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Andreas Hoffmann Besondere Lernleistung im Fach Sport Sp1 Schürmann Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten Abgabetermin: 22.6.2011 1

Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

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Andreas HoffmannBesondere Lernleistung im Fach Sport

Sp1 Schürmann

Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport

auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Abgabetermin: 22.6.2011

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Kurzfassung der BLL „ Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport aufgrund biomechanischer Gesetzmäßigkeiten“

Der erste der drei großen Teile dieser Arbeit handelt vom Ringsport allgemein. Was die

Informationen betrifft, so werden hier die wichtigsten Fragen geklärt, angefangen bei der Frage

was das Ringen ist. Das Ringen ist eine sog. Griffkampfkunst, in der Hebel und Würgegriffe

verboten sind. Gewonnen wird durch Punkte oder den sog. Schultersieg. Man unterscheidet in 2

Stile, den griechisch-römischen und den Freistil. Beim griechisch-römischen ist es verboten,

seine Beine zu nutzen, im Freistil hingegen erlaubt. Weiterhin wird der Ablauf eines

Ringkampfes beschrieben, ebenso wie 2 besonders herausragende Ringer.

Im zweiten Teil beginne ich mit der biomechanischen Analyse zweier Grundtechniken aus dem

Ringsport. Der erste und weitaus ungefährlichere ist der Kopfhüftzug, dieser ist ein Standard-

Griff, den ein Neuling meist als erstes im Training lernt, da er vergleichsweise ungefährlich ist

und eine hohe Fehlertoleranz hat. Nichtsdestotrotz ist seine Komplexität nicht zu verachten. Der

Kopfhüftzug wird also detailliert beschrieben und auf seine vorherrschenden biomechanischen

Gesetzmäßigkeiten wie Rotation/Translation oder Prinzipien untersucht.

Diese detaillierte Beschreibung inklusive der Nennung der biomechanischen Gesetzmäßigkeiten

wird auch beim Überwurf, einem recht gefährlichen aber sehr beeindruckenden Wurf

angewandt.

Im letzten Teil dieser Arbeit versuche ich, eine Methodikreihe zur Erlernung dieser zwei

Techniken zu erstellen. Dabei stütze ich mich auf das Regelkreismodell nach Schnabel, sowie

die Vereinfachungsstrategien zur Überbrückung der Überforderungsaspekte der Bielefelder

Sportpädagogen und allgemeine didaktische Lehrmethoden. Die Reafferenz des

Regelkreismodells bildet den Kern in der Methodikreihe, die Lehrmethoden und

Vereinfachungsstrategien bilden lediglich einen Weg, diese Reafferenzen gezielt zu steuern, um

beim Lernenden möglichst früh ein komplettes Bewegungsbild entstehen zu lassen, denn je

komplexer eine Bewegungsvorstellung, desto besser kann ein Athlet diese Bewegung auch

umsetzen.Die vorhergehende biomechanische Beschreibung hilft dabei, häufige Fehler zu finden

und so wird der zweite Teil der Arbeit sinnvoll in den letzten integriert.

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Schriftliche Dokumentation des Arbeitsprozesses

Diese schriftliche Arbeit begann offiziell am 2.2.2011, als ich zusammen mit meinem

betreuenden Lehrer Herrn Schürmann über das Thema meiner geplanten Jahresarbeit sprach,

über die ich schon grobe Vorstellungen hatte. Ich sah eine biomechanische Analyse bestimmter

Grundtechniken im Ringsport vor, inklusive einer kurzen Vorstellung des Sportes selbst. Auf

den Hinweis meines betreuenden Lehrers, dass der dritte Anforderungsbereich erfüllt sein sollte,

entschied ich mich zu einem Transfer der Ergebnisse einer biomechanischen Analyse auf eine

methodische Reihe zur Erlernung dieser Techniken im Ringsport.

Der Titel lautet folglich: „Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter

Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten“.

In den folgenden Wochen überlegte ich mir sowohl ein Konzept der Jahresarbeit, als auch eine

Gliederung. Da ich einerseits das Ziel hatte, meinem Leser den Ringsport näherzubringen und

andererseits wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum sonst so literaturarmen Ringsport

hinzuzufügen, baute ich dementsprechend das Inhaltsverzeichnis auf. Ich wollte mit einem

Vorwort beginnen, das das Ringen in seiner Funktion als Kampfsport erklärt, sowie meine

Intentionen, die mit dem Schreiben der Arbeit verbunden sind, darzulegen. Danach sollte eine

Definition des Sportes folgen. In dieser Definition fasse ich die wichtigsten Fakten des Sportes

zusammen, beispielsweise Grundzüge der Regeln und Unterschiede der Stilarten und den

Ablauf der Kämpfe. Vorwort und Definition erfüllen das Ziel, meinem Leser den Sport

näherzubringen.

Nach der Definition sollte der Hauptteil mit der biomechanischen Analyse einiger ausgewählter

Grundtechniken folgen. Es sollten drei Grundtechniken sein, die ich analysiere. Im letzten Teil

nutze ich die Erkenntnisse der biomechanischen Analyse, um eine methodische Reihe zur

schnelleren Erlernung dieser Techniken anzufertigen. Die Analyse und Methodikreihe erfüllen

das Ziel der wissenschaftlichen Arbeit im Sport. Dies war also das bestehende Konzept.

In den Wochen ab dem 26.2. beschäftigte ich mich mit dem Schreiben des Vorwortes und der

Definition. Im Vorwort versuchte ich den Verlauf vom Kampf unter Menschen als

Überlebensmaßnahme bis hin zum sportlichen Kampf darzustellen inklusive den Gründen,

warum man heutzutage kämpft. Zusätzlich beschrieb ich den geplanten Verlauf meiner Arbeit,

sowie meine Intention. Die Anfertigung der Definition fiel mir im Gegensatz zum Vorwort

deutlich leichter, da ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Ringer über ein großes

Wissen verfüge und abgesehen von den historischen Verweise auf keine Quellen zur näheren

Information angewiesen war, diese jedoch für meine Leser vollständigkeitshalber trotzdem

hinzufügte. So stellte ich Vorwort und Definition in ihrer Grobfassung am 12. März fertig.

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Mit der biomechanischen Analyse begann ich am 16. März. Ich fing damit an, mehrere

Techniken während des Trainings beispielhaft zu filmen, sodass ich am Ende des Trainings fünf

Technikvideos hatte. Von diesen Würfen wählte ich in den folgenden Tagen den Kopfhüftzug,

Überwurf und den ausgehobenen Durchdreher aus, um diese biomechanisch zu analysieren. Zur

biomechanischen Analyse zog ich verwendete Literatur aus dem Sportunterricht heran. Diese

bestand lediglich aus dem Buch Bewegungslehre · Sportpsychologie von Wolfram Peters, war

jedoch aufgrund der Vollkommenheit absolut ausreichend. Die detaillierten Beschreibungen

inklusive der biomechanischen Prinzipien stellten für mich keine Probleme dar, da

Bewegungsbeschreibungen schon mehrfach im Sportunterricht geübt wurden und mir die

biomechanischen Prinzipien wie schon genannt aus dem Sportunterricht bekannt waren. Am 3..

April stellte ich die biomechanische Analyse des Kopfhüftzuges und des Standes als Grundlage

für alle weiteren Würfe fertig . Hier fiel mir schon auf, dass eine Analyse, sowie eine

Methodikreihe eines dritten Wurfes vermutlich den Rahmen meiner Arbeit sprengen würde, da

ich alleine für den Kopfhüftzug etwa 6 Seiten beanspruchte.

Die Arbeit der BLL nahm ich erst Anfang der Osterferien wieder auf (15.4.2011). Gegen Ende

der Osterferien (Anfang Mai) habe ich auch die biomechanische Analyse des Überwurfes fertig

gestellt, ebenso habe ich die Definition um 2 Ikonen des Ringersportes (Wilfried Dietrich und

Alexander Karelin) erweitert, doch zuvor habe ich Definition und Vorwort meinem betreuenden

Lehrer geschickt, um ihn nach seiner Meinung meiner bisherigen Arbeitsweise zu fragen. Dieser

war mit dem Inhalt zufrieden, bemängelte jedoch meine bis dahin nicht vorhandenen

Zitate/Fußnoten, sowie einige sprachliche Ausdrucksweisen.

Am 16.5. setzte ich die Arbeit an meiner Besonderen Lernleistung fort, indem ich mir in der

Schulbibliothek Literatur zu Trainingsmethodik/Trainingsdidaktik auslieh. Nach mehrmaligem

Suchen entdeckte ich ein Werk von Kurt Meinel und Günter Schnabel ( Bewegungslehre –

Sportmotorik) sowie das Kursbuch3: Bewegungslehre von Peter Röthig und Stefan Größing.

Die nächsten Wochen war es also mein Ziel, mich in die Marterie einzulesen, bis ich dann am

7.6. die Arbeit an der Methodikreihe begann. Dies stellte die für mich bisher größte Hürde der

ganzen Arbeit dar, da mir zwar aus dem Ringsport methodische Reihen bekannt waren, mir eine

wissenschaftliche Auseinandersetzung damit bisher jedoch komplett fremd blieb. Auch die

schier riesige Zahl an Modellen und Erklärungsversuchen, die alle keinerlei Anspruch auf

Gültigkeit haben, machen das Thema extrem weitläufig und meiner Meinung nach eher zu einer

Frage des Glaubens als des Wissens, schliesslich weiss keiner der Forscher, ob seine Theorien

über die inneren Lernprozesse tatsächlich stimmen, es sind ja schliesslich nur

Erklärungsversuche. So war ich gezwungen, das mir am logischsten vorkommende Modell

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auszusuchen, welches Meinels Regelkreismodell darstellt. Vor allem für mich als Ringer, der

nach jedem Wurf sofort von Erfolg oder Misserfolg reden kann, schien die Idee der Reafferenz

und des Bewertens logisch, da ich selbst im Training auch ständig meine Würfe bewerte und

eigenständig nach Fehlern suche. Doch da das Regelkreismodell nur die inneren Prozesse

während eines Lernvorganges beschreibt, brauchte ich noch einen „Zugang“ zu diesen

Prozessen, um sie steuern zu können und so benutzte ich die Vereinfachungsstrategien der

Bielefelder Sportpädagogen, die ich als Arbeitsblatt während dem Sportunterricht erhielt und in

Verbindung damit die allgemeinen Lehr-/Lernmethoden.

In den nächsten 2 Wochen vor der Abgabe stellte ich die methodische Reihe am 19.6. komplett

fertig. Ich erweiterte die sonst übliche Methodikreihe beim Überwurf um einige

Zwischenschritte, die es dem Lernenden leichter machen sollen, diesen Wurf zu lernen. Ich

selbst hatte in diesem Stadium einen eher schleichenden Lernerfolg, da die Schwierigkeit

während meines Trainings nicht linear, sondern sprunghaft war. Von der linearen Progression

meiner eigenen Methodikreihe verspreche ich mir auch lineare Erfolge.

Am 20.6. 2011 ergänzte ich jegliche fehlenden Fußnoten meiner kompletten Arbeit. Zusätzlich

erstellte ich am 20.6. das Titelblatt und die Zusammenfassung der kompletten Arbeit.

Am 21.6. überarbeitete ich lediglich die Form der Arbeit und korrigierte sämtliche mir

aufgefallene Rechtschreibfehler.

