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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 1 Es 4/14.P Beschluss In der Verwaltungsrechtssache 1. 2. - Antragsteller - Prozessbevollmächtigte zu 1-2: gegen Freie und Hansestadt Hamburg, - Antragsgegnerin - Prozessbevollmächtigte:

Entscheidung Verwaltungsgericht Hamburgjustiz.hamburg.de/contentblob/4399010/2b5cdc5a59fbf09db7...Februar 2014 enthalten ist, nur auf die in der Anordnung vom 31. Januar 2014 bezeichneten

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  • Hamburgisches Oberverwaltungsgericht 1 Es 4/14.P

    Beschluss

    In der Verwaltungsrechtssache

    1. 2.

    - Antragsteller - Prozessbevollmächtigte zu 1-2: g e g e n Freie und Hansestadt Hamburg,

    - Antragsgegnerin - Prozessbevollmächtigte:

  • - 2 -

    hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat,

    am 23. Oktober 2014 beschlossen:

    Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der

    Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte. Im übrigen tragen die Beteiligten ihre außerge-

    richtlichen Kosten selbst.

    Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt.

    G r ü n d e

    I.

    Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbe-

    schluss der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation vom 26. Juni 2013 "für die

    Verlegung der Bundesstraße 4/75 (Wilhelmsburger Reichsstraße) zwischen den An-

    schlussstellen HH-Georgswerder und HH-Wilhelmsburg-Süd nebst Anpassung von Eisen-

    bahnbetriebsanlagen".

    Die Wilhelmsburger Reichsstraße durchquert als Teil der Bundesstraße 4/75 in Nord-Süd-

    Richtung den Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg. Zwischen der Überquerung des Ernst-

    August-Kanals im Norden und der Anschlussstelle (im folgenden: AS) HH-Wilhelmsburg-

    Süd im Süden verläuft sie in einem Abstand von mehreren hundert Metern westlich einer

    Eisenbahntrasse, die im wesentlichen aus vier je zweigleisigen Strecken nebst umfang-

    reichen Abstell- und Puffergleisen besteht. Während die im Norden und Süden anschlie-

    ßenden Teile der Straßenverbindung als Autobahnen (A 252 im Norden, A 253 im Süden)

    - 3 -

  • - 3 -

    mit Seiten- und Mittelstreifen geführt werden, weist die Wilhelmsburger Reichsstraße zwi-

    schen dem Ernst-August-Kanal und der AS HH-Wilhelmsburg-Süd einen Bestandsquer-

    schnitt von 14,20m auf. Die Verkehrsbelastung beträgt auf diesem Streckenabschnitt der-

    zeit ca. 53.000 Kfz pro Tag mit einem LKW-Anteil von 10%.

    Die Vorhabenträger beabsichtigen, die Wilhelmsburger Reichsstraße auf einer Länge von

    4,6 km nach Osten zu verlegen und mit einem Querschnitt von 28m auszubauen. Hierfür

    soll die AS HH-Wilhelmsburg-Süd umgebaut und anschließend die Straße an die

    Bahntrasse herangeführt werden, wo sie über eine Strecke von mehr als 2 km parallel zu

    den Bahngleisen verlaufen soll. Nördlich der neuen AS Rotenhäuser Straße, die anstelle

    der bisherigen AS HH-Wilhelmsburg errichtet werden soll, verschwenkt die neue Trasse

    leicht in nordnordwestlicher Richtung und wird, nachdem sie den Ernst-August-Kanal auf

    einer neuen Brücke östlich des Jaffe-Davids-Kanals überqueren soll, bei der bestehenden

    Unterführung unter den Bahngleisen westlich der AS HH-Georgswerder in die Bestands-

    trasse zurückgeführt. Die Planung bedingt den Umbau bestehender Gleisanlagen, da die

    neue Straßentrasse Raum beansprucht, der derzeit noch von in Betrieb befindlichen

    Bahnanlagen, u.a. dem westlichen Gleis der Güterzugstrecke 1255 ("Gleis 8"), genutzt

    wird.

    Der Antragsteller zu 1 ist Eigentümer eines u.a. mit einem Wohnhaus bebauten Grund-

    stücks östlich der Bahntrasse; in Höhe seines Grundstücks soll die Wilhelmsburger

    Reichsstraße künftig parallel zu den bestehenden Bahngleisen verlaufen. Die Antragstel-

    lerin zu 2 ist Eigentümerin eines ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im

    nördlichen Bereich des Planungsgebiets; die neue Straßentrasse soll gegenüber der be-

    stehenden Straße erheblich näher an ihr Grundstück heranrücken, während das bisher in

    einer geringsten Entfernung von ca. 70m entfernte Gleis 8 in Höhe ihres Grundstücks

    geringfügig nach Osten verlegt werden soll.

    Am 15. Februar 2011 beantragten die DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs-

    und –bau GmbH) im Auftrag der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt der Antrags-

    gegnerin sowie die Beigeladene gemäß § 78 VwVfG die einheitliche Planfeststellung für

    das Gesamtvorhaben. Nachdem die Planunterlagen in der Zeit vom 17. Februar 2011 bis

    zum 16. März 2011 ausgelegen hatten, erhoben die Antragsteller sowohl in individuellen

    Schreiben als auch in einem von ihrem Bevollmächtigten auch für zahlreiche weitere Per-

    - 4 -

  • - 4 -

    sonen verfassten umfangreichen Schreiben fristgerecht Einwendungen gegen die Pla-

    nungen. Auch zu Planänderungen, die im Januar 2013 von den Vorhabensträgern einge-

    reicht worden waren, erhoben die Antragsteller Einwendungen.

    Am 26. Juni 2013 stellte die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation als Planfest-

    stellungsbehörde den Plan für die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße nebst An-

    passung von Eisenbahnbetriebsanlagen fest. Die festgestellten Pläne sehen auch die

    Errichtung von Lärmschutzwänden entlang der verlegten Straßentrasse sowie entlang der

    Bahntrasse vor. Soweit Überschreitungen der Lärmgrenzwerte verbleiben, werden dem

    Grunde nach Ansprüche auf Entschädigung für Schallschutzmaßnahmen bzw. wegen

    Einschränkungen in der Nutzung von Außenwohnbereichen gewährt. Mit der Verkehrs-

    freigabe wird die neu gebaute Straße zur Bundesfernstraße gewidmet und Bestandteil der

    Bundesstraße 75; gleichzeitig werden die bisherigen Bundesautobahnen A 252 und 253

    zu einer Bundesstraße (B 75) abgestuft. Die Bestandstrasse der Wilhelmsburger Reichs-

    straße von der AS HH-Wilhelmsburg-Süd bis zur Kreuzung mit den Bahnanlagen westlich

    der AS HH-Georgswerder wird eingezogen. Der Planfeststellungsbeschluss wurde durch

    Auslegung in der Zeit vom 1. bis 15. Juli 2013 öffentlich bekannt gemacht.

    Die Antragsteller haben am 2. August 2013 zusammen mit weiteren Personen Klage mit

    dem Ziel erhoben, den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben, hilfsweise ihn für rechts-

    widrig und nicht vollziehbar zu erklären (Verfahren 1 E 12/13.P); hierüber ist noch nicht

    entschieden.

    Auf den Antrag der Vorhabenträger ordnete die Planfeststellungsbehörde am 8. August

    2013 die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses (nur) hinsichtlich näher

    bezeichneter Baumaßnahmen an den Bahnanlagen (v.a. Verlegung des Gleises 8 nach

    Osten an die vorhandenen Bahngleise; Beseitigung und Neubau von Abstell- und Puffer-

    gleisen auf der Westseite der Bahnanlagen; Errichtung von Lärmschutzwänden auf Bahn-

    gelände) an. Das Oberverwaltungsgericht lehnte einen hiergegen (nicht von den Antrag-

    stellern des vorliegenden Verfahrens) gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen

    Rechtsschutzes mit Beschluss vom 24. Oktober 2013 (1 Es 4/13.P) ab.

    Auf weiteren Antrag der Vorhabenträger vom 6. Januar 2014 ordnete die Planfeststel-

    lungsbehörde am 31. Januar 2014 die sofortige Vollziehung des Planfeststellungsbe-

    - 5 -

  • - 5 -

    schlusses auch im übrigen an. Hiergegen richtet sich der vorliegende Antrag der Antrag-

    steller vom 21. Februar 2014. Sie berufen sich auf ihr umfangreiches Vorbringen im Kla-

    geverfahren. Die dort gerügten Fehler führten dazu, dass der Planfeststellungsbeschluss

    im Ergebnis zumindest als rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt werden müsse; ange-

    sichts dessen überwiege ihr Interesse an einer Aussetzung der Vollziehbarkeit des Be-

    schlusses. Aber auch bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage überwiege das

    Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Der von den Vorhabensträgern und der Planfest-

    stellungsbehörde behauptete Sanierungsbedarf der bestehenden Wilhelmsburger Reichs-

    straße werde nicht näher belegt, rechtfertige jedenfalls aber keine Verlegung der Straße.

    Die Antragsteller beantragen,

    die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom

    26. Juni 2013 in der durch Planänderungsbeschluss vom 9. Oktober 2014 geän-

    derten Form anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehbarkeit

    am 31. Januar 2014 ergänzend zur Anordnung vom 8. August 2014 angeordnet

    hat.

    Die Antragsgegnerin beantragt,

    den Antrag abzulehnen.

    Sie betont den schlechten Zustand insbesondere der Brücke über den Ernst-August-

    Kanal, weist darauf hin, dass die Straße Kornweide nur auf einer für Schwertransportfahr-

    zeuge nicht befahrbaren Behelfsbrücke über die bestehende Wilhelmsburger Reichsstra-

    ße geleitet wird und vertieft ihre Ansicht, dass die Klage der Antragsteller in der Hauptsa-

    che voraussichtlich keinen Erfolg haben werde.

    Die Beigeladene hat sich inhaltlich nicht geäußert.

    II.

    A.

    - 6 -

  • - 6 -

    Über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet gemäß § 48

    Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 sowie § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das Oberverwaltungsgericht

    als Gericht der Hauptsache.

    Der Senat sieht keinen Anlass, mit der Entscheidung über den Antrag zuzuwarten, bis die

    Antragsteller zu dem am 9. Oktober 2014 ergangenen Planänderungsbeschluss Stellung

    genommen haben. Dieser Änderungsbeschluss betrifft sie unter keinem denkbaren Ge-

    sichtspunkt. Hiermit hat die Antragsgegnerin lediglich eine Unklarheit im ursprünglichen

    Planfeststellungsbeschluss beseitigt, die hinsichtlich des Umfangs der Inanspruchnahme

    eines Grundstücks nordwestlich der umzubauenden AS HH-Wilhelmsburg-Süd und des

    Bahndamms der in den Hafen führenden Güterbahnstrecke 1254 bestanden hat.

    B.

    Der von den Antragstellern gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden

    Wirkung ihrer Klage (§ 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ist zulässig. Er

    bezieht sich nach der Antragsformulierung, wie sie im Schriftsatz vom 21. Februar 2014

    enthalten ist, nur auf die in der Anordnung vom 31. Januar 2014 bezeichneten Maßnah-

    men, nicht hingegen auch auf die Maßnahmen, für die die Antragsgegnerin den Sofort-

    vollzug bereits am 18. August 2013 angeordnet hatte. Daran sollte die Anpassung des

    Antrags im Schriftsatz vom 14. Oktober 2014 (Einbeziehung des Planänderungsbeschlus-

    ses vom 9. Oktober 2014) ersichtlich nichts ändern. Der Antrag wurde innerhalb der Mo-

    natsfrist des § 17e Abs. 3 Satz 1 FStrG gestellt und begründet. An der Antragsbefugnis

    der Antragsteller entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO bestehen keine Zweifel. Zwar werden

    ihre Grundstücke für das planfestgestellte Vorhaben nicht in Anspruch genommen, doch

    sind sie jedenfalls infolge der vorhabensbedingten Immissionen durch den Planfeststel-

    lungsbeschluss mittelbar betroffen.

    - 7 -

  • - 7 -

    C.

