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DIGITALISIERUNG – EVU/EDU 71 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 68. Jg. (2018) Heft 9 Energieversorger haben noch einen weiten Weg zu erfolgreichem Data-Driven Marketing Mandy Kauffelt Daten sind das Gold des digitalen Zeitalters. Zwar erkennen dies Energieversorger mehrheitlich – trotzdem wird das Poten- zial von Data-Driven Marketing oft verschenkt und nicht gewinnbringend für die Marktbearbeitung genutzt: Bislang haben mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen noch kein Projekt in diesem Bereich umgesetzt. Besonders kleinere Energie- versorger laufen Gefahr, noch mehr den Anschluss an die großen Unternehmen zu verlieren. Dies sind Ergebnisse der Studie „Reifegrad Data-Driven Marketing und Kundenlebenszyklusmanagement in der Energiewirtschaft“ der Energieforen Leipzig GmbH in Kooperation mit der panadress marketing intelligence GmbH und Campaign – part of Bertelsmann Group. der Studie Fach- und Führungskräfte von 31 Energieversorgern aus Deutschland befragt. Dabei stammen 37 % der Teilnehmer von großen Unternehmen mit mehr als 250 000 Kunden, 63 % zählen zu den kleinen und mittleren Energieversorgern mit weniger als 250 000 Kunden. Potenzial erkannt, aber nicht gewinnbringend eingesetzt Data-Driven Marketing gewinnt in der Ener- giewirtschaft zwar an Bedeutung, ist aber noch keinesfalls Standard. Größeren Ener- gieunternehmen ist die Methode tendenziell wichtiger als kleineren, sodass Data-Driven Marketing bereits bei 82 % der großen Ver- sorger einen hohen bis sehr hohen strategi- schen Stellenwert einnimmt. Bei den kleine- ren Energieversorgern haben nur 35 % ihren strategischen Fokus darauf ausgelegt. Dies spiegelt sich auch bei der Umsetzung im Tagesgeschäft wider (siehe Abb. 1): Erst 37 % der größeren Energieversorger haben Projekte verwirklicht, 27 % befinden sich in der Umsetzungsphase. Kleinere Ver- sorger sitzen hingegen verstärkt in der Planungsphase fest oder haben überhaupt noch keine Projekte im Bereich Data-Driven Marketing beabsichtigt. Dies kann dadurch begründet werden, dass rund 91 % der Studienteilnehmer angaben, eher mittel- mäßig bis gar nicht gut in dem Bereich auf- Big Data, Predicitive Analytics und Marke- ting Automation – In den letzten Jahren hat sich der Bereich Marketing und Vertrieb stark gewandelt. Vor nicht allzu langer Zeit war nur bekannt, welcher Kunde zu welchem Zeitpunkt welches Produkt kaufte. Nun gibt es ein Vielfaches an Daten, die auf Grund der erfassten analogen Berührungspunkte sowie der zunehmenden digitalen Touchpoints ge- sammelt und verarbeitet werden können. Ziel eines datengetriebenen Marketings ist, die richtige Zielgruppe mit relevantem Content und Angeboten über den passenden Kanal zum richtigen Zeitpunkt anzusprechen, so die Aufmerksamkeit der Kunden zu erlangen und wettbewerbsfähig am Markt agieren zu können. Daher lautet die eigentlich wettbe- werbsrelevante Frage: „Wer weiß am meisten über seine Kunden?“ Das Sammeln, Auswerten und Interpretieren der Daten hilft den Unternehmen, das Ver- halten der Kunden besser zu verstehen, um strategische Erkenntnisse abzuleiten und die Kundenansprache sowie Angebotswelt so individuell wie möglich zu gestalten. Auf Grund des starken Wandels im Energiemarkt sowie bei den Kundenbedürfnissen ist die Neuausrichtung der Marketing- und Ver- triebsprozesse für die Energieversorgungs- unternehmen unabdingbar geworden: Lang- fristig stehen dabei vor allem eine kundenin- dividuelle Kommunikation und die Automati- sierung der Marketingaktivitäten im Fokus. In vielen Branchen ist Data-Driven Marke- ting als strategischer Erfolgsfaktor bereits er- kannt worden und bei einigen sogar schon im Tagesgeschäft verankert. Inwieweit dies auch in der Energiewirtschaft angekommen ist und um gleichzeitig eine stärkere Priorisie- rung und Aufmerksamkeit für Data-Driven Marketing zu schaffen, wurden im Rahmen

Energieversorger haben noch einen weiten Weg zu ... · zial von Data-Driven Marketing oft verschenkt und nicht gewinnbringend für die Marktbearbeitung genutzt: Bislang haben mehr

