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Energietechnik || Energetische Verwertung von Biomasse

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Page 1: Energietechnik || Energetische Verwertung von Biomasse

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14 Energetische Verwertung von Biomasse

Etwa 0,1 % der Solarenergie wandeln sich durch Photosynthese aus dem Kohlendioxid der Luft in Biomasse um. Die Biomassen sind als Festbrennstoff nutzbar oder zu gasförmigen Brennstoffen weiterverarbeitbar. Zwei Arten von Biomassen sind zu unterscheiden: Anfallende Biomasse Angebaute Biomasse

Bild 14.1: Überblick der energischen Nutzung von Biomasse

Als anfallende Biomassen gelten Hölzer der Forstwirtschaft und holzverarbeitenden Industrie sowie landwirtschaftliche Abfall- und Nebenprodukte wie Stroh und Fäkalien. Langfristige Projekte propagieren den Anbau von Energiepflanzen, die als Festbrennstoff oder als Aus-gangsmaterial für flüssige und gasförmige Brennstoffe dienen. Als angebaute Biomassen kom-men schnellwachsende Gräser (C4-Pflanzen), Raps und Miscanthus infrage. Anfallende Bio-masse, also Abfallbiomasse, ist deutlich preisgünstiger als angebaute Biomasse. Bild 14.1 gibt den Überblick zur energetischen Nutzung. Wegen des geringen volumenbezogenen Heizwertes der Biomassen sind Transportwege zu minimieren. Nur kleine, dezentrale Anlagen am Ort des Biomassenanfalls sind sinnvoll, die Leistungen bis in den unteren Megawattbereich aufweisen. Zunehmende Bedeutung gewinnt in Deutschland die Produktion von Biodiesel, der meist aus Rapsölmethylester besteht. Auch raffinierte Pflanzenöle in Speisequalität können in entspre-

H.-J. Allelein et.al., Energietechnik DOI 10.1007/978-3-8348-2279-6_14, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

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14.1 Thermische Verfahren 351

chend umgerüsteten Dieselmotoren verwendet werden, wobei allerdings die meisten Automo-bilhersteller ihre Motoren hierfür nicht freigeben. In steigendem Umfang werden Pflanzenöle in stationären BHKW genutzt, da dies durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG und das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz gefördert wird. Zwar ist die Herstellung von biogenen Kraft-stoffen für mobile Anwendungen nicht Gegenstand dieses Buches, doch sei hier ein Überblick über die verschiedenen Arten gegeben: Reine Pflanzenöle in raffinierter Qualität für Dieselmotoren. In Vorkammermotoren kön-

nen Pflanzenöle, zumindest niedrigviskose, ohne motorische Umbaumaßnahmen genutzt werden. Bei modernen direkt einspritzenden Motoren müssen die Pflanzenöle auf ca. 80 bis 90 °C vorgewärmt werden, damit die Viskosität auf Werte reduziert wird, die die Kraft-stoffpumpe und die Einspritzsysteme verarbeiten können [14.9]. Rapsöl hat beispielsweise bei Umgebungstemperatur Viskositätswerte von über 70 mm2/s, während Dieselkraftstoff etwa 5 mm2/s aufweist. Ansonsten gibt es Verkokungen und Ablagerungen sowie lokale Überhitzungen, die die Motoren zerstören.

Biodiesel sind veresterte Pflanzenöle. Diese lassen sich für Dieselmotoren ohne Umbau-maßnahmen direkt verwenden. Ester sind jedoch auch chemische Lösungsmittel, so dass die Verwendung von resistenten Dichtungsmaterialien im Motor ratsam ist.

Bioethanol für Ottomotoren. Ethanol, Trinkalkohol, lässt sich aus verschiedenen zucker-, stärke- und cellulosehaltigen Pflanzen durch Vergärung gewinnen.

Biogase, speziell Methan. Kann in umgerüsteten Ottomotoren genutzt werden. Synthetische Biokraftstoffe, auch Synfuel, Sunfuel oder BtL (Biomass to Liquid) genannt.

