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Karl Fischer, DJ5IL Friedenstr. 42, 75173 Pforzheim www.cq-cq.eu - [email protected] Energiefluss auf Übertragungs- leitungen Wohin geht die Leistung, die von einer fehlange- passten Last am Ausgang einer Übertragungsleitung reflektiert wird ? DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 1 Auf einer Leitung gibt es nur zwei mögliche Rich- tungen und reflektierte Leistung kann nicht einfach verschwinden, also kann sie nur zurück zum Gene- rator. Wenn sie schließlich den Eingang der Lei- tung erreicht werden wir mit einer Frage konfron- tiert, die Funkamateure seit Jahrzehnten sehr inten- siv und kontrovers diskutieren: Wird diese Leistung vom Generator absorbiert oder re-reflektiert ? Die Absorption können wir durch einen einfa- chen praktischen Versuch ausschließen: Lassen wir das Leitungsende offen, tritt dort Totalreflexion ein. Machen wir die idealerweise verlustfreie Leitung elektrisch λ/2 lang und speisen ihren Eingang mit einem Generator entsprechend hoher Leistung, müsste sich der Generator durch Umsetzung von elektrischer Energie in seinem Innenwiderstand er- wärmen. Das tut er aber nicht - also gibt er im ein- geschwungenen Zustand des Systems weder Lei- stung ab noch nimmt er logischerweise Leistung auf. Die rätselhafte re-Reflexion Also bleibt als einzige Möglichkeit die totale re- Reflexion am Generator, wobei dieser durch Fehl- anpassung seine Leistung exakt um den Betrag der reflektierten Leistung drosselt und diese Leistungs- reduktion durch die re-Reflexion ersetzt wird. Die- ses Modell der Energieflüsse auf Übertragungs- leitungen wurde ursprünglich von Walt Maxwell, W2DU, propagiert 1 . Es liefert eine ausgeglichene Energiebilanz und seine rein mathematische Ana- lyse bietet keinerlei Angriffspunkte für Kritik. So war auch ich lange Zeit von diesem Modell überzeugt, insbesondere weil ich daraus den auf Leitungen durch Reflexionen entstehenden Zusatzverlust qua- litativ begründen und quantitativ herleiten konnte. Blieb also nur noch eine Frage zu klären: Wie kommt selbst bei perfekter Anpassung des Generators an den Wellenwiderstand der Leitung diese totale re- Reflexion zustande ? Bis heute war niemand in der Lage, darauf eine schlüssige Anwort mit Beweis zu liefern - auch Walt Maxwell nicht, der schreibt: "... here's one easy laboratory proof with physical evidence that can't be denied: Energy reflected by a mismatched line termination can be entirely separated from the forward-travelling wave, and can then be dissipated in a temperature-calibrated resistor and accurately measured as I²R heat" 1 . Mit einem Zirkulator 2 las- sen sich tatsächlich vorlaufende und rücklaufende Wellen voneinander separieren, aber dann gehen sie getrennte Wege - interferieren also nicht mehr miteinander - und damit kann es schon prinzipiell die gegenläufigen Energieflüsse auf der Leitung nicht mehr geben, die Maxwell durch diese Anord- nung eigentlich beweisen will. Diese zentrale Fra- ge der re-Reflexion war wie ein Stachel im Fleisch eines sonst schlüssigen Modells. Doch je mehr ich über ähnliche Vorgänge nachdachte - Flüssigkeits- ströme in Röhren oder Menschenströme in Korri- doren - umso deutlicher offenbarte sich mir eine andere mögliche Sichtweise, die ohne rätselhafte re-Reflexion auskam aber leider scheinbar nicht dem Energieerhaltungssatz gehorchte. Richard Feynman war nicht nur ein großarti- ger Physiker, sondern auch einer der leidenschaft- lichsten und genialsten Lektoren. Band II seiner le- gendären "Lectures on Physics" 3 beschäftigt sich mit Elektromagnetismus und Materie. Im Kapitel 27 "Field Energy and Field Momentum" sagt Feynman:

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Karl Fischer, DJ5ILFriedenstr. 42, 75173 Pforzheimwww.cq-cq.eu - [email protected]

Energieflussauf Übertragungs-

leitungen

Wohin geht die Leistung,die von einer fehlange-

passten Last am Ausgangeiner Übertragungsleitung

reflektiert wird ?

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 1

Auf einer Leitung gibt es nur zwei mögliche Rich-tungen und reflektierte Leistung kann nicht einfachverschwinden, also kann sie nur zurück zum Gene-rator. Wenn sie schließlich den Eingang der Lei-tung erreicht werden wir mit einer Frage konfron-tiert, die Funkamateure seit Jahrzehnten sehr inten-siv und kontrovers diskutieren: Wird diese Leistungvom Generator absorbiert oder re-reflektiert ? Die Absorption können wir durch einen einfa-chen praktischen Versuch ausschließen: Lassen wirdas Leitungsende offen, tritt dort Totalreflexion ein.Machen wir die idealerweise verlustfreie Leitungelektrisch λ/2 lang und speisen ihren Eingang miteinem Generator entsprechend hoher Leistung,müsste sich der Generator durch Umsetzung vonelektrischer Energie in seinem Innenwiderstand er-wärmen. Das tut er aber nicht - also gibt er im ein-

geschwungenen Zustand des Systems weder Lei-stung ab noch nimmt er logischerweise Leistungauf.

Die rätselhafte re-Reflexion Also bleibt als einzige Möglichkeit die totale re-Reflexion am Generator, wobei dieser durch Fehl-anpassung seine Leistung exakt um den Betrag derreflektierten Leistung drosselt und diese Leistungs-reduktion durch die re-Reflexion ersetzt wird. Die-ses Modell der Energieflüsse auf Übertragungs-leitungen wurde ursprünglich von Walt Maxwell,W2DU, propagiert 1. Es liefert eine ausgeglicheneEnergiebilanz und seine rein mathematische Ana-lyse bietet keinerlei Angriffspunkte für Kritik. So warauch ich lange Zeit von diesem Modell überzeugt,insbesondere weil ich daraus den auf Leitungendurch Reflexionen entstehenden Zusatzverlust qua-litativ begründen und quantitativ herleiten konnte.Blieb also nur noch eine Frage zu klären: Wie kommtselbst bei perfekter Anpassung des Generators anden Wellenwiderstand der Leitung diese totale re-Reflexion zustande ? Bis heute war niemand in der Lage, darauf eineschlüssige Anwort mit Beweis zu liefern - auch WaltMaxwell nicht, der schreibt: "... here's one easylaboratory proof with physical evidence that can'tbe denied: Energy reflected by a mismatched linetermination can be entirely separated from theforward-travelling wave, and can then be dissipatedin a temperature-calibrated resistor and accuratelymeasured as I²R heat" 1. Mit einem Zirkulator 2 las-sen sich tatsächlich vorlaufende und rücklaufendeWellen voneinander separieren, aber dann gehensie getrennte Wege - interferieren also nicht mehrmiteinander - und damit kann es schon prinzipielldie gegenläufigen Energieflüsse auf der Leitungnicht mehr geben, die Maxwell durch diese Anord-nung eigentlich beweisen will. Diese zentrale Fra-ge der re-Reflexion war wie ein Stachel im Fleischeines sonst schlüssigen Modells. Doch je mehr ichüber ähnliche Vorgänge nachdachte - Flüssigkeits-ströme in Röhren oder Menschenströme in Korri-doren - umso deutlicher offenbarte sich mir eineandere mögliche Sichtweise, die ohne rätselhaftere-Reflexion auskam aber leider scheinbar nichtdem Energieerhaltungssatz gehorchte. Richard Feynman war nicht nur ein großarti-ger Physiker, sondern auch einer der leidenschaft-lichsten und genialsten Lektoren. Band II seiner le-gendären "Lectures on Physics" 3 beschäftigt sichmit Elektromagnetismus und Materie. Im Kapitel 27"Field Energy and Field Momentum" sagt Feynman:

Welle transportiert Energie und weil Energie Massebesitzt (E = m c²) transportiert sie auch Masse undImpuls und erzeugt Druck - diese Tatsache machtein elektromagnetisches Feld sehr real. Ein Teilchenerzeugt ein Feld, ein Feld wirkt auf ein anderes Teil-chen und das Feld selbst besitzt so vertraute Eigen-schaften wie Energie und Impuls, genauso wie sieein Teilchen besitzen kann. Elektromagnetische Felder offenbaren die Ge-schichte der Objekte, die sie einst erzeugt haben:man kann eine Ladung bewegen und dadurch einFeld in der Ferne erzeugen - und wenn man damitaufhört, hat das Feld gewissermaßen die Vergangen-heit aufgezeichnet, weil die Wechselwirkung zwi-schen zwei Ladungen nicht unmittelbar erfolgt.Richard Feynman sagt dazu:

"If the force upon some charge depends upon whereanother charge was yesterday, which it does, thenwe need machinery to keep track of what went onyesterday, and that is the character of a field."