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DIGITALISIERUNG – EVU/EDU

71ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 68. Jg. (2018) Heft 9

Energieversorger haben noch einen weiten Weg zu erfolgreichem Data-Driven Marketing Mandy Kauffelt

Daten sind das Gold des digitalen Zeitalters. Zwar erkennen dies Energieversorger mehrheitlich – trotzdem wird das Poten-zial von Data-Driven Marketing oft verschenkt und nicht gewinnbringend für die Marktbearbeitung genutzt: Bislang haben mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen noch kein Projekt in diesem Bereich umgesetzt. Besonders kleinere Energie- versorger laufen Gefahr, noch mehr den Anschluss an die großen Unternehmen zu verlieren. Dies sind Ergebnisse der Studie „Reifegrad Data-Driven Marketing und Kundenlebenszyklusmanagement in der Energiewirtschaft“ der Energieforen Leipzig GmbH in Kooperation mit der panadress marketing intelligence GmbH und Campaign – part of Bertelsmann Group.

der Studie Fach- und Führungskräfte von 31 Energieversorgern aus Deutschland befragt. Dabei stammen 37 % der Teilnehmer von großen Unternehmen mit mehr als 250 000 Kunden, 63 % zählen zu den kleinen und mittleren Energieversorgern mit weniger als 250 000 Kunden.

Potenzial erkannt, aber nicht gewinnbringend eingesetzt

Data-Driven Marketing gewinnt in der Ener-giewirtschaft zwar an Bedeutung, ist aber noch keinesfalls Standard. Größeren Ener-gieunternehmen ist die Methode tendenziell wichtiger als kleineren, sodass Data-Driven Marketing bereits bei 82 % der großen Ver-

sorger einen hohen bis sehr hohen strategi-schen Stellenwert einnimmt. Bei den kleine-ren Energieversorgern haben nur 35 % ihren strategischen Fokus darauf ausgelegt. Dies spiegelt sich auch bei der Umsetzung im Tagesgeschäft wider (siehe Abb. 1):

Erst 37 % der größeren Energieversorger haben Projekte verwirklicht, 27 % befinden sich in der Umsetzungsphase. Kleinere Ver- sorger sitzen hingegen verstärkt in der Planungsphase fest oder haben überhaupt noch keine Projekte im Bereich Data-Driven Marketing beabsichtigt. Dies kann dadurch begründet werden, dass rund 91 % der Studienteilnehmer angaben, eher mittel- mäßig bis gar nicht gut in dem Bereich auf-

Big Data, Predicitive Analytics und Marke-ting Automation – In den letzten Jahren hat sich der Bereich Marketing und Vertrieb stark gewandelt. Vor nicht allzu langer Zeit war nur bekannt, welcher Kunde zu welchem Zeitpunkt welches Produkt kaufte. Nun gibt es ein Vielfaches an Daten, die auf Grund der erfassten analogen Berührungspunkte sowie der zunehmenden digitalen Touchpoints ge-sammelt und verarbeitet werden können. Ziel eines datengetriebenen Marketings ist, die richtige Zielgruppe mit relevantem Content und Angeboten über den passenden Kanal zum richtigen Zeitpunkt anzusprechen, so die Aufmerksamkeit der Kunden zu erlangen und wettbewerbsfähig am Markt agieren zu können. Daher lautet die eigentlich wettbe-werbsrelevante Frage: „Wer weiß am meisten über seine Kunden?“

Das Sammeln, Auswerten und Interpretieren der Daten hilft den Unternehmen, das Ver-halten der Kunden besser zu verstehen, um strategische Erkenntnisse abzuleiten und die Kundenansprache sowie Angebotswelt so individuell wie möglich zu gestalten. Auf Grund des starken Wandels im Energiemarkt sowie bei den Kundenbedürfnissen ist die Neuausrichtung der Marketing- und Ver-triebsprozesse für die Energieversorgungs- unternehmen unabdingbar geworden: Lang-fristig stehen dabei vor allem eine kundenin-dividuelle Kommunikation und die Automati-sierung der Marketingaktivitäten im Fokus. In vielen Branchen ist Data-Driven Marke-ting als strategischer Erfolgsfaktor bereits er-kannt worden und bei einigen sogar schon im Tagesgeschäft verankert. Inwieweit dies auch in der Energiewirtschaft angekommen ist und um gleichzeitig eine stärkere Priorisie-rung und Aufmerksamkeit für Data-Driven Marketing zu schaffen, wurden im Rahmen

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72 ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 68. Jg. (2018) Heft 9

gestellt zu sein. Sie unterstreichen damit, dass die Energiewirtschaft noch am Anfang von Data-Driven Marketing steht.

