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Erfolgreiche Kommunikation in der interkulturellen Verwaltungspraxis Uschi Sorg

Erfolgreiche Kommunikation in der interkulturellen · Grundlagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Arbeit zu ... Da Kommunikation ein Kreislauf und wechselseitiger Prozess

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ErfolgreicheKommunikationin derinterkulturellenVerwaltungspraxis

Uschi Sorg

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ErfolgreicheKommunikationin derinterkulturellenVerwaltungspraxis

Uschi Sorg

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Herausgegeben vonLandeshauptstadt MünchenSozialreferat/SozialplanungOrleansplatz 1181667 München

ProjektleitungEllen Kuhn

Layoutkonzept 139

DruckLandeshauptstadt München

2002

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in den Leitlinien für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung derPerspektive München heißt es:

„Allen auf Dauer oder für einen längeren Zeitraum in Münchenlebenden Ausländerinnen und Ausländern soll die Integration, d.h.die gleichberechtigte Teilnahme u.a. an der Sozial-, Arbeitsmarkt-,Kultur- und Bildungspolitik ermöglicht werden (…).“

Behörden kommt eine wesentliche Integrationsfunktion zu. Uns istes wichtig, unseren Kundinnen und Kunden eine gleichberechtigteInanspruchnahme unserer Leistungen und Dienstleistungen zuermöglichen.

Die beiden StudienErfolgreiche Kommunikation in der interkulturellenVerwaltungspraxis, erstellt von Frau Uschi Sorg,Dipl.-Soz.-Päd. (FH), Dipl.-Soziologin, undErfolgreiche Kommunikation mit Menschen aus anderenKulturen – Ein Praxishandbuch für Sozialpädagoginnenund Sozialpädagogen, erstellt von Frau Galina Koptelzewa,Dipl.-Oec., M.A.,

sind die Weiterführung der Untersuchungsergebnisse von FrauIldikó Elisabeth Kiss-Surányi und Herrn Dr. Philip Anderson zurinterkulturellen Kommunikation und interkulturellen Kompetenz. Diejetzt vorliegenden Handbücher wurden als Leitfaden für Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte entwickelt. Dargestelltwird die Vielfalt von Erfahrungen und Möglichkeiten in der Kommu-nikation mit Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe.Anhand konkreter Situationen wird erkennbar, welche Anforderun-gen in der interkulturellen Kommunikation auftreten und wie diesebewältigt werden können. Aus den Erfahrungen anderer lernen,nachvollziehen, worauf sie geachtet haben, erleichtert die Gestal-tung der im Alltag oft sehr komplexen Beratungssituationen.

Ergänzend dazu erhalten die Führungskräfte den wissenschaftlichenUntersuchungsbericht von Frau Galina Koptelzewa, um auf diesenGrundlagen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Arbeit zuunterstützen.

Liebe Mitarbeiterinnen,liebe Mitarbeiter,

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Ich wünsche mir, dass diese beiden Handbücher von allen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern und Führungskräften rege genutztwerden und die tägliche Praxis der interkulturellen Kommunikationdadurch neue Impulse erhält.

Mein Dank gilt allen, die durch ihre unterschiedlichen Erfahrungenin der Arbeit mit Migrantinnen und Migranten ein praxisnahesErgebnis ermöglicht haben.

Friedrich GraffeSozialreferent der Landeshauptstadt München

Vorwort des Sozialreferenten

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Der vorliegende Leitfaden zur „Erfolgreichen Kommunikation in derinterkulturellen Verwaltungspraxis“ ist das Ergebnis meiner eineinhalb-jährigen Forschung im Sozialreferat München. Ziele meiner Studiesind die Verbesserung der Kundenfreundlichkeit durch gelungeneKommunikation, Stressvermeidung für Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter sowie höhere Arbeitszufriedenheit durch erfolgreiche Kommu-nikation. In den meisten der bisher vorliegenden Forschungen zumThema „Interkulturelle Kommunikation in Behörden“ ist die Perspek-tive eine problemorientierte. Als Probleme werden u.a. aufgeführt,dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unhöflich und unfreund-lich sind und die deutschen Behörden zu unflexibel und vor allemviel zu langsam. Die Darstellung der Behörden in den meisten dieserStudien trägt dazu bei, die Stereotypen der Leserinnen und Leserüber das Wesen von Behörden zu bestätigen. Dass schon seit Jah-ren eine Kundenorientierung in den Behörden stattgefunden hat,wird ignoriert. Auch wurde die Kundenseite nur nach Problemengefragt und nicht danach, wie eine Kommunikation aussehen muss,damit sie als höflich und freundlich empfunden wird.

Deshalb fand ich den Projektauftrag, herauszufinden, welcheerfolgreichen Kommunikationsstrategien Mitarbeiterinnen undMitarbeiter entwickelt haben, besonders reizvoll. Die Studie setzt beiden Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Ich gehedavon aus, dass viele von ihnen im beruflichen Alltag Kommunika-tionsstrategien entwickelt haben, um erfolgreich mit ihrer Zielgruppezu kommunizieren. Dies hat sich bei meinen Beobachtungen undInterviews bestätigt. Dieser Leitfaden wurde geschrieben in derHoffnung, dass dieses Erfahrungswissen der Mitarbeiterinnen undMitarbeiter anderen nützt, um erfolgreich zu kommunizieren.

Da Kommunikation ein Kreislauf und wechselseitiger Prozess ist, wares mir wichtig, auch zu erfahren, wann Klientinnen und Klienten dieKommunikation mit Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiterndes Sozialreferates als erfolgreich ansehen. Wesentlich erschien es miraußerdem, die Perspektive von Leitungskräften zu erheben, da diesefür Arbeitsbedingungen, -strukturen und -atmosphäre relevant ist.

Trotz ihrer knapp bemessenen Zeit haben die Mitarbeiterinnen mirdie Möglichkeit gegeben, sie bei ihrer Arbeit zu beobachten und

Vorwort der Autorin

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sich für Interviews und Gruppendiskussionen zur Verfügung gestellt.Erlebt habe ich Interesse und Offenheit. Beeindruckend waren Ser-viceorientierung und kommunikative Kompetenz. Es zeichnet sich ab,dass durch persönliche Fähigkeiten, die in Fortbildungen weiterge-schult wurden, einiges an erfolgreichen Kommunikationsstrategienentwickelt wurde, was den Mitarbeiterinnen teilweise gar nicht be-wusst ist, weil für sie das alles Selbstverständlichkeiten geworden sind.

Es geht hier teilweise nicht um interkulturelle Unterschiede. Vielesvon dem, was eine erfolgreiche Kommunikation für Migrantinnenund Migranten ausmacht, trifft für alle Klientinnen und Klienten zu.Dennoch lassen sich auch interkulturelle Unterschiede beobachten.

Dass dieses Buch entstehen konnte, verdanke ich den Menschen,die ihr Erfahrungswissen und Wissen mit mir geteilt oder meineArbeit auf andere Art und Weise unterstützt haben.

Für ihre Beratung und ihre Unterstützung bedanke ich mich bei derProjektleiterin Ellen Kuhn und meiner Kollegin Galina Koptelzewa.

Ich bedanke mich bei Sabine Handschuck, der Beauftragten desStadtjugendamtes für interkulturelle Arbeit, von der ich viel überinterkulturelle Arbeit gelernt habe und die mein Forschungsprojektdurch ihre Beratung, Hinweise und Diskussionen unterstützt hat.

Bei PD Dr. Werner Schneider, Institut für Soziologie der LMUMünchen, bedanke ich mich für seine Beratung, insbesondere inallen Fragen der qualitativen Sozialforschung.

Danke allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Begleitgruppe, dieunseren Forschungsprozess kompetent, wohlwollend, kritisch undsehr interessiert begleitet hat: Silvia Arto, ASD, SozialbürgerhausSüd; Sylvia Baringer, Beauftragte für interkulturelle Arbeit, Stadt-jugendamt; Michaela Breveglieri, Sozialamt, Leitung; Hartwig Cleve,Wohnungs- und Flüchtlingsamt, Sachgebiet Wirtschaftliche Hilfenfür Flüchtlinge; Michaela Hofrichter, ASD, Sozialbürgerhaus Neu-hausen/Moosach; Gerti Kiermeier, Betreuungsstelle; Jürgen Koch,Wohnungs- und Flüchtlingsamt, Sachgebiet Wirtschaftliche Hilfenfür Flüchtlinge, und Maria Orihuel, ASD.

Vorwort der Autorin

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Ich bedanke mich bei allen Interviewpartnerinnen und -partnerndes Sozialamtes und des Wohnungs- und Flüchtlingsamtes, die miroffen Einblick in ihre Arbeit gaben und deren Erfahrungswissenelementarer Bestandteil dieses Leitfadens ist.

Vielen Dank allen Interviewpartnerinnen und -partnern, die ihrWissen und ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben, damit sich dieLeserinnen und Leser in die Perspektive der Klientinnen und Klientenhineinversetzen können; dies waren die Klientinnen und Klientenselbst und Menschen, die parteilich mit Migrantinnen und Migran-ten arbeiten: Conny Giesemann, Despina Liotsou und Jale Sahin,Treffpunkt Familie International; Barbara Hemauer-Volk, AtelierLa Silhouette; Bettina Pereira, Caritas Sozialdienst für Flüchtlinge;Anto Blazevic, Ruzica Blazevic, Gilbert Cau, Katarina Christodoulidou,Viktorija Colak, Vitorio Leitner, Dr. Norma Mattarei, Monika Meisinger,Bozo Mihaljevic, Boris Strujic, Sozialdienst für ausländische Arbeit-nehmerInnen und deren Familien beim Caritasverband. Vielen Dankauch an die, die nicht namentlich genannt werden wollten.

Vielen Dank all denen, die mich durch Literaturhinweise, kritischeDiskussion, Beratung, Vermittlung von Interviewpartnerinnen und-partnern und vieles andere während meines Forschungsprozessesunterstützt haben: Gülseren Demirel, Sachverständige für Migra-tionsfragen in Pasing, AWO; Gerhard Hager, Sozialamt, Leitung;Dr. Thomas Hegemann, Zentrum für transkulturelle Medizin; SabineHeymann, ASD; Can Malatacik, Referat Migration, AWO, jetzt Uni-versität Dortmund; Dorit Sing, Internationales Institut für EmpirischeSozialökonomie; Ahmet Toprak, Referat Migration, AWO; Dr. AnjaWeiß, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Münchner Sonder-forschungsbereich „Reflexive Modernisierung“, und allen, die michsonst unterstützt haben.

Christine ter Haar herzlichen Dank für ihre geduldige, kritische undkompetente Hilfe, die Forschungsergebnisse in einen lesbaren undstrukturierten Text zu verwandeln.

Uschi Sorg, im August 2002

,

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I Erfolgreiche Kommunikation als ein Beitrag zurinterkulturellen Öffnung des Sozialreferates 11

1 Die Situation von Migrantinnen und Migranten in München 112 Migrantinnen und Migranten als Klientel des Sozialreferates München 123 Umgang mit Vielfalt als Bereicherung und Aushandlungsprozess 124 Die interkulturelle Orientierung der LH München und des Sozialreferates 135 Die interkulturelle Öffnung des Sozialreferates 156 Die Studie „Erfolgreiche Kommunikation in der interkulturellen

Verwaltungspraxis“ 16

II Faktoren und Bedingungen von Kommunikation in derinterkulturellen Verwaltungspraxis 18

1 Grundlagen der Kommunikation 182 Bedingungen, die die Kommunikation beeinflussen 20

2.1 Die Begegnung von Menschen mit unterschiedlichenOrientierungssystemen 20

2.2 Umgang mit Sprache 222.3 Lebenskontext „in der neuen Heimat“ 242.4 Machtgefälle zwischen Verwaltung und Klientel 25

III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis 27

1 Erfolgreiche Kommunikation 271.1 Erfolgreiche Kommunikation aus der Sicht von Klientinnen und Klienten 271.2 Erfolgreiche Kommunikation aus der Sicht von Mitarbeiterinnen

und Mitarbeitern 291.3 Ähnliche und doch verschiedene Ziele 30

2 Gewinn durch erfolgreiche Kommunikation 322.1 Erfolgreiche Kommunikation macht weniger Arbeit 322.2 Erfolgreiche Kommunikation ist stressfreier 322.3 Erfolgreiche Kommunikation erhöht die Arbeitszufriedenheit 33

3 Wege erfolgreicher Kommunikation 333.1 Persönliche Beziehungen aufbauen 333.2 Die Begrüßung ist entscheidend 363.3 Verstanden werden 413.4 Verstehen 433.5 Kompetenz zeigen 443.6 Mit falschen Erwartungen sachgerecht umgehen 443.7 Gut erklären, welche Unterlagen benötigt werden 44

Inhalt

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Inhalt

3.8 Entscheidungen nachvollziehbar machen 453.9 Klientinnen und Klienten auf Leistungen hinweisen 473.10 Strategien zum Umgang mit einem anderen Rollenverständnis 473.11 Strategien zum Umgang mit anderen Zeitkonzepten 483.12 Respekt vor alten Menschen 523.13 Bedeutung von Kindern 533.14 Kleider machen Leute 54

IV Was tun bei Konflikten? 55

1 Häufig vorkommende Konflikte 552 Strategien zur Konfliktlösung 56

2.1 Nicht in einen Streit einsteigen 562.2 Nicht seine Meinung durchbringen, sondern nachfragen 572.3 Ich-Botschaften senden 572.4 Beruhigend auf die Kommunikation einwirken 572.5 Eine Pause einlegen, damit sich die Beteiligten beruhigen können 572.6 Entscheidungen nachvollziehbar machen 582.7 Sich die Lebenssituation des Klientel vergegenwärtigen 582.8 Als Vorgesetzte zur Konfliktlösung beitragen 58

3 Sich nicht von Konflikten „auffressen“ lassen 58

V Dolmetscher- und semiprofessioneller Sprachmittlereinsatz 59

1 Dolmetschereinsatz 591.1 Warum Dolmetscherinnen und Dolmetscher einsetzen? 591.2 Fachliche Anforderungen an Dolmetscherinnen und Dolmetscher 611.3 Dolmetscherinnen und Dolmetscher anfordern 62

2 Semiprofessioneller Sprachmittlereinsatz 632.1 Der Sprachmittlereinsatz und seine Vorteile 632.2 Schwachstellen des Sprachmittlereinsatzes 632.3 Professionelle Zusammenarbeit mit Sprachmittlerinnen

und Sprachmittlern 65

VI Schriftverkehr 67

VII Ein letztes Wort 68

Literatur 69

Literaturempfehlungen 72

Fortbildungsangebote 74

Register 76

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I Erfolgreiche Kommunikationals ein Beitrag zur interkulturellenÖffnung des Sozialreferates

1 Die Situation vonMigrantinnen undMigranten in München

„Die Zuwanderung von Ausländerinnenund Ausländern, Arbeitsmigrantinnen undArbeitsmigranten, Aussiedlerinnen undAussiedlern sowie Flüchtlingen hat denEntwicklungsprozess auf eine multikulturelleGesellschaft auch in München unumkehr-bar gemacht. Trotz der langen Zuwande-rungsgeschichte besteht noch immer keineChancengleichheit im Zugang zu gesell-schaftlichen Ressourcen und in der gesell-schaftlichen und politischen Durchsetzungvon Interessen der hier lebenden Bevölke-rung. Ausländer- und Asylrecht schreibendie Ungleichheit von deutschen und nicht-deutschen Einwohnern fest. Auch mit derEinführung des Kommunalwahlrechts fürEU-Bürgerinnen und -Bürger bleibenweiterhin 15 % der Wohnbevölkerung inMünchen vom Wahlrecht ausgeschlossen“(Landeshauptstadt München 2000, S. 6).