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Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort 7

Warum kämpft man? Beweggründe zum Schreiben dieser schriftlichen Leistung

1. Definition - Klärung der wichtigsten Fragen 9Ein grober Überblick über den Ringsport inklusive Regeln, Ablauf und historischem Hintergrund

2. Biomechanische Analyse ausgewählter Grundtechniken 13Beschreibung der Bewegungen mit Untersuchung auf biomechanische Gesetzmäßigkeiten

2.1. Der Stand 142.2. Der Kopfhüftzug 142.3. Der Überwurf 18

3. Die methodische Reihe zur Erlernung der Grundtechniken 22Übertragung der Ergebnisse aus der biomechanischen Analyse auf die Sportdidaktik; Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung dieser Techniken im Hinblick auf ihre Überforderungsaspekte

3.1. methodische Reihe zur Erlernung des Kopfhüftzuges 233.2. methodische Reihe zur Erlernung des Überwurfes ( Suplex )

274. Anhang

4.1 Literaturverzeichnis 33

4.2 Videos der beschriebenen Grundtechniken zum besseren Verständnis der biomechanischen Analyse durch Visualisierung 34

5. Eidesstattliche Erklärung

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0.Vorwort

Das Kräftemessen im Kampf ist die wohl älteste (und auch primitivste) Art , einen Konflikt

zwischen zwei Kontrahenten zu lösen. Schon seit Menschenbeginn kämpften verschiedene

Individuen, sei es um Nahrungsmittel oder um einen höheren Status als der Verlierer zu

demonstrieren, denn körperliche Überlegenheit war zu dieser Zeit mit Respekt vor der Gruppe

und einem höheren Lebensstandard verbunden1. Mit der Entwicklung des Menschen

entwickelten sich natürlich auch andere Wege, sich zu messen ( Beispiel: Olympia in der

Antike2), und der Kampf wurde bei vielen Völkern im Laufe der Zeit zum Sport, da es nicht

mehr nötig war, um Nahrungsmittel oder die Führung eines Stammes zu kämpfen. Mit der

Versportlichung des Kampfes entwickelten sich auch Regeln, die den Kampfablauf bestimmten

und die Athleten vor vermeidbaren Verletzungen schützten. So entstanden im Laufe der Zeit auf

dem ganzen Erdball unzählige Kampfstile, die ihre eigenen Regeln haben und sich teilweise

stark unterscheiden.

Generell unterscheidet man heute zwischen Vollkontaktsportarten und

Griffkampfsportarten.Vollkontaktsportarten enthalten allesamt Schläge mit der Faust oder Hiebe

mit der Handinnen-/außenfläche, teilweise auch Tritte mit Füßen und Schienbeinen, bei einigen

wenigen sind auch Treffer mit Knien oder Ellbogen oder sogar Kopfstöße erlaubt.Bei

Griffkampfsportarten sind Schläge, Tritte oder Hiebe aller Art verboten. Bei diesen wird der

Gegner wie der Name schon sagt, gegriffen; Ziel dabei sind Würfe oder Hebel gegen Gelenke,

die den Gegner zur Aufgabe zwingen. Teilweise gehören auch Würgegriffe zum Reportoire

verschiedener Griffkampfkünste.

Mischformen zwischen Vollkontakt und Griffkampfsportarten gibt es ebenfalls, diese erfreuen

sich momentan einer erstaunlichen Beliebtheit durch die sogenannten „Free Fights“ aus

Brasilien (in Brasilien Vale Tudo genannt = „alles ist erlaubt“/“alles zählt“ 3), die auch schnell in

den USA und schließlich auf der ganzen Welt populär wurden. Diese Kämpfe haben wenig

Regeln, die nur auf das nötigste beschränkt wurden und werden mit dem Gedanken, die beste

Kampfkunst zu finden, ausgetragen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich dazu sogar eine neue

Kampfsportart, diese wird MixedMartialArts genannt , kurz MMA4(wörtl.: Gemischte

Kampfkünste).

In meiner schriftlichen Ausführung werde ich mich mit einer speziellen Griffkampfsportart

beschäftigen: dem Ringen. Im ersten Teil meiner Arbeit stelle ich den Sport vor, sodass man

1 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Alphatier 2 Vgl. http://olympia.hessonline.de/ : Abschnitt 'Sport im alten Griechenland'3 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Vale_Tudo 4 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mixed_Martial_Arts

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sich ein Bild vom Ringen machen kann, ehe ich dann im zweiten Drittel auf ausgewählte

Grundtechniken eingehe und diese auf ihre biomechanischen Wirkungsweisen analysiere. Dazu

erhält der Leser im Anhang Videos zu diesen Würfen, da einem Laien eine Vorstellung der

Techniken ohne Visualisierung sehr schwer fiele. Im letzten Drittel erstelle ich eine methodische

Reihe zur Erlernung dieser Techniken, diese stütze ich auf die Beschreibung häufiger Fehler.

Die Überforderungsaspekte für einen unerfahrenen Ringer werden für jeden Griff einzeln

erwähnt. Diese Methode hilft mir zu entscheiden, die Art der Übungen zur Erlernung der

Techniken festzulegen.

Diese Arbeit schreibe ich nicht nur am schulischen Interesse, um meinen Notenschnitt eventuell

zu verbessern, sondern auch um Ihnen als Leser den Ringsport näherzubringen.

Ich als jahrelang aktiver Ringer finde, dass das Ringen zumindest in Deutschland eine stark

unterschätzte Sportart ist, die viele nicht einmal kennen, obwohl das Ringen in Deutschland eine

lange Tradition hat. Ringen ist nicht nur Kampf-, sondern auch Kraftsport, vorallem im

griechisch-römischen Stil wird von den Sportlern eine Menge Kraft verlangt und Krafttraining

ist beim Ringen im Leistungsbereich unerlässlich. Doch Kraft ist nicht das einzige im Ringen,

auch eine sehr gute allgemeine Ausdauer, Geschwindigkeit und Koordination sind wichtig.

Diese geforderten Aspekte machen das Training im Ringen sehr vielseitig. Egal ob turnerische

Elemente zur Erhöhung der Schnellkraft und der Koordination, lange Läufe zur Steigerung der

allgemeinen Ausdauer, oder Ganzkörperkrafttraining mit sehr hohen Wiederholungs- und

Satzzahlen um die Kraftausdauer zu steigern und die Erschöpfung bei einem etwaigen 5-

Runden-Kampf zu minimieren, das Ringtraining bringt eine sehr gute allgemeine körperliche

Fitness in fast allen Bereichen. Dies bemerkte auch Johann Gutsmuths, Turnmitbegründer und

Sportpädagoge, als er schrieb:

„ Die ganze Lehre von den Leibesübungen hat nicht eine einzige aufzustellen, welche alle

Muskeln und Glieder so allgemein in Anstrengung brächte und keine, welche zugleich unter

dem schnellen Wechsel bald diese, bald jene Muskeln und Glieder in Anspruch nähme, als das

Ringen. Im Grunde genommen dienen ihm daher alle übrigen Körperübungen als vorläufige

Hilfsübungen.“ (GUTS-MUTHS J.C.F.: Turnbuch für die Söhne des Vaterlands, Frankfurt 1817)

Doch die körperlichen Aspekte rücken in den Hintergrund, wenn es um die richtige Ausführung

der Techniken geht und dies ist der zweite Aspekt, der dazu führte, dass ich diese schriftliche

Arbeit verfasse: Im Ringen gibt es kaum Literatur zur Erlernung bestimmter Techniken, oder zu

spezifischer Trainingsdidaktik. Aus diesem Grund analysiere ich in der vorgelegten Arbeit

bestimmte Grundtechniken und fertige eine methodische Reihe zur Erlernung dieser an, um

diesem Literaturmangel entgegenzuwirken und zumindest für mich selbst eine schriftliche Basis

habe, auf die ich mein Techniktraining stützen kann.

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1.Definition-Klärung der wichtigsten Fragen

Das Ringen ist eine sogenannte Griffkampfsportart5. Das heisst, Schläge, Hiebe und Tritte

jeglicher Art sind verboten. Beim Ringen sind im Gegensatz zu vielen anderen

Griffkampfsportarten auch Hebel gegen Gelenke oder Würgefriffe (im Kampfsportjargon als

„Submissions“ =Aufgabegriffe zusammengefasst) verboten. Ziel ist es, entweder durch

technische Wertungen zu gewinnen, oder den Gegner mit beiden Schultern auf die Matte zu

bringen (sofortiger „Schultersieg“) . Erreicht wird beides durch Würfe, oder durch Schleudern

des Gegners. Die Bepunktung eines Wurfes übernimmt ein neutraler Kampfrichter, der nach

festgelegten Kriterien für Würfe bewertet.

Der internationale Verband des Ringens ist die FILA (Fédération Internationale des Luttes

Associées), diese steuert auch den Deutschen Ringer-Bund, kurz DRB.

Die Regeln der FILA sind stark darauf ausgelegt, das Ringen moralisch korrekt, fair und

verletzungsarm zu gestalten. Zu den moralischen Regeln gehören das Händeschütteln der

Kontrahenten vor und nach dem Kampf, sowie das Händeschütteln mit dem Trainer des

Gegners nach dem Kampf aber auch das Verbot von gefährlichen Techniken, die Brüche,

Zerrungen oder sonstige Verletzungen hervorrufen können. So ist es beispielsweise verboten,

einzelne Finger des Gegners festzuhalten oder ihn mit zwei Armen am Kopf zu halten(würde

die Möglichkeit des Würgens erlauben). Es ist jedoch erlaubt, den gegnerischen Kopf mit zwei

Armen zu halten, wenn der gegnerische Arm in diesem Griff involviert ist. Generell sind

jegliche Griffe und Würfe verboten, die dem Gegner unnötig Schmerzen bereiten oder

vermeidbare Verletzungen hervorrufen6.

Die konstitutiven Regeln im Ringsport ermöglichen Chancengleichheit und Fairness. Schon die

Einteilung der Kämpfer in Gewichts- und auch Altersklassen7 gehört dazu, jedoch auch die Zeit-

und Raumeinteilung, die immer gleich ist. Auch Kleidungsvorschriften verhindern Vor- oder

Nachteile der Sportler und sichern die Vergleichbarkeit der Leistungen. Trotz aller

verletzungslimitierender Regeln bleibt das Ringen als Kampfsport körperlich betont und

durchaus aggressiv.

Es wird in 2 verschiedene Stile unterschieden:

-griechisch-römischer Stil ( auch Greco); erlaubt sind nur Griffe am Oberkörper, auch das

Beinstellen oder Umschlingen des Gegners mit den eigenen Beinen ist verboten ebenso wie

5 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Grappling 6 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 9, Artikel 49 ; Artikel 52 ;

Artikel 53 ; Artikel 54, Absatz c)7 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 2 , Artikel 6

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jegliches Behindern des Gegners durch „Beinarbeit“8

-Freistil, erlaubt sind Griffe am ganzen Körper, ebenso jegliche Beinarbeit inklusive Fußfeger

etc.9

Die Wahl des Stiles ist Männern offengelassen, Frauen ringen ausschließlich im freien Stil.

Es gibt beim Ringen wie in fast jeder Kampfsportart Gewichtsklassen, die nur Athleten mit

gleichem oder annähernd gleichem Gewicht gegeneinander kämpfen lassen, um das Ringen als

Wettkampfsport fairer und vor allem interessanter zu gestalten.

Bei einem Kampf wird lediglich im „Ringertrikot“ und in leichten Schuhen (bzw.