Harmonisch oszillierende Wellen sind lediglicheine Sonderform die sich dadurch auszeichnet, dasssie bei Überlagerung die bekannten Interferenzmustererzeugen. Im physikalischen Sinn ist aber jeglicheFeldstörung eine "Welle" - auch wenn sie nicht soschön aussieht wie die, die sich auf einer Wasser-oberfläche ausbreitet, wenn man einen Stein hinein-wirft - also z.B. auch ein kurzer Impuls oder auch nurein Transient.

"Gekräuseltes Wasser", Holzschnitt von M. C. Escher,März 1950.

Elektromagnetische Wellen gehorchen genausowie die Wellen von Spannungen und Strömen auf ein-er Übertragungsleitung dem Superpositionsprinzip,das folgendes besagt: Die resultierende Gesamtwelleist die Vektorsumme - also die Überlagerung oderSuperposition - der von allen Quellen erzeugten Teil-wellen, wobei Reflexionspunkte als Quellen der reflek-

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 2

"Suppose you are in a dark room and then turn onthe light switch ..."

... und dieses Licht ging mir beim Studium des Kapi-tels auf. Dann fand ich den Artikel "What happens toenergy and momentum when two oppositely-movingwave pulses overlap ?" 4 und bekam plötzlich ein kla-res und einfaches Bild vom Energiefluss auf Über-tragungsleitungen.

Feld und Welle Ein Feld ist im physikalischen Sinn die Zuord-nung des Wertes einer physikalischen Größe zu je-dem Punkt der Raumzeit, also eine mathematischeFunktion von Ort und Zeit. Es gibt u.a. skalare (un-gerichtete) und vektorielle (gerichtete) Felder. So ord-net das skalare Temperaturfeld jedem Raumpunkteine bestimmte Temperatur zu. Dagegen sind elek-trisches Feld und magnetisches Feld Vektorfeldermit einer nicht so leicht greifbaren Eigenschaft: Siebeschreiben für jeden Punkt der Raumzeit Betrag undRichtung einer Kraft, die auf eine dort befindlicheLadung wirken "würde". Wir sagen einfach, weil die-se Kräfte tatsächlich auf eine Ladung wirken mußdort "etwas" herrschen - selbst dann, wenn sich dortgar keine Ladung befindet. Sie beschreiben also -genau wie das Gravitationsfeld - nicht nur eine tat-sächliche Wirkung, sondern vielmehr ein Wirkungs-vermögen. Eine Welle ist jede Störung, die sich durch dieRaumzeit bewegt und dabei normalerweise Energiemit sich führt. Mechanische Wellen benötigen einMedium und breiten sich aus, indem sie dieses de-formieren. Elektromagnetische Wellen brauchen da-gegen kein Medium - sie breiten sich im Vakuum mitLichtgeschwindigkeit aus und werden dabei vom elek-tromagnetischen Feld getragen, das sie gewisser-maßen selbst erzeugen. So erzeugt eine ruhende La-dung zunächst ein statisches elektrisches Feld, dasheißt wir können ihr eine gewisse Komponente derFeldvektoren als Wirkung zuordnen und dürfen des-halb sagen, diese Komponente ist das elektrischeFeld dieser Ladung. Wird die Ladung bewegt, kommtihr magnetisches Feld hinzu, das auch nur auf be-wegte Ladungen wirkt. Gleichzeitig entsteht eine Stö-rung - eine Welle - in diesem elektromagnetischenFeld, welche die Energie mit sich führt, die bei derBewegung der Ladung umgesetzt wurde. Und damiterscheint das bemerkenswerte Phänomen der elek-tromagnetischen Strahlung : Diese Wellen bzw. Fel-der bewegter Ladungen verlassen ihre Quellen, umsich allein im freien Raum auszubreiten. Sobald die Wellenfront eine andere Ladung inder Raumzeit erreicht, "fühlt" diese Ladung einen Im-puls. Aber wo war die Energie während der bis dahinvergangenen Zeit, denn laut Energieerhaltungssatzkann sie ja nicht einfach verschwunden sein ? Imelektromagnetischen Feld ! Eine elektromagnetische

dichte !), die Energie pro Zeiteinheit durch eine Flä-cheneinheit senkrecht zur Flussrichtung . Die physika-lischen Begriffe Energiefluss und Leistung sind gleich-wertig und somit auch die Bezeichnungen Energie-flussdichte und Leistungsdichte für den QuotientenEnergie / (Fläche x Zeit) = Leistung / Fläche = J / (m²s) = W / m² = N / (m s). In periodischen Wellenfeldern stehen die E-Feldund B-Feld Vektoren senkrecht aufeinander und os-zillieren transversal, d.h. senkrecht zur Ausbreitungs-richtung der elektromagnetischen Welle - daher derBegriff "Transversale Elektro Magnetische" oder kurzTEM Welle - während der Poynting-Vektor S senk-recht sowohl zum E-Feld als auch zum B-Feld Vek-tor und somit longitudinal, d.h. in Ausbreitungs-richtung, mit der doppelten Frequenz der elektromag-netischen Welle oszilliert.

Weil das elektrische Feld innerhalb eines per-fekten Leiters null ist, ist auch der Poynting-Vektornull - was bedeutet, dass der Energiefluss nicht imInneren eines Leiters durch elektrischen Strom statt-finden kann. Und da der E-Feld Vektor stets senk-recht auf der Oberfläche eines perfekten Leiters steht,verläuft der Poynting-Vektor unmittelbar an der Ober-fläche stets parallel zu ihr - was bedeutet, daß einperfekter Leiter keine Energie emittieren oder absor-bieren, sondern lediglich als Wellenleiter ("wave-guide") wirken kann. Daraus folgt, dass Sendean-tennen selbst keine Energie emittieren. Vielmehr fließtdie Energie vom Generator durch das ektromagne-tische Feld, das die Leiter der Übertragungsleitungumgibt, zum Speisepunkt der Antenne. Von dort ausbewegt sie sich in allen möglichen Richtungen aufgekrümmten Pfaden durch den Raum zu den Leiternder Antennenstruktur, von denen sie schließlich durchReflexion und Streuung endgültig in den Raum "ge-leitet" wird. Damit kommen wir zu einer wichtigen grundsätz-lichen Feststellung: Elektromagnetischer Energie-fluss findet nicht in den Leitern selbst durch den elek-trischen Strom, sondern ausschließlich in den sie um-gebenden elektromagnetischen Feldern statt 5 unddiese Tatsache gilt nicht etwa nur für hochfrequenteWechselfelder auf einer Übertragungsleitung, son-dern ohne Ausnahme für alle elektromagnetischenSysteme - also genauso für eine einfache Batterie,die Gleichspannung liefert und mittels zweier Drähteein Glühlämpchen leuchten lässt, wie für einen Rund-

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 3

tierten Teilwellen betrachtet und alle Teilwellen sepa-rat berechnet werden können, denn sie verhalten sichso, als wären sie jeweils ganz allein im System. Dasfundamentale Konzept des Superpositionsprinzips ist,dass die Teilwellen in keinster Weise von anderenTeilwellen oder von der Gesamtwelle beeinflusstwerden. Sie sehen deshalb auch nur reell vorhande-ne d.h. von anderen Teilwellen unabhängige physi-kalische Impedanzen und gehen völlig unverändertaus Interferenzen mit anderen Teilwellen wieder her-vor.

Energiefluss und Energiedichte Energie, was ist das eigentlich ? Sie kommt invielen Formen vor und kann von einer in die andereumgesetzt werden, z.B. elektrische in thermischeoder potentielle über kinetische in elastische Ener-gie, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Maßein-heit der Energie ist das Joule [J] und für die Berech-nung ihrer verschiedenen Formen haben PhysikerGleichungen entwickelt - aber wir wissen tatsächlichbis heute nicht, was Energie wirklich ist ! Leistung mit der Maßeinheit Watt [W] ist die Rate,mit der Energie umgesetzt oder transportiert wird, alsodie Energiemenge pro Zeiteinheit. Dabei geht jedochnichts verloren, das heißt: Energie ist diejenige phy-sikalische Größe, deren Gesamtmenge im Univer-sum stets konstant bleibt. Diese sehr abstrakte all-gemeingültige Definition ist der Energieerhaltungs-satz, der über alle bekannten natürlichen Phänome-ne herrscht. Für die lokale Betrachtung der Energieerhaltunggenügt diese universelle Definition nicht. Wenn einegewisse Energiemenge an einem Ort verschwindetund dafür an einem anderen erscheint, müsste die-ser Transfer an beiden Orten exakt gleichzeitig erfol-gen, denn sonst gäbe es einen Augenblick fehlenderEnergie und damit wäre der Energieerhaltungssatznicht mehr erfüllt. Diese augenblickliche Verlagerungvon Energie ist aber nicht mit den Prinzipien der spe-ziellen Relativität vereinbar und deshalb benötigenwir ein stärkeres Gesetz - eines das erklärt, wie Ener-gie lokal erhalten wird. Dieses Gesetz besagt ein-fach, dass Energie ein Volumenelement verlässt, in-dem sie daraus abfließt. Die quantitative Umsetzungdieses lokalen Energieerhaltungsgesetzes in einemelektromagnetischen Feld - die Verknüpfung zwi-schen der Änderung der Energiedichte pro Zeitein-heit in einem bestimmten Volumenelement und demEnergiefluss durch die geschlossene Oberfläche die-ses Volumenelements - ist das Poynting-Theorem. Die Energiedichte ist ein skalares Maß für denEnergieinhalt einer Volumeneinheit. Der Energieflusswird beschrieben durch den Poynting-Vektor, dasKreuzprodukt aus elektrischem E-Feld und magneti-schem B-Feld Vektor S = E x B. Er zeigt in Richtungdes Energieflusses und sein Betrag ist die Energie-flussdichte (nicht zu verwechseln mit der Energie-

