5
Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung - Eine quantitative Untersuchung Leider ist auch heute noch das Auf- treten einer Mund-Antrum-Verbindung (MAV) anlaBlich einer Zahnextraktion im Oberkieferseitenzahnbereich fur viele Patienten mit erheblichen Unan- nehmlichkeiten und einer langwierigen Nachbehandlungsdauer verbunden. Bei richtiger Einschatzung der Komplika- tionsgefahr und einer entsprechenden Diagnostik sollte die MAV heute in den meisten Fallen ein komplikationslos be- herrschbares Ereignis sein. Anhand sta- tistischer Methoden kann aufgezeigt werden, welche Komplikationsrate je- weils zu erwarten ist und wo die Schwerpunkte der diagnostischen Feh- ler zu suchen sind. Die Extraktion von Zahnen im latera- len Oberkieferbereich ist mit Abstand die haufigste Ursache fUr das Entste- hen von Mund-Antrum-Verbindungen. Nach den Angaben von Beckedorf und Sonnabend 1 ) kommt es bei 4,7% der Extraktionen im lateralen Oberkiefer- bereich zu einer Perforation (n = 1.071). In weiteren 8,5% wurde festgestellt, daB nur noch die Kieferh6hlenschleim- haut die KieferhOhle von der Mundh6hle trennte. Pradisponierend bei der Ent- stehung einer MAV wirken Entzun- dungsvorgange, die an den Wurzelspit- zen der Zahne lokalisiert sind. So waren bei den von den obengenann- ten Autoren untersuchten Zahnen, bei denen es zu einer MAV gekommen war, 63,2% devital und 36,8% vital (1). Diese Tatsache wird auch dadurch belegt, daB die Mund-Antrum-Verbindung am haufigsten bei der Extraktion des er- sten Molaren auf tritt, der Zahn, wel- cher zumeist als erster eine apikale Parodontitis aufweist. Ware alleine die anatomische Pradisposition (Knochen- schichtdicke) maBgebend, so muBte die MAV am haufigsten im Bereich des zweiten Molaren auftreten. Dieser Zahn steht jedoch erst an zweiter Stelle in der Haufigkeit des Auftretens einer MAV. Seltener ereignet sich die Mund- Antrum-Verbindung in den Regionen 8, 5, 4, 3 und 2, an Haufigkeit in der an- gegebenen Reihenfolge abnehmend. Genaue Zahlenangaben hierzu sind in Tabelle 4 wiedergegeben. Ais weiterer Grund fur die statistische Dominanz des Auftretens einer MAV in regio 6 wird angegeben, daB bei diesem Zahn die Wurzeln starker divergieren und so- mit bei der Extraktion ein gr6Beres Trauma setzen (1, 18).Dahingegen weist der zweite Molar in ca. 45% nur eine oder zwei Wurzeln auf, die eine ein- fachere Extraktion mit geringeren Lu- xationsbewegungen m6glich machen. So ist anzunehmen, daB beim Vorl ie- gen von Anomalien der Wurzeln und bei Ankylosen, die eine relativ trauma- tische Extraktion bedingen, haufiger Mund-Antrum-Verbindungen post ex- tractionem auftreten. Sollte nach Ex- traktion eines Zahnes noch eine dunne Trennung zwischen Mund und Kiefer- h6hle bestehen, so kann durch eine kraftige Excochleation des Alveolen- fundus oder durch allzu heftige diagno- stische MaBnahmen (Sondierung und Nasenblasversuch) nachtraglich eine Mund-Antrum-Verbindung geschaffen

Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung ... · und es kann eine einseitige Epistaxis auftreten. Die Anderung der Resonanz beim Sprechen in Form eines offenen Naseln

  • Upload
    lediep

  • View
    218

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung ... · und es kann eine einseitige Epistaxis auftreten. Die Anderung der Resonanz beim Sprechen in Form eines offenen Naseln

Epidemiologie und Diagnostikder Mund-Antrum-Verbindung- Eine quantitative Untersuchung

Leider ist auch heute noch das Auf-treten einer Mund-Antrum-Verbindung(MAV) anlaBlich einer Zahnextraktionim Oberkieferseitenzahnbereich furviele Patienten mit erheblichen Unan-nehmlichkeiten und einer langwierigenNachbehandlungsdauer verbunden. Beirichtiger Einschatzung der Komplika-tionsgefahr und einer entsprechendenDiagnostik sollte die MAV heute in denmeisten Fallen ein komplikationslos be-herrschbares Ereignis sein. Anhand sta-tistischer Methoden kann aufgezeigtwerden, welche Komplikationsrate je-weils zu erwarten ist und wo dieSchwerpunkte der diagnostischen Feh-ler zu suchen sind.

