliche Daten, die eine vermeidbare manuelle Verarbeitung erfordern.Im Bereich der Energievertei-lung besteht ein großer Bedarf an einfacheren und optimierten Betriebs- und Wartungsabläufen auf der Basis von Daten, die von an verschiedenen Stellen im Netz installierten IEDs bereitgestellt werden. Darüber hinaus ist eine Automatisierung der Analyseaufgaben und die Umwandlung der Rohdaten in nützliche Informationen wün-schenswert, auf deren Basis das Leitstellenpersonal Entschei-dungen treffen kann. Her-kömmlicherweise werden die Protokolle dieser IEDs zu bestimmten Gelegenheiten manuell von qualifizierten

deckenden Einsatz in Stromnetzen (ein-schließlich der letzten Meile und des Endverbrauchers) ist noch eine drastische Steigerung der Funktionalität und Leis-tungsfähigkeit erforderlich. Darüber hinaus gilt es, zusätzliche „Intelligenz“ in jedem System und Gerät zu implemen-tieren, angefangen von einer lokalen Mensch-Maschine-Schnittstelle über Breit-band-IP-Kommunikation bis hin zu Glas-fasernetzwerken 1 .

Die Realisierung eines intelligenten Netzes lässt sich jedoch nicht allein durch eine weitere Digitalisierung des Stromnetzes oder durch den Ausbau der Kommunika-tionsinfrastruktur erreichen. Im Zentrum eines jeden intelligenten Systems steht eine Art „Gehirn“, das die auflaufenden Daten verarbeitet. Zusätzliche Sensor- und Messpunkte allein können das Prob-lem nicht beheben, sondern tragen eher zur Datenüberflutung bei. Erforderlich ist also eine Extraktion der in den Rohmess-daten enthaltenen Informationen. Die Entscheidungen auf der Grundlage dieser Informationen müssen nicht ausschließ-

Für den Schutz, die Steuerung und die Überwachung von Stromnetzen ist

eine Vielzahl von Entscheidungen erfor-derlich. Diese reichen von der Abschal-tung einer Leitung oder eines Abzweigs innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde bis zur Ausgabe einer Warnung nach monatelanger Überwachung einer sich anbahnenden Störung. Der letzte mensch-liche Entscheidungsträger ist häufig das Bedienpersonal in der Netzleitstelle, das von Informationen profitiert, die von mehreren Quellen innerhalb des Versor-gungssystems bereitgestellt werden. Die direkte Beteiligung des Bedienpersonals am Entscheidungsprozess nimmt jedoch mit dem Grad der Automatisierung ab. Die branchenweite Entwicklung in Rich-tung intelligenter Netze erfordert eine ver-stärkte Automatisierung bis in die letzte Meile einschließlich der Abzweige und des Endverbrauchers. Das ultimative Ziel besteht darin, eine Art geschlossenen Regelkreis für den Schutz, die Steuerung und die Überwachung von Stromnetzen zu realisieren und somit die Grundlage für ein selbstheilendes Stromnetz zu legen. Dieser Artikel befasst sich mit einer Technologie, die eine automatische Reaktion auf Ereignisse und Anomalien in Abzweigen des Verteilnetzes in Echtzeit ermöglicht und somit dabei helfen kann, dieses ehr-geizige Ziel zu erreichen.

Das Netz der ZukunftZur Realisierung intelligenter Netze sind drei grundlegende Elemente erforderlich: Daten, Informationen und Kommuni-kation. Die Daten werden von Sensoren und Sensorsystemen wie intelligente elektronische Geräte (Intelligent Electronic Devices, IEDs) in Abzweigen und Schaltersteuerungen erfasst. Die Informationen liefern digitale Prozessoren, die diese Daten mithilfe spezieller Algorithmen verarbeiten. Auf-gabe der Kommunikation ist es, die erforderlichen Informatio-nen im richtigen Format und zur richtigen Zeit an die richtige Person bzw. das richtige Gerät zu liefern. Zwar sind diese drei Elemente bereits in aktuellen Leit- und Automatisierungs-systemen enthalten, doch im Hinblick auf einen flächen-

1 Um Informationen über den Netzzustand zu gewinnen, müssen die Sensor- und Kommunikationssysteme bis in die Abzweigleitungen ausgedehnt werden.

bc

d

a Stromsensorb Integratorkastenc Spannungswandlerd Hauptkasten mit Daten-

erfassungseinheit, Modem

und unterbrechungsfreier

Stromversorgung

a

c c

2 Kommunikationsinfrastruktur für eine intelligente Netzbetriebsführung

Funkmodem Funkmodem

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Stations-server

TCP/IP-Dienste (FTP, Telnet oder

Secure Shell (UNIX))Intranet/

WAN

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dem

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Digitales Netzwerk

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40 ABB Technik 3/2009

Informationen statt Daten

zur Erzeugung großer Datenmengen geführt, doch das damit verbundene Informationspotenzial wird häufig nicht vollständig ausgeschöpft. Insbesondere analytische Daten (z. B. digitale Fehler-protokolle, Sollwertprotokolle, Trends, Lastprofil, Spannungsqualität, Ereignisab-folge) und Ereignisdaten (z. B. Fehler in Nebenleitungen, Betriebsmittelausfälle) werden häufig nicht optimal genutzt. Dies liegt unter anderem daran, dass die Stationsautomatisierung häufig dem Zu-ständigkeitsbereich der Schutzingenieure zugeordnet wurde. Hinzu kommt, dass die meisten Ereignisse an Nebenleitun-gen von Abzweigen dem Betriebsperso-nal nicht gemeldet werden, weil die der-zeitigen Schutz- und Überwachungsver-fahren auf Ereignisse an den Hauptleitun-gen beschränkt sind. In vielen Fällen sind die EVUs bei der Identifizierung und Lokalisierung von Problembereichen ent-lang der Haupt- und Nebenleitungen der Abzweige auf Anrufe von Kunden ange-wiesen. Zur Analyse von Ereignisdaten aus diesen Bereichen sind praktische Tools erforderlich. Einige EVUs sind von der traditionellen Stationsautomatisierung zu einer integrierteren Erfassung von betrieblichen Daten, Daten zu Betrieb-mittelausfällen und Ereignisdaten über-gegangen. Mit diesen zusätzlichen Daten einher geht die Notwendigkeit von spezi-ellen Analysetools für eine Automatisie-rung im Sinne eines intelligenten Netzes.

Lösungen von ABBAn Abzweigen in Verteilnetzen, ganz gleich ob in Form von Freileitungen oder Erdkabeln, treten Fehler, sich anbahnen-de Störungen, vorübergehende Ereignisse und transiente Vorgänge auf. Durch eine

computer oder eine Master-Work-station.

Die Ebene 3 befindet sich auf der Unternehmensebene und umfasst das Data-Warehouse- und Historian-System sowie die für die gesamte EVU-Ebene gültigen Leitwartenan-wendungen/Algorithmen.

Natürlich ließe sich eine vierte Ebene hinzufügen, in der die Daten/Informa-tionen von mehreren EVUs zusammenge-führt und verarbeitet werden, um eine umfassendere Intelligenz und Anwen-dungen auf regionaler oder nationaler Ebene zu ermöglichen.Mit der Bewegung des Daten-/Informa-tionsflusses in 4 von den Feldgeräten nach rechts nimmt das Verhältnis von Rohdaten zu Informationen ab. Mit ande-ren Worten, es werden mithilfe der integ-rierten Intelligenz in jedem Schritt immer mehr Informationen bereitgestellt, um eine übermäßige Zunahme der Daten auf der nächsthöheren Ebene zu verhindern.

Anforderungen auf der VerteilnetzebeneAufgrund der historisch bedingten verzö-gerten Einführung von Automatisierungs-technologien ist der Bedarf an Automati-sierung und eingebetteter Intelligenz auf der Verteilnetzebene ausgeprägter als anderswo im elektrischen Netz. Mehr denn je wird von den Verteilnetzbetreibern erwartet, dass sie es schaffen, mit weniger mehr zu erreichen, und die Automatisie-rung stellt eine praktische Möglichkeit dar, dies zu realisieren. Die bestehende Architektur und vorhandene Systeme liefern über Schutzrelais und IEDs eine große Menge an Daten von Schlüssel-komponenten. Die traditionelle Stations- und Abzweigautomatisierung hat zwar

Experten analysiert. Angesichts dieser erdrückenden Aufgabe und der Tatsache, dass immer mehr erfahrene Mitarbeiter mit den entsprechenden Kenntnissen in den Ruhestand gehen, wird es immer wichtiger, dass die Aufgaben mithilfe des Computers und mit nur wenig oder ganz ohne menschliches Eingreifen durchge-führt werden können. Die Bereitstellung dieser Informationen in Echtzeit bedeutet einen zusätzlichen Mehrwert für die Energie-versorgungsunternehmen (EVUs), da dadurch eine Verbesserung der Zuverlässigkeit und eine Verkürzung von Versorgungsausfällen zum Wohle des Kunden erreicht werden kann.

Ebenen der IntelligenzIntelligente Netze erfordern Lösungen und Analysewerkzeuge, die es EVUs ermög-lichen, die richtigen Informationen zu empfangen und zur richtigen Zeit an die richtigen Personen zu verteilen. Ange-sichts schrumpfender Budgets und Perso-nalreduzierungen ist die Integration von automatischen Ereignisanalysen in die Ver-sorgungssysteme zwingend erforderlich.Das Hauptziel dieser Veränderungen ist die Umwandlung der Daten in nützliche Informationen. Dieser Prozess lässt sich auf mehreren Ebenen innerhalb eines Versorgungssystems realisieren 4 : Die Ebene 0 befindet sich auf der Abzweigebene und umfasst einzelne intelligente Geräte. Die Umwandlung erfolgt durch Einbettung der Intelli-genz in IEDs wie Schaltersteuerungen und eigenständige Wächter.

Die Ebene 1 befindet sich auf der Gerätebene der Schaltanlagen (Unter-stationen) und umfasst Anwendun-gen/Algorithmen für die einzelnen IEDs in der Unterstation.

Die Ebene 2 befindet sich auf der Systemebene der Unterstationen und umfasst Anwendungen/Algorithmen zur Extraktion von Informationen von mehreren IEDs über einen Stations-

Energieübertragung und -verteilung

3 Nachgerüstete Rogowski-Sensoren

4 Die vier Ebenen der Intelligenz bei der Verarbeitung der Daten

Ebene 0

Abzweig 2

Abzweig n

IED 1

IED n

Stationsserver 2

Ebene 1

Ebene 2

Ereignis-daten

Ereignis-daten

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D: DatenI: Informationen

Zentrale Leitwarte

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Unterstation

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41ABB Technik 3/2009

Informationen statt Daten

Energieübertragung und -verteilung

Ebenso können die Ereigniserkennungs-funktionen auf der Ebene des DMS gehostet werden. Jede dieser Lösungen ist mit bestimmten Vorteilen und Ein-schränkungen verbunden und kann hin-sichtlich ihrer Komplexität, Skalierbarkeit, Kosten, Kommunikationsmöglichkeiten und nach Präferenz des Kunden zuge-schnitten werden.

VorteileZu den Bereichen, die am meisten von der Bereitstellung von Echtzeit-Informa-

Eine Möglichkeit ist die Implementierung der Fehler-/Ereigniserkennungsfunktiona-lität auf dem Stationscomputer. Der Vor-teil hierbei ist eine bessere Sicht auf die Systemaktivität auf der Abzweigebene (eine Information, die mit herkömmlichen Schutz- und Steuerungs-IEDs nicht zur Verfügung steht). Diese Informationen können wiederum zur Umsetzung von Maßnahmen verwendet werden, die eine genauere Behandlung bestimmter Pro-bleme ermöglichen.

objektive Analyse und Zuordnung dieser verschiedenen Ereignisse – von denen einige katastrophale Folgen haben können – haben EVUs die Möglichkeit, Ereignisse in Abzweigen proaktiv zu behandeln, statt nur darauf zu reagieren. Der logische erste Schritt hierzu ist die Erweiterung der IEDs und Stationsserver um entsprechende Anwendungen zur Ereignisanalyse. Die hier beschriebene Lösung befasst sich mit der notwendigen Umwandlung von Ereignisdaten in nütz-liche Informationen, die Netzbetreibern und Leitstellenpersonal ein proaktives Handeln ermöglichen.Die Fähigkeit zur proaktiven Behandlung von Problemen in Abzweigen, eine schnellstmögliche Reaktion auf Störungen und Ausfälle sowie die Möglichkeit zu einer prädiktiven Instandhaltung spielen eine bedeutende Rolle bei der Realisie-rung von intelligenten Netzen. Heutzu-tage erfolgt die Instandhaltung der meis-ten Betriebsmittel auf der Basis einer vor-programmierten Planung und ohne die Berücksichtigung spezieller Informationen über Ereignisse und den Funktionszu-stand von Abzweigen. Solche zusätz-lichen Analysen ermöglichen dem Betriebs- und Instandhaltungspersonal eine schnellere Reaktion und helfen beim Einsatz der richtigen Mannschaften, der Beurteilung der Risiken und der proaktiven Behandlung von Problemen an Abzwei-gen, während den Planungsabteilungen bessere Informationen für Modernisie-rungs- und Verbesserungsprojekte zur Verfügung stehen.4 zeigt, wie intelligente Algorithmen zur Ereigniserkennung und -analyse auf ver-schiedenen Ebenen der Überwachungs- und Steuerungshierarchie implementiert werden können. Die IEDs in den Ab-zweigen können Algorithmen enthalten, die in der Lage sind, mithilfe lokaler Daten Anomalien im Verhalten des Netzes zu erkennen und anormale Situationen (z. B. Fehler) zu identifizieren. Auf der Grundlage dieser lokalen Analyse können sie dann geeignete Maßnahmen initiieren (z. B. entsprechende Schalter auslösen) oder die Informationen zum Fehler/Ereignis an die nächsthöhere Ebene (z. B. einen Stationscomputer) weiter-leiten 5 . Dies minimiert die Menge an Daten, die an die Unterstation bzw. das Verteilungsmanagementsystem (Distribu-tion Management System, DMS) weiter-geleitet werden müssen, und reduziert außerdem die für die Kommunikation erforderliche Bandbreite.

5 Die eingebettete Intelligenz kann Maßnahmen lokal veranlassen oder die nächsthöhere Ebene informieren.

Stationsserver

Eingebettete Intelligenz

Stationsserver

Eingebettete Intelligenz

Zentrale Leitwarte

6 Reduzierung der Ausfalldauer durch Erkennung und Meldung von Ereignissen in Echtzeit

Auftreten des Ereig-nisses

Meldung an die Netzleitstelle

Beginn der Wiederversorgung

i

Sa8:00 AM

Sa8:01 AM

Sa8:05 AM

Verteilnetzstation

8R R

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42 ABB Technik 3/2009

Informationen statt Daten

häufig einen bedeutenden Teil der Be-triebsmittel eines EVUs ausmachen, ist die Überwachung und Erkennung dieser Ereignisse für ein proaktives Fehlermana-gement und eine prädiktive Instandhal-tung von entscheidender Bedeutung. Voraussetzung hierfür ist wiederum eine kontinuierliche Überwachung und auto-matische Datenanalyse mithilfe eingebette-ter Intelligenz.Ein Beispiel für eine sich anbahnende Störung in einem Abzweig eines Versor-gungsnetzes ist in 7 dargestellt. Der Fehlerstrom hatte einen Spitzenwert von 1,287 A und eine Dauer von 0,22 Perio-den, führte aber zu keinem Ausfall oder zur Auslösung einer Sicherung. Aus die-sem Grund wurde keine entsprechende Aufzeichnung in den Ausfallmanage-mentdaten registriert. Bei einer anschlie-

Unterstation oder einem intelligenten Schalter), anstatt sie speziell an den Abzweigleitungen zu installieren. So stellt die Erkennung von Ereignissen der letz-ten Meile auf Stationsebene eine äußerst kostengünstige Überwachungslösung dar.

Beispiele für Ereignisse an AbzweigenEine bestimmte Art von sich anbahnen-den Fehlern in Erkabeln ist auf das Ein-dringen von Feuchtigkeit bzw. Wasser und die Bildung eines vorübergehenden, selbstlöschenden Lichtbogens an den Kabelverbindungen zurückzuführen [1]. Durch den Dampfdruck behebt sich der Fehler in kürzester Zeit von selbst, ohne dass Schutzeinrichtungen aktiv werden. Daher werden diese Ereignisse als „selbstklärend“ bezeichnet. Da Erdkabel

tionen auf Abzweigebene profitieren, gehören die Erkennung, Bestätigung und Meldung von Ausfällen sowie die Entsen-dung von Mannschaften zur Behebung von Störungen. Fehler im elektrischen Netz und die daraus resultierenden Aus-fälle in den Abzeigen führen nicht nur zu Umsatzeinbußen, sondern haben auch negative Auswirkungen auf die Kunden-zufriedenheit und Zuverlässigkeit. Solche Ereignisse können sich erheblich auf die Zahl und Dauer der Ausfälle auf der Kundenseite auswirken und letztendlich das Ergebnis des EVUs beeinflussen. Angenommen, eine bestimmte Art von Abzweigfehlern löst den Leistungsschal-ter in einer Unterstation nicht aus und generiert somit auch kein meldbares Ereignis im SCADA-System (Fernwirk- und Datenerfassungssystem). In diesem Fall ist das EVU auf die Anrufe von Kunden angewiesen, um Informationen über dauerhafte Ausfälle bei den Ver-brauchern zu erhalten. Ein reaktives Vor-gehen dieser Art kann durch den Einsatz der entsprechenden Technologien der Vergangenheit angehören 6 .Die automatische Analyse/Erkennung und Meldung von Ereignissen in Echtzeit verkürzt die erforderliche Reaktionszeit bei einem Ausfall und informiert vorab über eine längere Dauer, bevor die Tele-fonzentralen von Kundenanrufen über-schwemmt werden. Indem sie dem EVU die Möglichkeit bietet, das Problem zu behandeln, bevor eine Ausfallmeldung eintrifft, bzw. den Ausfall generell zu ver-hindern, kann diese intelligente Funktio-nalität dazu beitragen, die Anzahl und Dauer der Ausfälle beim Kunden zu reduzieren. Darüber hinaus hilft sie EVUs dabei, besser auf Ausfallanrufe vorberei-tet zu sein, und stellt ein wirksames Werkzeug zur Überprüfung der gemelde-ten Art des Vorfalls dar. Insbesondere die in unter-irdischen Abzweigen eingesetzte Technologie informiert das EVU über Fehler in den Kabeln, die durch die ent-sprechende Schutzeinrichtung (typischer-weise eine Sicherung) entlang des Abzweigs abgeschaltet werden. Ferner kann sie dabei helfen, sich anbahnende Fehler zu erkennen, die schnell zu aus-gewachsenen Ausfällen eskalieren kön-nen, und kann somit zur Optimierung der jährlichen Kabelinstandhaltungskos-ten beitragen. Aus wirtschaftlicher Sicht bietet es sich an, die betreffende Intelligenz an die gleiche Stelle zu platzieren wie die her-kömmliche Intelligenz (z. B. in einer

Energieübertragung und -verteilung

7 Beispielaufzeichnung einer sich anbahnenden Störung in Form eines selbstklärenden Fehlers, der zu keinem unmittelbaren Ausfall führte.

Danach wurden 140 ähnliche Störungen aufgezeichnet, bis neun Monate später bei einer katastrophalen Störung eine

65-A-Sicherung ausgelöst wurde 8 .