funksender, der seine Sendeantenne mittels Über-tragungsleitung mit einem Megawatt Hochfrequenz-leistung speist. Erst bei der Umsetzung in eine ande-re Form wird elektromagnetische Energie aus demFeld an die Ladungsträger im Leiter übertragen, in-dem der Poynting-Vektor in den Leiter eintaucht, umz.B. einen Ohm'schen Widerstand zu erhitzen. AusStrom und Spannung auf den Leitern berechnen wirlediglich ein Maß für die Leistung - der wirklicheEnergiefluss geschieht aber im Feld, das die Leiterumgibt. Richard Feynman sagt dazu:

"... we ask what happens in a piece of resistancewire when it is carrying a current. Since the wire hasresistance, there is an electric field along it, drivingthe current. Because there is a potential drop alongthe wire, there is also an electric field just outside thewire, parallel to the surface ... There is, in addition, amagnetic field which goes around the wire becauseof the current. The E and B are at right angles;therefore there is a Poynting vector directed radiallyinward ... There is a flow of energy into the wire allaround. It is, of course, equal to the energy being lostin the wire in the form of heat. So our "crazy" theorysays that the electrons are getting their energy togenerate heat because of the energy flowing into thewire from the field outside. Intuition would seem totell us that the electrons get their energy from beingpushed along the wire, so the energy should beflowing down (or up) along the wire. But the theorysays that the electrons are really being pushed by anelectric field, which has come from some chargesvery far away, and that the electrons get their energyfor generating heat from these fields. The energysomehow flows from the distant charges into a widearea of space and then inward to the wire."

Richard Feynman

Ein Gedankenexperiment Obwohl wir nicht wissen, was Energie wirklich ist,können wir sie definieren als die Fähigkeit, mechani-sche Arbeit zu verrichten. Das elektromagnetischeFeld hat diese Fähigkeit, transportiert also Energie.Als Analogie zur Energie des elektromagnetischenFeldes könnte man die Kaufkraft des Geldes betrach-ten, also die Menge eines bestimmten Gutes, die für

eine bestimmte Geldmenge erworben werden kann.Energie und Kaufkraft, beides sind keine greifbarenrealen Dinge sondern Fähigkeiten oder Wirkungs-vermögen, die nicht genutzt werden, solange daselektromagnetische Feld in der Übertragungsleitungund das Geld im Beutel steckt. Und damit kommenwir schließlich zu einem Gedankenexperiment, dasuns zeigen wird, was es mit "reflektierter Leistung"tatsächlich auf sich hat ... Ein Korridor führt vom Eingang eines Supermark-tes zu zwei Rolltreppen, über die man zur Elektroab-teilung gelangt (der Ausgang dieser Abteilung führtnicht durch den Korridor). Wir stehen irgendwo nahedes Eingangs im Korridor und beobachten, was ge-schieht. Die Abteilung hat attraktive Sonderangebo-te ausgeschrieben, deshalb ist sie heute gut besuchtund es kommen gerade soviele Leute durch denKorridor, wie die Rolltreppen aufnehmen können.Nehmen wir an, die Besucher kommen in Shuttle-Bussen zum Supermarkt, also in gleichgroßen Grup-pen mit immer demselben zeitlichen Abstand dazwi-schen, und jeder Besucher hat dieselbe Geldmengebei sich. Eine gewisse Kaufkraft pro Zeiteinheit fließtnun mit den Besuchern an uns vorbei vom Eingangzur Elektroabteilung. Dieses Modell entspricht einerÜbertragungsleitung (Korridor), in der periodisch os-zillierende Wellen eines elektromagnetischen Feldes(Besuchergruppen mit Geld) Energie (Kaufkraft) vomGenerator (Shuttle-Busse) zur angepassten Last(Rolltreppen) transportieren. Bei konstantem Besucherandrang fällt gegenMittag plötzlich eine der beiden Rolltreppen aus. DerAbteilungsleiter ist außer sich, geht ihm doch dadurchder halbe Umsatz flöten. Nehmen wir weiter an, dieBesucher seien allesamt ungeduldige Menschen, diesofort umkehren, falls sie nicht auf der RolltreppePlatz finden. Kurz nach dem Ausfall einer Rolltreppeerreichen also die ersten zurückeilenden Besucherden Eingang und wir sehen dort fortan Besucher-gruppen hereinkommen und halb so große Besucher-gruppen hinausgehen. Wer das Wesen der Kaufkraftals Wirkungsvermögen verstanden hat wird niemalsbehaupten, durch den Korridor würde jetzt Kaufkraftzurückfließen, nur weil die Hälfte der Besucher mit-samt ihrem Geld wieder zum Eingang zurückeilt. Esfließt nach wie vor Kaufkraft vorwärts zur Elektroab-teilung, aber eben nur noch halb so viel wie vorher.Wie die Besucher auf dem Korridor bewegen sichelektromagnetische Wellen auf einer fehlabgeschlos-senen Übertragungsleitung, wobei Energie effektivvorwärts zur Last aber nicht zurück zum Generatorfließt. Am Nachmittag fällt die zweite Rolltreppe aus. DerUmsatz der Abteilung kollabiert, genauso der Abtei-lungsleiter. Im Korridor beim Eingang beobachten wirjetzt zwei gleichstarke entgegengesetzte Besucher-ströme. Der effektive Fluss von Kaufkraft ist null, ge-nau wie der effektive Fluss von Energie - also die

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DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 5

Effekt destruktiver Interferenz geschieht und wo sichdie Energie während der totalen gegenseitigen Wel-lenauslöschung versteckt:

"Two symmetrical pulses are traveling in oppositedirections; they are exactly alike, except that one ispositive and the other is negative. As they passthrough each other, there comes a moment at whichthe whole spring or string is straight; it is as if thepulses had annihilated each other, and so, in a sen-se, they have. But your intuitions will tell you that eachpulse was carrying a positive amount of energy, whichcannot simply be washed out. And, indeed, the pulsesdo reappear. But what is it that preserves the memoryof them through the stage of zero displacement, sothat they are recovered intact in their original form ?It is the velocity of the different parts of the system.The string at the instant of zero transverse deforma-tion has a distribution of transverse velocities charac-teristic of the two superposed pulses - and the velocitydistribution of a symmetrical positive pulse travelingto the right is exactly the same as that of a similarnegative pulse traveling to the left ... Thus the trans-verse displacements cancel, but the transverse velo-cities add, and for this one instance the whole energyof the system resides in the kinetic energy associatedwith these velocities."

Die mathematische Beschreibung der Energiemechanischer Wellen z.B. auf einer Saite und elek-tromagnetischer Wellen ist formell identisch, die Aus-lenkung der Saite ("displacement") entspricht derFeldstärke einer elektromagnetischen Welle und dieGeschwindigkeit der Saite ("velocity") der Geschwin-digkeit mit der sich die Feldstärke ändert, also ihrerÄnderungsrate. Bei destruktiv interferierenden elek-tromagnetischen Wellen neutralisieren sich zum Zeit-punkt ihrer vollständigen Auslöschung ihre Feldstär-ken, aber ihre Änderungsraten addieren sich, sodassin diesem Moment die gesamte Energie des Systemsund auch das "Gedächtnis" für ihre Wiederentstehungnach verlassen der Interferenzzone in der Änderungs-rate entlang dieser Zone steckt. Obwohl sich zweigegenläufige elektromagnetische Wellen durch de-struktive Interferenz total auslöschen können, gehensie auf diese Weise danach wieder völlig unverän-dert aus der Interferenzzone hervor und ihre Energiewird zu jedem Zeitpunkt erhalten.

Wirkleistung und Blindleistung Kehren wir zu unserem Gedankenexperimentzurück. Wir hatten festgestellt, dass der effektiveFluss von Kaufkraft auf null zurückgegangen ist.Gleichzeitig hat sich aber die Dichte der Kaufkraftverdoppelt, denn auf dem Korridor zählen wir jetztständig doppelt so viele Besucher die Geldbeutel mitgleichem Inhalt bei sich führen wie am Morgen. DieKaufkraft hat sich also verdichtet.