Die Extraktion von Zahnen im latera-len Oberkieferbereich ist mit Abstanddie haufigste Ursache fUr das Entste-hen von Mund-Antrum-Verbindungen.Nach den Angaben von Beckedorf undSonnabend1) kommt es bei 4,7% derExtraktionen im lateralen Oberkiefer-bereich zu einer Perforation (n =1.071).In weiteren 8,5% wurde festgestellt,daB nur noch die Kieferh6hlenschleim-haut die KieferhOhle von der Mundh6hletrennte. Pradisponierend bei der Ent-stehung einer MAV wirken Entzun-dungsvorgange, die an den Wurzelspit-zen der Zahne lokalisiert sind. Sowaren bei den von den obengenann-ten Autoren untersuchten Zahnen, beidenen es zu einer MAV gekommen war,63,2% devital und 36,8% vital (1). DieseTatsache wird auch dadurch belegt,

daB die Mund-Antrum-Verbindung amhaufigsten bei der Extraktion des er-sten Molaren auf tritt, der Zahn, wel-cher zumeist als erster eine apikaleParodontitis aufweist. Ware alleine dieanatomische Pradisposition (Knochen-schichtdicke) maBgebend, so muBte dieMAV am haufigsten im Bereich deszweiten Molaren auftreten. Dieser Zahnsteht jedoch erst an zweiter Stelle inder Haufigkeit des Auftretens einerMAV. Seltener ereignet sich die Mund-Antrum-Verbindung in den Regionen 8,5, 4, 3 und 2, an Haufigkeit in der an-gegebenen Reihenfolge abnehmend.Genaue Zahlenangaben hierzu sind inTabelle 4 wiedergegeben. Ais weitererGrund fur die statistische Dominanzdes Auftretens einer MAV in regio 6wird angegeben, daB bei diesem Zahndie Wurzeln starker divergieren und so-mit bei der Extraktion ein gr6BeresTrauma setzen (1, 18).Dahingegen weistder zweite Molar in ca. 45% nur eineoder zwei Wurzeln auf, die eine ein-fachere Extraktion mit geringeren Lu-xationsbewegungen m6glich machen.So ist anzunehmen, daB beim Vorl ie-gen von Anomalien der Wurzeln undbei Ankylosen, die eine relativ trauma-tische Extraktion bedingen, haufigerMund-Antrum-Verbindungen post ex-tractionem auftreten. Sollte nach Ex-traktion eines Zahnes noch eine dunneTrennung zwischen Mund und Kiefer-h6hle bestehen, so kann durch einekraftige Excochleation des Alveolen-fundus oder durch allzu heftige diagno-stische MaBnahmen (Sondierung undNasenblasversuch) nachtraglich eineMund-Antrum-Verbindung geschaffen

Page 2: Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung ... · und es kann eine einseitige Epistaxis auftreten. Die Anderung der Resonanz beim Sprechen in Form eines offenen Naseln

werden (11). Auch in den ersten Tagennach einer Extraktion kann es durchstarke Luftdruckschwankungen noch zueiner MAV kommen. Pradisponierendkonnen hier eine persistierend chroni-sche Parodontitis oder eine akut exa-cerbierte Alveolitis post extractionemsein, doch auch eine bereits vorliegen-de Sinusitis maxillaris kann der aus-losende Faktor sein. 1st es erst einmalzur MAV gekommen, so kann noch miteiner Tendenz zum SpontanverschluBgerechnet werden, wenn eine gunstigeForm der Alveole vorliegt; das heiBtwenn eine geringe Alveolarbreite undeine groBe Alveolarhohe vorliegen (8).

