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Erfahrungen aus 20 Jahren Obstwiesenschutz im Muldental Einblick in sächsische
StreuobstwiesenprojekteWorkshop am 16.September 2010 in Děčín - Libverda
Wolfram Kunze BUND-Kreisgruppe Muldental, Nicolaiplatz 5, 04668 Grimma Tel.: (03437) 94 07 60, E-mail: [email protected]
Grimmaer StreuobstsaftErfahrungen aus 20 Jahren
Obstwiesenschutz durch Saftvermarktung im Muldental
Situation des Streuobstbaus um 1989/90
• Das Obst war nichts mehr wert – Schließung der Aufkaufstellen; zahlreiche Mostereien gaben auf
• In den verbliebenen Mostereien waren die Aufkaufpreise sehr niedrig
• Obstsäfte sind in den Supermärkten ziemlich billig zu haben; selbst der Lohntausch in der Kelterei schien sich nicht mehr zu lohnen
• Durch den einsetzenden Bauboom kam der Streuobstanbau unter Druck – zahlreiche Wohngebiete entstanden auf der grünen (Streuobst) – Wiese am Ortsrand
• Obstwiesen wurden beseitigt oder die Nutzung aufgegeben• Dramatischen Rückgang einiger typischen Streuobstwiesen-
Bewohner, z.B. fand die letzte bekannte Brut eines Steinkauzes (Athene noctua) im Muldentalkreis 1992 in einer Streuobstwiese statt
Rettung für den Streuobstanbau: Aufpreisvermarktung, Naturschutz und
Förderung
• In Gesprächen mit Obstwiesenbesitzern wurde schnell klar, dass für den langfristigen Erhalt der Streuobstwiesen eine rentable Vermarktung des Mostobstes von größter Bedeutung ist
• 1988 begannen Naturschützer des BUND und des Nabu am Bodensee mit der Aufpreisvermarktung von Mostobst aus Streuobstbeständen
• Seit 1991 begann die BUND-Kreisgruppe Muldental mit der „Aktion Grimmaer Apfelsaft“
• Das Sächsische Naturschutzgesetz von 1993 stellt Streuobstwiesen unter Naturschutz (§26 SächsNatSchG)
• Seit 1992 Förderung der Pflege von Streuobstwiesen in Sachsen im Rahmen verschiedener Agrar-Umweltprogramme
• Auch Neuanlage und Erneuerung von Streuobstwiesen wird gefördert
Die Aktion „GRIMMAER STREUOBSTSAFT“ - Ein Projekt der BUND-Kreisgruppe
Muldental
• Die Kreisgruppe Muldental des BUND schließt deshalb seit 1991 mit Streuobstwiesenbesitzern Anbau- und Lieferverträge für Mostobst
ab: • Die Obstwiesenbesitzer verpflichten sich:
– zur naturschutzgerechten Pflege und Bewirtschaftung der Obstbäume und des Unterwuchses
– zum Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel
– zum Nachpflanzen junger Hochstamm - Obstbäume
Kernidee: durch höhere Preise für das Mostobst die Bewirtschaftung der Streuobstwiesen wieder wirtschaftlich interessant machen
Grimmaer Apfelsaft 1991-1996
• BUND-Kreisgruppe verpflichtete sich zu Aufkauf des Mostobstes für einen für die Bewirtschafter fairen Preis (20 DM + 3 x 0,7l Flaschen Saft je dt Mostobst)
• Separate Verarbeitung des Mostobstes in Kelterei Großbardau im Lohntausch und Vermarktung des Saftes durch BUND
• Der gezahlte Aufpreis musste durch den Saftverkauf wieder erwirtschaftet werden (1,49 DM je 0,7l-Flasche)
Projekt Grimmaer Streuobstsaft seit 1997
• Ab der Ernte 1997 übernahm die Kelterei Klaus, Wurzen die Vermarktung des Streuobst-Saftes.
