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Engelbert Krebs 1881-1950 Nachruf, gl!haltl!n von Universitätsprofessor Dr. Friedrich Stegmüller am 2. Dezember 1950 bei der Beerdigung in Freiburg im Breisgau Sonderdru& nach Veröffentlichung im Oberrheinischen Pastoralblatt Nr, 1/1951

Engelbert Krebs - MGH-Bibliothek · 2015. 2. 16. · heiligePriesterweihe und feierte am8.Juli imFreiburger Münster seinePrimiz. Darauf war er zweiJahre, 1906bis 1908,Vikar in Oberkirch

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Engelbert Krebs1881-1950

Nachruf, gl!haltl!n von Universitätsprofessor Dr. Friedrich Stegmüller am 2. Dezember 1950 bei derBeerdigung in Freiburg im Breisgau

Sonderdru& nach Veröffentlichung im Oberrheinischen Pastoralblatt Nr, 1/1951

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En g e l b e r r Krebs

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Die theologische Fakultät der Universität Freiburg steht an dieser Bahre intiefer Trauer um den Lehrer und Freund, den wir verloren, und zugleich intiefer Dankbarkeit für das, was er uns gab und was er uns war.Mit uns trauert ganz Freiburg, das Abschied nehmen muß von einem seiner

lieben Söhne. Landauf, landab in unserer Erzdiözese, ja in ganz Deutschlandund in der benachbarten Schweiz, trauern Tausende von Priestern, die er ineiner Lehrtätigkeit von über 50 Semestern hinführen durfte zu ihrem Berufe.Es trauern viele Zehntausende bis ins ferne Amerika und ins ferne Japan, denener durch Wort und Schrift ein Helfer ihrer Seele und ein Werkzeug der gött-lichen Gnade geworden ist. Und mit uns trauern auch viele, die nicht unseresGlaubens sind.Wenn wir nun in dieser Abschiedsstunde die 69 Jahre dieses Gelehrten- und

Priesterlebens an unserem Geiste vorüberziehen lassen und uns fragen: Washat diesem Leben sein Gepräge gegeben, was war das Leitmotiv dieses Lebens,so scheint es mir, daß man es im Anschluß an das Pauluswort des ersten Korin-therbriefes kennzeichnen kann: Omnia omnibus factus sum, ut omnes [aceretnsalvos (I Cor 9, 22). Allen wollte er alles werden, um alle zu retten.Engelbert Krebs war ein Kind des Breisgaus und ein Sohn Freiburgs. Träger

seines Namens kommen seit dem Jahre 1250 im Breisgau vor. Seine unmittel-baren Vorfahren sind seit 1601 in Breisach nachweisbar. Im Jahre 1721 kamder Handelsmann Franz Joseph Krebs aus Breisach nach Freiburg und erwarbhier 1739 das Haus Münsterplatz 4.In diesem Hause erblickte Engelbert Krebs am 4. September 1881 als sechstes

von zehn Kindern das Licht dieser Welt und wurde noch am selben Tage imMünster getauft. Hier wuchs der Knabe heran, im Schatten des FreiburgerMünsters und inmitten von sechs Brüdern und drei Schwestern.Zu seinen stärksten Kindheitseindrücken gehörte die Gestalt seines Vaters,

Dr. Eugen Krebs (1848-1912). Dieser war von Beruf Naturwissenschaftler undTechniker und hatte als Privatdozent an der Technischen Hochschule in Aachenam 14. November 1874 seine Frau Johanna (Jenny) geb. Komp (1854-1910)heimgeführt. Aber schon wenige Wochen nach der Hochzeit mußte er den gelieb-ten Beruf des Hochschullehrers aufgeben, um das durch den Tod des Brudersverwaiste elterliche Geschäft in Freiburg zu übernehmen.Der Vater unseres Engelbert war ein Mann von vielseitigen Interessen, von

hoher literarischer Bildung und großer musikalischer Begabung, in dessen Hause1882 auch Meister Franz Liszt eine Woche zu Gaste weilte. Sein Gemeinsinnführte ihn 1878 in den Stadtrat, er war Mitgründer des Münsterbauvereins, und1897 wurde er zusammen mit Lorenz Werthmann Mitgründer des Caritasverban-des. Was ihn aber besonders kennzeichnete, war seine tiefe, kernige, vonAlbanStolz und J. B. Hirscher, den Freunden des Hauses, geschulte Frömmigkeit. Inder Fastenzeit las er allabendlich den Kindern Hirschers Fastenbetrachtungenvor, die dem kleinen Engelbert gelegentlich zu lang vorkamen.