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8 Darstellung der katastrophalen Störung nach 7 . Zu sehen sind die Ströme a und Spannungen b der drei Phasen sowie Analysen der Strom- c und Spannungsvektoren d .

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6

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43ABB Technik 3/2009

Informationen statt Daten

Energieübertragung und -verteilung

Störung zu einem ausgewachsenen Ausfall entwickeln.Ähnliche Analysen können auch für andere Arten von Ereignissen in Abzwei-gen wie permanente Erdkabelfehler durchgeführt werden.Ein Beispiel eines Kabelfehlers an einer Nebenleitung eines Abzweigs im primären Verteilnetz, der zur Auslösung einer 40-A-Sicherung führte, ist in 10 dargestellt. Zu sehen sind die Wellenformen der Strom- 10a und Spannungsrohdaten 10b sowie die Darstellung der entsprechen-den Vektoren 10c, 10d. Die Stromspitze mit einer Zeitdauer von unter einer Periode ist in den Stromverläufen zu sehen. Mit-hilfe eingebetteter Intelligenz und auto-matischer Analyse wurde dieses Ereignis erkannt und durch die Daten des EVUs bestätigt.

ßenden Überwachung wurden 140 ähn-liche Fälle von sich anbahnenden Störun-gen aufgezeichnet, bis es neun Monate später zu einer katastrophalen Störung kam, bei der eine 65-A-Sicherung ausge-löst wurde. 8 zeigt die Strom- und Span-nungsverläufe für dieses Ereignis. Der Spitzenwert des Fehlerstroms beträgt etwa 5.000 A. Zwischen dem ersten Vor-fall und der katastrophalen Störung gab es ähnliche Fälle mit Stromspitzen zwi-schen 1.000 A und 3.000 A sowohl mit positiver als auch mit negativer Polarität. Keines dieser Ereignisse hinterlies eine Spur in den Ausfalldaten oder führte zu einer Abschaltung beim Kunden.Eine anschließende Analyse und Quanti-sierung ergab eine progressive Entwick-lung der normalisierten Spitzenstrom-werte bis zum letztendlichen Ausfall 9 .

Ereignisse, die sich über das Übertragungsnetz ausbreiten, können sich auch auf das Verteilnetz auswirken.

Bis zum Ende des Überwachungszeit-raums stieg der normalisierte Spitzenwert auf fast das Dreifache seines anfänglichen Werts. Dies weist auf eine Verschlechte-rung der Integrität der Kabelverbindun-gen mit jeder sich anbahnenden Störung und jeder Lichtbogenbildung hin.Diese Echtzeitintelligenz für die Abzweig-ebene ist leicht nachrüstbar und steigert die Wertschöpfung bestehender Sensor-systeme, indem sie das Potenzial der von den digitalen Schutzsystemen bereits erfassten, aber kaum genutzten Daten erschließt und eine Art ständig aktive Überwachungsfunktion bereitstellt. Ferner zeigt sich, dass es möglich ist, die Signa-tur von Abzweigfehlern aufzuspüren und eine bestimmte Art von Fehlern vorher-zusagen, die sich im Laufe der Zeit von einer sich wiederholenden anbahnenden

9 Entwicklung des Fehlerstroms bis zu dem in 8 dargestellten Ausfall

11.09.07 31.10.07 31.01.08 22.03.08 13.06.08

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10 Wellenformen a – b und Vektordarstellungen c – d von Strom und Spannung bei einer Störung in einem Erdkabel

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44 ABB Technik 3/2009

Informationen statt Daten

Rohdaten und die Bereitstellung nütz-licher Informationen durch intelligente Systeme über eine zuverlässige Kommu-nikationsinfrastruktur erreichen.

tions- und Automatisierungssystemen im gesamten Netz von den Standorten der Endverbraucher bis zu konventionellen Kraftwerken und Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energien. Ein wichtiger Bereich für diese Modernisierung ist das Verteilnetz und die sogenannte letzte Meile zum Verbraucher, die im Verhältnis zu ihrer ursprünglichen Auslegung eine radikale Veränderung erleben. Hier sind entsprechende Kommunikationsmittel für erweiterte Schutz-, Steuerungs- und Auto-matisierungsfunktionen mit entsprechen-der Intelligenz auf verschiedenen Ebenen erforderlich, um die erfassten Daten zu verarbeiten und den EVUs ein intelligen-tes, gezieltes und rechtzeitiges Handeln zu ermöglichen.Die automatische Erkennung von Ereig-nissen in Verteilnetzen in Echtzeit sowie deren Meldung in Nahezu-Echtzeit sind wichtige Voraussetzungen für das Errei-chen des ultimativen Ziels – der Schutz, die Steuerung und die Überwachung des Stromnetzes in einem geschlossenen Regelkreis. Eine solche Zukunftsvision lässt sich durch die Erfassung wichtiger

Auch Fehler an benachbarten Abzweigen können mithilfe einer solchen Datenver-arbeitung erkannt werden. Ein Beispiel einer Störung an einem Abzweig neben dem überwachten Abzweig ist in 11 dargestellt. Die Aufzeichnungen zeigen einen Spannungseinbruch und seine Aus-wirkung auf die Wellenform des Stroms.Und schließlich lassen sich bestimmte Ereignisse auf der Erzeugungs- und Über-tragungsebene auch auf der Verteilnetz-ebene beobachten und analysieren. 12 zeigt ein Beispiel einer vorgelagerten Störung im Übertragungsnetz mit Strom- und Spannungseinbrüchen an mehreren Phasen.

Der Weg zum Netz von morgenDer Weg zur Realisierung eines intelligen-ten Stromnetzes zur Erfüllung der Anfor-derungen der digitalen Gesellschaft und zur stärkeren Einbindung des Kunden führt über die Modernisierung der be-stehenden Netze. Dies wird teilweise erreicht durch die Implementierung bzw. Erweiterung von Datenerfassungs-, Management-, Übertragungs-, Interpreta-

Energieübertragung und -verteilung

Literaturhinweise

[1] Moghe, R. M., Mousavi, J., Stoupis, J., McGowan, J. (2008): „Field investigation and analysis of incipient faults leading to a catastrophic failure in an underground distribution

feeder“. Proc. of Power Systems Conference and Exposition (PSCE). Seattle, Washington, 15.–18. März 2008

Danksagung

Die Autoren danken der Utility Innovations Group von Xcel Energy unter der Leitung von Dennis Stephens für ihre Beiträge sowie dem Betriebs- und Engineering-Personal für

ihre fortwährende Unterstützung bei dem laufenden Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Weiterer Dank gilt Mickey Foster von ABB für seine zahllosen Bemühungen im Rahmen

dieses Projekts.

12 Wellenformen von Strom und Spannung a – b sowie die dazu-gehörigen Vektordarstellungen c – d bei einer vorgelagerten Störung im Übertragungsnetz

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11 Wellenformen von Strom und Spannung a – b sowie die dazu-gehörigen Vektordarstellungen c – d bei einer Störung in einem Erdkabel an einem benachbarten Abzweig

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Mirrasoul J. Mousavi

Vaibhav D Donde

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Le Tang

ABB Corporate Research

Raleigh, NC, USA

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[email protected]

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[email protected]

John J. McGowan

ABB Distribution Automation

Allentown, PA, USA

[email protected]

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45ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Netzleitstellen in Stromnetzen haben die Aufgabe, das Netz so zu verwalten, dass trotz schwankendem Bedarf eine entsprechende Versorgung sichergestellt wird. Traditionell gibt es in jedem Netzabschnitt eine Leitstelle, in der verschie-dene Funktionen wie die Überwachung und Steuerung des Netzes und die Verwaltung und Disposition von Feldpersonal durchgeführt und koordiniert werden. Diese Leitstelle gilt gemeinhin als das „Gehirn“ des Netzes, von dem aus der Betrieb gelenkt wird.

Während sich die Verteilnetze schrittweise zu „intelligenten Netzen“ entwickeln, kommen auch auf die Leitstellen neue Aufgaben zu. Die einzelnen IT-Systeme in den Leitstellen werden schlanker und effizienter und kommunizieren nahtlos miteinander im Sinne eines integrierten Überwachungs- und Managementsystems. Fortschrittliche Anwendungen und Analysesoftware liefern ausgefeiltere Analysen und ermöglichen die Automatisierung bestimmter Abläufe. Die Leitsyste-me der Leitstellen helfen nicht nur dabei, das Netz intelligenter zu machen, sondern bieten eine bessere Unterstützung der verantwortlichen Entscheidungsträger in Betrieb, Wartung und Planung. Solche integrierten Leitstellen helfen den Energieverteilungsunternehmen dabei, ihre Ziele trotz zunehmender Herausforderungen zu erreichen.

Netzmanagement für VerteilnetzeInnovative Netzleitstellen für die Verteilnetze von morgenTim Taylor, Marina Ohrn

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Aspekte, die optimiert werden könnten. Einige Beispiele und die Folgen von getrennten (d. h. nicht integrierten) IT-Systemen, einem unvollständigen Echtzeitstatus des Netzes und dem Mangel an fortschrittlichen Anwendun-gen in den Verteilnetz-Leitstellen sind in 1 aufgeführt.

Treibende Kräfte für VeränderungenIn den letzten Jahren wurde die Ent-wicklung und Erweiterung von Anwen-dungen für eine intelligente Netzbe-triebsführung durch mehrere externe Antriebsfaktoren beschleunigt. Zu diesen Treibern gehören die Gesellschaft und der Staat, das Geschäftsumfeld von Verteilungsunternehmen und die Technik.

In vielen Ländern wird die Modernisie-rung der Netze durch die Gesetzgebung und behördliche Initiativen vorangetrie-ben. Themen wie ökologische Nachhal-tigkeit und die Begrenzung des CO

2-

Ausstoßes sorgen ebenfalls für ein zunehmendes Interesse an intelligenten Netzen. Die steigenden Kosten für neue Energieerzeugungs- und Übertragungs-anlagen, sowohl im Hinblick auf die Infrastruktur als auch die Brennstoff-kosten, haben ebenfalls einen Einfluss auf technische Veränderungen. Weitere Treiber für die Entwicklung und Ver-breitung der intelligenten Netztechnik sind das öffentliche Interesse an der Stabilisierung des Klimawandels durch die verstärkte Nutzung von erneuerba-ren Energien sowie die Forderungen seitens der Energieversorger und Regie-rungen nach einer besseren dezentralen Erzeugung und Laststeuerung auf Kun-denseite (Demand Response). Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das Konzept der intelligente Netze für Ver-teilungsunternehmen interessant, weil es ihnen dabei hilft, ihre Zuverlässigkeit zu erhalten bzw. zu verbessern, die Nutzung ihrer Betriebsmittel zu opti-mieren, das Problem einer alternden Infrastruktur zu bewältigen und das verlorene Wissen zu kompensieren, das durch den Weggang erfahrener Mitarbeiter in den Ruhestand entsteht.

Die technische Entwicklung ist ein weiterer bedeutender Treiber bei der Entwicklung intelligenter Netzer. Insbe-sondere die Kommunikationstechnik hat sich in den letzten zehn Jahren stark entwickelt. Heute haben Verteilungsun-

gen hat sich auch das Gesicht vieler Verteilnetz-Leitstellen verändert. Viele Fernwirk- und Datenerfassungssysteme (Supervisiory Control and Data Aquisi-tion, SCADA) für Übertragungsnetze wurden um Funktionen zur Überwa-chung und Steuerung von Leistungs-schaltern für Mittelspannungs-Abzweige erweitert. In einigen Fällen gehen die SCADA-Funktionen sogar über die Leistungsschalter hinaus und umfassen Komponenten wie Recloser, Schalter und Kondensatorschalter.Heute sind moderne computergestützte Ausfallmanagementsysteme (Outage Management Systems, OMS) mit Kon-nektivitätsmodellen und grafischen Benutzeroberflächen weit verbreitet. Ein typisches OMS beinhaltet Funktionen zur Behandlung von Störungsanrufen, zur Ausfallanalyse und -vorhersage, zur Verwaltung des Feldpersonals (Crew-Management) und zur Erstellung von Zuverlässigkeitsberichten (Reliability Reporting). Bei einigen Energievertei-lungsunternehmen enthält das OMS inte-grierte Informationen über Kunden, den Netzzustand und Ressourcen wie das Feldpersonal und kann von Hunderten Anwendern gleichzeitig genutzt werden.

Aktueller StatusTrotz der bereits erzielten Fortschritte gibt es noch einige grundlegende

In der Vergangenheit waren die Überwachungs- und Leitsysteme für

Verteilnetze nicht sehr hoch technisiert. Der Systemstatus wurde auf Wandtafeln angezeigt, die nicht selten mit Haftnotiz-zetteln, Pinnwandnadeln und Ad-hoc-Änderungen übersät waren, was eine Überwachung erschwerte und unflexi-bel machte. Wartungsarbeiten wurden mithilfe von papierbasierten Karten des Verteilnetzes koordiniert, die häufig manuell ergänzt wurden und bei denen die Gefahr bestand, dass sie veraltet waren. Die Planung, Ausführung und Verfolgung von geplanten Schalthand-lungen erfolgte mithilfe von papier-basierten Schaltaufträgen. Störungs-meldungen der Kunden wurden von Mitarbeitern am Telefon entgegenge-nommen, den Kunden kaum Informati-onen über die Störung geben konnten. Die weitere Behandlung der Störung wurde häufig auf dem Papier festgehal-ten. Die Kommunikation mit dem Feld-personal erfolgte per Funk. Die Mann-schaften mussten ihren Standort per Funk an die Leitstelle melden, und Schalthandlungen, die Anbringung von Markierungen und andere Vorgänge wurden mündlich kommuniziert.Das bedeutet nicht, das die Zeit in die-sem Bereich stehen geblieben ist. Mit der Weiterentwicklung der Technik und der betriebswirtschaftlichen Anforderun-

46 ABB Technik 3/2009

Energieübertragung und -verteilung

Netzmanagement für Verteilnetze

1 Defizite heutiger Leitstellen im Hinblick auf das Management von Verteilnetzen

Getrennte IT-Systeme Unvollständiger Echtzeitstatus Weinige fortschrittliche Anwendungen

Beispiele Nichtintegrierte Systeme für: Kundeninformationssystem Geoinformationssystem Störungsmeldungen Crew-Management Schaltauftrags-

management AMI SCADA Mobile Workforce

Management (MWM) Arbeitsmanagement

Mangel an Informationen zu: Belastung von

Betriebsmitteln Status von Schaltern,

Spannungsreglern, Kondensatorbatterien

Position kurzzeitiger Störungen im Netz

Status dezentraler Ressourcen

Bedarf/Last auf Kundenseite

Mangel an Anwendungen für: Fehlerlokalisierung Schaltanalysen zur

Wiederversorgung Spannungs-/

Blindleistungsregelung Verteilnetz-

Zustandsschätzung

Folgen Ineffiziente Arbeitsabläufe Redundante und/oder

ungenaue Daten Längere Ausfallzeiten Mögliche Nichtüber-

einstimmung der Arbeits-abläufe mit Sicherheits-anforderungen

Ineffiziente Betriebsmittelnutzung

Erschwerte Anbindung von dezentralen Ressourcen auf Kundenseite

Kein Verständnis der automatisierten Vorgänge am Abzweig

Längere Ausfallzeiten Ineffiziente Nutzung der

Crewstunden Keine Möglichkeit zur

Reduzierung des kunden-seitigen Bedarfs durch Spannungsregelung zu Spitzenzeiten

Höhere Systemverluste Mehr Kundenbeschwerden

aufgrund unzulässiger Spannungswerte

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47ABB Technik 3/2009

Netzmanagement für Verteilnetze

Energieübertragung und -verteilung

Zu den Vorteilen einer Integration von SCADA und DMS gehören: Optimierte Betriebsabläufe durch die enge Integration von DMS-Anwen-dungen und SCADA-Funktionalitäten auf der Verteilnetzebene.

Höhere Bedienereffizienz durch ein integriertes System: Bediener müssen sich nicht mehr um mehrere Systeme mit potenziell anderen Daten kümmern.

gehören die Übertragung von Status-/Analogpunkten vom SCADA-System in das DMS, die Übermittlung von Steue-rungsbefehlen und manuellen Eingriffen vom DMS zum SCADA-System, eine integrierte Benutzeroberfläche, die auf ein und derselben PC-Bedienkonsole zwischen den beiden Systemen läuft, sowie eine einzige integrierte Anmelde-prozedur für Systembenutzer.

ternehmen die Wahl zwischen vielen verschiedenen Lösungen. Die Kommu-nikation kann auf einem unternehmens-eigenen dedizierten Netzwerk (z. B. SCADA-Funknetze) oder auf der Infra-struktur eines Drittanbieters (z. B. ein globales System für mobile Kommuni-kation oder Netzwerke von GSM-Anbie-tern) basieren. In Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren wie der erfor-derlichen Verfügbarkeit und Bandbreite kann das Verteilungsunternehmen die am besten geeignete Technologie wäh-len. Ganz gleich, für welche Technolo-gie sich das Unternehmen entscheidet, der Umfang der Zweiwegekommunika-tion in Verteilnetzwerken wird mit Sicherheit zunehmen.

Die Zahl der Geräte in den Abzweigen mit Sensor-, Datenverarbeitungs-, Steue-rungs- und Kommunikationsfunktionen nimmt ebenso zu wie die Verbreitung von Automatisierungssystemen ein-schließlich intelligenter Geräte in Haus-netzen. Der erfolgreiche Einsatz dieser Technologie hängt letztendlich von der Entwicklung und Vereinheitlichung von Interoperabilitätsstandards ab. Die Entwicklung solcher Standards ist ein allgegenwärtiges Thema sowohl in den USA als auch in Europa.

SystemintegrationAls führendes Unternehmen in der Entwicklung von intelligenten Netzen in aller Welt hat ABB viel Zeit und Ressourcen in die Entwicklung der Leitstellensysteme zur Steuerung der intelligenten Netze von morgen inves-tiert. Die drei wichtigen Bereiche sind die Integration des Verteilungsmanage-mentsystems (Distribution Management System, DMS) mit dem SCADA-System, die Integration der Infrastruktur für intelligente Zähler- und Messtechnik (Adavanced Metering Infrastructure, AMI) mit dem DMS sowie die Integra-tion der Daten von den Gateways der Unterstationen.