    Der Antrag hat keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der

    in der Anordnung vom 31. Januar 2014 näher bezeichneten Maßnahmen ist in der An-

    ordnung in einer Weise begründet worden, die den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO

    genügt (1.). Die Abwägung der einander gegenüber stehenden Interessen führt zu einem

    Überwiegen des öffentlichen Interesses (2.).

    1. Die Antragsgegnerin ist der aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO folgenden formellen Pflicht,

    in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der Vollzie-

    hung eines Verwaltungsakts schriftlich zu begründen, nachgekommen. Sie hat sich nicht

    auf formelhafte Wendungen zurückgezogen, sondern hat in eingehender Weise über

    mehrere Seiten auf den konkreten Einzelfall abstellende tatsächliche Gründe angeführt,

    die darlegen, warum der angefochtene Planfeststellungsbeschluss nun auch hinsichtlich

    der Straßenbaumaßnahmen aus ihrer Sicht sofort und nicht erst nach Eintritt der Be-

    standskraft vollzogen werden muss. Auch hat sie ausgeführt, weshalb aus ihrer Sicht eine

    Beschränkung der Sofortvollzugsanordnung auf einzelne Bauwerke nicht sinnvoll sei.

    Diese Begründung wird der Informationsfunktion, die dem Begründungserfordernis im

    Hinblick auf den Adressaten, insbesondere im Interesse einer Einschätzung seiner

    Rechtsschutzmöglichkeiten zukommt, ebenso gerecht wie der Warnfunktion gegenüber

    der Behörde selbst, durch die dieser der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung

    vor Augen geführt werden soll (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.10.2012, 7 VR 11.12, juris,

    Rn. 6 m.w.N.).

    2. Die Abwägung des öffentlichen Interesses bzw. des hiermit gleichliegenden Interesses

    der Vorhabenträger an der sofortigen Vollziehung der Straßenbaumaßnahmen mit dem

    Aussetzungsinteresse der Antragsteller führt zu einem Überwiegen des öffentlichen Inte-

    resses. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5

    Satz 1 VwGO eine eigenständige Abwägung der entgegenstehenden Interessen vorzu-

    nehmen und ist nicht auf eine Überprüfung der behördlichen Sofortvollzugsanordnung

    beschränkt (vgl. Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz

    im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, Rn. 963, 1065). Für die Gewichtung des

    Aussetzungsinteresses der Antragsteller hat das Gericht eine eingehende Prüfung der

    voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Klage vorgenommen. Danach wird es in der

    - 8 -

  • - 8 -

    Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht dazu kommen, dass der Planfeststel-

    lungsbeschluss vom 26. Juni 2013 aufgehoben oder für rechtswidrig und nicht vollziehbar

    erklärt werden wird (2.1.). An der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschluss

    besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse (2.2.).

    2.1. Nach der vom Gericht vorgenommenen eingehenden Prüfung wird die Klage der

    Antragsteller aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, soweit sie die Aufhebung des

    Planfeststellungsbeschlusses und hilfsweise die Feststellung anstreben, dass der Plan-

    feststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist. In diese Prüfung wurden

    auch die Maßnahmen einbezogen, die bereits mit der Anordnung vom 18. August 2013

    für sofort vollziehbar erklärt worden waren, da jedenfalls Teile hiervon Voraussetzung

    dafür sind, dass das Straßenbauvorhaben ausgeführt werden kann.

    2.1.1. Zu Recht wurde auf der Grundlage von § 78 HmbVwVfG ein gemeinsames und

    einheitliches Planfeststellungsverfahren für das Straßenbauvorhaben und für die "Anpas-

    sung von Eisenbahnbetriebsanlagen" (so die Bezeichnung im Titel des Planfeststellungs-

    beschlusses) durchgeführt. Die Zuständigkeit richtet sich gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1

    HmbVwVfG in diesem Fall nach den Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren,

    das für diejenige Anlage vorgeschrieben ist, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher

    Beziehungen berührt. Das ist hier ohne Zweifel das Straßenbauvorhaben, so dass die

    Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Antragsgegnerin für die Durchführung

    des gemeinsamen Planfeststellungsverfahrens zuständig ist (§§ 17b Nr. 6, 22 Abs. 4

    FStrG i.V.m. Ziffer I Abs. 1 der Anordnung zur Durchführung des Bundesfernstraßenge-

    setzes).

    Entgegen der Auffassung der Antragsteller handelt es sich bei den Bahnmaßnahmen

    nicht nur um notwendige Folgemaßnahmen des Straßenbauvorhabens im Sinn von § 75

    Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG. Es kann daher dahinstehen, ob die Antragsteller aus einer

    falschen Anwendung von § 78 HmbVwVfG etwas herleiten könnten (§ 46 HmbVwVfG).

    Auch dann, wenn die Ansicht der Antragsteller zuträfe, wäre die Behörde für Wirtschaft,

    Verkehr und Innovation der Antragsgegnerin als Planfeststellungsbehörde zuständig,

    ebenfalls wäre das Verfahren nach den gleichen Vorschriften durchzuführen gewesen.

    Das im Planfeststellungsverfahren anzuwendende materielle Recht wird durch § 78

    - 9 -

  • - 9 -

    HmbVwVfG hingegen nicht modifiziert (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2007, 4 C 12.05,

    BVerwGE 128, 358, 363, Rn. 28).

    a) Folgemaßnahmen im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG müssen von der Pla-

    nung eines Vorhabenträgers veranlasst sein. Hierzu gehören alle Regelungen außerhalb

    der eigentlichen Zulassung des Vorhabens, die für eine angemessene Entscheidung über

    die durch das Vorhaben aufgeworfenen Probleme erforderlich sind. Das Gebot der Prob-

    lembewältigung rechtfertigt es indessen nicht, andere Planungen mit zu erledigen, obwohl

    sie ein eigenes umfassendes Planungskonzept erfordern. Insoweit unterliegt der Begriff

    der notwendigen Folgemaßnahme wegen seiner kompetenzerweiternden Wirkung räumli-

    chen und sachlichen Beschränkungen. Solche Maßnahmen dürfen über Anschluss und

    Anpassung nicht wesentlich hinausgehen. Das gilt auch dann, wenn der für die andere

    Anlage zuständige Planungsträger mit einer weitreichenden Folgemaßnahme einverstan-

    den ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.2.2005, 9 A 62.03, NVwZ 2005, 813, 814 m.w.N. = juris Rn.

    23). Selbst unvermeidbare Anpassungen fallen nicht unter den Begriff der Folgemaßnah-

    men, wenn sie ein umfassendes eigenes Planungskonzept voraussetzen (vgl. BVerwG,

    Beschl. v. 13.7.2010, 9 B 103.09, NVwZ 2010, 1244, 1245, Rn. 5).

    b) Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die Bahnmaßnahmen ein eigenständiges

    Vorhaben dar, auch wenn sie in den Planunterlagen wiederholt als "Bahnfolgemaßnah-

    men" bezeichnet werden (z.B. in der Umweltverträglichkeitsstudie - UVS - [Unterlage

    12.1], S. 188; ebenso in der Allgemeinverständlichen Zusammenfassung gemäß § 6

    UVPG [Unterlage 1A], S. 4 und in den Lageplänen "Bahnfolgemaßnahmen" [Unterlage

    15.3]). Sie beinhalten nicht nur die Verlegung des aktiven Gleises 8 und die Beseitigung

    nicht mehr in Betrieb befindlicher Gleisanlagen, um so Raum für die neue Straßentrasse

    zu schaffen, sondern auch die Neuverlegung verschiedener Abstell- und Puffergleise.

    Zusätzlich sieht die Planung den zweigleisigen Ausbau der Güterzugstrecke 1254 vor.

    Diese Maßnahmen entspringen einer umfassenderen bahneigenen Planung, nämlich der

    bahneigenen Knotenstudie Wilhelmsburg (vgl. Erläuterungsbericht [Unterlage 1 bzw. 1Ä],

    jeweils S. 43), aus der vorliegend die Maßnahmen herausgegriffen wurden, die mit der

    Umverlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße durchzuführen sind. Dem Erläuterungsbe-

    richt (S. 45) zufolge ist "die hier geplante Maßnahme … der erste Schritt zur Realisierung

    des sog. Endzustandes im Bereich Wilhelmsburg. Dieser sieht die höhenfreie Überleitung

    von der Strecke 1255 zur Strecke 1280 mit Hilfe eines Kreuzungsbauwerks unter der

    - 10 -

  • - 10 -

    Strecke 2200 vor. Die hier vorgelegte Planung berücksichtigt bereits in weiten Teilen die

    zukünftige Gleislage und ermöglicht die Errichtung des Kreuzungsbauwerks."

    c) Auch die weiteren Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 HmbVwVfG sind hier erfüllt. Mit

    der Straßenbauplanung und der Planung der Bahnmaßnahmen treffen mehrere Vorhaben

    derart zusammen, dass zumindest für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung

    möglich ist. Hierfür ist Voraussetzung, dass jeder der Vorhabenträger zur sachgerechten

    Verwirklichung seines Planungskonzepts darauf angewiesen ist, dass über die Zulassung

    der zusammentreffenden Vorhaben nur in einem Verfahren entschieden wird (vgl.

    BVerwG, Urt. v. 18.4.1996, 11 A 86.95, BVerwGE 101, 73, 78 = juris Rn. 29).

    Die Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung zumindest für wesentliche Teile der

    beiden Vorhaben ergibt sich hier insbesondere aus der Tatsache, dass die verlegte Stra-

    ße und die Schienentrasse über eine längere Strecke mit sehr geringem Abstand parallel

    geführt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 27.11.1996, 11 A 99.95, Buchholz 316 § 78

    VwVfG Nr. 8 = juris Rn. 22). Hieraus folgen, worauf die Antragsteller im Planfeststellungs-

    verfahren selbst hingewiesen haben, spezifische Problemstellungen wie z.B. die Anord-

    nung von Sicherheitsvorkehrungen in Gestalt eines Fahrzeug-Rückhaltesystems, die

    Notwendigkeit eines aufeinander abgestimmten Rettungswegekonzepts oder auch die

    Positionierung der Lärmschutzwände. Ferner resultiert die Notwendigkeit einer einheitli-

    chen Entscheidung auch daraus, dass sich die verlegte Straße im Süden des Planungs-

    gebiets mit den Schienenstrecken 1253 und 1254 kreuzt und die neue Eisenbahnbrücke

    auf die künftig zweigleisig geführte Strecke 1254 hin dimensioniert werden muss.

    Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 78 VwVfG beschränkt sich die Konzentrations-

    wirkung nicht nur auf den Überschneidungsbereich, sondern erfasst die gesamte Planung

    (BVerwG, Urt. v. 9.2.2005, 9 A 62.03, NVwZ 2005, 813, 815 = juris Rn. 29; Urt. v. 18.4.

    1996, 11 A 86.95, BVerwGE 101, 73, 80 = juris Rn. 32).

    2.1.2. Die Angriffe, die die Antragsteller gegen die Umweltverträglichkeitsprüfung vorbrin-

    gen, werden aller Voraussicht nach nicht zum Erfolg der Klage führen. Sie machen gel-

    tend, wenn es sich beim Gesamtvorhaben um mehrere selbständige Vorhaben handle,

    seien auf die einzelnen Vorhaben gesondert bezogene Umweltverträglichkeitsprüfungen

    sowie eine Betrachtung der kumulierenden Wirkungen des Gesamtvorhabens erforderlich.