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Diesem Vater verdankte nun der Knabe Engelbert seinen Priesterberuf. Dar-über schreibt er im Jahre 1920: "So erinnere ich mich heute noch der Nach-mittagsstunde, da ich als ganz kleiner Bub zum erstenmal meinen seligen Vatermir den Vorschlag machen hörte, Pfarrer zu werden, und zwar Landpfarrer.-Wie oft sagte er mir: Als Landpfarrer kannst du allen alles werden. Und gerneführte er mich zu einem sehr hoch und sehr einsam gelegenen Schwarzwalddorf,mit einer sehr armen und sehr kleinen Kirche, aber mit stundenweit verstreutenHöfen, und sagte zu mir: Das soll deine Pfarrei werden. Durch Wind und Wettersollst du deine Bauern in ihren fernen Höfen aufsuchen und ihnen die Wohl-taten der Religion spenden, mit allen alles tragen, mit allen alles bereden.""Die Berufung wurde mir so sehr zum innigsten Herzenswunsch, daß ich mich

aus meinem späteren Knabenalter an Stunden erinnere, wo es mich mit un-widerstehlicher Sehnsucht auf und hinaustrieb aus der Stadt, um mit dem Fahr-rad oder zu Fuß auf jene Schwarzwaldhöhen zu eilen, und in dieser armen,kleinen Dorfkirche zu Hofsgrund oder in der schönen, hochgelegenen Seminar-kirche von St. Peter oder in der schlichten Wallfahrtskapelle Maria Lindenbergden Himmel zu bestürmen, daß ich trotz meiner Sünden und Schwächen dasgroße und schöne Ziel erreichen dürfe."Der hochbegabte Jüngling bestand 1900 am Freiburger Bertholdsgymnasium

das Abitur und wandte sich dann dem Studium der Theologie zu. In Freiburgschloß er sich besonders an den Philosophen A. Dyroff und an den HistorikerHeinrich Finke an; in München, wo er das Wintersemester 1901/02 verbrachte,durfte er Georg v. Hertling und dem Augustinusforscher und Abt von St. Boni-faz, Odilo Rottmanner OSB, nähertreten.Adolf Dyroff war es, der im Herbst 1901 dem zwanzigjährigen Studenten eine

Dissertation über einen mittelalterlichen Meister vorschlug, der in der Philo-sophiegeschichte den Namen Dietrich von Freiburg führte und Gegenstand einerliterarischen Fehde zwischen J. W. Preger und H. Denifte OP gewesen war.In der Hoffnung, für die Geschichte des geistigen Lebens seiner Vaterstadt einenBeitrag leisten zu können, machte sich der Student an die Arbeit. Freilich mußte'er dabei zu seiner Uberraschung feststellen, daß der Meister nicht Dietrich vonFreiburg hieß, sondern Dietrich von Freiberg in Sachsen. Mit der Dissertation:Studien über Meister Dietrich, genannt von Freiburg, erlangte er am 23. Juli1903 die philosophische Doktorwürde. Das Referat hatte nach Dyroffs Weggangvon Freiburg Heinrich Rickert übernommen. Im Nebenfach der Physik zeigte derDoktorand bei den Rigorosen so gute Kenntnisse, daß Prof. Himstedt versuchte,ihn ganz für die Physik zu gewinnen.Doch diesen führten seine Dietrichstudien noch im selben Jahre 1903 an die

Vatikanische Bibliothek nach Rom, wo er Heinrich Denifle OP und Franz Ehrle SJnähertrat. Im Jahre 1906 erschien dann sein großes Werk: Meister Dietrich(Theodoricus Teutonicus de Vriberg). Sein Leben, seine Werke, seine Wissen-schaft (Baeumkers Beiträge V,5-6), ein Werk, das in der scholastischen For-schung noch heute grundlegend ist. 1911 gab er Dietrichs Traktat De esse etessentia in der Revue Neoscolastique (1911, 1-23) in Loewen heraus. So war er,von Freiburg ausgehend, tief in die damals gerade aufblühende Erforschung derScholastik eingedrungen.

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Eifrig betätigte er sich auch im Seminar von Heinrich Finke. Und zum 50. Ge-burtstag Finkes beteiligte sich der dreiundzwanzigjährige Student an der Fest-gabe mit einer Studie über die Mystik in Adelhausen (1904),einer Untersuchungvon 34 Viten auf Grund der im Freiburger Stadtarchiv handschriftlich erhal-tenen Chronik der Anna von Munzingen.Seinen Lehrern an der theologischen Fakultät, im Konvikt und im Priester-

seminar, insbesondere Subregens Gihr, bewahrte er zeitlebens tiefe Dankbarkeit(vgl, Nikolaus Gihr, ein Dankeswort zu seinem 100. Geburstag am 5. November1939.Oberrh. Pastoralblatt 1939,265).Am 4. Juli 1906 empfing er in St. Peter von Erzbischof Thomas Nörber die

heilige Priesterweihe und feierte am 8. Juli im Freiburger Münster seine Primiz.Darauf war er zwei Jahre, 1906bis 1908,Vikar in Oberkirch im Renchtal. Auchhier fand er noch Zeit, das Lebenswerk des hochverehrten Pfarres von Glattin Hohenzollern, Felix Raible, Der Tabernakel einst und jetzt (1908) heraus-zugeben.