Am 31.12.2001 betrug der Anteil der aus-ländischen Bevölkerung in München 22,8 %(vgl. Landeshauptstadt München, Statisti-sches Jahrbuch 2001). Dabei muss berück-sichtigt werden, dass der Anteil von Men-schen mit Migrationshintergrund wesentlichhöher ist, da Menschen mit Migrations-hintergrund und einem deutschen Pass,z.B. Eingebürgerte, nicht berücksichtigt sind.

Ich werde im Folgenden von Migrantinnenund Migranten sprechen, wenn von Men-schen mit einem anderen kulturellen Hinter-grund als dem „deutschen“ die Rede ist.1

Die ausländische Bevölkerung ist heterogen,u.a. „in Bezug auf ihre kulturellen Hinter-gründe, den Zeitpunkt des Zuzugs nachDeutschland, den Aufenthaltsstatus, Alterund Geschlecht. Sie ist jünger als diedeutsche Bevölkerung, was in einem hohenAnteil von Kindern und Jugendlichen undeinem (noch) geringen Anteil von Seniorenzum Ausdruck kommt“ (LandeshauptstadtMünchen 2000, S. 7). Migrantinnen undMigranten kommen in München aus fast

1 Bezeichnungen wie „Gastarbeiter“, „Ausländer“ oder „Zuwanderer“ schließen wesentliche Gruppen aus. Auch der vonmir und derzeit in der deutschen Fachliteratur gebrauchte Begriff „Migrant“ trifft die gemeinte Gruppe nicht, da da-mit auch Migrantinnen und Migranten der zweiten oder dritten Generation gemeint sind, die selbst nie migriert sind(vgl. Hegemann, S. 150). Hier schließe ich Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler ein. Obwohl sie „deutsche“ Wurzelnhaben, sind sie in einer anderen Kultur aufgewachsen. Der niederländische Begriff „Allochthon“ wäre umfassender,ist aber im deutschen Sprachgebrauch so ungewöhnlich, dass ich ihn nicht verwende. Wenn es um Flüchtlinge geht,werde ich von Flüchtlingen sprechen, da diese einen anderen Aufenthaltsstatus haben, der sich stark auf ihre Lebens-bedingungen auswirkt.Im niederländischen Sprachgebrauch wird zwischen Allochthonen und Autochthonen unterschieden. Diese Begriffesind für mich neutraler und weniger stigmatisierend besetzt als Ausländer und Einheimische oder Nichtdeutscheund Deutsche. Beide Begriffe kommen aus dem Griechischen. Allochthon bedeutet: „andernorts entstanden“ (Wahrig).Autochthon heißt: „am Ort entstanden“. Mit allochthon werden im Niederländischen Menschen bezeichnet, die nichtim Lande geboren sind oder bei denen dies für mindestens einen Elternteil oder Großelternteil zutrifft.

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I Erfolgreiche Kommunikation als ein Beitrag zur interkulturellen Öffnung des Sozialreferates

190 Staaten (vgl. Landeshauptstadt Mün-chen, Statistisches Jahrbuch 2001). Ihresozioökonomische Situation ist in der Regelschlechter als die der deutschen Bevölkerung(Landeshauptstadt München 2000, S. 7).

2 Migrantinnen undMigranten als Klientel desSozialreferates München

In der oben stehenden Tabelle sindMenschen mit einem nichtdeutschen Passerfasst, die Kontakt mit den Fachstellen desSozialreferates haben.

3 Umgang mit Vielfaltals Bereicherung undAushandlungsprozess

Kulturelle Vielfalt ist ein realer Bestandteilunseres Lebens. Wir alle haben uns anPizza, Döner und Tzatziki als bereicherndeBestandteile unseres Alltags gewöhnt undwürden sie nicht missen wollen. Viele ande-re Bestandteile anderer Kulturen bereichernunser Leben, ohne dass es uns bewusst ist.Wir hören Musik aus anderen Ländern undbesuchen Yoga- und Bauchtanzkurse. Auchin der Sprache gibt es viele Wörter, die ihrenUrsprung in anderen Sprachen haben.

Vielfalt beschränkt sich nicht auf andereKulturen im Sinne von „ausländisch“. Es gibtdie unterschiedlichsten Subkulturen, dienichts mit deutsch oder nichtdeutsch zutun haben. Innerhalb einer Gruppe vonPunks herrschen andere Regeln, gibt es ei-

Nutzungsanteil durch AusländerInnen in %

ASD 36

Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt (ohne Flüchtlinge) 38,4

Stadtjugendamt Ambulante Erziehungshilfe 38,1

Schulsozialarbeit 47

Wohnungs- und Flüchtlingsamt, zur Vermittlung anstehende Haushalte 50,9

Bereich Wohnen Anteil bei der Wohnungsvergabe 41

Wohnungs- und Flüchtlingsamt, 100

Bereich Hilfen für Flüchtlinge

(Angaben Stadtjugendamt vgl. Jahresbericht 2000, alle übrigen Ämter vgl. Landeshauptstadt München,

Soziale Leistungen in Zahlen, 2000)

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nen anderen Wortschatz als innerhalb einerGruppe von christlichen Pfadfindern. Oderwenn man die Kultur von Berufsgruppennimmt, gibt es schon innerhalb des Sozial-referates große kulturelle Unterschiede zumBeispiel zwischen Sozialpädagoginnen und-pädagogen und Verwaltungsmitarbeite-rinnen und -mitarbeitern. Hier herrschenteilweise andere Werte und Denkweisen,was sich teils auch in einer anderen Spracheausdrückt.

Natürlich müssen die Menschen, die zuuns kommen, die deutsche Sprache lernen.Selbstverständlich müssen sie auch die„kulturelle Sprache“ erlernen, damit einZusammenleben möglich ist. Aber es gehtdabei nicht um eine deutsche Kultur. Diesegibt es nicht.

Manchmal sind wir mit einem für uns un-gewohnten Verhalten nicht einverstandenund wir sagen das. Beispielsweise wenn unsjemand mit Du anspricht (vgl. S. 37) oderwenn ein Mann uns als Sachbearbeiterinnicht ernst nimmt und versucht, beim männ-lichen Kollegen eine andere Entscheidungherbeizuführen (vgl. S. 47–48). ZwischenVerwaltung und Klientel gibt es ein Macht-gefälle (vgl. S. 25–26). Dadurch haben dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Be-hörde mehr Möglichkeiten als die Klientinnenund Klienten, zu definieren, welche Kultur„gilt“. Sie könnten z.B. darauf bestehen,dass die Amtssprache Deutsch, ja sogarBehördendeutsch ist. Kundenfreundlich istdas nicht und es stimmt nicht mit demstädtischen Leitbild „Wir verstehen uns alsPartnerinnen und Partner der Bürgerschaft“

überein. Darüber hinaus ist ein unflexiblerUmgang mit anderen Kulturen für die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter mit Stressverbunden. Deshalb lohnt es sich, in einemAushandlungsprozess einen Weg zu finden,mit der existierenden Vielfalt an Kulturenumzugehen.

4 Die interkulturelle Orien-tierung der LH Münchenund des Sozialreferates

Sabine Handschuck und Hubertus Schröerunterscheiden zwischen interkulturellerOrientierung und interkultureller Öffnung.Unter interkultureller Orientierung verstehensie die sozialpolitische Haltung, die aner-kennt, dass unterschiedliche Gruppen mitunterschiedlichen Interessen in der Stadt-gesellschaft leben. Dies hat eine strategischeFunktion. Ziel der interkulturellen Orientierungist das Wahrnehmen des Bedarfs und derBedürfnisse dieser Gruppen und das Er-schließen von Partizipationsmöglichkeiten.Ziel ist eine Diskursethik auf der Basis vonAnerkennung der in der Stadtgesellschaftlebenden Minderheiten. Bei der interkultu-rellen Öffnung sozialer Dienste geht es umdie handelnde Umsetzung dieser Orientie-rung (vgl. Handschuck & Schröer 2002).

Die interkulturelle Orientierung ist sowohl inden Leitlinien für eine zukunftsfähige Stadt-entwicklung der LH München als auch inden Leitlinien des Sozialreferates verankert.

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I Erfolgreiche Kommunikation als ein Beitrag zur interkulturellen Öffnung des Sozialreferates

In den Leitlinien für eine zukunftsfähigeStadtentwicklung heißt es: „Allen auf Daueroder für einen längeren Zeitraum in Mün-chen lebenden Ausländerinnen und Aus-ländern soll die Integration, d.h. die gleich-berechtigte Teilnahme u.a. an der Sozial-,Arbeitsmarkt-, Kultur- und Bildungspolitikermöglicht werden, bei Erhalt der kulturel-len Identität“ (Landeshauptstadt München1998). Kulturelle Identität meint nicht eineunveränderbare Gebundenheit an Wert- undOrientierungssystem. Kultur ist ein wechsel-seitiger Prozess, der einerseits Menschenprägt, andererseits von ihnen gestaltet wird.Damit geht es darum, in einem Aushand-lungsprozess mit allen Bevölkerungsgruppeneiner Kommune existierende Vielfalt zu ge-stalten. Auf diese Frage wird im Abschnitt„Umgang mit Vielfalt als Bereicherung undAushandlungsprozess“ näher eingegangen.

In den Leitlinien des Sozialreferates werdenals grundlegende Werte, die bestimmendfür die Arbeit des Sozialreferates sindaufgeführt:

„soziale Gerechtigkeit;gleichberechtigte Teilhabe aller am ge-sellschaftlichen Leben mit allen Rechtenund Pflichten;Achtung der Würde und Persönlichkeitder Einzelnen;Solidarität miteinander und Vielfaltuntereinander;Respektierung der individuellen Lebens-entwürfe“ (Landeshauptstadt München1997, S. 2).

Als Ziele werden für die Dienstleistungendes Sozialreferates u.a. folgende genannt:

„Soziale, ethnische (…) Benachteiligun-gen abbauen;Ausgrenzungen verhindern helfen, Integ-ration ermöglichen“ (LandeshauptstadtMünchen 1997, S. 2).

Als Maßstäbe für den Umgang mit Bürge-rinnen und Bürgern werden u.a. formuliert,dass ein Bewusstsein erwartet wird,„das die Bürgerinnen und Bürger nicht alsBittsteller sieht, sondern wie Kunden behan-delt“ (vgl. ebd., S. 5).

Es wird u.a. ein Verhalten erwartet,„das den Menschen in seiner persön-lichen Betroffenheit ernst nimmt;das geeignet ist, das Machtgefällezwischen Behörden und Bürgerinnenund Bürgern abzubauen;das sich nicht von Vorurteilen lenkenlässt“ (vgl. ebd.).

Es wird eine Dienstleistung erwartet,„die umfassend über Rechte undPflichten informiert (…),die Mut macht, Vertrauen aufbaut undRückhalt bietet,die sich kompetent auf andere Lebens-formen und die unterschiedlichstensozialen Bereiche einstellt“ (vgl. ebd.).

Diese Ziele und Maßstäbe wurden imKonzept für „die bessere Ausrichtung derRegeldienste auf die ausländische Bevöl-kerung“ konkretisiert (LandeshauptstadtMünchen 1995). „Mit diesem Konzept,das nach einer ausführlichen und durchauskontroversen Diskussion in Abstimmungmit allen Ämtern des Sozialreferates verab-

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schiedet worden ist, wird die interkulturelleOrientierung der gesamten Sozialverwaltungeiner deutschen Großstadt ausdrücklichfestgeschrieben“ (Handschuck & Schröer2001, S. 155).

5 Die interkulturelle Öff-nung des Sozialreferates

Um eine gleichberechtigte Teilnahme zu er-möglichen, bedarf es der Umsetzung derinterkulturellen Orientierung durch die inter-kulturelle Öffnung der Regeldienste. Dabeigeht es nicht nur um eine gleichberechtigteMöglichkeit für Migrantinnen und Migran-ten, die Leistungen und Dienstleistungendes Sozialreferates in Anspruch zu nehmen.Unter interkulturell verstehe ich die Begeg-nung von Menschen mit unterschiedlichenOrientierungssystemen. Dies umfasst wesent-lich mehr als die regionale oder ethnischeHerkunft. Darauf gehe ich auf der Seite 20näher ein.

Die eher allgemeinen Zielsetzungen des o.g.Konzeptes zur „besseren Ausrichtung derRegeldienste auf die ausländische Bevölke-rung“ werden in den jeweiligen Jahreszielendes Sozialreferates konkretisiert und fort-geschrieben.Zur interkulturellen Öffnung der Regel-dienste gehören u.a., dass „Konzepte bzw.Produktbeschreibungen eindeutige Aus-sagen zur interkulturellen Orientierung derEinrichtungen bzw. Produkte machen. Dieinterkulturelle Zielsetzung, interkulturelleKundenorientierung sowie interkulturelleQualitätsstandards sind unabdingbare fach-liche Voraussetzungen“ (LandeshauptstadtMünchen 2000, S. 14). Dazu kommen „dieBeseitigung von Ausgrenzungsmechanis-men durch die Verwaltungsstruktur, eineinterkulturelle Personalentwicklung durchmultikulturelle Teams und interkulturelleKompetenzvermittlung“ (ebd.).Zum Thema Ausgrenzungsmechanismengehört beispielsweise, dass Migrantinnenund Migranten bei den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern der Stadtverwaltung starkunterrepräsentiert sind. Die interkulturelleÖffnung der Regeldienste beinhaltet auchden Einsatz von Dolmetscherinnen undDolmetschern (siehe Seiten 59–66).