Die Entstehung einer Mund-Antrum-Ver-bindung kann auch in der Arbeitsweisedes Behandlers begrundet sein. So istdie Fraktur des Alveolarfortsatzes oderdes Tuber maxillare mit Eroffnung derKieferhohle als eine meist vermeidbareKomplikation anzusehen (12). Bei un-sachgemaBem Gebrauch eines Hebelsoder MeiBels kann es leicht zu einerPerforation oder zu einer Intrusion ei-nes Wurzelrestes in die Kieferhohlekommen (2, 16). Bei einer nur unterauBerstem Kraftaufwand durchfuhrba-ren Extraktion und insbesondere beieiner Wurzelfraktur in der Nahe desAntrums ist deshalb die operative Zahn-entfernung der Extraktion vorzuziehen(19). An zweiter Stelle in der Haufigkeitdurfte die Eroffnung der Kieferhohlewahrend einer Wurzelspitzenresektionim Oberkieferbereich liegen (13). Nachden Angaben yon Ericson ist die Er-offnung der Kieferhohle bei der Wur-zelspitzenresektion sogar wahrscheinli-cher als bei der Extraktion, denn erfand in 13% der yon ihm untersuchtenFaile eine Mund-Antrum-Verbindung (5).

Er konnte jedoch keinen Unterschiedim Operationsergebnis zwischen denPatienten, bei denen eine MAV be-stand, und den ubrigen mit einer Wur-zelspitzenresektion behandelten Patien-ten feststellen. Da die Mund-Antrum-Verbindung hier unter Sicht entstehtund anzunehmen ist, daB der Opera-teur diese Kommunikation, wenn er sieerst einmal geschaffen hat, nicht ver-groBert und einen exakten Wundver-schluB durchfuhrt, ist mit Komplika-tionen nicht zu rechnen. Weitere Ur-sachen einer MAV sind in Tab. 1 auf-gefUhrt (2, 6, 7, 10, 11, 14,15, 17, 20).

Tab. 1. Ursachen der Mund-Anlrum-Verbin-dungen

ZahnextraktionWurzelspilzenreseklionoperative Zahnentfernungoperative Therapie yon Zysten

OsteoradionekroseKieferorthopiid. OperationenEntfernung eines Torus palatinuspalatinale Prothesensaugeroperative Therapie von TumorenEntzundungen

Tab. 2. Enlziindlich bedingle Mund-Anlrum-Verbindungen

Parodontitis marginalis progressivaSequestrierung bei OsteomyelitisSpontanperforation eines KH-Empyems

TuberkuloseLues IIIBlastomykose, Sporotrichose, Lepra,Noma, Aktinomykose

Tab. 3. Ursachen der Mund-Anlrum-Verbin-dungen (n = 262).ZahnextraktionTuberabriB bei ExtraktionOperative Wurzelrestentfern ungKieferhbh lenoperationZystektomieVermeintliche AbszeBspaltungTrauma

92,0"/00,6%3,4%1,7%1,1%0,6%0,6%

Ursachen der Mund-Antrum-Verbindungen(n = 262)

Aus der Literatur sind entzundlicheAtiologien der MAV bekannt, die in Ta-belle 2 dargestellt sind.

Wie aus den Behandlungsunterlagenyon 262 Patienten hervorging, spielt inunserem Raume nur eine geringe An-zahl yon Ursachen bei der Entstehungyon Mund-Antrum-Verbindungen eineRolle. In 92,6% der Faile war eineZahnextraktion im lateral en Oberkiefer-bereich Ausgangspunkt fur eine MAV(Vergl. Tab. 3).

Wie aus Tabelle 4 hervorgeht, wurdeschon yon vielen Autoren untersucht,welche Haufigkeitsverteilung die MAVhinsichtlich ihrer Lokalisation im Ober-kiefer besitzt. Durch die Zusammenfas-sung aller bei diesen Untersuchungengewonnenen Zahlen kann uber die Hau-figkeitsverteilung der MAV ein rechtsicheres Bild gewonnen werden (n =2.034).