Nach zweijähriger Tätigkeit in der Seelsorge wurde E. Krebs zur Vorbereitungseiner theologischen Promotion beurlaubt, und war 1908 bis 1910 Kaplan amehrwürdigen Deutschen Campo Santo in Rom, zusammen mit dem zwei Jahreälteren Würzburger Privatdozenten Franz Joseph Dölger. Das Resultat dieserJahre ist sein Buch: Der Logos als Heiland im ersten Jahrhundert (FreiburgerTheologische Studien, 2, 1910, Leonhard Schanzenbach gewidmet), mit dem er1909 in Freiburg zum Dr. theol. promovierte. Aus Studien über mittelalterlicheund moderne Theologie war er auf den Gedanken gekommen, das Problem Wortund Heiland spekulativ zu behandeln. Aber die spekulative Behandlung führteihn bald auf die patristische und biblische Begründung, und von hier aus kamer, angeregt durch Dölger und G. Pfeilschifter, zu dogmengeschichtlichen undreligionsgeschichtlichen Fragestellungen und entdeckte, daß beim Umgraben desWurzelbodens unserer Glaubensbegriffe dem Dogmatiker sich viele lebendigeKeime für das spekulative Denken ergeben. Eine besondere Note erhielt dieArbeit durch die genaue kritische Nachprüfung des Versuchs von Richard Reitzen-stein, die ganze johanneische Theologie auf die ägyptisch-hellenistische Poiman-dresgemeinde und die religiösen Hermeskulte überhaupt zurückzuführen. EineNebenfrucht dieser römischen Jahre war auch seine Schrift: Unterm Petersdom.Wanderungen durch die vatikanischen Grotten (1910).Schon zwei Jahre nach seiner Promotion habilitierte sich E. Krebs 1911 in

Freiburg für das Fach' der Dogmatik. Seine Habilitationsarbeit behandelt Theo-logie und Wissenschaft nach der Lehre der Hochscholastik an Hand der unge-druckten Defensa doctrinae divi Thomae des Hervaeus Natalis OP (1912,Baeumkers Beiträge XI, 3-4). Für seine Studenten gab der junge Privatdozentsofort ein Textbuch heraus: Thomas von Aquin, Texte zum Gottesbeweis (1912),ähnlich wie er später ein Quellenbüchlein über den Ablaß zusammenstellte (DerAblaß. Seine Entstehung, Geschichte und Wesen. Religiöse Quellenschriften, hrsg.von J. Walterscheid, nr. 19, 1926)..War er in seiner Habilitationsarbeit zu seinem ursprünglichen Forschungs-

gebiete, der mittelalterlichen Theologie zurückgekehrt, so sind die ersten Ver-öffentlichungen des Privatdozenten wieder der Auseinandersetzung mit der

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damals so aktuellen Religionsgeschichte gewidmet. In rascher Folge erschienen:Die Religion im Römerreich um das Jahr 300 (1913), das religionsgeschichtlicheProblem des' Urchristentums (Biblische Zeitfragen VI, 1913), Heiland und Er-lösung. Sechs Vorträge ü.ber die Erlösungsidee im Heidentum und Christentum(1914), gehalten im Anfang des Jahres 1914 auf Aufforderung des KatholischenFrauenbundes. Diese Vorträge, eine inhaltliche Vergleichung der heidnischenLehrsysteme mit dem Glauben der Kirche, sollten zugleich eine kleine Laien-dogmatik bilden und Einblick in den Lebenswert des Glaubens gewähren. .Bis jetzt war seine theologische Gestalt durch zwei Züge geprägt: durch die

Erforschung der mittelalterlichen Theologie und durch das mutige Eindringenin die Fragestellungen der Rellgionsgeschichte, das damals, zur Zeit des Kampfesum den Modernismus, nicht immer vor Mißverständnissen sicher war. Es zeigtden Reichtum dieses Geistes, daß er zugleich in zwei Forschungsgebieten pro-.duktiv arbeitete, zu den Quellen, ob gedruckt oder ungedruckt, vordrang, geradeden aktuellen und schwierigen Problemen sich stellte und stets kritisch 'denwesentlichen Kern herauszuheben wußte.Am 10. März 1910 hielt der junge Gelehrte vor der Accademia Pontificia di

Religione Cattolica einen Vortrag in der Cancelleria in Rom; Kardinal Ram-polla übersandte ihm dafür die goldene Medaille der Akademie. Doch wenigeTage darauf, am 21. März 1910, starb seine geliebte Mutter bei einem Besuchin Rom. Ihr setzte der Vater ein ergreifendes Denkmal in seinen handschrift-lich erhaltenen Erinnerungen: Vom Leben und von dem Tode meiner lieben FrauJenny Krebs (1910); schon im Jahre 1912 folgte er ihr in die ewige Heimat nach..Engelbert Krebs war im Herbst 1910 aus Rom nach Freiburg zurückgekehrt.