Als einen Beitrag zur interkulturellen Öffnungder Regeldienste gab die Sozialplanung/Geschäftsleitung des Sozialreferates zweiumfangreiche Studien in Auftrag. BeideStudien sind im Jahr 2000 erschienen. DieStudie von Philip Anderson trägt den Titel„Interkulturelle Kompetenz und die Öffnungder sozialen Dienste“. Themen der Studiesind u.a.: die Rolle von Einstellungsvoraus-

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setzungen, Vorbehalte mancher deutscherMitarbeiter gegen ausländische Kollegen,die deutsche Sprache und Amtskultur fürausländische Kolleginnen und Kollegensowie Fortbildungsveranstaltungen zurinterkulturellen Kompetenz und interkultu-relle Kompetenz als Einstellungskritierium.Die Studie von Ildikó Elisabeth Kiss-Surányihat „Interkulturelle Kommunikation“ zumThema. Für den Bereich Verwaltung fand sieheraus, dass die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter in ihrer Arbeitspraxis Strategien zurErleichterung bzw. Verbesserung der inter-kulturellen Kommunikation entwickelt haben.Sie empfiehlt in ihrem Forschungsbericht,diese Erfahrungen auf ihre Generalisierbarkeithin zu überprüfen. An diese Empfehlungknüpft meine Studie „Erfolgreiche Kommu-nikation in der interkulturellen Verwaltungs-praxis“ an.

6 Die Studie „ErfolgreicheKommunikation in derinterkulturellenVerwaltungspraxis“

Ziele meiner Studie sind dieVerbesserung der Kundenfreundlichkeitdurch gelungene Kommunikation und dieStressvermeidung für Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter und höhere Arbeits-zufriedenheit durch erfolgreiche Kom-munikation.

Da Kommunikation ein Kreislauf und wech-selseitiger Prozess ist, war es mir wichtig,auch zu erfahren, wann Klientinnen undKlienten die Kommunikation mit Verwaltungs-mitarbeiterinnen und -mitarbeitern desSozialreferates als erfolgreich ansehen.Wesentlich erschien es mir außerdem, diePerspektive von Leitungskräften zu erheben,da diese für Arbeitsbedingungen, -strukturenund -atmosphäre relevant ist.

Es geht hier teilweise nicht um interkulturelleUnterschiede. Vieles von dem, was eine er-folgreiche Kommunikation für Migrantinnenund Migranten ausmacht, trifft für alleKlientinnen und Klienten zu. Dennoch las-sen sich auch interkulturelle Unterschiedebeobachten bzw. werden in den Interviewsdeutlich.

Forschungsmethoden waren Leitfaden-interviews und teilnehmende Beobachtungim Parteiverkehr.

I Erfolgreiche Kommunikation als ein Beitrag zur interkulturellen Öffnung des Sozialreferates

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2 Dies waren acht Frauen, keine Mitarbeiterin war nichtdeutscher Herkunft.3 Dies waren fünf Frauen und fünf Männer, davon waren zwei nichtdeutscher Herkunft.4 Dies waren neun Frauen und drei Männer, davon waren elf nichtdeutscher Herkunft.5 Dies waren elf Frauen und sieben Männer, davon waren fünfzehn nichtdeutscher Herkunft.6 Dies waren eine Frau und ein Mann, beide waren nichtdeutscher Herkunft.

Um die Kommunikation im Gesamtkontexterfassen zu können, habe ich mich auf zweiArbeitsbereiche beschränkt. Dies waren dasSozialamt und das Wohnungs- undFlüchtlingsamt (Sachgebiet Wirtschaft-liche Hilfen für Flüchtlinge). Im Sozialamthabe ich acht Verwaltungsmitarbeiterinnen2

beobachtet und interviewt. Im Flüchtlings-amt waren es zehn Mitarbeiterinnen und-mitarbeiter3. In beiden Arbeitsbereichenhabe ich einen Mitarbeiter der Leitungs-ebene interviewt.

Um die Sichtweise der Klientinnen undKlienten zu erheben, habe ich zwölf Klientin-nen und Klienten4 sowie 18 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter5 von freien Trägern, dieparteilich mit Migrantinnen und Migrantenarbeiten, interviewt.

Darüber hinaus habe ich zwei Dolmetsche-rinnen und Dolmetscher6 befragt, da sieüber Kenntnisse der jeweiligen Kultur undErfahrungen wie die Kommunikation zwi-schen verschiedenen Sachbearbeiter/innenund verschiedenen Klientinnen und Klientenabläuft, verfügen.

Herkunftsländer der Befragten nicht-deutscher Herkunft waren: Afghanistan,Äthiopien, Polen, Griechenland, Kroatien,Ruanda, Russland, Syrien, Spanien undTürkei.

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1 Grundlagen derKommunikation

Der Begriff Kommunikation kommt aus demLateinischen, communicatio, was Mitteilung,Verständigung bedeutet (vgl. Heckel, S. 19).Es geht um das Übermitteln von Botschaf-ten. Die Senderin, der Sender möchte derEmpfängerin, dem Empfänger etwas mit-teilen. Als Modell dargestellt, sieht die kleinsteAnalyse-Einheit der Informationsübermitt-lung aus, wie in nebenstehender Abbildunggezeigt.

Die Botschaft existiert erst einmal im Senderselbst. Um sie dem Empfänger zugänglichzu machen, muss er sie in Worte fassen.Dieser Vorgang wird als Verschlüsseln oderKodieren bezeichnet. Der Empfänger hörtdie Botschaft und muss sie entschlüsselnoder dekodieren. Die Kommunikation istgelungen, wenn das, was der Sender, dieSenderin ausdrücken wollte, beim Empfän-ger, bei der Empfängerin so ankommt. Jedeund jeder weiß aus der täglichen Erfahrung,dass dies nicht immer gelingt. Das, was wirsagen wollten, kommt nicht immer so an,wie wir es gemeint haben. Oft reden wiraneinander vorbei (vgl. Leupold, S. 29–31).Dies kann insbesondere dann der Fall sein,wenn wir aus unterschiedlichen kulturellenHintergründen kommen (vgl. S. 20–22).

Die gesprochene Sprache macht nur einensehr geringen Teil der Kommunikation aus.Zu einem weit größeren Teil beeinflusst dasNonverbale die Kommunikation. Es ist er-staunlich, dass die nonverbalen Komponen-

ten einer Kommunikation 65 % des Trans-portes von Botschaften ausmachen (Wahr-lich, S. 14). In der Regel geht man davon aus,dass das Nonverbale universell ist, also aufder ganzen Welt gleich und angeboren. Des-halb denkt man, dass man nur die gespro-chene Sprache als Fremdsprache erlernenmuss. Aber so ist es nicht. Nonverbale Unter-schiede sind weitaus schwieriger als verbalebewusst wahrzunehmen, da sie meist un-bewusst ablaufen. Beispielsweise ist es inDeutschland in der Regel höflich, jemandenbeim Sprechen in die Augen zu sehen. Dieswird als Interesse und Aufmerksamkeit be-wertet. In anderen Kulturen kann dies alssehr unhöflich und als ein Zeichen von Re-spektlosigkeit angesehen werden. Mehr zur„kulturellen Sprache“ auf den Seiten 23–24.

Kommunikation geht nicht nur vom Senderzum Empfänger, sondern ist ein Kreislauf:Der Sender sendet verbal und nonverbalBotschaften. Der Empfänger nimmt dieseBotschaften entgegen und sendet selbstBotschaften. Dies ist ein ständiger Kreislauf.

Kommunikationsfortbildungen und inter-kulturelle Fortbildungen sind eine Hilfe, Bot-schaften so zu kodieren, dass sie möglichstdas übermitteln, was übermittelt werdensollte. Sie sind auch nützlich im Erlernen desDekodierens von Botschaften unterschied-lichster Senderinnen und Sender. Sie kön-nen aber nicht garantieren, dass das, wasmitgeteilt werden soll, beim anderen so an-kommt. Was der Empfänger versteht, istnicht immer das, was der Sender beabsich-tigte zu sagen. Die Bedeutung der Botschaftzeigt sich deshalb in der Reaktion des Emp-

II Faktoren und Bedingungenvon Kommunikation in der inter-kulturellen Verwaltungspraxis

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fängers. Es gibt keine Patentrezepte fürerfolgreiche Kommunikation. Man mussständig neu entscheiden, auf was und wieman reagiert. Kommunikation ist ein Kreislaufzwischen sehr unterschiedlichen Menschen.Erst wenn man Unterschiede respektierenkann, kann man durch seine Kommunikationden Empfänger mit der Botschaft erreichen(vgl. Heckel, S. 36–37).

2 Bedingungen, diedie Kommunikationbeeinflussen

2.1 Die Begegnung von Men-schen mit unterschiedlichenOrientierungssystemen7

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derVerwaltung und Migrantinnen und Migran-ten miteinander sprechen, begegnen sichMenschen mit unterschiedlichen Orientie-rungssystemen. Schon ohne Migrations-hintergrund können sich bei der Kommuni-kation zwischen Bürgerinnen und Bürgernund der Verwaltung zwei sehr unterschied-liche Kulturen begegnen. Die Welt der Ver-waltung bringt ein besonderes System vonKonzepten, Überzeugungen, Einstellungenund Werteorientierungen mit sich. Hierwirken das Gesetz und die Erfordernissevon Verwaltungsvorgängen. Dazu gehörtbeispielsweise, dass zur Bearbeitung einesAnliegens Unterlagen erforderlich sind. Dies

ist für die KlientInnen nicht immer einsichtig.Die Verwaltungswelt hat ihre eigene Spracheund ihre eigenen Abkürzungen. Hier gibt esnicht nur für Migrantinnen und Migranteneinen Übersetzungsbedarf. Wer kann sichschon etwas unter dem Begriff „unterhalts-verpflichteter Angehöriger“ vorstellen?

Darüber hinaus können sich in der Kommu-nikation zwischen Verwaltung und Migran-tinnen und Migranten auch andere Kultur-unterschiede bemerkbar machen. Es kannum Unterschiede im Alter, der Schicht, demBildungsstand, der Religion, des Geschlechtsoder um ethnische bzw. regionale Unter-schiede gehen. So kann beispielsweise das,was als höflich oder „normal“ angesehenwird, sich in verschiedenen Ländern unter-scheiden. Manchmal kommt es dadurch zuMissverständnissen oder Konflikten.

Eine Orientierung, um Kulturen analysierenzu können, geben Kulturstandards, wie z.B.die Dimensionen von Geert Hofstede. Aller-dings sind diese Dimensionen nur vorläufigeAnnahmen zum besseren Verstehen. Des-halb ist Vorsicht geboten! Sie sind ein Mittelfür Erklärungsversuche von wahrgenomme-nem Verhalten. Wichtig ist aber, den Men-schen und seine Situation jenseits dieser„Schubladen“ wahrzunehmen. Insbeson-dere durch Modernisierungsprozesse sindMenschen, die aus bei Hofstede kollektivis-tisch eingestuften Kulturen kommen, oft„individualistisch“ in ihren Werten und ihremVerhalten.

Hofstede hat bei seinen Forschungen in 50Ländern vier Kategorien entwickelt, mit deren

II Faktoren und Bedingungen von Kommunikation in der interkulturellen Verwaltungspraxis

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Hilfe sich ethnische bzw. regionale Kulturen8

analysieren lassen. Diese Kategorien, die erDimensionen nennt, sind Aspekte einer Kul-tur, mit deren Hilfe sich Kulturen vergleichenlassen. Diese vier Dimensionen sind:

Kollektivismus gegenüber Individualismus,Machtdistanz,Unsicherheitsvermeidung,Femininität gegenüber Maskulinität.

Auf „Kollektivismus gegenüber Individualismus“und „Machtdistanz“ werde ich im Folgendennäher eingehen, da diese Dimensionen guteHilfen sind, um die interkulturellen Unter-schiede, die mir bei meiner Forschungbegegnet sind, zu erklären.

Kollektivismus gegenüberIndividualismusIm Vergleich mit der Türkei ist Deutschlandz.B. eine eher individualistische Gesellschaft.Das heißt aber nicht, dass alle Menschentürkischer Herkunft kollektivistisch orientiertsind. Das sagt nur etwas über eine tenden-zielle Ausrichtung in einer Kultur aus. Undnicht alle in Deutschland lebenden Migran-tinnen und Migranten kommen aus kollekti-vistischen Gesellschaften. Auf HofstedesIndividualismusindex rangiert z.B. die USAan erster Stelle, Italien an siebter Stelle, dieBundesrepublik Deutschland an 15. Stelle,

die Türkei an 28. Stelle, Griechenland an 30.Stelle und Guatemala an 53. Stelle (S. 69–70).

„Individualismus beschreibt Gesellschaften,in denen die Bindungen zwischen denIndividuen locker sind: Man erwartet vonjedem, daß er für sich selbst und seine un-mittelbare Familie sorgt. Sein Gegenstück,der Kollektivismus, beschreibt Gesellschaften,in denen der Mensch von Geburt an instarke, geschlossene Wir-Gruppen integriertist, die ihn ein Leben lang schützen unddafür bedingungslose Loyalität verlangen“(Hofstede, S. 66).

Ein Kennzeichen der Unterscheidung vonkollektivistischen und individualistischen Ge-sellschaften ist Aufgabenorientierung versusBeziehungsorientierung. In unserer eherindividualistischen Gesellschaft „gilt die Auf-gabe als vorrangig vor jeglicher persönlicherBeziehung“ (Hofstede, S. 89). Überträgtman das auf die Arbeit einer Behörde, gehtes den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern inerster Linie um eine korrekte Sachaufgaben-erfüllung. „In der kollektivistischen Gesell-schaft hat das persönliche Verhältnis Vor-rang vor der Aufgabe und sollte als erstesaufgebaut werden“ (Hofstede, S. 89).Migrantinnen und Migranten, die aus eherkollektivistischen Gesellschaften kommen,

7 Hier beziehe ich mich auf den Kulturbegriff der „Leitlinien für eine interkulturell orientierte Kinder- und Jugendhilfeauf Grundlage des § 9 Absatz 1 und 2 KJHG“ (Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Stadtjugendamt, Beauftragtefür interkulturelle Arbeit 2000).

8 Er nennt das, was ich als ethnische bzw. regionale Kulturen bezeichne, nationale Kulturen. Dieser Begriff greift mei-ner Meinung nach nicht, da es innerhalb einer Nation sehr unterschiedliche ethnische und regionale Kulturen gebenkann. So können Menschen, die beispielsweise in einer Großstadt aufgewachsen sind, wesentlich anders geprägtsein als Menschen, die auf dem Land aufgewachsen sind.

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fühlen sich in der Regel dann höflich undrespektvoll behandelt, wenn aus der Kom-munikation ersichtlich ist, dass sie persönlichwahrgenommen werden.