ABB ist seit Langem führend in der Integration von SCADA- und DMS-Anwendungen auf der Verteilnetzebene. Während immer mehr Verteilungsunter-nehmen zusätzliche SCADA-Funktionali-tät im Verteilnetz installieren, um die Vision eines intelligenten Netzes zu realisieren, befasst sich ABB mit der Integration dieser Funktionen. Zu den bereits verfügbaren Funktionalitäten

2 Systemintegration zur Realisierung einer integrierten Leitstelle für Verteilnetze

MS- und NS-Netz-attribute, Geodaten, Kundentrafos

Ausfall-meldungen, Wiederver-sorgungs-meldungen

Datenerfassung Geräte- und Ablaufsteuerung Ereignis- und Alarmmanagement Netzwerk- und Gerätemarkierung Data Warehousing

Anrufannahme Ausfallmanagement Crew-Management Berichterstellung Schaltaufträge

Lastflussanalysen Fehlerlokalisierung Schaltanalyse Überlastreduzierung Simulationsmodus

Network Manager SCADANetwork Manager DMS

Kundentrafo-Updates

Zähler-Pings

Störungs-meldungen

Ausfall-status

Geräte-status und Messungen

Schaltse-quenzen und Steuer-vorgänge

Ausfall-aufträge und Updates

Aufträge, Status, Verweise

Fahrzeug-standort

Kundeninfor-mationssystem

Interaktives Sprachdialog-

system

AMI und Zählerdaten-management

Mobile Workforce

Management

Automatische Fahrzeug-

lokalisierung

Stations-/Abzweig-automatisierung und Gateways

Geoinformati-onssystem

SCADA/EMS Übertragungs-

netz

Arbeits-management-

system

Kundendaten und -informationen

Status-/Analog-punkte, Markierungen, Alarme

Geplante Ausfälle

Verweise

3 Funktionalitäten und Nutzen fortschrittlicher Anwendungen

DMS-Anwendung Funktionalität Nutzen

Analyse asymmetrischer Lastflüsse

Bestimmung der Ströme und Spannungen in den Leitungen und Knoten für das gesamte Verteilnetz, entweder online oder offline im Simulationsmodus

Verbesserte Netzkenntnis Bessere Betriebmittelnutzung Verbesserte Störfallplanung

Lastzuordnung und Zustandsschätzung

Intelligente Zuordnung von Fern- bzw. histori-schen Messungen über das gesamte Netz zur Berechnung von Lastflussschätzungen, Spannungen und Grenzwertverletzungen auf der Basis von Echtzeit-Zuständen

Verbesserte Berechnung von Lastfluss- und Zustandsschätzungen

Verbesserte Meldung von Betriebsmittel-überlastungen und unzulässigen Spannungswerten

Fehlerlokalisierung Identifizierung möglicher Störungsstellen im Netz

Verbesserte Effizienz der Crews bei der Handhabung von Ausfällen

Reduzierte Unterbrechungsdauer (CAIDI) und Nichtverfügbarkeit (SAIDI) für den Kunden

Schaltanalyse zur Wiederversorgung

Evaluierung von Schaltkonzepten zur Isolierung und Wiederversorgung

Verbesserte Effizienz des Bedienpersonals bei Ausfällen

Verbesserte Zuverlässigkeit

Spannungs-/Blind-leistungsregelung

Überwachung und Steuerung von Kondensa-toren, Spannungsreglern und Laststufen-schaltern zur Reduzierung der Spitzenlast und Systemverluste

Reduzierter kundenseitiger Bedarf zu Spitzenzeiten

Geringere Systemverluste Verbesserte Spannungsprofile

Leitungsentlastung Berechnung und Analyse von Lastumschal-tungsmöglichkeiten einschließlich Überlastreduktion

Reduzierung der thermischen Ausfälle Längere Betriebsmittellebensdauer durch

geringere Überlastung Bessere Betriebmittelnutzung

Fernschalten und Wiederversorgung

Automatische Abzweig-Rekonfiguration unter Berücksichtigung der Netzbetriebsbedingungen

Reduzierte CAIDI und SAIDI Geringere Systemverluste

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48 ABB Technik 3/2009

Netzmanagement für Verteilnetze

Energieübertragung und -verteilung

bereitzustellen. Wie in 3 dargestellt, können viele der Herausforderungen, vor denen Verteilungsunternehmen heute stehen, mithilfe fortschrittlicher Anwendungen bewältigt werden.In vielen Fällen ist das Bedienpersonal nach wie vor ein fester Bestandteil der Entscheidungsschleife, damit es das System überwachen kann. Doch mit fortschreitender Entwicklung intelligen-ter Netze wächst der Wunsch zur Mini-mierung des menschlichen Eingriffs zugunsten eines automatisierten Ansat-zes bzw. einer Lösung mit geschlosse-nem Regelkreis. In Zukunft wird der Grad der Automatisierung eine wichtige geschäftspolitische Entscheidung für jedes Verteilungsunternehmen darstellen.

Die NetzleitstelleDie Architektur einer vollständig integ-rierten Leitstelle für ein Verteilnetz ist in 4 dargestellt. Die DMS-Anwendungen ermöglichen ein optimales Management des Verteilnetzes im Hinblick auf die Betriebsmittelbelastung, Effizienz, Span-nungsregelung, das Arbeitsmanagement, Ausfallmanagement und die Zuverlässig-keit. Dazu nutzen die DMS-Anwendun-gen die Datenbank und das Konnektivi-tätsmodell des elektrischen Verteilnetzes. Das Netzmodell wird mithilfe von Daten aus einem Geoinformationssystem (GIS) erstellt und in regelmäßigen Abständen durch ein inkrementelles Update aus dem GIS aktualisiert.

Ein entscheidendes Element des integ-rierten Leitsystems ist die Integration der verschiedenen für den Betrieb des Verteilnetzes verwendeten IT-Systeme. Dazu gehört das SCADA-System als zentrales Element der Datenerfassung und Systemsteuerung. Der Trend im Bereich der elektrischen Energievertei-lung geht dahin, die SCADA-Systeme über die Verteilnetzstationen hinaus auf die Abzweige auszudehnen, um eine bessere Kenntnis der aktuellen Situation und eine bessere Steuerung des Verteil-netzes zu gewährleisten. Schnittstellen zu anderen Systemen umfassen AMI- und MDM-Systeme sowie Stations-/Abzweig-Gateways und Datenkonzen-tratoren. Die Architektur der Datenüber-tragung zwischen den Feldgeräten und der integrierten Leitstelle variiert je nach Verteilungsunternehmen. Sogar mehrere Konzepte innerhalb eines einzigen Unternehmens sind möglich. Doch unabhängig von der Art des Konzepts

Viele Unternehmen sind auch dabei, die Stationsautomatisierung auszubauen und die Zahl der Gateways in den Unterstationen zu erhöhen. Dies ermög-licht einen besseren Zugang zu Daten von intelligenten elektronischen Geräten (IEDs) in den Unterstationen und Verteilnetzen, von denen viele über Kommunikationsfunktionen verfügen. Dazu gehören unter anderem intelligen-te Steuerungen von Reclosern, Schaltern und Spannungsreglern. Die Integration dieser Systeme mit dem DMS bietet den Vorteil einer dezentralisierten lokalen Steuerung auf der Stations-/Abzweig-ebene bei gleichzeitiger Optimierung des Systems durch das DMS auf der Netzebene. Die Integration von SCADA und DMS mit anderen Systemen ermög-licht die Realisierung einer integrierten Leitstelle zur Verwaltung eines intelli-genten Netzes 2 .

Fortschrittliche AnwendungenMit der Network-Manager™-Plattform ist ABB führend in der Entwicklung fortschrittlicher Anwendungen für das Verteilnetzmanagement. Mithilfe eines Netzmodells und der Überwachung des Netzbetriebszustands sind diese Anwendungen in der Lage, Empfehlun-gen für einen optimalen Netzbetrieb

Integrierte Sicherheitsanalyse für Schaltanlagen und Stromkreise durch Prüfung von Markierungen und deren Einfluss auf andere Bereiche.

Rationalisiertes Anmeldeverfahren und Berechtigungsmanagement inner-halb eines Systems.

Konsolidierter Systemsupport für DMS, OMS und Verteilnetz-SCADA.

Die Verbreitung von AMI-Systemen nimmt rasch zu, und ABB ist dabei, Lösungen zu entwickeln, die es Versor-gungsunternehmen ermöglichen, AMI-Daten für betriebliche Zwecke zu nut-zen. Schnittstellen zwischen AMI/MDM (Meter Data Management, Zählerdaten-management) und SCADA/DMS wurden für Zählerstatusabfragen, Ausfallmel-dungen und Wiederversorgungsmeldun-gen entwickelt. Zu den Vorteilen zählen die Verkürzung der Ausfalldauer beim Kunden und eine effizientere Nutzung von Feldressourcen. Die Nutzung weite-rer AMI-Daten in DMS-Anwendungen wie Intervallbedarfe und Spannungs-über- bzw. Spannungsunterschreitungen wird zurzeit untersucht. Damit verbun-den wären weitere Vorteile wie eine bessere Kenntnis der Netzbelastung und bessere Spannungsprofile im gesamten System.

SCADA

4 Architektur einer vollständig integrierten Verteilnetz-Leitstelle

Symmetrischer und asymmetrischer Lastfluss Zustandsschätzung Fehlerlokalisierung Schaltauftragsmanagement Schaltung zur

Überlastreduktion

Schaltanalyse zur Wieder- versorgung Spannungs-/

Blindleistungsregelung Fern-/automatisches

Schalten und Wiederver- sorgung

Störungsmeldungsmanagement Ausfallmanagement Betriebsmanagement Crew-Management Bedienerprotokolle Verweismanagement Ausfallmeldungen Ausfall-Berichterstellung

Grafisches Daten-Engineering

Externe Adapter und

Datenaustausch

Prozess-kommunikations-

Frontend

Historian und Data Warehouse

Geoinformationssystem

Verteilnetzmodell und -datenbank

Externe Anwendungen und Systeme

Network Manager

DMS-Anwendungen

DMS-Adapter

Infrastruktur

GIS CIS AMI/MDM Stations-/Abzweig-

Gateways Mobile Workforce

Management Interaktives

Sprachdialogsystem Arbeitsmanage-

mentsystem

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49ABB Technik 3/2009

Netzmanagement für Verteilnetze

Energieübertragung und -verteilung

Anwendungen ermöglichen eine um fassende Sicht auf das Verteilnetz einschließlich Netzstatus, Überwachung, Steuerung, Entstörung, geplante Arbei-ten, optimale Betriebsmittelbelastung und verbesserte Kontrolle über dezen-trale Ressourcen zur Energieerzeugung, -speicherung und Laststeuerung. Letztendlich unterstützt die integrierte Netzleitstelle Verteilungsunternehmen bei ihrer Mission, die Ziele ihrer Kunden, Eigentümer, Mitarbeiter und der Gesell-schaft zu erfüllen.

Tim Taylor

ABB Power Systems

Raleigh, NC, USA

[email protected]

Marina Ohrn

ABB Power Systems

Zürich, Schweiz

[email protected]

Literaturhinweis

[1] Sen, A., Ohrn, M.: „Integriertes Netzmanagement –

Integration von Übertragungs-, Verteilungs- und

Ausfallmanagementsystemen in der Netzleittechnik.

ABB Technik 4/2005: 30–32

sche Geräte (IEDs), Stationscomputer und -Gateways, Sensoren und intelli-gente Zähler zu verzeichnen. Einige dieser Geräte bieten zusätzliche lokale Steuerungsmöglichkeiten, was die Kom-plexität des Verteilnetzbetriebs weiter erhöht.

Selbst angesichts der Zunahme von dezentralisierter Intelligenz und Steue-rung stellt die integrierte Leitstelle eine Möglichkeit zur zentralen Überwachung und Koordinierung des gesamten Netzes dar. Eine Übertragung sämtlicher Daten und Informationen an zentrale Systeme innerhalb des integrierten Leitsystems ist dabei weder praktikabel noch wün-schenswert. Stattdessen erfassen und verarbeiten die Systeme in der integrier-ten Leitstelle nur bestimmte Daten, die an sie weitergegeben werden, um einen optimalen Netzbetrieb zu gewährleisten.

HerausforderungenIntelligente Verteilnetze benötigen inno-vative Leitstellen für ein effektives Netz-management. ABB arbeitet kontinuier-lich an der Definition und Entwicklung von integrierten Leitstellen für intelli-gente Verteilnetze, was sowohl die Integration bestehender Systeme als auch die Entwicklung neuer Anwen-dungen beinhaltet. Diese integrierten

ist eine solche Datenübertragung unent-behrlich, wenn es darum geht, eine bessere Wahrnehmung des Netzbetriebs zu ermöglichen.

Netzleitstelle der ZukunftDie integrierte Leitstelle ist einer der Schlüssel zur Realisierung eines intelli-genten Verteilnetzes. ABB arbeitet kontinuierlich an der Erweiterung der Funktionalität von Netzleitstellen, um die technischen und geschäftlichen Anforderungen von Verteilungsunter-nehmen erfüllen zu können. Die Vision eines intelligenten Verteilnetzes mit einer integrierten Leitstelle ist in 5 dargestellt.

Der Betrieb von Verteilnetzen wird in Zukunft generell komplexer werden. So wird die zunehmende dezentrale Erzeugung und Speicherung variabler Energiemengen die Größe und Richtung der Lastflüsse im System beeinflussen. Weiteren Einfluss auf die Lastflüsse und Spannungsprofile haben Maßnahmen zur Laststeuerung (Demand Response), die entweder durch den Stromanbieter oder den Kunden vorgenommen wer-den. Außerdem ist bereits ein zuneh-mender Trend zur Implementierung zusätzlicher Intelligenz in Verteilnetz-komponenten wie intelligente elektroni-

5 Eine integrierte Leitstelle zur Überwachung des gesamten Verteilnetzes

Netzleitstelle

AMI/MDM

MWM

WMS

GIS

CIS

IVR

SCADA und DMSAusfallmanagementFortschrittliche Anwendungen

Kommunikation Feldpersonal

Abzweig Kunde

Plug-in-Hybridfahrzeuge

Spannungs-/Blindleistungsregelung

AbzweigschutzRecloser

Kondensator-steuerung

Schalter Kuppelschalter mit Rückkopplung

AsymmetrischerLastfluss

ABB Network Manager

Spannungs-regler

Stationscomputer/Gateway

AMI-Integrationund Laststeuerung

(Demand Response)

FehlerlokalisierungAutomatisches Schalten und Wiederversorgung

SCADA/EMS-Integration

Dezentrale Erzeugung und Energiespeicherung Haushalts-

zähler

Unterstation

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50 ABB Technik 3/2009

Die Energieeffizienz ist heutzutage ein wesentliches Leistungsmerkmal von industriellen Produkten und Systemen. Durch die Vielzahl der verschiedenen Normen auf diesem Gebiet ist ein direkter Vergleich der Energieeffizienz-Kennwerte jedoch äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Dabei ist angesichts der zunehmenden Globalisierung der Märkte eine Vergleichbarkeit der Energieeffizienz von Geräten der-selben Produktgruppe unabhängig vom Ort ihrer Herstellung mehr als wünschenswert. Die Harmonisierung der Normen und der ihr zugrunde liegenden Gesetzgebung sind daher eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Verbreitung energie-effizienter Technologien.

Standardisierungsinitiativen haben in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel bei Elektromotoren, zur Harmonisierung von Energieeffizienz-anforderungen, Prüfmethoden und Zertifizierungsverfahren geführt. Heute arbeiten alle bedeutenden Nor-mungsorganisationen und zwischen-staatlichen Institutionen an der Defini-tion einheitlicher Vorgaben für die vergleichbare Qualifizierung von Pro-dukten und Systemen im Hinblick auf ihre Energienutzung. Doch dies ist erst der Anfang eines äußerst bedeu-tenden Prozesses.

In HarmonieEntwicklung globaler Energieeffizienz-Normen Janusz Maruszczyk, Michel Lhenry, Mikko Helinko, Zbigniew Korendo

Effizienz und Normen

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51ABB Technik 3/2009

Effizienz und Normen

EFF3 – Motoren mit geringem Wir-kungsgradEFF2 – Motoren mit gesteigertem Wir-kungsgradEFF1 – Motoren mit hohem Wirkungs-grad

Laut der Vereinbarung sollten die Her-steller die Wirkungsgradklasse eines Produkts auf dem Typenschild angeben und eine Tabelle mit Beispieldaten bereitstellen, um dem Benutzer die Wahl des am besten geeigneten Motors zu erleichtern.In den USA erfolgte die Bestimmung der Effizienz auf Basis der Norm IEEE 112. Das Prüfverfahren IEEE 112-B erforderte eine direkte Messung aller Verluste bei einer Netzfrequenz von 50 bzw. 60 Hz. Die MEPS für alle in den USA produzierten oder verwendeten Motoren wurden im Energy Policy Act (EPAct) von 1992 festgelegt. Später ent-wickelte die National Electrical Manu-facturers Association (NEMA) ein frei-williges Zertifizierungsprogramm mit der Bezeichnung „NEMA Premium“, das auf der IEEE 112-B basierte. Sowohl bei den verbindlichen als auch den frei-willigen Anforderungen wurden die Messergebnisse mit spezifischen Effi-zienzindizes abgeglichen, die im NEMA-Standard MG1 definiert waren.Darüber hinaus wird in den USA in der Chemie-, Öl- und Metallindustrie für Schwerlastmotoren mit langen Betriebs-zeiten die Industrienorm IEEE 841 ver-wendet.In anderen Ländern orientierten sich die Lösungen meist an den europäischen oder amerikanischen Verfahren, indem die dortigen Standards entweder mit der

Viele Jahre lang wurden zur Bestim-mung dieser Verluste weltweit haupt-sächlich zwei Normen verwendet: IEC 60034-2 IEEE 112 Methode B (IEEE 112-B)

Die IEC 60034-2 wurde vorwiegend in Europa, Indien und China sowie früher auch in Australien und Neuseeland ver-wendet. Die in der IEEE 112-B definier-te Methode kam in Nordamerika und Ländern mit 60-Hz-Stromversorgung zum Einsatz. Um das Jahr 2000 herum wurde in Australien und Neuseeland ein der IEEE 112-B ähnliches Verfahren eingeführt. Dennoch kann es sein, dass die IEC 60034-2 in diesen Ländern noch immer Verwendung findet. Eine ver-gleichbare Norm (CSA C390) wurde auch in Kanada eingeführt.Die IEEE 112-B löste die Temperatur-problematik der IEC 60034-2 bei der Berechnung der Wicklungsverluste im Stator und der Rotorverluste bei konstanten Temperaturen. Außerdem wurde ein Prüfverfahren zur Bestim-mung der Streuverluste eingeführt, sodass nicht mehr auf den festen Wert der IEC 60034-2 zurückgegriffen werden musste. Somit entwickelten sich zwei vorherrschende Verfahren zur Bestim-mung des Wirkungsgrads von mehr-phasigen Elektromotoren: IEC und IEEE 112-B 1 .In der Europäischen Union wurde die Effizienz anhand des Prüfverfahrens nach IEC 60034-2 bestimmt. Die freiwil-lige Vereinbarung des CEMEP (Comité Européen de Constructeurs de Machines Electriques et d’Electronique de Puis-sance) definiert drei mögliche Wir-kungsgradklassen für Elektromotoren:

Der Elektrotechnik-Markt ist in tech-nischer und rechtlicher Hinsicht

äußerst komplex. Jedes elektrische Gerät muss in Bezug auf seine Anwen-dung, Sicherheit und Kompatibilität mit anderen Geräten verschiedene Anforde-rungen erfüllen. Diese Anforderungen können Bestandteil von nationalen, regionalen oder branchenspezifischen Vorschriften, Verfahren oder Normen sein. Hinzu kommen häufig noch weitere indirekte Anforderungen.Normen können sich auf verschiedene Weise mit der Energieeffizienz eines bestimmten Geräts befassen. Typischer-weise wird zur Bestimmung der Effi-zienz eines Geräts die Höhe der Ener-gieverluste nach bestimmten, in einer Norm festgelegten Regeln gemessen. Die Ergebnisse (Energieverluste oder berechnete Energieeffizienz) werden dann mit bestimmten Indizes (normati-ve Verlust- bzw. Effizienzwerte) abgegli-chen, um festzustellen, ob das Gerät die Mindestvorschriften für den Wirkungs-grad (Minimum Energy-Efficiency Per-formance Standards, MEPS) oder andere Anforderungen erfüllt. Entspricht das Gerät den MEPS eines bestimmten Lan-des, kann es auf den Markt gebracht werden. Erfüllt es zudem die Kriterien eines freiwilligen Kennzeichnungs-systems, kann es entsprechend gekenn-zeichnet und somit als energieeffizien-tes Produkt erkannt werden.Normen definieren, was Energieeffizi-enz ist, legen die Verfahren für die Prü-fung und Messung der Energienutzung fest und beinhalten die Anforderungen für MEPS bzw. freiwillige Kennzeich-nungssysteme. Probleme treten dann auf, wenn diese Normen nicht länder- oder branchenübergreifend harmoni-siert sind. Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Harmonisierung von Nor-men liefert die Elektromotorenindustrie.