Der Heimgekommene umfing seine Familie und seine Freiburger Heimat mitdoppelter Liebe. Er schrieb nun die Erinnerungen an seinen Vater: Eugen Krebs(1848-1912). Bilder aus dem Leben eines altfreiburger Bürgers (1912). Mit GoetzBriefs zusammen schrieb er die Geschichte des Bankhauses J. A. Krebs (1721 bis1921), 1921. Hierher gehört auch: Alte Freiburger Bürgerfamilien (1922) und dieGeschichte des Freiburger Frauenvereins (1815-1915). Im Auftrag des ältestenbadischen Frauenvereins zur Feier seines hundertjährigen Bestehens (1915).Er legte sich auch eine große Hirseher-Sammlung an, ermunterte H. Schiel

zu seiner großen Hirscher-Biographie, und schrieb: Rirscher und der Zölibat(Oberrh. Pastoralblatt 1913, 165-169) und Joh. Bapt. Rirscher (in: Seb. Merkle,Religiöse Erzieher der Kath. Kirche, 1920,242-268).Es kam der Erste Weltkrieg. Er riß den Gelehrten aus der rein wissenschaft-

lichen Arbeit heraus. Doch Engelbert Krebs hielt tapfer den Forderungen stand,die die Stunde an den Priester und Professor stellte. Drei seiner Brüder, Karl,Hans und Hermann, fielen im Feld. Engelbert Krebs gehörte dem Arbeitsausschußzur Verteidigung deutscher und katholischer Interessen im Weltkrieg an undschrieb: Die Behandlung der Kriegsgefangenen in Deutschland, dargestellt aufGrund amtlichen Materials (1917), über die deutschen Gefangenenlager, über dieErnährung und Gesundheit der Gefangenen, über Seelsorge und Unterricht, Ver-mißtennachweis und Liebesgabenvermittlung. Weitere Zeugnisse seines helfen-den priesterlichen Herzens sind die Gedanken über den großen Krieg I-IV(1915-1917; I: Die Stunde unserer Heimsuchung; II: Bau der Zukunft; Ill: DasGeheimnis unserer Stärke; IV: Der ruhige Gott); Unser ethisches Kriegsziel

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(1916); Die Welt und Wir, eine Besinnung auf die gegenwärtige Weltlage undihre Aufgabe (1917); Katholische Monatsbriefe zur Verteidigung deutscher undkatholischer Interessen im Weltkrieg (1916-1919, in acht Sprachen).In die Kriegsjahre fällt auch die Entstehung seines wohl meistgelesenen

Buches: Was kein Auge gesehen. Die Ewigkeitshoffnung der Kirche nach ihrenLehrentscheidungen und Gebeten (1918; 14.Aufi., 27. Tausend, 1940)'.Eine naheVerwandte (Elise Krebs, die Schwester seines Vaters, gestorben 10.Nov. 1917)wollte sich durch diese Betrachtungen vorbereiten auf den Hintritt vor Gott.Viele, die sich mit diesem Büchlein auf den Tod vorbereitet hatten, ließen demVerfasser noch vom Sterbebette aus danken; Trauernde lernten daran ihrenSchmerz heiligen und Lebende lernten daran den dauernden Wert eines vomEwigkeitsglauben erhellten Erdenwirkens.Der Erste Weltkrieg ging zu Ende. Die Universität Freiburg hatte Akademi-

sche Vorträge in der Kriegszeit eingerichtet. Den ersten Vortrag hatte HeinrichFinke am 28.Oktober 1914 gehalten; den letzten Vortrag hielt E.Krebs am13. Nov. 1918: Völkergeschichte und Gerechtigkeit Gottes (1919). Im Anschluß anRöm 1,17 zeigte er, daß nicht schon die Ereignisse der Weltgeschichte, sondernerst das Jüngste Gericht, die endgültig urteilende, belohnende und bestrafendeGerechtigkeit Gottes offenbaren; wohl aber offenbart die Weltgeschichte dieGerechtigkeit Gottes, die den Gläubigen prüft und dadurch gerecht machen will.

Die Tage des Zusammenbruchs brachten für E. Krebs keine Krise seiner Vater-landsliebe. Vaterlandsliebe war ihm Dienst für Gott am Volk der Heimat. Darumwirkte er auch an jenem entscheidenden Schritt mit, der die Heimat vor größerenUnruhen und Umwälzung bewahrte: In der Frühe des 20. Nov. 1918 wurdeE. Krebs zu einer Besprechung gerufen im Sitz des Freiburger Soldatenrates, zuder auch der Oberbürgermeister, der Landeskommissär, Vertreter des Oberkom-mandos der Oberrheinarmee General von Gündell und Vertreter bürgerlicherParteien gebeten waren. Die Wahl zur badischen Nationalversammlung war aufden 5. Januar angesetzt, und es sollte nun eine Äußerung des Zentrums herbei-geführt werden, daß es nicht für die Wiedererrichtung der Monarchie, sondernfür die Republik stimmen werde. Prof. Krebs wurde gebeten, zur Besprechungmit nach Karlsruhe zu fahren; das Auto stellte das Generalkommando von Gün-dell. Abendsging E. Krebs mit den Ministern Reinbold und Wirth zum letztenGrh. Staatsminister von Bodman. Bei dieser Beratung bat E. Krebs den Staats-minister, den Großherzog zu bitten, die Staatsbürger und Beamten vom Treueidzu entbinden, um ihnen zu ermöglichen, bei der Vorbereitung zur verfassung-gebenden Versammlung sich so zu betätigen, wie sie es nach den tatsächlichenVerhältnissen und insbesondere nach der Lage im Reiche für geboten erachteten.Tags darauf fuhr von Bodman nach Langenstein und brachte am 22.Nov. diegewünschte Erklärung des Großherzogs mit.Im Jahre 1921, während der Freiburger Dantewoche, trat der Großherzog in

der Aula der Universität auf Prof. Krebs zu mit den Worten: "Ich habe nochalten Dank vorzubringen für Ihr Verhalten in schwerer Zeit." Auf die Antwort:Manche Kreise hätten das übelgenommen. sagte der Großherzog: "Ich bin Ihnenjedenfalls dankbar. Sie haben damals wesentlich zur Beruhigung des Volkesbeigetragen."