MachtdistanzGeert Hofstede definiert Machtdistanz „alsdas Ausmaß, bis zu welchem die wenigermächtigen Mitglieder von Institutionen bzw.Organisationen eines Landes erwarten undakzeptieren, daß Macht ungleich verteilt ist“(S. 32). In einer Kultur mit einer relativ hohenMachtdistanz, wie beispielsweise in Ex-Jugoslawien, sind hierarchische Strukturenin Organisationen ein Spiegelbild einer Un-gleichheit, die von Natur aus zwischen eineroberen und einer unteren Schicht besteht.Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten,Anweisungen zu erhalten, statt in Entschei-dungen einbezogen zu werden. Privilegienund Statussymbole für Manager undManagerinnen werden erwartet und sindpopulär. Der ideale Vorgesetze ist der wohl-wollende Alleinherrscher oder der gütigeVater (vgl. Hofstede, S. 46).

2.2 Umgang mit Sprache

Von der Schwierigkeit, eine Fremd-sprache zu erlernenWenn man selbst schon einmal eine Fremd-sprache erlernt hat, weiß man, dass dasnicht einfach ist und es eine Weile dauernkann, bis man eine Sprache so gut spricht,dass man sich über komplexe Sachverhalteverständigen kann. Ein Gespräch auf einerBehörde ist ein komplexer Sachverhalt undmit geringen Sprachkenntnissen eine große

Herausforderung. Besonders schwierig istauch das Telefonieren in einer fremdenSprache. Menschen, die aus Gründen derFlucht, der Arbeitsmigration oder desFamiliennachzuges neu nach Deutschlandgekommen sind, müssen erst die deutscheSprache lernen. Es ist leicht nachzuvollziehen,dass sie diese nicht sofort beherrschen.Hier könnte man sagen: Aber wie ist das mitMenschen, die schon lange in Deutschlandsind?

Als 1955 die Bundesanstalt für Arbeit imAuftrag der Bundesregierung den erstenAnwerbevertrag mit Italien abschloss, gingensowohl die Menschen, die zu uns kamen,als auch die deutschen Politikerinnen undPolitiker davon aus, dass dies zeitlich befristetsein wird (vgl. Treibel, S. 55). Die Menschen,die zu uns kamen, stellten sich darauf ein,dass sie in einigen Jahren wieder in ihreHeimat zurückkehren würden. Auch diedeutschen Politikerinnen und Politiker sowiedie Unternehmen gingen davon aus, dassdiese Menschen nach wenigen JahrenDeutschland wieder verlassen würden. Eswurde lange verleugnet, dass Deutschlandein Einwanderungsland ist und es gab keineKonzepte für Integration. Für diese Men-schen wurden keine Sprachkurse angebotenund sie selbst ergriffen oft keine entspre-chende Initiative, da sie davon ausgingen,dass sie dieses Land wieder verlassen wür-den. Viele von ihnen, die inzwischen zumTeil über vierzig Jahre in Deutschland leben,haben die deutsche Sprache nicht oder nurschlecht gelernt. Bei diesen kann man auchdavon ausgehen, dass nur wenige von ihnendies im Alter nachholen werden. Diese

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Menschen haben ihr gesamtes Arbeitslebenin Deutschland verbracht. Es steht ihnen zu,die sozialen Dienstleistungen gleichberech-tigt in Anspruch nehmen zu können.Inzwischen bekennt sich die BundesrepublikDeutschland dazu, ein Einwanderungslandzu sein, und hat mit dem Zuwanderungs-gesetz Instrumente für Integration gesetz-lich verankert, z.B. den rechtlichen Anspruchauf einen Sprachkurs und die Verpflichtung,einen solchen zu besuchen.

Die kulturelle SpracheNoch schwieriger, als eine Fremdsprache zuerlernen, ist es, die „kulturelle Sprache“ zuerlernen. In der eigenen Kultur weiß manz.B., wie man sich „angemessen“ und höf-lich verhält. Heinz-Günter Vester nennt dieskulturelle Kompetenz. Zu dieser „kulturellenSprache“ gehören beispielsweise

der Umgang mit Zeit (S. 48–52),das Verhältnis von Aufgabenorientierungund Beziehungsorientierung (S. 21),das Verhältnis zu Machtunterschieden(S. 22)und die Wertigkeit von Alter (S. 52–53).

Die „kulturelle Sprache“ ist zum größten Teilunbewusst und dadurch viel schwieriger zuerlernen als die gesprochene Sprache. EinenMann aus Äthiopien habe ich gefragt, ob esetwas gibt, was ihn am Anfang in Deutsch-land irritiert hat. Er antwortete mir: „Wenndie Deutschen sprechen, sprechen sie laut,auch wenn sie nicht streiten. Das ist normalfür die Deutschen. Sie machen das mit

Freunden und auch bei Fremden. Bei unswird mit Fremden leise gesprochen. Zuersthabe ich das als unhöflich und als Hassinterpretiert. Jetzt habe ich es gelernt.“ Die-ser Mann ging am Anfang in Deutschlanddavon aus, dass lautes Sprechen, genausowie in seiner Heimat, mit einer Auseinander-setzung verbunden ist. Da er davon ausging,dass es genauso ist wie bei ihm zu Hause,kam er nicht auf die Idee, nachzufragen,was es bedeutet, wenn jemand laut mit ihmspricht. Er dachte erst einmal, dass jemandmit ihm oder anderen streitet. Erst im Laufeder Zeit hat er gelernt, lautes Sprechen als„normal“ zu interpretieren.

Kulturelle Sprachen richtig interpretierenMigrantinnen und Migranten kommen inMünchen aus fast 190 Staaten (vgl. Landes-hauptstadt München, Statistisches Jahr-buch 2001). Es ist natürlich unmöglich,über all diese Kulturen Bescheid zu wissen.Wichtig ist zu wissen, dass sich Kulturenunterscheiden können (vgl. S. 20–22).

Darüber hinaus geht es um die Haltung an-zuerkennen, dass Kulturen gleichwertig sindund dass es keine besseren oder schlechte-ren Kulturen gibt9. Eine große Hilfe ist es,etwas über Kulturunterschiede zu wissen undmit den Irritationen, dass sich Menschenanders verhalten, als es für einen „normal“und „angemessen“ ist, umgehen zu können.Dass man sich, wenn sich jemand andersverhält, als das in der eigenen Kultur fürhöflich erachtet wird, nicht sofort persönlich

9 Wobei Kulturen nichts Statisches, sondern einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen sind (vgl. S. 12–13).

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angegriffen fühlt, sondern erst einmal „einenSchritt zurückgehen“ und reflektieren kann,was „da gerade abläuft“. Natürlich ist nichtalles, was anders ist als das, was man selbstfür höflich erachtet, auf kulturelle Unter-schiede zurückzuführen. Dieses Buch möchteeinen Beitrag zu einem stressfreieren Um-gang mit kulturellen Unterschieden leisten.

Interkulturelle Fortbildungen sind eine guteVoraussetzung, um mehr über den Umgangmit kulturellen Unterschieden zu erlernen.Welche interkulturellen Fortbildungen imSozialreferat angeboten werden und wieman sich dafür anmelden kann, können Sieauf den Seiten 74–75 nachlesen.

2.3 Lebenskontext „in derneuen Heimat“

Ich fragte einen Flüchtling, wann er zufrie-den aus dem Sachgebiet WirtschaftlicheHilfen für Flüchtlinge hinausgeht. Er ant-wortete: „Und wissen Sie, alles hängt vomAufenthaltsstatus ab, das ist das Wichtigsteder ganzen Leistungsabteilung.“ Hier wirdsehr deutlich, wie stark der Aufenthaltsstatusdas gesamte Lebensgefühl von Menschenunterschiedlichster Nationalitäten prägt. DieMenschen sind oft unter Druck. Sie habenSchwierigkeiten mit den Hausmeistern undHeimleitern in den Unterkünften. Sie habenSchwierigkeiten mit den Versicherungen.Statt Sozialhilfe gibt es Sachleistungen, de-nen ein um 20–25 % gekürzter Sozialhilfe-satz zu Grunde liegt. Das heißt, sie könnennicht einmal entscheiden, was sie essen.

Die meisten würden gerne arbeiten. Fürdas erste Jahr nach der Einreise gibt esein Arbeitsverbot. Danach erhalten sie eineArbeitserlaubnis nur für eine Beschäftigung,für die das Arbeitsamt keinen Deutschenoder EU-Ausländer gefunden hat.

Das Schlimmste ist die Angst, dass der Auf-enthalt nicht verlängert wird: „Weil, wennman keine Verlängerung seines Aufenthaltsbekommt und zu seiner Botschaft fahrenmuss, weiß man, wenn man das tut, dassdas für einen das Ende bedeutet. Viele den-ken, wenn ich das mache, dann töten diemich in meinem Heimatland.“

Auf den Aufenthaltsstatus haben die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter natürlich keinenEinfluss. Wichtig ist, dass ihnen bewusst ist,dass Unsicherheit und Angst bei manchenihrer Klientinnen und Klienten wichtige Fak-toren sind, die sich auf die Kommunikationauswirken. Dies kann sehr verschieden zumAusdruck kommen. Manchmal fühlen sichMenschen durch ihre Angst völlig blockiertund sind unfähig, ihr Anliegen zu formulie-ren. Die sonst vorhandenen Deutschkennt-nisse sind plötzlich verschwunden – wasbleibt, ist Sprachlosigkeit. In manchen Fällenkönnen sich Unsicherheit und Angst inaggressivem Verhalten ausdrücken.

Auch abgesehen vom Aufenthaltsstatus istdas Leben in einer neuen Kultur mit einemGefühl der Unsicherheit verbunden. Eine(ehemalige) Klientin des Sachgebietes Wirt-schaftliche Hilfen für Flüchtlinge – ein sogenannter Kontingentflüchtling aus einemLand der ehemaligen Sowjetunion – fragte

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ich, wann sie aus einer Behörde hinausgehtund zufrieden ist. Sie antwortete nicht mitihren Erwartungen an eine Behörde, son-dern stellte ihr Lebensgefühl aus dieser Zeitdar: „Wissen Sie, als wir hierher gezogensind, da war alles neu und wir wusstennicht, wohin wir sollen und was wir tunsollen.“ Dies spielt insbesondere für ältereMenschen eine Rolle. Manche fühlen sichverwirrt und unsicher: „Junge Leute, diesehen nur die Zukunft vor sich und diedenken nur an Gutes. Wir sind hierher ge-zogen, wir fangen ein neues Leben an. Fürältere Leute ist das anders. Die denken nuran das, was sie zurückgelassen haben.“

2.4 Machtgefälle zwischenVerwaltung und Klientel

Konflikte gibt es in der interkulturellen Kom-munikation nicht nur durch Missverständ-nisse auf Grund unterschiedlicher Werte,Normen und Verhaltensweisen, sondernauch durch die Tatsache, dass eine Parteidie Definitionsmacht darüber hat, was nor-mal, höflich und angemessen ist (vgl. Weiß2001a, S. 15 ff.; Weiß 2001b, S. 277 ff.).Das Machtgefälle ist trotz des Anspruchsauf Kundenorientierung wichtiger Bestand-teil der Kommunikation. Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter haben die Möglichkeit undden Auftrag, im Rahmen des GesetzesEntscheidungen zu treffen. Dies beinhaltetErmessensspielräume. Deshalb haben sieinnerhalb berechenbarer Regeln Macht.Damit sind die Rahmenbedingungen derKommunikation asymmetrisch.

Auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, diesehr respektvoll mit Klientinnen und Klientenumgehen, machen im Konfliktfall von ihrerMacht Gebrauch. Wenn sich Klientinnenund Klienten „stur stellen“, wenn sie sagen:„das interessiert mich jetzt nimmer, mit dirred ich nimmer“ oder laut werden, „dannmuss man halt zu anderen Mittel greifen,und ihnen die rechtlichen Konsequenzenaufzeigen. Es geht halt manchmal nichtanders. Dann muss ich denen, so nett undfreundschaftlich das Gespräch vorher ist,dann muss ich die Distanz noch größerwerden lassen und doch im Über- undUnterordnungsverhältnis arbeiten und ganzklar sagen: Junge, bis jetzt hab ich’s soversucht, aber ich kann auch anders.“

Eine andere Mitarbeiterin sagte, dass sie insolchen Fällen ganz ruhig bleibt und sagt:„Dann ist das Gespräch für mich beendet,Sie müssen mit Konsequenzen rechnen,tut mir Leid für Sie.“

Die Möglichkeit, im Konfliktfall die Machteinsetzen zu können, ist eine Rahmenbedin-gung der Kommunikation und unabhängigvon den jeweiligen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern. Diese müssen ihrem Arbeits-auftrag gerecht werden und im Konfliktfallihre Macht gebrauchen. Wichtig ist einreflektierter und verantwortungsbewussterUmgang mit dieser Macht, damit der Macht-gebrauch kein Machtmissbrauch wird.

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Das heißt, dass man seinen eigenen Ärgerreflektiert und vermeidet, dass man aufGrund des eigenen Ärgers z.B. Leistungenvorenthält oder es dem Klientel durch dasAnfordern von mehr Unterlagen als nötigerschwert, Leistungen zu bekommen.

Eine Sozialpädagogin, die parteilich mit jun-gen Migrantinnen arbeitet, spricht über dieAbhängigkeit der Klientinnen und Klientenvon den Entscheidungen der Behörde:„Wenn eine Migrantin Kontakt mit demSozialreferat aufnimmt, ist sie immer ineiner Krisensituation, das heißt, sie will was,sie braucht was und sie ist von Entschei-dungen abhängig.“

Zwei junge Flüchtlinge haben mir von Situa-tionen berichtet, in denen sie sich Behördengegenüber ohnmächtig gefühlt haben. Siehaben oft erlebt, dass man als Ausländerkeine Rechte und keine Ansprüche hat.Wenn man eine Auseinandersetzung miteiner Behörde oder mit der Polizei hat, kannman sich zwar verteidigen, bekommt aber

oft nicht Recht, selbst wenn man im Rechtist. Dies löst das Gefühl aus: „Du brauchstdich nicht quälen, geh raus, du kriegst ehnicht Recht. Du musst damit leben.“ Klien-tinnen und Klienten machen die Erfahrung,dass es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterder Verwaltung gibt, die sich nicht immerkorrekt verhalten und ihre Macht missbrau-chen. Diese Erfahrung beeinflusst natürlichdie Kommunikation mit Behörden. Dies kannsich u.a. in Angst, Misstrauen oder aggres-sivem Verhalten ausdrücken. Da kann essein, dass man als Mitarbeiterin oder Mit-arbeiter „Ärger abbekommt“, der mit denbisherigen Behördenerfahrungen zu tun hat.

Hinzu kommt, dass Migrantinnen und Mig-ranten oft das Machtgefälle größer erscheint,als es faktisch ist. Hier spielen u.a. die Erfah-rungen, die im Heimatland mit Behördengemacht wurden, eine Rolle (vgl. S. 45).