    - 11 -

  • - 11 -

    In der UVS fehle schon eine isolierte Darstellung der Umweltauswirkungen der als eigen-

    ständiges Vorhaben eingestuften Lärmschutzanlagen. Auch würden dort die Umweltaus-

    wirkungen der Bahnfolgemaßnahmen nicht eigenständig betrachtet, es gebe stattdessen

    lediglich eine den Bahnmaßnahmen zuzuordnende nachträgliche Separierung der bereits

    zuvor einheitlich dargelegten Gesamtumweltauswirkungen. Die Betrachtung der kumulati-

    ven Auswirkungen fehle vollständig. Schließlich fehlten Anpassungen von UVS und Um-

    weltverträglichkeitsprüfung an die Planänderungen; insoweit hätte auch die Öffentlichkeit

    beteiligt werden müssen.

    a) Im Ansatz ist es richtig, dass die Antragsteller nicht nur das Fehlen einer erforderlichen

    Umweltverträglichkeitsprüfung rügen können (§ 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UmwRG), sondern

    auch geltend machen können, dass eine durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung

    Mängel aufweise (EuGH, Urt. v. 7.11.2013, C-72/12 "Altrip", NVwZ 2014, 49). Allerdings

    kann ein solcher Fehler nur dann zum Erfolg der Klage führen, wenn der Fehler kausal für

    das die Antragsteller belastende Ergebnis der Planfeststellung war, wenn also die konkre-

    te Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler die angegriffene Entscheidung

    anders ausgefallen wäre (st.Rspr. des BVerwG, vgl. Beschl. v. 10.1.2012, 7 C 20.11,

    NVwZ 2012, 448, 450, Rn. 39 m.w.N.). Dies steht vom Grundsatz her mit Unionsrecht in

    Einklang (EuGH, Urt. v. 7.11.2013, a.a.O., S. 52, Rn. 42 ff.).

    b) Zu Unrecht berufen sich die Antragsteller für ihre Auffassung, es hätten getrennte

    Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden müssen, auf den Hinweisbeschluss

    des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Verfahren über die Weservertiefung (BVerwG,

    Beschl. v. 11.7.2013, 7 A 20.11, DVBl. 2013, 1453, 1454, Rn. 13). Der dortige Fall unter-

    scheidet sich wesentlich von der vorliegenden Konstellation. Im Fall der Weservertiefung

    geht es um drei Vorhaben, die nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (a.a.O.,

    Rn. 5 f.) jeweils eigenständig Sinn machten und unabhängig voneinander verwirklicht

    werden könnten, ohne dass die Erreichung des Ziels einer Maßnahme durch Verzicht auf

    die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde. Im vorliegenden Fall liegen

    zwar auch mehrere Vorhaben im planungsrechtlichen Sinn vor (s. oben bei 2.1.1.), für die

    aber nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist (§ 78 Abs. 1 HmbVwVfG). Auch ist

    zumindest das Straßenbauvorhaben ohne Durchführung wesentlicher Teile der Bahn-

    maßnahmen gar nicht durchführbar, würde also – gemäß der Formulierung des Bundes-

    verwaltungsgerichts – "vereitelt", wenn wesentliche Teile der Bahnmaßnahmen nicht

    - 12 -

  • - 12 -

    durchgeführt würden. Wenn § 78 HmbVwVfG, wie unter 2.1.1. dargelegt, Rechtsfolgen für

    das Verfahrensrecht hat, spricht viel dafür, dass sich aus der Anwendung dieser Vorschrift

    auch Auswirkungen auf das UVP-Recht ergeben. Die Durchführung der Umweltverträg-

    lichkeitsprüfung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren gehört zum Verfahrensrecht

    (vgl. die Formulierung der Frage Nr. 3 im Vorlagebeschluss des BVerwG v. 10.1.2012,

    7 C 20.11, NVwZ 2012, 448); auch die Antragsteller bringen ihre diesbezügliche Rüge

    unter der Überschrift "Formellrechtliche Mängel" vor.

    Nach Ansicht des Senats spricht viel dafür, dass bei mehreren im Sinn von § 78 Hmb-

    VwVfG zusammentreffenden Verfahren nur ein (1) Vorhaben im UVP-rechtlichen Sinn

    vorliegt und demnach eine einheitliche Umweltverträglichkeitsprüfung ausreicht. Das dürf-

    te jedenfalls hier gelten, wo beide Maßnahmen nur gemeinsam durchgeführt werden sol-

    len und die Straße über einen ganz erheblichen Abschnitt auf bisherigem Bahngelände

    gebaut werden soll. Mögen die Bahnmaßnahmen für sich unabhängig von der Verlegung

    der Wilhelmsburger Reichsstraße durchgeführt werden können, so kann doch die Straße

    nur dann so wie geplant gebaut werden, wenn vorher etliche der Bahnmaßnahmen aus-

    geführt werden. Daher ist bereits bei der UVS für die Straßenbaumaßnahme mitzube-

    trachten, welche Umweltauswirkungen das Vorhaben auf der bisherigen Bahnfläche ha-

    ben würde.

    Angesichts dessen dürfte nichts dagegen sprechen, die Umweltauswirkungen der beiden

    Vorhaben Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße und Anpassung der Bahnbe-

    triebsanlagen in einer gemeinsamen UVS darzustellen und zwar in der Form, wie dies

    vorliegend geschehen ist. Die Errichtung der Lärmschutzanlagen ist entgegen der Ansicht

    der Antragsteller kein eigenes Vorhaben, vielmehr handelt es sich hierbei um Schutzanla-

    gen als Folge der Straßen- und Bahnplanungen. Ihre Auswirkungen werden aber an ver-

    schiedenen Stellen der UVS berücksichtigt. Abgesehen davon ist in der UVS ausreichend

    deutlich ausgeführt, welche Wirkungen durch die Planungen auf den bisherigen Bahnflä-

    chen hervorgerufen werden. Im Abschnitt 4 (Auswirkungsprognose und Variantenver-

    gleich – Straße, S. 124 ff.) werden ausdrücklich auch die Auswirkungen der erforderlichen

    Bahnfolgemaßnahmen in den Vergleich mit eingestellt. Das geschieht im Text an zahlrei-

    chen Stellen (S. 153, 154, 155, 156, 157, 160, 164, 165, 166, 167, 171, 173, 176, 182,

    185). Die Auswirkungsprognose (Bahnfolgemaßnahmen) in Abschnitt 5 der UVS (S. 186

    ff.) ist zwar bei isolierter Betrachtung weniger deutlich. Zunächst heißt es, da die Bahnan-

    - 13 -

  • - 13 -

    lagen separate Zulassungsverfahren erforderten, würden hiermit die erforderlichen Unter-

    lagen gemäß § 6 UVPG vorgelegt. Im weiteren Text (S. 195) wird allerdings darauf hin-

    gewiesen, dass nur diejenigen Auswirkungen dargestellt würden, die zusätzlich zur Verle-

    gung der B4/75 durch die Bahnfolgemaßnahmen entstünden. Umweltauswirkungen, die

    ursächlich auf die Verlegung der B 4/75 zurückzuführen seien, blieben hier unberücksich-

    tigt, auch wenn die Bahn infolge erforderlicher vorbereitender Gleisverlegungen Ausfüh-

    render des Eingriffs sei. Allerdings heißt es schon zu Beginn dieses Abschnitts (S. 186),

    dass die zusätzlichen Umweltauswirkungen der Bahnfolgemaßnahmen bereits in die

    Auswirkungsprognose und den Variantenvergleich der Straßenverlegung eingeflossen

    seien.

    Soweit die Antragsteller eine Betrachtung der kumulativen Wirkungen der verschiedenen

    Maßnahmen vermissen, steht dieser Vorwurf in Widerspruch zum eigenen Vortrag, in

    dem sie rügen, die Darstellung der Folgen der Bahnmaßnahmen in der UVS sei "lediglich

    eine eher den Bahnmaßnahmen zuzuordnende nachträgliche Separierung von einigen

    der zuvor bereits einheitlich im Kapitel 4 dargelegten Gesamtumweltauswirkungen" (Kla-

    gebegründung vom 13.9.2013, S. 12; textidentisch in der ergänzenden Begründung des

    Eilantrags, Schriftsatz vom 5.3.2014, S. 12).

    Selbst wenn in dieser Vorgehensweise ein Verfahrensfehler zu sehen wäre, wäre nicht

    erkennbar, wie sich dieser auf die Entscheidung ausgewirkt haben sollte. Den Ausführun-

    gen im Planfeststellungsbeschluss lässt sich hinreichend sicher entnehmen, dass die ge-

    troffene Entscheidung nicht anders ausgefallen wäre, wenn es vollständig getrennte (und

    damit notwendigerweise in hohem Maße sich wiederholende) Umweltverträglichkeitsstu-

    dien für die Straßenbaumaßnahme einerseits, die Bahnmaßnahme andererseits und

    schließlich die kumulierende Betrachtung beider Maßnahmen gegeben hätte. Da die

    Straße zu erheblichen Teilen auf bisherigem Bahngelände gebaut werden soll, ist eine

    solche Trennung im Grunde gar nicht möglich. Es ist im übrigen auch nicht ersichtlich, in-

    wieweit die Antragsteller als Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Sinn der UVP-Richtlinie

    durch die gewählte Art der Darstellung der Umweltauswirkungen in der UVS gehindert

    gewesen sein sollen, Zugang zu einschlägigen Informationen zu erhalten (vgl. hierzu

    EuGH, Urt. v. 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49, 52 f., Rn. 49 ff.; Antwort auf die dritte

    Vorlagefrage).

    - 14 -

  • - 14 -

    c) Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass es zu den im Januar 2013 eingereichten

    Planänderungen keine geänderte UVS gegeben hat. Die UVS ermittelt und bewertet die

    mit dem Vorhaben zu erwartenden Umweltauswirkungen eher zusammenfassend. An

    etlichen Stellen verweist sie auf tiefergehende Einzeluntersuchungen wie die Fachbeiträ-

    ge Tiere und Pflanzen, den Artenschutzbeitrag, die Schalltechnische Untersuchung (Un-

    terlage 11) und v.a. auch auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan (Unterlage 12.2).

    Deren Aufgabe ist es, Art und Umfang der erforderlicher Vermeidungs- und Kompensati-

    onsmaßnahmen im einzelnen festzulegen. Mit den Planänderungen sind daher auch so-

    wohl die Schalltechnische Untersuchung als auch der Landschaftspflegerische Begleit-

    plan geändert worden. Insofern fand zwar keine erneute Auslegung statt, doch hat die

    Planfeststellungsbehörde den bekannten Betroffenen die Änderungen mitgeteilt und ihnen

    Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen innerhalb von zwei Wochen gege-

    ben; auch die Vereinigungen im Sinne der §§ 17a Nr. 2 FStrG, 18a Nr. 2 AEG wurden

    entsprechend beteiligt (§§ 73 Abs. 8 HmbVwVfG, 17a Nr. 6 FStrG). Darüber hinaus wies

    die Planfeststellungsbehörde auf die Planänderungen auch durch öffentliche Bekanntma-

    chung im Amtlichen Anzeiger vom 15. Januar 2013 hin.

    Auch hier ist nicht zu erkennen, inwiefern ein etwaiger Verfahrensfehler die Entscheidung

    beeinflusst haben sollte.

    2.1.3. Die Zweifel der Antragsteller am Bestehen einer Planrechtfertigung werden im

    Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach weder hinsichtlich der Bahnmaßnahmen

    noch hinsichtlich der Straßenplanung durchgreifen.

    a) Nach Auffassung des Senats können die Antragsteller als mittelbar Betroffene der

    Planfeststellung eine angeblich fehlende Planrechtfertigung rügen. Die Planrechtfertigung

    ist nicht nur zu prüfen, wenn Dritte für das Vorhaben enteignet werden sollen, sondern

    immer dann, wenn das Vorhaben mit Eingriffen in ihre Rechte einhergeht. Art. 14 Abs. 1

    GG schützt den Eigentümer auch vor mittelbaren Beeinträchtigungen seines Eigentums

    durch ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben. Auch derartige Eigentumsbeeinträchti-

    gungen müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Ein mittelbar eigen-

    tumsbetroffener Kläger kann deshalb geltend machen, dass für das beabsichtigte Vorha-

    ben – gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes – kein Be-

    darf bestehe (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.4.2007, 4 C 12.05, BVerwGE 128, 358, 373, Rn. 48;

    - 15 -

  • - 15 -

    Urt. v. 9.11. 2006, 4 A 2001.06, BVerwGE 127, 95, 102, Rn. 33; zustimmend Kopp/Ram-

    sauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 75 Rn. 73; a.A.: BVerwG, Urt. v. 24.11.2011, 9 A 24.10,

    NuR 2013, 184, 186, Rn. 27, ohne Begründung).