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An der Universität verwaltete E. Krebs 1914-1917 die durch den Tod vonJohannes Uebinger verwaiste Professur für Philosophie; er erhielt .1915 denTitel des a. o. Professors und 1916 eine etatsmäßige a. o.Professur. Diese Jahrebrachten eine engere Berührung mit der Wertphilosophie seines Lehrers undKollegen Heinrich Rickert. Es reifte nun sein theologisches Programm. Sein Ein-dringen in die Erlösungslehre, sein Studium der Frage nach dem reinen oderpraktischen Charakter der Theologie im Mittelalter und Einflüsse der Rickert-sehen Wertphilosophie formten sich zu dem theologischen Programm, das er inseiner Antrittsrede vorn 8. Juni 1917: Die Wertprobleme und ihre Behandlungin der katholischen Dogmatik (Oberrh. Pastoralblatt 1917) vorlegte. Dieses Pro-gramm nahm ein Anliegen des Freiburger Dogmatikers Franz Anton Stauden-maier (1837-1856) auf, und hieß: Dogma und Leben, Lehre und Wert zu ver-binden. Dieses Programm führte er nun durch in seinem zweibändigenWerkDogma und Leben (I, 1921; 1923; I1, 1925) - seiner Dogmatik. Er führte es abervor allem durch in seinem Leben. Sein Denken war ein stetes Aufnehmen derNöte und Anliegen der Gegenwart, um sie mit den ewigen Wahrheiten zu kon-frontieren, und ein unermüdliches Austeilen der Geheimnisse Gottes, um allenalles zu werden. Aus dieser Sorge um die Seelen rang er immer wieder um eintieferes Verständnis des Glaubens selbst, um Erkenntnis des geheimnisvollenZusammenspielens von Verstand, Wille und Gnade beim Glaubensakt, so in:Wesen und Werden des Glaubens nach katholischem Verständnis (1926), Kircheund Glaube (1937).

Die Jahre auf dem Freiburger Ordinariat für Dogmatik als Nachfolger vonKarI Braig, seit 1919, brachten den Höhepunkt seiner akademischen Wirksam-keit. In den Vorlesungen schuf er immer wieder Höhepunkte der Zusammen-fassung und Durchleuchtung, die den Hörern unvergessen blieben, mochte auchdie Durchnahme des durchzunehmenden Stoffes manchmal darunter leiden. Nunbegann er, in Nachfolge von F. X. Kraus und H. Finke, seine berühmten Dante-vorlesungen für Hörer aller Fakultäten, die er 16 Jahre lang jeden Montagabendhielt. Einen literarischen Niederschlag haben wir davon in seiner Arbeit: Danteals Philosoph und Theolog (Schriften der Görresgesellschaft 1921,2) und in demAufsatz: Was bedeutet uns Seelsorgern Dante's Theologie und Religiosität?(Oberrh. Pastoralblatt 1921, 77). .

Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stellten die Aufgabe des religiösen undgeistigen Aufbaus, und mit hoffnungsfrohem Eifer widmete sich Prof. KrebsdieserAufgabe. Nun hielt er seinen weitschauenden Vortrag über: Die religiöseUnruhe der Gegenwart und die katholische Kirche (1921). Im Herbst 1922wünschte der kath. Akademikerverband eine Vortragsreihe über das Einigendeund Trennende in kath. und prot. Frömmigkeit. Hieraus erwuchs das Buch: DieProtestanten und wir. Einigendes und Trennendes (Der kath. Gedanke 4, 1922).Auf Einladung seines Freundes, Stadtpfarrer Knebel, hielt E. Krebs in denJanuartagen 1924 Vorträge auf der Kanzel zu St. Martin, die er unter dem Titel:Die Kirche und das neue Europa. Sechs Vorträge für gläubige und suchendeMenschen (1924}herausgab. Diese Schriften und Vorträge fanden ein großesEcho, weit über seine Glaubensgenossen hinaus.

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Aufbau, das hieß auch Caritas. Nun hielt E. Krebs seine ergreifende Elisabeth-predigt am 23. Nov. 1919 im Freiburger Münster: Von der Freiheit und ihrerHinopferung in der Knechtschaft der Liebe. In Freiburg wurde die Caritasschuleeingerichtet und bei ihrem ersten Lehrgang im August und September 1919 hieltE. Krebs seine Vorlesungen über Dogmatik und Asketik der Caritas, die dannim Druck erschienen unter dem Titel: Das Kennzeichen seiner Jünger. Ein Büch-lein von der christlichen Caritas (1921). Gegenüber Versuchen, die echte LiebeChristi zu ersetzen durch eine rein menschliche Menschenliebe, oder zu ver-drängen durch eine bloße materialistische Gesellschaftsordnung, wollte er hierden übernatürlichen Ursprung und die übernatürliche Ausgestaltung der Caritasaus der Glaubenslehre der Kirche erheben.Aufbau, das hieß auch rechtliche Sicherung der religiösen Erziehung. Eifrig trat

er für das Recht der Eltern ein, ihre Kinder nicht religionslosen Lehrern anver-trauen zu müssen (Zur Aussprache über die badische Zentrumspolitik. Augsbur-ger Postzeitung 1920 Nr.163). Als Stadtverordneter kämpfte er für die Rechteder privaten katholischen Schule (Die Aufhebung des schwarzen und weißenKlosters und die Errichtung des Katholischen Lehrinstituts. Kathol. Gemeinde-blatt, Freiburg 1926).