Harmonisierung bei ElektromotorenLaut Schätzungen entfallen rund 40 % des weltweiten Stromverbrauchs auf Elektromotoren in ihren verschiedenen Anwendungen. Die Steigerung des Motorwirkungsgrads hängt von der Ver-ringerung der Gesamtenergieverluste ab, die in Elektromotoren auftreten können: Wicklungsverluste im Stator (P

s)

Eisenverluste (Pfe)

Rotorverluste (Pr)

Reibungs- und Lüftungsverluste (Pfw)

Streuverluste (PLL)

1 Normen und Kennzeichen für den Wirkungsgrad von Elektromotoren vor der Harmonisierung

Prüfung IEEE 112-B

IEEE 112-B

IEEE 112-B

Mexikanische Norm = IEEE 112-B

IEC 60034-2 (1972, geändert 1996)

IEC 60034-2 (1972, geändert 1996)

IEC 60034-2 (1972, geändert 1996)

Kennzeichnung

Lokale Norm

Lokale Norm

Australische Norm verwandt mit:

Chinesische Norm = IEC 60034-2 (1972, geändert 1996)

In Harmonie

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52 ABB Technik 3/2009

In Harmonie

Effizienz und Normen

Mandat der Europäischen Kommission (M244) erhielt, woraufhin CENELEC die IEC mit der Entwicklung einer neuen Prüfnorm beauftragte. Das Ziel war die Erarbeitung einer neuen IEC-Norm ähnlich der IEEE 112-B. Bei der ersten Besprechung der WG 2 der IEC SC2G im September 1997 in Frankfurt stellte ein Mitglied der IEC-Arbeitsgruppe das Prüfverfahren nach IEEE 112-B vor, doch dieser erste Vorschlag fand keine Akzeptanz. (Aus der WG 2 wurde übri-gens später die WG 28 des IEC TC 2). Nach vielen Jahren der Diskussion wurde das Prüfverfahren in die IEC 61972 und später in die überarbei-tete Version der IEC 60034-2 übernom-men 2 . Die IEC 61972 wurde danach außer Kraft gesetzt.Weitere Aktivitäten des IEC TC 2 für drehende elektrische Maschinen (WG 28 und WG 31) führten zu folgen-den Normen:IEC 60034-2-1 (2007): Beschreibt die Verfahren zur Prüfung des Wirkungs-grads (abgesehen von kleinen Abwei-chungen harmonisiert mit IEEE 112-B).IEC 60034-30 (2008): Definiert die neuen Effizienzklassen IE1, IE2, und IE3, die für 60 Hz sowohl mit den brasilianischen Vorschriften (IE1) als auch mit den aktuellen US-Vorschriften für geschlossene Motoren (z. B. IP44 und IP55) harmonisiert sind (EPAct für IE2 und NEMA Premium für IE3) und im Falle von IE2 und IE1 auf der EU-CEMEP-Klassifizierung (EFF1, EFF2) basieren. Die für 50 Hz eingeführte Effizienzklasse IE3 ist von der IE2 abge-leitet, jedoch mit ca. 15 % geringeren Verlusten. Nicht eingeschlossen in diese Norm sind Motoren, die gemäß IEC 60034-25 entwickelt wurden (d. h. Motoren speziell für den Stromrichter-betrieb) und Motoren, die ein fester Bestandteil von Elektrogeräten (z. B. Pumpen oder Lüfter) sind.Außerdem befinden sind bei der IEC zurzeit folgende Normen in Arbeit:IEC TS 60034-31: Richtlinie für die Aus-wahl und Anwendung von energieeffi-zienten Motoren einschließlich dreh-zahlgeregelter Anwendungen (geplante Veröffentlichung im April 2010, der zweite Entwurf liegt seit April 2009 vor).IEC 60034-2-3: Prüfnorm für stromrich-tergespeiste Wechselstrommaschinen (geplante Veröffentlichung im Juli 2011).Mittlerweile hat das US-Energieministe-rium verfügt, dass NEMA Premium ab

Auf dem Weg zur HarmonisierungDaher wurden Bemühungen unternom-men, der Redundanz der bisherigen Normung entgegenzuwirken und eine stärkere Vereinheitlichung zu erreichen. Basierend auf einem Vorschlag des DKE K311, einem Gremium der Deut-schen Kommission Elektrotechnik Elek-tronik Informationstechnik, wurde 2006 vom IEC TC 2 (dem technischen Komi-tee für drehende elektrische Maschinen) eine Arbeitsgruppe (WG 31) gegründet und damit beauftragt, Wirkungsgrad-klassen für industrielle Drehstrommoto-ren zu definieren.An diesem Harmonisierungsprozess beteiligt war auch die im Jahr 2006 gegründete private Initiative SEEEM (Standards for Energy Efficiency of Elec-tric Motor Systems), deren Empfehlun-gen u. a. von der Arbeitsgruppe WG 31 berücksichtigt wurden.Die erste Besprechung der WG 31 fand im Oktober 2006 in Frankfurt statt. Bis zum zweiten Treffen im Mai 2007 in Washington DC, war bereits klar, dass eine Klassifizierungsnorm nicht aus-reichen würde, um alle Probleme zu lösen. Vielmehr war auch die Beschrei-bung der Methoden für einen effizien-ten Betrieb von Elektromotoren und der entsprechenden Anwendungen erfor-derlich. Im Mai 2007 wurde auf der Hauptversammlung des IEC TC 2 in Mailand ein Vorschlag zur Erstellung eines Energieeffizienz-Leitfadens vorge-legt und als Projekt unter dem Namen IEC TS 60034-31 ins Leben gerufen.Außerdem begann das IEC TC 2 damit, die bereits seit Jahrzehnten gültige Norm IEC 60034-2 zu überarbeiten. Die Überarbeitung wurde 1996 initiiert, als CENELEC (European Committee for Electrotechnical Standardization) ein

IEC 60034-2 bzw. IEEE 112-B harmoni-siert oder daran angelehnt wurden.Brasilien nutzt z. B. ein Prüfverfahren auf der Basis der IEEE 112-B, wobei sich die dortigen MEPS aber von denen der USA unterscheiden. In Indien wur-den die Wirkungsgradklassen mit denen des CEMEP harmonisiert, aber das Prüf-verfahren basiert auf einer lokalen Norm und nicht auf der IEC-Norm. China hat das MEPS-System übernom-men. Die dortigen Mindestanforderun-gen und Effizienzklassen für kleine und mittelgroße Drehstrom-Asynchron-motoren sind in der chinesischen Norm GB 18613-2006 beschrieben. Für Prüf-zwecke wird jedoch die lokale Norm GB/T 1032 verwendet, die mit der IEC 60034-2 vergleichbar ist. Zusätzlich existiert in China eine Reihe von De-facto-Standards (z. B. für Motoren der sogenannten Y-Serie). Diese Motortypen sind, obwohl sie in den vorherrschen-den Normen nicht beschrieben sind, auf dem chinesischen Markt weithin aner-kannt und gelten als Maßstab.Unterschiedliche Prüfverfahren und Kennzeichnungssysteme haben zu Pro-blemen hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Motorwirkungsgraden geführt. Auch die in verschiedenen Wirtschafts-räumen verwendete Nomenklatur erwies sich als problematisch. So kann die Bezeichnung „Motor mit hohem Wirkungsgrad“ in verschiedenen Län-dern oder Märkten eine unterschiedliche Bedeutung haben. Ein Motor, der in einem Land als Motor mit hohem Wir-kungsgrad gilt, erfüllt in einem anderen, höher technisierten Land möglicher-weise gerade einmal die Mindestanfor-derungen. Zusammen haben diese Faktoren die weltweite Förderung von energieeffizienten Motoren behindert.

2 Weltweite Wirkungsgradklassen (2009)

IEC 60034-2-1 Ed. 1 (2007)

IEC 60034-30 Ed. 1 (2008)

HarmonisiertPrüfung

Kennzeichnung Premium-Wirkungsgrad IE3

hoher Wirkungsgrad IE2

Standard-Wirkungsgrad IE1

IEEE 112-B

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53ABB Technik 3/2009

In Harmonie

Effizienz und Normen

die Definitionen für die Klassen Super Premium bzw. IE4 vor-gestellt. Die Wirkungsgrad-klasse IE4 ist nicht auf Dreh-strom-Käfigläufer-Induktions-motoren beschränkt, wie dies bei den Klassen IE1, IE2 und IE3 der EN/IEC 60034-30 der Fall ist. Vielmehr soll die Klasse IE4 für alle Arten von Elektro-motoren gelten, insbesondere für stromrichtergespeiste Maschinen (sowohl Käfigläufer-Induktionsmotoren als auch andere Arten wie Permanent-magnet-Synchronmotoren). Derzeit sind keine Motoren auf dem Markt, die diese Wir-kungsgradklasse erfüllen. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Standardisierung für die Technologie- und Pro-duktentwicklung richtungs-weisend sein kann.

Argumente für die StandardisierungNormen und Produktkenn-zeichnungen spielen eine wich-tige Rolle bei der Förderung einer effizienten Energienut-zung. Dies gilt besonders für bestimmte Produkte (z. B.

Elektromotoren) oder Anwendungen. Normen definieren, was Effizienz ist (IEC 60034-2-1),

formulieren Prüfverfahren zur Bestim-mung der Effizienz (IEC 60034-2-1),

legen Indizes mit Mindestanforderun-gen und Vorschriften für die Vergabe verschiedener freiwilliger Effizienz-kennzeichen und -zertifikate fest (EN/IEC 60034-30, NEMA MG1),

bestimmen die Wartungsbedingun-gen, die zur Erzielung einer hohen Effizienz erfüllt werden sollten (ANSI/EASA AR100, EASA/AEMT),

beschreiben bestimmte branchen- oder sektorspezifische Regelungen und Anforderungen (IEEE 841),

lenken die Technologie- und Produktentwicklung in Richtung energieeffizienterer Lösungen (IE4, IEC TS 60034-31).

Die International Energy Agency (IEA) initiierte im März 2008 die 4E-Durchfüh-rungsvereinbarung „Efficient Electrical End-Use Equipment“. Ein Teil dieser Vereinbarung, der sogenannte „Electric Motor Systems Annex“ (EMSA), beschäf-

nen IE-Wirkungsgradklassen gemäß IEC 60034-30 und die Mindestvorschrif-ten für den Wirkungsgrad in verschie-denen Ländern.Die Arbeitsgruppe 31 des IEC TC 2 ent-wickelt zurzeit eine neue Norm IEC TS 60034-31. In einem Entwurf wurden

dem 19. Dezember 2010 als Mindestvorschrift für den Wirkungsgrad von Elektro-motoren in den Vereinigten Staaten eingesetzt wird. Um die Zertifizierung zu erhalten, muss der Hersteller seine Produkte in einem akkredi-tierten Labor prüfen lassen. Die anderen Bestimmungen (d. h. IEEE 112-B als Prüfnorm and NEMA MG1 als Norm für die Effizienzklassen) bleiben unverändert.In den EU-Ländern ist die Situation anders. Hier ist der Hersteller für die Erfüllung von Normen verantwortlich. Eine Drittzertifizierung ist nicht gesetzlich vorgeschrie-ben, jedoch führen staatliche Stellen gelegentliche Markt-kontrollen durch. Sollte ein Gerät der erforderlichen (und ausgewiesenen) Effizienz-klasse nicht entsprechen, ist der Hersteller verpflichtet, es auf eigene Kosten vom Markt zu nehmen.Das Ecodesign Regulatory Committee, das sich aus Vertretern der EU-Mitglied-staaten zusammensetzt, hat der neuen Verordnung „Ecodesign Requirements on Electrical Motors“ zugestimmt, die auf einem Vorschlag der Europäischen Kommission basiert. Die neue Verordnung behandelt die Energieeffizienzklasse für Asynchron-motoren mit einer Leistung von 0,75 kW bis 375 kW. Ab dem 16. Juni 2011 ist für diese Motoren die in der EN/IEC 60034-30 definierte Effizienz-klasse IE2 Vorschrift. Ab 2015 gilt für Motoren mit einer Nennleistung (P

N)

von 7,5 kW bis 375 kW die Klasse IE3, und ab 2017 müssen Motoren mit einer Nennleistung von 0,75 kW bis 375 kW die Klasse IE3 erfüllen. Ein Motor der Klasse IE2 kann anstelle eines IE3-Motors verwendet werden, wenn er über einen Stromrichter gespeist wird. Diese Verordnung wurde am 22. Juli 2009 von der Europäischen Kommission angenommen. Der Umfang der Verordnung unterscheidet sich geringfügig von der Norm IEC 60034-30 (z. B. durch die Berücksichtigung von Motoren für den Stromrichterbetrieb).3 zeigt den voraussichtlichen Imple-mentierungsfahrplan für die verschiede-

Eindeutige, angemessene und kohären-te Definition von „Effizienz“

Festlegung von Prüf- und Messver-fahren für die Bewertung und Klassifi-zierung von Effizienz

Definition von Wirkungsgradklassen für Standardprodukte und Massenwaren

Beginn der Standarisierung in Berei-chen mit bedeutendem Einsparungs-potenzial mit besonderer Priorität auf hohe Potenziale

Vorschrift verbindlicher Grenzwerte durch die Behörden

Quelle: IEC Workshop, São Paulo, Nov. 2008

Infobox 1 Vorgaben der IEC für eine Standardisierung im Bereich der Energieeffizienz

3 Implementierungsfahrplan für die verschiedenen IE-Wirkungsgrad-klassen gemäß IEC 60034-30

Wirkungs-grad

Wirkungsgrad-klasseIEC 60034-30

Unsicherheit gemäß Prüfnorm IEC 60034-2-1 (2007)

Länder mit Mindestvorschriften für den Wirkungsgrad

Premium-Wirkungsgrad

IE3 Geringe Unsicherheit USA (2011)Europa (2015/2017*))

Hoher Wirkungs-grad

IE2 Geringe Unsicherheit USAKanadaMexikoAustralienNeuseelandBrasilien (2009)China (2011)Europa (2011*))Schweiz (erwartet für 2012)

Standard-Wirkungsgrad

IE1 Mittlere Unsicherheit ChinaBrasilienCosta RicaIsraelTaiwanSchweiz(erwartet für 2012)

Ist kein Datum angegeben, sind spezifische MEPS-Vorschriften bereits in Kraft. Die IEC 60034-2-1 beinhaltet mehrere Prüfmethoden mit entsprechenden Unsicher-heiten. Für die Wirkungsgradklasse IE1 sind Prüfmethoden geringer und mittlerer Unsicherheit zulässig, während für die Klassen IE2 und IE3 Methoden mit geringer Unsicherheit erforderlich sind.

*) Zeitplan für die Umsetzung der Wirkungsgradklassen in der EU: Nach dem 16. Juni 2011 müssen alle Motoren von 0,75 bis 375 kW die Wirkungsgradklasse IE2 erfüllen.

Ab dem 1. Januar 2015 müssen Motoren mit einer Nennleistung von 7,5 bis 375 kW der Wirkungsgradklasse IE3 entsprechen, oder sie müssen die Klasse IE2 erfüllen und mit einem drehzahlgeregelten Antrieb ausgerüstet sein.

Ab dem 1. Januar 2017 müssen Motoren mit einer Nennleistung von 0,75 bis 375 kW der Wirkungsgradklasse IE3 entsprechen, oder sie müssen die Klasse IE2 erfüllen und mit einem drehzahlgeregelten Antrieb ausgerüstet sein.

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54 ABB Technik 3/2009

In Harmonie

Effizienz und Normen

Française de Normalisation (AFNOR) wird dieses Projekt koordinieren, das auf etwa drei Jahre angelegt ist.Die Empfehlungen der SG 1 sehen außerdem vor, den Schwerpunkt der Standardisierung auf die Produkte und Prozesse zu legen, bei denen die größ-ten Effizienzsteigerungen zu erwarten sind, d. h. Produkte und Geräte, die in großer Zahl betrieben werden. Dies gilt zum Beispiel für Lampen und Beleuch-tung, rotierende Maschinen, Heizungs- und Kühlsysteme, Energieerzeugung und -übertragung, Leistungstransforma-toren und die Unterhaltungselektronik.Ein weiteres Aufgabengebiet mit hoher Priorität ist laut der SG 1 die Entwick-lung von Normen und „Best-Practice“-Richtlinien für die optimale Anpassung von Produkten an bestimmte Anwen-dungen, die Entwicklung von Richt-linien für den Systementwurf im Hin-blick auf Energieeffizienzkriterien und die Automatisierung von komplexen Systemen und Anlagen (z. B. Kraftwer-ke, elektrische Züge) und die Entwick-lung von Richtlinien für Leistungsverlus-te in Verteilnetzen. Außerdem empfiehlt die SG 1 eine stärkere Fokussierung auf die Standardisierung von elektrischen Speichersystemen, insbesondere im Zusammenhang mit der dezentralen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen.Dieser Ansatz weicht von der traditio-nellen Betrachtung einzelner Geräte ab und berücksichtigt stattdessen den Betrieb der Geräte im größeren Kontext der Systeme und Prozesse, in denen sie eingesetzt werden. Diese Energieeffizi-enz auf Systemebene sollte bereits in der Entwurfsphase unter Berücksich-tigung des Anwendungskontexts, der Wartungsanforderungen über die Lebensdauer und der Wechselwirkung mit anderen Systemkomponenten betrachtet werden.Wie die IEC misst auch die International Organisation for Standardization (ISO) den verschiedenen Aspekten der Ener-gieeffizienz große Bedeutung bei. Neben der gemeinsamen Entwicklung einer grundlegenden Terminologie für den Bereich Energieeffizienz arbeiten die technischen Komitees der ISO an der Standardisierung von Verfahren zur Berechnung, zum Vergleich und zur Kennzeichnung im Hinblick auf das energietechnische Verhalten, den Ener-gieverbrauch und die Energieeffizienz von verschiedenen Geräten, Transport-

tigt sich schwerpunktmäßig mit dem Wirkungsgrad von Motorsystemen. Dabei wird die Energieeffizienz nicht nur im Hinblick auf einzelne Produkte betrachtet, sondern der Motor als Teil eines größeren Systems mit eigenem Energieeinsparungspotenzial gesehen. Ziel des EMSA-Projekts ist der Aufbau eines sogenannten Global Motor Sys-tems Networks zur Bereitstellung von Informationen über Neuentwicklungen im Bereich der Normen und Technolo-gien. Auch wenn der Systemansatz den größten potenziellen Nutzen verspricht, lässt er sich nur sehr schwer standardi-sieren, weswegen sich die bisherigen Standardisierungsmaßnahmen vorwie-gend mit Effizienznormen für Geräte befasst haben.