    Allenfalls lässt sich zweifeln, ob die Antragsteller hinsichtlich der Rüge einer fehlenden

    Planrechtfertigung der Bahnmaßnahmen ein Rechtsschutzbedürfnis haben. Im Haupt-

    sacheverfahren haben sie selbst vorgetragen (Schriftsatz vom 22.4.2014, S. 6), dass die

    Bahnmaßnahmen bei isolierter Betrachtung ihre Rechte nicht verletzten. Allerdings ist zu

    berücksichtigen, dass die Wilhelmsburger Reichsstraße nur dann wie planfestgestellt ver-

    legt werden kann, wenn das Gleis 8 verlegt und eine Reihe alter Abstellgleise beseitigt

    wird; insofern ist es sachgerecht, auch im vorliegenden Verfahren die Planrechtfertigung

    für die Bahnmaßnahmen zumindest inzident mitzuprüfen.

    b) Die Antragsteller haben in ihren Einwendungen rechtzeitig das Fehlen einer Planrecht-

    fertigung für die Straßenbaumaßnahme gerügt. Auch hinsichtlich der Bahnmaßnahmen

    dürften sie mit dem Einwand einer fehlenden Planrechtfertigung nicht präkludiert sein,

    auch wenn sie hierzu im Planfeststellungsverfahren nichts vorgetragen haben.

    Entgegen der Ansicht der Antragsteller hatten die Planunterlagen diesbezüglich allerdings

    eine ausreichende Anstoßwirkung; insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter

    2.1.1.b) verwiesen. Es erscheint jedoch schon fraglich, ob der Einwand einer fehlenden

    Planrechtfertigung überhaupt der Präklusion unterliegen kann (bejahend BVerwG, Beschl.

    v. 29.4.2001, 9 VR 2.01, juris Rn. 13; OVG Münster, Urt. v. 19.4.2013, 20 D 84/12.AK,

    juris Rn. 83 ff.; OVG Greifswald, Beschl. v. 28.10.2009, 5 M 146/09, NordÖR 2010, 67, 71

    = juris Rn. 54). Dagegen könnte sprechen, dass jede staatliche Planung, die in irgendei-

    ner Weise in die Rechtssphäre von Bürgern eingreift, einer Rechtfertigung bedarf und die

    Planrechtfertigung somit ein ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung und eine

    Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns ist (vgl. BVerwG,

    Urt. v. 26.4.2007, 4 C 12.05, BVerwGE 128, 358, 372, Rn. 45). Aber auch dann, wenn

    Betroffene hinsichtlich des Einwands mangelnder Planrechtfertigung grundsätzlich ausge-

    schlossen sein können, wird man nicht verlangen können, dass in einem Fall wie hier der

    entsprechende Einwand auch hilfsweise vorgetragen werden muss. Die Antragsteller ha-

    ben in der durch ihren Bevollmächtigten eingereichten Sammeleinwendung ausführlich

    geltend gemacht, dass nur ein einziges Vorhaben (Straßenplanung mit bahntechnischen

    - 16 -

  • - 16 -

    Folgemaßnahmen) vorliege. Von diesem Ausgangspunkt aus bedürften die Bahnmaß-

    nahmen keiner eigenen Planrechtfertigung. Es dürfte wohl die Anforderungen an das Gel-

    tendmachen von Einwendungen überziehen, wenn für den Fall, dass der – jedenfalls nicht

    völlig fernliegenden – Sichtweise eines Einwenders nicht gefolgt wird, zur Vermeidung

    einer Präklusion auch "Hilfs-Einwendungen" gefordert würden.

    c) Letztlich kann dies dahinstehen, weil nach Ansicht des Senats die Planrechtfertigung

    für beide Vorhaben gegeben ist.

    aa) Eine Planung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe

    der vom Fachgesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen

    ein Bedürfnis besteht, die Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich

    ist. Die Planrechtfertigung erfordert mithin die Prüfung, ob das Vorhaben mit den Zielen

    des Gesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob das Vorhaben für

    sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein. Das ist

    nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es

    vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.11.2006, 4 A 2001.06, BVerwGE

    127, 95, 102, Rn. 34 m.w.N.; st. Rspr.).

    Die Frage der Planrechtfertigung ist eine Rechtsfrage, das Gericht kann sie daher anders

    als die im Planfeststellungsbeschluss hierfür gegebene Begründung beurteilen und sie

    dennoch bejahen (BVerwG, Urt. v. 24.11.1989, 4 C 41.88, BVerwGE 84, 123, 131 = juris

    Rn. 49 f.).

    bb) Der Planrechtfertigung für das Straßenbauvorhaben steht der Umstand nicht entge-

    gen, dass für die geplante Maßnahme durch die gesetzliche Bedarfsplanung weder ein

    "vordringlicher" noch ein "weiterer" Bedarf festgestellt ist. Damit fehlt lediglich die in § 1

    Abs. 2 Fernstraßenausbaugesetz geregelte verbindliche Feststellung, dass die im Be-

    darfsplan genannten Maßnahmen den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG entsprechen.

    Die vorliegende Planung beinhaltet die Neutrassierung einer Straße, die Teil der durchge-

    henden Bundesstraßen 4 und 75 ist (künftige Bezeichnung hier nur noch: B75). Als solche

    dient sie dem überörtlichen Verkehr, hat allerdings auch große Bedeutung für den Verkehr

    z.B. zwischen der Hamburger City und Harburg. Der neue Straßenabschnitt ist anstelle,

    - 17 -

  • - 17 -

    nicht etwa zusätzlich zu einer bestehenden Straße geplant. Er ist im maßgeblichen Pla-

    nungsabschnitt als anbaufreie Bundesfernstraße in einer Dimensionierung geplant, die

    zur möglichst störungsfreien Abwicklung der gegebenen (derzeit ca. 53.000 Kfz/d) und

    künftig erwarteten erheblichen Verkehrsmenge (für 2025 prognostiziert: ca. 66.000 Kfz/d

    sowohl im Prognose-Planfall als auch im Prognose-Nullfall) geeignet ist. Dies entspricht

    einer in § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 FStrG genannten Zielsetzung, nämlich dafür zu sor-

    gen (durch Bau, Unterhaltung oder Erweiterung von Straßen), dass Bundesfernstraßen

    dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis des weiträumigen Verkehrs genügen. Hierbei darf

    auf die planerischen Vorgaben in den einschlägigen Planungsrichtlinien abgestellt wer-

    den. Die Richtlinien für die Anlage von Autobahnen (RAA) sehen für autobahnähnliche

    Straßen (Entwurfsklasse 2) schon für eine Kapazität bis zu 30.000 Kfz/d den Regelquer-

    schnitt RQ 28 vor. Diese Richtlinien bringen die anerkannten Regeln für die Anlage von

    Straßen zum Ausdruck; Straßenplanungen, die sich an den Vorgaben dieser Richtlinien

    orientieren, verstoßen nur in besonderen Ausnahmefällen gegen das fachplanerische

    Abwägungsgebot (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.3. 2003, 9 A 33.02, NVwZ 2003, 1120, 1122 =

    Rn. 34 ff., 37). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht diese Aussage im Rahmen der

    Prüfung der fachplanerischen Abwägung und nicht bei der Planrechtfertigung gemacht.

    Die Straße, um die es in der zitierten Entscheidung ging, war indes mit ihrem Ausbaupro-

    gramm im Fernstraßenausbaugesetz als vordringlicher Bedarf enthalten, so dass der ver-

    kehrliche Bedarf für die Planfeststellung verbindlich war.

    Da die bestehende Straße von der AS HH-Wilhelmsburg-Süd bis über die Brücke über

    den Ernst-August-Kanal insgesamt nur 14,20 m breit ist, ist es ein legitimes planerisches

    Ziel dafür zu sorgen, dass künftig eine Straße vorhanden sein wird, die einen richtlinien-

    konformen Ausbauzustand aufweist, wie dies auch bei den südlichen und nördlichen Fort-

    setzungen der Fall ist. Ob auf der Wilhelmsburger Reichsstraße nach Einbau von Beton-

    gleitwänden noch eine besondere Unfallhäufigkeit besteht, ist daher für die Frage der

    Planrechtfertigung ebenso nicht von entscheidender Bedeutung wie die Frage, ob die

    bestehende Trasse Tragfähigkeitsdefizite aufweist. Ob die Schaffung eines richtlinienkon-

    formen Zustands auf einer neuen Trasse oder durch Ausbau der bestehenden Trasse

    geschieht, ist keine Frage der Planrechtfertigung, sondern der im Rahmen der fachplane-

    rischen Abwägung zu treffenden Variantenwahl (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.5.2009, 9 A

    72.07, BVerwGE 134, 45, 51, Rn. 47).

    - 18 -

  • - 18 -

    Die Planrechtfertigung entfällt nicht dadurch, dass jedenfalls hinsichtlich der Varianten-

    wahl andere als rein straßenfachplanerische Ziele im Vordergrund stehen (vgl. BVerwG,

    Urt. v. 23.4.2014, 9 A 25.12, juris Rn. 75 am Ende m.w.N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15.

    Aufl. 2014, § 74 Rn. 47 am Ende; OVG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2014, 1 Bs 337/13

    [Wasserhaushalt Alte Süderelbe], S. 10/11).

    cc) Auch die Bahnmaßnahmen sind nach Maßgabe des einschlägigen Fachplanungs-

    rechts gerechtfertigt.

    Es mag dahinstehen, ob die Gründe, die der Planfeststellungsbeschluss (S. 51 f.) hierfür

    anführt, als Planrechtfertigung ausreichen könnten. Nach der dortigen Darstellung ent-

    wickle das Schienenbauvorhaben vordergründig betrachtet keine Vorteile für den Schie-

    nenverkehr; die vorgesehenen Maßnahmen verfolgten nur das Ziel, bereits vorhandene

    Verkehrsqualitäten auf weniger Fläche zu verwirklichen, um die frei werdenden Flächen

    für den Straßenbau nutzen zu können. Diese Darstellung wird aber den Ausführungen in

    den Planunterlagen zu den Zwecken der Bahnmaßnahmen nicht gerecht. So wird in der

    UVS (S. 188) ausführlich die sich abzeichnende Notwendigkeit dargestellt, ein Kreu-

    zungsbauwerk zu errichten, über das Güterzüge ohne höhengleiche Querung der Regio-

    nal- und Fernbahnstrecke 2200 von der Güterzugstrecke 1280 auf die Strecke 1255 bzw.

    umgekehrt wechseln können. In der Vorplanung der Bahnmaßnahmen seien mehrere

    Varianten untersucht worden, von denen "zwei Lösungen die unmittelbar mit der Straßen-

    baumaßnahme zusammenhängenden Infrastrukturänderungen (betrachteten) und zwei

    die daraus zu entwickelnde Lösung mit Kreuzungsbauwerk Wilhelmsburg". Das zeigt,

    dass die Anpassungsmaßnahmen der Bahn ein vorgezogener Teil einer umfangreicheren

    Umbauplanung der Bahnanlagen im Bereich Wilhelmburg sind, die der Erhöhung der

    Leistungsfähigkeit des Schienennetzes in diesem Bereich dient. Dieses ist ein von § 1

    Abs. 1 AEG gebilligter Gesetzeszweck (vgl. Hermes in: Hermes/Sellner, Beck´scher AEG-

    Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 1 Rn. 2).

    Hinsichtlich des zweigleisigen Ausbaus der (kurzen) Verbindungsstrecke 1254 (Verbin-

    dung zwischen den von Nord nach Süd verlaufenden Güterzuggleisen und den Hafen-

    bahngleisen der HPA) liegt die fachplanerische Rechtfertigung in der Erhöhung der Leis-

    tungsfähigkeit des Schienennetzes, die von der absehbaren Verkehrsentwicklung in den

    - 19 -

  • - 19 -

    bzw. aus dem Hafen erfordert wird. Insoweit stellen die Antragsteller die Rechtfertigung

    allerdings auch nicht in Abrede.

