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S130 Nachdem in den letzten Jahrzehnten reichlich Erfahrung mit dentalen Im- plantaten gesammelt werden konnte [2, 3, 6], ist der Einsatz enossaler Im- plantate im Gesichtsbereich noch rela- tiv neu. Gerade diese Implantate stel- len jedoch eine große Bereicherung für den Patienten dar, da sie im Rahmen der rekonstruktiven Chirurgie bei Pati- enten mit Gesichtsdefekten große Dienste leisten [4, 8]. Das Einbringen kraniofazialer Im- plantate kann gleichzeitig mit der Tu- morresektion oder in einem 2. operati- ven Schritt erfolgen. Bei primärer Im- plantatinsertion ist eine sehr schnelle Rehabilitation der z.T. stark entstellten Patienten möglich. Bislang gängige Fixationsmetho- den für Epithesen (z.B. Brille, Kleb- stoffe) sind weiterhin im Einsatz, ver- lieren jedoch angesichts großer Vortei- le der implantatgetragenen Epithesen zunehmend an Bedeutung [5, 9, 10]. Mittels einer in regelmäßigen Abstän- den durchgeführten Nachuntersuchung der betroffenen Patienten soll anhand unserer Erfahrungen eine Aussage über die Langzeitprognose der kranio- fazialen Implantate erfolgen. Patienten und Methode In den Jahren von 1990–1998 wurden an der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universität Tübingen 39 Patienten mit kraniofazialen Implantaten nach defektbildender Tumorresektion im Gesichtsbe- reich versorgt. Diese Patienten wurden in regelmäßigen Abständen von anfangs 1, dann 3 Monaten nach Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 [Suppl 1] : S130–S132 © Springer-Verlag 1999 Enossale Implantate nach Tumorresektion im Gesichtsbereich B. Nestle, C.-P. Cornelius, N. Schwenzer Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr.Dr. S. Reinert), Universität Tübingen Dr. Dr. B. Nestle, Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Univer- sität Tübingen, Osianderstraße 2–8, D-72076 Tübingen Zusammenfassung Enossale Implantate, die nach Tu- morresektion im Gesichtsbereich inseriert werden, können entschei- dend zur Deckung von Defekten an Auge, Nase, Ohr und komplexen Gesichtsdefekten beitragen. Inse- riert wurden insgesamt 128 Im- plantate. 110 Implantate wurden im Bereich der Orbita, 12 Implan- tate ins Mastoid und 6 Implantate paranasal inseriert. Bei den Im- plantattypen handelte es sich um 113 kraniofaziale Brånemark-Im- plantate und 15 lange dentale Im- plantate. Die Langzeitergebnisse dieser Implantate sollten anhand einer in regelmäßigen Abständen durchgeführten Nachuntersuchung unserer Patienten eruiert werden. Bei einer hohen Erfolgsrate der Implantate von 94,5% während eines langen Untersuchungszeit- raums kann von einer sehr guten Langzeitprognose ausgegangen werden. Der Einsatz enossaler Im- plantate im Gesichtsbereich sollte ausgeweitet und die Indikation großzügiger gestellt werden. Schlüsselwörter Enossale Implantate · Tumorresek- tion · Gesichtsdefekte ORIGINALIEN Abb. 1. Präoperatives CT: Platten- epithelkarzinom der rechten Or- bita

Enossale Implantate nach Tumorresektion im Gesichtsbereich

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Page 1: Enossale Implantate nach Tumorresektion im Gesichtsbereich

S130

Nachdem in den letzten Jahrzehntenreichlich Erfahrung mit dentalen Im-plantaten gesammelt werden konnte[2, 3, 6], ist der Einsatz enossaler Im-plantate im Gesichtsbereich noch rela-tiv neu. Gerade diese Implantate stel-len jedoch eine große Bereicherung fürden Patienten dar, da sie im Rahmender rekonstruktiven Chirurgie bei Pati-enten mit Gesichtsdefekten großeDienste leisten [4, 8].

Das Einbringen kraniofazialer Im-plantate kann gleichzeitig mit der Tu-morresektion oder in einem 2. operati-ven Schritt erfolgen. Bei primärer Im-plantatinsertion ist eine sehr schnelleRehabilitation der z.T. stark entstelltenPatienten möglich.