Aus diesen Zahlen geht jedoch nichthervor, wie hoch die Wahrscheinlich-keit des Auftretens einer MAV bei ei-nem einzelnen Oberkieferzahn ist. Un-ter Zugrundelegung der yon Einfeldt an-gegebenen Haufigkeiten der Extraktionbestimmter Zahne (4), sowie der Hau-figkeit der fUr Extraktionen und plasti-sche Deckungen abgerechneten Posi-tionen bei der KassenzahnarztlichenAbrechnung und der in Tabelle 4 ange-gebenen Haufigkeiten kann durchHochrechnung angegeben werden, mit

Tab. 4. Lokalisalion der MAV. Zusammenfassung der in der Literalur angegebenen Hiiu-figkeilen.

<DL!)0>

0> '" ..•. ~(') L!) (fj r::.

co 0> L!) '" L!)~ 0> 0> :J <D 0>..•.

(') ~ ell 0> <D r::. ~ "-Autor/Jahr 0> '0 ~ 0> <D r::. 0>~ c: '00 0 Olco ~ <D

<D "- O"l c:Q) L!) c: O"l <D O"l Q;~ :J c: O"l oj <D O"l ~ (fj co

E N '0 c: O"l c: Q) "-ell c: ~ ell U ~ ~ Q; ell :: 0>Q)

(fj (fj Q) ~ ell Ec: :!:: Q)""

c: c: E >- § 0 c: ~~ 'Qi

(fj Q; u Q) ~ Q; ~ ~ en ~ c: ;: ell -.::: Eell ell Q) 0 '0 :J ell :J 'Qi;: 0 ell ~ :J ~N [D ~ [D [D I I ~ I ~ ~ I Z :> I w C/)

2 1 1 0,053 2 3 1 1 5 2 4 4 2 2 1 27 1,34 3 4 2 2 1 4 1 1 6 7 3 7 2 6 49 2,45 21 6 2 3 2 4 14 10 2 4 9 20 2 21 6 12 138 6,86 29 78 19 26 30 37 51 66 17 25 153 250 31 104 48 109 1073 52,88 45 42 5 14 11 15 28 39 10 23 63 108 32 67 34 38 574 28,27 30 7 5 7 2 3 8 4 3 6 15 22 8 30 13 9 172 8,4

n 128 140 36 50 48 61 110 122 33 58 250 407 80 231 105 175 2034

Lokalisation der MAV.Zusammenfassung der in der Literatur angegebenen Hiiufigkeiten

Page 3: Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung ... · und es kann eine einseitige Epistaxis auftreten. Die Anderung der Resonanz beim Sprechen in Form eines offenen Naseln

welcher Wahrscheinlichkeit bei der Ex-traktion eines bestimmten Oberkiefer-zahnes eine MAV auftritt. Die Aussage-kraft dieser Zahlen ist dadurch einge-schrankt, daB die Berechnungen ausden Angaben verschiedener Untersu-chungen erfolgt sind. Auch ist derSchluB von der Haufigkeit der Abrech-nung der Position Pia 1 auf die Hau-figkeit von Mund-Antrum-Verbindungennicht exakt. Es darf angenom men wer-den, daB Mund-Antrum-Verbindungenhii.ufiger auftreten, jedoch in vielen Fal-len nicht diagnostiziert oder mit einerplastischen Deckung behandelt werden.Unter BerOcksichtigung dieser eben ge-nannten Einschrankung erscheint esdennoch legitim, eine Hochrechnungmit den oben angegebenen ZahlendurchzufOhren. Das Ergebnis ist in Abb.1 graphisch dargestellt. Demnach be-tragt die Haufigkeit einer MAV bei derExtraktion des 6-Jahr-Molars 0,56% undbei der Extraktion des Zahnes 7 0,35%.Das bedeutet, daB bei der Extraktiondes Zahnes 6 im Oberkiefer mit einerWahrscheinlichkeit von 1:180, bei einerExtraktion des Zahnes 7 mit einerWahrscheinlichkeit von 1 : 280 und beiden Obrigen Zahnen mit einer Wahr-scheinlichkeit unter 1 : 2000 mit demAuftreten einer MAV zu rechnen ist.