Ringerschuhen; ähnlich denen von Boxern) gerungen. Ringertrikots sind entweder blau oder rot,

bei einem Kampf erleichtert dies das Unterscheiden der Kämpfer und die Vergabe der Punkte.10

Gerungen wird auf Matten mit blauem Untergrund und einem von einem roten Kreis

umgebenen gelben Zentrum.Die Matten dienen dem Schutz der Sportler, denn sie federn die

teilweise sehr harten Würfe ab. Zusätzlich beschränken sie durch die Farben die Kampffläche,

gerungen wird nur im roten und gelben Bereich. Zu Kampanfang bzw. jedes mal wenn die

Kampffläche verlassen wird, oder im Bodenkampf keine Aktionen von beiden Ringern

stattfinden, pfeift der Schiedsrichter ab und die Ringer setzen ihren Kampf im Stand in der

Mitte der gelben Fläche fort.

Der Ablauf eines Ringkampfes unterscheidet sich je nachdem, ob der Kampf im freien bzw.

griechisch-römischen Stil stattfindet, aber auch das Format ist entscheidend (Turnier-/

Mannschaftskampfformat).

Gerungen wird in Runden, im Turnierformat gibt es pro Aufeinandertreffen maximal drei

Runden, im Mannschaftskampfformat sind es höchstens 5. Eine Runde erstreckt sich über einen

Zeitraum von zwei Minuten 11( Bei Unterbrechungen wird die Zeit gestoppt, es handelt sich also

um die Nettokampfzeit). Im griechisch-römischen Stil wird nach 1:30 Minute der sog.

„Bodenkampf“ angeordnet, dazu muss der unterlegene Ringer in die „Bank“(siehe Foto im

Anhang), der überlegene legt seine Arme auf die Schultern des Gegners bzw. darf zum

„verkehrten Ausheber“ ansetzen. Sobald der Schiedsrichter pfeift, muss der obere Ringer

versuchen zu punkten. Nach 30 Sekunden ist die Runde beendet. Entscheidend für die

Über-/Unterlegenheit eines Ringers sind (in absteigender Reihenfolge):

– Anzahl der Verwarnungen; der Ringer mit weniger Verwarnungen gilt als überlegen

8 Vgl. http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 9 , Artikel 54 , Absatz a)9 Vgl. http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Vorwort10 Vgl. http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 1 , Artikel 511 Vgl. http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 5 , Artikel 24

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– die Punkte; wer bei einer Minute Kampfzeit weniger Punkte hat, ist unterlegen und

muss in die Bank

– die Wertung der Punkte; hat ein Ringer bei Gleichstand der Punkte eine höhere Wertung

erzielt, ist er überlegen

– letzter Punkt; der Ringer der bei Gleichstand und gleichen Wertungen den letzten Punkt

bekommen hat, gilt als überlegen12

Sind auch diese Kriterien gleich, entscheidet im Mannschaftskampfformat der Schiedsrichter,

welcher der beiden Ringer im Kampf passiver war und in die Bank muss.

Im Turnierformat entscheidet das Los.

Schafft es ein Ringer, der durch Los bzw. Schiedsrichterentscheid als Überlegen gewertet wurde

nicht, in den 30 Sekunden eine technische Wertung zu erzielen, so erhält sein Gegner einen

Punkt. Der Unterlegene hat somit die Runde gewonnen.

Im freien Stil wird in jeder Runde zwei Minuten lang durchgerungen, gibt es bei Rundenende

Gleichstand (siehe Kriterien Über-/Unterlegenheit) ,so entscheiden der Schiedsrichter

(Mannschaftskampfformat) oder das Los (Turnierformat) über den aktiveren Ringer, dieser darf

dann das Bein des Gegners greifen und versuchen zu punkten. Bei der ersten folgenden Wertung

ist die Runde beendet, egal welche Seite den Punkt bekommt, diese Verlängerung dauert jedoch

höchstens 30 Sekunden. Falls der fassende Ringer in dieser Zeit keine technische Wertung

erzielt, erhält sein Gegner einen Punkt und gewinnt damit die Runde.13

Am Ende jeder Runde ist derjenige Rundensieger , der mehr Punkte erzielte.Falls diese gleich

sind, werden die Kriterien zur Über-/Unterlegenheit herangezogen, so wird wiederum in

absteigender Reihenfolge der Sieger ermittelt. Eine Runde wird vorzeitig beendet, wenn einer

der Ringer zwei 3-Punkte-Wertungen erzielt, oder eine 5-Punkte-Wertung (höchste Wertung),

dieser wird dann vorzeitig Rundensieger14. Ein Kämpfer wird ebenfalls vorzeitig Rundensieger

wenn er einen Vorsprung von 6 Punkten zu seinem Kontrahenten hat (Technische

Überlegenheit).

Derjenige, der im Mannschaftskampfformat drei bzw. im Turnierformat zwei Runden gewinnt,

hat den kompletten Kampf gewonnen. Wer seinen Gegner auf beide Schultern legt, gewinnt den

Kampf sofort, unabhängig von Punkten.

Gerungen wurde schon vor über zweitausend Jahren bei den Olympischen Spielen in der

Antike, dort war es auch Teil des Fünfkampfes. Im antiken Griechenland wurde nackt auf Sand

12 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 5 , Artikel 32: „Bei Punktegleichheit“

13 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 9 , Artikel 48: „Angeordneter Kontakt im Freistil“ und Kapitel 5, Artikel 31

14 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf : Kapitel 5, Artikel 32

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gerungen, gewonnen hat derjenige, der seinen Kontrahenten dreimal auf den Boden geworfen

hatte. Die heutige Stilbezeichnung griechisch-römisch, die sich auf die Ringkämpfe der Antike

beziehen sollte, ist eigentlich falsch, da es damals durchaus erlaubt war, seine Beine aktiv im

Kampf zu benutzen, beziehungsweise die Beine des Gegners zu greifen. Auch in anderen Teilen

der Welt entstanden schon sehr früh ähnliche Kampfsportarten. Überlieferungen aus Ägypten

und dem alten China sind bekannt15.

Die wohl bekanntesten Ringer der Neuzeit sind der deutsche Wilfried Dietrich, auch als „Kran

von Schifferstadt“ bekannt und der sowjetrussische Alexander Karelin, beide ihrerzeit Idole im

Superschwergewicht.

Wilfried Dietrich war einer der wenigen Ringer, die sowohl im freien-, als auch im griechisch-

römischen Stil erfolgreich waren. Er nahm an fünf Olympischen Spielen teil (1956-1972) und

gewann bei diesen insgesamt fünf Medaillen16. Zur Legende wurde er, als er den sehr

korpulenten, etwa 200kg schweren US-Ringer Chris Taylor in der damals noch nach oben

offenen Schwergewichtsklasse mit einem Überwurf und anschließendem Schultersieg

bezwang17. Das Bild seines Wurfes ging um die Welt, denn niemand hätte erwartet, dass der sehr

athletische Wilfried Dietrich , der fast halb so viel wog wie sein Gegner, einen solchen Koloss

so beeindruckend stemmen kann. Eine Anekdote besagt, dass Dietrich seinen Gegner kurz vor

dem Kampf umarmte, jedoch nicht um seinen Kontrahenten bei den Olympischen Spielen in

Dietrichs Heimatland Deutschland zu begrüßen (1972; Olympische Spiele in München) ,

sondern um zu sehen, ob er seinen Kontrahenten tatsächlich umfassen kann.

15Vgl. http://www.ringen.at/navi/geschichte.htm;

http://iacss.org/~multi/test/sportarten/ringen-und-zweikampf/sozial-und-

kulturgeschichte/ ; http://de.wikipedia.org/wiki/Ringen 16 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_Dietrich 17 Vgl. http://www.hall-of-fame-sport.de/galerie/portrait/25

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(Wilfried Dietrichs Überwurf; Quelle:http://www.hall-of-fame-sport.de/galerie/portrait/25 )

Alexander Karelin gilt heute als der erfolgreichste Ringer aller Zeiten. Er begann seine

internationale Karriere mit 18 Jahren im Jahre 1985 und war von dort an bis zu seiner

Niederlage bei den Olympischen Spielen im Jahre 2000 in Sydney bei internationalen Turnieren

ungeschlagen.

Dort verlor er gegen den US-Amerikaner Rulon Gardner, der mit 1:0 nach Ende der Kampfzeit

gewann. Karelins Erfolge umfassen 3 olympische Gold- und eine olympische Silbermedaille,

neun Weltmeistertitel im Seniorenbereich, zwei Weltmeistertitel im Juniorenbereich und

insgesamt insgesamt dreizehn Europameistertitel, sowie zahlreiche Gewinne in anderen

namhaften internationalen Turnieren, so wie dem FILA-Grand-Prix18. Er wurde seit Beginn

seiner internationelen Karriere nur von seinem Landsmann Igor Rostorozki (während der

Mannschaftskampfsaison, somit blieb er bei internationalen Turnieren weiterhin ungeschlagen)

und wie o.g. von Rulon Gardner besiegt und das bei einer Sportlerkarriere, die beachtliche 15

Jahre überdauerte. Er bestritt sogar eine Weltmeisterschaft , in der er keine einzige gegnerische

Wertung zuließ und gewann die meisten Kämpfe seiner Karriere vorzeitig19. Alexander Karelin

hat eindrucksvoll gezeigt, dass es selbst im Profisport noch extreme Unterschiede in der

Leistung der Sportler geben kann und hinterließ eine Siegesbilanz, die wohl

sportartübergreifend ihresgleichen sucht.

2. Biomechanische Analyse

Nach der Beschreibung des Ringens folgt nun die Biomechanische Analyse bestimmter

Grundtechniken .

Diese Techniken sind namentlich: Kopfhüftzug und Überwurf (auch Suplex genannt) .

Kopfhüftzug und Überwurf sind Standard-Griffe aus dem Stand, die man auf jedem Turnier

sehen kann. Der Kopfhüftzug ist meistens sogar der erste Griff, den ein Neuling beim Training

kennenlernt und trainiert. Der Überwurf ist in seiner Ausführung zwar nicht so kompliziert wie

der Kopfhüftzug , allerdings aufgrund der körperlichen Anforderungen und Verletzungsgefahr

nicht für absolute Einsteiger geeignet.

18 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Alexandrowitsch_Karelin#Wettkampfbilanz_.28.C3.9Cbersicht.29

19 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Alexandrowitsch_Karelin#Erfolge_im_Seniorenbereich

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2.1. Der Stand

Bevor ich die Griffe einzeln analysiere, beginne ich mit der Beschreibung des normalen Stands

im griechisch-römischen Stil , da dieser die Basis für die folgenden Griffe ist. Den Stand im

Freistil vernachlässige ich, da die folgenden Techniken im Freistil nur sehr selten angewendet

werden, denn dort sind Beinangriffe deutlich effektiver.

Der Ringer hat im normalen Stand eine versetzte Fußstellung: einen Fuß vorne, den anderen

hinten. Der vordere Fuß zeigt geradeaus ,der hintere Fuß ist minimal nach außen gedreht und

die Knie sind leicht gebeugt. Knie- und Fußgelenk des vorderen Beines bilden eine vertikale

Linie. Durch diese Stellung der Beine steht der Kämpfer stabil; egal ob er nach hinten geschubst

oder nach vorne gezogen wird, er kann in jedem Fall schnellstmöglich darauf reagieren, indem

er dem Ziehen/Schieben durch Streckung der Beine entgegenwirkt und zusätzlich sein Gewicht

nach hinten (Ziehen) oder vorne (Schieben) verlagert.

Die Stellung des Oberkörpers unterscheidet sich von Ringer zu Ringer. Einige stehen nach vorn

gebeugt, andere neigen beim Stand sogar zum Hohlkreuz. Diese Stellung hat meist mit der

Größe des Ringers zu tun, so stehen kleinere Ringer im Kampf gegen größere oft im Hohlkreuz,

da dieser sie ansonsten rünterdrücken würde und dadurch in eine vorteilhafte Position gelangt.