Energieeffizienz im BlickpunktIn den letzten Jahren hat die Internatio-nal Electrotechnical Commission (IEC) das Thema elektrische Energieeffizienz zu einem Schwerpunktthema erklärt. Das IEC Standardization Management Board (IEC-SMB) hat eine Strategiegrup-pe für Energieeffizienz und erneuerbare Ressourcen (SG 1) gegründet, die eng mit ihrem Pendant bei der ISO, der stra-tegischen Beratergruppe für Energieeffi-zienz ISO/TMB/SAG EE 1, zusammenar-beitet. Die IEC-SMB SG 1 hat eine Reihe von Empfehlungen zu effizienzbezoge-nen Themen für die technischen Komi-tees der IEC verfasst Infobox 1 , die nach Freigabe durch das IEC-SMB die Aus-richtung der zukünftigen Arbeit der IEC auf diesem Gebiet bestimmen.Laut der SG 1 besteht eine der wichtigs-ten Anforderungen in der Vereinheit-lichung der Terminologie und Definitio-nen im Bereich der Energieeffizienz. Zurzeit gibt es eine Reihe von Initiati-ven und Aktivitäten in der Normung und Gesetzgebung (z. B. die ISO/CSC/STRAT, das CEN/CELEC Sector Forum Energy Management (SFEM) sowie bestehende IEC-Normen und Gesetze), die grundlegende Begriffe wie „Wir-kungsgrad“ und „Gesamtenergieeffizi-enz“ unterschiedlich verwenden. Dies führt wiederum zu unterschiedlichen Interpretationen in verschiedenen Zusammenhängen und Anwendungen. Auf Empfehlung der SG 1 hat die ISO mit der Entwicklung einer neuen Norm begonnen, die die grundlegende Termi-nologie für alle Organisationen festle-gen wird, die sich mit dem Thema Ener-gieeffizienz befassen. Die Association

AFNOR Association Française de

Normalisation (Nationale

französische Normungs-

organisation)

CEMEP Comité Européen de

Constructeurs de Machines

Electriques et d’Electronique

de Puissance (Vereinigung

der europäischen Motoren-

und Antriebshersteller)

CEN Comité Européen de

Normalisation (Europäisches

Komitee für Normung)

CENELEC Comité Européen de Normali-

sation Electrotechnique

(Europäisches Komitee für

elektrotechnische Normung)

EMSA Electric Motor Systems Annex

EPAct Energy Policy Act

IEA International Energy Agency

IEC International Electrotechnical

Commission

ISO International Organization for

Standardization

MEPS Minimum Energy-Efficiency

Performance Standards

(Mindestvorschriften für den

Wirkungsgrad)

NEMA National Electrical Manufactu-

rers Association

SEEEM Standards for Energy

Efficiency of Electric Motor

Systems

Infobox 2 Abkürzungen

ABB sorgt für die vollständige Überein-stimmung ihrer Produkte mit den neuen Anforderungen.

ABB bietet eine komplette Motoren-palette der Klasse IE2 sowie Motoren mit dem Premium-Wirkungsgrad der Klasse IE3.

Die Motoren, einschließlich der druckfest gekapselten (Ex d), staub-explosionsgeschützten (Ex tD) und nichtfunkenden (Ex nA) Modelle von 0,75 kW bis 375 kW, sind gemäß IEC/EN 60034-30 gekennzeichnet.

Die Bestimmung der Wirkungsgrade erfolgt gemäß EN/IEC 60034-2-1 anhand der dort definierten Methode mit geringer Unsicherheit.

Infobox 3 ABB-Motoren und die neuen Wirkungs- gradnormen und -kennzeichen

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55ABB Technik 3/2009

In Harmonie

Effizienz und Normen

bedeutenden Industrieunternehmen. Dies ist besonders wichtig, da die meis-ten Lösungen (einschließlich erneuer-barer Energien) in großem Maßstab umgesetzt werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.Bei den meisten elektrischen Geräten bietet die Harmonisierung von lokalen und internationalen Normen folgende Vorteile: Minimierung der Prüfkosten, insbe-sondere für Unternehmen, die elektri-sche Geräte für die globalen Märkte produzieren

Leichtere Vergleichbarkeit des Wir-kungsgrads und Energieverbrauchs gleicher Geräte in verschiedenen Regionen und Wirtschaftssystemen

Erleichterung der Herstellung von Geräten mit höherem Wirkungsgrad

Erleichterung und Ermöglichung eines Wissenstransfers, der zur gesetz-lichen Verankerung von Normen führt

Normen definieren nicht nur, was Effizi-enz ist, und liefern die Methoden zu ihrer Bewertung. Sie beschreiben auch das weitere Umfeld, d. h. wie die Ener-gie in einem System verwaltet werden kann und Energieeinsparungen über-wacht, identifiziert und verifiziert wer-den können, die mithilfe bestimmter Maßnahmen erzielt wurden. Ein solcher Ansatz ist Teil einer weitreichenden Vision von energieeffizienten Märkten, auf denen Effizienz und Energieeinspa-rungen als Dienstleistungen ebenso erworben und verkauft werden können wie Strom oder Gas.

Janusz Maruszczyk

Zbigniew Korendo

ABB Corporate Research,

Group Standards Office

Krakau, Polen

[email protected]

[email protected]

Michel Lhenry

ABB Automation Products

Montluel, Frankreich

[email protected]

Mikko Helinko

ABB Automation Products

Vaasa, Finnland

[email protected]

anforderungen über den Einsatz alterna-tiver Energien bis hin zu Steuerungs- und Managementsystemen. Die Bestim-mung der Energieeffizienz des gesam-ten Systems ist mit verschiedensten Her-ausforderungen verbunden und erfor-dert Methoden, die über den einfachen Vergleich eines einzelnen Elektromotors unter Laborbedingungen hinausgehen. Normen zur Bestimmung der Energie-effizienz auf Systemebene sind ein wichtiges Element für die Umsetzung von Energiesparrichtlinien.

Werkzeuge für den WandelÜbereinstimmend mit den Ansichten der IEA zum Thema Energieeffizienz spielen internationale Normen auf die-sem Gebiet eine entscheidende Rolle als Grundlage für Veränderungen, da sie Terminologien, Prüfverfahren, Klas-sifizierungen und auch Management-methoden bereithalten und somit einen einheitlichen Rahmen für eine erfolg-reiche Umsetzung schaffen. Außerdem formalisieren sie das aktuelle Wissen auf der Grundlage des Konsens inter-nationaler Experten aus Wirtschaft, Industrie und Technik.Aus Sicht des World Energy Council und der IEA gehören Normen zu den wichtigsten Werkzeugen für die prakti-sche Umsetzung globaler Strategien. Normen erleichtern die internationale Zusammenarbeit von Regierungen und

mitteln und Gebäuden. Zu diesem Bereich gehört auch die zurzeit in der Entwicklung befindliche ISO-Norm 13602 (vom TC 203 „Technical Energy Systems“), die sich mit Grundsätzen zur vergleichbaren Charakterisierung ver-schiedener Energiequellen befasst.Ein weiteres neues Gebiet in der Stan-dardisierung sind Energiemanagement-systeme. Diese werden in der kommen-den ISO-Norm 50001 ausführlich behan-delt, deren endgültige Fassung etwa 2010 erwartet wird (ein Entwurf des Dokuments liegt bereits vor). Es wird erwartet, dass diese Norm eine ähnliche Auswirkung auf energiebezogene Themen haben wird wie die ISO 9001 auf das Qualitätsmanagement und die ISO 14001 auf das Umweltmanagement. Die ISO 50001 definiert keine zu erfül-lenden Wirkungsgradklassen, sondern zielt vielmehr auf die kontinuierliche Verbesserung der Gesamtenergieeffi-zienz einer Fabrik oder Anlage ab. Diese neue Norm soll Unternehmen dazu ermutigen, umfassende Konzepte zum Energiemanagement auf Systemebene einschließlich Effizienzmessung, -über-wachung und optimierter Prozessfüh-rung zu entwickeln. Ein typisches Bei-spiel hierfür sind Gebäudesysteme (auf die ca. 30 % des gesamten Energiever-brauchs entfallen sollen). Die neue ISO-Norm betrachtet intelligente Gebäude ganzheitlich, d. h. von den Planungs-

Weiterführende Literatur

http://www.iso.org/iso/hot_topics/hot_topics_energy.htm

http://www.standardsinfo.net/info/livelink/fetch/2000/148478/13547330/outcome.html

http://www.iea.org/Textbase/work/2009/standards/Thies.pdf

http://www.iea.org/Textbase/Papers/2008/cd_energy_efficiency_policy/7-Energy%20utilities/7-Standards.pdf

http://www.motorsummit.ch/

http://www.seeem.org/news.php

http://www.nema.org/gov/energy/efficiency/premium/

http://www.motorsystems.org/

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56 ABB Technik 3/2009

Effizienz und Normen

OPC Unified Architecture (OPC UA) ist der neue Standard für Interkonnek-tivität in der modernen industriellen Automatisierungstechnik. Er zeichnet sich durch umfangreiche Modellierungsmöglichkeiten aus und ersetzt die bestehenden OPC-Spezifikationen. OPC UA stellt ein Interoperabilitäts-konzept bereit, das die nächsten 10 Jahre und darüber hinaus Gültigkeit besitzt (und als IEC 62541 veröffentlicht wird).

ABB hat eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung von OPC UA gespielt und dafür gesorgt, dass der neue Standard den Bedürfnissen der Prozess-automatisierung entspricht. Im Februar 2009 wurden nach mehrjähriger Arbeit die wichtigsten Teile der Spezifikation veröffentlicht, und das erste ABB-Produkt mit OPC-UA-Unterstützung ist bereits auf dem Markt.

OPC Unified ArchitectureDer zukünftige Standard für Kommunikation und Informations-modellierung in der Automatisierung Wolfgang Mahnke, Stefan-Helmut Leitner

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57ABB Technik 3/2009

Effizienz und Normen

OPC umfasst eine Reihe von Indust-riestandards für die Interkonnek-

tivität von Systemen und stellt eine ein-heitliche Schnittstelle für die Kommuni-kation zwischen verschiedenen Produk-ten von unterschiedlichen Anbietern bereit Infobox 1 . Insgesamt gibt es über 22.000 Produkte von über 3.200 Anbie-tern. Prozessleitsysteme müssen in der Lage sein, mit allen diesen Produkten zu kommunizieren, indem sie auf Daten zugreifen oder den Zugriff auf Daten über eine gemeinsame Kommu-nikationsplattform ermöglichen. Classic OPC beinhaltet Standardspezifikationen für den Zugriff auf Daten (Data Access, DA), den Zugriff auf historische Daten (Historical Data Acces, HDA) sowie für Alarme und Ereignisse (Alarms & Events, A&E). Diese OPC-Spezifikatio-nen sind in der Automatisierungsbran-che weltweit anerkannt. Die Tatsache, dass Classic OPC auf der alternden COM/DCOM-Technologie1) von Micro-soft basiert, hat zur Entwicklung neuer Spezifikationen der OPC Foundation unter dem Namen OPC UA (Unified Architecture) geführt. Die Spezifikatio-nen wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren in Zusammenarbeit mit über 30 Automatisierungstechnik-Anbietern entwickelt. Das Hauptziel von OPC UA ist die Umstellung von der COM/DCOM-Technologie auf eine moderne Webservice-basierte Techno-logie bei gleichzeitiger Erhaltung aller Funktionalitäten von Classic OPC.

Durch die Verwendung von Webservice-Technologien wird OPC UA plattform-unabhängig und ist somit in Szenarien anwendbar, in denen Classic OPC heute nicht eingesetzt werden kann. OPC UA ist nahtlos integrierbar in Pro-duktionsleitsysteme (MES2)) und Waren-wirtschaftssysteme (ERP3)) und kann nicht nur mithilfe von Java auf Unix/Linux-Systemen, sondern auch auf Controllern und intelligenten Geräten mit speziellen echtzeitfähigen Betriebs-systemen laufen. Eine weitere Anforde-rung an OPC UA war natürlich die Kompatibilität mit früheren OPC-Spezi-fikationen. So kann OPC UA auch in Windows-basierten Umgebungen ver-wendet werden, in denen Classic OPC heute bereits eingesetzt wird. Auch die Kompatibilität mit der Microsoft Windows Communication Foundation4), die auch eine Kommunikation über Webservices zulässt, ist gegeben 1 .

OPC (OLE* for Process Control) wurde

1996 von der Automatisierungsindustrie als

Standardspezifikation für die Kommunikati-

on von Echtzeit-Anlagendaten zwischen

Steuerungs- und Regelungseinrichtungen

von unterschiedlichen Herstellern entwickelt.

Zur Pflege des Standards wurde die OPC

Foundation gegründet, die seitdem die

Einführung einer ganzen Reihe von

Standardspezifikationen (z. B. OPC Data

Access) überwacht. Laut der OPC Founda-

tion ist OPC UA kein Akronym für „OLE for

Process Control“ mehr, sondern steht für

„OPen Connectivitiy Unified Architecture).

*) OLE (Object Linking and Embedding = Objekt-

verknüpfung und -Einbettung) ermöglicht die

visuelle Darstellung von Daten aus anderen

Programmen, die vom Hostprogramm selbst

normalerweise nicht generiert werden können

(z. B. die Einbettung eines Tortendiagramms in ein

Textdokument). Die Daten sind so miteinander

verknüpft, dass das im Dokument eingebettete

Diagramm aktualisiert wird, wenn sich die Daten

in der Ursprungsdatei, in der das Tortendia-

gramm erstellt wurde, ändern.

Infobox 1 OPC

Ein Metamodell ist ein Modell zur Beschrei-bung anderer Modelle. Das Metamodell einer SQL-Datenbank (Structured Query Language) definiert das Konzept einer Tabelle, das Metamodel einer objektorientierten Pro-grammiersprache die Konzepte einer Klasse mit Objekten und das Metamodel der IEC-61131-3-Sprachen das Konzept von Aufgaben (Tasks), Funktionsbausteinen, Programmen usw. In OPC UA definiert das Metamodell die Konzepte von Objekten, ihrer Typen, Variablen, Datentypen usw.Ein Informationsmodell ist ein Modell auf der Basis eines Metamodells, das eine be-stimmte Semantik (Bedeutung) definiert. Im Falle von OPC UA geschieht dies haupt-sächlich durch die Definition bestimmter Objekttypen und Variablen, aber auch durch die Definition von spezifischen Objekten und Variablen mit einer bestimmten Semantik (z. B. Zugangspunkte zum Adressraum eines Servers). So kann zum Beispiel auf der Grundlage des OPC-UA-Metamodells durch Angabe bestimmter Typen von Analysatoren ein Informationsmodell für Analysengeräte definiert werden. Ein OPC-UA-Server kann diese Art von Information zur Darstellung der Daten von einem Analysengerät nutzen.

Infobox 2 Metamodell und Informationsmodelle

Fußnoten1) COM (Component Object Model) wurde 1993 von Microsoft eingeführt, um die Kommunikation von Softwarekompo-

nenten zwischen verschiedenen Anwendungen zu ermöglichen. DCOM (Distributed Component Object Model) wurde

ebenfalls von Microsoft entwickelt und ermöglicht die Kommunikation von Softwarekomponenten, die in einem Netzwerk

verteilt sind.2) MES (Manufacturing Execution Systems) dienen zur Verwaltung und Überwachung von Arbeitsprozessen auf der

Fertigungsebene.3) ERP (Enterprise Resource Planning) ist ein unternehmensweites Softwaresystem zur Verwaltung und Koordination aller

Ressourcen, Informationen und Funktionen innerhalb des Unternehmens auf der Basis gemeinsamer Datenbanken.4) WCF (Windows Communication Foundation) ist eine Programmierplattform zur Erstellung von Anwendungen, die

miteinander kommunizieren.

OPC Unified Architecture

1 OPC UA kann für Anwendungen innerhalb Automatisierungspyramide verwendet werden.

Controller (VxWorks)

ERP(Unix)

MES(Windows)

Sensoren

Firewall

Firewall

OPC-UA-Server

OPC UA

OPC UA

OPC UA

MMS(Windows)

Unternehmensebene

Anlagenebene

Prozessleitebene

Steuerungs- & Feldebene

Unternehmensnetzwerk

Netzwerk der Betriebsleitebene

Anlagennetzwerk

OPC-UA-Clients

PLS(Linux)

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58 ABB Technik 3/2009

OPC Unified Architecture

Effizienz und Normen

die Flexibilität zur Definition und Nut-zung umfangreicher Informationsmodelle ohne ihre Verwendung zu fordern. So kann ein OPC-UA-Server ein einfaches Informationsmodell verwenden, wie es zum Beispiel bei heutigen OPC-DA-Servern der Fall ist. Gleichzeitig ist er aber auch in der Lage, viel mehr Infor-mationen bereitzustellen.

Ein großer Vorteil von OPC UA gegen-über Classic OPC ist, dass OPC UA die Möglichkeit zur Informationsmodellie-rung und somit viele weitere Einsatz-möglichkeiten bietet. OPC UA definiert eine einfache Reihe von Basistypen, die durch Informationsmodelle (entweder anwendungs- und anbieterspezifische Modelle oder standardisierte Modelle) erweitert werden können. OPC UA legt also fest, wie die Daten ausgetauscht werden, während in Standard-Informa-tionsmodellen festgelegt wird, welche Informationen ausgetauscht werden.

Das starke Interesse an der Informations-modellierung hat bereits zur Standardi-sierung von Informationsmodellen auf der Basis von OPC UA geführt. So könnte für gängige Feldgeräte mithilfe eines standardisierten Informations-modells eine echte anbieterübergreifende „Plug-and-Play-Interoperabilität“ reali-siert werden [1]. Dieses Informations-modell wurde ursprünglich im Rahmen der FDI-Initiative (Field Device Integra-tion) definiert und ist mittlerweile durch die ADI-Gruppe (Analyzer Device Inte-gration) durch die Definition bestimm-ter Analysengeräte verfeinert worden [2]. Eine im Oktober 2008 von der PLCopen6) in Leben gerufene Arbeits-gruppe befasst sich zudem mit einem OPC-UA-Informationsmodell für IEC

61131-3-Sprachen. Die Ver-wendung von Standard-Infor-mationsmodellen ermöglicht ein nie da gewesenes Maß an

Infobox 2 mit Tags in einer einfachen Hierarchie verfügt, bietet OPC UA ein umfangreiches Informationsmodell auf der Basis objektorientierter Verfahren 2 . Mit OPC UA ist es nicht nur möglich, einen Messwert und seine physikalische Einheit bereitzustellen, sondern auch den speziellen Typ von Temperatur-sensor zu identifizieren, der für die Messung verwendet wurde. Diese Information ist nützlich in typischen Szenarien von Classic OPC, da die glei-chen Grafiken (d. h. Softwarekompo-nente und Konfiguration), die auf einer Bedienstation angezeigt werden, für jedes Gerät des gleichen Typs innerhalb des Systems verwendet werden können. Darüber hinaus kann diese Information auch in einem breiteren Anwendungs-kontext, z. B. für MES und ERP-Systeme, zur Integration von Daten genutzt werden, ohne dass Tag-Listen ausge-tauscht werden müssen, die die Seman-tik der Tags enthalten. OPC UA bietet

Die Aufgabe von OPC UA ist es, die nichtfunktionalen Anforderungen von Classic OPC zu erfüllen und zu verbes-sern – zum Beispiel durch die Bereit-stellung einer für die Automatisierung geeigneten robusten, zuverlässigen und schnellen Kommunikation. Basierend auf den Erfahrungen mit OPC XML-DA5) (dem ersten Versuch der OPC Founda-tion zur Realisierung von XML-basierten Webservices) wurde OPC UA so konzi-piert, dass eine binäre Codierung für den schnellen Datenaustausch unter-stützt wird. Um eine zuverlässige Kom-munikation zu gewährleisten, verfügt OPC UA über integrierte Mechanismen zur Handhabung von Problemen wie verlorengegangene Nachrichten. Außer-dem bietet OPC UA eine integrierte Sicherheit (im Sinne von Security), was besonders in Umgebungen, in denen vom Büronetz auf Daten aus dem Ferti-gungsbereich zugegriffen werden muss, immer wichtiger geworden ist.