Bislang gängige Fixationsmetho-den für Epithesen (z.B. Brille, Kleb-stoffe) sind weiterhin im Einsatz, ver-lieren jedoch angesichts großer Vortei-le der implantatgetragenen Epithesenzunehmend an Bedeutung [5, 9, 10].Mittels einer in regelmäßigen Abstän-den durchgeführten Nachuntersuchungder betroffenen Patienten soll anhandunserer Erfahrungen eine Aussageüber die Langzeitprognose der kranio-fazialen Implantate erfolgen.

Patienten und Methode

In den Jahren von 1990–1998 wurden an derKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- undGesichtschirurgie der Universität Tübingen 39Patienten mit kraniofazialen Implantaten nachdefektbildender Tumorresektion im Gesichtsbe-reich versorgt.

Diese Patienten wurden in regelmäßigenAbständen von anfangs 1, dann 3 Monaten nach

Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 [Suppl 1] :S130–S132 © Springer-Verlag 1999

Enossale Implantate nach Tumorresektion im Gesichtsbereich

B. Nestle, C.-P. Cornelius, N. SchwenzerKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Prof. Dr.Dr. S. Reinert), Universität Tübingen

Dr. Dr. B. Nestle, Klinik und Poliklinik fürMund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Univer-sität Tübingen, Osianderstraße 2–8, D-72076Tübingen

Zusammenfassung

Enossale Implantate, die nach Tu-morresektion im Gesichtsbereichinseriert werden, können entschei-dend zur Deckung von Defekten anAuge, Nase, Ohr und komplexenGesichtsdefekten beitragen. Inse-riert wurden insgesamt 128 Im-plantate. 110 Implantate wurdenim Bereich der Orbita, 12 Implan-tate ins Mastoid und 6 Implantateparanasal inseriert. Bei den Im-plantattypen handelte es sich um113 kraniofaziale Brånemark-Im-plantate und 15 lange dentale Im-plantate. Die Langzeitergebnissedieser Implantate sollten anhandeiner in regelmäßigen Abständendurchgeführten Nachuntersuchungunserer Patienten eruiert werden.Bei einer hohen Erfolgsrate derImplantate von 94,5% während eines langen Untersuchungszeit-raums kann von einer sehr gutenLangzeitprognose ausgegangenwerden. Der Einsatz enossaler Im-plantate im Gesichtsbereich sollteausgeweitet und die Indikationgroßzügiger gestellt werden.

Schlüsselwörter

Enossale Implantate · Tumorresek-tion · Gesichtsdefekte

O R I G I N A L I E N

Abb.1. Präoperatives CT: Platten-epithelkarzinom der rechten Or-bita

Page 2: Enossale Implantate nach Tumorresektion im Gesichtsbereich

Tumorresektion bzw. Implantatinsertion nach-untersucht.

Bei den insgesamt 39 Patienten handelte essich ausschließlich um maligne Tumoren im Ge-sichtsbereich, zu je 1⁄3 um Karzinome, Basaliomeund Melanome. Betroffen waren 23 Männer und16 Frauen.

Die Hauptlokalisation der Tumoren lag ein-deutig im Bereich der Orbita, und zwar bei 31Patienten (Abb. 1). 5 Patienten litten an einemTumor des Ohrs. Dabei handelte es sich bei 3Patienten um ein Plattenepithelkarzinom undbei 2 Patienten um ein Melanom. 3 Patienten lit-ten an einem Tumor der Nase. In allen 3 Fällenlag ein Basaliom vor.

Bei unseren Patienten wurden insgesamt128 Implantate inseriert. 100 Implantate wurdenentsprechend der Haupttumorlokalisation peri-orbital eingebracht (Abb. 2). 10 Implantate in-serierten wir in den zentralen Bereich der Orbi-ta. Voraussetzung hierfür war eine Knochentrans-

plantation in die Orbita. 12 Implantate wurdenins Mastoid, 6 Implantate paranasal eingebracht.

Zur Anwendung kamen fast ausschließlichBrånemark-Implantate (n = 125). Dabei handel-te es sich um 113 kurze kraniofaziale Bråne-mark-Implantate und 12 lange dentale Bråne-mark-Implantate. In 2 Fällen wurden Hati-Im-plantate, in 1 Fall ein Tübinger Implantat der er-sten Generation inseriert.

Als Suprakonstruktion wurden in allen Fäl-len Magneten verwendet (Abb. 3, 4).