    2.1.4. Die Entscheidung der Vorhabenträger und der Planfeststellungsbehörde, die Wil-

    helmsburger Reichsstraße zu verlegen und nicht die Bestandstrasse auszubauen, ist aller

    Voraussicht nach von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

    a) Die Alternativenprüfung vollzieht sich auf der Ebene der Abwägung. Nach der Recht-

    sprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.2010, 9 A 13.09,

    BVerwGE 138, 226, 238, Rn. 54) können sich mittelbar Betroffene insoweit darauf beru-

    fen, dass die ausgewählte Variante für sie mit größeren Belastungen verbunden sei als

    eine andere Trassenführung und ausgehend davon geltend machen, dass die für die aus-

    gewählte Variante sprechenden öffentlichen Belange fehlerhaft bewertet und mit der dar-

    aus folgenden Fehlgewichtung ihren geschützten Privatbelangen gegenübergestellt wor-

    den seien. Nach Ansicht des Senats spricht manches dafür, die Rügebefugnis mittelbar

    Betroffener darüber hinaus auch darauf zu erstrecken, dass gegen die ausgewählte Vari-

    ante sprechende Gesichtspunkte zu gering gewichtet worden seien; auch eine hieraus

    folgende Fehlgewichtung kann in der Gesamtabwägung den Ausschlag dafür geben, die-

    jenige Variante zu wählen, die mittelbar Betroffene stärker belastet. Dies bedarf hier aber

    keiner weiteren Vertiefung, da sich vorliegend kein anderes Ergebnis der gerichtlichen

    Prüfung ergibt.

    b) Die Antragsteller bemängeln zu Unrecht einen unzureichenden Vergleich der beiden

    Hauptalternativen. Sie rügen, die Planfeststellungsbehörde habe den sich ernsthaft anbie-

    tenden Ausbau der Bestandstrasse nicht mit der gleichen Gründlichkeit wie die planfest-

    gestellte Verlegung geprüft; ohnehin genieße der Ausbau einer Bestandstrasse den Vor-

    rang vor einer Neutrassierung. Städtebauliche Kriterien seien keine originären Ziele des

    Fernstraßengesetzes und dürften daher keine vorrangige Rolle spielen. Infolge der Vor-

    festlegung sei nicht einmal eine grobe technische Planung für die Ausbauvariante erstellt

    worden. Auch die "Knoflacher-Variante" sei unzureichend untersucht worden. Hiermit

    können die Antragsteller im Ergebnis nicht durchdringen.

    aa) Ein Planungsträger darf mit einer Planung auch andere als die im einschlägigen

    Fachplanungsgesetz umschriebenen Ziele verfolgen; dadurch entfällt nicht etwa die nach

    - 20 -

  • - 20 -

    Maßgabe des Fachplanungsrechts zu beurteilende Planrechtfertigung (vgl. BVerwG, Urt.

    v. 23.4.2014, 9 A 25.12, juris Rn. 75 m.w.N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014,

    § 74 Rn. 47 am Ende; OVG Hamburg, Beschl. v. 16.4.2014, 1 Bs 337/13, S. 10/11). Ne-

    ben den planerischen Absichten, für die Wilhelmsburger Reichsstraße einen sowohl der

    aktuellen als auch der prognostizierten Verkehrsbelastung gerecht werdenden verkehrssi-

    cheren Zustand durch einen breiteren Querschnitt der Gesamttrasse zu erreichen und

    den Instandsetzungsrückstand zu bewältigen, gehören vorliegend zu den Planungszielen

    v.a. eine stärkere Berücksichtigung der städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten in

    Wilhelmsburg, indem die Zerschneidungswirkung durch die bestehende Straßentrasse

    aufgehoben wird, und eine Reduzierung des Lärmkorridors durch die Bündelung der

    Emissionsquellen Straße und Schiene.

    Die Ziele des Fernstraßengesetzes, die für die Planrechtfertigung entscheidend sind, lie-

    ßen sich sowohl mit der Ausbau- als auch mit der Verlegungsvariante erreichen; das wird

    auch vom Vorhabenträger des Straßenbauvorhabens und von der Planfeststellungsbe-

    hörde nicht bestritten. Dürfen aber auch andere Belange wie stadtentwicklungspolitische

    bzw. städtebauliche Ziele die Variantenwahl zielführend beeinflussen, ist zu prüfen, durch

    welche Variante die entsprechenden Zwecke überhaupt bzw. besser als durch andere

    Varianten erreicht werden können. Der Planungsträger braucht sich nicht auf eine Alterna-

    tivlösung verweisen zu lassen, mit dem die von ihm in zulässiger Weise verfolgten Ziele

    nicht mehr verwirklicht werden könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.4.2014, 9 A 25.12, juris

    Rn. 78 m.w.N.). Die Vorauswahl darf auf der Grundlage grober Bewertungskriterien vor-

    genommen werden; eine exakte Ermittlung des Abwägungsmaterials für jede zunächst

    denkbare Variante, die jedenfalls die fachplanerischen Ziele erfüllen kann, ist in diesem

    Stadium nicht erforderlich. Es genügt, das Abwägungsmaterial nur so genau und vollstän-

    dig zu ermitteln, dass es die erste vorauswählende Entscheidung zulässt (BVerwG, Urt. v.

    5.3.1997, 11 A 25.95, BVerwGE 104, 123, 128 = juris Rn. 113 f.). Dieses Erfordernis ist in

    der UVS (Unterlage 12.1, v.a. S. 124 ff.) in ausreichender Form erfüllt worden.

    Zu Unrecht entnehmen die Kläger der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

    eine Aussage des Inhalts, der Ausbau eines Verkehrswegs habe einen grundsätzlichen

    und vor allem auch rechtlich beachtlichen Vorrang vor dessen Verlegung. Sie berufen sich

    auf eine Aussage des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 24.1.2012, 7 VR 13.11, juris

    Rn. 10; Urt. v. 5.3.1997, 11 A 25.95, BVerwGE 104, 123, 128 = juris Rn. 113), wonach der

    - 21 -

  • - 21 -

    Ausbau bestehender Trassen gegenüber einem Neubau spezifische Vorteile habe. Hier-

    bei handelt es sich aber lediglich um eine Feststellung, die in etlichen Fällen zutreffen

    mag, aus der aber kein rechtlicher Vorrang des Ausbaus einer Bestandstrasse abzuleiten

    ist. Sie wurde vom Bundesverwaltungsgericht zudem in Fällen getroffen, in denen Kläger

    – gerade anders als hier – bemängelt hatten, es seien Neutrassierungen nicht hinreichend

    untersucht worden. Das Bundesverwaltungsgericht betonte in den beiden genannten Ent-

    scheidungen die Befugnis der Planfeststellungsbehörde, eine Vorauswahl theoretisch in

    Frage kommender Alternativen aufgrund grober Bewertungskriterien zu treffen und weni-

    ger geeignet erscheinende auszuscheiden. "Dabei darf die Behörde gerade auch die spe-

    zifischen Vorteile berücksichtigen, die der Ausbau einer bestehenden Strecke gegenüber

    einer Neutrassierung aufweist" (so das BVerwG im Beschl. v. 24.1.2012, a.a.O.). Wenn

    aber gerade mit dem Ausbau einer bestehenden Strecke die Planungsziele nicht erreich-

    bar sind, gehen die "spezifischen Vorteile" eines Trassenausbaus ins Leere.

    Da sich somit nicht zwei Alternativen gegenüber standen, mit denen die Planungsziele in

    etwa gleicher Art und Weise erreicht werden können, ist es nicht zu beanstanden, dass

    die Planfeststellungsbehörde den von den Antragstellern bereits in ihren Einwendungen

    geltend gemachten Kostenfaktor mit der Bemerkung "weggewogen" hat, die billigere Vari-

    ante dränge sich nicht auf, wenn die teurere mehr bzw. andere Vorteile habe. Sie betrach-

    te im wesentlichen den Nutzen und überlasse es den haushaltsrechtlichen Entscheidun-

    gen der Vorhabenträger, ob sie bereit seien, die damit einhergehenden Kosten zu tragen

    (Planfeststellungsbeschluss, S. 149). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des

    Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2011 (9 A 23.10, BVerwGE 141, 171,

    193 f., Rn 73). Dort ging es um einen Vergleich von Kosten verschiedener Baumethoden

    (Bohrtunnel oder Absenktunnel): Bei Anwendung der erheblich teureren Methode hätte

    auf das Grundstück eines Betroffenen nicht zugegriffen werden müssen. Hier durfte dem

    Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung als eigenständigem öffentli-

    chem Belang in der Abwägung Rechnung getragen und letztlich auf das Grundstück zu-

    gegriffen werden. Daraus kann aber nicht die Forderung abgeleitet werden, dass auch

    eine (unterstellt) billigere Trassenführung selbst dann zu wählen sei, wenn mit ihr wesent-

    liche Ziele der Planung nicht erreicht werden können.

    Es bedarf keiner näheren Prüfung, ob die mit der Wahl der Verlegungstrasse verfolgten

    städtebaulichen Ziele mit der hier in Rede stehenden Planfeststellung sämtlich in optima-

    - 22 -

  • - 22 -

    ler Weise erreicht werden. Für die Entscheidung gegen den Ausbau der Bestandstrasse

    genügt die Feststellung, dass mit der Ausbauvariante die Ziele jedenfalls nicht erreichbar

    wären.

    bb) Die Antragsteller werden voraussichtlich auch mit dem Vorwurf nicht durchdringen,

    die Planfeststellungsbehörde habe die im "Gutachten: Wilhelmsburger Reichsstraße" von

    Knoflacher/Frey/Schumich von Dezember 2012 vorgeschlagene Querschnittsreduzierung

    zu oberflächlich abgetan. Das von einem Beratungsgremium des Bezirks Hamburg-Mitte

    in Auftrag gegebene Gutachten beurteilt die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße

    an die Bahnlinie grundsätzlich positiv, hält aber eine Querschnittsreduzierung im wesentli-

    chen durch Verzicht auf Seitenstreifen (stattdessen einige Pannenbuchten im Grünstrei-

    fen) für angebracht. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 58 f.) zählt die von den Gutach-

    tern angenommenen Vorteile einer Querschnittsreduzierung auf und setzt sich hiermit in

    ausreichender Weise auseinander. Zu Recht weist die Planfeststellungsbehörde darauf

    hin, dass die Gutachter die unterschiedlichen Querschnitte für ähnlich leistungsfähig hal-

    ten (Gutachten S. 15); die Verkehrsbelastung auf der Wilhelmsburger Reichsstraße wird

    somit bei einem reduzierten Querschnitt kaum geringer sein als bei dem planfestgestellten

    Querschnitt. Davon gehen auch die Verkehrsuntersuchungen (Unterlage 17) aus: Das

    PTV-Gutachten (S. 31) prognostiziert selbst für den sog. Prognosenullfall (u.a. keine Ver-

    änderung der Wilhelmsburger Reichsstraße) eine erhebliche Verkehrszunahme auf

    63.300 bis 66.000 Kfz/d. Da der von Knoflacher et al. vorgeschlagene reduzierte Quer-

    schnitt nicht zwingend eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf maximal 70 km/h fordert

    (vgl. Gutachten S. 17 f.), andererseits die planfestgestellte Straßenbreite eine Geschwin-

    digkeitsreduzierung auf unter 80 km/h ermöglicht (Planfeststellungsbeschluss, S. 58), ist

    nicht erkennbar, inwiefern sich die Betroffenheit der Antragsteller im Fall der "Knoflacher-

    Variante" – Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße mit reduziertem Querschnitt –

    merklich verändern würde.

    c) Die Antragsteller machen geltend, die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße sei

    mit dem geltenden Flächennutzungsplan der Freien und Hansestadt Hamburg nicht ver-

    einbar; darin sei die Wilhelmsburger Reichsstraße an der Stelle dargestellt, wo sie aktuell

    verlaufe. Auch dieses Vorbringen führt nicht zum Erfolg.