Wirkleistung - auf einer am Ende offenen oder kurz-geschlossenen Übertragungsleitung.

Leistung kann verschwinden Jetzt werden viele Leser einwenden, dass die-ses Modell falsch sein muss, weil Leistung aufgrundder Energieerhaltung nicht einfach verschwindenkann und sich deshalb zwar gegenläufige elektro-magnetische Wellen aber niemals die mit ihnen ein-hergehenden Leistungen auslöschen können - dassalso das Superpositionsprinzip und der Energieerhal-tungssatz in Bezug auf Wellen irgendwie inkompati-bel sind. Und genau diese gängige Fehlinterpreta-tion des Energieerhaltungssatzes führt zu falschenDarstellungen des Energieflusses auf Übertragungs-leitungen. Die Superposition elektromagnetischerWellen und der Energieerhaltungssatz sind nämlichsehr wohl kompatibel, denn Leistung ist lediglich dieRate, mit der Energie fließt oder umgesetz wird, undals solche muss sie im Gegensatz zur Energie selbstnicht erhalten werden - der Energiefluss kann durchSuperposition auch völlig verschwinden. Die Energie-dichte erhöht sich dabei jedoch so, dass sie immerder exakten Summe der Energiedichten der Einzel-felder entspricht. Der Grund für diese fatale Fehlinterpretation istalso, dass wir nur den Energiefluss betrachten unddabei die Energiedichte völlig ignorieren. Gauthier 3

hat untersucht, was mit Energie und Impuls interfe-rierender elektromagnetischer und mechanischerWellen geschieht und kommentiert seine mathema-tische Beweisführung mit folgenden Worten:

"... the net energy density for the superposed solutionis always equal to the sum of the energy densities ofthe right-moving and the left-moving pulses, con-sidered separately. From the perspective of energyconservation, the two pulses are transparent to oneanother ... we obtain the total energy of the two-pul-se system and can show simply that it is conservedat all times, even during overlap ... The compatibilityof the principles of wave superposition and of energy- momentum conservation has been examined ingeneral terms for two electromagnetic pulses thatpropagate in opposite directions and eventuallyoverlap in free space. The total energy density at anypoint has been shown to be unaffected by theoverlapping of the pulses, thus guaranteeing thatthe total energy of the system is conserved. It wasalso shown that the principle of wave superpositionis fully compatible with the conservation of the totallinear momentum of the overlapping pulses."

Leider behandelt kaum ein Lehrbuch das ThemaEnergieerhaltung bei destruktiver Interferenz. EineAusnahme ist der Klassiker "Vibrations and Waves"von A. P. French 6, der am Beispiel mechanischer Wel-len beschreibt, was genau bei dem verblüffenden

gibt sich genau ein resultierender Energieflussvektor,genauso wie es an jedem Punkt der Leitung immernur einen eindeutigen Wert für Strom und Spannunggibt. Am Ausgang einer korrekt abgeschlossenen Lei-tung herrscht ein bestimmter Energiefluss durch einVolumenelement und eine bestimmte Energiedichtein diesem Volumenelement. Bei einem rein reellenFehlabschluss - egal ob nieder- oder hochohmig - istdort immer reine Wirkleistung vorhanden und ganzunabhängig vom Fehlabschluss gibt es dort niemalsWirkleistung in Richtung Generator, weil unmittelbaram Reflexionspunkt die Feldstärke der reflektiertenWelle nur maximal genauso groß sein kann wie dieder vorlaufenden Welle. Mit der Reflexion bildet sichim Vergleich zur korrekt abgeschlossenen Leitung einEnergiestau im Sinne eines reduzierten Energie-flusses mit gleichzeitig erhöhter Energiedichte. Im Falleines konstanten Generatorsignals läuft die Staufrontzurück zum Leitungseingang und danach herrschtüberall auf der Leitung ein Energiestau mit demsel-ben reduzierten effektiven Energiefluss und dersel-ben erhöhten Energiedichte.

Durch Interferenz der vorlaufenden und rücklau-fenden Wellen existieren dabei im Abstand von λ/4Punkte mit reiner Wirkleistung, dazwischen ist aberzusätzliche Blindleistung vorhanden. Im Fall von Im-pulsbetrieb überlagern sich gegenläufige Wellen-pakete bei ihrer Passage und gehen aus dieser ener-getisch verdichteten Interferenzzone wieder völlig un-verändert hervor. Die Reflexion einer elektromag-netischen Welle kann auf der Leitung abhängig vonder Betriebsart sehr wohl streckenweise oder zeit-weise zu einem Energiefluss in Richtung Generatorführen, aber es gibt niemals und nirgends auf derLeitung zugleich zwei entgegengesetzte Energie-flüsse und sowohl Generator als auch Last geben zujedem Zeitpunkt entweder Leistung ab oder nehmenLeistung auf aber niemals beides zugleich. Die Leitung verhält sich übrigens prinzipiell ge-nauso an einer Gleichspannungsquelle, nur dass sichdann auf ihr keine Interferenzmuster in Form vonStehwellen bilden können. Und so gleicht die Ein-gangsimpedanz einer idealen Übertragungsleitungbei Speisung mittels Gleichspannungsquelle genauwie bei Speisung mittels Hochfrequenzgenerator solange ihrem Wellenwiderstand, bis die Reflexion den

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 6

Nehmen wir nun ein Zoom-Objektiv und beob-achten nur einen kleinen Ausschnitt des Korridors:Besuchergruppen durchqueren unser Blickfeld ab-wechselnd von links nach rechts und von rechts nachlinks. Eine Analogie für reine Blindleistung die dadurchzustande kommt, dass auf der Leitung gegenläufigeelektromagnetische Wellen miteinander interferie-ren. Und wir erkennen, dass dabei nicht etwa ein be-stimmtes Energiequantum abwechselnd hin und herschwappt, sondern dass diesen Ort in Wirklichkeitabwechselnd unterschiedliche Energiequanten ge-genläufiger Wellen passieren. Richten wir unser Zoom auf eine andere Stelle:Zwei gegenläufige Besuchergruppen durchquerenunser Blickfeld immer wieder gleichzeitig, eine vonlinks nach rechts und die andere von rechts nachlinks, eine Analogie für einen Ort mit reinem Wirk-widerstand ohne Blindanteil. Sind die Gruppen gleich-groß wie jetzt, fließt hier gar keine Kaufkraft aber dafürverdoppelt sich ihre Dichte bei jeder Passage im Ver-gleich zur Einzelgruppe. Auf der Leitung entsprichtdas null Leistung, weil der Widerstand unendlich hochoder null ist. Als nur eine Rolltreppe ausgefallen war,hätten wir an dieser Stelle eine vorwärts eilende Grup-pe eine halb so große rückwärts eilende Gruppe pas-sieren gesehen, also ein halb so großer Fluss vonKaufkraft wie am Morgen aber dafür eine um dieHälfte größere Dichte. Auf der Leitung enstpricht dasreiner Wirkleistung in Richtung Last, weil der Wider-stand einen endlichen rein reellen Wert hat. Solche Punkte, an denen Spannung und Stromin Phase sind, existieren auf jeder fehlabgeschlos-senen Leitung im Abstand von λ/4. Hier gibt es überdie gesamte Periode einer Schwingung niemalsEnergiefluss in Richtung Generator, während zwi-schen diesen Punkten zeitweiliger Energiefluss inRichtung Generator stattfindet - sie begrenzen alsoBereiche mit zyklischem lokalem Energieaustausch.

Energiestau durch Fehlanpassung Was am fehlabgeschlossenen Ausgang einerÜbertragungsleitung reflektiert wird, ist zunächstnichts anderes als ein von der Fehlanpassung ab-hängiger Teil der elektromagnetischen Welle, dernach dem Superpositionsprinzip mit der vorwärts lau-fenden Welle interferiert. Jede Teilwelle kann sepa-rat berechnet werden, denn sie verhält sich so, alswäre sie allein im System und sie sieht auch nur des-sen reelle d.h. von anderen Teilwellen unabhängigephysikalische Impedanzen. Das Verhalten des Ge-samtsystems ergibt sich dann als Summe aller Vek-torkomponenten - und weil der Energiefluss das Er-gebnis elektromagnetischer Wellen ist und nicht ihreUrsache, darf er erst aus der resultierenden Gesamt-welle berechnet werden. Deshalb gibt es im überla-gerten elektromagnetischen Feld an jedem Punkt derRaumzeit jeweils genau einen bestimmten elektri-schen und magnetischen Feldvektor und daraus er-

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 7

Leitungseingang erreicht. Der Wellenwiderstand istein Wirkwiderstand und daher auch prinzipiell bis zumEintreffen der Reflexion mit einem normalen Ohm-meter messbar - wäre er das nicht, ließe sich gene-rell keine elektromagnetische Energie von einer Quel-le zu einem Verbraucher transportieren. Dabei wirkter aber im Gegensatz zu einem normalen Widerstandnicht dissipativ, indem er diese Energie in Wärmeumsetzt, sondern absorptiv, indem er sie lediglich auf-nimmt, um sie zwischenzuspeichern und wieder ab-zugeben.