Ergebnisse

Bei einer durchschnittlichen Nachbe-obachtungszeit von 3,5 Jahren (4 Mo-nate–7 Jahre) waren 7 (5,5%) Implan-

S131

Mund Kiefer GesichtsChir (1999) 3 [Suppl 1] :S130–S132© Springer-Verlag 1999

Endosteal implants after tumor surgery of the face

B. Nestle, C.-P. Cornelius, N. Schwenzer

Summary

Endosteal implants after tumorsurgery of the face are helpful inreconstructing facial defects. A re-trospective study of our patientstreated using craniofacial implantswas conducted to evaluate long-term results. A total of 128 im-plants were inserted, 110 implantsin the periorbital, 12 implants inthe mastoid, and six implants in theparanasal region; 113 implants we-re short craniofacial Brånemarkimplants, and 15 implants weredental implants. The success ratefor implant survival was 94.5%.Long-term results were promisingand more than satisfactory, leadingto a large indication for these en-dosteal implants.

Key words

Endosteal implants · Tumor sur-gery · Facial defects

Abb.2. Postoperatives Röntgen-bild (Schädel halbaxial): 5 kranio-faziale Brånemark-Implantate pe-riorbital inseriert, nach Exentera-tio orbitae

Abb.3. Postoperativer Situs mit Magneten als Suprakonstruktion

Page 3: Enossale Implantate nach Tumorresektion im Gesichtsbereich

S132

O R I G I N A L I E N

tatverluste zu verzeichnen. Bei 5 Im-plantaten war der Verlust bereits in derPhase der Knocheneinheilung einge-treten. 2 Implantate gingen bei einemPatienten, der zuvor bestrahlt wordenwar, nach Osseointegration verloren.

Schlußfolgerungen

Nach Auswertung der oben angegebe-nen Nachuntersuchung liegt in unse-rem Krankengut die Erfolgsrate kra-niofazialer Implantate bei 94,5%. Bei

einem Beobachtungszeitraum von 4Monaten bis 7 Jahre nach der Insertionkann von einer guten Langzeitprogno-se gesprochen werden. Gerade der Ein-satz dieser enossalen Implantate zurRehabilitation nach Tumorbehandlungim Gesichtsbereich sollte ausgeweitetwerden.

Neue Fixationstechniken von Epi-thesen und hohe Erfolgsraten kraniofa-zialer Implantate sprechen für die be-vorzugte Anwendung implantatgetra-gener Epithesen [1, 7].

Literatur

1. Jacobsson M, Tjellström A, Fine L (1992) Aretrospective study of osseointegrated skin-penetrating titanium fixtures used for re-taining facial prostheses. Int J Oral Maxillo-fac Implants 7: 523–528

2. Kovacs A (1998) Endosseous implant man-agement of tumor patients with the bonelock system. A 5-year study. Mund KieferGesichtsChir 2: 20–25

3. Marx R, Morales M (1998) The use of im-plants in the reconstruction of oral cancerpatients. Dent Clin North Am 42: 177–202

4. Nestle B, Schwenzer N, Ehrenfeld M (1997)Die implantatverankerte Orbitaepithese. In:Schwipper V, Tilkorn H (Hrsg) Fortschrittein der kraniofazialen chirurgischen Pro-thetik und Epithetik. Einhorn, Reinbek, S 99–102

5. Nestle B, Lukas D, Schwenzer N (1999) Re-tention force of magnets in endosteal im-plants used for facial prosthesis. Int J OralMaxillofac Surg 1: 41–44

6. O’Roark W (1997) Survival rate of dentalimplants: an individual practitioner’s anec-dotal review of 25 years of experience. J Oral Implantol 23: 90–103

7. Tjellström A, Granström G (1995) One-stage procedure to establish osseointegra-tion: a zero to five years follow-up report. J Laryngol Otol 109: 593–598

8. Schwenzer N (1989) Das Tübinger Implan-tat zur Fixierung von Augenprothesen. Z Zahnarztl Implantol 5: 142–144

9. Schwenzer N (1998) Bonegrafting andsagittal implantation to support an orbitalprosthesis. J Facial Stomato Prosthet 4: 43–48

10. Van Oort R, Reintsema H, Van Dijk G,Raghoebar G, Roodenburg J (1994) Indica-tions for extra-oral implantology. J InvestSurg 7: 275–281

Abb.4. Patientin mit eingeglie-derter Implantat-getragener Orbi-taepithese