OPC UA vereinheitlicht die verschiedenen Spezifikationen von Classic OPC und stellt somit einen einzigen Zugangs-punkt zu einem System bereit, das den Zugriff auf aktuelle Daten, Alarme und Ereignisse sowie deren Historie ermög-licht. Im Gegensatz zu Classic OPC bietet OPC UA eine kleine Anzahl generischer Dienste, um auf alle Informa-tionen zuzugreifen.

Während Classic OPC über ein sehr einfaches Metamodell

Fußnoten5) OPC XML-DA basiert auf dem bestehen-

den OPC-DA-Standard und ermöglicht die

Interoperabilität zwischen Produkten ver-

schiedener Anbieter und die Konnektivität

mit der Fertigungsebene über das Internet.6) PLCopen ist eine weltweite anbieter- und

produktunabhängige Vereinigung, die sich

mit der Standardisierung auf dem Gebiet

der Steuerungsprogrammierung befasst,

um die Anwendung internationaler Nor-

men auf diesem Gebiet voranzutreiben.

2 Beispiele für OPC- und OPC-UA-Modelle im Vergleich

A01 A01 A01

F01 F01F01

F02F02 F02

PV PV

PV X02

X01

EU

PV PV

EU EU

EU EU

Streng hierarchisch strukturierte Knoten

Einfach hierarchisch strukturierte Knoten

Voll vermaschtes Netzwerk mit typisierten Knoten

Skalierbar von einfachen bis zu komplexen Modellen

Classic OPC OPC UA

PV

EUPV

FType

3 Die Säulen von OPC UA

OPC-UA-Dienste (UA Teil 4)

Kommunika-tionsinfrastruktur

(UA Teil 6) Webdienste UA TCP

OPC-UA-Metamodell (UA Teil 3)

Grundlegendes OPC-UA-Informationsmodell (UA Teil 5)

Standard-Informationsmodelle,

z. B. UA Teil 8, UA Teil 9, UA Devices, …

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59ABB Technik 3/2009

OPC Unified Architecture

Effizienz und Normen

Mechanismen zur Unterstützung mehre-rer Informationsmodelle auf einem Server. Daten zu den Informations-modellen können von den Diensten gelesen werden, sodass Clients, die nur die Dienste kennen, auf alle Informatio-nen zugreifen können. Natürlich kön-nen Clients, denen bestimmte Informa-tionsmodelle bekannt sind, mithilfe dieses Wissens optimiert werden.

OPC UA ist nicht direkt kompatibel mit Classic OPC, da eine andere Technolo-gie für die Datenkommunikation ver-wendet wird. Um eine Kompatibilität zu gewährleisten, bietet die OPC Founda-tion nicht nur die entsprechende Soft-wareinfrastruktur für die OPC-UA-Kom-munikation (Kommunikationsstacks7) in ANSI C8), .NET9) und Java), sondern auch Wrapper und Proxies, die entweder OPC-UA-Clients den Zugang zu beste-henden Servern ermöglichen oder einen Proxy-Server10) bereitstellen, um Classic-OPC-Clients den Zugriff auf OPC-UA-Server zu gewähren.

OPC UA bei ABBABB war maßgeblich an der Entwick-lung von OPC UA beteiligt. Mehrere ABB-Mitarbeiter gehörten der OPC-UA-Arbeitsgruppe der OPC Foundation an, und drei der acht veröffentlichten Spe-

eine einfache Darstellung der Daten anbieten oder die vom Server bereitge-stellten Metadaten nutzen.

OPC UA definiert zwei wichtige Säulen der Interoperabilität: die Kommunikati-onsinfrastruktur und das OPC-UA-Meta-modell 3 . Die Kommunikationsinfra-struktur definiert, wie Informationen ausgetauscht werden, während das Metamodell bestimmt, welche Informa-tionen ausgetauscht werden.

Unabhängig von der Kommunikations-infrastruktur definiert OPC UA eine Reihe von abstrakten Diensten [3], die auf unterschiedlichen Kommunikations-infrastrukturen laufen können und das Metamodell [4] als Grundlage für die Definition entsprechender Parameter für die Dienste nutzen. Das grundlegende OPC-UA-Informationsmodell [5] stellt Grundtypen und Zugangspunkte für den Adressraum des Servers bereit. Auf diesem grundlegenden Informations-modell können anbieterspezifische oder Standard-Informationsmodelle aufge-baut werden. In OPC UA sind bereits mehrere Standard-Informationsmodelle für den Datenzugriff [6], Alarme und Zustände [7], Programme [8], historische Daten [9] und Aggregatfunktionen [10] definiert. Darüber hinaus bietet OPC UA

Interoperabilität, da sie nicht nur einen interoperablen Datenaustausch ermög-licht, sondern die Modelle selbst auch interoperabel sind. Dies kann langfristig zur einer drastischen Senkung der Engineering-Kosten bei der Integration von Systemen mit Produkten unter-schiedlicher Anbieter beitragen.

OPC UA skaliert sehr gut in mehrere Richtungen. So können OPC-UA-Anwen-dungen auf einbebetteten Systemen mit äußerst begrenzten Hardwareressourcen ebenso laufen wie auf sehr leistungs-fähigen Maschinen wie Großrechnern. Server, die in solch unterschiedlichen Umgebungen laufen, werden kaum die dieselben Informationen bereitstellen. So wird der Server eines eingebetteten Systems kaum eine umfangreiche Historie der Daten bereithalten und nur wenige Clients unterstützen, während andere Server vielleicht Datenhistorien von mehreren Jahren vorhalten und Tausende von Clients unterstützen. Die Informationsmodellierung von OPC UA ist ebenfalls skalierbar. So kann ein Server von einem einfachen Modell ähnlich wie bei Classic OPC bis hin zu hochkomplexen Modellen für hoch-komplexe Metadaten alles bereitstellen. Ein Client kann diese zusätzlichen Informationen einfach ignorieren und

a Native Sicht auf System 800xA (Plant Explorer)

4 Typische Sreenshots des System 800xA

b Sicht auf System 800xA über einen generischen OPC-UA-Client

Fußnoten7) Ein Kommunikationsstack ist die Software, die ein Kommunikationsprotokoll in einem Computernetzwerk implementiert.8) ANSI C ist die Standard-Programmiersprache des American National Standards Institute. Durch die Schaffung eines Standards für Softwareentwickler, die in C programmieren,

ist der Code portabel (d. h. er lässt sich mit geringem Aufwand an eine neue Umgebung anpassen).9) Microsoft .NET ist ein Software-Framework, das für mehrere Microsoft Windows-Betriebssysteme verfügbar ist und zur Nutzung durch die meisten neuen, für die Windows-

Plattform erstellten Anwendungen vorgesehen ist.10) Ein Proxy-Server fungiert als Vermittler für Anfragen von Clients, die auf die Ressourcen anderer Server zugreifen möchten.11) Alle Mitarbeiter des ABB-Konzerns, die sich für Schulungen oder den Zugang zum Sharepoint-Server interessieren, können sich an die Autoren dieses Artikels wenden.

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60 ABB Technik 3/2009

OPC Unified Architecture

Effizienz und Normen

Nachdem die Entwicklung der Spezifi-kation abgeschlossen war, nahm ABB an mehreren von der OPC Foundation organisierten Interoperabilitäts-Work-shops teil, um die Interoperabilität der OPC-UA-Anwendungen von ABB mit Implementierungen von Drittanbietern wie ICONICS, Siemens, Beckhoff, Kep-ware und OSISoft sicherzustellen.

Ferner war ABB an der Entwicklung von Standard-Informationsmodellen auf der Basis von OPC UA für Feldgeräte (FDI) und Analysengeräte (ADI) betei-ligt. Darüber hinaus ist ABB Mitglied der PLCopen-Arbeitsgruppe zur Defini-tion eines OPC-UA-basierten Informa-tionsmodells für IEC 61131-3-Sprachen.

Interne Präsentationen und Schulungen sowie die Teilnahme an mehreren Kon-ferenzen für OPC-UA-Entwickler unter-streichen die führende Rolle von ABB bei der Entwicklung von OPC UA und die Position des Unternehmens als Technologieführer. Aus der Idee heraus, eine leicht verständliche Einführung in das Konzept von OPC UA, verbunden mit einem detaillierteren Einblick in die Materie, bereitzustellen, ist auch das erste Buch über OPC UA entstanden, das ebenfalls von ABB-Mitarbeitern ver-fasst wurde [11] 5 .

OPC-UA-ProdukteZurzeit ist ABB dabei, die Anwendung von OPC UA auf bestimmte ABB-Pro-dukte zu evaluieren. Andere Anwen-dungen wurden bereits evaluiert, und entsprechende OPC-UA-kompatible Produkte werden zurzeit realisiert. Dazu gehören SCADA Vantage™, das 2010

Research entsprechende Mapping-Kon-zepte für die Integration von OPC-UA-Servern von Drittanbietern in System 800xA, wobei System 800xA als OPC-UA-Client fungiert, und zur Integration von System 800xA als OPC-UA-Server in Drittanbieter-Clients 4 . Eine Prototyp-implementierung hat gezeigt, dass die Konzepte von OPC UA problemlos auf System 800xA anwendbar sind.

ABB unterstützt OPC UA nach Kräften und hat entsprechende Ressourcen für Schulungen und Präsentationen zur Ein-führung der OPC-UA-Konzepte inner-halb des Konzerns bereitgestellt. Ein C++-basiertes OPC-UA-Softwareentwick-lungssystem (Software Development Kit, SDK) eines Drittanbieters steht ebenfalls zur Verfügung. Über einen Sharepoint-Server werden aktuelle Mit-teilungen und SDK-Updates bereitge-stellt, um die OPC-UA-Gemeinschaft bei ABB weltweit auf dem Laufenden zu halten11).

ABB war auch am Early-Adopter-Pro-gramm der OPC-Foundation beteiligt und hat bei der Entwicklung eines ANSI C-basierten OPC-UA-Stacks, ins-besondere bei der Entwicklung des Security-Moduls und bei Code-Reviews, mitgewirkt. Das portable Design des Stacks bot ABB die Möglichkeit, einen Port zu VxWorks zu entwickeln, einem beliebten Echtzeit-Betriebssystem, das auf vielen ABB-Controllern wie dem AC800M und der Robotersteuerung IRC5 läuft. Darüber hinaus bietet die OPC Foundation den Stack mit Ports für Linux- und Windows-Betriebssysteme an.

zifikationen (für das Adressraummodell, das Informationsmodell und das Sicher-heitsmodell) wurden von ABB-Mitglie-dern bearbeitet. Mit ihrem umfassenden Softwarearchitekturwissen und umfang-reichen Verbindungen zu Experten haben sie maßgeblich zu den Entschei-dungen im Hinblick auf das erforder-liche Design und die Technologie zur Entwicklung eines sicheren, zuverlässi-gen und leistungsstarken OPC-UA-Stan-dards beigetragen. Besonders wichtig für ABB war es, dass das Konzept zur Informationsmodellierung von OPC UA zum etablierten und leistungsstarken Aspect-Object-Modell des Extended Automation System 800xA von ABB passt. Dazu lieferte ABB Corporate

5 Eine Einführung und einen detaillierteren Einblick in die Materie bietet dieses Buch der Autoren.

6 Der native SCADA Vantage Explorer 7 SCADA Vantage in der OPC-UA-Ansicht

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61ABB Technik 3/2009

OPC Unified Architecture

Effizienz und Normen

Funktionalität unterstützt xPAT Kunden in der Life-Science-Industrie bei der Sicherung einer hohen Qualität über den gesamten pharmazeutischen Pro-duktlebenszyklus von der Wirkstoff-findung über die Medikamentenent-wicklung bis hin zur Produktion.

ABB xPAT nutzt OPC UA bei der Integ-ration von Analysengeräten 8 . Der OPC-UA-Server kann entweder auf einem Analysator-Controller oder direkt auf dem Analysengerät gehostet werden, sodass keine zusätzliche Hardware erforderlich ist. Mithilfe des ADI-Infor-mationsmodells lässt sich nicht nur die Art und Weise, wie Daten kommuniziert werden, standardisieren, sondern auch, welche Daten ausgetauscht werden.

Andere AnbieterAndere Anbieter haben ihre ersten Pro-dukte bereits vor der Veröffentlichung der Spezifikation auf den Markt ge-bracht. Dazu gehören das HMI/SCADA-System GENESIS 64 von ICONICS, das OPC UA auch für die interne Kommuni-kation verwendet, TwinCat von Beck-hoff und KEPServerEx von Kepware, die beide auf Controllern laufen, sowie SIMATIC NET von Siemens. Eine Viel-zahl weiterer Anbieter hat die Einfüh-rung ihrer ersten OPC-UA-Produkte für 2009 angekündigt, darunter Emerson, Honeywell, Wonderware und Yokogawa.

AussichtenOPC UA ist bereit, Classic OPC mit fort-schrittlicher, leistungsstarker Technolo-gie zu ersetzen, die sicher und zuverläs-sig ist und durch die Verwendung von Standard-Informationsmodellen ein nie da gewesenes Maß an Interoperabilität in der Automatisierungstechnik ermög-licht. Gleichzeitig sorgen die von der OPC Foundation zur Verfügung gestell-ten Wrapper und Proxies dafür, dass bestehende OPC-Produkte in OPC-UA-Umgebungen genutzt werden können.

die über einen OPC-UA-Client verfügen. Die Einführung von SCADA Vantage mit einem OPC-UA-Server ist für 2010 vor-gesehen. Spätere Versionen werden zusätzlich über einen OPC-UA-Client verfügen, um die Integration von OPC-UA-Servern in SCADA Vantage zu er-möglichen.

ProzessanalysentechnikDie IndustrialIT eXtended PAT-Software (xPAT) von ABB unterstützt die Integra-tion von analytischen Messungen in den Fertigungsprozess und wurde im Jahr 2007 eingeführt. Seit dem ersten Quartal 2009 ist ein umfangreiches Upgrade mit OPC-UA-Unterstützung verfügbar, das mithilfe von OPC UA eine standardi- sierte Konnektivität für Prozessanalysen-geräte bereitstellt. Dank seiner hervor-ragenden Integrationsfähigkeit und

verfügbar sein soll, und die Prozess-analysentechnik PAT 2.0, die als erstes ABB-Produkt mit OPC-UA-Unterstüt-zung bereits auf dem Markt ist.

SCADA VantageABB IndustrialIT SCADA Vantage ist ein SCADA-System (Supervisiory Control and Data Aquisition), das bevorzugt in der Öl- und Gasindustrie zum Einsatz kommt 6 . Zu den bereitgestellten Informationen gehören Instanzen und Typen, aktuelle Daten, Alarme und Ereignisse sowie Historien. Die gleichen Informationen können nativ über einen OPC-UA-Server bereitgestellt werden 7 . Somit werden die SCADA-Vantage-Daten auf eine standardisierte Weise bereitgestellt und können von Dritt-anbieterprodukten verwendet oder in andere ABB-Produkte integriert werden,

Literaturhinweise

[1] OPC Foundation: „Devices“, Draft Version 0.75, Dez. 2008

[2] OPC Foundation: „Analyzer Devices“, Draft Version 0.30.00, Dez. 2008

[3] OPC Foundation: „UA Spec. Part 4 – Services“, Version 1.01, Feb. 2009

[4] OPC Foundation: „UA Spec. Part 3 – Address Space Model“, Version 1.01, Feb. 2009

[5] OPC Foundation: „UA Spec. Part 5 – Information Model“, Version 1.01, Feb. 2009

[6] OPC Foundation: „UA Spec. Part 8 – Data Access“, Version 1.01, Feb. 2009

[7] OPC Foundation: „UA Spec. Part 9 – Alarms and Conditions“, Draft Version 0.93q, Nov. 2007

[8] OPC Foundation: „UA Spec. Part 10 – Programs, Version 1.00“, Jan. 2007

[9] OPC Foundation: „UA Spec. Part 11 – Historical Access“, Version 1.00, Jan. 2007

[10] OPC Foundation: „UA Spec. Part 13 – Aggregates“, RC Version 1.0, Jul. 2008

[11] Mahnke, W., Leitner, S.-H., Damm, M. (2009): „OPC Unified Architecture“, Springer Verlag

Weiterführende Literatur

OPC Foundation: „UA Spec. Part 6 – Concepts“, Version 1.00, Feb. 2009

OPC Foundation: „UA Spec. Part 7 – Profiles“, Version 1.00 Feb. 2009

8 Integration von Analysengeräten in xPAT über eine proprietäre, von einem Controller bereitgestellte Schnittstelle für jedes Gerät a oder durch Verwendung von OPC UA für alle OPC-UA-kompatiblen Geräte b .

a b

Prozess-Controller (SPS, PLS)

Prozess-Controller (SPS, PLS)

Analysator-Controller

Analysator-Controller

Analysator-Controller

Proprietäre Schnittstelle

OPC-UA-Schnittstelle

Proprietäre Schnittstelle

Proprietäre Schnittstelle

FBRM-Analysator

FBRM-Analysator

NIR-Analysator

Proprietäre Schnittstelle

Proprietäre Schnittstelle

- -

NIR- NIR-Analysator

OPC-UA-Schnittstelle

Wolfgang Mahnke

Stefan-Helmut Leitner

ABB Corporate Research

Ladenburg, Deutschland

[email protected]

[email protected]

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62 ABB Technik 3/2009

Effizienz und Normen

ÜbersetzungshilfeKostengünstiges Anlagen-Engineering durchdie intelligente Integration von Subsystemen Peter Erning, Kurt Langer, Hartmut Rüdele, Dirk Schulz

Das Übersetzen von einer Sprache in die andere ist häufig keine leichte Aufgabe. Schlechte Übersetzungen können zu Missverständnissen und sogar zum vollständigen Zusammenbruch der Kommunikation führen. Was für die mensch-liche Sprache gilt, trifft auch auf Automatisierungssysteme zu. Werden Systeme von verschiedenen Anbietern einge-setzt, die auf unterschiedlichen Standards basieren, müssen bei der Integration von Subsystemen Engineering-Daten übersetzt werden, um die Kommunikation mit einem Leitsystem zu ermöglichen.

Leitsysteme, wie sie zum Beispiel in Prozessanlagen oder Kraftwerken eingesetzt werden, können eine hohe Komple-xität erreichen und beinhalten nicht selten Subsysteme von verschiedenen Anbietern. Für eine optimale Integration müssen die Engineering-Daten der Subsysteme dem übergeordneten Leitsystem verfügbar gemacht werden. Die Herausforderung besteht darin, diese Daten in ein für das Leitsystem verständliches Format zu übersetzen. Natürlich können die Beschreibungen auch manuell übersetzt werden, doch dies ist nicht nur sehr aufwändig, sondern auch fehleranfällig. ABB hat ein Konzept entwickelt, das die automatische Übersetzung der Engineering-Daten von Subsys-temen für das ABB-Automatisierungssystem System 800xA ermöglicht. Funktionsprototypen für die automatische Integration von Niederspannungs-Schaltanlagen vom Typ MNS iS und Unterstationen nach IEC 61850 stehen bereits zur Verfügung.