Was die Teilwellen sehen Die Eingangsimpedanz einer Übertragungslei-tung ist die Vektorsumme der vorlaufenden und rück-laufenden Spannungswellen dividiert durch dieVektorsumme der vorlaufenden und rücklaufendenStromwellen. Sie gibt also das Verhältnis von Span-nung und Strom am Leitungseingang wieder und istdamit eine von den Teilwellen abhängige virtuelle aberkeine reelle physikalische Impedanz und deshalbvöllig irrelevant für die Vorgänge aus der Sicht derTeilwellen - wie bereits erläutert verhält sich nämlichgemäß dem Superpositionsprinzip jede Teilwelle so,als wäre sie allein im System, und sieht deshalb auchnur reell vorhandene physikalische Impedanzen. Die vom Generator in die Leitung geschickte vor-laufende Welle sieht genauso wie die von einer fehl-angepassten Last reflektierte Welle stets nur dennominellen Wellenwiderstand der Leitung, der dasVerhältnis von Spannung und Strom in den Teilwellenfestlegt. Obwohl sich die Eingangsimpedanz nacheintreffen der reflektierten Welle ändert, ändert sichdeshalb die vom Generator in die Leitung geschicktevorlaufende Welle nicht und folglich kann es auchkeine totale re-Reflexion geben. Die Leistungsreduk-tion am Leitungseingang beim Eintreffen der reflek-tierten Welle ist also in Wirklichkeit keine Reaktiondes Generators, sondern wird unmittelbar durch diereflektierte Welle verursacht, indem sie mit der vomGenerator in die Leitung geschickten konstanten vor-laufenden Welle interferiert und dabei den beschrie-benen Energiestau mit vermindertem Energieflusserzeugt. Aus Unkenntnis dieser Tatsache behaupten dieAnhänger der re-Reflexions-Hypothese, die vom Ge-nerator in die Leitung geschickte vorlaufende Wellewürde sich abhängig von der Eingangsimpedanz än-dern und verletzen damit das Superpositionsprin-zip. Damit nun aber die auf der Leitung vorlaufendeWelle nach Eintreffen der reflektierten Welle trotz-dem unverändert bleibt - was nachweislich der Fallist - müssen sie an eine totale re-Reflexion der re-flektierten Welle am Leitungseingang glauben, umdiese Änderung der vom Generator abgegebenenenWelle exakt auszugleichen. Weil es diese totale re-Reflexion in Wirklichkeit nicht gibt verwundert es nicht,dass ihr Zustandekommen auch trotz verzweifelter

Versuche von keinem ihrer Anhänger wirklich schlüs-sig begründet werden kann. Die Prägung neuer Ter-mini ist eben oft die bequemste Methode zur Ver-schleierung von Knackpunkten einer falschen Hypo-these. Es ist falsch anzunehmen, die aus der überla-gerten Gesamtwelle abgeleitete virtuelle Impedanzhätte irgendeine Wirkung auf die Teilwellen und zu-dem äußerst inkonsequent, das nur für den Eingangaber sonst für keinen anderen Punkt auf der Leitungzu tun. Man stelle sich eine λ/2 lange am Ende offe-ne Übertragungsleitung vor. Weil die aus der Gesamt-welle abgeleitete Impedanz genau in der Mitte derLeitung einen virtuellen Kurzschluss darstellt, müss-te dort eine Totalreflexion der vorlaufenden Welle ein-treten. Folglich könnte sich auf der Leitung zwischenMitte und Ende keine vorlaufende Welle bilden, aberdann gäbe es keine Reflexion am offenen Leitungs-ende und folglich auch gar keinen virtuellen Kurz-schluss in der Mitte ... Wie man sieht, führt die Nicht-beachtung des Superpositionsprinzips zu einer un-endlichen Reihenentwicklung und zu einem völligundefinierten Systemzustand.

Der Einschwingvorgang Der Einschwingvorgang dauert so lange, bis einstabiler Sytemzustand erreicht ist, und im Falle eineran den Wellenwiderstand der Leitung fehlangepass-ten Last am Leitungsausgang lassen sich drei Be-triebszustände unterscheiden ... 1) Ist der Wellenwiderstand der Leitung an denInnenwiderstand des Generators angepasst, dann istder Einschwingvorgang bereits nach dem Eintreffender reflektierten Welle am Leitungseingang beendetund es herrscht ein Energiestau mit reduziertem Ener-giefluss und erhöhter Energiedichte auf der gesam-ten Leitung. 2) Wird nun irgendwo entlang der Leitung konju-giert komplex angepasst, reflektiert das Anpassnetz-werk einen Teil der vorlaufenden Welle, weil sie dorteine Impedanz sieht, die vom Wellenwiderstand unddamit von dem ihr aufgeprägten Verhältnis von Span-nung und Strom abweicht. Der nicht reflektierte Teilwird durch das Anpassnetzwerk hindurch transmit-tiert und läuft Richtung Last. Die von der fehlange-passten Last reflektierte rücklaufende Welle trifft amAnpassnetzwerk wieder auf eine Impedanzsprung-stelle und folglich tritt dort eine teilweise re-Reflexionein. Der restliche Teil der reflektierten Welle wird durchdas Anpassnetzwerk hindurch in Richtung Genera-tor transmittiert und interferiert auf diesem Weg mitder Teilwelle, die vom Anpassnetzwerk zurück Rich-tung Generator reflektiert wird - diese beiden Teil-wellen haben aber entgegengesetzte Phase und in-terferieren deshalb destruktiv, d.h. sie löschen sichmit jedem Reflexionszyklus mehr und mehr aus. InFolge davon löst sich der anfängliche Energiestauzwischen Generator und Anpassnetzwerk asympto-

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 8

tisch auf und gleichzeitig nähert sich der Energieflussder maximal verfügbaren angepassten Leistung,wobei der Einschwingvorgang nie wirklich beendetwird. Zwischen Anpassnetzwerk und Last herrschtderselbe Energiefluss aber eine erhöhte Energie-dichte. 3) Ist der Wellenwiderstand der Leitung an denInnenwiderstand des Generators fehlangepasst, ent-stehen am Generator teilweise re-Reflexionen. Es er-gibt sich ebenfalls ein asymptotischer Einschwing-vorgang, jedoch mit einem Energiestau auf der ge-samten Leitung. Mehrfachreflexionen erzeugen also einen asymp-totischen Einschwingvorgang und verursachen er-höhte Verluste auf der Leitung sowie Signalverzer-rungen bzw. durch Echos erzeugte "Geistersignale",weshalb die bei Funkamateuren beliebte konjugiertkomplexe Anpassung am Leitungseingang für breit-bandige Signale mit hoher Informationsrate nichtpraktikabel ist - Werden Last oder Generator an denWellenwiderstand angepasst verschwinden dieseGeistersignale, ganz so wie sich das für einen gutenGeist gehört.

Wann der Generator Leistung absorbiert Für den Generator bedeutet dies, dass er imBetriebszustand mit konstantem Ausgangssignalübertragen auf die menschliche Atmung im angepass-ten Fall unabhängig von der Leitungslänge pro Peri-ode zweimal in die Leitung hinein ausatmet unddamit reine Wirkleistung abgibt, aber im unange-passten Fall abhängig von der Leitungslänge zwi-schen dem Ausatmen nichts bis maximal genauso-viel wieder einatmet, also keine bis ausschließlichBlindleistungabgibt / aufnimmt. Der Leitungseingangreagiert damit bei reiner Blindleistung gewissermaßenwie eine elastische Membran, welche die Energieeines mechanischen Impulses aufnimmt aber gleichwieder zurückgibt. Und genau so wie die Atmung pul-siert der Poynting-Vektor auf einer Leitung. Der Ge-nerator nimmt also in diesem Betriebszustand keineWirkleistung aus der Leitung auf, weil die reflektierteund damit rücklaufende Welle niemals stärker seinkann als die vorlaufende Welle. Und weil es dabei ankeinem Punkt auf der Leitung Wirkleistung in Rich-tung Generator gibt, führte schon mein einleitenderSatz "Wohin geht die Leistung ..." auf die falscheFährte. Im Betriebszustand mit nicht konstantem Aus-gangssignal - z.B. gepulst oder moduliert - kann derGenerator allerdings sehr wohl zuvor abgegebeneWirkleistung wieder absorbieren, wenn nämlich amLeitungseingang die Feldstärke eines dort eintreffen-den rücklaufenden Wellenzuges größer ist als die desvorlaufenden Wellenzuges.