Schlechte Datenqualität erschwert die Anwendung

Zur Gewährleistung einer erfolgreichen Kommunikation auf Basis kundenscharfer Informationen muss eine hohe Datenquali-tät mit einer umfassenden Datensicherheit gegeben sein. Nur circa ein Drittel der größe-ren Energieversorger kann bereits eine hohe Datenqualität vorweisen. Bei den kleineren Unternehmen stufen sogar rund 90 % ihre Datenqualität als mittelmäßig oder schlechter ein – es fehlt folglich die Basis für datenba-siertes Marketing. Ein Grund dafür kann sein, dass 60 % der kleineren und größeren Versorger ihre Dubletten nur in unregelmä-ßigen Abständen bereinigen. Jeder Zehnte führt überhaupt keine Dubletten-Bereinigung durch. Praxiserfahrungen der Energieforen zeigen jedoch, dass eine jährliche, besser aber eine quartalsweise Dubletten-Bereinigung für eine gute Datenqualität entscheidend ist. Aktuell sind bei der großen Mehrheit der größeren EVU (91 %) sowie bei 70 % der kleineren Versorger einzelne Datenquellen nur teilweise konsolidiert. Um automatisiert Zusammenhänge identifizieren und Erkennt-nisse ableiten zu können, sollten Daten ver-schiedener Quellen konsolidiert werden. Keine ausreichende Nutzung des Kundenwertes

„Die Notwendigkeit einer Kommunikation auf Basis kundenscharfer Daten wird zukünftig immer bedeutsamer, um Kunden langfristig zu binden und eine stabile Beziehung aufzu-bauen. Es ist notwendig, das Verhalten sowie die Präferenzen der Kunden zu kennen und folglich die Ansprache sowie Angebotswelt in allen Phasen des Kundenlebenszyklus so individuell wie möglich zu gestalten, um den Kulturwandel hin zu einem agilen und flexibel am Markt agierenden Energiever- sorger meistern zu können und nachhaltig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern,“ erklärt Raphael Noack, stellvertretender Geschäfts-führer bei der Energieforen Leipzig GmbH.

Aus diesem Grund sind Kundenanalysen über die Wertigkeit, das Verhalten oder die Affinitäten des Kunden absolut notwendig.

Jedoch führen rund 40 % der kleineren Ener-gieversorger aktuell keine Kundenwertana-lysen durch. Tiefergehende Analysen werden ebenfalls zu 60 % überhaupt nicht gemacht (siehe Abb. 2).

Auch größere Energieversorger sind bei tiefer- gehenden Analysen noch nicht gut positio-niert. Im Vergleich zu den kleineren Unter- nehmen analysieren sie aber verstärkt den individuellen Kundenwert sowie die Wechsel- wahrscheinlichkeit (jeweils 82 %), was das Treffen von strategischen Entscheidungen und Prognosen hinsichtlich einzelner Kunden be-deutend vereinfacht und den Erfolg von Kam-pagnen steigert. Auffällig ist, dass kleinere Energieversorger bei den Kundenanalysen überwiegend auf externe Hilfen zurückgrei-fen und die größeren Unternehmen ihre Ana-lysen verstärkt selbstständig intern durch-führen (siehe Abb. 3).

Auf Grund fehlendender Analysen segmen-tieren kleinere Energieversorger ihre Kunden aktuell hauptsächlich anhand des Vertrages, des Verbrauchs oder des Kundentyps. Größere Energieunternehmen greifen mit 64 % be-reits auf die analytische Kennzahl Kunden-wert zurück und ziehen ebenfalls bereits mit 45 % die Wechselwahrscheinlichkeit für ihre Kundensegmentierung heran (siehe Abb. 4).

Damit erhalten die großen Energieversorger einen detaillierten Blick auf ihre Kunden und können die Kommunikation priorisiert mit Hilfe der Wechselwahrscheinlichkeit und zielgerichteter anhand der Wertigkeit aus-führen.

Um noch schneller sowie zielgerichteter agie-ren zu können, würden über die Hälfte der größeren Energieversorger gern Echtzeit- daten in ihre Kampagnen aufnehmen - nur 9 % tun dies bereits. Kleine Energieunter-nehmen haben bereits zu 20 % Echtzeitdaten integriert.