Im Jahre 1924 war der Freiburger Pathologe Aschoff einer Einladung ameri-kanischer und japanischer Schüler gefolgt und auf dieser Reise auch mit Mis-sionsbischof Bonifaz Sauer O.S.B. in Korea zusammengetroffen. Noch am Abenddieser Begegnung lud Bischof Sauer seinen Freund Krebs ein, dem BeispieleAschoffs zu folgen. Nach sorgfältiger geistiger Vorbereitung trat Prof. Krebs am4. März 1926 die Reise an. Sie führte ihn über New York und quer durch Nord-amerika nach San Francisco, hinüber nach Japan, Yokohama, Tokio, Nagasaki,nach China, Schanghai und Peking, durch die Mandschurei nach Korea, nachSeoul, Taeku, Fusan. An sechs japanischen Universitäten und außerdem noch ingroßen öffentlichen Versammlungen hielt er Vorträge über neueste Wendungenim europäischen Geistesleben. Diese Reise beschrieb Krebs in seinem Buche:Um die Erde. Eine Pilgerfahrt (1928). Es war eine apostolische PiIgerfahrtgewesen, die er mit wachem Auge und mit werbender Liebe gemacht hatte.

Nach seiner Heimkehr wurde er oft gefragt, ob ihm Freiburg nun nicht zueng vorkomme, und er antwortete: Nein; Freiburg ist ein weltoffener Hafenplatz,wo sich geistig rege Menschen aus aller Welt treffen. Freiburg ist mir nicht zueng; aber Europa ist mir zu eng, dieser Erdteil mit seiner selbstmörderischenAbsperrung und Verfeindung der Völker, der sich bei seiner Kleinheit noch denLuxus kleinlichster Verärgerung seiner zusammengepferchten Bewohner leistet,anstatt durch Zusammenarbeit das Leben menschenwürdig zu gestalten.

Den Weitgewanderten zog es nach seiner Rückkehr nun in die Einsamkeit. ImJahre 1928 mietete er die Klausenmatte bei St. Märgen und baute 1931 einekleine Kapelle dazu. Oft versammelte er dort den Kreis seiner Verwandten undFreunde um sich, und häufig stellteer seine Klause erholungsbedürftigen Fami-lien oder Ordensschwestern zur Verfügung. Manchmal wurde das Klausenlebendurch spontane Fahrten nach Einsiedeln oder nach Paris unterbroche.n. DieGästebücher haben das Klausenleben dokumentarisch festgehalten.

In diesen Jahren schenkte er uns seinen Augustinus (Sankt Augustin, derMensch und Kirchenlehrer, 1930). Veranlaßt durch das 1500. Todesjahr des Heili-

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gen schilderte er Augustinus als Menschen und Theologen inmitten der Arbeits-.welt seines Bischofsamtes und als Führer im Geisteskampf seiner Tage. Wenndie Haltung gegenüber der Theologie des Kirchenlehrers eine kritischere war alsin manchen anderen Darstellungen, so berief er sich dabei auf die amtlichenLehräußerungen derKirche. Im folgendenJahre, zur 1500-Jahr-Feier des Konzilsvon Ephesus, schrieb er die Festgabe der Görresgesellschaft: Theotokos (1931),wie er zur 1600-Jahr-Feier des Konzils von Nicaea die Abhandlung Homousios(Hochland 1925)geschrieben hatte. Zur Heiligsprechung Alberts des Großen hielter den Vortrag: Albert de?'Grope, der Heilige und Kirchenlehrer (Oberrh. Pasto-ralblatt 1933,3). Für das Staatslexikon der Görresgesellschaft schrieb er dieArtikel Gerechtigkeit und Gleichheit, und am Lexikon für Theologie und Kircheleistete er 1930-1938 viel sorgfältige Kleinarbeit als Fachleiter für Dogmatik.

Auf dem Gebiet der Forschung wird sein Dietrich von Freiberg, sein HervaeusNatalis, sein Logos als Heiland und sein Augustinus wohl dauernde Geltungbehalten. Aber die reine Forschung konnte ihn nicht Iesthalten. Ihm ging es inder zweiten Hälfte seines Lebens nicht darum, neue Forschungsergebnisse zugewinnen, sondern darum, den Menschen seiner Zeit eine wahre Antwort aufihre Fragen zu geben. Darum haben fast alle seine Schriften einen konkretenAnlaß, einen Sitz im Leben. Es ging ihm um unsterbliche Seelen, denen eralles zu werden suchte, um sie für Christus zu gewinnen. Mit empfänglicherSeele nahm er alle Schwingungen seiner Zeit auf. Aber mit dieser Sensibilitätverband er eine ebenso starke Konzentrationsfähigkeit. Was er aufnahm, beteteund meditierte er im Angesichte Gottes durch. Stets fand man ihn lesend, betend,schreibend. Jeder, der zu ihm kam, wurde reich beschenkt. So waren seine Tageerfüllt von den leiblichen und geistlichen Werken. der Barmherzigkeit.