Hierunter wird die Konversion von Biomassen zu flüssigem Kraftstoff, der dem von Kraft-stoffen aus fossilen Quellen ähnlich ist, verstanden. Vorteil ist es, dass alle Biomassen verwendet werden können. So können gesamte Pflanzen, nicht nur die Körner, auch Ab-fallholz usw. verwertet werden. Zunächst wird die Biomasse verkokt, also im Wesentlichen in Kohlenstoff C reduziert. Daraus werden mit Wasserdampf CO und H2 gebildet und ab-schließend mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren oder der Methanol-Synthese Flüssigkraft-stoff hergestellt. Diese Verfahren sind derzeit Gegenstand intensiver Forschung an ver-schiedenen deutschen Hochschulen und Forschungsinstitutionen. Sie versprechen hochwer-tige Kraftstoffe.

Die energetische Nutzung der Biomassen weist in Deutschland hohe Wachstumsraten auf. Einen Überblick der Entwicklung in Deutschland gibt [14.5].

14.1 Thermische Verfahren Analog der thermischen Verwertung von Kohle sind drei Verfahren bei kohlenstoffreichen Biomassen anwendbar, die sich durch die Sauerstoffzufuhr, bzw. die Luftzahl unterscheiden: Verfahren der thermischen Behandlung: Pyrolyse Vergasung Verbrennung.

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352 14 Energetische Verwertung von Biomasse

Tabelle 14.1: Vergleich der Feuerungstechniken für stückige Biomasse

Rostfeuerung Unterschub-feuerung

Einblas- feuerung

Wirbelschicht-feuerung.

Vergaser/ Vorofen- feuerung

Leistung/MW 0,1 bis 80 0,1 bis 5 1 bis 10 über 5 bis 1

Brennstoff-stückgröße

50-150 mm Kantenlänge

10-50 mm 10-20 mm ca. 50 x 50 mm Pellets, 10-20 mm

Vorteile Breites Brenn-stoffspektrum

Bst.spektrum, einfache Tech-nik

Regelbarkeit, Emissionen

Regelbarkeit, Ausbrand, Zugaben

geringe Emissionen

Nachteile Schmutz, Hohe Investition

Regelung, Entaschung

Anfahren, gleichbleibende Brennstoff-qualität

NOx-Emissionen hohe Investi-tions- und Betriebs-kosten

14.1.1 Pyrolyse Bei der Pyrolyse erfolgt die thermische Konversion des Bio-Brennstoffs unter Sauerstoffaus-schluss. Dabei werden Wasserdampf, Wasserstoff, Methan und andere Gase freigesetzt. Übrig bleibt als Festbrennstoff nutzbarer kohlenstoffreicher Koks. Für Biomassen ist dieses Verfah-ren nicht üblich.

14.1.2 Verbrennung Die Verbrennung erfolgt mit Luftüberschuss und oxidiert die organischen Kohlenwasserstoff-Verbindungen zu H2O und CO2. Die freiwerdende Wärme ist direkt oder als Wärmequelle für Dampfkraftwerke nutzbar. Die Leistungen der Biomasse-Kraftwerke sind entsprechend gering, ebenso die Frischdampfwerte mit pFD = 40 bar, TFD = 420 °C [14.1] niedrig. Aus wirtschaft-lichen Gründen wird die Kraft-Wärme-Kopplung mittels Gegendruck- oder Entnahmeturbine angestrebt. Die Schaltung ist einfach und die Verbrennungstechnik der Biomasse angepasst. Tabelle 14.1 zeigt den Stand der Feuerungstechnik für Biomasse im Vergleich.

Bild 14.2: Prinzip einer Rostfeuerung (Schrägrost oder beweglicher Rost)

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14.1 Thermische Verfahren 353

Die Rostfeuerung (Bild 14.2) ist am verbreitetesten. Die feste Biomasse verbrennt auf dem Rost, die Verbrennungsluft wird von unten zugeführt. Rostfeuerungen erlauben die zuverlässi-ge Verbrennung von Biomassen unterschiedlicher Feuchte und schwankender Heizwerte. Holz wird als Hackschnitzel oder als Abfallstücke der holzverarbeitenden Industrie zugeführt, wäh-rend Stroh oder andere lose Biomassen vorab pelletiert werden. Die Abgase weisen Staub, CO und NOx auf, die entsprechend den jeweiligen Verordnungen oder Gesetzen zu reinigen sind. Tabelle 14.2 gibt die derzeit in Deutschland gemäß Bundes-Immissionsschutz-Gesetz [14.2] geltenden Grenzwerte für die einzelnen Leistungsgruppen wieder.