Bidirektionale Wattmeter ... ... kann es nicht geben und der Begriff ist unsin-

nig. Die so genannten Geräte sind nur im Amateur-funk gebräuchlich, sie messen lediglich die Amplitu-den der vor- und rücklaufenden Spannungswellen undihre in Watt geeichten Skalen liefern schon prinzipi-ell falsche Werte: Die angezeigte "reflektierte Lei-stung" gibt es überhaupt nicht, aber ihr Wert mussvon der angezeigten vorlaufenden Leistung abgezo-gen werden, um die tatsächliche Wirkleistung auf derÜbertragungsleitung zu erhalten. Die Richtkoppler in diesen Messgeräten entneh-men der Leitung eine Spannungsprobe V = Vv + Vrund eine Stromprobe I = Iv - Ir mit gleichem Kopp-lungsfaktor (v = vorlaufende Welle, r = rücklaufendeWelle). Die reflektierten Komponenten Vr und Ir sindstets exakt gegenphasig, deshalb haben sie entge-gengesetzte Vorzeichen. Die Stromprobe läßt manin umschaltbarer Richtung durch einen dem Wellen-widerstand der Leitung gleichenden Widerstand R =Zo fließen und die über R abfallende Spannung wirdzur Spannungsprobe addiert. Es ergibt sich (Vv + Vr)+ Zo (Iv - Ir) = 2 Vv in einer bzw. (Vv + Vr) - Zo (Iv - Ir)= 2 Vr in anderer Richtung. Die relativen Werte die-ser beiden Spannungen 2 Vv bzw. 2 Vr werden vondiesen Messgeräten angezeigt aber die Eichung ih-rer Skalen in Watt unter der Annahme Pv = Vv² / Zobzw. Pr = Vr² / Zo und ihre Bezeichnung mit "vor-laufender Leistung" bzw. "reflektierte Leistung" ist un-sinnig, weil es auf einer Leitung niemals und nirgendsgegenläufige Energieflüsse gibt. Es existiert nur dietatsächliche Wirkleistung P = V I = (Vv + Vr) (Iv - Ir) =(Vv + Vr) (Vv - Vr) / Zo = (Vv² - Vr²) / Zo wie siekorrekt von den Messgeräten nach Buschbeck an-gezeigt wird. Das Bild auf der Titelseite zeigt eine Kreuzzeiger-Skala der Urform aller Stehwellen-Messgeräte nachBuschbeck (Patenterteilung: 29.8.1939), wie sie bisin die 1980er Jahre in kommerziellen Sendern vonSiemens und Telefunken zu finden waren aber heuteleider nicht mehr gebaut werden. Angezeigt werdendie maximale Spannung in kVeff (linker Skalenbo-gen), das Stehwellenverhältnis VSWR = Umax / Umin(horizontale Skala unter der Kurvenschar) sowie dietatsächliche Wirkleistung auf der Übertragungsleitungin KW (vertikale Skala neben der Kurvenschar). Eininteressanter Artikel 7 über diese Messgeräte wurdein der Amateurfunkzeitschrift "CQ DL" veröffentlicht.

Der mathematische Beweis Die Anhänger der re-Reflexions-Hypothese ge-hen davon aus, dass eine Impedanzsprungstelle Lei-stung reflektiert und rechnen deshalb überlagertenTeilwellen von Strom und Spannung jeweils ihre ei-genen Teilleistungen zu, wobei das Vorzeichen dieRichtung des Energieflusses bestimmt. Ich habe bishierher durch rein logische Argumentation hergelei-tet, dass diese Betrachtungsweise falsch ist, weil esauf einer Leitung niemals und nirgends zugleich zweientgegengesetzte Energieflüsse geben kann. Jetzt

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 9

möchte ich abschließend auch noch den mathemati-schen Beweis dafür liefern, und zwar anhand einerquantitativen Analyse des Einschwingvorgangs beider konjugiert komplexen Anpassung. Ein Generator sieht immer nur die reelle physi-kalische Impedanz einer Übertragungsleitung, alsoihren Wellenwiderstand Zo, der das Verhältnis dervom Generator in die Leitung geschickten vorlaufen-den Welle von Spannung und Strom Vv / Iv = Zo fest-legt. Erreicht diese Welle eine Impedanzsprungstel-le - also eine von der ihr aufgeprägten Impedanz ab-weichende Impedanz Zs <> Zo - wird die hindurchtransmittierte Welle so modifiziert, dass ihr Verhält-nis von Spannung und Strom Vt / It = Zs der neuenImpedanz des Mediums entspricht, in dem sie sichnun weiterbewegt oder von dem sie in eine andereEnergieform umgesetzt wird. Gleichzeitig wird diedadurch ausgelöste Änderung von Vv und Iv reflek-tiert und erzeugt eine rücklaufende Welle, deren Ver-hältnis Vr / Ir = Zo unverändert der alten Impedanzdes Mediums enstpricht, aus dem sie ursprünglichkam und in dem sie sich nun zurückbewegt. DieseReflexion wird quantitativ durch den Reflexionsko-effizienten Γ (Gamma) und seinen Betrag ρ (rho) be-schrieben:

Γ = (Zs - Zo) / (Zs + Zo) = Vr / Vvρ = |Γ|

Ist Zs ein reiner Wirkwiderstand, dann ist auchder allgemein komplexe Reflexionskoeffizient Γ reinreell mit dem Wertebereich -1 ... 1. Im Falle harmoni-scher Schwingungen bestimmt der Betrag ρ des Vek-tors Γ mit dem Wertebereich 0 ... 1 die Amplitude derreflektierten Welle von Spannung und Strom und sei-ne Phase φ den durch die Reflexion erzeugtenPhasenwinkel zwischen vorlaufender und reflektier-ter Welle. Weil Vr und Ir der reflektierten Welle stetsexakt gegenphasig sind und ihr Verhältnis Zo beträgtgilt:

Vr = Γ x VvIr = - Γ x Iv = - Vr / Zo

und für die transmittierte Welle:

Vt = (1 + Γ) x VvIt = (1 - Γ) x Iv = Vt / Z

Zwischen Generator und Impedanzsprungstelleüberlagern sich nun die vorlaufenden und rücklau-fenden Wanderwellen nach dem Superpositionsprin-zip, wodurch im Falle harmonischer Schwingungen

durch konstruktive und destruktive Interferenz eineüberlagerte Gesamtwelle entsteht, deren Amplituden-verlauf eine der Wellenform von Uv und Ur gleichen-de stehende Welle auf der Leitung ausbildet. Das Ver-hältnis von Maxima zu Minima dieser Stehwelle istdas Stehwellenverhältnis VSWR ("Voltage StandingWave Ratio"):

VSWR = (1 + ρ) / (1 - ρ)ρ = (VSWR - 1) / (VSWR + 1)

Jede Impedanzsprungstelle kann als Quelleeiner neuen reflektierten Teilwelle betrachtet werdenund jede reflektierte / transmittierte Teilwelle wirdwiederum an einer Impedanzsprungstelle reflektiert/ transmittiert usw. Die Superposition aller Teilwellenergibt die resultierende Gesamtwelle von V und I aufder Leitung und ihr Verhältnis an einem bestimmtenPunkt ist die Leitungsimpedanz Z = V / I. Dabei han-delt es sich aber um eine virtuelle Impedanz, die vonden Teilwellen abhängig ist indem sie von ihnen er-zeugt wird, aber aus Sicht der Teilwellen völlig be-langlos ist und selbst keine Reflexionen verursachenkann. Im Gegensatz dazu ist eine reelle physikali-sche Impedanz (wie z.B. der Wellenwiderstand Zoeiner Leitung) von den Teilwellen völlig unabhängigund kann selbst Reflexionen erzeugen. Die Frage ist nun, ob im Falle einer fehlabge-schlossenen Übertragungsleitung die vorwärts undrückwärts laufenden Teilwellen von Spannung undStrom tatsächlich separate gegenläufige Energie-flüsse darstellen oder ob es grundsätzlich nur eineneinzigen Energiefluss gibt, nämlich den aus der Su-perposition aller Teilwellen resultierenden. Stellen wir uns zunächst eine 2 λ lange Leitungvor mit Wellenwiderstand Zo = 50 Ω, am Eingang einGenerator mit Urspannung Vg = 100 Veff und Innen-widerstand Rg = 50 Ω, am Ausgang ein Lastwider-stand Rl = 150 Ω. Die Teilwellen durchlaufen also amEingang und am Ausgang der Leitung gleichzeitig ihrepositiven oder negativen Effektivwerte. Die folgendeTabelle zeigt nun in zeitlicher Abfolge von oben nachunten diese Effektivwerte der im System entstehen-den Teilwellen von Spannung und Strom am Leitungs-eingang (linke Tabellenspalte) und am Leitungsaus-gang (rechte Tabellenspalte). Die Spaltenüberschriftzeigt auch den Reflexionskoeffizienten Γ beim Blickin den Generator am Eingang und in die Last amAusgang der Leitung. Die Richtung der Teilwellen istdargestellt durch die Pfeile (>>> vorwärts, <<< rück-wärts). Weil sich die Zustände auf einer Leitung imAbstand von 1 λ exakt wiederholen und die Leitung 2λ lang ist, gelten für ihren Eingang und Ausgangjeweils dieselben Spannungen und Ströme und alleTeilwellen überlagern sich dort ohne Phasendifferenz.Deshalb können dort die Spannungen und Ströme