Mit weltweit geöffnetem Geiste war Engelbert Krebs von seiner Weltreisezurückgekehrt. Nun mußte er in der Heimat erleben, wie hier eine Bewegungdie Macht an sich riß, die Deutschland von der Welt abschnürte und sich an demvergriff, was seinem Volke und seiner eigenen Priesterseele das Heiligste war.Wiederholt erhob er seine Stimme, so in seinen Vorträgen: Vom Wesen derAutorität im Lichte des christlichen Glaubens (1933)und: Jesuitischer Geist undDeutscher Geist (1934) und in seinen Aufsätzen: Die christlich-germanischeFrömmigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Meisters Eckhardt (Oberrh.Pastoralblatt 1935, 1-15; 40-49}, Arteigenes Christentum (St.d.Zt., 1935,81-94),Auf dem Felsen Petri. Geschichtstheologische Reflexionen (St.d.Zt., 1936, 71-79),Die Weltgeschichte im Lichte des Dogmenglaubens (Schönere Zukunft 1936 Nr.27). Schon 1926 war er mit seiner Schrift: Urkirche und Judentum' aufgetretengegen die Forderung, die Kirche vom Alten Testament, loszureißen. Mit tieferEmpörung sah er nun das Unrecht, das 1933 begann; unerschrocken äußerte ersein Urteil. Im Jahre 1936wurde er aus seinem Lehramt entfernt, am 23.April1937 entlassen, und wiederholt schwebte schlimme Gefahr über seinem Haupte.Dennoch war er unermüdlich, in Predigt und Exerzitien, im Beichtstuhl und inEinkehrtagen und in der Bewältigung eines fast unübersehbaren Briefwechsels.Am Jakobusfest 1943 hielt er in Onsbach eine Patroziniumspredigt über dieNächsten- und Feindesliebe: Den Feind darf man zwar bekämpfen, aber nichthassen. Daraufhin verbot ihm die Regierung Kanzel und Beichtstuhl und sogar

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die Feier der hI. Messe in öffentlich zugänglichen Kirchen. Nun arbeitete er inder Stille an einer Geschichte des Mutterhauses der Barmherzigen Schwesternin Freiburg und am China-Lexikon des Herderverlags. In den letzten Jahrenhatte er noch die Absicht, seine Geschichtstheologie auszuarbeiten und seineLebenserinnerungen niederzuschreiben, doch die Krankheit zwang ihn, die Federaus der Hand zu legen.

All diese ungeheure Arbeit wurde einem zarten, seit Jahrzehnten übermüde-ten und durch eine Blutkrankheit geschwächten Körper abgerungen. Staunendfragen wir: Wie war das möglich? Hier rühren wir an das Tiefste seiner Persön-lichkeit: Er war Priester. Allen alles werden - damit hatte der Vater seinenPriesterberuf geweckt. Priestertum war ihm ein Knechtsdienst der Liebe. SeineVielseitigkeit war keine Zersplitterung, sondern war zusammengehalten durchdiesen Knechtsdienst der Liebe zu Christus und zu den Seelen, ein Knechtsdienstbis zur Ermüdung, aber stets neu gestärkt durch die Kraftquellen des Priester-lebens: durch das tägliche Morgenopfer der hl, Messe und durch das Brevier, daser liebte und lange, ehe er dazu verpflichtet war, täglich betete. "Nie und nim-mer", so schreibt er einmal, "möchte ich missen, was mir an geistigen Reich-tümern aus dem Brevier zugeflossen ist und noch immer zufließt, und vieles, wasin Beichtstuhl, Predigt oder schriftstellerischer Arbeit andern nutzbar gewordenist, ist mir selber zuerst durch das Breviergebet zugeströmt." Und wie liebte erseinen Beruf! Die schönsten Selbstbekenntnisse darüber hat ihm in der Mitteseines Lebens ein heute vergessenes Pamphlet abgerungen, das er mit seinerGegenschrift: Der Knechtsdienst des katholischen Priesters (1920) beantwortete.Immer wieder kehrte er zu diesem Lieblingsthema zurück: Vom königlichenPriestertum des Volkes Gottes (1925),Vom Priestertum der Frau (Hochland 1922),Christus und der Priester (1931).Wie gern teilte er in der Marianischen Priest er-kongregation seinen Mitbrüdern von dem mit, was er durchgebetet und durch-betrachtet hatte (vgI.Eine marianische Priesterkongregation vor der Reformation.Oberrh. Pastoralblatt 1929, 199). Seit 1911 war er ein eifriger Mitarbeiter desOberrheinischen Pastoralblattes, und seine Weihnachtsbetrachtung (1913) oderKarfreitagsbetrachtung (1917) oder seinen Aufsatz: Göttliche und menschlicheKräfte in der Seelsorge (1932)wird mancher Seelsorger gern wieder nachlesen.Die Sorge um den Weg eines Mitbruders veranlaßte ihn zu seiner Schrift: Jose!Wittigs Weg aus der kirchlichen Gemeinschaft (1928), und wie freute er sich,als dieser nach seiner Aussöhnung mit der Kirche ihn grüßen ließ.