Tabelle 14.2: Grenzwerte für Emissionen aus thermischen Biomasseanlagen [14.1, 14.2]

Thermische Leistung Verordnung Bezugs

Sauerstoff Staub- gehalt

Kohlen-monoxid CO

Organ. Stoffe Ges. C

Stickoxide NOx

kW Vol.% mg/m3 mg/m3 mg/m3 mg/m3

10-15 1. Bim-SchV 13 150 4.000 – –

50-100 1. Bim-SchV 13 150 2.000 – –

150-500 1. Bim-SchV 13 150 1.000 – –

500-1.000 1. Bim-SchV 13 150 500 – –

1.000-5.000 4. Bim-SchV A-Luft

11 150 250 50 500

5.000- 50.000

4. Bim-SchV TA-Luft

11 50 250 50 500

14.1.3 Thermische Vergasung Die thermische Vergasung von Holz war in Deutschland bis vor 60 Jahren weit verbreitet. Die Anlagen sind kompakt herzustellen, so dass sie selbst mobil in Fahrzeugen als Brenngasliefe-rant für Ottomotoren dienten. Wie bei der Kohlevergasung wandelt sich der Kohlenstoff über unvollständige Verbrennungsvorgänge in das brennbare Gas CO um. In deutlich geringerer Konzentration wird über das Wasser Wasserstoff H2 und Methan CH4 erzeugt:

C + O2 CO2 Gl. (14.1) (exotherme Reaktion zur Aufheizung des Kohlenstoffs C)

C + CO2 2 CO Gl. (14.2) C + H2O CO + H2 Gl. (14.3) C + 2 H2 CH4 Gl. (14.4)

Weitere Reaktionen sind nachweisbar. Da die Luft viel N2 enthält und sich CO2 im Synthese-gas vorfindet, ist der Heizwert gering (Schwachgas). Mehrere technische Ausführungen sind bekannt: Schachtvergaser mit seinen Untervarianten

– aufsteigende Vergasung – absteigende Vergasung

Wirbelschichtvergaser Flugstromvergaser.

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354 14 Energetische Verwertung von Biomasse

Für kleine Einheiten ist der Schachtvergaser üblich. Betriebstechnisch ist stückige Biomasse günstig, also Holz, Hackschnitzel oder pelletierte Biomasse, die auch eine kontinuierliche Zufuhr erlauben.

Bild 14.3: Imbert-Vergaser im Schnitt

Der klassische Imbert-Abstromvergaser, Bild 14.3, ist wärmetechnisch optimiert. Die Verga-sungsluft wird durch das abströmende heiße Synthesegas vorgewärmt und strömt ringförmig in die verengte Reaktionszone. Die exotherme Verbrennung zu CO2 bringt das darüber befindli-che Holz zum Glühen. Der glühende Kohlenstoff reagiert bei dem eingestellten Sauerstoff-mangel gemäß Gleichungen 14.2 bis 14.4. Die Verengung verhindert ein zu schnelles Nachrut-schen des Holzes. Die Verengung ist an die zu vergasende Biomasse und deren Stückgröße anzupassen. Für das Nachrutschen der stückigen Biomasse ist zu sorgen. Das Synthesegas entweicht durch die untere heiße Zone über den Brennstoff- und Luftvorwärmer durch eine Kühlfalle und einen Filter, in denen sich Teere und Kondensat abscheiden. Die Abkühlung ist für den hinreichenden Füllgrad des Ottomotors nötig. Beim Aufstrom-Vergaser strömt das Synthesegas durch die obere Brennstoffschüttung und kühlt sich etwas ab. Das so geführte Gas enthält mehr Teeranteile, was diese Variante uninteressant macht. Eine moderne Holzvergaser-anlage arbeitet mit zwei räumlich teilweise separierten Reaktoren, die die Pyrolysezone von den Verbrennungs- und Reaktionszonen trennt. Dieser als NOTAR bezeichnete Reaktor ver-spricht besonders niedrige Teeremissionen [14.10]. Dieses teerarme Synthesegas soll sich ohne separate Teerabscheidung für den Betrieb von Ottomotoren eignen. Die Leistung des mit kühlem Holzgas betriebenen Ottomotors beträgt etwa 50 bis 75 % vergli-chen zum Betrieb mit Erdgas. Eine Leistungssteigerung und Erhöhung der Zuverlässigkeit ist durch den Zündstrahlbetrieb möglich (Kap. 8). Wirbelschichtvergaser und Flugstromvergaser sind größeren Leistungseinheiten von über 10 MW vorbehalten, die für Biomasseanlagen wegen des notwendigerweise großen Sammel-gebietes mit langen Brennstoff-Transportwegen als kaum wirtschaftlich gelten.