• Bio-Zertifizierung der Erzeugung (BUND) und der Verarbeitung (Kelterei Klaus) des Obstes
• Für das ökologisch erzeugte Mostobst zahlt die Kelterei einen Aufpreis• Daten Ernte 2009:
– 51 Streuobstwiesenbesitzer– 26 ha Streuobstwiesen– 81 t Mostobst (Apfel und Birne)– Auszahlungspreis der Kelterei 1997-2009: 15-25 €/dt
Grimmaer Streuobstsaft - Statistik 1991-2009
12 10
19 2124
5044 43
40
4753 53 55
51 51 51 53 51 51
9 812 12
19
38
52 52
58
78
67
22
75
45
77
57
82
60
81
12,5312,5312,5312,5312,5315,3415,3415,3415,3415,3413,8013,50
13,9011,8013,2013,22
16,0014,7715,69
1,081,081,081,081,081,171,321,321,321,321,321,351,351,351,351,351,351,351,350
10
20
30
40
50
60
70
80
90
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
Anzahl Obstwiesenbesitzer
verarbeitetes Mostobst (t)
Aufkaufpreis Mostobst durchBUND (€/dt)
Saftpreis Endverbraucher (€/l)
Bisherige Erfahrungen bei der Aufpreisvermarktung
• Streuobstwiesenbesitzer nehmen gern an der Aktion teil; für viele ist die Aktion inzwischen eine feste Größe
• weitere Obstwiesenbesitzer stehen auf der Warteliste• Begrenzender Faktor ist die Vermarktung des Saftes
durch die Kelterei: – Die regionale Vermarktung des Bio-Saftes in
Getränkemärkten und Gaststätten gestaltet sich aufgrund des höheren Preises ziemlich schwierig
– Die überregionale Vermarktung des Bio-Saftes als „Tankware“ ist bisher kein Problem; allerdings hier die Gewinnspannen eher gering
Bisherige Erfahrungen bei der Aufpreisvermarktung (II)
• Auch für die Kelterei hat die Aktion Vorteile:– Durch Erhalt der Streuobstwiesen sichert sich die Kelterei
langfristig die Rohware– Durch die Bio-Verarbeitung konnten neue Marktsegmente
erschlossen und die Auslastung der Kelterei verbessert werden
• Probleme: – Nicht nur die Überalterung vieler Streuobstbestände
bereitet Sorge, sondern auch das Alter der Bewirtschafter: trotz Aufpreisvermarktung ist für manche jungen Leute die Bewirtschaftung der Obstwiesen nicht interessant.
Weitere Aktivitäten der Projektgruppe Streuobst des BUND Muldental
• Bewirtschaftung von drei Streuobstwiesen (1 Altanlage mit Nachpflanzungen, 2 Neuanlagen; insgesamt 2,5 ha)
• Vermittlung von Baumpatenschaften• Beratung von Streuobstwiesenbesitzern bei der Neuanlage und
Erneuerung von Obstwiesen (Sorten- und Standortwahl usw.)• Durchführung von Kursen zum Obstbaumschnitt und zur Veredlung mit
Hilfe des Landwirtschaftsamtes und des Bundessortenamtes, Prüfstelle Wurzen
Lehrgang Obstbaumschnitt in Ostrau
Lehrgang Veredlung von Obstgehölzen in Wurzen
Weitere Aktivitäten der Projektgruppe Streuobst des BUND Muldental (II)
• Obstsortenkartierung seit 1996 punktuell, seit 2002 systematisch• Vermehrung von seltenen und Regionalsorten in Zusammenarbeit mit
der Baumschule Schäfer in Naustadt bei Meißen• Durchführung von Projekttagen für Schulklassen (v.a. im Herbst mit
mobiler Saftpresse)• Öffentlichkeitsarbeit: Vorträge, Teilnahme an Märkten, Erntefesten,
Verkostungen zusammen mit der Kelterei• Obstsortenschauen
Erntefest Altmittweida, 2007 Kernobstschau Grimma, 2007
Weitere Initiativen zur Aufpreisvermarktung von Streuobst in
Sachsen• Saftmanufaktur Kerstin Lieber, Ostrau
– Lohn-Verarbeitung von Obst aus Streuobstwiesen in kleiner Kelterei und Abfüllen im „Bag-in-Box“-Kartons (3l und 5l)
– Vorteile: • Verarbeitung von kleineren Obstmengen (>50 kg) sortenrein oder in
beliebigen Mischungen• Kunde bekommt Saft aus den eigenen Früchten
• Grüne Liga Dresden / oberes Elbtal e.V.– Bewirtschaftung von ca. 12 ha Streuobstwiesen und Vermarktung des
Mostobstes an Kelterei Walther, Arnsdorf bzw. des Saftes in eigener Regie
– Ab 2008 Modell der Aufpreisvermarktung mit regionalen Streuobstwiesenbesitzern (ca. 20 ha)
– Besonderheit: Mobile Saftpresse: Pressen und Abfüllen von Fruchtsäften direkt vor Ort in Foliebeutel mit Karton („Bag-in-Box“-System)
Landschaftspflegeverband Oberes Vogtland
• Erfassung und Erhaltung alter Obstbäume (Kartierung, Dokumentation)
• Gewinnung von Reisern und Veredlung• Durchführung von Kernobstmessen, jährlich am
Reformationstag (31.Oktober) • Anlegen von Streuobstwiesen ausschließlich vogtländischer
und nordwestböhmischer Obstsorten• Durchführung von Obstbaumschnitt-, Pflege- und
Verarbeitungsseminaren• Feldversuche zur Testung neuer robuster und Standort
angepasster Streuobstsorten im Vergleich mit bewährten Regionalsorten
• Apfeltrocknungs- und Lagerungsversuche• Erstellen einer deutsch-tschechischen Apfeldatenbank
www.wunschapfel.de • Für das Streuobstprojekt hat der Landschaftspflegeverband
den Sächsischen Umweltpreis 2002 der Kategorie Vereine und Verbände erhalten.