Größere stehen im Kampf gegen kleinere meist nach vorne-unten gebeugt, dadurch hat der

Gegner weniger Chancen, den Körper zu umfassen und der größere erschwert ihm somit die

Ausführung bestimmter Würfe und Techniken. Die Arme sind (solange die Ringer nicht im

Clinch sind ) angewinkelt, die Handflächen zeigen meistens nach vorne-unten, dadurch kann

man schneller reagieren, falls der Gegner zu Griffen ansetzt und diese kontern oder abwehren.

2.2. Der Kopfhüftzug

Der Kopfhüftzug ist ein Griff aus dem Stand, der eigentlich extrem komplex ist, allerdings eine

sehr hohe Fehlertoleranz hat. Auch mit groben Fehlern funktioniert ein Kopfhüftzug

problemlos, dies macht ihn sehr einsteigerfreundlich. Er enthält translatorische20 und

rotatorische21 Anteile.

Beim Kopfhüftzug beginnt man im normalen Stand, es gibt jedoch zwei Möglichkeiten zur

Ausführung, diese unterschieden sich in der Haltung der Arme im Clinch (Als Clinch wird jede

Stellung bezeichnet, in der die Ringer sich im Stand gegenseitig „festhalten“; der Zwiegriff wird

auch oft Clinch genannt).

20 Vgl. PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 8

21 Vgl. PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 9 f.

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Page 15: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Bei der ersten Clinchmöglichkeit hat der Ringer, der den Kopfhüftzug ausführen möchte, einen

Arm am Nacken des Gegners , mit dem anderen Arm klemmt er den Arm seines Gegners

zwischen seinen eigenen Arm und Oberkörper. Mit der Hand des klemmenden Armes hält der

Ausführende Athlet den Gegner oberhalb des Ellbogens.

Bei der zweiten Möglichkeit befinden sich die Ringer im sog. Zwiegriff. Beide Ringer umfassen

den jeweils anderen, indem sie einen Arm unter dem gegnerischen Arm und einen über dem

gegnerischen Arm halten. Beide Arme jedes Ringers kommen auf dem Rücken des Gegners

zusammen und „klammern“.

Die Seite der Arm- und Beinstellung ist entscheidend für die Richtung des Wurfes. Möchte der

Ausführende seinen Gegner über die linke Seite werfen, hält er den Arm seines Gegners auch

mit der linken Hand und hat die rechte Hand am Nacken des Gegners bzw. im Zwiegriff den

rechten Arm oben, für die rechte Seite entsprechend andersherum. Außerdem steht das rechte

Bein für einen Wurf nach links vorne und das linke für einen Wurf nach rechts.

Bei der eigentlichen Wurfbewegung beginnt der ausführende Athlet oftmals damit, seinen

vorderen Fuß etwa auf Fußhöhe des Gegners ( bei einem Wurf nach links näher dem rechten

Fuß des Gegners -vom Gegner aus gesehen - , für die andere Wurfseite entsprechend

andersherum ) zu stellen. Anschließend folgt das hintere Bein, das der Sportler sehr nahe neben

sein schon vorne stehendes Bein stellt. Zu beachten sind dabei: 1. dass der hintere Fuß bei

einem Wurf nach links rechts neben den rechten Fuß gestellt wird ( entsprechend für Wurf nach

rechts andersherum), dadurch ergibt sich eine leichte Verwringung der Beine, das rechts

stehende Bein hat im Kniegelenk einen Winkel von etwa 90° und das Knie zeigt nach außen, die

Fußspitze nach vorne-links und 2. dass der jetzt rechts stehende, linke Fuß nicht komplett auf

der Sohle, sondern nur auf der Fußspitze die Matte berührt. Während der Bewegung des

hinteren Beines gibt der Ringer im Standbein nach, bis der Winkel im Kniegelenk annähernd

90° beträgt , dadurch sinkt einerseits der Körperschwerpunkt22 unter den des Gegners, denn der

Ausführende macht sich durch das Beugen des Standbeines kleiner, andererseits sinkt die

Normalkraft23, folglich ist ein negativer Kraftstoß vorhanden. Dies entspricht dem Prinzip der

Anfangskraft24, da das Nachgeben im Standbein eine Ausholbewegung zu einer Teilbewegung

im späteren Verlauf der Wurfes darstellt.

Nur für erste Clinchvariante (siehe oben) gültig:

22 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 33ff.23 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 22ff.24 Vgl. PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 61f.

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Page 16: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Während der Beinbewegung holt der Ringer mit dem auf dem Nacken des Gegners liegenden

Arm aus , indem man ihn vom Gegner weg zur Seite bewegt, das Ellbogengelenk ist dabei

gebeugt, der Winkel beträgt 90°. Man sollte den Arm jedoch nicht zu weit weg bewegen, eine

Entfernung von 10-15 cm von Armbeuge zum seitlichen Hals des Gegners ist ausreichend.

Nun beginnt der Ringer mit mehreren Teilbewegungen gleichzeitig:

– Rotation: Er rotiert um die Longitudinalachse -die eine vom Sportler zu stabilisierende

Drehachse darstellt25 -, indem er sein ganzes Gewicht auf das Standbein verlagert, sich

mit diesem aber ebenfalls auf die Fußspitze stellt und die Verwringung der Beine durch

einen Drehimpuls aus dem rechtsstehenden Bein auflöst. Das Standbein ist folglich die

Drehachse. Das Stellen auf die Fußspitzen beider Füße verringert den Abrieb, ansonsten

wäre ein Drehen mit Ringerschuhen aufgrund des Grips auf der Matte nicht möglich.

Der Ringer dreht sich insgesamt um etwa 270°.

– Bewegung der Arme und des Oberkörpers: Die Armbewegung hat je nach

Armhaltung (Clinchvariante 1 bzw. 2) andere Merkmale. Bei Clinch 1 „schlägt“ der

Ringer seinen Arm gegen den seitlichen Hals des Gegners, dabei ist zu beachten, dass

der Arm gebeugt ist und der Hals mit der Armbeuge getroffen wird. Dieser „Schlag“ ist

regelkonform solange er nicht zu hart ist, zu keinen Verletzungen führt und in der

Bewegung einen sinnvollen Nutzen hat (hier: Impulsübertragung26). Mit dem anderen

Arm, der den gegnerischen Arm am Ellbogen hält, zieht der Ringer, er überträgt also

Impulse in die gleiche Richtung mit beiden Armen, einmal indem er den Gegner in die

entsprechende Seite zieht (bei einem Wurf nach links wird nach links gezogen und von

rechts nach links mit der Armbeuge „geschlagen“) und einmal indem er ihn in diese

Richtung „schlägt“. Nach dem Schlag mit der Armbeuge wird die Bewegungsrichtung

des Armes beibehalten und der Arm „schiebt“ fortan noch, deshalb ist dieser auch

gebeugt, so kann er wie ein Haken Hals und Nacken umklammern und weiterhin

Energie übertragen. Bei Clinchmöglichkeit 2 gibt es keinen „Schlag“, allerdings ziehen

beide Arme in die selbe Richtung. Da sie um Kopf und Arm des Gegners geklammert

sind, ist die Zugwirkung höher, jedoch ist diese Art weniger explosiv. Beide

Armbewegungen resultieren letztendlich in einer Drehung des Oberkörpers in die

Wurfrichtung (beim Ausführenden!), denn der Impuls der Arme überträgt sich auf

diesen. Dazu ist es nötig, dass sich der Oberkörper absenkt , der Bein-Rumpf-Winkel

also kleiner wird. Letztendlich ist der Oberkörper fast horizontal und hat eine

Rotationsbewegung um die Sagittalachse27, die Arme ziehen den Gegner, der an Kopf

25 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 9f.26 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 67ff.27 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 9f.

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Page 17: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

und Arm gegriffen wird, nach vorne-unten. Kopf und Arm des Gegners werden während

der gesamten Bewegung nicht losgelassen.

– Brems- und Beschleunigungskraftstoß: Die vorher bei der Vorbereitung der

Drehbewegung gebeugten Beine, die einen negativen Kraftstoß zur Folge hatten,

werden nun schnellkräftig gestreckt. Daraus resultieren Brems- und

Beschleunigungskraftstoß28, die den ausführenden Ringer und seinen Gegner anheben.

Zusammen bewirken diese Bewegungen folgendes: Durch die Drehung gewinnt der

Ausführende einerseits an Energie für die Arm- und Oberkörperbewegung, andererseits wird

sein Körper so gedreht, dass er letztendlich quer zum Gegner steht und als eine Art „Bock“

fungiert. Mit der Armbewegung in Kombination der Drehung wird der Gegner über den Rücken

gezogen, mit dem Gesicht nach vorne-unten. Durch das Strecken der Beine wird der Gegner, der

auf dem Bauch quer auf dem Ausführenden liegen sollte, angehoben, wenn es ruckartig genug

geschieht, hebt er sogar vom Boden und letztendlich auch vom Gegner ab. Wenn der Gegner

nun also auf dem Ausführenden „liegt“ und sein Kopf ruckartig nach vorne-unten und sein

Körper nach oben gerissen werden, beginnt er, sich um die Körperbreitenachse29 zu drehen und

den Boden zu verlassen. Der Ausführende „führt“ ihn dabei, indem er ihn weiterhin festhält und

die Rotationsbewegung seines Oberkörpers fortführt. Dadurch sieht es aus, als würde der

Ausführende hinfallen, es ist jedoch ein kontrolliertes Hinfallen. Der Geworfene landet

letztendlich nach einer 270° Rotation auf dem Rücken und der Werfer quer auf dem Rücken auf

dessen Brust. Der größte Vorteil beim Kopfhüftzug ist der, der sich nach der Landung abspielt:

der Geworfene liegt auf dem Rücken, also in einer sehr gefährlichen Position, denn wenn er

nicht sofort in die sog „Ringerbrücke“ (Abwandlung der Brücke aus dem Turnen mit Kopf auf

der Matte) geht, hat er durch Schultersieg verloren. Der Werfer jedoch hat Arm und Kopf des

Gegners fest im Griff und kann die Ringerbrücke gekonnt verhindern, indem er Arm und Kopf

zu seinem Körper heranzieht. Da sein Körper auf dem des Gegners liegt, werden Arm und Kopf

nach oben gezogen, sowie die komplette obere Schulterpartie, sodass er dem Kontrahenten eine

Rundrückenhaltung aufzwingt, wodurch dieser auf den Schulterblättern liegt und der Geworfene

den Kampf sofort verliert.

Diese Teilbewegungen sind ein sehr gutes Beispiel für das Prinzip der zeitlichen Koordination

von Teilimpulsen30, denn dieser Wurf ist explosiver und überraschender, je simultaner die

Teilbewegungen ausgeführt werden.

28 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie . Stark Verlag 2009; Seite 6129 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie . Stark Verlag 2009; Seite 9f.30 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie . Stark Verlag 2009; Seite 65f.

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Page 18: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Zusätzlich wird bei einer simultaneren Ausführung der Teilimpulse eine größere Wurfhöhe

erreicht, was wiederum eine höhere technische Wertung für einen erfolgreichen Wurf bedeuten

kann.