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14.2 Bakterielle Vergasung 355

14.2 Bakterielle Vergasung Im Gegensatz zur thermischen Vergasung benötigt die anaerobe Vergasung Biomassesubstrate mit einem Feuchtegehalt von mindestens 90 %. Hierfür geeignet sind: Fäkalien aus der Landwirtschaft Klärschlämme aus der Abwasserreinigung Organische Abfälle aus der Nahrungsmittelindustrie und der Landwirtschaft

Während bisher die umweltschonende Entsorgung im Vordergrund stand, hat die finanzielle Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG und das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz KWKG (siehe Übersicht für Biogasanlagen in [14.6]) einen Boom von Biogasanlagen in Deutschland hervorgerufen. Dadurch wurde die verfügbare Biomasse knapp bzw. teuer, da auch Nahrungs- und Futtermittel wie Maissilage vergast wurden. Der Zubau kam deshalb im Jahr 2007 ins Stocken. Anaerobe Biogasanlagen bestehen aus dem luftdichten, wärmeisolierten Faulbehälter, der mit Hilfsaggregaten zur Zuführung, Beheizung, Entladung des ausgefaulten Dungs versehen ist und dem Gasspeicher. Bild 14.4 zeigt die schematisierte, stark vereinfachte Schnittdarstellung einer anaeroben Biogasanlage. Ideale Gasproduktion findet bei 30 bis 55 °C statt. Diese Temperatur kann sich je nach Witte-rungsbedingungen oder nach Substratzusammensetzung bei hinreichender Isolierung durch die mikrobiellen Prozesse im Faulbehälter selbst einstellen. Gegebenenfalls ist der Behälter zu erwärmen, sinnvollerweise durch das erzeugte Biogas selbst. Das Faulgas besteht vorwiegend aus Methan (55 bis 85 %), wobei der Anteil von der Substratzusammensetzung abhängt [14.3]. Das Gas wird über die Methangärung durch ein Bakteriengemisch unter Sauerstoffabschluss erzeugt. Die Methangärung kann durch drei Prozessstufen beschrieben werden [14.3]: 1. Hydrolyse, d. h. Auftrennung komplexer Moleküle wie Proteine, Fette, Kohlehydrate in

niedermolekulare Verbindungen. 2. Versäuerung bzw. Säureaufschluss, bei dem säurebildende Bakterien diese kurzmolekula-

ren Verbindungen in kurzkettige organische Säuren (z. B. Propionsäure) oder Alkohole umformen.

3. Essigsäurebildung. Die Bakterien generieren weitere einfache Verbindungen wie CO2, H2, H2S, NH3, Salze, aber auch Essigsäure CH3COOH.

4. Synthese bzw. Methanbildung, bei dem Methan CH4 entsteht.

Bild 14.4: Aufbau einer anaeroben Biogasanlage

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356 14 Energetische Verwertung von Biomasse

Die Reaktionen und somit Gasproduktion, Gaszusammensetzung und Rückstände werden von den wässrigen Ausgangsstoffen beeinflusst. Schwefelhaltige Biomassen erzeugen natürlich viel H2S. Lignin ist mikrobiell nur langsam abbaubar, so dass ligninhaltige Stoffe (Holz, faser-haltige Pflanzen, Kot von Wiederkäuern) geringe Gasausbeute und lange Faulzeiten ergeben. Die Ausbeute an Biogas hängt in erster Linie vom Substrat ab sowie vom Feuchtegehalt, der Verweilzeit im Faulbehälter, der Temperatur und der Anlagenbetriebszeit. Es ist mit großen Unterschieden zu rechnen, selbst bei gleichem Ausgangsmaterial. Tabelle 14.3 gibt einen Überblick der zu erwartenden Gaserträge (aus [14.3], [14.7] und [14.8]). Die publizierten Er-träge variieren beträchtlich, selbst in den unterschiedlichen Veröffentlichungen der Fachagen-tur Nachwachsende Rohstoffe e.V. [14.7], [14.8]. Der Gasertrag ist in Volumen pro Gewicht frischer Biomasse angegeben. Zur genaueren Ertragsanalyse müssen die Trockensubstanz und die organische Trockensubstanz bekannt sein.