Die zuvor dargelegten Ergebnisse verdeut-lichen, dass bei vielen Unternehmen der Kundenwert nicht zu einer differenzierten Marktbearbeitung beiträgt. Von den 60 % der kleineren Energieversorger, die schon Kun-denwertanalysen durchführen, ziehen nur 32 % den Wert tatsächlich zur Segmentie-rung heran. Das bedeutet, dass über die Hälfte der kleineren Versorger, die bereits einen Kundenwert im System hat, diesen nicht zur Individualisierung der Kundenan-sprache nutzt! Im Vergleich dazu verwenden größere Energieunternehmen Kundenwert-analysen deutlich häufiger zur Marktbearbei-tung und sichern sich so weiter einen Markt-vorsprung.

Abb. 2  Energieversorger unter 250.000 Kunden: durchgeführte Kundenanalysen

Abb. 1  Aufstellung/Positionierung der Unternehmen im Bereich Data-Driven Marketing

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73ENERGIEWIRTSCHAFTLICHE TAGESFRAGEN 68. Jg. (2018) Heft 9

Nur wenige nutzen bereits mikrogeographische Daten

Die Nutzung externer Daten kann Customer Insights schärfen und das Potenzial der Neu-kundengewinnung sowie von Cross- oder Up-Selling-Kampagnen erhöhen. Rund 36 % der größeren und 20 % der kleineren Energie-versorger greifen bereits auf externe Daten zurück, um ein umfangreicheres Wissen über ihre Kunden zu erhalten. Mikrogeographische Daten werden vor allem zur Anreicherung von Bestandsdaten genutzt. Ungefähr Dreiviertel der kleineren Versorger und die Hälfte der größeren Unternehmen ziehen externe Daten auch zur Segmentierung der Bestandskunden sowie für Score-Modelle zum Cross- und Up-Selling heran. „Die Ergebnisse unterstreichen, dass sich langsam ein Wandel in dieser The-matik bei den Energieversorgern vollzieht. Die Unternehmen erkennen zunehmend den Wert, eigene Daten und 3rd-Party-Daten zur Abbildung einer 360°-Kundensicht analytisch zu nutzen. Damit können sie erhebliche Opti-mierungspotenziale in der Kundenbindung,

Kundenentwicklung und der Neukundenge-winnung schaffen“ fasst Christian Trinkl, Senior Consultant und Gesellschafter bei pan-adress marketing intelligence GmbH, zusam-men. Allerdings werden die Möglichkeiten von externen Daten nicht vollständig ausgeschöpft: Nur ein Viertel der Energieversorger (unab-hängig von der Größe) nutzen mikrogeogra-phische Daten zur Gewinnung neuer Kunden und steigern auf diese Weise das Potenzial ihrer Akquise-Maßnahmen.

Direktvertrieb beliebtester Kanal zur Neukunden- gewinnung – auch zukünftig

Die Energieversorger bevorzugen aktuell den Direktvertrieb zur Gewinnung neuer Kunden. Unter Direktvertrieb wird der direkte Kontakt zum Kunden, wie bspw. die Door-to-Door-Kom-munikation, verstanden. Bei größeren Ener-gieversorgern sind Portale oder postalische Maßnahmen weitere beliebte Kanäle. Im Ver-gleich dazu bevorzugen die kleineren Unter-nehmen neben dem Direktvertrieb und dem

postalischen Weg auch Print-Aktivitäten, wie bspw. Anzeigen. Laut Einschätzung der klei-neren Energieversorger werden zukünftig die meisten Ressourcen zur Neukundenge-winnung in Portale, den Direktvertrieb und Social-Media Maßnahmen investiert. Größere Energieversorger sind der Meinung, dass auch in Zukunft der Direktvertrieb der wichtigste Kanal zur Gewinnung neuer Kunden bleiben wird, gefolgt von Social-Media-Aktivitäten und E-Mail-Kampagnen.

Handlungsfelder identifizieren und Grundlagen setzen

Die Energieversorger und Stadtwerke befin-den sich in einem tiefergehenden Transforma-tionsprozess, der grundlegende Prozess- und Systemoptimierungen verlangt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Thematik langsam in die Köpfe vorgedrungen ist und das Poten-zial von Data-Driven Marketing zwar erkannt, aber noch nicht ausgeschöpft wird. Die kon-krete Umsetzung bringt einige Herausforde-rungen mit sich: Die Zukunftsfähigkeit der im Marketing eingesetzten Softwarelösungen wird im Hinblick auf die sich verändernden Kundenanforderungen und den Wandel im Energiemarkt von über 73 % der größeren und von 79 % der kleineren Unternehmen als mittelmäßig oder schlechter bewertet. Ledig-lich 5 % der kleineren Versorger sehen sich systemseitig sehr gut für kommende Anforde-rungen gerüstet. Folglich stellen IT-Systeme, tiefergehende Analysen, die Abbildung einer 360°-Kundensicht sowie eine ganzheitliche Strategie großen Handlungsbedarf dar.