    - 23 -

  • - 23 -

    aa) Nach § 7 Satz 1 BauGB haben öffentliche Planungsträger, die im Aufstellungsverfah-

    ren für den Flächennutzungsplan beteiligt worden sind, ihre Planungen dem Flächennut-

    zungsplan insoweit anzupassen, als sie diesem Plan nicht widersprochen haben. Die Bin-

    dung des § 7 Satz 1 BauGB gilt gemäß § 38 Satz 2 BauGB auch für die Fachplanungs-

    träger von Planfeststellungsverfahren. Die Darstellungen des Flächennutzungsplans sind

    für den öffentlichen Planungsträger rechtlich bindende Vorgaben. Der öffentliche Pla-

    nungsträger darf sich nicht in Gegensatz zur Flächennutzungsplanung setzen. Eine

    Nichtbeachtung dieser Bindung führt zur Fehlerhaftigkeit des Plans (vgl. BVerwG, Urt. v.

    24.11.2010, 9 A 13.09, BVerwGE 138, 226, 231 ff., Rn. 36 ff.).

    Die Antragsteller als mittelbar Betroffene können einen Verstoß gegen das Anpassungs-

    gebot des § 7 BauGB insofern rügen, als dieser Verstoß materiellrechtlich auch die dem

    Abwägungsgebot unterliegende Variantenprüfung "infiziert" (so BVerwG, Urt. v. 24.11.

    2010, 9 A 13.09, a.a.O., S. 238, Rn. 54). § 7 BauGB ist für sich genommen zwar nicht

    drittschützend, sondern dient der Wahrung der gemeindlichen Planungshoheit und einer

    geordneten städtebaulichen Entwicklung. Wenn allerdings ein Verstoß gegen das Anpas-

    sungsgebot dazu führen konnte, dass die für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Be-

    lange fehlerhaft bewertet und mit der daraus folgenden Fehlgewichtung den geschützten

    Privatbelangen der Kläger gegenübergestellt worden sind, können sich auch mittelbar

    betroffene Kläger auf den Rechtsverstoß berufen (BVerwG, Urt. v. 24.11.2011, 9 A 24.10,

    NuR 2013, 184, 187, Rn. 29).

    bb) Der bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses, dem maßgeblichen Zeitpunkt für

    die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit, geltende Flächennutzungsplan für die Freie und

    Hansestadt Hamburg in der Fassung der Neubekanntmachung vom 22. Oktober 1997

    (HmbGVBl. S. 485) bis einschließlich der 131. Änderung vom 19. Juni 2013 (HmbGVBl.

    S. 311) sieht den Verlauf der Wilhelmsburger Reichsstraße auf ihrer bisherigen Trasse als

    eine "Autobahn oder autobahnähnliche Straße mit Anschlussstellen" mit der Bezeichnung

    B4/B75 vor. Die zeichnerischen Darstellungen sehen im Verlauf der Trasse von Süd nach

    Nord eine Anschlussstelle an die Kornweide, eine Anschlussstelle an die Mengestraße/

    Neuenfelder Straße sowie eine Anschlussstelle beim Übergang in die Bundesautobahn

    A 252 vor. Die planfestgestellte Straßentrasse soll in ihrem überwiegenden Verlauf auf

    einer Fläche geführt werden, für die der Flächennutzungsplan in einer nachrichtlichen

    Übernahme eine "Fläche für Bahnanlagen" darstellt. Nördlich der bestehenden AS HH-

    - 24 -

  • - 24 -

    Wilhelmsburg-Süd führt die planfestgestellte Trasse in einer Länge von ca. 400 – 500 m

    über einen Bereich, der im Flächennutzungsplan als Grünfläche dargestellt ist. Im Norden

    führt die planfestgestellte Trasse östlich des Jaffe-Davids-Kanals durch einen Bereich, der

    im Flächennutzungsplan als "Gewerbliche Baufläche" dargestellt ist. An Stelle der im Flä-

    chennutzungsplan dargestellten AS HH-Wilhelmsburg sieht der Planfeststellungsbe-

    schluss die AS Rotenhäuser Straße vor. Der Erläuterungsbericht zum Flächennutzungs-

    plan (s. www.hamburg.de/flaechennutzungsplan) enthält keine konkreten planerischen

    Ausführungen zur Führung der Wilhelmsburger Reichsstraße.

    cc) Der Planfeststellungsbeschluss führt zu der vorliegenden Problematik aus (S. 170,

    227 f.), es könne offen bleiben, ob die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans erhal-

    ten bleibe. Funktional sei das sicher der Fall, weil sowohl die im Flächennutzungsplan

    dargestellte Fernstraße als auch die Nutzungsgebiete in der Umgebung unverändert blie-

    ben. Nur die Lage der Fernstraße und eine Anschlussstelle änderten sich. Zudem habe

    die Hamburgische Bürgerschaft als Verantwortliche für den Flächennutzungsplan durch

    ihre Drucksachen 19/7116 vom 31. August 2010 und 20/1453 vom 6. September 2011

    dem Vorhaben zugestimmt und habe diese Zustimmung u.a. durch die Bereitstellung von

    Mitteln zur Mitfinanzierung der Maßnahme manifestiert.

    Diese Ausführungen sind zumindest insofern bedenklich, als eine Zustimmung der Bür-

    gerschaft zu Senatsmitteilungen und die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für Planungs-

    und Baumaßnahmen nicht ausreichen können, die Bindungswirkung von Darstellungen im

    Flächennutzungsplan aufzuheben. Die Bindungswirkung eines Flächennutzungsplans

    kann aus Gründen der Rechtsklarheit nur durch eine förmliche Änderung des Plans nach

    außen dokumentiert werden (BVerwG, Urt. v. 24.11.2010, 9 A 13.09, BVerwGE 138, 226,

    236, Rn. 48). Eine solche gibt es aber hinsichtlich der Trassenführung der Wilhelmsburger

    Reichsstraße nicht.

    dd) Die planfestgestellte Straßentrasse verstößt dennoch nicht gegen das Anpassungs-

    gebot an Darstellungen des Flächennutzungsplans, weil die zeichnerische Darstellung

    des Trassenverlaufs der Wilhelmsburger Reichsstraße im Flächennutzungsplan nicht

    Ausdruck einer planerischen Konzeption ist, sondern insofern nur Vorhandenes nachricht-

    lich übernimmt. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu verschiedenen

    Abschnitten der A 281 in Bremen (Urteile v. 24.11.2010 und 24.11.2011, jeweils a.a.O.)

    - 25 -

  • - 25 -

    lassen sich hinsichtlich der Einzelheiten nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, weil

    es in den dortigen Fällen um Darstellungen einer noch nicht vorhandenen Autobahn im

    Flächennutzungsplan ging, während der Flächennutzungsplan der Freien und Hansestadt

    Hamburg eine seit den 1950er Jahren existierende Straßenführung abbildet.

    Auch der Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan in der Fassung der Neube-

    kanntmachung vom Oktober 1997 spricht im Ergebnis davon, dass es sich bei der Dar-

    stellung von Hauptverkehrsachsen im wesentlichen nur um nachrichtliche Übernahmen

    handelt. So heißt es im "Kapitel 10. Verkehr" unter "10.4 Planungen / Darstellungen"

    (S. 90 ff.), abgesehen von den aufgegebenen Planungen der Osttangente und eines Au-

    tobahnzubringers in Bahrenfeld würden die bisherigen Darstellungen von Autobahnen und

    autobahnähnlichen Straßen beibehalten. Neu dargestellt werde die im Bau befindliche

    Umgehung Fuhlsbüttel. Wegen der noch nicht abgeschlossenen Linienführung könne die

    Hafenquerspange noch nicht im Flächennutzungsplan selbst dargestellt werden; sie sei

    als Prinzipdarstellung im Beiblatt "Nachrichtliche Übernahmen, Kennzeichnungen und

    Vermerke" enthalten (S. 91). Der Flächennutzungsplan stelle eine Auswahl der städti-

    schen Hauptverkehrsstraßen dar, die u.a. als Träger des weiträumigen, ortsteilverbinden-

    den Kraftfahrzeugverkehrs eine herausgehobene funktionelle Bedeutung besäßen. Dazu

    zählten u.a. die durch das Stadtgebiet geführten Bundesstraßen. die Ringstraßen, die

    Zubringerstraßen zu den Autobahnanschlussstellen, die Verbindungsstraßen zwischen

    Hamburg und seinem Umland sowie die vorhandenen und geplanten innerörtlichen Um-

    gehungs- und Entlastungsstraßen. Mit dem dargestellten Netz der Autobahnen, auto-

    bahnähnlichen Straßen und sonstigen Hauptverkehrsstraßen solle das Prinzip des abge-

    stuften, hierarchisch gegliederten Straßennetzes verdeutlicht werden (S. 92).

    Zumindest Indizien dafür, dass die Hamburgische Bürgerschaft die Darstellung der Wil-

    helmsburger Reichsstraße im Flächennutzungsplan nur als Bestandsdarstellung ohne

    planerische Entscheidung über deren konkreten Verlauf versteht, geben die Begründun-

    gen zu zwei Änderungen des Flächennutzungsplans (112. Änderung vom 8.6.2010,

    HmbGVBl. S. 439; 115. Änderung vom 5.10.2010, HmbGVBl. S. 569; Begründung jeweils

    unter www.hamburg.de/flaechennutzungsplan - Änderungen seit 1997). In beiden Fällen

    wird auf die Planungen zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße nach Osten

    durch Bündelung mit der Bahntrasse hingewiesen, ohne dass es als erforderlich angese-

    hen wird, die Darstellung der Führung dieser Straße im Flächennutzungsplan zu ändern.

    - 26 -

  • - 26 -

    Zudem ist zu berücksichtigen, dass – wie die Vorhabensträger in ihrer Stellungnahme zu

    den Einwendungen u.a. der Antragsteller zutreffend geltend gemacht haben (vgl. Plan-

    feststellungsbeschluss, S. 169) – der Hamburgischen Bürgerschaft als für die Flächennut-

    zungsplanung zuständigem Organ eine Darstellung der planfestgestellten Trassenführung

    im Flächennutzungsplan bisher rechtlich gar nicht möglich war. Der überwiegende Teil

    des für die neue Trasse benötigten Geländes ist noch als Bahnanlage gewidmet und des-

    halb einer Bauleitplanung durch die Hamburgische Bürgerschaft nicht zugänglich; der

    Planfeststellungsbeschluss stellt unter Ziffer 1.5 seiner Entscheidung (S. 28) die entspre-

    chenden Flächen erst mit der Freigabe für den Verkehr auf dem planfestgestellten Ab-

    schnitt der Bundesfernstraße gemäß § 23 AEG von Eisenbahnbetriebszwecken frei. Pla-

    nerische Aussagen – seien es Darstellungen eines Flächennutzungsplans oder Festset-

    zungen in einem Bebauungsplan –, die sich mit der besonderen Zweckbestimmung einer

    bestehenden Bahnanlage inhaltlich nicht vereinbaren lassen, darf die Gemeinde aber

    nicht treffen (BVerwG, Urt. v. 16.12.1988, 4 C 48.86, BVerwGE 81, 111, 116 f., Rn. 29).

    2.1.5. Die Planfeststellungsbehörde hat sich in ausreichender Weise mit den spezifischen

    Problemen befasst, die von der Verlegungstrasse hervorgerufen werden. Im Ergebnis ist

    die Auffassung nicht zu beanstanden, die Probleme seien lösbar und führten nicht zur

    Notwendigkeit, auf die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße an die Bahntrasse zu

    verzichten.

    a) Entgegen einer zumindest missverständlichen Formulierung im Planfeststellungsbe-

    schluss hat die Planfeststellungsbehörde die mit der AS Rotenhäuser Straße verbunde-

    nen Auswirkungen auf das nachgeordnete Straßennetz geprüft, bewertet und die sich dort

    ergebenden Probleme in vertretbarer Weise als lösbar angesehen.

    aa) Der Planfeststellungsbeschluss vergleicht auf S. 55 ff. die Vor- und Nachteile der

    Varianten Ausbau und Verlegung. Dabei werden hinsichtlich der Verlegungstrasse die

    starken verkehrlichen Auswirkungen im Bereich der AS Rotenhäuser Straße als nachteilig

    gegenüber einem Ausbau der Bestandstrasse (mit beibehaltener AS HH-Wilhelmsburg)

    anerkannt. Nach einer zustimmenden Wiedergabe von Bewertungen der Umweltverträg-

    lichkeitsstudie heißt es auf S. 57 oben:

    - 27 -

  • - 27 -

    "Wie bereits angesprochen, verbleiben als Nachteile die durch die neue An-schlussstelle Rotenhäuser Straße verursachten Problemstellungen, die jedoch nach derzeitigem Stand der Dinge zu bewältigen sind und - vorbehaltlich näherer Prüfung - voraussichtlich nicht ein Gewicht erreichen, das die mit der Verlegung verbundenen Vorteile zunichtemachte."