Leitung Generator 2 Lambda Lastwiderstand 100 V / 50 Ohm 50 Ohm 150 Ohm * * --------------------------------------------------- < Gamma=0.0 Gamma=0.5 > --------------------------------------------------- Teilwellen am Teilwellen am Leitungseingang: Leitungsausgang:

50.0V 1.000A >>> >>> 50.0V 1.000A <<< 25.0V -0.500A 25.0V -0.500A <<<

---------------------------------------------------

75.0V 0.500A < Superposition > 75.0V 0.500A

P = 75.0V x 0.500A P = 75.0V x 0.500A = 37.5W >>> = 37.5W >>> Z = 75.0V / 0.500A Z = 75.0V / 0.500A = 150 Ohm = 150 Ohm

Sobald die reflektierte Teilwelle den Generatoram Leitungseingang erreicht ist das System einge-schwungen. Würde man die Leistung nicht erst ausder superponierten Summe aller Teilwellen von Span-nung und Strom berechnen, sondern die Teilleistungjeder Teilwelle berechnen und dann summieren, er-gäbe sich in beiden Tabellenspalten - also am Lei-tungseingang und am Leitungsausgang - folgendeidentische Leistungsrechnung:

50.0V x 1.000A = 50.000W >>> 25.0V x -0.500A = -12.500W <<< --------

37.500W >>>

Die Leitung würde also auch nach dieser Rech-nung 37.5 W aufnehmen und an den Lastwiderstandabgeben. Die Rechnung scheint korrekt und mankönnte also annehmen, dass vorwärts und rückwärtslaufende Wellen von Spannung und Strom tatsäch-lich separate gegenläufige Energieflüsse darstellen,wobei die Richtung des Energieflusses durch das Vor-zeichen dargestellt wird: Vorwärtsleistung Pv = 50 W,Rückwärtsleistung Pr = -12.5 W. Damit der Generator seine maximal verfügbareangepasste Leistung liefern kann, soll jetzt ein ent-

der Teilwellen ohne Beachtung von Phasenwinkelneinfach summiert werden, um als Superposition dieüberlagerte Gesamtwelle zu erhalten und daraus die

Leistung P = 37.5 W und die Leitungsimpedanz Z =150 Ω am Eingang und Ausgang der Leitung zu be-rechnen:

sprechendes Anpassnetzwerk genau in der Mitte derLeitung eingefügt werden. An dieser Stelle ist nichtsweiter als ein einfacher Transformator erforderlich mitImpedanzverhältnis 1:3 = Spannungsverhältnis1 : 1.73 = Stromverhältnis 1.73 : 1 (Generatorseite :Lastseite), der die Leitung jetzt in zwei 1 λ lange Seg-mente teilt. Die Teilwellen sehen also unabhängig vonder Leitungsimpedanz immer eine reelle physikali-sche Impedanz von Z = Zo / 3 = 16.7 Ω an der Gene-ratorseite und Z = Zo x 3 = 150 Ω an der Lastseitedes Trafos. Die folgende Tabelle zeigt wieder in zeit-licher Abfolge von oben nach unten die Effektivwerteder im System durch Reflexion und Transmission ent-stehenden Teilwellen von Spannung und Strom amLeitungseingang (linke Tabellenspalte) und am Lei-tungsausgang (rechte Tabellenspalte). Die Spalten-überschrift zeigt auch den Reflexionskoeffizienten Γbeim Blick in den Generator am Eingang und in dieLast am Ausgang der Leitung sowie von beiden Sei-ten in den Trafo. Die vertikale Spaltentrennungsliniesymbolisiert den Trafo, Transmissionen werden dortmit "T" und Reflexionen mit "R" und Richtungspfei-len dargestellt. Für Eingang, Ausgang und Mitte derLeitung gelten jeweils dieselben Spannungen undStröme und alle Teilwellen überlagern sich dort ohnePhasendifferenz:

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 10

Leitungssegment | Leitungssegment 1 Lambda | 1 Lambda 50 Ohm Trafo 50 Ohm Z=1:3 Generator U=1:1.73 Lastwiderstand 100 V / 50 Ohm I=1.73:1 150 Ohm * * * --------------------------------------------------- < Gamma=0.0 Gamma=-0.5 >|< Gamma=0.5 Gamma=0.5 > -------------------------|------------------------- Teilwellen am | Teilwellen am Leitungseingang: | Leitungsausgang: | 50.0V 1.000A >>> | <<<R|T>>> -25.0V 0.500A <<< | >>> 43.3V 0.866A | <<< 21.7V -0.430A <<<T|R>>> 18.8V -0.370A <<< | >>> 10.8V 0.220A | <<< 5.4V -0.110A <<<T|R>>> 4.7V -0.095A <<< | >>> 2.7V 0.055A | <<< 1.35V -0.028A <<<T|R>>> 1.2V -0.024A <<< | >>> 0.68V 0.014A | <<< 0.34V -0.007A <<<T|R>>> 0.3V -0.006A <<< | | etc. | etc. | ---------------------------------------------------

50.0V 1.005A < Superposition > 86.3V 0.580A

P = 50.0V x 1.005A P = 86.3V x 0.580A = 50W >>> = 50W >>> Z = 50.0V / 1.005A Z = 86.3V / 0.580A = 50 Ohm = 150 Ohm

Es handelt sich hierbei um eine sogenanntekonjugiert komplexe Anpassung, weil bei einem ge-dachten Auftrennen der Leitung an beliebiger Stelledie Impedanzen beim Blick in beide Leitungsstückezueinander konjugiert komplex sind, d.h. Real- undImaginärteil sind jeweils betraglich gleichgroß aberdie Vorzeichen der Imaginärteile sind umgedreht. Dieanfänglich vom Generator kommende und durch denTrafo hindurch transmittierte Teilwelle wird zyklischam Lastwiderstand und danach am Trafo teilweisereflektiert, wobei die rückwärts durch den Trafo inRichtung Generator transmittierten Teilwellen exaktin Gegenphase zu der Teilwelle sind, welche die ur-sprüngliche Fehlanpassung ausgelöst hat. Der einge-schwungene Zustand des Systems wird nie vollstän-dig erreicht, aber die Amplitude der rückwärts durchden Trafo transmittierten Teilwelle geht asymptotischgegen null. Dabei neutralisiert sie die ursprüngliche

Reflexion am Trafo bei jedem Zyklus mehr und mehr,bis der Generator seine maximal verfügbare ange-passte Leistung von 50 W in die Leitung liefert unddiese vom Lastwiderstand vollständig aufgenommenwird. Die sich während des Einschwingvorgangs bil-denden reflektierten / transmittierten Teilwellen blei-ben bestehen bis eine Änderung des Generatorsig-nals einen neuen Einschwingvorgang nötig machtoder der Generator abgeschaltet wird - ohne ihr Zu-sammenwirken würde die Anpassung zusammenbre-chen. Wegen des Superpositionsprinzips und der Tat-sache, dass die Teilwellen nur reele physikalische Im-pedanzen sehen, funktioniert diese konjugiert kom-plexe Anpassung nicht so, wie wir uns das allgemeinvorstellen. Das Anpassnetzwerk verhindert nämlichkeineswegs die ursprüngliche Reflexion in RichtungGenerator sondern sorgt dafür, dass die an ihm re-

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 11

flektierte und zum Generator zurücklaufende Teilwellemit anderen zum Generator zurücklaufenden Teil-wellen destruktiv interferiert, nämlich mit den von derfehlangepassten Last am Leitungsausgang reflektier-ten und teilweise rückwärts durch das Anpassnetz-werk transmittierten Teilwellen. Mit anderen Worten:Die mehrfachen Reflexionen an einer fehlangepass-ten Last und die ursprüngliche Reflexion einer dazureziproken Fehlanpassung am Anpassnetzwerk ma-chen sich im Leitungssegment zwischen Generatorund Anpassnetzwerk gegenseitig durch destruktiveInterferenz unschädlich. Die konjugiert komplexe Anpassung ist übrigenskein Spezialfall - jede reale Zwangsanpassung durchein Anpassnetzwerk funktioniert nach diesem Prin-zip, wobei Art und Länge der beiden Leitungsseg-mente variieren. Fügen wir z.B. das Anpassnetzwerkam Ende der Leitung unmittelbar vor der Last ein,benötigen wir in der Realität immer noch ein endlichkurzes Leitungssegment zum Lastwiderstand, und seies nur eine kurze Drahtbrücke. Je kürzer diesesLeitungssegment, umso schneller und Verzerrungs-ärmer ist der Einschwingvorgang und umso niedri-ger sind die Zusatzverluste. So ergibt sich in der Tabelle aus der super-ponierten Gesamtwelle von Spannung und Strom anbeiden Leitungsenden eine Leistung von P = 50 Wsowie eine Leitungsimpedanz von Z = 50 Ω am Ein-gang und Z = 150 Ω am Ausgang der Leitung. Dassder Einschwingvorgang in der Tabelle korrekt darge-stellt wird, läßt sich sehr einfach durch eine Spice-Simulation verifizieren. Würde man stattdessenwieder die Leistung jeder Teilwelle berechnen unddann summieren, ergäbe sich in der rechten Tabel-

lenspalte - also am Leitungsausgang - folgende ab-weichende Leistungsrechnung:

43.3V x 0.866A = 37.498W >>> 21.7V x -0.43A = -9.331W <<< 10.8V x 0.22A = 2.376W >>> 5.4V x -0.11A = -0.594W <<< 2.7V x 0.055A = 0.149W >>> 1.35V x -0.028A = -0.038W <<< 0.68V x 0.014A = 0.009W >>> 0.34V x -0.007A = -0.002W <<< ------- 30.067W >>>

Die Leitung würde also nach dieser Rechnungnur 30 W an den Lastwiderstand abgeben - was ganzoffensichtlich falsch ist ! Um herauszufinden, wes-halb die Summierung der Teilleistungen in den Teil-wellen jetzt nicht mehr funktioniert, wollen wir nunfolgendes tun: Wir berechnen die Leistung auf demLeitungssegment zwischen Trafo und Lastwiderstandbeginnend mit der ursprünglichen vorlaufenden WelleP = V x I und dann bei jeder Reflexion am Lastwider-stand oder am Trafo immer wieder neu und zwar insymbolischer Form, wobei V und I für die Effektiv-werte der ursprunglichen Spannungs- und Stromwelleauf der Leitung stehen. Die Berechnung der Leistungsoll als Doppelzeile nach zwei unterschiedlichen Me-thoden durchgeführt werden: In der 1. Zeile P

1 als

Summe der in den Teilwellen enthaltenen Teil-leistungen und in der 2. Zeile P

2 als Leistungsprodukt

der superponierten also summierten Spannungen undStröme der Teilwellen. Die Rechnung bis zur 3. Re-flexion an der Last sieht dann so aus:

P1 = V x I

P2 = V x I

P1 = V x I + ΓV x -ΓI

P2 = (V + ΓV) x (I - ΓI)

P1 = V x I + ΓV x -ΓI + Γ2V x Γ2I

P2 = (V + ΓV + Γ2V) x (I - ΓI + Γ2I)

P1 = V x I + ΓV x -ΓI + Γ2V x Γ2I + Γ3V x -Γ3I

P2 = (V + ΓV + Γ2V + Γ3V) x (I - ΓI + Γ2I - Γ3I)

P1 = V x I + ΓV x -ΓI + Γ2V x Γ2I + Γ3V x -Γ3I + Γ4V x -Γ4I

P2 = (V + ΓV + Γ2V + Γ3V + Γ4V) x (I - ΓI + Γ2I - Γ3I + Γ4I)

P1 = V x I + ΓV x -ΓI + Γ2V x Γ2I + Γ3V x -Γ3I + Γ4V x -Γ4I + Γ5V x -Γ5I

P2 = (V + ΓV + Γ2V + Γ3V + Γ4V + Γ5V) x (I - ΓI + Γ2I - Γ3I + Γ4I - Γ5I)

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 12

P1 = VI

P2 = VI

P1 = VI - Γ2VI

P2 = VI - Γ2VI

P1 = VI - Γ2VI + Γ4VI

P2 = VI + Γ2VI + Γ4VI

P1 = VI - Γ2VI + Γ4VI - Γ6VI

P2 = VI + Γ2VI - Γ4VI - Γ6VI

P1 = VI - Γ2VI + Γ4VI - Γ6VI + Γ8VI

P2 = VI + Γ2VI + Γ4VI + Γ6VI + Γ8VI

P1 = VI - Γ2VI + Γ4VI - Γ6VI + Γ8VI - Γ10VI

P2 = VI + Γ2VI + Γ4VI - Γ6VI - Γ8VI - Γ10VI

DJ5IL radio topics: Energiefluss auf Übertragungsleitungen 13

Werden die Terme ausmultipliziert, zusammengefasstund vereinfacht geschrieben ergibt sich:

P1 und P

2 sind nur bis zur zweiten Doppelzeile

identisch, also bis zur ersten Reflexion an der Last.Bis zu diesem Punkt liefern also beide Berechnungs-methoden dasselbe Resultat und man könnte anneh-men, dass beide Betrachtungsweisen zulässig sind.Bei einer fehlabgeschlossenen Übertragungsleitungohne konjugiert komplexe Anpassung wäre hier dereingeschwungene Zustand bereits erreicht. Ab der dritten Doppelzeile, also der ersten Re-flexion am Trafo, unterscheiden sich jedoch die Vor-zeichen einiger Terme und damit die nach beiden Me-thoden berechneten Leistungen. Ab hier liefert nurdie 2. Methode das korrekte Eregebnis, also die An-nahme eines einzigen Energieflusses auf der Leitung,der sich aus dem Leistungsprodukt der superponier-ten Spannungen und Ströme aller Teilwellen ergibt.Die 1. Methode, also die Betrachtungsweise der An-hänger der re-Reflexions-Hypothese dass jede Teil-welle ihre eigene Teilleistung besitzt, ist damit defini-tiv falsch, obwohl sie bis zur 1. Reflexion an der Lastauch das korrekte Ergebnis liefert. Schreibt man alleZeilen der korrekten Methode hintereinander ...

... lässt sich auch das Konstruktionsschema dieserReihenentwicklung erahnen: 1) In Zeile n kommt ein

P2 = VI

P2 = VI - Γ2VI

P2 = VI + Γ2VI + Γ4VI

P2 = VI + Γ2VI - Γ4VI - Γ6VI

P2 = VI + Γ2VI + Γ4VI + Γ6VI + Γ8VI

P2 = VI + Γ2VI + Γ4VI - Γ6VI - Γ8VI - Γ10VI

neuer Term Γ2(n-1)VI hinzu, 2) das Vorzeichen die-ses Terms ist - bei geradem und + bei ungeradem nund 3) das Vorzeichen dieses Terms wechselt in denn-1 ersten Zeilen und bleibt dann konstant. In Nähe-rung ergibt sich deshalb das Ergebnis als Summealler Terme, während bei der falschen Methode dasVorzeichen bei jedem neuen Term wechselt.

Fazit Es gibt keine Reflexion von Leistung an einerImpedanzsprungstelle, keine gegenläufigen Wirklei-stungen an irgendeinem Punkt einer Leitung und des-halb auch auch keine totale re-Reflexion von Lei-stung am Generator. Wir müssen uns klarmachen,dass der Energiefluss die Folge elektromagnetischerFelder ist und nicht ihre Ursache und deshalb dürfenwir ihn erst aus der Summe aller Teilwellen berech-nen. Dabei müssen wir in den Begriffen reflektierterWellen anstatt reflektierter Leistungen denken undalle Teilwellen so berechnen, als wären sie jeweilsganz allein im System. Erst wenn wir diese Regelnbeachten, sind die Vorgänge auf einer Übertragungs-leitung einfach verständlich und korrekt darstellbar.

* * *

1. Maxwell, M. Walter: Reflections - Transmission Lines and Antennas. Ame-rican Radio Relay League, 1990.2. Zirkulatoren sind passive Bauelemente der Hoch- und Höchstfrequenz-technik mit drei Anschlüssen (Ports), die auf Faraday-Rotatoren aus Ferritenin Hohlleiter- oder Streifenleitungstechnik basieren. Sie enthalten Dauer-magnete, in deren magnetischem Gleichfeld das Ferrit vormagnetisiert undseine Permeabilität von der Feldrichtung abhängig wird. Dadurch entstehteine nicht-reziproke Übertragung zwischen den Ports indem ein Signal, dasin einen Port eingespeist wird, nur zum jeweils nächsten Port in Rotations-richtung (also quasi im Kreis) weitergeleitet wird.3. Feynman, Richard P. / Leighton, Robert B. / Sands, Matthew: The FeynmanLectures on Physics, Definitive Edition, Volume II. Addison-Wesley, 2006.4. Gauthier, N.: "What happens to energy and momentum when twooppositely-moving wave pulses overlap ?", American Journal of Physics,Vol. 71, No. 8, August 2003, S. 787 ff.5. Galili, Igal / Goihbarg, Elisabetta: "Energy transfer in electrical circuits: Aqualitative account", American Journal of Physics, Vol. 73, No. 2, February2005, S. 141 ff.6. French, A. P.: Vibrations and Waves. Norton, New York, 1971.7. Brandt, Hans-Joachim / DJ1ZB: "Die 'Urform' nach Buschbeck", CQ DL,März 2004, S. 188 ff.

DJ5IL_rt002.pdfOriginalversion: 17.7.2011Revisionen: 31.7.2011, 17.10.2011, 25.10.2011, 30.10.2011, 2.11.2011,12.11.2011, 9.7.2012