Veredlung von sortenreinem Obst alter Sorten
• Meißner Spezialitätenbrennerei Prinz zur Lippe GmbH & Co. KG, Nr. 5, 01665 Klipphausen OT Reichenbach (Bio-zertifiziert)
• Augustus Rex ®, Erste Dresdner Spezialitätenbrennerei GmbH, Klotzscher Hauptstrasse 24, 01109 Dresden
Abb.: Homepage Augustus Rex
Projekt „Regionale Streuobstkreisläufe“ des Deutschen
Verbandes für Landschaftspflege
• Arbeit in drei Streuobst-Modellregionen: Nordsachsen, Mittelsachsen, Lausitz
• Schaffung einer „Dachmarke“ für Sächsische Streuobstprodukte zur besseren Wiedererkennung beim Verbraucher
• Aufbau und Verbesserung von Vermarktungswegen für regionale Streuobstprodukte
– Vernetzung von regionalen Produzenten, Verarbeitern und Verkäufern– Gemeinsame Entwicklung von Ideen für neue hochwertige regionale Produkte– Exkursionen zu erfolgreichen Streuobstprojekten in Deutschland
• Beratung und Unterstützung der Eigentümer und Bewirtschafter von Obstwiesen
• Streuobst-Veranstaltungs-Kalender
• Internet-Portal www.streuobst-in-sachsen.de für regionale Informationen zum Streuobstanbau für Landwirte und Verbraucher ( noch im Aufbau)
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Ergebnisse mehrjähriger Apfelsortenbestimmungen
in vier ostdeutschen Bundesländern 1993-2004
Bundesland gesamt Brandenburg (BB)
Sachsen-Anhalt/ Thüringen (ST/TH)
Sachsen (SN)
zum Vergleich:Muldental-kreis (2002)
Summe bestimmter Proben
31 850 18690 7540 6620 699
Summe bestimmter Sorten
341 266 195 190 97
Quelle: Müller und Schuricht, Pomologenverein, 2005, sowie eigene Erhebungen
Sächsischer Königsapfel
• Herkunft: ungewiß• Genußreife: Oktober – Januar• Sächsische Regionalsorte, verbreitet zwischen Chemnitz – Döbeln -
Rochlitz – Borna.• Rotbackiger, sehr großfrüchtiger, saftiger Tafel- und Wirtschaftsapfel.
Majestätische Bäume. Sehr robust.
Sächsische Gelbe Renette
• Herkunft: Sachsen, sehr alt, aber erst 1885 beschrieben• Genußreife:Januar – April• Alte Lokalsorte des extensiven Anbaus in Mittel- und Ostsachsen; lange
haltbar ohne zu welken. Auch für Grasgärten und Standorte an fließendem Wasser und für Höhenlagen.
Zimtrenette (Schafsrenette)
• Herkunft: unsicher, wahrscheinlich Sachsen• Genußreife: November – Februar• Als mürber, milder Apfel von den Alten geschätzt. Wenig anspruchsvoll,
gesund und sehr ertragreich, darum nicht vernachlässigen, sonst leicht erschöpft.
Edelborsdorfer
• Herkunft: Eine der ältesten deutschen Sorten, stammt aus Sachsen. Ein ‚Borsdorfer‘ erstmals urkundlich 1175 bei Breslau erwähnt.
• Verbreitung: Früher in Deutschland und Österreich in fast alle Bauerngärten zu finden, heute nur noch sehr selten. (Anfang des 19.Jahrhunderts wurde der Edelborsdorfer im Leipziger Kreise in so großen Mengen geerntet, dass zur Michaelismesse in Leipzig Umsätze von 30000 Thalern in Borsdorfer Äpfeln nichts Ungewöhnliches waren; sie wurden meist von russischen Händlern aufgekauft.)
„Borsdorfer“ – Rochlitz/Mittweida
Identität des „Borsdorfers“ aus dem Raum Rochlitz/Mittweida ist noch ungeklärt
Zahlreiche bisher noch unbekannte Sorten…
Höfgen, Nr. 63
…Reiser schneiden und aufveredeln, um die Sorten zu erhalten!