    Die Formulierung "nach derzeitigem Stand der Dinge" dürfte in nicht zu beanstandender

    Weise die bei Prognosen naturgemäß gegebene Ungewissheit zum Ausdruck bringen.

    Allerdings darf die Gewichtung eines in die Abwägung einzustellenden Belangs im Plan-

    feststellungsbeschluss nicht "näherer Prüfung" vorbehalten bleiben, besonders wenn nicht

    ausgeschlossen werden kann, dass das Gewicht der erkannten Nachteile das Gewicht

    der angenommenen Vorteile noch übersteigen und somit Einfluss auf das Gesamtergeb-

    nis der Abwägung haben kann. Die Gesamtabwägung hinsichtlich eines planfeststel-

    lungspflichtigen Vorhabens findet mit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ihren

    Abschluss; für eine nachgehende nähere Prüfung ist insofern kein Raum mehr.

    bb) Eine nähere Analyse des Planfeststellungsbeschlusses zeigt indes, dass die zitierte

    Formulierung nicht die abschließende Behandlung der Problematik zum Ausdruck bringt.

    Vielmehr hat sich die Planfeststellungsbehörde an verschiedenen anderen Stellen in aus-

    reichender Tiefe mit den verkehrlichen Auswirkungen der neuen Anschlussstelle befasst

    und ist dort zur Einschätzung gelangt, dass diese Probleme bewältigt werden können und

    daher kein Gewicht haben, das die angenommenen Vorteile der Verlegungstrasse über-

    wiegt.

    Hierbei hat sie auch zutreffend angenommen, dass Regelungen bzw. Änderungen im

    nachgeordneten Stadtstraßennetz – über die Anpassung des Knotens Dratelnstraße/Rub-

    bertstraße/Rotenhäuser Straße hinaus – nicht im Rahmen des Planfeststellungsbeschlus-

    ses zu treffen sind. Zwar hat die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Problembewäl-

    tigung auch notwendige Folgemaßnahmen an anderen Anlagen festzustellen (§ 75 Abs. 1

    Satz 1 HmbVwVfG). Das Gebot der Problembewältigung rechtfertigt es allerdings nicht,

    andere Planungen mitzuerledigen, die ein eigenes umfassendes Planungskonzept erfor-

    dern. Insoweit unterliegt der Begriff der notwendigen Folgemaßnahme wegen seiner

    kompetenzerweiternden Wirkung räumlichen und sachlichen Beschränkungen. Folgemaß-

    nahmen dürfen über Anschluss und Anpassung nicht wesentlich hinausgehen. Der Vor-

    habenträger darf dementsprechend nicht alles, was in Bezug auf andere Anlagen in der

    - 28 -

  • - 28 -

    Folge des Vorhabens wünschenswert und zweckmäßig erscheint, in eigener Zuständig-

    keit planen und ausführen. Das gilt selbst für unvermeidbare Anpassungen, wenn sie ein

    umfassendes eigenes Planungskonzept voraussetzen und auch dann, wenn der für die

    andere Anlage zuständige Planungsträger mit einer weitreichenden Folgemaßnahme ein-

    verstanden ist; denn die gesetzliche Kompetenzordnung ist allen Hoheitsträgern vorgege-

    ben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.7.2010, 9 B 103.09, NVwZ 2010, 1244, 1245, Rn. 4 f.

    m.w.N.). Den anderen Planungsträgern dürfen allerdings keine unlösbaren Probleme

    überbürdet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.2.2005, 4 A 5.04, BVerwGE 123, 23, 28 =

    juris Rn. 28).

    Neben etlichen Stellen, an denen die hier angesprochene Problematik allenfalls kurso-

    risch gestreift wird, geht der Planfeststellungsbeschluss v.a. auf S. 247-251 im Rahmen

    der Auseinandersetzung mit Einwendungen zum Thema "Beeinträchtigungen durch Ver-

    kehrszunahme" und auf S. 307-312 bei der Befassung mit der Stellungnahme der Behör-

    de für Inneres und Sport auf die Auswirkungen der neuen AS Rotenhäuser Straße auf das

    nachgeordnete Straßennetz ein. Es wird dabei deutlich, dass sich die Planfeststellungs-

    behörde eingehend mit den vorgelegten Verkehrsgutachten (Unterlage 17), insbesondere

    der ARGUS-Untersuchung "Kleinräumige Verkehrsverlagerungen bei einer Verlegung der

    B 4/75" einschließlich deren Ergänzung vom 8. November 2012 befasst hat.

    Zutreffend wird auf S. 249 des Planfeststellungsbeschlusses zunächst darauf hingewie-

    sen, dass ein Großteil der verkehrlichen Entwicklung unabhängig von der Verlegung der

    Wilhelmsburger Reichsstraße auf die in der Zukunft zu erwartenden städtebaulichen Ent-

    wicklungen zurückzuführen sei. In der Tat geht die von der PTV AG erstellte "Verkehrs-

    prognose 2025 und Berechnung von Planfällen" (Unterlage 17) sogar im Prognosenullfall

    (S. 31), bei dem das aktuell bestehende Straßennetz ohne Verlegung der Wilhelmsburger

    Reichsstraße zugrunde gelegt wird, von einer deutlichen Zunahme der Verkehrsbelastung

    allein aufgrund der siedlungsstrukturellen Entwicklung in Wilhelmsburg und der Maßnah-

    men HafenCity, Masterplan Elbbrücken und Kleiner Grasbrook aus. Auf der Wilhelmsbur-

    ger Reichsstraße sei mit einer Belastung von 66.000 Kfz/d südlich und 63.300 Kfz/d nörd-

    lich der AS HH-Wilhelmsburg zu rechnen. Nicht nur auf den Hauptstraßen in Wilhelms-

    burg, sondern nahezu flächendeckend sei mit zum Teil erheblichen Verkehrszunahmen

    zu rechnen.

    - 29 -

  • - 29 -

    Die Planfeststellungsbehörde erkennt im weiteren an, dass es infolge der zur Rotenhäu-

    ser Straße verlegten Anschlussstelle Mehrverkehre im nachgeordneten Stadtstraßennetz

    geben werde, die dort Anpassungsmaßnahmen teilweise nicht nur wünschenswert, son-

    dern auch geboten erscheinen ließen. Dabei stützt sie sich auf Ausführungen in der er-

    gänzenden Stellungnahme von ARGUS vom 8. November 2012, deren Zahlen für den

    Prognoseplanfall 2015_01 sie im Planfeststellungsbeschluss auf S. 250 wiedergibt. Dabei

    bezieht sich die dort genannte sehr hohe Zahl von 20.600 Kfz/d für die Dratelnstraße nur

    auf den kurzen Abschnitt zwischen der AS Rotenhäuser Straße und dem Knoten Drateln-

    straße/Rubbertstraße/Rotenhäuser Straße, wie die Abbildungen 3 und 6 auf S. 4 bzw. 7 in

    der ARGUS-Stellungnahme vom 8. November 2012 belegen. Dieser auszubauende Ab-

    schnitt ist aber als notwendige Folgemaßnahme im Sinn von § 75 Abs. 1 Satz 1

    HmbVwVfG bereits von der Planfeststellung umfasst.

    Auch die gegenüber dem gegenwärtigen Zustand künftig wesentlich stärkere Belastung

    der Thielenstraße (derzeit 4.600 Kfz/d) rührt nicht allein aus der Verlegung der An-

    schlussstelle, sondern auch aus der geplanten Siedlungsentwicklung im Wilhelmsburger

    Bahnhofsviertel, wie die Zahlen für den Prognosenullfall 2025_04 (ohne Verlegung der

    Wilhelmsburger Reichsstraße) zeigen (Unterlage 17, ARGUS-Gutachten, S. 36, Abbil-

    dung 16, S. 40, Tabelle 9), die hierfür eine Verkehrsstärke von 6.100 Kfz/d nennen.

    Zutreffend überlässt die Planfeststellungsbehörde etwa weiter notwendige Anpassungs-

    maßnahmen dem Stadtstraßenbaulastträger (Planfeststellungsbeschluss S. 251 und

    312). Von dieser Seite wird diesbezüglich auch nicht geltend gemacht, dass solche Maß-

    nahmen nicht möglich oder nicht erfolgversprechend seien. So wird auf S. 312 darauf

    hingewiesen, dass das von der Freien und Hansestadt Hamburg erarbeitete Gesamtmobi-

    litätskonzept Süderelbe von der Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße als "indispo-

    nibles Vorhaben" ausgehe und aus den verkehrlichen Wirkungen und den resultierenden

    Verkehrsstärken auf den Straßen im Planungsraum dann die erforderlichen Maßnahmen

    ableite. Hieraus ist zu schließen, dass die Folgewirkungen als planerisch zu bewältigend

    angesehen werden. Das lässt sich auch aus einer Stellungnahme des hierfür zuständigen

    Referats der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation vom 20. Dezember 2012

    (Sachakte 150.1409-003, Bd. 6, Bl. 37) schließen (in Bezug genommen im Planfeststel-

    lungsbeschluss S. 251). In dieser wird es als "zwingend erforderlich" angesehen, dass mit

    Inbetriebnahme der verlegten Wilhelmsburger Reichsstraße auch im einzelnen genannte

    - 30 -

  • - 30 -

    Verkehrsknoten in der Dratelnstraße so hergestellt seien, dass die prognostizierten Ver-

    kehrsstärken auch hier problemlos abgewickelt werden könnten; die Stellungnahme

    macht aber gerade nicht geltend, dass dies nicht möglich sei.

    b) Die Planungsträger und die Planfeststellungsbehörde haben sich auch mit der Be-

    fürchtung der Antragsteller ausreichend auseinandergesetzt, die AS Rotenhäuser Straße

    habe aufgrund ihrer Ausgestaltung keine ausreichende Kapazität, um die von der Wil-

    helmsburger Reichsstraße abfließenden Verkehre abzuleiten, so dass sich erhöhte Un-

    fallgefahren ergäben.

    Die Planungen für die südöstliche und aufgrund der Planänderung vom Januar 2013 auch

    die nordwestliche Abfahrts-Rampe (vgl. hierzu Erläuterungsbericht, Unterlage 1Ä, S. 40)

    sehen jeweils Aufweitungen auf zwei Fahrspuren vor, um genügend Stauraum vor den

    Ampeln hinter den Ausfahrten zu haben und möglichst einen Rückstau auf die Wilhelms-

    burger Reichsstraße zu vermeiden. Im Planfeststellungsbeschluss (S. 487) wird hierzu

    anerkannt, dass die dort gegebene Verkehrsqualität "D" (gemäß der Definition des Hand-

    buchs für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, herausgegeben von der For-

    schungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V., Köln) zwar durch hohe Belas-

    tungen gekennzeichnet sei, die zu deutlichen Beeinträchtigungen in der Bewegungsfrei-

    heit der Verkehrsteilnehmer führten. Dennoch sei der Verkehrszustand bei dieser Ver-

    kehrsqualität noch stabil. Eine bessere Verkehrsqualität wäre zwar wünschenswert, sei

    aber nicht zwingend bzw. könne auch durch Maßnahmen des Stadtstraßenbaulastträgers

    mit bewirkt werden, so dass insoweit keine weiteren Anordnungen der Planfeststellungs-

    behörde ergingen. Das ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

    Darüber hinaus hat gerade auch die als notwendige Folgemaßnahme mit planfestgestellte

    Anpassung des Straßenknotens Dratelnstraße/Rubbertstraße/Rotenhäuser Straße den

    Zweck, die an der AS Rotenhäuser Straße von der Wilhelmsburger Reichsstraße abflie-

    ßenden Verkehre zügig in das Stadtstraßennetz überleiten zu können. Der Planfeststel-

    lungsbeschluss (S. 120 f.) erläutert dies damit, dass ohne die Anpassung dieses Knotens

    nachhaltige Störungen der Funktionsfähigkeit der Stadtstraßen in diesem Bereich zu er-

    warten wären. Aufgrund der Nähe dieses Knotens zu den Rampen der Anschlussstelle sei

    hier wenig Stauraum vorhanden. Der notwendige Stauraum müsse durch die Schaffung

    - 31 -

  • - 31 -

    zusätzlicher Fahr- und Abbiegestreifen geschaffen werden. Daher werde der Querschnitt

    der Rotenhäuser Straße aufgeweitet.

    c) Auch die Sicherheitsfragen, die durch die geplante Parallelführung von Straße und

    Schiene aufgeworfen werden, sind von der Planfeststellungsbehörde ausreichend unter-

    sucht und im Planfeststellungsbeschluss ihrer Bedeutung entsprechend behandelt wor-

    den.

