21
Inhalt: 1. Prinzipieller Aufbau eines Nervensystems 2. Evolutionäre Entwicklung 2.1 Cnidarier: Hydra und Medusen 2.2 Plathelminthen und Nemathelminthen: C. elegans 2.3 Mollusken: Aplysia und Octopus 2.4 Arthropoden: Drosophila 3. Musterbildung bei Drosophila Literatur: Kandel ER, Schwartz JH, Jessell TM. Principles of neural science. New York: McGraw-Hill *** (77,95 1760 pp.) Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (29,99 423 pp.) Entwicklung und anatomische Organisation I

Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Inhalt:

1. Prinzipieller Aufbau eines Nervensystems

2. Evolutionäre Entwicklung

2.1 Cnidarier: Hydra und Medusen

2.2 Plathelminthen und Nemathelminthen:

C. elegans

2.3 Mollusken: Aplysia und Octopus

2.4 Arthropoden: Drosophila

3. Musterbildung bei Drosophila

Literatur:

Kandel ER, Schwartz JH, Jessell TM. Principles of neural science. New

York: McGraw-Hill *** (€77,95 – 1760 pp.)

Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und

Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.)

Entwicklung und anatomische Organisation I

Page 2: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Prinzipieller Aufbau eines Nervensystems

Sensorischer

Eingang

(Input)

Verarbeitung

der Information

(Integration) Motorischer

Ausgang

(Output)

Nervensystem = Gesamtheit der Nervenzellen

Sensorischer

Eingang Motorischer

Ausgang

Verarbeitung der

Information

(Campbell, Biologie)

Page 3: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Aurelia aurita (Ohrenqualle)

Niedrigste Organismen mit einem erkennbaren

Nervensystem: Cnidarier („Nesseltiere“)

Unterscheidung in

Polypen: sessile Form des Cnidarierbauplans

z.B. Hydra

Medusen (Quallen): freischwimmende Form des Cnidarierbauplans

z.B. Aurelia aurita

Hydra

Page 4: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

- Einbettung ohne besondere Bindegewebshülle in das Gewebe

- Nervenzellen nicht myelinisiert (wie postganglionäre Neurone des

autonomen Nervensystems)

- Erregung breitet sich mit starker Verzögerung aus

- Fortsätze nicht in Axone oder Dendriten unterscheidbar; Synapsen

sind z.T. symmetrisch zwischen den Nervenzellen ausgebildet

Diffuses Nervensystem („Nervenplexus“) (kein zentrales Nervensystem)

als alleiniges Nervensystem

( innere Organe bei höheren Organismen)

Nervensystem der Cnidarier

Page 5: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Aurelia aurita (Ohrenqualle) Medusen

Etwas komplexeres Nervensystem

als bei Hydra

Ansätze einer funktionellen Trennung

Einfachstes Nervensystem: Hydra Modellsystem

Hydra

Erregungsübertragung durch Neuropeptide (keine

„klassischen“ Neurotransmitter)

>12 Neuropeptide mit Transmitterfunktion

Reaktion auf mechanische, chemische (z.B.

Glutathion) und elektrische Reize sowie Licht- und

Temperaturwechsel

Hydra

Page 6: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Getrennte Koordination von Schwimm- und Freßbewegungen

Funktionelle Trennung der Nervensysteme bei Medusen

- Zweites Nervennetz mit bipolaren Neuronen, die der

Ring- und Radiärmuskulatur aufliegen und mit ihm in

Verbindung stehen („subumbrellarer Nervenring“):

elektrisch gekoppelte Nervenzellen (3: Ringmuskulatur, 5: Radiärmuskulatur)

Verbindung zwischen beiden Nervenringsystemen

- Netz aus multipolaren Nervenzellen unmittelbar unter

dem ektodermalen Oberflächenepithel in Verbindung mit

Sinneszellen („exumbrellarer Nervenring“): sensorische

Funktion (6: Rhopalium: „Sinneskolben“)

Page 7: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Niedrigste Organismen mit einem klar definierten

Zentralnervensystem: Plathelminthen und Nemathelminthen

Ausbildung von Bilateralsymmetrie

Kopfbildung (Cephalisation)

Konzentration von sensorischen Strukturen am Kopfende

Verdichtung von Nervenzellen am Kopfende: Zerebralganglion (Oberschlund-

ganglion, Gehirn)

Page 8: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Ausbildung eines Markstranges

Markstrang bildet Übergang zwischen diffusem und zentralisiertem

Nervensystem: Nervenzellen ordnen sich zu strangartigen

Verbänden an, die Zellkörper sind aber noch nicht ausschließlich

auf Ganglien beschränkt

Zentralnervensystem der Plathelminthen und

Nemathelminthen

Page 9: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

C. elegans als Modellorganismus zur Entwicklung des Nervensystems

- 302 Nervenzellen mit

genau definierter Herkunft,

118 Klassen

- Vollständige

elektronenmikroskopische

Rekonstruktion des

Nervensystems (Brenner

und Mitarbeiter – Nobelpreis

2002)

Page 10: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Zentralnervensystem der Mollusken (Weichtiere):

Hohe Komplexität

Spektrum von relativ einfachen Zentralnervensystemen (ähnlich den

Plathelminthen) bis zu den höchstentwickelten Nervensystemen der

Evertebraten (Cephalopoden (Kopffüßler), z.B. Octopus)

Modellsystem mit relativ einfachem

Zentralnervensystem:

Meeresnacktschnecke Aplysia

californica

Etwa 20,000 ZNS Neurone

Page 11: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Zentralnervensystem der Mollusken (Weichtiere):

Hohe Komplexität

Spektrum von relativ einfachen Zentralnervensystemen (ähnlich den

Plathelminthen) bis zu den höchstentwickelten Nervensystemen der

Evertebraten (Cephalopoden (Kopffüßler), z.B. Octopus)

Modellsystem mit relativ einfachem

Zentralnervensystem:

Meeresnacktschnecke Aplysia

californica

Etwa 20,000 ZNS Neurone

Organisiert in separaten Ganglien

Page 12: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Operante Konditionierung (ein ursprünglich unbedeutendes Spontanverhalten

kann durch Belohnung oder Bestrafung bevorzugt/vermieden werden) in

Aplysia?