Die Klientinnen und Klienten kommen teil-weise aus Ländern, in denen die Verwal-tungsvorgänge nicht nach berechenbarenRegeln ablaufen und der Staat als mächtigerGegner erlebt wird. Gerade bei im Herkunfts-land unterdrückten Minderheiten kann essein, dass das Misstrauen gegenüberBehörden sehr groß ist.

Dazu kommt, dass oft das Wissen im Um-gang mit Behörden fehlt. Deshalb ist essinnvoll, dass man selbst die Abläufe undRegeln der eigenen Behörde genau erklärt.

II Faktoren und Bedingungen von Kommunikation in der interkulturellen Verwaltungspraxis

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III Forschungsergebnissezur Kommunikation in derVerwaltungspraxis

1 ErfolgreicheKommunikation

Wie die Schritte einer Kommunikationaussehen, die man als respektvoll und gutempfindet, ist einem so selbstverständlich,dass es den Interviewpartnerinnen undInterviewpartnern teilweise schwer fiel, sie zubeschreiben. Dies trifft sowohl auf die Ver-waltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiterals auch auf die Klientinnen und Klientenzu. Dazu eine junge Frau aus Afghanistan:„Jeder Mensch möchte gut behandelt wer-den, das ist nicht sehr verschieden. Das istganz normal.“ Verwaltungsmitarbeiterinnenhatte ich gefragt, worauf sie bei der Be-grüßung achten. Sie antworteten: „Auf garnichts.“ Bei meiner Beobachtung hatte ichfestgestellt, dass diese Verwaltungsmitarbei-terinnen die Begrüßungssituation sehr gutgestalteten. Als ich ihnen beschrieb, wie siedas tun, antworteten sie: „Das ist dochnormal.“ Es geht hier teilweise nicht uminterkulturelle Unterschiede.

Vieles von dem, was eine erfolgreiche Kom-munikation für Migrantinnen und Migrantenausmacht, trifft für alle Klientinnen undKlienten zu. Dennoch lassen sich auch inter-kulturelle Unterschiede beobachten, die inden Interviews deutlich werden.

Auf die Notwendigkeit, sich auf Unterschie-de einzustellen und zu differenzieren, habenmeine Gesprächspartnerinnen und -partnersowohl vonseiten der Verwaltung als auchvonseiten des Klientel immer wieder hinge-wiesen. Das heißt, es kommt auf die jeweili-

gen Gesprächspartner und -partnerinnenund die Situation an. Vieles, was zu einergelungenen Kommunikation beiträgt, lässtsich nicht verallgemeinern. Dennoch gibt eseinige grundsätzliche Verhaltensmerkmale, diezu einer gelungen Kommunikation beitragen.

1.1 Erfolgreiche Kommunika-tion aus der Sicht vonKlientinnen und Klienten

In folgendem Abschnitt wird erfolgreicheKommunikation aus der Sicht von Klientinnenund Klienten dargestellt. Hier fließen nichtnur die Interviews mit den Klientinnen undKlienten selbst ein, sondern auch die mitparteilichen Expertinnen und Experten (z.B.Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Mig-rationssozialdiensten) sowie Dolmetscherin-nen und Dolmetschern.

Die Erfüllung ihres Anliegens ist das offen-sichtlichste Kriterium einer gelungenenKommunikation aus der Sicht von Klien-tinnen und Klienten. Dies ist nicht immereinfach, da sie manchmal mit falschen Vor-stellungen kommen und nicht alles, was siemöchten, machbar ist. Manchmal empfindensie das Gespräch auch als gelungen, wenndas Anliegen nicht erfüllt werden konnte.

Für Klientinnen und Klienten ist es wichtig,dass sie nachvollziehen können, warumwelche Entscheidung getroffen wurde.Dies ist insbesondere dann der Fall, wennihr Anliegen nicht in der gewünschten Formerfüllt werden konnte. Mehr zum Thema

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

„Entscheidungen nachvollziehbar machen“auf den Seiten 45–46.

Zur Zufriedenheit der Klientinnen undKlienten trägt bei, wenn sie die nötigenInformationen bekommen oder die Fragen,die sie hatten, befriedigend beantwortetworden sind. Wenn ihr Anliegen nichtwunschgemäß erfüllt werden konnte, möch-ten sie wissen, warum es nicht möglich waroder unter welchen Voraussetzungen esmöglich wäre. Sie möchten informiert wer-den, welche Schritte sie unternehmen müs-sen, damit ihr Anliegen erfüllt werden kann.

Klientinnen und Klienten fühlten sich auchdann gut behandelt, wenn sie gemerkt ha-ben, dass der Sachbearbeiter versucht hat,ihnen zu helfen, die Problemlösung abernicht im Rahmen seiner Möglichkeiten liegt.

Klientinnen und Klienten wünschen sich,mit Respekt behandelt zu werden.

Wenn man freundlich behandelt wird, trägtdies zur Zufriedenheit bei, auch wenn dasAnliegen nicht erledigt werden konnte:„Wenn man in ein Amt geht und etwaserledigen will – ob es dann klappt odernicht, das ist was anderes – und wenn einBeamter oder eine Beamtin freundlich ist,dann ist das eine Erleichterung und manhat ein gutes Gefühl – auch wenn man wasnicht erreicht hat, ist man trotzdem zufrie-den. Aber es gibt Situationen, da geht manhin und wird geschimpft und dann mussman traurig heimgehen.“

Es ist sehr wohltuend, wenn man freund-lich behandelt wird. Ein junger Mann erzähltvon seinen positiven Behördenerfahrungen,die ihm seine schwierige Lebenssituationerleichtert haben:Klient 1: „Manchmal sind da Leute, dadenkt man, die sind ja wie der liebe Gott…“ (lacht), „der auch die Menschen in derWelt erschaffen hat …“Interviewerin (lacht): „Und wie ist das dann,wenn jemand ist wie der liebe Gott?“Klient 2: „Also, man hat ein gutes Gefühl,man hat Freude und man denkt nicht, wirhaben genug Schwierigkeiten: Wenn einesolche Sache dazukommt, dann freut mansich, sagt, Gott sei Dank, wenigstens einnettes Lächeln oder ein nettes Verhältnis.“

Klientinnen und Klienten wünschen sichVerständnis, d.h. dass die Sachbearbeite-rinnen und Sachbearbeiter ihren Lebens-hintergrund berücksichtigen, z.B. mit denProblemen, die der Aufenthaltsstatus mitsich bringt (siehe Seiten 24–25).

Sie wünschen sich, verstanden zu werden,auch wenn es für sie manchmal nicht ein-fach ist, sich verständlich auszudrücken,wenn sie die Sprache nicht so gut könnenund sie nicht wissen, welcher Sachverhaltfür die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter re-levant ist. Viele sind in einer Krisensituation,dadurch erfolgt der Besuch einer Behördeunter einem sehr großen Druck und er-schwert die Ausdrucksmöglichkeiten ineiner fremden Sprache. Mehr zum ThemaKlientinnen und Klienten verstehen auf derSeite 43.

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Klientinnen und Klienten sind zufrieden,wenn sie sicher sind, dass sie verstandenhaben, was ihnen gesagt wurde. Das Ge-fühl, nicht alles verstanden zu haben oderdas Wichtigste nicht verstanden zu haben,macht sehr unsicher. Man weiß nicht, mitwelchen Konsequenzen man rechnen muss.Hat man etwas nicht verstanden, das für daseigene Leben von großer Bedeutung ist?Versäumt man etwas zu unternehmen, weilman nicht verstanden hat, was zu tun ist?

In eher kollektivistischen Gesellschaften(siehe Seite 21) spielt der Aufbau vonmenschlichen Beziehungen eine größereRolle als in eher individualistischen Gesell-schaften. Dort kommt die Beziehung vorder Aufgabe, d.h. die Frage: „Wie geht esIhnen?“ kommt vor der Frage: „Was möch-ten Sie?“ (vgl. „Persönliche Beziehungenaufbauen“, S. 33–36).

1.2 Erfolgreiche Kommunika-tion aus der Sicht von Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sindzufrieden, wenn sie das Gefühl haben,dass die Klientinnen und Klienten sieverstanden haben.

Bei der Auswertung meiner Interviews fiel mirauf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterals Ziel erfolgreicher Kommunikation nann-ten, dass die Klientinnen und Klienten ver-stehen, was ihnen gesagt wird. Sie führennicht explizit als Ziel an, dass sie selbst dieKlientinnen und Klienten verstehen.Beim Interview mit den beiden Führungs-kräften kam als Antwort auf die Frage, wanndie Kommunikation aus ihrer Sicht für dieMitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfolgreichwar, dass es wichtig ist, dass beide verstehen.Dass die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter ver-steht, was die Klientin, der Klient erwartetund die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter esschafft, zu vermitteln, welche Leistungenvon der Behörde erbracht werden könnenund welche nicht.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zufrie-den, wenn die Klientinnen und Klienten zuden verabredeten Terminen gekommen sind.

Sie sind zufrieden, wenn die Klientinnenund Klienten die für die Bearbeitung desAnliegens notwendigen Angaben machenund die erforderlichen Unterlagen voll-ständig mitbringen. Oder wenn sie dasGefühl haben, dass die Klientin, der Klient

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

verstanden hat, was noch benötigt wirdund was noch erledigt werden muss.

Das ist eine gute Voraussetzung, dass dasAnliegen erledigt werden kann. Die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter sind zufrieden,wenn sie die Dienstleistung effizient erbringenkönnen.

Bei der Erledigung des Anliegens ist dieZufriedenheit der Klientin, des Klienten einwichtiges Kriterium. Die Kommunikation warerfolgreich, wenn beide Seiten zufrieden sind.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen,mit Respekt behandelt zu werden.Sie möchten, dass ihre Arbeit anerkanntwird: „Die kommen vorbei, sie bedankensich nochmals, sie freuen sich und das findeich schön.“ Sie erleben dadurch ihre Arbeitals sinnvoll: „Das sind die kleinen Erfolgser-lebnisse, die mir sehr gut tun und wodurchich sage, das war’s jetzt und das war richtig.Und was mir Spaß macht an der Arbeit.“Positive Rückmeldungen kommen nach derErfahrung von Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern häufiger von Migrantinnen undMigranten als von Deutschen.

Mitarbeiterinnen möchten als Frau ernstgenommen werden. Näheres zu diesemThema unter „Umgang mit einem anderenRollenverständnis“ auf den Seiten 47–48.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchtenvon den Klientinnen und Klienten nicht zufordernd behandelt werden. Sie wünschensich vonseiten der Klientinnen und KlientenVerständnis, dass man sie bei einem vollen

Terminkalender nicht einfach einschiebenkann und „dass man nicht beim ersten MalGeld auszahlen kann und dafür gewisseUnterlagen braucht.“ Sie wünschen sich,dass die Klientinnen und Klienten merken,dass man – wenn man auch noch die Kolle-gin vertritt – nicht alles sofort erledigen kann.

1.3 Ähnliche und dochverschiedene Ziele

Die Ziele sind ähnlich und doch verschie-den. Sowohl Klientinnen und Klienten alsauch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehtes um das Erbringen der Dienstleistung derBehörde, doch die Perspektive ist eine an-dere. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-bringen Dienstleistungen im Rahmen vonGesetzesauftrag und Verwaltungsvorschrif-ten. Sie haben es mit vielen verschiedenenKlientinnen und Klienten zu tun. Selbst wennsie als Privatperson gerne optimal auf dieNotlage eines Klienten, einer Klientin einge-hen würden, ist es ihnen nicht möglich. ImRahmen ihrer Berufsrolle haben sie für dasmöglichst reibungslose Erbringen der Dienst-leistung – bei Gleichbehandlung der Klien-tinnen und Klienten – zu sorgen. Manchmalkommen sie dabei in einen Rollenkonflikt,wenn sie Gesetze und Verwaltungsvorschrif-ten als ungerecht und menschenunwürdigempfinden, die sie jedoch vollziehen müssen.

Diese Unterschiede in der Zielsetzung sinddie Ursachen für mögliche Konflikte. Mehrzum Thema „Umgang mit Konflikten“ findenSie auf den Seiten 55–58.

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

2 Gewinn durch erfolg-reiche Kommunikation

2.1 Erfolgreiche Kommunika-tion macht weniger Arbeit

Die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter mit Parteiverkehr haben einen enormenArbeitsdruck. An einigen Stellen diesesBuches werden sie vermutlich sagen: „Dafürhabe ich nicht die Zeit. Ich habe keine Zeit,um nach der Begrüßung auch noch dieKlientin, den Klienten zu fragen, wie es ihmgeht. Ich habe auch keine Zeit, um mit ihroder ihm in Ruhe zu klären, worum es geht.“

Doch letztendlich macht erfolgreiche Kom-munikation weniger Arbeit. Wenn man fürden Anfangskontakt mehr Zeit einplant,kann man Gespräche mit mehr Zeit undGeduld führen (siehe Seite 40). So könnendie Klientinnen und Klienten ihr Anliegen inRuhe vortragen. Man versteht dann selbstbesser, worum es ihnen geht (siehe Seite41–42).Dann hat man die Zeit, in Ruhe zu erklären,worum es geht und warum welche Unter-lagen benötigt werden. So spart man sichhinterher die Zeit, sie mehrmals anzuschrei-ben, um fehlende Unterlagen und Angabenanzufordern.

2.2 Erfolgreiche Kommunika-tion ist stressfreier

Von Mitarbeiterinnen hörte ich das Sprich-wort: „Wie es in den Wald hineinhallt, schalltes heraus“. Die Erfahrung dieser Mitarbeite-rinnen war, dass sie, wenn sie Klientinnenund Klienten freundlich behandeln, in derRegel selbst auch freundlich behandelt wer-den und somit der eigene Stress minimiertwird. Eine Mitarbeiterin meinte auch, dassdie Klientinnen und Klienten schlechte Be-handlung gewöhnt sind. Damit drückte sieaus, dass ihr Vorgehen nicht der Kunden-freundlichkeit, sondern der eigenen Stress-minimierung dient: „Man hat ja genug Stress;

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während des Parteiverkehrs sind viele Leutehier – vor allem kommen sie alle hier immerein bisschen später – und wenn ich mirviel Stress mache und mit jedem irgend-welche Diskussionen habe, die unnötig sind,also Zoff, das könnte ich gar nicht brauchen.Das wäre eine Energieverschwendung fürmich und ich leide selber darunter, wennich mich mit jemand nicht verstehe.“

Der Aufbau eines persönlichen Verhältnisseskann für Migrantinnen und Migranten auseher kollektivistischen Kulturen von großerBedeutung sein. Die Zeit, die dafür nötig ist,lohnt sich meist, da die Kommunikation fürdie Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnenmeist auch stressfreier abläuft.