    Zu Unrecht machen die Antragsteller geltend, die Forderung nach Einholung eines Gut-

    achtens zur Beurteilung der Sicherheit der Parallelführung sei unberücksichtigt geblieben.

    Die Planfeststellungsbehörde hat sich mit diesem Problem eingehend befasst. Sie hat im

    Mai 2012 Stellungnahmen der Feuerwehr, der Polizei, des Katastrophenschutzes und des

    Eisenbahn-Bundesamtes zu Unfallgefahren und zu Fluchtmöglichkeiten bei Parallelfüh-

    rung beider Verkehrswege angefordert. Die Antworten ergaben, dass unter Beachtung

    bestimmter Maßgaben keine Bedenken gegen die Parallelführung bestünden. Vor dem

    Hintergrund von Bedenken, die in der Entwurfsfassung des Gutachtens von Knoflacher et

    al. zu diesem Thema geäußert wurden, wandte sich die Planfeststellungsbehörde ferner

    Anfang Dezember 2012 an das Eisenbahn-Bundesamt und fragte nach etwaigen Vorga-

    ben bezüglich der Sicherheit bei Parallelführung der Verkehrswege. Hierauf übersandte

    das Eisenbahn-Bundesamt die "Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahr-

    zeug-Rückhaltesysteme", Ausgabe 2009 (RPS 2009) und Auszüge aus der Druckschrift

    DS 800 01. Auf der Grundlage dieser Richtlinien sowie eines schweizerischen For-

    schungsauftrags zur Parallelführung von Straße und Schiene nahm schließlich die

    DEGES im März 2013 Stellung. Die gewählte Lösung sei fachtechnisch geprüft und im

    Rahmen der Entwurfsplanung als "besondere Vorkehrung" im Sinn der DS 800 01 bestä-

    tigt worden. Gemessen an den Empfehlungen des schweizerischen Modells bestehe ein

    "tragbares Risiko". Zu der gleichen Einschätzung gelangte auch das Gutachten von

    Knoflacher et al. in der Schlussfassung (S. 17, 21), nachdem klargestellt worden war,

    dass die Parallelführung von Straße und Schiene im wesentlichen Abstellgleise betrifft.

    Der Planfeststellungsbeschluss geht inhaltlich auf dieses Problem durch die Nebenbe-

    stimmung Nr. 2.21 (S. 43 mit Begründung auf S. 265 f.) ein und ordnet auf der Ostseite

    der neuen B 75 von Baukilometer 1+000 bis Baukilometer 2+800 parallel zu den Bahnan-

    lagen den Einbau eines Fahrzeugrückhaltesystems einer näher bestimmten Aufhaltestufe

    - 32 -

  • - 32 -

    gemäß den RPS 2009 an. Die Planfeststellungsbehörde hat sich damit auch insoweit in

    ausreichender Weise mit den spezifischen Problemen im Zusammenhang mit der Verle-

    gungstrasse befasst.

    2.1.6. Auch mit ihren Angriffen gegen das vorgesehene, von ihnen als unzureichend kriti-

    sierte Lärmschutzkonzept werden die Antragsteller aller Voraussicht nach im Hauptsache-

    verfahren nicht durchdringen.

    Die Antragsteller kritisieren, dass die von der verlegten Straße und von der Bahntrasse

    ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen getrennt ermittelt worden seien; dies stelle eine

    künstliche Aufspaltung der Lärmquellen dar. Stattdessen müsse eine Gesamtlärmbetrach-

    tung erfolgen; die hiernach ermittelten Beurteilungspegel müssten die Immissionsgrenz-

    werte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) einhalten. Wenn dies nicht ge-

    linge, müssten die aktiven Lärmschutzvorrichtungen so konzipiert werden, dass die

    Grenzwerte eingehalten würden. Aber auch die von den Vorhabenträgern durchgeführte

    Gesamtlärmbetrachtung, die an erheblich großzügigeren Grenzwerten gemessen worden

    sei, sei rechtswidrig, weil sie übersehe, dass schon aufgrund Verfassungsrechts auch

    ohne das planfestgestellte Vorhaben Lärmsanierungsmaßnahmen durchgeführt werden

    müssten.

    a) Die Rüge, den zu erwartenden Lärmbelastungen sei im Planfeststellungsbeschluss

    nicht angemessen Rechnung getragen worden, kann nur dann dazu führen, dass der

    Planfeststellungsbeschluss aufgehoben oder zumindest für rechtswidrig und nicht voll-

    ziehbar erklärt wird, wenn der etwaige Mangel für die Planungsentscheidung insgesamt

    von so großem Gewicht ist, dass dadurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder

    eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt wird. Lassen sich im Plan-

    feststellungsbeschluss nicht angeordnete oder unzureichende Schutzauflagen nachholen

    oder nachbessern, ohne dass dadurch die Gesamtkonzeption der Planung in einem we-

    sentlichen Punkt berührt und ohne dass in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr

    andere Belange nachteilig betroffen werden, so besteht kein subjektiver Anspruch des

    Betroffenen auf Planaufhebung, sondern allein ein Anspruch auf Planergänzung um wei-

    tere Schutzauflagen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.11.2005, 9 A 28.04, NVwZ 2006, 331, 332,

    Rn. 17; Urt. v. 5.3.1997, 11 A 25.95, BVerwGE 104, 123, 129 = juris Rn. 115).

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    b) Das planfestgestellte Gesamtvorhaben löst in unterschiedlicher Weise Lärmvorsor-

    geansprüche gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 der 16. BImSchV aus. Während die

    Neutrassierung der Wilhelmsburger Reichsstraße über eine Strecke von mehreren Kilo-

    metern im Rechtssinne ein Neubau ist (vgl. auch Nr. 10.1 Abs. 1 der VLärmSchR 97,

    VkBl. 1997, 434), handelt es sich bei der Verlegung des Gleises 8 nach Westen in enger

    Parallellage zur vorhandenen Strecke um die Änderung eines Schienenwegs, nicht um

    einen Neubau. Das beruht auf dem trassenbezogenen Verständnis des Begriffs "Schie-

    nenweg" in § 1 der 16. BImSchV (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.11.2004, 9 A 67.03, NVwZ

    2005, 591, 592 = juris Rn. 25). Dabei ist es für Lärmschutzansprüche von erheblicher Be-

    deutung, ob es sich um eine Änderung in Form der baulichen Erweiterung eines Schie-

    nenwegs um ein durchgehendes Gleis (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV) handelt

    oder um eine Änderung durch einen (sonstigen) erheblichen baulichen Eingriff, der näher

    umschriebene Steigerungen des Beurteilungspegels mit sich bringt (§ 1 Abs. 2 Satz 1

    Nr. 2 und Satz 2 der 16. BImschV). Im erstgenannten Fall wäre die Schienenverlegung in

    ihrem gesamten räumlichen Umgriff als "wesentliche Änderung" anzusehen mit der Folge,

    dass ohne weitere Voraussetzungen die in § 2 der 16. BImSchV normierten Immissions-

    grenzwerte einzuhalten wären. Andernfalls löst die Änderung nur dann Lärmvorsorgean-

    sprüche aus, wenn sich die näher definierten Pegelerhöhungen – bezogen auf die jeweili-

    gen Grundstücke Betroffener (BVerwG, Urt. v. 10.11.2004, a.a.O., S. 593 = juris Rn. 36) –

    ergeben.

    Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Verlegung des Gleises 8 um eine Änderung

    im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bzw. Satz 2 der 16. BImSchV. Das neue Gleis der

    Bahnstrecke 1255 beginnt – von Norden her gesehen – in Höhe der bisherigen und künf-

    tigen Unterführung der B4/75 unter den Bahngleisen bei Bahnkilometer 11,745 und fädelt

    nach ca. 2,2 km über die neue Weiche 4227 bei Bahnkilometer 9,503 (nördlich der Über-

    führung der Neuenfelder Straße) in die Bestandsstrecke ein. Für die rechtliche Einord-

    nung ist maßgeblich, dass auch das bisherige Gleis 8 zum hier zu betrachtenden Schie-

    nenweg gehört. Hierbei ist das räumliche Erscheinungsbild zu würdigen (vgl. BVerwG,

    Urt. v. 10.11.2004, a.a.O., S. 592 = juris Rn. 25, 29). Zwar ist das bisherige Gleis 8 südlich

    und in noch stärkerem Maße nördlich der Thielenbrücke durch einen ca. 75-90m breiten

    und mit Sträuchern und Bäumen bewachsenen Streifen von den weiter östlich verlaufen-

    den Gleisen getrennt. In dem genannten Grünstreifen befanden sich aber im maßgebli-

    chen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch zahlreiche alte, seit

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    längerem nicht mehr genutzte Gleisanlagen des früheren Rangierbahnhofs Wilhelmsburg,

    die gemäß dem Bauwerksverzeichnis (Unterlage 5, ab 50.40 ff.) im Zuge der Umsetzung

    des planfestgestellten Gesamtvorhabens zurückgebaut werden sollen; erst danach wird

    diese Fläche gemäß § 23 AEG von Bahnbetriebszwecken freigestellt (vgl. zur Bedeutung

    des rechtlichen Fortbestands einer Fläche als Bahnbetriebsfläche BVerwG, Urt. v.

    10.11.2004, a.a.O., S. 593 = juris Rn. 35). Damit gehört auch das alte Gleis 8 der Strecke

    1255 im hier entscheidenden Abschnitt zu dem aus durchgehenden Gleisen und aus au-

    ßer Betrieb befindlichen Abstellgleisen bestehenden "Schienenweg".

    c) Zutreffend hat die Schalltechnische Untersuchung (Unterlage 11) die Immissionen, die

    von der Straße und von der Bahnanlage auf die in der Umgebung liegenden Grundstücke

    einwirken, getrennt betrachtet; der Planfeststellungsbeschluss (S. 100) hält eine Gesamt-

    lärmbetrachtung zu Recht für grundsätzlich nicht geboten.

    Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 21. März 1996 (4 C 9.95, BVerwGE

    101, 1 ff.) entschieden, dass beim Bau oder der wesentlichen Änderung einer Straße ein

    Anspruch auf Lärmschutz grundsätzlich nur bestehe, wenn der von der neuen oder geän-

    derten Straße ausgehende Verkehrslärm den nach § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV maßgeb-

    lichen Immissionsgrenzwert überschreite. Der maßgebliche Beurteilungspegel sei grund-

    sätzlich nicht als Summenpegel unter Einbeziehung von Lärmvorbelastungen durch be-

    reits vorhandene Verkehrswege zu ermitteln. Das Gericht hat dies aus dem Wortlaut der

    Verordnung, einer systematischen Auslegung und der Entstehungsgeschichte hergeleitet.

    Die VLärmSchR 97 (VkBl. 1997, 434) übertragen in ihrem Abschnitt 10.6 Abs. 2 diese

    Rechtsprechung auch auf den Fall, in dem Gegenstand einer Planfeststellung der Bau

    eines Verkehrsweges und – als notwendige Folgemaßnahme – die Änderung eines ande-

    ren Verkehrswegs sind.

    Die Antragsteller berufen sich für ihre gegenteilige Auffassung auf Ausführungen des

    Bundesverwaltungsgerichts in einer neueren Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 19.3.2014,

    7 A 24.12, U