Normalerweise verletzt sich bei der Landung niemand, es sei denn der Geworfene legt den Kopf

in den Nacken, dann prallt er möglicherweise mit der Stirn auf und kann sich durch die

Kraftübertragung auf das nächstgelegene Gelenk ernsthafte Verletzungen im Nacken- und

Wirbelbereich zuziehen. Dies kann auch geschehen, wenn der Wurf nicht richtig ausgeführt

wurde und der Geworfene mehr in die Weite als in die Höhe geworfen wurde, denn dann ist

nicht genügend Zeit für die Rotation in der Transversalachse vorhanden. Dies kann passieren,

wenn der Werfer beim Brems- und Beschleunigungskraftstoß sein Gleichgewicht verliert und

nach vorne fällt. Dieser Gefahr wird im Training jedoch dadurch vorgebeugt, dass das Abrollen

und Fallen aktiv gelernt wird, sodass es auch bei Fehlern des Werfers durch das gekonnte

Abrollen des Geworfenen nicht zu Verletzungen kommt. Zusätzlich werden Anfänger sofort

aufgeklärt , dass das Kopf in den Nacken legen extrem gefährlich ist.

Der Köpfhüftzug ergibt richtig ausgeführt im Normalfall 3 Punkte, in Sonderfällen, in denen

eine sehr hohe Wurfhöhe ( Amplitude) erzielt wird, gibt es sogar 5 Punkte.31

2.3. Der Überwurf

Der Überwurf oder auch Suplex ist einer der beeindruckendsten Würfe aus dem Ringsport.

Es ist ein Wurf aus dem Stand, der eine sehr hohe Explosivkraft und eine sehr gute körperliche

Fitness voraussetzt. Er ist in seiner Anwendung weniger komplex als beispielsweise der

Kopfhüftzug, allerdings aufgrund seines sehr hohen Verletzungsrisikos für beide Ringer nicht

für komplette Anfänger geeignet. Trotzdem ist er einer der ersten Würfe, die ein Anfänger lernt,

auch wenn es erst eine Weile dauern wird, bis ein Anfänger das erste Mal einen Überwurf

ausführen wird, da die methodische Reihe zum Überwurf sehr viele Übungen umfasst, die den

Ringer körperlich und technisch auf diesen Griff vorbereiten. Er enthält minimale

translatorische und rotatorische Anteile.

Der Überwurf kann aus vielen Clinchvarianten ausgeführt werden, die gängigste ist jedoch,

einen Arm des Gegners zwischen Oberarm und Arm zu klemmen und dabei den den Gegner

oberhalb des Ellbogens zu greifen und den anderen Arm auf den gegnerischen Rumpf

aufzulegen.

31 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf ; Kapitel 6 , Artikel 40

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Page 19: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Wie beim Kopfhüftzug entscheiden die Haltung der Arme und die Stellung der Beine über die

Seite des Wurfes. Bei einem Wurf nach links wird der gegnerische rechte Arm gegriffen, der

rechte Arm des Ausführenden ist auf dem linken Rumpf des Kontrahenten aufgelegt. Weiterhin

steht für einen Wurf nach links zu Anfang der linke Fuß vorne und zwar etwa mittig zwischen

denen des Gegners, mit der Fußspitze nach vorne.

Der Überwurf lässt sich generell in drei Phasen unterteilen:

Vorbereitungsphase

Während dieser Phase bereitet der Ringer aktiv Clinch und Beinstellung entsprechend der

geplanten Wurfseite vor. Für ein besseres Wurfergebnis wird während eines Kampfes in dieser

Phase oft versucht, das Gleichgewicht des Gegners zu destabilisieren, dies führt zu einer

erschwerten Abwehrmöglichkeit.

Stemm-/Hauptphase

In der Stemmphase laufen ähnlich dem Kopfhüftzug gleichzeitige Teilbewegungen ab, diese

sind jedoch weitaus weniger komplex und daher schnell erlernbar.

Eine der zwei Teilbewegungen ist das feste Umfassen des gegnerischen Oberkörpers mit den

Armen. Dazu wird zuerst die Distanz zum Gegner stark verringert ( zweite Teilbewegung;

Beschreibung folgt ). Der Athlet führt die Arme auf dem Rücken des Gegners zusammen und

klammert, dabei klemmt er den gegnerischen Arm, der vorher oberhalb des Ellbogens gehalten

wurde, in die Klammer mit ein, indem er den Griff am Arm loslässt, ihn dann aber mit der

Armbeuge an den gegnerischen Körper presst . Durch die Klammer ist ein gegnerischer Arm

also nahezu bewegungsunfähig, dies erschwert die Abwehr erheblich. Wichtig ist, dass die Arme

den gegnerischen Körper extrem eng und fest umschließen, es darf kein Spiel geben. Falls die

Arme des ausführenden zu lang sind, und es beim umklammern noch irgendwo Luft zwischen

Arm und Körper des Gegners gibt, werden die Ellbogen nach unten gesenkt, sodass sie den

Körper umschließen und statisch in dieser Position gehalten . Dies beschränkt zusätzlich die

Bewegungsmöglichkeiten des Gegners, Konter- oder Abwehrbewegungen sind nun nur noch

mit sehr großem Kraftaufwand zu bewältigen.

In der zweiten simultanen Teilbewegung verkürzt der Athlet wie oben schon genannt, die

Distanz zum Gegner. Dabei macht er einen Ausfallschritt mit seinem schon vorne stehenden

Fuß. Der Ausfallschritt geht soweit, dass der Fuß hinter denen des Gegners steht, das Bein wird

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Page 20: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

also zwischen den Beinen des Gegners auf diese Position gestellt. Das Kniegelenk ist leicht

gebeugt. Die Distanz ist soweit verkürzt, dass sich Oberkörper an Oberkörper befindet.

Sobald sich der Athlet vor dem Kontrahenten befindet, und ihn fest umklammert hat, folgt das

eigentliche Stemmen. Der Ringer zieht sein hinten stehendes Bein schnell nach und stellt es

genau neben sein schon vorne stehendes Bein. Nun ergibt sich ein Winkel von 90° in beiden

Kniegelenken. Die Beine weisen eine Vorspannung auf. Durch das Beugen der Beine verliert

der Ringer an Höhe, sein Körperschwerpunkt senkt sich. Dies ist für die Stemmbewegung von

größter Wichtigkeit, denn so kann eine optimale Kraftübertragung stattfinden. Durch das

Senken des Körperschwerpunktes in Verbindung mit den sehr weit vorne stehenden Beinen

befindet sich der Körperschwerpunkt des ausführenden Athleten direkt unter dem des Gegners,

bei einer Stemmbewegung aus den Beinen wird die Kraft also geradewegs nach oben auf den

Gegner übertragen. Das Beugen der Beine ist eine Ausholbewegung zur Stemmbewegung. Es

ergibt sich ein Bremskraftstoß, dies entspricht dem biomechanischen Prinzip der Anfangskraft32,

denn durch die Ausholbewegung kann der Sportler insgesamt mehr Kraft auf das zu bewegende

Objekt ( in diesem Fall seinen Gegner) übertragen.

Bei der Stemmbewegung selbst wird jedoch nicht nur Kraft aus den Beinen übertragen.

Zusätzlich zum schnellkräftigen Strecken der Beine, das einem Beschleunigungskraftstoß

entspricht, „zieht“ der Athlet den Gegner aus dem Kreuz über sich nach hinten und stößt mit

seinem Bauch von vorne-unten gegen den Gegner. Alle drei Impulse wirken in verschiedene

Richtungen: Das Stemmen der Beine beschleunigt den Gegner nach oben, das Ziehen aus dem

Kreuz beschleunigt ihn (aus seiner Sicht) nach vorne und das Stoßen des Bauches beschleunigt

den unteren Teil seines Körpers nach hinten. Zusammen ergeben sie ähnlich dem Kopfhüftzug

eine annähernde Rotation um die Transversalachse des Geworfenen, inklusive translatorischer

Anteile auf einer parabelförmigen Bahn. Der ausführende Athlet muss diese Impulse zeitlich

möglichst exakt aufeinander abstimmen, um die gewünschte Richtung des Wurfes zu erhalten

,somit entspricht der Überwurf dem Prinzip der zeitlichen Koordination von Teilimpulsen33.

Doch auch das Prinzip der optimalen Tendenz im Beschleunigungsverlauf findet Anwendung34,

da es theoretisch zu jeder Zeit möglich ist, dass der Gegner Konter-/Abwehrbewegungen

ausführt, muss ein Griff möglichst schnell vonstatten gehen, somit muss zu Beginn der

Stemmbewegung schon die volle mögliche Kraft mobilisiert werden. Ebenso ist der Stoß des

Bauches gegen den Gegner ein gutes Beispiel für das Prinzip der Impulsübertragung35, denn die

Kraft des Stoßes überträgt sich auf den unteren Teil des gegnerischen Körpers, danach ist die

Stoßbewegung nicht mehr nötig und wird nicht weitergeführt.

32 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 61f.33 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 65f.34 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 64f.35 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 67ff.

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Page 21: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Flug-/Landephase

Nach der Stemmbewegung führt der Athlet das Ziehen aus dem Kreuz weiter, indem er in der

Bewegung eine Brücke andeutet.Der Bein-Rumpf-Winkel vergrößert sich. Dies ist der

gefährlichste Teil der Bewegung (Erläuterung folgt) . Da nun schon die benötigten Kräfte zum

Stemmen des Gegners aufgewendet wurden, muss dieser in der Luft nur geführt werden. Am

Wendepunkt der parabelförmigen Flugphase beginnt der ausführende Ringer, sich um ca. 180°

um die Longitudinalachse zu drehen, indem er mit seinem zuletzt hinzugezogenem Bein (stand

vorher hinten) einen Drehimpuls36 beginnt. Dies geschieht, indem dieser Fuß ,in der Ferse

beginnend, aktiv nach außen gedreht wird und dann ein zusätzlicher Kraftstoß geleistet wird,

indem die Wadenmuskulatur kontrahiert und der Fuß auf die Zehenspitzen gestellt wird . Das

Bein führt diese Bewegung weiter, sodass das Knie nach innen zeigt. Der Körper folgt der

Rotationsbewegung und rotiert um den jeweils anderen Fuß. Die Rotationsbewegung überträgt

sich nicht auf den sich in der Luft befindenden geworfenen Athleten. Der geworfene rotiert

weiterhin nur um die Transversalachse.

Viele Ringer öffnen in der Flugphase während dieses Moments die Klammer und halten sich an

mindestens einem Arm des Gegners fest. Dies verhindert das versehentliche Übertragen

rotatorischer Bewegungsanteile auf den gegnerischen Körper, doch stellen sicher, dass der

Kontrahent in seiner Bewegung geführt wird. Dies ist jedoch nicht zwingend nötig. Am Ende

seiner Rotation um die Longitudinalachse landet der Werfer zuerst auf der vorderen Fläche des

Beines, das die Rotation initiiert hat und schließlich mit dem Rest des Körpers. Der Gegner

landet im Idealfall zuerst auf den Schulterblättern und dann mit dem restlichen Körper. Am

Ende der Bewegung liegen also beide Ringer auf dem Boden, der geworfene auf dem Rücken

und der Werfer im 90° Winkel zu ihm auf dem Bauch. Der Werfer landet auch mit seiner Brust

auf der Brust des Gegners, dies kann die Landung beim Überwurf aufgrund der

Kräfteentwicklung für den geworfenen unangenehm werden lassen, denn wenn der Werfer mit

dem zusätzlichen Gewicht seines Oberkörpers während der Landung des aufprallenden

Kontrahenten aufkommt, wird die Luft oftmals aus den Lungen des geworfenen gepresst. Dies

ist keineswegs gefährlich, für Neulinge jedoch gewöhnungsbedürftig.