2.3 Erfolgreiche Kommuni-kation erhöht die Arbeits-zufriedenheit

Aus den letzten beiden Abschnitten gehthervor, dass erfolgreiche Kommunikation inder Regel effektiver und stressfreier ist. Dazukommt, dass durch eine erfolgreiche Kom-munikation die Klientinnen und Klientenzufriedener sind, es dadurch mehr positiveRückmeldungen gibt und die eigene Arbeitso als sinnvoll erlebt wird (siehe Seite 30).

3 Wege erfolgreicherKommunikation

3.1 Persönliche Beziehungenaufbauen

Wie zeigt sich persönliche Beziehungim Gespräch?Wichtig ist dabei die Begrüßung(vgl. S. 36–40).

Wenn man die Menschen kennt, ist es gut,ihnen zu zeigen, dass man sich an sie erin-nert. Das kann durch das Ansprechen mitNamen sein oder durch den Bezug auf dasletzte Gespräch. Es geht dabei um das Ge-fühl, als Person wahrgenommen zu werden.Viel wichtiger als in der „deutschen Kultur“ist die Frage: „Wie geht es Ihnen?“, auchwenn uns das in einer Behörde als fremdund unangemessen erscheint. Meist sindwir gewöhnt, gleich „zur Sache zu kom-men“. In einer eher kollektivistischen Gesell-schaft (siehe Seite 21) steht die Beziehungvor der Aufgabe. Deshalb nimmt man sichdie Zeit zu fragen, wie es geht, um dannerst zur Sache zu kommen.

Nicht immer wird auf ein „Wie geht’s?“ einekonkrete Antwort erwartet. Das Thema istmit „Danke, gut!“ meist schon abgeschlossen.

Eine junge Frau berichtet von ihren Erfah-rungen mit dem Sachgebiet WirtschaftlicheHilfen für Flüchtlinge. Durch die aus ihrerSicht kurzen Gespräche fühlte sie sich nichtals Mensch behandelt:

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

Klientin: „Wir hatten keine besonders gutenErfahrungen damit, wir sind hingegangen,wir haben diesen Zettel abgeholt, um unserGeld abzuholen. Es gab einfach keine Kom-munikation, keine nähere Kommunikation.Die hatten immer das Gefühl, wir wärenGauner oder wir kommen und nehmen dasGeld weg. Und diese Einstellung hat sichdann immer wieder gezeigt in den Gesprä-chen, also in diesen kurzen Gesprächen.Man muss nicht sehr freundlich sein, manmuss einfach wissen, dass der Mensch, derreinkommt, ein Mensch ist, das reicht.“Interviewerin: „Wenn Sie sich vorstellen, Siewären eine Verwaltungsmitarbeiterin undwürden es gut machen wollen?“Klientin: „Ich würde mit den Menschenreden.“Interviewerin: „Über was?“Klientin: „Über irgendetwas. Über das Wet-ter, über die Kleidung, über irgendetwas.Über Kinder, das wäre für mich auf jedenFall sehr wichtig.“ (Mehr zum Thema„Kinder“ finden Sie auf Seite 53.)

Ich gab zu bedenken, dass die Klientinnenund Klienten oft kein Deutsch sprechenund dadurch Sachbearbeiterinnen undSachbearbeiter kaum Möglichkeiten haben,solche Gespräche zu führen. Da ist sieanderer Meinung:„Doch, solche Sachen werden immer ver-standen. ‚Wie geht’s?‘ und ‚Was machenSie?‘, solche Sachen versteht man immer,auch wenn man kein Deutsch spricht. Ichbin jetzt seit zehn Jahren in einem Asylheimund wir verstehen uns immer mit allen mehroder weniger – doch, das kann man schon.“

Ich habe die Verwaltungsmitarbeiterinnenund -mitarbeiter gefragt, wann sie denken,dass die Kommunikation für Migrantinnenund Migranten erfolgreich war. Dabei warder Wunsch des Klientel nach dem Aufbaueiner Beziehung kein Thema.

Das Thema Aufgabenorientierung versusBeziehungsorientierung wurde bei der Frage:„Was würden Sie Migrantinnen und Mig-ranten empfehlen, was sie zu einer erfolg-reichen Kommunikation auf einer Behördebeitragen können?“, aufgegriffen:„Konzentrieren Sie sich vorher: Was wollenSie? Beantragen Sie eine konkrete Sacheund kommen Sie nicht über einen all-gemeinen Lebenslauf auf Ihren konkretenAntrag. Des verwirrt die Mitarbeiter sehr.“Hier wird deutlich, dass in der Frage vonAufgabenorientierung versus Beziehungs-orientierung sich die Welten und dieBedürfnisse unterscheiden.

Für manche Sachbearbeiterinnen und Sach-bearbeiter ist es unangenehm, selbst nachpersönlichen Dingen gefragt zu werden:Sachbearbeiterin 1: „Manchmal fällt mirzum Beispiel auf, manchmal bei Schwar-zen, wenn die anrufen oder wenn sie rein-kommen, kommt so ein Satz: ‚Wie geht’s?‘Was man als Deutscher nicht so sagt.Dass so ein bisschen rumpalavert wird, amAnfang, das ist mir aufgefallen. Es kommtdarauf an, wie lang jemand da ist. Wennjemand frisch kommt, das ist scheinbar soin Herkunftsländern üblich, dass man ersteinmal so ein bisschen rumredet.“Interviewerin: „Und wie ist das für Sie?“

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Sachbearbeiterin 1: „Also, ich muss sagen,ich lass mich da eigentlich auf nix ein.Das ist mein Persönliches. Ich sage: ‚Danke,gut!‘ und dann schau ich, dass ich zumeinem Punkt komme. Da fühle ich michmanchmal in meinem Privatleben angegrif-fen. Oft stellen sie auch Fragen wie: ‚HabenSie Kinder?‘ oder irgendsowas. Das ist mirzu nah.“Ich frage die anderen Kolleginnen:„Wie geht es Ihnen damit?“Sachbearbeiterin 2: „Hab’ ich kein Problem.Da kann man sie doch mal reden lassen.Oder ich habe gar keine Zeit: Ich weiß, esstehen noch zehn vor der Tür; aber wennich es weiß, dann hab’ ich die Zeit ein-geplant, dann können die ihre Geschichteruhig erzählen.“

Diese Kollegin plant für die Gespräche mitmanchen Migrantinnen und Migranten mehrZeit ein, dadurch wird die Kommunikationfür sie stressfreier. Natürlich ist es ein großerUnterschied, ob man selbst auf so persön-lich empfundene Fragen antworten möchte

oder ob man dem Bedürfnis nach dem Auf-bau einer Beziehung mit etwas mehr Zeitund den eigenen Kommunikationsbeiträgennachkommt.

Was können Mitarbeiterinnen undMitarbeiter tun, um persönlicheBeziehungen aufzubauen?Im Abschnitt „Begrüßung“ auf den Seiten36–40 wird auf die Punkte, sich Zeit zunehmen, Klientinnen und Klienten mit Namenanzusprechen und nach der Bedeutungdes Namens zu fragen, eingegangen. Diesekönnen für den Aufbau einer Beziehunghilfreich sein. Im Folgenden finden sie wei-tere Empfehlungen, die sich zum Aufbaueines Kontaktes bewährt haben:

Einige Wörter in den Sprachen derKlientinnen und Klienten erlernenDas Erlernen weniger Wörter in den Spra-chen der Klientinnen und Klienten ist eingutes Hilfsmittel, um den Kontakt herzustel-len und Interesse zu zeigen. Dies konnte ichinsbesondere bei einer Mitarbeiterin beobach-ten, die mit ihren Klientinnen und Klientenin mehreren Sprachen kommunizierte. Eswar deutlich, dass sie mit wenigen Wörternin den jeweiligen Sprachen gut den Kontaktherstellen konnte. Ich konnte mehrmals aneinem Vormittag beobachten, wie sie damitein Lächeln auf das Gesicht ihrer Besuche-rinnen und Besucher zauberte.

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

Dazu eine Mitarbeiterin, die parteilich mitMigrantinnen und Migranten arbeitet:„Es wäre sehr schön, wenn Mitarbeiterin-nen von Behörden so ein paar Grußwortein den wichtigsten Sprachen parat hätten.Also, für Flüchtlinge heißt das auch Eng-lisch und Französisch. ‚Guten Tag, Willkom-men.‘ Muss nicht sein, aber vielleicht wiealt die Kinder sind, das fragen zu können,und zwar auf Türkisch, Griechisch, Serbisch,Kroatisch, das wäre ganz toll. Weil das aufbeiden Seiten sehr viel erleichtert.“

Nach dem Alter der Kinder fragenNach dem Alter der Kinder zu fragen, istauch etwas Persönliches, das hilft, denKontakt herzustellen. Siehe dazu die „Be-deutung von Kindern in kollektivistischenKulturen“ auf Seite 52.

Nach dem Herkunftsland fragenEine weitere Möglichkeit ist, nach dem Her-kunftsland zu fragen. Wenn man dannauch noch mit „Ja, wo denn?“ nachfragtund ungefähr weiß, wo das ist, ist das eineHilfe, den Kontakt herzustellen.

3.2 Die Begrüßung istentscheidend

Ein junger Mann aus Afghanistan berichtetvon seinen Behördenerfahrungen: „Wennman reingeht, merkt man sofort, wie derMensch reagiert. Sagt er etwas zu mir? Wassagt er? Ist er nett? Reagiert er überhaupt?Der Mann, merkt man im ersten Schritt, isto.k. und manchmal nicht.“

Hier wird deutlich, dass mit der Begrüßungdie Weichen für eine erfolgreiche Kommu-nikation gestellt werden. Die Begrüßungfängt schon mit der Reaktion auf das Klop-fen an der Tür an. Gibt es darauf eine Ant-wort? Oder steht man vor der Tür und weißnicht, ob man sie öffnen soll? Wird mangebeten, hereinzukommen?

Man muss versuchen, diejenige oder den-jenigen, der zur Tür hereinkommt, wahrzu-nehmen, d.h. diese Person mit ihrem Gefühlzu erfassen. Dazu eine Führungskraft:„Kommt er rein mit einer großen Angst?Kommt er demütig rein? Kommt er aggres-siv rein?“

Dies hat auch Auswirkungen auf die Begrü-ßung. Hier geht es darum, wahrzunehmen,wo das Gegenüber steht und wie viel Nähees verträgt. Dazu eine Sozialpädagogin: „Dageht es um Hierarchie und Abhängigkeits-verhältnisse. Da geht es natürlich auch umAngst.“ Sie verdeutlicht dies am Beispiel ei-ner Flüchtlingsfamilie, die zum SachgebietWirtschaftliche Hilfen für Flüchtlinge geht:„Die Familie hat Angst, dass ihr Gelder

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gestrichen werden, oder sie hat Angst,dass ihr Gelder nicht genehmigt werden.Da geht es um Existenzielles.“Wenn die Begrüßung zu nahe ist, kann diesdie Angst verstärken. Bei anderen Menschenkann es die Angst mildern. Das ist etwas,was man versuchen sollte zu spüren.

Der nächste Schritt ist ein freundliches„Guten Morgen“ oder „Guten Tag“. „EineBegrüßung, die verbalisiert ist, ist schoneine gute Begrüßung.“Ein Klient erzählt: „Sie waren einfach nett:Wenn wir ‚Guten Morgen’ gesagt haben,haben sie das auch gesagt.“So einfach ist das und dennoch nichtselbstverständlich. Ein anderer Klient erzählt:„Ich hab mehrmals erlebt, dass ich rein-gekommen bin und die Leute nett begrüßthabe und die haben gesagt‚ haben sie eineNummer?“Ein Sachbearbeiter antwortete auf meineFrage, was er beim Einarbeiten neuer Kolle-ginnen und Kollegen in Bezug auf erfolg-reiche Kommunikation empfehlen würde:„Nicht als Erstes fragen: ‚Was wollen Siehier?‘, sondern die Klientinnen und Klientenerst einmal höflich begrüßen.“

In unserer Gesellschaft ist es meist sehr un-höflich, von Fremden mit Du angesprochenzu werden. Das Sie ist die Möglichkeit, dieDistanz zu Fremden zu kennzeichnen. Inanderen Kulturen gibt es andere Symbole,um diese Distanzdifferenzierung kenntlichzu machen.

Bei uns ist es „normal“ und selbstverständ-lich, zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterneiner Behörde Sie zu sagen. Sie mit Duanzusprechen, wird als respektlos und un-höflich empfunden. Manche Migrantinnenund Migranten sprechen noch nicht so gutDeutsch, um zwischen Du und Sie unter-scheiden zu können. Manchmal kann esauch sein, dass es in ihrer Muttersprachediese Unterscheidung nicht gibt. Es kannauch sein, dass sie die Unterscheidungdeshalb nicht gelernt haben, weil sie selbstsehr häufig mit Du angesprochen werden.

Statt sich über diese Respektlosigkeit zuärgern und sich persönlich angegriffen zufühlen, könnte man der Klientin oder demKlienten höflich sagen, dass in Deutschlandzwischen Sie und Du unterschieden wird,dass das verwendete Du sehr unhöflich istund man darum bittet, mit Sie angesprochenzu werden.

Nach der Begrüßung wird in der Regel einPlatz angeboten. Für viele Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter ist dies selbstverständlicherBestandteil eines Gespräches. So selbstver-ständlich, dass sie es gar nicht erwähnen,wenn sie gefragt werden, worauf sie bei derKommunikation achten. Doch nicht immerist es selbstverständlich. So berichtet eineMitarbeiterin, wie es ihr selbst auf einerBehörde ging. Sie betrat den Raum. DieMitarbeiterin der Behörde sagte nichts zu ihr.„Es war schrecklich. Sie hat weder gesagt,ich soll mich setzen, noch hat sie gesagt,was sie von mir will. Ich fand mich so alleingelassen. Es war so eine Leere im Raum.“

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

Klientinnen und Klienten mit Namen anzu-sprechen, ist für das Herstellen einer gutenBeziehung wichtig (vgl. Handschuck &Schröer, S. 91). Das Ansprechen mit Namenträgt dazu bei, dass man sich als Personwahrgenommen fühlt.