Hawkins, R.D., Clark, G.A., Kandel, E.R. (2006) Operant conditioning

of gill withdrawal in Alysia“, J. Neurosci. 26:2443-2448

Aplysia wurde beigebracht, seine Kiemen kontrahiert zu lassen, um einen

elektrischen Schock zu vermeiden

Aplysia: Aufklärung der zellulären Mechanismen einfacher Formen des

impliziten Lernens (Kiemenrückzugsreflex):

- Habituation

- Sensitisierung

- klassische Konditionierung

kond. Reiz: Reizung des Siphon

unkond. Reiz: elektrischer Schlag

am Schwanz

Page 13: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Hochentwickeltes Nervensystem (etwa

42 Mio. Nervenzellen im

Gehirn)

Gutes Lernvermögen

Komplexes Verhalten hochgradig

visuell gesteuert

Periphere und zentralnervöse

Ganglien

Zentralnervöse Ganglien werden als

Loben (>30) bezeichnet, die

zusammen das Gehirn bilden

und von einer Knorpelkapsel

umschlossen sind

Zentralnervensystem der Mollusken (Weichtiere):

Octopus

Chemotaktile und visuelle Zentren sind weitgehend getrennt und bestehen

jeweils aus vier Loben – beide Systeme sind in hohem Maße an Lernen und

Gedächtnisvorgängen beteiligt

Page 14: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Zentralnervensystem der Arthropoden (Gliederfüßler):

Segmentiertes ZNS

Unterteilung der Arthropoden in - Chelicerata (Spinnenartige)

- Crustacea (Krebse)

- Tracheata (Tausendfüßler und Insekten)

ZNS besteht aus

Gehirn (Oberschlundganglion) und

Bauchmark

Konzentration auf Insekten (Insecta) als

experimentell wichtigster und artenreichster

Gruppe

Page 15: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Entwicklung eines komplexen mehrteiligen Gehirns aus stark fusionierten

zerebralen Ganglien (enthält etwa 90% der Neurone des ZNS)

Komplexe Feinstruktur aus Zellkörperregionen ( Kerne), Faserbündel-

arealen ( Bahnen), multiplen Neuropilzentren (Netzwerk aus

Nervenfasern und Gliazellfortsätzen)

Anatomische Unterteilung des

Gehirns in drei Teile:

Proto-,

Deuto- und

Tritocerebrum

Spezialisierung der einzelnen Gehirnbereiche für Informationsverarbeitung aus

einzelnen sensorischen Organen

Page 16: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Protocerebrum: zwei Hemisphären, die seitlich in die optischen Loben

übergehen,

enthält Zentralkörper (vermutlich motorische Kontrolle) und

paarige Pilzkörper (multimodales Integrationszentrum zur Koordination

olfaktorischer und visueller Erregung)

Page 17: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Deutocerebrum: Ursprung der

Antennennerven mit einem

sensorischen und motorischen

Anteil

Tritocerebrum: Innervation der Kopfoberfläche, Ursprung der

Frontalkonnektive

olfaktorische und mechanosensorische Rezeptorneurone enden in

unterschiedlichen Gebieten des Deutocerebrums:

„topische Organisation“

Page 18: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Bauchganglienkette besteht aus

- Unterschlundganglion

- Thorakalganglien (meist 3) und

- Abdominalganglien (embryonal 11

angelegt von denen nicht alle

persistieren

Ganglienkette enthält efferent projizierende

Motoneurone und afferente sensorische Fasern

Page 19: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Bildung der Bauchganglienkette ist Modellsystem für

axonale Wegfindung:

Pionierneurone legen die Fasertrakte der Kommissuren

(Querverbindungen) und Konnektiven

(Längsverbindungen) an

Page 20: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Musterbildung: Die Regionalisierung des Nervensystems

Mechanismen der Regionalisierung:

1. Segmentierung: Unterteilung der Neuralröhre in axial-wiederholte,

modulartige Einheiten (Neuromere)

Grundlage: differentielle Genaktivität Segmentierungsgene

2. Bestimmung der anatomischen Identität der einzelnen Segmente:

Entdeckung der sogenannten „homöotischen“ Gene in Drosophila (in

homologer Form auch in Vertebraten) als Regulatorgene

Mutationen der

homöotischen

Gene führen

zu Muster-

bildungsano-

malien

Page 21: Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.) Entwicklung

Bei Vertebraten haben homöotische „HOX“-Gene vergleichbares

räumliches Expressionsmuster wie bei Drosophila

Menschen haben 39 HOX-Gene, die in 4 Klustern organisiert sind und

eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des ZNS, des Skeletts, der

Gliedmaßen und verschiedener innerer Organe spielen

Einige Fehlbildungen der Gliedmaßen sind auf Mutationen der HOX-

Gene zurückzuführen (Goodman (2002) Limb malformations and the human HOX genes. Am. J. Med. Genet.

112:256-265)

Homöotische Gene in Vertebraten