Die Risiken des Wurfes sind vergleichsweise hoch. Unerfahrene Ringer haben, wenn sie

geworfenen werden, oft den Instinkt, die Arme nach vorne auszustrecken, um den Fall zu

mindern, anstatt das Kinn auf die Brust zu legen und korrekt abzurollen. Wenn ein

36 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 50

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Page 22: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

ausgestreckter Arm frontal auf dem Boden aufkommt, entstehen durch das Gewicht beider

Kämpfer inklusive der Beschleunigung sehr große Kräfte, die sehr leicht dazu führen können,

dass der Arm bricht. Davor sollte jeder Ringer frühstmöglich aufgeklärt werden. Auch haken

einige geworfene ihre Beine in die des Gegners, was während der Stemmbewegung zu einer

limitierten Bewegungsmöglichkeit des Werfenden führt und somit für beide Ringer gefährlich

wird, denn eine Rotation um die Longitudinalachse ist dann oft nicht mehr möglich, was dazu

führt, dass beide Ringer auf dem Kopf aufkommen können. Das letzte Risiko geht vom aktiven

Ringer aus: Falls er nicht hoch genug stemmt, oder die Rotation um die Longitudinalachse nicht

schafft, weil er ausrutscht/etc. landen ebenfalls beide Ringer oft auf dem Kopf, was wieder

aufgrund der Kraftwirkung erhebliche Verletzungen nach sich zieht. Die Athleten werden in der

Regel sehr früh aufgeklärt, was sie unterlassen sollten, wenn sie geworfen werden. Erfahrene

Partner im Training sind unerlässlich, denn diese haben ein Gefühl für die Bewegungen und

können bei falscher Ausführung des Wurfes Korrekturen ausführen, indem sie zum Beispiel

abspringen, um dem werfenden den Griff zu erleichtern und letztendlich nicht beide Athleten zu

verletzen.

Richtig ausgeführt ergibt der Überwurf, je nach Wurfhöhe, 3-5 Punkte.37

3. Die methodische Reihe zur Erlernung der Grundtechniken

Die biomechanische Analyse im vorigen Teil und meine Erfahrung als Ringer wende ich nun

auf allgemein-gültige trainingsdidaktische Methoden an, um eine methodische Reihe für

Anfänger anzufertigen. Die Methodikreihe dient dazu, dem Lernenden die Aneignung eines

generalisierten motorischen Programmes38 zu erleichtern, indem Überforderungsaspekte

während der Lernphase gekonnt umgangen werden. Die Methodikreihe sollte so aufgebaut sein,

dass der Lernprozess im Vergleich zum Trial-and-Error-Verfahren39 schneller ist und die Technik

am Ende der Reihe qualitativ hochwertiger ist.

Die Methodikreihe geht soweit, dass beide Würfe im Reportoire des Lernenden

feinkoordinatorische Merkmale besitzen und eine konstante Qualität während der Ausführung

gegeben ist. Das Erreichen der Feinstkoordination würde hier zu weit führen, da diese

erfahrungsgemäß erst nach Jahren des Trainings gegeben ist.

37 Siehe http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf ; Kapitel 6 , Artikel 4038 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 112ff39 Siehe PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie ; Stark Verlag 2009. Seite 138

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Page 23: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Da eine Methodikreihe allgemein gültig sein muss, werden optimale Startbedingungen

angenommen, dies bezieht sich sowohl auf Örtlichkeit und Equipment des Lernenden im Verein,

als auch auf ein Mindestmaß an konditionellen Fähigkeiten und allgemeiner Gewandtheit des

Athleten40, sowie die Motivation41 des Sportlers, diese Würfe zu lernen.

Der Lernende sollte in der Zeit des Techniktrainings nicht übermüdet, sondern konzentriert und

leistungsbereit sein.42

Zum Aufbau der Methodikreihe ziehe ich das Regelkreismodell nach Schnabel heran43, sowie

allgemeine didaktische Lehrmethoden44 und die Vereinfachungsstrategien zur Überbrückung der

Überforderungsaspekte der Bielefelder Sportpädagogen45.

Dabei versuche ich in 2 Etappen, erst grob- und dann feinkoordinatorische Merkmale zu

erreichen, indem der Athlet während der Methodikreihe gezielt Aufgaben bekommt, die das

Bewegungsbild durch die jeweils schwerpunktmäßigen Afferenzen aufgrund der

Parameteränderung immer weiter komplettieren und festigen. Der Soll-Istwert-Vergleich und

die daraus resultierenden Korrekturen des Athleten in seiner eigenen Bewegungsvorstellung

spielen dabei ein zentrale Rolle.46

3.1.Der Kopfhüftzug

Da der Kopfhüftzug relativ ungefährlich ist, werden keine Vorübungen vorausgesetzt, die die

Verletzungsgefahr mindern müssten. Er ist auch körperlich nicht so anspruchsvoll, dass im

Vorfeld bestimmte konditionelle Fähigkeiten erworben oder erweitert werden müssten. Somit

kann der Athlet sehr früh erste Erfahrungen mit dem Wurf machen.

3.1.1.Erste Vermittlung des Bewegungsbildes

Der Kopfhüftzug beginnt wie jede andere sportliche Bewegung mit der Vermittlung des

Bewegungsbildes47 . So sollte der Trainer/Übungsleiter den Wurf als erstes vormachen, dies

40 vgl. RÖTHIG, PETER und GRÖßING, STEFAN : Kursbuch3: Bewegungslehre , Limpert Verlag 1996. S. 69f

41 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998. Seite 160

42 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998. Seite 170

43 Siehe MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998. Seite 165

44 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html 45 Siehe BIELEFELDER SPORTPÄDAGOGEN: Methoden im Sportunterricht , Hofmann-Verlag 1989. Seite 31ff46 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998.

Seite 16747 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998.

Seite 164

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geschieht im Training i.d.R. zuerst schnell, um den Griff in Aktion zu sehen und dann langsam,

sodass der Trainer auf die wichtigen charakteristischen Merkmale der Bewegung wie

Bewegungsrhythmus, Krafteinsatz und zeitliche Koordination auch verbal eingehen kann. Diese

Afferenzen bilden den ersten Grundstein in der noch sehr ungenauen Bewegungsvorstellung des

Lernenden, da sie lediglich auf visuellen und verbalen Eindrücken basiert.

3.1.2.Erster Versuch

Der Lernende sollte nach der Vorführung sofort versuchen, den Wurf auszuführen 48. In der

Praxis funktioniert der Wurf oft nach wenigen Versuchen, wenn auch sehr ungenau und langsam

ausgeführt. In dieser Phase sollte der Lernende den Wurf oft ausführen, um ein Gefühl für den

Ablauf zu bekommen. Anweisungen des Trainers (deduktive Methode49), die grobe Fehler

betreffen, sollten befolgt werden, trotzallem sollte sich der Trainer bemühen, möglichst wenig

Anweisungen zu geben, denn die Aufnahmefähigkeit des Athleten ist in dieser Phase stark

begrenzt50. Doch auch Eigenkorrekturen51 sind in dieser Phase des Lernens oft vorhanden, denn

der Lernende merkt sehr schnell ob er etwas richtig macht oder nicht, indem er sich

vergegenwärtigt, ob der Wurf tatsächlich funktioniert hat.Im Training wird der Wurf so etwa 10

mal jeweils links und rechts ausgeführt, pro Trainingseinheit. Dazu wird ein gleichschwerer

oder sogar leichterer Trainingspartner gewählt, um die Schwierigkeit durch das Gewicht des

Partners nicht unnötig zu erhöhen. Ein Partner, der schon erfahren ist und den Wurf beherrscht,

ist von großem Vorteil, denn dieser kann die Ausführung der Technik durch Nachgeben bzw.

leichtem Abspringen während der Hauptphase erleichtern52. Diese normale Ausführung des

Kopfhüftzuges entspricht der Ganzheitsmethode53. Diese Methode ist charakteristisch dafür,

dass eine Bewegung in ihrem kompletten Umfang trainiert wird, was dazu führt, dass der Athlet

durch den ständigen Soll-Istwert-Vergleich sicherer in der Bewegung (allgemein) wird. Die

einzelnen Teilbewegung sind jedoch noch lange nicht präzise genug.

3.1.3Geworfen werden

In der Praxis wird der Lernende zusätzlich von seinem Trainingspartner mehrfach geworfen.

Dies hat für den Lernenden den Vorteil, dass er dadurch zusätzliche Afferenzen über die

48 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998. Seite 170

49 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html 50 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998.

Seite 16451 vgl. RÖTHIG, PETER und GRÖßING, STEFAN : Kursbuch3: Bewegungslehre , Limpert Verlag 1996. S. 87

52 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998. Seite 170

53 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html

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korrekte Ausführung erhält. Diese kinästhetischen und vestibulären Afferenzen ergänzen das

Bewegungsbild zusätzlich um Informationen über die richtige Impulsgebung und

Geschwindigkeit der Bewegung, sowie die zeitliche Koordination. Der Lernende erfährt „am

eigenen Leib“, wie die Bewegung ausgeführt wird.

Das Werfen und Geworfenen Werden werden jedes Training ausgeführt, selbst nach der

methodischen Reihe. Somit festigt sich die Bewegungsvorstellung durch die ständig gleichen

Afferenzen sehr schnell und der Lernende hat eine feste Bewegungsvorstellung, wenn auch

mangelhaft. Allerdings kann er sich so sehr früh auf die Schwächen in der Technik

konzentrieren, die neben der Ganzheitsmethode beim Werfen zusätzlich durch andere

didaktische Methoden und Aufgaben beseitigt werden. Der Athlet sollte sich im Training mit der

Zeit angewöhnen, einige Teilbewegungen zu automatisieren, sodass er sich während der

Ausführung des Wurfes auf die wichtigen, vor allem Impulsgebenden Teilbewegungen

konzentrieren kann. Die Ganzheitsmethode motiviert den Lernenden zusätzlich, da er schon

sehr früh erste Erfolge sieht. Diese Motivation ist im späteren Verlauf von großem Vorteil, da er

engagierter und mit mehr Einsatz an das Lernen herangeht.

3.1.3Isolation der Bein-/Hüftbewegung

Der Lernende oder sein Trainer bemerken früh, dass der Kopfhüftzug auch nach extrem vielen

Versuchen mit der Ganzheitsmethode keine feinkoordinatorischen Merkmale aufweist. Der

Ringer hat im Lernen der Technik ein „Plataeu“ erreicht und muss nun seine Lernmethode

ändern um sein Bewegungsbild zu vervollkommnen. Erfahrungsgemäß haben viele Neulinge

ein Problem mit der simultanen Koordination der Teilbewegungen während der Hauptphase.

Der Kopfhüftzug beginnt mit einer leicht erlernbaren sukzessiven Beinbewegung, die dann in

eine Überlappung verschiedener Bewegungen in der Hauptphase übergeht, bis die Bewegungen

in der Flugphase wieder aufeinanderfolgend sind. Da diese Überlappungen hauptsächlich die

gleichzeitige Koordination von Bein-/Hüft- und Rumpf-/Armbewegungen sind, wird hier das

Prinzip der Verringerung der Programmbreite der Bielefelder Sportpädagogen54 eingesetzt.

Diese besagt, dass die Bewegung in ihren einzelnen Teilen trainiert werden sollte, zusätzlich

kann der Lernende äußere Reize, wie akustische Signale nutzen, um den richtigen Rhythmus in

der Bewegung zu finden. Somit ist die nächste Stufe in der Methodikreihe die isolierte

Bein-/Hüftbewegung mit rhythmischen Vorgaben. Dazu stellt sich der Athlet ohne Partner in

den normalen Stand und beginnt mit der Beinbwegung bis zum Ende der Hauptphase. Eine

Simulation der Flugphase ist nicht nötig, da auch kein Partner vorhanden ist. Da die Bewegung

bis zur Hauptphase aus 3 sukzessiven Bewegungen inklusive einer Überlappung in der 3.