Bei meinen Beobachtungen konnte ich fest-stellen, dass die Mitarbeiterinnen in ihrenTerminkalender schauen und dadurch sehen,welche Klientin, welcher Klient es vermutlichist und diese/diesen mit Namen ansprechen.Dies führte eine Mitarbeiterin als Antwortauf die Frage an, worauf sie in der Begrü-ßungssituation achtet. Ich habe sie gefragt,wie sie es macht, dass sie die ausländischenNamen richtig ausspricht. Sie spricht denNamen so aus, wie sie es sich denkt undwartet die Reaktion ab. Manchmal korrigie-ren die Klienten sie. Manchmal lässt sie sichden Namen sagen und passt auf, wie ergesprochen wird. Ihre Kollegin antwortete:„Ich probier’s erst mal, ihn auszusprechen,dann lächle ich ihn ganz höflich an oderich frag auch nach, ob ich das richtig aus-gesprochen hab.“ Eine andere Mitarbeiterinlässt sich den Namen buchstabieren underklären, wie er ausgesprochen wird. EineMitarbeiterin eines Migrationssozialdienstesantwortete: „Die meisten freuen sich, wennman’s nicht einfach sagt, sondern nach-fragt.“

Nach der Bedeutung des Namens zu fragen,ist sehr hilfreich, um den Kontakt herzustel-len. Eine der Mitarbeiterinnen erzählte, dasssie es sich erklären lässt, wenn beispielsweisedie Ehefrauen anders heißen als die Ehe-männer. Da kann es sein, dass die Ehefrau

den Namen ihres Vaters weiterführen muss.Sie erzählt weiter, dass in manchen Ländernder Name des Ehemanns angenommen,aber mit einer Endung versehen wird. Siestellte fest, dass sich die Klientinnen undKlienten über das Interesse freuen. Aucheine Sozialpädagogin, die parteilich mit Mig-rantinnen und Migranten arbeitet, empfiehlt,nach der Bedeutung des Namens zu fragen.Die Vornamen und auch die Nachnamen imTürkischen haben oft eine Bedeutung, z.B.die eines Blumennamens. Viele Klientinnenund Klienten freuen sich sehr über dasPersönliche, das hilft, eine Beziehung auf-zubauen.

Eine Mitarbeiterin, die parteilich mit Migran-tinnen und Migranten arbeitet, erzählte mir,dass es gerade für muslimische Menschensehr wichtig ist, gegrüßt zu werden.„Den Fremden begrüßen hat eine höhereBedeutung. Ich schätze dich als jemandNeuen und Fremden bei mir und begrüßedich. Gut ist, wenn die Begrüßung als eige-ner Teil des Gesprächs erkennbar wird. Dasist oft in anderen Kulturen ein eigenes Ritual.In der Türkei ist es zum Beispiel so, dassman erst reingeführt wird und einen Platzkriegt und dann wird begrüßt. Also richtigextra sozusagen und das könnte man soerkennbar machen: ‚Also, jetzt kommen Sieerstmal rein und setzen Sie sich‘ – unddann: ‚Guten Tag‘, jetzt ist die Begrüßung –und dann kann man anfangen, aber nichtso nahtlos. Sonst ist gar nicht erkennbar,dass ich gegrüßt werde.“

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Dazu ein türkischer Mitarbeiter einesMigrationssozialdienstes:„Beispielsweise achte ich darauf, dass ichdie Leute an der Tür empfange. Dass ichjeden einzeln begrüße. Die Begrüßungerfolgt ganz normal, also auf Türkisch‚hosgeldiniz‘11, im Sinne von ,Willkommen‘.Und ich zeige dann auf die Stühle undsage ‚buyrun oturun‘12, ‚Bitte setzen Siesich‘. Und setze mich dann dazu.“

Bei konservativen Frauen aus dem musli-mischen Kulturkreis kann es sein, dass sieMännern nicht die Hand geben möchten.Dies ist etwas, was man spüren würde. Um-gekehrt geben insbesondere ältere Männeraus dem muslimischen Kulturkreis Frauennicht die Hand. Das ist eine Respekts-bezeichnung.

Eine Mitarbeiterin des Sachgebietes Wirt-schaftliche Hilfen für Flüchtlinge erzähltemir, dass sie bei Klientinnen und Klienten,die sie nicht kennt, als Nächstes fragt, obsie sie verstehen oder ob ein Dolmetscherbenötigt wird. Mehr zum Thema „Einsatzvon Dolmetscherinnen und Dolmetschernund Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern“auf den Seiten 59–66.

Ich habe Mitarbeiterinnen und Mitarbeitergefragt, wie sie den Gesprächseinstieggestalten. „Man fragt in der Regel, worumgeht es Ihnen heute? Dann fangen siemeistens selbst zu erzählen an. Man hört

erstmal zu und merkt, worauf es hinausläuft.Oder es ist schon telefonisch besprochen,worum es geht. Dann fragt man: ‚HabenSie Unterlagen mitgebracht?‘“

Eine Mitarbeiterin der „Hilfe zur Arbeit“schildert ihren Gesprächseinstieg: „Ich frage,was er sich vorstellt, was er arbeiten könnte,um den Einstieg zu kriegen, um dasGespräch aufzulockern, dass es nicht soverkrampft ist. Dass er selber auch dieMöglichkeit hat, etwas zu sagen und nichtnur mit Ja und Nein auf meine Fragenantworten muss. Dass er mir sagen kann,was er sich vorstellt, was er möchte, undwas er bisher unternommen hat.“

Wichtig ist, dass man zuerst einmal denKlientinnen und Klienten zuhört, was ihrAnliegen ist. Das hört sich sehr banal undselbstverständlich an. In der Umsetzung istes nicht immer einfach. Dafür ist Zeit undGeduld erforderlich und man muss sich aufjeden neuen Klienten, jede neue Klientineinstellen.

11 gesprochen „hoschgeldinis“ = „Willkommen!“ Dieser Gruß ist tageszeitunabhängig.12 gesprochen „bujrun oturun“ = „Nehmen Sie Platz, bitte!“

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

Ein junger Migrant wünscht sich von denMitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sieGeduld haben, wenn sie sehen, dass einAusländer hereinkommt, der die deutscheSprache schlecht beherrscht: „Man mussein bisschen Geduld haben, damit er seineWorte oder seine Gedanken aussprechenkann.“ Er führt dies näher aus: „Das heißtbegrüßen und ein paar Minuten warten,dass er das, was er will, sagen kann.“Wichtig ist, dass die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter die Leute ausreden lassen.“Wenn das passiert, würde man nach demBehördenbesuch sagen: ,O.k., super, derMann ist da, er lässt dir wirklich Zeit.‘“

Ein Mitarbeiter einer Beratungsstelle, der mitKlientinnen und Klienten des SachgebietesWirtschaftliche Hilfen für Flüchtlinge zu tunhat, erzählt, dass seine Klientinnen undKlienten zufrieden von einem Besuch imSachgebiet berichten, wenn sie die Möglich-keit haben, ihre Bedürfnisse zu artikulieren:„Ich war dort und ich spreche sehr schlechtDeutsch, er nimmt sich immer Zeit, wennich meine Gedanken oder meine Bedürfnis-se äußere.“ Er führt näher aus, was es fürdie Klientinnen und Klienten bedeutet, wenndurch Körpersprache und Sprechtemposignalisiert wird, dass es schnell zu gehenhabe: „Das ‚Guten Morgen‘ wird sehrschnell gesprochen und für einen Auslän-der nicht verständlich, auch das ‚NehmenSie Platz, bitte!‘ ist sehr schnell. Und dieGeste und das „Ja, bitte“ signalisiert: ‚Bittesagen Sie schnell, was Sie wollen!‘ Abersie können es nicht schnell sagen. Und siehaben Angst und diese Angst gibt ihnennoch weniger Möglichkeiten, ihre Frage

oder Bedürfnisse zu äußern. Hilfreich ist,wenn jemand das erste Wort ganz langsamspricht und damit zeigt, ich bin bereit zukommunizieren. Wenn er sehr langsam‚Guten Tag. Nehmen Sie Platz, bitte!‘ sagt,dann ist es ganz anders.“

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter imGespräch mit Migrantinnen und Migrantensignalisieren, dass sie keine Zeit und Geduldhaben, fühlen sich viele ihrer Klientinnenund Klienten völlig blockiert. Wenn auchsonst im Alltag die Deutschkenntnisse gutfür eine Verständigung ausreichen, sind siein solchen Augenblicken „verschwunden“.

Eine Führungskraft weist darauf hin, dass eswichtig ist, sich auf jeden neuen Klienten,jede neue Klientin einzustellen: „Zuhörenund auf den Antragsteller jedes Mal –auch am Tag fünfundzwanzigmal neu –eingehen. Und nicht die eigene Meinungin denjenigen projizieren, sondern wirklichschauen: ‚Was bringt der rüber?‘ Es ist sehrschwierig. Mir geht es manchmal auch so,dass ich vorgefertigte Lösungen habe unddie anbiete.“

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3.3 Verstanden werden

Verständnis entgegengebracht zu bekom-men und verstanden zu werden hängensehr eng zusammen. Migrantinnen undMigranten wünschen sich Verständnis, d.h.dass die Sachbearbeiterinnen und Sach-bearbeiter ihren Lebenshintergrund berück-sichtigen, z.B. mit den Problemen, die derAufenthaltsstatus mit sich bringt. Ein Asyl-bewerber erzählte mir, dass es oft schwierigist, die Bestätigungen, die vom Wohnungs-und Flüchtlingsamt angefordert werden, zubesorgen. Viele der Hilfeempfänger arbeitenfür Putzfirmen. Seiner Erfahrung nach gibtes dort des Öfteren Schwierigkeiten mit derBüroorganisation und die Hilfeempfängerin-nen und -empfänger müssen sehr dahinter-her sein, die verlangten Bestätigungen zuerhalten. Dazu kommen Sprachprobleme.

Eine Mitarbeiterin eines Sozialdienstes fürFlüchtlinge, die in einer Unterkunft arbeitet,berichtet, welche Leistung es ist, nachzu-vollziehen, worum es bei den Anliegen derKlientinnen und Klienten geht: „Ich freuemich ganz besonders, wenn ich mit Mitar-

beiterinnen z.B. im Wohnungs- und Flücht-lingsamt spreche und erlebe: Die habentatsächlich verstanden, worum es bei derPerson oder bei der Familie geht. Oft istdas gar nicht leicht nachzuvollziehen. Dasfällt mir natürlich viel leichter, weil ich hierpraktisch in einem Zimmer neben denZimmern der Personen sitze und mitkriege,was sich abspielt. Dass jemand tatsächlichnachvollziehen kann, warum die Personschon wieder dasteht und schon wiederirgendwas braucht … dann war die Kom-munikation erfolgreich, unabhängig davon,ob es möglich ist die Leistung zu bringen,die gewünscht wird.“

Es ist sehr schwierig zu beschreiben, wie sichdie Bereitschaft zu verstehen ausdrückt:„Das hat die Person, dass sie sehr nett ist,und das eben sind die Sachen, die dunicht sagen kannst.“ Dies war die Antworteines jungen afghanischen Mannes, auf dieFrage, woran er merkt, dass sein Gegenüberihn versteht.

Das Gefühl, verstanden zu werden, hatnach Aussage meiner Interviewpartner und-partnerinnen mehr mit nonverbaler als mitverbaler Kommunikation zu tun. Hier drücktsich die Haltung dem Klienten, der Klientingegenüber aus. Auch ohne Worte ist fürdie Klientin, den Klienten spürbar, ob derSachbearbeiter, die Sachbearbeiterin derMeinung ist, dass der Klientin, dem Klientendie Leistungen zustehen und ob sie gut miteinem Verhalten umgehen können, das an-ders ist als das, was sie selbst gewöhnt sind,oder ob „Die Amtssprache ist Deutsch“ dieEinstellung zum Klienten prägt.

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

„Manchmal hat man Glück, dass manMenschen trifft, die wirklich verstehen, undmanchmal trifft man Leute, die einen nichtverstehen, obwohl sie alles verstehen.Manchmal gibt es Leute, die wirklich nichtverstehen, und das kann man auch verstehen.“Dieser Klient unterscheidet zwischen Verste-hen und Verständnis. Verständnis bezeichneter als „wirklich verstehen“. Mit den Leuten,„die einen nicht verstehen, obwohl sie allesverstehen“, sind diejenigen gemeint, die einenzwar verbal verstehen, aber kein Verständnisaufbringen. Darüber hinaus zeigt der Inter-viewte Verständnis, dass es für die Sach-bearbeiterinnen und Sachbearbeiter nichtimmer leicht ist, die Klientinnen und Klientenzu verstehen; dass ein Parteiverkehr, in demman in großem Umfang mit Menschen mitsehr schlechten Deutschkenntnissen zu tunhat, eine sehr große Anforderung für Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter darstellt.

Wie auf den Seiten 34–40 angesprochen,sind Zeit-und-Geduld-Haben sowie Zuhören-können wichtige Voraussetzungen, umMigrantinnen und Migranten zu verstehen.

Wichtig ist es auch, nachzufragen: „Einfachzu fragen, genau nachzufragen, was manhaben will oder warum man gekommen ist.“

Migrantinnen und Migranten sind oft un-sicher, ob sie richtig verstanden wurden.Es kann hilfreich sein, wenn Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter wiederholen, was sie alsAnliegen verstanden haben. Das bringt eingrößeres Sicherheitsgefühl.

Migrantinnen und Migranten wissen manch-mal nicht, welche Leistungen möglich sindund welche nicht. Da ist es hilfreich, wenndie Sachbearbeiterin, der Sachbearbeiterklärt, wie und wie weit das Anliegen derKlientin, des Klienten mit den Möglichkeitenund Richtlinien der Behörde in Einklang zubringen ist.

Darüber hinaus trägt zum Verständnis bei,wenn Sachbearbeiterinnen und Sachbear-beiter versuchen, sich in die Situation derKlientin, des Klienten hineinzuversetzen.

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3.4 Verstehen

Das Gefühl, nicht alles oder das Wichtigstenicht verstanden zu haben, macht sehrunsicher. Man weiß nicht, mit welchenKonsequenzen man rechnen muss. Hatman etwas nicht verstanden, das für daseigene Leben von großer Bedeutung ist?Versäumt man etwas zu unternehmen, weilman nicht verstanden hat, was zu tun ist?

Wichtig ist, langsam und ohne Dialekt zusprechen. Dazu kann man sich vorstellen,dass man selbst im Ausland ist und sich ineiner Fremdsprache verständlich machenmuss. Selbst wenn man eine Fremdsprachegut kann, ist man darauf angewiesen, dassdas Gegenüber langsam spricht und sich andie Schriftsprache hält. Sicher, es gibt vieleMigrantinnen und Migranten, die besserBayerisch als Deutsch sprechen. Dennochfällt es den meisten leichter, wenn Hoch-deutsch gesprochen wird. Auch die ein-fache Wortwahl ist wichtig: „Man versucht,in einfachsten Worten zu erklären, was manwill.“ Gut ist es, kurze Sätze zu bilden undkeine Fachausdrücke zu verwenden. Dasheißt aber nicht, so genanntes Ausländer-deutsch mit falscher Grammatik zu sprechen.Viele Migrantinnen und Migranten sprechengut Deutsch und fühlen sich diskriminiert,wenn sie auf diese Art und Weise angespro-chen werden. Auch dient solches Deutschnicht der Verbesserung der Deutschkennt-nisse der Migrantinnen und Migranten.