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63ABB Technik 3/2009

Effizienz und Normen

Übersetzungshilfe

ren, Lieferumfänge, produkt-spezifische Besonderheiten, Werkzeuge und Dokumenta-tion (auf Papier, in computer-lesbaren Formaten und ande-ren von den Mitgliedern der einzelnen Teams in verschie-denen Unternehmen verwen-deten Formaten), Datenspei-cherung und Informationsaus-tausch zwischen Teilstrukturen (Subsystemen) der Anlage.

In Bezug auf die Anlagenauto-matisierung kann ein Leitsys-tem als ein Zusammenschluss

aus einem herkömmlichen PLS und anderen Subsystemen betrachtet wer-den, die im Hinblick auf ihre Archi-tektur, Instrumentierung, Steuerung, Kommunikation und Engineering-Tools ebenfalls einige PLS-Eigenschaften auf-weisen. Beispiele hierfür sind Feldbus-systeme, Nieder-, Mittel- und Hochspan-nungs-Schaltanlagensysteme sowie prozessspezifische Maschinen und Aus-rüstungen.Dieser Artikel befasst sich vorwiegend mit einer geeigneten Methode zum auto-matischen Import sämtlicher Enginee-ring-Daten eines Subsystems, die auf der PLS-Ebene benötigt werden, um eine anschließende manuelle Eingabe von Daten, die bereits in dem/den Werkzeug/en des Subsystems vorhan-den sind, zu vermeiden.

spezifische Maschinen und Ausrüstun-gen.

Die Herausforderung besteht darin, ein flexibles Softwaretool bereitzustellen, das einen automatisierten Import aller Engineering-Daten eines Subsystems in ein PLS mit minimalem manuellen Auf-wand ermöglicht. Zu diesem Zweck hat ABB ein Forschungsprojekt mit dem Ziel initiiert, den Import von Enginee-ring-Daten der Niederspannungs-Schalt-anlagensysteme vom Typ MNS i S und Unterstationen auf der Basis der IEC 616850 in die ABB-Automatisie-rungsplattform System 800xA zu auto-matisieren.

Problembeschreibung und UmfangAn Projekten zum Anlagen-Engieering sind üblicherweise verschiedene Partner und Anbieter beteiligt. Die Komplexität des Engineering-Prozesses und der damit verbundene Engineering-Auf-wand hängt von vielen Faktoren ab: Anlagentyp, Lebenszyklusphase des Engineering-Projekts, Systemarchitektu-

Bei den frühen Prozessleit-systemen (PLS) handelte

es sich meist um homogene Lösungen einzelner Anbieter, die in der Lage waren, nahezu alle Systemkomponenten zu liefern und die erforderlichen Engineering-Arbeiten mit ihren eigenen speziellen Werkzeu-gen durchzuführen. Im Laufe der Jahre sind die Architektu-ren in der Prozessautomatisie-rung immer heterogener ge-worden. Aufgrund der raschen Entwicklung im Bereich der Mikroelektronik haben Steue-rungs- und erweiterte Funktionen zunehmend den Weg auf die Feldebene von Industrieanlagen gefunden.

Im Hinblick auf Automatisierungssys-teme bedeutet dies, dass heute ganze Subsysteme in PLS integriert werden. Daher müssen Subsysteme von unter-schiedlichen Herstellern und solche, die auf unterschiedlichen Standards basie-ren, in der Lage sein, als ein PLS zu kommunizieren und zu fungieren. So müssen die Daten eines Subsystems zum Beispiel im gesamten PLS zugäng-lich sein. Um dies zu erreichen, muss die Engineering-Architektur des Subsys-tems für das übergeordnete Leitsystem „sichtbar“ sein.

Die bedeutendste gemeinsame Eigen-schaft der in diesem Artikel behandel-ten Subsysteme ist ihr PLS-unabhängiger, aber subsystemspezifischer Engineering-Prozess. Beispiele hierfür sind Feldbus-netzwerke mit intelligenten Felgeräten, Nieder-, Mittel- und Hochspannungs-Schaltanlagensystemen sowie prozess-

Fußnoten1) MNS i S eine Niederspannungs-Schaltanlagenplattform

von ABB, wobei MNS für „Modulare Niederspan-

nungs-Schaltanlage“ steht.2) IEC 61850 ist eine Norm für die moderne Schaltan-

lagenkommunikation und -integration.

1 Das generische Importkonzept

XML-Transformer und -Filter

Typenimport (DIW+)

Instanzenimport (PETI+ und CSI Hook)

800xAE

rgeb

nis

der

Sub

syst

emko

nfig

urat

ion

.scd von IEC-61850-Unterstation

CAEX-CSI (basierend auf CAEX = IEC

62424)

XML-Dateien eines

beliebigen Subsystems

XML-Dateien von MNS iS-

Schaltanlagen

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64 ABB Technik 3/2009

Übersetzungshilfe

Effizienz und Normen

den zusätzlichen Wartungsaufwand zu minimieren.

LösungsansatzUm all diese Anforderungen zu erfüllen, wurde ein generisches Importkonzept entwickelt, dessen Topologie in 1 dar-gestellt ist. Die subsystemspezifischen Dateien mit den Daten werden in eine Zwischendatei umgewandelt, die dann als Eingabe für die eigentlichen Import-werkzeuge dient, die die entsprechen-den Objekte in System 800xA erstellen und konfigurieren. Durch die Verwen-dung einer subsystemunabhängigen Zwischendatei wird die gewünschte Entkopplung zwischen der Wissens-domäne des Subsystems und der Wissensdomäne des PLS erreicht.

Das Konzept beruht auf dem Zusam-menspiel mehrerer Softwarekomponen-ten. Zuerst werden die subsystemspezi-fischen Informationen von einem soge-nannten Transformer umgewandelt. Alle Informationen, die in der betreffenden XML-Datei enthalten sind und im PLS verfügbar sein sollten, müssen extra-hiert und in das Zwischenformat um-gewandelt werden. Dies können z. B. Steuer- und Überwachungsdaten, Orts-informationen und Dokumentations-daten sein. Dabei sollte darauf hinge-wiesen werden, dass die Engineering-Daten nicht notwendigerweise mit dem objektorientierten Paradigma überein-stimmen. Somit kann es sein, dass die Eigenschaften der einzelnen Objekte analysiert, ähnliche Objekte zusammen-gefasst und entsprechende Typen- und Instanzenbäume definiert werden müssen.

Der Dreh- und Angelpunkt des gesam-ten Konzepts ist das Zwischendaten-format (CAEX-CSI4)). Die Syntax der

Das „Subsystem“ kann in diesem Zusammenhang jedes System mit den folgenden Eigenschaften sein:1. Die Engineering-Daten des Subsys-

tems stehen in einem computer-lesbaren Format zur Verfügung.

2. Das Subsystem bietet mindestens eine offene Kommunikationsschnittstelle.

Die Integration von Engineering-Daten kann zwar manuell durchgeführt wer-den, doch dies ist mit einem hohen Fehlerrisiko und unnötigem Aufwand verbunden. Die Entwicklung von sys-temsspezifischen Integrationswerkzeu-gen ist daher eine attraktive Alternative. Doch diese Tools müssen entsprechen-des Wissen über das zu integrierende System und das Ziel-PLS (in diesem Falle das Automatisierungssystem Sys-tem 800xA von ABB) beinhalten.

Folglich ist ein generisches Konzept für den Import externer Engineering-Daten in System 800xA ein wünschenswertes Ziel. Der Importmechanismus sollte in der Lage sein, auf der Grundlage der in den subsystemspezifischen Engineering-Dateien enthaltenen Daten automatisch Objekte in System 800xA zu erstellen und zu konfigurieren. Außerdem muss der Mechanismus Objekte vorsehen, die über mehrere Kommunikationspfade (z. B. Feldbusse, OPC3)) kommunizie-ren, aber eine gemeinsame Schnittstelle zum Benutzer bereitstellen. System 800xA besitzt eine objektorientierte Architektur. Um einen maximalen Nutzen zu gewährleisten, sollte sich dies eben-falls in den von den Subsystemen importierten Strukturen widerspiegeln. Häufig definieren Subsysteme projekt-spezifische Objekttypen, die auch in System 800xA erstellt und mit einer spe-ziellen grafischen Schnittstelle versehen werden müssen. Diese Anpassung sollte eher auf der Objekttyp-Ebene erfolgen als auf der Instanzenebene. Ferner soll-te das Integrationskonzept einen generi-schen Ansatz bieten, statt einzelne Inte-grationstools für jedes Subsystem vorzu-sehen (was mit hohen Wartungskosten verbunden wäre). Auch muss der Importmechanismus Veränderungen in den ursprünglichen Engineering-Daten berücksichtigen und Funktionen für ein zweites Upload (d. h. ein intelligentes Änderungsmanagement) bieten. Und schließlich sollten bestehende Tools der System 800xA-Umgebung so weit wie möglich wiederverwendet werden, um

Das hier beschriebene Konzept und die dazu-

gehörige Lösung bieten folgende Vorteile:

Der manuelle Engineering-Aufwand für

die Integration von Subsystemen wird

auf die Konfiguration der Importwerk-

zeuge und die Anreicherung auf Objekt-

typ-Ebene reduziert. Der verbleibende

Aufwand ist nahezu unabhängig von

der Größe eines Subsystems, da die

Objektinstanzen automatisch erstellt

werden. Das Ergebnis ist eine drasti-

sche Verkürzung der Engineering-Zeit

und Verbesserung der Qualität.

Das Konzept ermöglicht eine Teilung

der Verantwortlichkeiten für das Import-

werkzeug zwischen dem Anbieter des

Subsystems und des PLS.

Der Subsystemanbieter muss keine

speziellen Schnittstellen und zukünftigen

Änderungen auf der Seite des System

800xA berücksichtigen. Alle erforder-

lichen Integrationsschritte können in

eine von einem subsystemspezifischen

Transformer erzeugte XML-Datei

(CAEX-CSI) modelliert werden.

Der PLS-Anbieter ist verantwortlich für

einheitliche Importwerkzeuge auf der

Seite des System 800xA sowie für die

Sicherstellung eines zweiten Uploads

bei Änderungen.

Das Konzept ist für bestehende und

zukünftige Protokolle (PROFIBUS,

Profinet IO, IEC 61850, OPC usw.) aus-

gelegt.

Bessere Handhabung von Engineering-

Workflows mit unterschiedlichen Liefer-

plänen (siehe Abschnitt „Weitere Ent-

wicklung“).

Indobox Vorteile für Kunden und ABB

Fußnoten3) OPC ist ein Standard für die Echtzeit-Kommunikation

zwischen Steuerungs- und Regelungseinrichtungen

unterschiedlicher Hersteller. OPC stand ursprünglich

für „OLE for Process Control“, wird aber heute nicht

mehr als Abkürzung, sondern als offizieller Name ver-

wendet. OLE steht für „Object Linking and Embed-

ding“ und bezeichnet eine Technologie zur Verknüp-

fung und Einbettung von Objekten.

Siehe hierzu auch den Artikel „OPC Unified Architec-

ture“ auf Seite 56 dieses Hefts.4) CAEX = Computer Aided Engineering eXchange – ein

in der IEC 62424 definiertes neutrales Datenaustausch-

format für Anlageninformationen. CAEX-CSI steht für

„CAEX – Complex device & Subsystem Integration“

und ist der Name des Forschungsprojekts.

2 Objektmodell in 800xA

Asset-Monitor-Bildschirm

Grafisches Bedienfeld

OPC-Objekt

OPC Feldbus

Ver-knüp-fung

I/O-Mapping

Geräteobjekt

Anwendungs-objekt

800xA

Reales Gerät

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65ABB Technik 3/2009

Übersetzungshilfe

Effizienz und Normen

Veränderungen ein zweites Upload sicherzustellen. Die nächste Version von PETI wird noch weitere CSI-An-forderungen erfüllen („PETI+“ in 1 ).

Ein spezielles Aspect-System („CSI Hook“), das dafür sorgt, dass jedes Objekt eine funktionierende OPC-Ver-bindung und eine korrekte Verknüp-fung zu einem objektspezifischen grafischen Bedienfeld bekommt.

Der Umwandlungs- und Importwork-flow wird von einer schmalen Rahmen-anwendung unterstützt. Die Rahmenan-wendung für MNS i S ist in 3 dargestellt. Sie verbindet die oben genannten Kom-ponenten und führt den Benutzer durch die einzelnen Integrationsschritte.

Weitere EntwicklungEin weiterer Schwerpunkt neben der Produktisierung der bestehenden Importerprototypen ist die allgemein-gültige Umsetzung von Engineering-Workflows. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einem Anlagenprojekt Entschei-dungen über die Auswahl von Subsys-temen erst nach dem PLS-Engineering getroffen werden. Folglich müssen zusätzliche Daten von Anlagen-Enginee-ringtools (z. B. Comos von Innotec oder SmartPlant von Intergraph) berücksich-tigt und mit den Daten vom Subsystem zusammengeführt werden 4 .

Dieser Artikel wurde ursprünglich unter dem Titel „Subsystem Integration – Facing the Challenge of Cost Effective Plant Engineering“ in der atp internatio-nal (Oldenbourg Industrieverlag GmbH) veröffentlicht und für die Erscheinung in der ABB Technik überarbeitet.

und Darstellung der Daten auf einem Bedienbildschirm. Bei einem zusätzlichen Kommunikationspfad wie OPC gibt es sogar eine dritte Instanz, die mit einem Asset-Monitor ausgestattet ist. Die erfor-derliche Verknüpfung zwischen diesen Objekten wird durch den Instanzen-importer ebenfalls automatisch reali-siert.

Bisherige ErgebnisseEs wurden Funktionsprototypen für zwei Arten von Subsystemen entwickelt – das neue Niederspannungs-Schaltan-lagensystem MNS i S von ABB und IEC 61850-basierte Hoch- bzw. Mittelspan-nungssysteme. In beiden Fällen stehen XML-basierte Systembeschreibungen von subsystemspezifischen Engineering-Tools zur Verfügung. Die ersten Versio-nen der Transformer für MNS i S und IEC 61850 sind verfügbar.

Der CAEX-CSI-Datenimporter besteht aus folgenden prototypischen Kompo-nenten: Der DIW (Device Import Wizard) für den Import von Objekttypen ist ein ABB-Produkt, das um einige Funktionalitäten erweitert wurde („DIW+“-Prototyp in 1 ).

PETI (Process Engineering Tool Integ-ration) ist ein vorhandenes ABB-Pro-dukt, das in der Lage ist, Instanzen aus CAEX zu importieren und bei

Zwischendatei ist unabhängig vom jeweiligen Subsystem, wodurch eine Entkopplung der Subsysteme vom PLS erreicht wird. Die Datei enthält Defini-tionen für die verwendeten Geräte und Typen von Subsystemen sowie Informa-tionen über die Instanzenhierarchie. Die Typinformationen können explizit in der Zwischendatei selbst gespeichert werden. Um den Umwandlungsauf-wand zu reduzieren, können auch Ver-knüpfungen zu den jeweiligen Geräte-beschreibungsdateien (z. B. GSD5)-Dateien für PROFIBUS-Geräte) ange-geben werden.

Der Import der in den Zwischendateien enthaltenen Informationen erfolgt in zwei Schritten. Zuerst werden die Typ-informationen analysiert und die ent-sprechenden Typen in System 800xA erstellt. Nach dem Import der Typen können manuelle Änderungen (z. B. die Erstellung grafischer Schnittstellen) an den neu erstellten Typen vorgenommen werden. Im nächsten Schritt werden die Instanzeninformationen analysiert, die Gerätehierarchie im PLS erzeugt und die Geräteobjekte instantiiert und konfigu-riert.

Typischerweise gibt es mehr als eine Instanz pro Gerät 2 : ein Geräteobjekt, das die Prozessrohdaten sammelt, und ein Anwendungsobjekt zur Verarbeitung

3 Workflow für die Integration von Engineering-Daten

Typenimport

MNS iS–CAEX-Umwandlung

Instanzenimport

800xA

CAEX

Anzeige

Import

Import

Erstellung

Konfiguration

Konfiguration

Konfiguration

4 CAEX vereinfacht die Zusammenführung von Engineering-Daten aus verschiedenen Pfaden.

800xACAEX-CSI einschl.

Geräte- und OPC-Objekte

CAEX einschl.

Anwendungs-objekte

CAEX-Export

XML-Umwandlung

Typen- und InstanzenimportManuelle Eingabe der

Subsystemanforderungen

Übergeordnetes Engineering-Tool

wie Cosmos PT/SPI

Engineering-Tool für das Subsystem

Kunden-anforderungen

Subsystem-anforderungen

Instanzenimport in funktionale Struktur

Zusammenführung auf CAEX-Ebene

XML-Dateien des

Subsystems

Peter Erning

Kurt Langer

Hartmut Rüdele

Dirk Schulz

ABB Corporate Research

Ladenburg, Deutschland

[email protected]

[email protected]

[email protected]

[email protected]

Fußnote5) GSD = Geräte-Stamm-Daten, eine Beschreibungs-

datei für Profibus-Geräte

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Hochspannungs-durchführungen100 Jahre technischer FortschrittLars Jonsson, Rutger Johansson

66 ABB Technik 3/2009

Zuverlässigkeit gehörte schon immer zu den zentralen Anforderungen auf dem Energiemarkt. Ein Beispiel hierfür ist die außergewöhnliche Lebensdauer von Leistungstransformatoren, die oft 50 Jahre und länger in Betrieb sind. Diese Anfor-derung gilt auch für Hochspannungsdurchführungen. Ihre Aufgabe ist es, Spannungsüberschläge zur Erde zu verhindern, womit ihnen in jedem elektrischen Netz eine wichtige Bedeutung zukommt.

Obwohl Durchführungen für viele Menschen in der Energiewirtschaft noch immer nicht viel mehr sind als hohle Porzellan-gebilde mit einem Leiter, erfüllen sie eine besondere Funktion, erfordern fortschrittliche Konstruktions- und Fertigungs-technologien und besitzen eine Lebensdauer, die weit über den Anforderungen ihrer Anwendungen liegt.

Hochentwickelte Berechnungs- und Konstruktionswerkzeuge, eine verbesserte Werkstoff- und Produktionstechnik sowie ein umfassendes Fachwissen sind das Ergebnis der über 100-jährigen Erfahrung von ABB in Schweden in der Entwick-lung und Fertigung von Durchführungen. Als weltweit führender Anbieter verfügt das Hauptwerk von ABB im schwedi-schen Ludvika über hochmoderne Fertigungslinien, die auch den steigenden Anforderungen in puncto Spannungsfestig-keit und Zuverlässigkeit gewachsen sind.

PIONIERLEISTUNGEN

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67ABB Technik 3/2009

Hochspannungsdurchführungen

OIP) oder harzimprägniertes Papier (Resin-Impregnated Paper, RIP) verwendet, wobei sich die RIP-Technologie begünstigend auf die Leis-tungskennzahlen der Durch-führung auswirkt. Bei der RIP-Technologie wird der etwas anders aufgebaute Kondensa-torkern unter Vakuum mit einem härtbaren Epoxidharz imprägniert und bildet eine feste, ölfreie Einheit 2 .

Beide Systeme sind für eine lange Lebensdauer und einen störungsfreien Betrieb ausge-legt und zeichnen sich durch geringe Teilentladungswerte auch bei deutlicher Über-

schreitung der Nennspannung sowie durch ausreichende Reserven im Falle einer Überhitzung (z. B. durch thermi-sches Durchgehen) aus.