Daten sind das Gold des digitalen Zeitalters. Sie dienen zunehmend als Entscheidungs-grundlage und schaffen Wettbewerbsvorteile. Nur wer seine Kunden wirklich gut kennt, kann die Customer Experience verbessern, die Kommunikationsmaßnahmen in allen Bereichen des Marketing-Mix effizient und individualisiert ausgestalten und kunden-zentrierte Produkte entwickeln. Das Poten-zial von intern und extern verfügbaren Daten kann in der Energiewirtschaft deutlich besser ausgeschöpft werden.

Schritt für Schritt zum erfolg- reichen Data-Driven Marketing

Was können Energieversorger tun, um vor-handene Datenschätze zu heben und mit

Abb. 3  Energieversorger über 250.000 Kunden: durchgeführte Kundenanalysen

Abb. 4  Verwendete Merkmale für die Segmentierung der Kunden

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Die komplette Studie kann unter www.ener-gieforen.de/goto/studieddm bestellt werden.

Hilfe der Informationsvielfalt die Kunden-ansprache individuell auszugestalten (siehe Abb. 5)? Allen Schritten voran müssen Ziele und eine ganzheitliche Big-Data-Strategie definiert werden – nur so kann die Menge vorhandener Daten bewältigt und effektiv genutzt werden. Der zweite Schritt umfasst die Datenqualität - erst mit ausreichender Qualität kann Data-Driven Marketing über-haupt zur erfolgreichen Kundenkommuni-kation eingesetzt werden. Dies beinhaltet die Reinigung des Datenbestandes, das Schließen von Datenlücken, einen kontinuierlichen Dublettenabgleich sowie langfristige Maßnah-men zur Optimierung der Datenqualität. Die Grundlage für erfolgreiches datenbasiertes Marketing ist eine verbesserte IT-Architektur – die verwendeten Systeme sollten flexibel und erweiterbar sein.

Eine umfassende Datenqualität und Datenvi-sualisierung ermöglicht eine Segmentierung des Kundenstamms und schafft eine 360°- Kundensicht. Tiefergehende Analysen helfen neben der Sammlung zusätzlicher Kunden-informationen dabei, Kundenbedürfnisse zu identifizieren. So können neue Produkte und Services entwickelt werden, die durch eine zielgerichtete Ansprache auch geeignete Kundengruppen erreichen. Auf Grundlage vorhandener Kundensegmente wird eine dif-ferenzierte Marktbearbeitung gewährleistet: Die Kunden werden an den richtigen Kon-taktpunkten mit den richtigen Angeboten und Mehrwerten versorgt. Die Aufstellung

eines ganzheitlichen Kundenlebenszyklus-managements – in Form eines geschlossenen Kreises operativer und analytischer Mittel – verschafft dem Unternehmen einen strate-gischen Mehrwert und sorgt für eine nach-haltige Kundenbindung.

Die Automatisierung der Marktbearbeitung sollte dabei das langfristige Ziel bleiben, um auf neue Kundenanforderungen und Ver-änderungen im Energiemarkt schnell und ressourcenschonend reagieren zu können. Dabei darf die Komplexität des Data-Driven Marketings nicht unterschätzt werden. Eine intensive Datennutzung erfordert gutes Management – ein „Brückenbauer, der Silos aufbricht“ wird benötigt.

Datenbasiertes Marketing bewirkt in allen Phasen und Unternehmensbereichen einen Kulturwechsel: Von der Strategie und Pla-nung, über der Implementierung im Unter-

nehmen bis hin zum dem permanenten Ein-satz im Tagesgeschäft. Dies erfordert eine hierarchieübergreifende Akzeptanz für das Thema. Nutzen Sie die Chancen des Data- Driven Marketings, um das Prinzip Gieß- kanne zu beenden. Rücken Sie den Kunden als Individuum in den Fokus Ihrer Betrach-tungen und optimieren Sie strategische Ent-scheidungen sowie operative Prozesse. Nur so ermöglichen Sie sich eine flexible und erfolgreiche Bearbeitung des Energiemarktes und sichern sich auch nachhaltig Ihre Wett-bewerbsfähigkeit!

M. Kauffelt, Referentin Kompetenzfeld Marketing & Vertrieb, Energieforen Leipzig [email protected]

Abb. 5  Fünf Schritte zu erfolgreichem Data-Driven Marketing

ENERGIENEWS ONLINE: www.et-energie-online.de