54 Vgl. BIELEFELDER SPORTPÄDAGOGEN: Methoden im Sportunterricht , Hofmann-Verlag 1989. Seite 33ff

25

Page 26: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Bewegung besteht (Ausflösen der Verwringung und Streckung der Beine) besteht, ist eine

Rhythmisierung in Form des Zählens („1! , 2! , 3!“ = Prinzip der Invariantenunterstützung55) als

Anhaltspunkt sinnvoll. Diese Teilbewegung sollte so lange verwendet werden, bis der Athlet mit

der sukzessiven/simultanen Beinbewegung keine Schwierigkeiten mehr hat und diese

automatisiert beherrscht. Ein anfangs langsames Ausführen der Isolationsübung ist sinnvoll,

wenn der Athlet Schiwerigkeiten mit der Präzision hat. Nach wenigen Übungseinheiten sollte

dieses Problem allerdings besitigt sein, sodass die Isolationsübung in ihrer vollkommenen

Geschwindigkeit ausgeführt werden sollte. Ein kurzes Zurückrufen der „Schrittfolge“ ins

Gedächtnis durch die Ausführung der isolierten Bewegung vor dem normalen Werfen ist

ebenfalls sinnvoll. Die analytisch-synthetische Methode56 ist vor allem sinnvoll, wenn der

Sportler eine Teilbewegung nicht schnell/präzise genug ausführt.

3.1.4Wurfsimulation mit dem Tera-Band

Als nächstes wird der Kopfhüftzug abermals ohne Partner simuliert, diesmal aber komplett.

Zusätzlich benutzt der Athlet nun ein Tera-Band ( ein elastisches Gummiband, das zu

sportlichen und therapeutischen Zwecken benutzt wird ). Der Athlet wickelt es optimalerweise

um eine einzelne Sprosse einer Sprossenwand , alternativ um einen unbeweglichen Gegenstand,

und entfernt sich je nach Länge des Bands auf einige Meter. Die Enden des Tera-Bandes hält er

in seinen Händen. Er steht mit dem Gesicht zur Sprossenwand bzw. zum Gegenstand. Nun

beginnt der Athlet, den Wurf in seinem Umfang (bis auf Flugphase) zu simulieren. Beim Üben

mit dem Tera-Band hat der Lernende im Vergleich zur einfachen Simulation ohne Gegner den

Vorteil, dass er etwas „bewegt“, denn durch die Bewegungsausführung wird das Band immer

wieder gedehnt. Dies ändert die Denk- und Herangehensweise an die Übung erheblich, er muss

keine „Schattenübungen“ ausführen und sich keine Partner vorstellen, sondern hat ein klares

Objekt, das es zu bewegen gilt und wodurch er seinen Erfolg oder Misserfolg jederzeit sehen

kann.Zusätzlich fungiert das Band als bewusste Störgröße, die es zu überwinden gilt, denn bei

zu geringer Standhaftigkeit während dem Eindrehen in der Vorbereitungsphase fallen Ringer

beim Üben mit dem Tera-Band oftmals zurück. Dies zeigt eine deutliche Schwäche in der

Ausführung, da der Ringer nur zurückfällt, wenn er die Technik nicht schnell genug ausführt.

Das Tera-Band wird im Training also primär dazu genutzt, die Geschwindigkeit des Wurfes zu

erhöhen. Ein Übungsleiter/erfahrener Partner, der sich stichprobenartig einige Simulationen

ansieht, ist von großem Vorteil, denn gerade in der schnellen Ausführung machen Athleten

55 Siehe BIELEFELDER SPORTPÄDAGOGEN: Methoden im Sportunterricht , Hofmann-Verlag 1989. Seite 33ff56

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Page 27: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

Fehler, die sie vorher schon ausgemerzt hatten. So lernt der Lernende mit dem Tera-Band, auch

während einer schnellen Ausführung nicht die technische Komponente zu vernachlässigen.

Regelmäßig angewandt sollten diese Übungen in recht kurzer Zeit zu einem Kopfhüftzug mit

feinkoordinatorischen Merkmalen verhelfen, denn mit den zwei isolierenden Übungen sind die

vorherrschenden Fehlerquellen Geschwindigkeit und Präzision abgedeckt und durch die

Afferenzen dieser Übungen sollte der Sportler sein Bewegungsbild im normalen Werfen

festigen können. Dabei ist die Schwierigkeit möglichst niedrig gehalten und die Progression

fließend.

3.2Der Überwurf

Da der Überwurf wie schon in 2.3 angedeutet, ein hohes Verletzungspotenzial birgt, sind

Vorübungen zur ausführenden Technik und der Schnellkraft sehr wichtig. Es wird also zuerst

das Prinzip der Parameterveränderung57 angewandt um seine Explosivkraft zu erhöhen. So

beginnt das Training für den Überwurf erst relativ spät mit dem eigentlichen Wurf. Als erstes

muss der Athlet die Ringerbrücke aus dem Stand lernen.

3.2.1Ringerbrücke aus dem Stand

Da der Athlet während der Ausführung des Überwurfes teilweise in die Brücke geht, muss er die

Ringerbrücke erst einmal beherrschen. Jeder Neuling beginnt schon beim ersten Training mit

dem Erlernen der Ringerbrücke, da sie nicht nur für den Überwurf als technische Vorbereitung

wichtig ist, sondern den Athleten auch flexibler macht und ihn vor allem im unteren

Rückenbereich stärkt. Die Ringerbrücke unterscheidet sich zur Turnerbrücke dadurch, dass man

bei ihr nicht nur auf den Armen, sondern auch auf dem Kopf steht. Zur Ausführung der

Ringerbrücke aus dem Stand stellt sich der Athlet gerade hin, die Beine sind etwa schulterbreit.

Nun beginnt der Athlet langsam, den Bein-Rumpf-Winkel zu erhöhen und bewegt die Arme fast

gestreckt nach hinten-oben, die Handflächen zeigen nach oben. Der Körperschwerpunkt entfernt

sich durch das Vergrößern des Bein-Rumpf-Winkels immer weiter von der Körpermitte, bis der

Athlet droht, umzufallen. Dann stellt er sich auf die Zehenspitzen, beugt die Beine (siehe

Wilfried Dietrichs Überwurf unter 1. zur Visualisierung) und versucht, den Fall mit den Händen

abzufangen. Der Sportler sollte im Idealfall zuerst mit den Händflächen aufkommen und dann

langsam mit dem Kopf aufsetzen. Da das Verletzungspotenzial selbst bei der Ringerbrücke groß

57 Siehe BIELEFELDER SPORTPÄDAGOGEN: Methoden im Sportunterricht , Hofmann-Verlag 1989. Seite 35

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Page 28: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

genug ist, und Anfänger nicht die nötige statische Kraft im unteren Rückenbereich haben um die

Bewegung kontrolliert auszuführen und den Fall auf den Kopf zu bremsen, brauchen sie eine sie

führende Hilfestellung. Dies übernimmt im Regelfall der Trainer, der den Lernenden einfach am

T-Shirt etwa auf Brusthöhe festhält.Wenn der Lernende nun beginnt, zu fallen, bremst der

Trainer den Sturz durch das Halten am T-Shirt. Dies wird wiederholt, bis der Lernende den

Ablauf der Technik verinnerlicht hat. Als nächstes stellt sich der Lernende mit dem Rücken zu

einer Wand, auf etwa einen Meter Entfernung. Nun beginnt er langsam, in die Brücke zu gehen,

wobei er mit den Handflächen an der Wand aufsetzt und dann mit diesen langsam Richtung

Boden „geht“, bis er schliesslich in der Ringerbrücke steht. Dort angekommen „geht“ er wieder

hoch, bis er normal steht. Dies wiederholt er ebenfalls einige Male. Diese Übung ist

hauptsächlich zur Stärkung der benötigten unteren Rückenpartie nötig. Bei den nächsten

Trainingseinheiten kann der Athlet die Ringerbrücke ohne Hilfestellung auf einer

Weichbodenmatte versuchen, wenn dies klappt, auf der üblichen Ringermatte. Wichtig dabei ist,

dem Ringer die Angst vor dem Fall zu nehmen, da dies erfahrungsgemäß die größte Hürde ist.

Mit dem progressiven Fortschritt der Übung über die Trainingseinheiten hinweg sollten die

Athleten diese jedoch verlieren. In der Regel stellt die Ringerbrücke schon nach etwa 2 Wochen

Training kein Problem mehr für Neulinge dar und diese können einen Schritt weiter zur

Erlernung des Überwurfes gehen.

3.2.2Ringerbrücke aus dem Stand mit explosivem Strecken/ Simulation der

Stemmphase

Als nächstes wird die Ringebrücke schnell ausgeführt, mit einer explosiven Körperstreckung ins

Hohlkreuz. Da diese Bewegung schon sehr ähnlich zum Überwurf ist, wird die Stemmphase des

Überwurfes annähernd isoliert geübt. Allerdings ist es nicht nötig, einen großen Ausfallschritt

zu machen. Der Ringer startet im normalen Stand (siehe 2.1) und zieht sein hinteres Bein nach,

dabei geht er wie beim Überwurf in die Knie um erst einen negativen Kraftstoß zu erreichen

und dann explosionsartig den Körper zu strecken. Am wichtigsten ist hierbei die Stoßbewegung

aus dem Becken, das beim Überwurf einen der Hauptimpulse überträgt. Im Gegensatz zur

Bewegung des Überwurfes wird jedoch die Rotation um die Longitudinalachse nicht ausgeführt.

Der Trainer sollte sich auch hier stichprobenartig die Bewegung ansehen, um sicherzustellen,

dass sie explosiv genug ist und die Stoßbewegung korrekt ausgeführt wird, bei Korrekturbedarf

sollten die Fehler angesprochen werden (deduktive Methode)58.

Das Lernen der Ringerbrücke und seine explosive Ausführung stellen wieder die analytisch-

synthetische Lehrmethode dar, da sie lediglich eine Teilbewegung in der Erlernung des

Überwurfes darstellen.

58 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html

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Page 29: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

3.2.3Vermittlung des Bewegungsbildes

Als nächstes wird dem Ringer der Überwurf gezeigt, wie beim Kopfhüftzug einmal schnell, um

den Wurf in Aktion zu sehen und einmal mit verbalen Anweisungen59. Da der Überwurf nicht

funktioniert, wenn er phasenweise ausgeführt wird, kann der Trainer nur die Vorbereitungsphase

langsam zeigen und den entscheidenden Moment der Stemmphase darstellen, nämlich wenn

sich der Athlet mit gebeugten Beinen direkt unter seinem Kontrahenten befindet. Bei der

restlichen Bewegung muss der Lernende einfach genau hinsehen, eine verbale Beschreibung der

schnell ausgeführten Teilbewegungen wird in der Regel nachgetragen.

3.2.4Isolierte Stemmbewegung mit einem Partner

Nachdem der Ringer nun ein grobes Bild vom Überwurf hat, folgt die nächste Übung. Der

Lernende führt die Stemmbewegung isoliert an einem Partner mit annähernd gleichem oder

niedrigerem Gewicht aus. Diese Übung ähnelt stark der Übung 3.2.2, allerdings geht der Athlet

bei dieser Ausführung nicht in die Brücke. Er führt die Vorbereitungsphase (siehe 2.3 ) aus und

hört bei der Stemmphase nach der Stemm- und Stoßbewegung im Stehen im Hohlkreuz auf.