Die äußere Isolierung kann aus Kera-mik- oder Polymermaterial bestehen. Keramikisolatoren haben eine lange Tradition und werden wohl noch viele Jahre zum Einsatz kommen. Es ist aller-dings davon auszugehen, dass ihre Bedeutung in absehbarer Zukunft abnehmen wird, da die Industrie auf der Suche nach leistungsfähigeren Isola-toren ist, die kostengünstiger, sicherer, erdbebenfester, umweltfreundlicher und leichter sind.

Um möglichst viele Anforderungen ab-zudecken, sind Durchführungen konfi-gurierbar und werden für Systemspan-nungen von bis zu 1.100 kV AC bzw. 800 kV DC – zu Testzwecken sogar für noch höhere Spannungen – hergestellt. Die größte jemals im Werk in Ludvika entwickelte und hergestellte Durchfüh-rung ist eine Transformatordurchfüh-rung für 1.800 kV AC mit einer Länge von 15 m. Es sind jedoch nicht die Spannungen oder die Baugrößen, die dem Werk die Grenzen setzen, sondern vielmehr die Bedürfnisse des Marktes, denn 1.100 kV AC und 800 kV DC sind derzeit die höchsten Spannungen, die in Stromnetzen verwendet werden.

Historischer ÜberblickZu Beginn des 20. Jahrhunderts waren Durchführungen trockenisoliert und bestanden aus (kunstharzbeschichte-tem) Bakelitpapier und Aluminiumfolie

Durchführungen dienen zur Isolierung von elekt-

rischen Leitern, die einen Strom mit hoher Spannung durch ein geerdetes Gehäuse führen. Hierbei Spannungs-überschlage zu verhindern, ist eine große Herausforderung, da die Abmessungen der Durchführung verglichen mit den verbundenen elektrischen Anlagen sehr klein sind. Um die Leistungsfähigkeit einer solchen Durchführung über ihre Lebensdauer hinweg gewährleisten zu können, müssen die Belastungen (d. h. elektrische Spannung, thermi-sche Strombelastung und mechanische Beanspruchung) bei der Dimensionierung genau berück-sichtigt werden.

Hochspannungs-Kondensator-durchführungenKondensatordurchführungen ermögli-chen die Steuerung der elektrischen Belastung mithilfe von zylindrisch ge-wickelten, ungeerdeten Abschirmungen aus Aluminium. Der Kondensatorkern, in dem sich die Abschirmungen befin-den, senkt den Gradienten des elektri-schen Felds und verteilt das Feld über die Länge des Isolators hinweg radial und axial im Kondensatorkern 1 . Die Abschirmungen sind koaxial angeord-net, um eine optimale Balance zwischen externer Überschlagfestigkeit und inter-ner Durchschlagfestigkeit (d. h. der elektrischen Festigkeit des Kondensator-kerns) zu gewährleisten.

Der grundlegende Aufbau von Konden-satordurchführungen ist seit vielen Jahren unverändert. Der Leiter ist mit einer Wicklung aus Spezialpapier umgeben, in der zur Steuerung des elektrischen Felds an bestimmten Stellen Metallelekt-roden angeordnet sind. Der Zylinder ist mit einem mineralischen Transformato-renöl oder Epoxidharz imprägniert, um eine höhere elektrische Festigkeit zu gewährleisten, als dies mit trockenem Papier möglich wäre. Somit ist die Durchführung ein in sich geschlossenes System, das vollständig von seiner Anwendungsumgebung getrennt ist.

Für Hochspannungs-Kondensatordurch-führungen wird hauptsächlich ölimpräg-niertes Papier (Oil-Impregnated Paper,

Durchführung für 400 kV AC aus den 1950er Jahren

PIONIERLEISTUNGEN

1 Schematische Darstellung eines Kondensatorkerns

Leiter und Wickelhülse

Leitfähige Schicht (Folie oder Farbe)

Leitfähige Schicht

Papier

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68 ABB Technik 3/2009

Hochspannungsdurchführungen

In jüngerer Zeit (2006) wurden HGÜ-Transformatoren- und HGÜ-Wanddurch-führungen für 800 kV DC entwickelt und durch umfassende Kurz- und Lang-zeittests verifiziert. Da sich die Material-eigenschaften unter Gleichstrombelas-tung mit der Zeit verändern, sind ent-sprechende Langzeittests zur Verifizie-rung der Konstruktion erforderlich, bevor ein neues Produkt in Betrieb genommen wird. Dank der gesammel-ten Erfahrungen aus der Konstruktion und Produktion können mithilfe neues-ter Berechnungstools auch komplexe Mechanismen wie die Ionenwanderung und zeitabhängige Ladungsverteilungen berücksichtigt werden. Nach der Ent-wicklung von Durchführungen für 800 kV DC und den dabei gewonnenen Erkenntnissen könnte der nächste logi-sche Schritt die Entwicklung von Durch-führungen für 1.000 kV DC sein.

Im Jahr 2007 lieferte ABB Durchführun-gen für bis zu 1.100 kV AC nach China, und das seit Langem etablierte Span-nungsniveau für Drehspannungsnetze wurde von 800 kV auf 1.100 kV ange-hoben 3 . Bei der Konstruktion dieser Systeme konnte ABB auf das in den 1970er Jahren bei der Arbeit an 1.800-kV-Systemen gewonnene Wissen zurückgreifen. Die Entwicklung von Durchführungen für immer höhere Spannungen und komplexere Anwen-dungen erfordert viel Erfahrung und

Die ölimprägnierten Durchführungen setzten sich durch und wurden zur dominierenden Technologie (noch heute beträgt ihr Marktanteil über 80 %). Während OIP-Durchführungen weiter-entwickelt wurden, wurde die Herstel-lung kunstharzverleimter Durchführun-gen eingestellt. Trockenisolierungen, häufig auch als RIP-Durchführungen bezeichnet, kamen auf den Markt und verzeichnen seitdem einen wachsenden Marktanteil.

In den 1970er Jahren begann die Ent-wicklung von HGÜ-Durchführungen für 600 kV, während gleichzeitig Testanlagen mit Durchführungen für 1.800 kV AC gebaut wurden. Beide Systeme waren ölisoliert, unterschieden sich vom Auf-bau her jedoch grundlegend vonein-ander.

Die Entwicklung von RIP-Durchführun-gen, die in den 1960er Jahren im schweizerischen Schwesterwerk von ABB begonnen hatte, führte schließlich zur Fertigung von 420-kV-Durchführun-gen im Jahr 1989 und von 525-kV-Durchführungen im Jahr 1996. Die Wiedereinführung der Trockentechno-logie ist eine unmittelbare Folge der Entwicklung von leistungsfähigen, modernen Berechnungswerkzeugen und der Fortschritte auf dem Gebiet der Werkstoff- und Produktions-technik.

mit einem an den Kondensatorkern angeklebten Flansch und einem Porzel-lanisolator. Diese Ausführungen waren für Spannungen bis 190 kV geeignet.

Mit dem Anstieg der Spannungen auf 220 kV in den 1930er Jahren wurden die leitfähigen Schichten zunehmend aus Graphit hergestellt. Das Prinzip der halbleitenden Graphitschichten wird von einigen Herstellern noch heute ver-wendet. Der Raum zwischen dem Kon-densatorkern und dem äußeren Isolator ist mit Öl gefüllt und zum Transforma-tor hin offen.

In den 1940er Jahren stiegen die Span-nungen auf 400 kV, und die ersten ölimprägnierten Kondensatorkerne mit einem ölgefüllten Porzellanisolator kamen auf den Markt.

Doch die ersten Durchführungen wiesen hohe Teilentladungswerte und einen mit der Systemspannung steigenden Verlustfaktor (tan δ) auf. Sie waren zwar ausreichend für niedrigere Spannungen, boten aber nur wenig Spielraum für steigende Anforderungen. Als die Span-nungen zu Beginn der 1960er Jahre auf 765 kV anstiegen, wurde diese alte Technologie durch OIP-Systeme ersetzt. Damals lieferte ABB die ersten 765-kV-Durchführungen an Hydro Quebec in Kanada.

3 Installation einer Durchführung für 1.100 kV AC (2008)

2 Imprägnierung von RIP-DurchführungenTransformator aus der Anfangszeit des letzten Jahrhunderts

PIONIERLEISTUNGEN

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69ABB Technik 3/2009

Hochspannungsdurchführungen

Um den sehr speziellen Herstellungs-prozess, bei dem exotherme Reaktionen, thermochemische Schrumpfung und Luftzirkulationen eine Rolle spielen, vollständig simulieren zu können, müssen entsprechende mathematische Gleichungen in die theoretischen Modelle integriert werden. Die simula-tionsgestützte Modellierung ermöglicht die Durchführung von Ursache-Wir-kungs-Analysen, mit deren Hilfe Mängel wie eine falsche Aushärtung, hohe Tem-peraturgefälle, örtliche Überhitzungen,

Die RIP-Technologie ist wesentlich anspruchsvoller als die OIP-Technolo-gie. Das liegt daran, dass die Ölimpräg-nierung unter Vakuum ein relativ ein-faches und fehlertolerantes Verfahren ist, da das Öl alle Teile der Durchfüh-rung ausfüllt und über die gesamte Lebensdauer hinweg in flüssigem Zustand bleibt. Die Entwicklung und Fertigung fehlerfreier RIP-Produkte hin-gegen erfordert eine besondere Sorgfalt und den Einsatz modernster Konstruk-tionswerkzeuge.

Wissen sowie Prüfanlagen, deren Span-nungen weit über den Bemessungs-spannungen der Durchführungen liegen. Dies alles steht ABB zur Verfügung.

Technische HerausforderungenSo komplexe Komponenten wie Durch-führungen sind natürlich stets mit tech-nischen Herausforderungen verbunden. Die Höhe der möglichen Spannung wird in der Regel durch die physischen Abmessungen begrenzt (d. h. größere Abstände bedeuten eine höhere elektri-sche Festigkeit). Doch bei hohen Span-nungen kommt noch eine weitere Schwierigkeit hinzu: die dielektrische Erwärmung der Isolierung. Während die dielektrischen Verluste in einer ein-wandfrei verarbeiteten Durchführung bei niedrigen Spannungen vernachlässigt werden können, spielen sie bei hohen Spannungen eine umso bedeutendere Rolle.

Der Verlustfaktor des Isoliermaterials ist bei ca. 60 °C am niedrigsten und steigt dann mit der Temperatur an. Die Wärme muss dabei durch die Isolierung und über die Oberfläche der Durchfüh-rung abgeführt werden. Deshalb gibt es für jede Durchführung spezifische Grenzwerte, bei deren Überschreitung die Wärme nicht mehr ausreichend abgeführt werden kann, sodass die Temperatur unkontrolliert ansteigt. Dieses Phänomen, das auch als „thermi-sches Durchgehen“ bezeichnet wird, führt schließlich zum Versagen der Iso-lierung.

Die Grenze der Wärmeabgabe wird als thermische Stabilitätsgrenze bezeichnet. Natürlich muss die thermische Stabilität bei Durchführungen bei der höchst-möglichen Spannung gegeben sein, wobei sowohl die ohmschen Verluste aus dem Laststrom als auch die oben beschriebenen kapazitiven Verluste berücksichtigt werden müssen. Deshalb müssen die maximal zulässigen Ströme für eine bestimmte Durchführung und die aus der Spannung resultierenden dielektrischen Verluste sowohl gemein-sam als auch getrennt voneinander betrachtet werden. Bei einer korrekt konstruierten Durchführung sind weder die dielektrischen Verluste noch der Nennstrom kritisch, und die Anforde-rungen hinsichtlich geringer Verluste haben keinen Einfluss auf ihre Lebens-dauer.

Stromrichtertransformator für 800 kV DC (2008)

PIONIERLEISTUNGEN

Transformator mit Durchführungen aus Ludvika für die HGÜ-Verbindung Konti Skan II zwischen Dänemark und Schweden

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70 ABB Technik 3/2009

präventive Maßnahmen in der Konstruk-tion und Produktion umsetzen zu können.

ABB spielt eine bedeutende Rolle in der Entwicklung und Herstellung von Hochspannungsdurchführungen und verfügt neben dem Hauptwerk in Schweden über Standorte in Brasilien, China, Indien, Russland, Südafrika, der Schweiz und den USA.

Was die Optimierung von Prozessen im Hinblick auf eine höhere Zuverlässig-keit und Qualität angeht, gehört ABB zu den führenden Unternehmen der Branche. Dies zeigt sich unter anderem bei den entscheidenden Fertigungs-schritten wie dem Wickeln der Konden-satorkerne, bei dem hochmodernen Maschinen den Wickelvorgang und das Einfügen der Abschirmung steuern, oder dem Trocknen und Imprägnieren, das von Computern und äußerst erfah-renden Mitarbeitern gesteuert und über-wacht wird.

Ein weiterer Bereich, in dem im Laufe der Jahre durch die Implementierung neuer Technologien bedeutende Fort-schritte erzielt wurden, ist die statistische Prozessregelung und die automatische Überprüfung von Prozessgrenzwerten.

Darüber hinaus verfügt ABB über ein globales Reporting-Netzwerk, über das die einzelnen Geschäftseinheiten alle bedeutenden Ereignisse innerhalb von 24 Stunden melden. Diese Informatio-nen werden in funktionsübergreifenden Meetings besprochen und priorisiert, um entsprechende korrektive oder

hohe Spannungen und Belastungen (Risse) sowie Schrumpfungen vermieden werden können. Neben numerischen Simulationen des Herstellungsprozesses spielt auch die Wahl der richtigen Werk-stoffe eine wichtige Rolle. Hierbei geht es darum, die RIP-Materialien für eine optimale Fertigung zuzuschneiden und gleichzeitig ihre Leistungsfähigkeit im Feldeinsatz sicherzustellen.OIP- und RIP-Durchführungen sind komplexe Produkte, die im Vergleich zu anderen weltweit angebotenen Produk-ten mit hohen Investitionen in Ausrüs-tung, Forschung und Entwicklung ver-bunden sind. Diese Komplexität nimmt mit steigender Spannung und Strom-stärke drastisch zu. Doch gerade diese Herausforderungen treiben ABB dazu, optimierte Durchführungen auf dem neuesten Stand der Technik für ihre Kunden zu entwickeln.

QualitätssicherungDie Prozesse zur Fertigung von Durch-führungen wurden im Laufe der Jahr-zehnte kontinuierlich weiterentwickelt und sind immer effektiver geworden. Doch dies bedeutet nicht, dass das Ende bereits erreicht ist.

Hochspannungsdurchführungen

PIONIERLEISTUNGEN

Neue Ultrahochspannungs-Prüfanlage (2009)

Lars Jonsson

Rutger Johansson

ABB Power Products

Ludvika, Schweden

[email protected]

[email protected]

Weiterführende Literatur

Holaus, W., Stucki, F.: „Spannende Entwicklung – Ultra-

hochspannungs-Schaltanlagen in China“. ABB Technik

4/2008: 20–24

Heinemann, L., Besold, F.: .: „Kompakt und zuverlässig

– Fortschritt über mehrere Jahrzehnte: gasisolierte

Schaltanlagen von 52 bis 1.100 kV“. ABB Technik

1/2009: 92–98

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71ABB Technik 3/2009

Vorschau 4/2009

Innovationen des Jahres

Etwas völlig Neues zu erreichen, das noch niemals zuvor erreicht wurde, ist eine faszinierende Erfahrung. Für ABB ist sie jedoch umso bedeutsamer, wenn diese neue Idee echte Vorteile für den Kunden oder die Gesellschaft als Ganzes mit sich bringt. In den For-schungszentren und Niederlassungen von ABB rund um die Welt arbeiten Hunderte von Wissenschaftlern und Ingenieuren kontinuierlich an der Ent-wicklung von Innovationen, die häufig die Grundlage für die Produkte und Anwendungen von morgen bilden.Die vierte Ausgabe der ABB Technik widmet sich traditionell den besten Innovationen des Jahres. Diese auszu-wählen ist keine leichte Aufgabe, und die endgültige Auswahl ist letztlich immer nur ein Querschnitt dessen, was tatsächlich erreicht wurde.

Eine dieser technischen Innovationen ist im Bild oben zu sehen: ein Control-panel des intelligenten Raumsteue-rungskonzepts Busch-priOn® der ABB-Tochter Busch-Jaeger. Die leuchtende Aura des Panels verleiht dem Design ein futuristisches Aussehen, hinter dem jedoch noch mehr steckt: Je nach-dem, welcher Funktionsbereich ange-wählt ist, verändert sich die Farbe, was eine intuitive und leicht verständliche Bedienung einer leistungsfähigen, multifunktionalen Schnittstelle ermög-licht. Dieses Konzept wurde mit dem international renommierten „red dot design award“ im Bereich Communica-tion Design ausgezeichnet.

Editorial BoardPeter TerwieschChief Technology OfficerGroup R&D and Technology

Clarissa HallerHead of Corporate Communications

Ron PopperManager of Sustainability Affairs

Axel KuhrHead of Group Account Management

Friedrich PinnekampVice President, Corporate Strategy

Andreas MoglestueChief Editor, ABB [email protected]

HerausgeberDie ABB Technik wird herausgegeben von ABB Group R&D and Technology.

ABB Asea Brown Boveri Ltd.ABB Review/REVCH-8050 ZürichSchweiz

Die ABB Technik erscheint viermal pro Jahr in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch, Chinesisch und Russisch. Die ABB Technik wird kostenlos an Personen abgegeben, die an der Technologie und den Zielsetzungen von ABB interessiert sind. Wenn Sie an einem kostenlosen Abonnement interessiert sind, wenden Sie sich bitte an die nächste ABB-Vertretung, oder bestellen Sie die Zeit-schrift online unter www.abb.com/abbreview.

Der auszugsweise Nachdruck von Beiträgen ist bei vollständiger Quellenangabe gestat-tet. Ungekürzte Nachdrucke erfordern die schriftliche Zustimmung des Herausgebers.

Herausgeber und Copyright © 2009ABB Asea Brown Boveri Ltd.Zürich, Schweiz

Satz und DruckVorarlberger Verlagsanstalt GmbHAT-6850 Dornbirn, Österreich

LayoutDAVILLA Werbeagentur GmbHAT-6900 Bregenz, Österreich

ÜbersetzungThore Speck, Dipl.-Technikübersetzer (FH)D-24941 Flensburg, Deutschland

HaftungsausschlussDie in dieser Publikation enthaltenen Infor-mationen geben die Sicht der Autoren wie-der und dienen ausschließlich zu Informa-tionszwecken. Die wiedergegebenen Infor-mationen können nicht Grundlage für eine praktische Nutzung derselben sein, da in jedem Fall eine professionelle Beratung zu empfehlen ist. Wir weisen darauf hin, dass eine technische oder professionelle Bera-tung vorliegend nicht beabsichtigt ist. Die Unternehmen der ABB-Gruppe übernehmen weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Haftung oder Garantie für die Inhalte oder die Richtigkeit der in dieser Publikation enthaltenen Informationen.

ISSN: 1013-3143

www.abb.com/abbreview

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Cities that consume 30% less energy?

Certainly.

As a leading producer of energy-effi cient solutions, ABB helps deliver major power savings, without compromising performance. Our lighting control systems can deliver power savings of up to 50 percent, and our building automation up to 60 percent. While everyone else is talking about energy prices, power shortages and climate change, ABB is doing something about it, right here, right now. www.abb.com/energyeffi ciency

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