1m Chiquadrat-Test konnten keine Un-terschiede hinsichtlich eines Rechts-Links-Vergleiches oder eines Ge-schlechtsvergleiches festgestellt wer-den. In der Halfte der Faile (48,6%)war kein Antagonist zu dem im Ober-kiefer extrahierten Zahn vorhanden, dereine MAV verursachte. Die von Cardis(3) getroffene Feststellung, daB einegeringere funktionelle Belastung derzahntragenden Strukturen bel der Ex-traktion zu einer MAV pradisponiertwerden, konnte dadurch bestatigt wer-den.

Wie Stellmach berichtete, wird in 85%der Faile nach einer Extraktion nichtsofort eine OberprOfung der Alveolevorgenommen. Somit verstreicht einwichtiger Zeitpunkt fOr die Diagnoseund fOr die Weichenstellung der wei-teren Therapie der Patienten (21). Wennder Zahnarzt die MAV nicht bemerkt,so kann noch relativ frOh auch der Pa-tient einen wichtigen Hinweis zur Dia-

Abb. 1. Hliufigkeit des Auflretens einerMAV, bezogen auf die Extraktion der ein-zelnen Oberkieferzlihne.

Abb. 2. Zeitintervall zwischen Entstehungeiner MAV und der Diagnose.

Oberweisung sofortOberweisung spiiterkeine Oberweisung

31,2%61,9%6,9%

Tab. 5. Zeitintervall zwischen Diagnoseeiner MAV und Oberweisung an eine Spe-zialklinik (n = 160).

gnose liefern. Am haufigsten klagendie Patienten darOber, daB FIOssigkei-ten vom Mund in die Nase gelangen.Die Luftpassage wird durch eine Ven-tilbildung der entzOndlich alteriertenSinusmucosa im Perforationsbereichnicht so haufig bemerkt. Bei engen Fi-stein kann es zu einem Pfeifton kom-men und bei weiten Fisteln das Blasenunmaglich werden. Nasenschneuzen,das Aufblasen der Backen und dasZiehen an der Zigarette kann dannauch nicht mehr durchgefOhrt werden.Zudem stellt sich haufig ein salzigeroder fauler Geschmack im Munde einund es kann eine einseitige Epistaxisauftreten. Die Anderung der Resonanzbeim Sprechen in Form eines offenenNaseln wird selten bemerkt. Das Auf-treten einer Sinusitis maxillaris fOhrtschlieBlich zu weiteren Symptomen, die

hier nicht im einzelnen besprochenwerden sollen. So suchten immerhin6,9% Patienten mit einer MAV die Kli-nik ohne Oberweisung von einem Kol-legen auf, nachdem sie selbst die Dia-gnose gestellt hatten.

Aus Abb. 2 wird ersichtlich, daB nur42,9% der Mund-Antrum-Verbindungenbereits bei ihrer Entstehung diagnosti-ziert werden. Die nicht diagnostiziertenFaile sind in der Graphik als schwarzschraffierte Flache dargestellt. Auchnach 2 Tagen ist erst gerade die Half-te der Perforationen erkannt. Es Ober-rascht, daB auch nach 30 Tagen nochrund ein FOnftel der Mund-Antrum-Verbindungen nicht diagnostiziert wer-den konnte. Da die verspatete Diagno-se dieses Krankheitsbildes erheblichzu dessen Verschlechterung beitragt,das heiBt zu einer Sinusitis maxillarisfOhrt, erscheint es besonders wichtig,darauf hinzuweisen, daB nach jederExtraktion in dem gefahrdeten Bereicheine sorgfaltige Kontrolle durchgefOhrtwerden muB. Wenn auch nur die ge-ringsten Zweifel Ober die Diagnose be-stehen, so muB diese sobald als mag-lich einer Klarung zugefOhrt werden.Das vorliegende Ergebnis ist in dieserHinsicht unbefriedigend und zeigt, daBeine entsprechende Aufklarung vonna-ten ist.