Diese Teilübung sollte unbedingt unter der Aufsicht des Trainers erfolgen, denn der Trainer

sollte mit geschultem Blick erkennen können, ob die Ausführung und die dadurch resultierenden

Impulse ausreichend sind um in der methodischen Reihe fortzufahren. Falls die

Stemmbewegung nicht fehlerfrei ist, sollte der Trainer erst Anweisungen betreffend der

Korrektur geben( deduktive Methode60) , falls eine Besserung dann immernoch nicht eintritt,

sollte der Trainer die Stemmbewegung beim Lernenden ausführen, sodass dieser wieder durch

kinästhetische Afferezen ein kompletteres Bewegungsbild erhält. Die Übung stellt abermals eine

analytisch-synthetische Lernmethode dar61.

3.2.5Überwurf alleine auf einer Weichbodenmatte

Wenn der Lernende einen ausreichenden Impuls bei 3.2.4 generieren konnte, geht er dazu über,

den Überwurf als Schattenübung auszuführen. Dazu simuliert er den Wurf in seinem kompletten

Umfang. Der Athlet stellt sich auf die Ringermatte, die Weichbodenmatte steht direkt hinter

59 Vgl. MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre - Sportmotorik , Sport Verlag Berlin 1998. Seite 164

60 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html 61 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html

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Page 30: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

ihm. Der Athlet führt den Wurf einige male aus (höchstens 5!) um den Ablauf im Ansatz

kennenzulernen. Der Trainer gibt noch einmal letzte Korrekturanweisungen. Dann geht er zum

nächsten Schritt über. Die niedrige Anzahl der Ausführungen ist bewusst gewählt, da

unerfahrene Ringer oft Angst vor dem ersten Wurf haben. Durch das schnellere Voranschreiten

wird ihnen jedoch suggeriert, dass sie schnelle Erfolge haben und fühlen sich sicher. Da das

Verletzungsrisiko auf Weichbodenmatten quasi nicht vorhanden ist, ist können die Athleten so

problemlos zum nächsten Schritt übergehen, selbst wenn die Technik noch Mängel aufweist.

Diese Übung stellt die erste ganzheitliche Methode62 in der Methodikreihe zur Erlernung des

Überwurfes dar.

3. 3.2.6Überwurf mit der Ringerpuppe ausführen

Der Lernende führt den Wurf mit einer sog. Ringerpuppe aus, einer etwa 30-40kg schweren

Puppe, die einen Gegner simulieren soll. Die Ringerpuppe wird bei gefährlichen Techniken wie

dem Überwurf verwendet, um den Geworfenen nicht eventuell zu verletzen, zusätzlich ist sie

leichter als alle Gegner, sodass die Schwierigkeit nicht unnötig vom Gewicht des Partners

verstärkt wird. Der Versuchsaufbau ist identisch zu der Vorübung, der Wurf wird wiedermals auf

einer Weichbodenmatte geübt. Der Wurf sollte etwa 8 mal jeweils links und rechts ausgeführt

werden, der Trainer sollte unbedingt Anweisungen zur Korrektur erteilen, es handelt sich also

abermals um eine deduktive, ganzheitliche Methode63. Ist der Athlet an diesem Punkt angelangt,

wird er für mehrere Trainingseinheiten nur noch den Überwurf mit der Ringerpuppe und die

explosive Ringebrücke aus dem Stand ausführen, sowie noch mehrfach den Überwurf in Aktion

sehen, um zu gewährleisten, dass er ein möglichst korrektes Bewegungsbild hat, bevor er das

erste mal einen Trainingspartner wirft. Der Trainer entscheidet dann anhand der Korrektheit der

Ausführung, wann der Athlet bereit ist, um zum nächsten Schritt zu gelangen.

3.2.7Überwurf mit Trainingspartner auf einer Weichbodenmatte

Als nächstes wirft der Lernende das erste mal einen Trainingspartner, möglichst einen mit

annähernd gleichem Gewicht. Dies geschieht zur Sicherheit beider Sportler abermals auf der

Weichbodenmatte. Die Übung sollte mit einem erfahrenen Partner geschehen, sodass dieser dem

Lernenden sagen kann, wo seine Fehler liegen, da er den Wurf schliesslich am eigenen Leibe

erfährt und dadurch die Impulse sowie den Ablauf selbst wahrnimmt. Der Trainer sollte

ebenfalls Korrekturvorschläge äußern, sodass die Fehlerquellen möglichst schnell gefunden

werden. Diese sind erfahrungsgemäß ein „Ziehen“ des Gegners, anstatt ihm unten durch einen

Impuls eine Rotations- und Translationsbewegung aufzuzwingen, die dann lediglich

62 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html 63 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html

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Page 31: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

weitergeführt wird, sowie eine zu kleine Amplitude, die daraus resultiert, dass der Athlet die

Beine während der Stemmbewegung nicht vollkommen streckt. Falls diese Fehler auch nach

wiederholtem Üben noch bestehen, wird die methodische Reihe fortgeführt. Dieser methodische

Schritt ist deduktiv und entspricht der Ganzheitsmethode64.

3.2.8Geworfen werden

Der Athlet wird nun wie beim Kopfhüftzug auch selbst geworfen, um zusätzliche Afferenzen

der Bewegung zu gewinnen, hauptsächlich über den angesprochenen impulsgebenden Stoß,

aber auch über die Brückenbewegung. Als Geworfener bemerkt man schnell, dass man sich

länger in der Luft befindet, je höher die Amplitude, das heisst je besser die Brückenbewegung

ausgeführt wird, denn ansonsten kommt man nicht exakt auf dem Rücken sondern leicht seitlich

auf, was teilweise noch unangenehmer ist, als die Landung beim normalen Überwurf.

3.2.9Simulation mit dem Tera-Band

Nun wird, wie schon bei 3.1.4 das Tera-Band auch beim Überwurf eingesetzt. Das Band wird

wieder an einem unbeweglichen Gegenstand befestigt und der Athlet entfernt sich wieder auf

einige Meter, diesmal sollte das Band allerdings schon in der Standposition gespannt sein. Der

Athlet führt die Übung möglichst auf der Ringermatte aus, um Verletzungen zu vermeiden. Bei

der Übung simuliert der Athlet abermals den Überwurf, er geht auch in die Brücke, allerdings

wird auf die Rotation um die Longitudinalachse verzichtet, denn richtig ausgeführt bleibt der

Athlet in der Brückenbewegungmit dem Kopf etwa einen halben Meter über dem Boden stehen,

bis ihn das Band wieder nach vorne in die Standposition zieht. Dabei ist es wichtig, dass die

Brücke in diesem unvollständigen Überwurf absolut korrekt ausgeführt wird, denn wenn der

Athlet die Beine nicht anwinkelt und sich nicht auf die Zehenspitzen stellt, liegt sein KSP zu

weit hinten, sodass er hinfällt. So kann der Athlet die Brückenbewegung für den Überwurf in

kürzester Zeit extrem oft ausführen, da er nicht jedesmal umständlich wieder aufstehen muss,

sondern wieder zurück in die Standposition gezogen wird. Die Stemm- und Brückenbewegung

wird so relativ schnell Routine, sodass der Athlet damit kaum noch Probleme haben dürfte.

Zusätzlich lässt sich so die schnellere Ausführung des Wurfes trainieren. Diese Übung sollte

deduktiv unter Trainingsaufsicht erfolgen und ist abermals eine analytisch-synthetische

Lernmethode. 65

Wenn der Überwurf dann auf der Weichbodenmatte keinerlei/minimale Fehler aufweist, wird er

64 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html 65 Siehe http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html

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Page 32: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

in der Regel nur noch auf der Ringermatte ausgeführt.

Sollten im späteren Trainingsverlauf wieder Fehler auftauchen, beispielsweise wenn der Wurf

nach einer verletzungsbedingten Pause nicht mehr tadellos ausgeführt wird, kann je nach

Fehlerquelle einer dieser Schritte in der Methodik wieder angewandt werden. So wird die

isolierte Stemmbewegung mit Partner bei zu schwachen Impulsen während der Stemmphase

angewandt und die Übung mit dem Tera-Band oder das explosive Ausführen der Brücke, wenn

sich bei der Brücke an sich Fehler eingeschlichen haben.

Doch auch wenn der Wurf oft funktioniert, sollten die zentralen Übungen doch immer wieder

wiederholt werden, später auch unter wechselnden Bedingungen um im späteren Verlauf das

Stadium der Feinstkoordination66 zu erreichen.

Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Aufmerksamkeit !

66 vgl. RÖTHIG, PETER und GRÖßING, STEFAN : Kursbuch3: Bewegungslehre , Limpert Verlag 1996. S.79f

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Page 33: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

4.Anhang

4.1 Literaturverzeichnis

BIELEFELDER SPORTPÄDAGOGEN: Methoden im Sportunterricht. Hofmann-Verlag 1989

GUTS-MUTHS J.C.F.: Turnbuch für die Söhne des Vaterlands. Frankfurt 1817

MEINEL, KURT und SCHNABEL, GÜNTER: Bewegungslehre Sportmotorik. Sport Verlag

Berlin 1998

PETERS , WOLFRAM: Bewegungslehre · Sportpsychologie. Stark Verlag 2009

RÖTHIG, PETER und GRÖßING, STEFAN : Kursbuch3: Bewegungslehre. Limpert Verlag

1996

http://de.wikipedia.org/wiki/Alphatier Stand: 18.6.2011

http://olympia.hessonline.de/ Stand: 20.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Vale_Tudo Stand: 20.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Mixed_Martial_Arts Stand: 20.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Grappling Stand: 20.6.2011

http://www.ringen.de/Downloads/int_ringkampfregeln.pdf Stand: 20.6.2011

http://www.ringen.at/navi/geschichte.htm Stand: 20.6.2011

http://iacss.org/~multi/test/sportarten/ringen-und-zweikampf/sozial-und-

kulturgeschichte/ Stand: 20.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Ringen Stand: 21.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_Dietrich Stand: 20.6.2011

http://www.hall-of-fame-sport.de/galerie/portrait/25 Stand: 20.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Alexandrowitsch_Karelin#Wettkampfbilanz_.2

8.C3.9Cbersicht.29 Stand: 20.6.2011

http://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Alexandrowitsch_Karelin#Erfolge_im_Seniore

nbereich Stand: 20.6.2011

http://www.sportunterricht.de/lksport/lernmeth.html Stand: 21.6.2011

Bildnachweis Titelblatt:

http://www.tommclaren.com/karelin5.jpg

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Page 34: Entwicklung einer methodischen Reihe zur Erlernung ausgewählter Grundtechniken im Ringsport auf Basis biomechanischer Gesetzmäßigkeiten

4.2 Videos der beschriebenen Grundtechniken zum besseren Verständnis

der biomechanischen Analyse durch Visualisierung

Die Videos der Würfe sind hochauflösend im Internet zu finden, unter:

http://www.youtube.com/watch?v=0wPaOvH63qI (Überwurf Video 1)

http://www.youtube.com/watch?v=1sXHQ9JY1g8&feature=related (Überwurf Video 2

mit anderer Perspektive)

http://www.youtube.com/user/Dschinghiss#p/u/9/oYJLscaOiOQ (Kopfhüftzug Video)

5. Eidesstattliche ErklärungIch, Andreas Hoffmann, versichere hiermit, dass diese BLL ohne unzulässige Hilfe oder

Benutzung nicht angegebener Hilfsmittel angefertigt wurde. Jegliches übernommene

Gedankengut wurde entsprechend gekennzeichnet und im Literaturverzeichnis mit der

jeweiligen Quelle aufgelistet.

(Koblenz, den 21.06.2011)

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