Tabelle 14.3: Gasproduktion und Faulzeit bei 30 °C

Biomasse Gasmenge Faulzeit CH4-Gehalt Gasmenge, Bezug zu Gesamtmenge in Tagen

m3/t FM Tage 10 Tage 15 Tage 20 Tage

Rindergülle 20–30 60 %

Schweinegülle 20–35 65 %

Rindermist 40–50 117 60 % 24 % 36 % 48 %

Schweinemist 55–65 115 60 % 40 % 57 % 68 %

Hühnermist 70–90 60 %

Übl. Bioabfall 80–120 61 %

Rübenblätter 70 14 54 % 99 % 100 % 100 %

Grünschnitt 150–200 24 55 % 87 % 96 % 99 %

Futterrübe 111 51 %

Roggen Ganz-pflanzensilage

170–220 52 %

Grassilage 172–185 54 %

Maissilage 170–202 52 %

Eine vollständige Ausfaulung benötigt Zeit. Die Gasproduktion ist in den ersten Tagen heftig und fällt asymptotisch ab. Deshalb wird oft auf die vollständige Ausfaulung verzichtet, um einen größeren Durchsatz bzw. vernünftige Baugrößen zu erzielen. Als Anhaltswert kann eine Reaktorleistung von 1 m3 Gas pro Tag und pro m3 Faulraum mit einem Heizwert von 5 bis 7,5 kWh/m3 gelten (entsprechend 1,5 bis 3 kWhel), wobei in Deutschland noch 20 – 30 % Gaseigenverbrauch zur Faulbehälterheizung abgehen [14.4], [14.7]. 200 Kühe oder 1500 Mastschweine oder 65000 Masthähnchen erzeugen etwa 250 bis 400 m3 Biogas pro Tag [14.7]. In der kalten Jahreszeit ist mit einem höheren Eigenverbrauch zur Aufrechterhaltung der güns-tigen Gärtemperatur einzuplanen. Dies ist ein energietechnischer Nachteil, denn im Winter herrscht ein höherer Energiebedarf.

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Übungsaufgaben 357

Entsprechend aufbereitetes Biogas lässt sich auch in Erdgasnetze einspeisen. Die notwendigen Aufbereitungsschritte sind allerdings aufwändig und umfassen die Trocknung, Störstoffab-trennung (hauptsächlich Entschwefelung), Methankonzentrierung (auf über 95 %) und Fein-reinigung. Die Einspeisestation umfasst u. a. Druckregelung, Gasmessung und Analyse. Die Biomasse wird nicht vollständig vergast. Der Gärrest wird entwässert, über mehrere Wo-chen aerob stabilisiert und dabei mehrfach vermischt. Danach wird dieser Rohkompost mit anderen Erden oder Komposten gemischt und nachverrottet, bis dass er letztlich als Kompost in der Landwirtschaft Verwendung finden kann. Die anfallende Gärflüssigkeit muss gleichfalls nachbehandelt werden, bevor auch diese in der Landwirtschaft nutzbar ist. Die derzeitige, festgelegte Vergütung für die elektrische und thermische Energie nach dem EEG und dem KWKG ist in Deutschland für Biomasseanlagen höchst attraktiv. Darüberhinaus schreibt das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) der Bundesrepublik Deutschland der stoffli-chen Verwertung von Müll Vorrang vor der energetischen zu, zumindest wenn der Müll einen Energieinhalt unter 11 MJ/kg aufweist. Somit wird zunehmend die Biomasse mittels Biotonne getrennt gesammelt. Diese staatlich zugesagten Vergütungen und die neue Gesetzeslage der vorrangigen stofflichen Verwertung des Mülls – Kompost zählt als stoffliche Verwertung – haben einen Boom dieser Biogasanlagen ausgelöst, so dass die Stromerzeugung aus Bioanla-gen sogar die der Wasserkraft überholte (siehe Bild 1.2).

Übungsaufgaben 14.1 Wie lässt sich Biomasse zur Wärme- und Stromerzeugung nutzen? Nennen Sie einige

Beispiele. 14.2 a) Welche Molmasse M hat ein Biogas von 2 Gewichtsprozent H2, 58 Gew.% CH4,

37 Gew.% CO2 und 3 Gew.% CO? b) Welchen Mindest-Luftbedarf Lmin (in kg/kg und mN3/ mN3)? c) Welchen Heizwert Hu hat das Biogas in kWh/m N3?