Tab. 5 zeigt, daB nur in 31,2% der Fai-le sofort nach Stellung der Diagnoseeine Therapie durchgefOhrt wurde oderdie Oberweisung an die Klinik erfolgte.Eine MAV kann klinisch entweder durchden sogenannten Nasenblasversuchoder die Sondierung mit einer stump-fen Sonde (Knopfsonde, Myrthenblatt-sonde) verifiziert werden. DaB dabeider Nasenblasversuch das unsichereVerfahren ist, da die Kieferhahlen-schleimhaut im Sinne eines Venti Is wir-ken kann, wurde ebenfalls bereits er-wahnt und ist in der Literatur mehr-fach beschrieben. Es fehlen jedoch An-gaben darOber, wie groB das MaB derUnsicherheit ist. Bei dem hier bespro-chenen Patientengut wurde nun festge-halten, wie oft durch eines dieser bei-den Verfahren die Diagnose MAV ge-stellt werden konnte. Ais erstes wurdeimmer der Nasenblasversuch durchge-fOhrt, da dieser am schonendsten undeinfachsten durchzufOhren ist. Wenndieser positiv war, d. h. wenn Luft vom

Page 4: Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung ... · und es kann eine einseitige Epistaxis auftreten. Die Anderung der Resonanz beim Sprechen in Form eines offenen Naseln

beide Methoden 24'lo{positiv

Nasenblasversuch 28"'{~~~~ivdu~~g~~~~~~ 1

52'l> Nasenblasversuchpositiv

Abb. 3. Diagnose der MAV durch Sandie-rung und Nasenblasversuch.

Abb. 4. Verhalten bel Verdacht auf eineMAV.

Antrum zur Mundhohle durchgeblasenwerden konnte, so wurde postuliert,daB in diesem Faile eine Sondierungauf jeden Fall ebenfalls positiv wareund es wurde diese nicht in allen Fal-len anschlieBend durchgefuhrt. Unterdieser Annahme ergab sich, daB derNasenblasversuch nur in der Halfte derFaile (52%) ein richtig positives Er-gebnis zeigte (s. Abb. 3).

Durch die Sondierung mit der stump-fen Sonde konnten hingegen 98% derMund-Antrum-Verbindungen sicher dia-gnostiziert werden. Die restlichen 2%der spat diagnostizierten Perforationenkonnten deshalb bei der ersten klini-schen Befundung nicht erkannt werden,da durch anatomische Vorbedingungen(stark gekrummte Alveolen, Knochen-lamellen durch Septenbildung, minima-

Ie Perforationen) die Sonde nicht soweit eingefUhrt werden konnte, um dieDiagnose zu sichern. In solchen Fal-len ware daran zu den ken, durch eineProbespulung zu erfahren, ob eine Ver-bindung yon der Mund- zur Kieferhoh-Ie besteht. Aufgrund der geringen Si-cherheit bei der Diagnostik millels desNasenblasversuches halte ich es in je-dem Fall fUr angezeigt, eine Sondie-rung vorzunehmen, wenn bel bestehen-dem Verdacht auf eine MAV der Na-senblasversuch negativ verlief. Abb. 4zeigt in Form eines FluBdiagramms dieeinzelnen diagnostischen Schrille, diebei dem Verdacht auf eine MAV in je-dem Faile angezeigt sind. Bei vorsich-tiger Handhabung der Sonde erscheintmir die Gefahr der nachtraglichen Er-offnung der Kieferhohle durch die Son-de sehr gering. Selbst wenn dieserFall doch einmal eintreten sollte, kanndann bei gesicherter Diagnose eineadaquate Therapie durchgefUhrt wer-den, die fUr den Patienten keine Spat-schaden bedeutet. Sollte jedoch durchdas Unterlassen der Sondierung eineMAV zunachst ubersehen werden, sohat dies fUr den Patienten weitausschlimmere Foigen. DaB nach realisier-ter MAV eine Untersuchung des Kie-ferhohlenzustandes und eine differen-tial-diagnostische Abgrenzung einer indie Kieferhohle ragenden Zyste folgenmuB, ist selbstverstandlich und soli hiernicht Gegenstand der Erorterungensein. Wie dies aus Abb. 4 hervorgeht,ist es bei dem Verdacht auf einen zu-ruckgebliebenen Wurzelrest immer zuempfehlen, diesen operativ.aufZlJsuchenund dabei durch ausschlieBlich horizon-tales Anwenden des Hebels zu entfer-nen. Bei Entfernungsversuchen uber dieAlveole geschieht es zu leicht, daB derWurzelrest durch inadaquate Manipula-tionen in die Kieferhohle gestoBen wird.