Es nahte das Ende des letzten Krieges, und es trat das ein, was er seit überzehn Jahren wissend, schauend, unverwandt hatte kommen sehen. An jenem27. November 1944wohnte er der Abendmesse im Münster bei, als ringsum dieBomben fielen. Und er sah seine geliebte Vaterstadt in Flammen und seineUniversitätskirche, deren Präfekt er zwölf Jahre lang (1936-1942) gewesen war,in Trümmern, und fand viele seiner liebsten Freunde tot. Diesem Schlage warseine schon seit Jahren geschwächte Gesundheit nicht mehr gewachsen. Er wurdeam 1.Mai 1945 wieder in sein Amt eingesetzt, aber die Lehrkanzel konnte ernicht mehr besteigen; er bat am 21.März 1946 um seine Emeritierung, die ihmam 30. Jan. 1947 auf den 1.Okt.1946 gewährt wurde.

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Mit der Mystik von Adelhausen hatte E. Krebs seine theologische Arbeitbegonnen; die Liebe zur Mystik hat sein ganzes Gelehrtenleben begleitet. 1921schrieb er die Grundfragen der kirchlichen Mystik: jedes ernste Christenlebenmünde in mystische Gnaden. 1926 gab er die Schrift von Schwester Isidora, Diesieben Gaben des HI. Geistes heraus. 1930 berichtete er über die große Geschichteder Frömmigkeit von H. Bremond (Das heilige Frankreich und die Grundlagendes geistlichen Lebens. Der kath. Gedanke, 1930, 277-299; 357-400}. In den dreiersten Bänden von Wolfgang Stammlers Verfasserlexikon der deutschen Lite-ratur des Mittelalters (1933-1943) sind die meisten Artikel über mittelalterlicheMystiker von ihm.Nun ist eine übereinstimmende Lehre der Mystiker, daß Gott die Seele, die

er näher an sich ziehen will, durch einen Zustand führt, den sie die dunkle Nachtder Seele nennen. Es scheint, daß Gott auch unseren Freund in eine solche Nachtder passiven Reinigung geführt hat, in ein Erleben eigener Nichtigkeit und intiefe Trostlosigkeit, vor der jede Kunst des Arztes und jeder Trost des Freundesversagte. Erschüttert aber hilflos sahen seine Freunde, wie er, der so vielenTröster geworden war, nun keinen Trost mehr annehmen konnte, und wie er,der unerschöpflich Gaben des Geistes und Frohsinns zu spenden wußte, sichzurückzog in tiefe Einsamkeit und jahrelanges Schweigen. Was er in diesenJahren gelitten hat, weiß Gott allein. Aber in heiliger Bewunderung stehen wirvor diesem Leben, auf das Gott nach einem solchen Übermaß der Aktion einsolches Übermaß der Passion legen wollte, und vor dem, der in Demut undheroischer Geduld den Kelch zur Neige trank, weil der Herr ihn reichte.

Am 5.Oktober las er seine letzte heilige Messe. Seine letzte Krankheit, in derer von seiner treuen Marianne gepflegt wurde, dauerte acht Wochen. Zur all-gemeinen Entkräftung kam in den letzten Tagen noch eine Nierenbeckenentzün-dung hinzu. Doch sein Geist blieb klar bis zuletzt. Seine wachen Stunden warenvon stetem stillem Beten erfüllt. Am 13.November spendete der P. Prior desFreiburger Dominikanerklosters ihm die hI. Sterbesakramente, und in der Frühedes 29. November, um 5 Uhr, zu der Stunde, da er sonst aufzustehen pflegte, umsich in Betrachtung und Gebet auf die hI. Messe vorzubereiten, rief der Herr dieSeele seines treuen Dieners zu sich.Lieber, treuer, unvergeßlicher Freund! So hast du vor uns, mit uns und für

uns gelebt und gelitten.Dein Bild wollen wir in tiefer Dankbarkeit in uns bewahren: mit deinem

sprühenden Frohsinn und deinem heiligen Ernst, mit deinem unermüdlichenEifer und deiner schweigenden Einsamkeit, mit deiner demütigen Bescheidenheitund deiner freimütigen Offenheit, mit deinem tiefen Glauben und deiner kind-lichen Frömmigkeit.Wir wollen dir die Freundesgabe des Gebetes schenken.Du hast nun jene Grenze überschritten, die Zeit und Ewigkeit trennt und bist

eingetreten in jenes Reich, wo aller irdische Schmerz endet und alle Schwermutfällt, wo so viele auf dich warten, denen du ein Helfer warst zu ihrem ewigenZiele, und wo dich erwartet Jesus Christus, der princeps pastorum, um dir zureichen den Kranz unvergänglicher Herrlichkeit (I Petr 5, 4)',und wo endet alleWissenschaft und aller Glaube; wo aber bleibt das Schauen und die Liebe.

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