Hilfsmittel: Tabelle 8.3; Dichte der Gase bei Normalbedingungen (0 °C, 1,013 bar) in g/ltr.: H2 = 0,09; CH4 = 0,718; CO = 1,250; CO2 = 1,977

14.3 Listen Sie die wichtigsten chemischen Reaktionen, die bei der thermischen Vergasung ablaufen sollen.

14.4 Welche Biomassen eignen sich für die thermische und welche für die anaerobe Verga-sung?

14.5 Wann wird mehr anaerobes Biogas bei gleicher Rohmaterialmenge produziert? Im Winter oder im Sommer?

14.6 Mit Holz oder anderer trockener Biomasse können Dampfkraftwerke betrieben werden. a) Welche Frischdampfzustände werden erzielt? b) Was hat dies für den Wirkungsgrad für Auswirkungen?

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358 14 Energetische Verwertung von Biomasse

14.7 Gasmotoren können sowohl Gase aus thermischer als auch anaerober Vergasung verar-beiten. Was ist bei den beiden unterschiedlich erzeugten Gasarten jeweils für den Mo-torbetrieb zu beachten?

14.8 Wie ist das Biogas aufzubereiten, damit es in das öffentliche Erdgasnetz eingespeist werden kann?

14.9 Ein Biomasse-Dampfkraftwerk von 10 MW elektrischer Leistung mit folgenden Daten aus einer Erstauslegung ist zu analysieren: Frischdampfzustand 30 bar/420 °C, Konden-sation bei 45 °C, einfache regenerative Speisewasservorwärmung mit Anzapfung bei p = 4,5 bar und Teilmassenstrom von = 10 %. Isentroper Wirkungsgrad der Turbine

S = 85 %. Kombinierter mechanischer/Generator-Wirkungsgrad mG = 90 %. Hilfsmittel: h,s-Diagramm von Wasser/Wasserdampf, Dampftafel. a) Welcher Frischdampf-Massenstrom benötigt die Turbine? Die Pumpenleistung kann

vernachlässigt werden. b) Welche spezifische Wärmezufuhr qzu ist nötig? Der kondensierte Vorwärmdampf

wird in den Kondensator geleitet. c) Wie hoch ist der elektrische Wirkungsgrad el? d) Welcher Holzmassenstrom wird benötigt? Annahmen: HU = 4,4 kWh/kg, Kessel-

wirkungsgrad K = 90 % e) Welche Verbesserungen schlagen Sie vor?

14.10 Welche gesetzliche Grundlage ist für die Emissionen einzuhalten? 14.11 Weshalb ist in Deutschland ab 2007 der boomende Zubau von Biomasseanlagen ins

Stocken geraten?

Hinweis: Die Lösungen der Übungsaufgaben befinden sich am Ende des Buches, hinter Kap. 20.

Literatur zu Kapitel 14 [14.1] F. Czink, J. Hitz, Energetische Verwertung angebauter und anfallender Biomasse, in:

Entwicklungstendenzen in der Energieversorgung, R. Zahoransky (Editor), Informati-onsschriften der VDI-GET, 1998

[14.2] Bundesimmissions-Schutz-Verordnungen: 1. BimSchV, 4. BimSchV, TA Luft

[14.3] W. Baader, E. Dohne, M. Brenndörfer, Biogas in Theorie und Praxis, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V., KTBL-Schrift Nr. 229, 1978

[14.4] U. Wagner, L. Rouvel, H. Schaefer, Nutzung regenerativer Energien, 8. Auflage, IfE Schriftenreihe, Heft 1, TU München, Vertrieb E&M Energie und Management mbH, 1997

[14.5] Statusreport des VDI-GET Fachausschusses „Regenerative Energien: Regenerative Energien in Deutschland, BWK (Brennstoff-Wärme-Kraft) 6, Springer VDI Verlag, 2011

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Literatur zu Kapitel 14 359

[14.6] http://www.bio-energie.de oder http://www.bmu.de [14.7] Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. FNR (Herausgeber), Biogas – eine Ein-

führung; FNR, Hofplatz 1, 18276 Gülzow, 2007 [14.8] Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. FNR (Herausgeber), Bioenergie: Pflan-

zen-Rohstoffe-Produkte; FNR, Hofplatz 1, 18276 Gülzow, 2007 [14.9] http://lkw.poeltec.de/ [14.10] Firmenprospekt Fa. XYLOWATT s.a., www.xylowatt.com, Stand 2010