Es muB als fehlerhaft angesehen wer-den, wenn eine MAV trotz weit in dieMundhohle hereinragende Adenoide(Abb. 5) ubersehen wird oder wenn garuber einer bestehenden MAV ein fest-sitzender prothetischer Ersatz eingeglie-dert wird (Abb. 6).

Bei der Abdrucknahme kann zudemAbdruckmaterial in die Kieferhohle ge-langen, welches immer operativ entferntwerden muB.

Abb. 5. Adenoides Gewebe aus einerMAV in regia 17 in die MundhCihleragend.

Abb. 6. MAV unter eingegliedertem fest-sitzendem Zahnersatz in regia 25.

Es mag zwar durch eine sorgfaltigeExtraktionstechnik moglich sein, die Ge-fahr des Auftretens einer MAV herab-zusenken, es ist jedoch bis jetzt nochkeine Methode bekannt, mit Hilfe derereine MAV mit Sicherheit vermiedenwerden kann. Es muB also bei jederZahnextraktion im lateralen Oberkiefer-bereich mit einer MAV gerechnet wer-den und der Patient uber das AusmaBdes Risikos informiert werden.

Die wichtigsten Parameter bei der Beur-teilung der Diagnostik der MAV sinddie Rechtzeitigkeit und die Zuverlassig-keit der diagnostischen Methoden. Umprotrahierte Heilungsverlaufe und un-gunstige Behandlungsergebnisse zuvermeiden, ist es auBerordentlich wich-tig, daB die Diagnose rechtzeitig ge-stellt wird. Bezuglich der Zuverlassig-keit der Diagnose ist dringend zu emp-fehlen, bei jeglichem Verdacht auf dasVorliegen einer MAV sofort das ge-samte diagnostische Spektrum anzu-wenden, um yon vornherein durch dif-ferenzierte Aussagen eine adaquate

Page 5: Epidemiologie und Diagnostik der Mund-Antrum-Verbindung ... · und es kann eine einseitige Epistaxis auftreten. Die Anderung der Resonanz beim Sprechen in Form eines offenen Naseln

Therapie einleiten zu k6nnen. Die ein-zelnen diagnostischen Schritte lassensich in einem FluBdiagramm aufzeigen(Tab. 4). Eine ausreichende Zuverlassig-keit bietet allein die Sondierung desAlveolenfundus mit der stumpfen Son-de. Da diese diagnostische MaBnahmeeinfach durchzufuhren ist, erscheint esheute nicht mehr gerechtfertigt, wenndurch abwartendes Verhalten dasKrankheitsbild verschleppt und die Pro-gnose verschlechtert wird.

Mit quantitativen Methoden wird dieHaufigkeit der Entstehung einer Mund-Antrum-Verbindung (MAV) angegeben.Die Wahrscheinlichkeit betragt beimOberkieferzahn 6 1: 180, beim Zahn 71 : 280 und liegt bei den ubrigen Ober-kieferzahnen unter 1: 2000. Nur dieSondierung mit der stumpfen Sondebietet ausreichende Sicherheit bei derDiagnostik der MAV. 8eim geringstenVerdacht auf das Vorliegen einer MAVmuB m6glichst sofort das gesamtediagnostische Spektrum angewandtwerden. Die Auswertung yon 175 An-amnesen erlaubt die Aussage, daB hin-sichtlich der Rechtzeitigkeit und der Zu-verlassigkeit der Diagnosestellung dieSorgfalt noch verbessert werden kann.

Literatur:

1. Beckedorl, H., Sonnabend, E.: Die Haufig-keit der Kieferhbhlenperforation bel Zahn-extraktionen. Zahnarztl. Rsch. 63, 19, 566, 1954.2. Bussell SN: Plastic repair of palatal oro-nasal fistula. J. R. Nav. Med. Servo 62 (1):33-6 Spring 76.3. Cardis, A.: Die Beziehungen zwischen Kie-ferhbhle und Zahnsystem unter besondererBerucksichtigung des Sinusbodens bei ver-minderter Kaufunktion. Med. Diss. Dusseldorf1953.4. Einfeldt, H.: Zwischenbilanz - Ergebniseiner Untersuchung uber die Indikation vonZahnextraktionen. ZM 10/1973, 459-466.5. Ericson, S.: Results of apicoectomy ofmaxillary canines, premolars and molars withspecial reference to oroantral communicationas a prognostic factor. Int. J. Oral. Surg. 3(6): 386-393, 1974.6. Frenkel, G.: Zahnarztlich-chirurgische Ein-griffe im Kieferhbhlenbereich. Therapiewoche13, 20, 997, 1963.7. Granite, EL.: Oronasal fistula followinganterior maXillary osteotomy. J. Oral. Surg.33 (2): 129-130, Feb. 1975.8. Grimm, G.: Die artifizielle Kieferhbhlen-perforation. Dtsch. Stomatol. 21: 269-274, Apr.1971.9. Heuser, H.: Die Bedeutung der Beziehun-gen zwischen Zahnsystem und Kieferhbhle furdie tagliche Praxis. DIsch. Zahnarztebl. 7, 17,525, 1953.10. Hjorting-Hansen, E.: Acquired defects ofthe antrum. Trans. Int. ConI. Oral. Surg. 4:19-24, 1973.11. Hahn, G.: Entstehung - Verhutung - Be-hand lung von Antrum-Mundhbhlenverbindun-gen. Med. Diss. Berlin 1958.12. Holler, W.: Dentalbedingte Kompllkationenim Bereich der Kieferhbhle. Dtsch. Zahnarzte-kalender 1958.13. Keresztesi, K.: Die konservative Therapieder Mund-Antrum-Fisteln. Osterr. Zschr. Sto-mat. 51, 6, 317-323, 1954.14. Killey, HC, Kay, LW.: An analysis of250 cases of oro-antral fistula treated by thebuccal flap operation. Oral. Surg. 24: 726-739, Dec. 1967.

15. Landais, H.: Divers procedes de fermeturedes communications bucconasales. Rev. Sto-matol. Chir. Maxillofac (75 (1): 188-187,Jan.-Feb. 1974.16. Lehnert, S.: Zur Diagnostik und Therapieder frischen Mund-Antrum-Verbindung nachZahnextraktion. ZWR 81: 661-667, 1972.17. Magnus, WW, Castner, Jr. DV: Closureof oronasal fistula with gold plate implant.Oral. Surg. 31: 460-464, Apr. 1971.18. Mangold, J.: Nachuntersuchungen uber dieBeziehungen zwischen Kauseite und Kiefer-hbhlenperforation nach Extraktion. Med. Diss.Freiburg i. Br. 1956.19. Peter, K.: Dlagnostik am traumatisch er-bffneten Antrum. Dtsch. Zahnarztebl. 7, 20,645, 1953.20. Siekmann, H.: Ober die Ursachen derKieferhbhlenfisteln. Med. Diss. Bielefeld.21. Stellmach, R.-K.: Zur Diagnostik und The-rapie der frischen Mund-Antrum-Verbindungin der zahnarztlichen Praxis. DZZ 32, 681,1977.22. Wassmund, M.: Lehrbuch der praktischenChirurgie des Mundes und der Kiefer. Band 2,1939, Verlag van JA Barth/Leipzig.

Aus dem Zentrum der Zahn-, Mund-und Kieferheilkunde, Abteilung fOrZahn-, Mund- und Kieferchirurgie derJ oh ann- W olfg ang- Goeth e-U niversWit,Frankfurt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. Peter A. Ehrl, Oberarzt der AbteilungfUr Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie desZentrums fUr Zahn-, Mund- und Kieferheil-kunde der Johann-Wolfgang-Goethe-Universi-tat, Theodor-Stern-Kai 7, D-6000 Frankfurt 70.