Nach den Erfahrungen der Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter ist es einigen Migrantinnenund Migranten peinlich, dass sie kein

Deutsch können. Diese nicken dann, als obsie verstanden hätten. Manchmal merktman am Gesichtsausdruck, dass jemandüberhaupt nicht verstanden hat. Deshalb istes sinnvoll, nachzufragen, ob sie es undwas sie verstanden haben. Dazu eine Mitar-beiterin: „Bei deutschen Klienten mache ichdas auch: Haben Sie verstanden, was ichihnen erklärt habe?“

Manchmal kann eine Erklärung mithilfe einerZeichnung nützlich sein.

Es gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dieauf ihre Fremdsprachenkenntnisse zurück-greifen, wenn sie mit Deutsch nicht weiter-kommen. Meist ist dies Englisch. Manchmalkönnen sie auch die Muttersprache derKlientinnen und Klienten gut sprechen.So kann ohne Dolmetscherin, Dolmetscherdirekt mit dem Klientel besprochen werden,was benötigt wird. Darüber hinaus kann derSachbearbeiter gezielter nachfragen, wenndie Antwort nicht dem entspricht, was ermit seiner Frage erhofft hat. Dies gehtnatürlich schneller als eine Verständigungüber Sprachmittler. Ferner erleichtert es einegemeinsame Sprache, miteinander in Kon-takt zu kommen und eine Beziehung auf-zubauen.

Wenn man sich in Deutsch oder mit eige-nen Fremdsprachkenntnissen nicht aus-reichend verständigen kann, ist es sinnvoll,eine Dolmetscherin, einen Dolmetscher bzw.eine Sprachmittlerin, einen Sprachmittlerhinzuzuziehen. Dazu mehr auf den Seiten59–69.

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

3.5 Kompetenz zeigen

„Gut ist, wenn man keinen Zweifel erkennenlässt, dass man sich mit dem, was man tut,auskennt. Sonst wird einem das schnell alsSchwäche ausgelegt. Sicherheit ausstrahlen,Distanz schaffen, aber trotzdem sehr freund-lich bleiben und dem Klienten vermitteln,dass man ihm helfen will, das ist sehrwichtig.“ Die Klientinnen und Klienten kom-men teilweise aus Ländern, in denen dieMachtdistanz eher größer ist als bei uns(siehe Seite 22). Deshalb kann es hilfreichsein, die eigene Kompetenz sehr klar zu zei-gen und die eigene Rolle deutlich zu machen.

3.6 Mit falschen Erwartungensachgerecht umgehen

Ein Berater von Migrantinnen und Migrantenerläutert, dass es nachvollziehbar ist, dassbedürftige Menschen größere Erwartungenhaben, als es den realistischen Möglichkeitenentspricht: „Ich will gleich eine gute Woh-nung, gute Kleidung und alles, was mög-lich ist, und alles muss gut sein.“ Für ihn istes wichtig, sich bewusst zu machen, „dassdieser Kampf für Gutes noch nichts überdie Persönlichkeit dieses Menschen aus-sagt. Er kann dabei ein guter und normalerMensch sein und auch diese falschenErwartungen oder zu hohen Ansprüchehaben.“ Hier kann es hilfreich sein, für dieWünsche der Klientinnen und Klienten Ver-ständnis zu signalisieren und sie nicht aufGrund ihrer falschen Erwartungen, die manals unverschämt empfindet, zu bekämpfen.

Auf der Sachebene kann man auf dengesetzlichen Rahmen hinweisen und dar-stellen, welche Möglichkeiten zur Verfügungstehen (vgl. S. 45).

3.7 Gut erklären, welcheUnterlagen benötigt werden

Eine große Hilfe für die Klientinnen undKlienten ist, wenn gut erklärt wird, warumwelche Unterlagen benötigt werden. Hilfreichist auch, dies aufzuschreiben. So könnenes die Klientinnen und Klienten zu Hausenachlesen und Verwandte, Freunde undMigrationssozialdienste können mit dieserInformation helfen, die entsprechendenUnterlagen zu beschaffen. Auch mehr-sprachiges Infomaterial kann eine Hilfe sein,transparent zu machen, welche Unterlagenbenötigt werden.

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3.8 Entscheidungennachvollziehbar machen

Die Klientinnen und Klienten kommen teil-weise aus Ländern, in denen die Verwaltungs-vorgänge nicht nach berechenbaren Regelnablaufen. Die Verwaltungsvorgänge sinddort manchmal willkürlich und personen-abhängig. Wenn man Verwandte in derBehörde hat oder jemanden gut kennt,beeinflusst dies unter Umständen dieEntscheidungen.

In eher kollektivistischen Kulturen hat diepersönliche Beziehung Vorrang vor der Auf-gabe (siehe Seite 21). Einfluss auf die Ent-scheidungen hat es unter Umständen auch,wenn sich die Klientin, der Klient nicht soverhält, wie es sich die Mitarbeiterin, der Mit-arbeiter erwartet. Eine Beraterin von Mig-rantinnen und Migranten erzählte, dass siemit einer Klientin die Botschaft eines Landesdes Vorderen Orients in Bonn besuchte. Diejunge Frau benötigte einen Pass. Sie hattesehr große Angst vor diesem Behörden-besuch. Die Interviewte erzählte, dass ihrder Pass auf Grund einer kritischen Antwortzuerst vorenthalten wurde und ihr danndoch, nach langem, beharrlichem Warten,im Wohnzimmer des Botschafters aus-gehändigt wurde.

Die Erfahrung, dass Verwaltungsvorgängewillkürlich, personenabhängig und verhandel-bar sind, kann das Verhalten von Migrantin-nen und Migranten prägen. Damit wird aufder einen Seite die Angst vor der Machtdes Sachbearbeiters, der Sachbearbeiterin

größer (siehe „Machtgefälle“, Seiten 25–26),auf der anderen Seite lässt diese Erfahrunghoffen, dass der Sachbearbeiter, die Sach-bearbeiterin das Anliegen erfüllen kann.Dies ist oft mit unrealistischen Erwartungenverbunden: „Es gibt fantastische Vorstellun-gen, was in Ämtern möglich ist oder waseinzelne Personen bewirken können.“

Mit diesem Hintergrund kann man besserverstehen, warum Klientinnen und Klientendurch beharrliches Wiederkommen undNachfragen versuchen, eine andere Ent-scheidung herbeizuführen. Oder warum sieversuchen, bei einer Kollegin, einem Kollegeneine andere Entscheidung zu bewirken.

Es ist wichtig, dass die Sachbearbeiterin, derSachbearbeiter dem Klientel in verständlicherForm vermittelt, auf welcher Grundlage einAnliegen befürwortet oder abgelehnt wird.Wichtig ist, dass diese Entscheidung für dieKlientin, den Klienten nachvollziehbar undversachlicht wird. Dabei sollte die Klientin,der Klient verstehen, dass diese Entschei-dung nichts mit ihr oder ihm als Person zutun hat. Dazu eine Führungskraft: „Der Klientmuss die Entscheidung nicht immer akzep-tieren, aber er muss sie zumindest verstehenund nachvollziehen können, dass es eineEntscheidung ist, die nicht so getroffenworden ist, weil er er ist, sondern weil dieSituation so ist. D.h., dass man ihm klarmachen konnte, auch bei einer anderenPerson mit dem gleichen Schicksal und dergleichen Lebenslage wäre die Entscheidungso ausgefallen.“

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

Dies ist eine schwierige Aufgabe, da auchin Deutschland Sachbearbeiterinnen undSachbearbeiter innerhalb von Ermessens-spielräumen Entscheidungen treffen können.Auch diese Erfahrung haben Migrantinnenund Migranten gemacht. Wenn nicht per-sönlich, kennen sie es aus Erzählungen vonVerwandten und Freunden. Also sind dieEntscheidungen auf einer Behörde dochverhandelbar? Hier ist es wichtig, transparentzu machen, wo die Regelungen klar sindund nicht anders ausgelegt werden könnenund an welcher Stelle Ermessensspielräumevorhanden sind.

Für eine der interviewten Führungskräftewar die Kommunikation erfolgreich, wenndie Ermessensentscheidung in der Mittegetroffen wurde, d.h. wenn das Gesetz we-der zu weit noch zu eng ausgelegt wordenist. Vonseiten der Leistungsempfänger und-empfängerinnen gibt es natürlich denWunsch, dass in ihrem speziellen Fall derErmessensspielraum zu ihren Gunsten aus-gelegt wird. Die Chance für die Leistungs-empfängerinnen und -empfänger, dass derErmessensspielrum großzügig ausgelegtwird, ist umso größer, je besser es ihnengelingt, die Notwendigkeit ihres Anliegensüberzeugend darzulegen. Dazu eine Mitar-beiterin eines Sozialdienstes für Flüchtlinge:„Also, in dem Moment, wo jemand im Sach-gebiet Wirtschaftliche Hilfen für Flüchtlingeseine Gründe nachvollziehbar dargelegt hat,dann erleb ich, dass sich viele sehr, sehrstark bemühen, dem entgegenzukommen.“

Hier befinden sich die Sachbearbeiterinnenund Sachbearbeiter in einem Dilemma. Auf

der einen Seite würden sie gerne auf die in-dividuelle Notlage reagieren, auf der anderenSeite bringt dies die Gefahr mit sich, dass sichandere Klientinnen und Klienten ungerechtbehandelt fühlen. Da wird dann gesagt: „Ja,der und jener, die und jene hat das bekom-men, warum bekomme ich das nicht?“

Es gibt Sachbearbeiter und Sachbearbeite-rinnen, die sich ihre Arbeit dadurch erleich-tern, dass sie sich mit Kolleginnen undKollegen immer wieder absprechen, um zuähnlichen Entscheidungen innerhalb desErmessensspielraums zu kommen: „Ja, esmuss einfach eine klare Linie erkennbarsein, weil das spricht sich in den Unter-künften ruckzuck rum. Das kommt wie einBumerang zurück, wenn da einer andersentscheidet. Es kann Ausnahmen geben,aber die müssen mit bloßem Auge nach-vollziehbar sein. Man kann nicht sagen,also, der hat’s bekommen, du kriegst esnicht. Entscheidungen und deren Hinter-gründe müssen absolut transparent sein.“

Auf der einen Seite hat der GesetzgeberErmessensspielräume geschaffen, die esermöglichen, auf die Situation der Klientin,des Klienten einzugehen. Dies entsprichtauch dem Bedürfnis der Klientel, dass dieeigene Notlage gesehen und auf die eigeneSituation eingegangen wird. Auf der ande-ren Seite gibt es den Wunsch nach einerGleichbehandlung sowohl auf Seiten derMitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auchauf Seiten der Klientinnen und Klienten. Zu-mindest ist dies bei einer Besserbehandlunganderer Klientinnen und Klienten der Fall.Dies ist ein bürokratisches Dilemma.

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3.9 Klientinnen und Klientenauf Leistungen hinweisen

Bei meinen Beobachtungen konnte ich fest-stellen, dass es Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter gibt, die Klientinnen und Klientenauf die Leistungen, die ihnen zustehen, hin-weisen. Dazu gehören die Leistungen dereigenen Behörde, aber auch Leistungen,die ihnen zustehen und die sie bei anderenBehörden beantragen können. Dies trägtzu einer erfolgreichen Kommunikation bei,weil sich die Klientinnen und Klienten gutbehandelt fühlen.

Ich habe einen ehrenamtlichen Mitarbeitereiner Flüchtlingsunterkunft gefragt, wasSachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter zueiner erfolgreichen Kommunikation beitragenkönnen. Für ihn gehört die Einstellung dazu,dass man den Menschen auch zugesteht,was ihnen rechtlich zusteht. Seiner Meinungnach sollten die Sachbearbeiterinnen undSachbearbeiter die Klientinnen und Klientendarauf aufmerksam machen, dass sie Leis-tungen, die sie offensichtlich benötigen,beantragen. „Wenn die Sachbearbeiterin,der Sachbearbeiter sieht, dass eine Frauschwanger ist, dann soll er sie z.B. fragen:‚Haben Sie schon einen Kinderwagenbeantragt?’“

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Migra-tionssozialdiensten berichteten von Klientin-nen und Klienten, denen gesagt wurde, dassdie angefragte Leistung, z.B. ein Umzug,vom Sozialamt nicht übernommen wird.Nach Intervention des Migrationssozialdiens-tes war es dann doch möglich. Solche Fälletragen zum schlechten Image der Behördebei. Sachbearbeiterinnen und Sachbearbei-ter können das sehr umfangreiche Wissenzum Bundessozialhilfegesetz nicht immerpräsent haben, besonders bei Fragen, dieselten vorkommen. Kundenfreundlicher wärein diesem Fall, dem Klienten, der Klientin zusagen, dass man sich kundig macht undihn oder sie zurückzuruft.

3.10 Strategien zum Umgangmit einem anderen Rollen-verständnis

Bei der Frage nach interkulturellen Unter-schieden wurde von den Sachbearbeiterin-nen und Sachbearbeitern häufig angeführt,dass es vorkommt, dass Migranten, wennsie mit der Entscheidung der Sachbearbei-terin nicht zufrieden waren, zu ihren männ-lichen Kollegen gehen. Das ist insbesonderedann der Fall, wenn die Sachbearbeiterinnoch jung ist. Ihr kann dann passieren, dasssie hört: „Mit der red ich gar nicht.“ oder„Er weiß es besser.“ Dies sind Anlässe, diedie Sachbearbeiterinnen dazu bringen,ärgerlich zu werden. Solche Reaktionenvermitteln das Gefühl: „Eine Frau hat keineMeinung zu haben. Eine Frau zählt nicht.“Dadurch fühlen sich die Sachbearbeiterin-

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

nen nicht ernst genommen. Besonders hartist es, wenn die Frau die Vorgesetzte desmännlichen Mitarbeiters ist. Dazu eine Füh-rungskraft: „Bei uns sind viele Frauen Vor-gesetzte und die Vorgesetzte hat dann dasProblem, dass die Anordnung des ihr un-tergeordneten männlichen Mitarbeitersmehr gilt als ihre Anordnung. Da gibt esRollenprobleme.“

Welche Strategien bewähren sich in solchenSituationen? Die Sachbearbeiterinnen habendie Erfahrung gemacht, dass es in einersolchen Situation hilfreich ist, bestimmter zureden, kürzere Sätze zu machen und ins-gesamt selbstbewusster aufzutreten. Siehaben erfahren, dass es zweckdienlich ist zusagen, dass hier in Deutschland die Kollegingenauso viel zu sagen hat wie der Kollege.Gute Erfahrungen wurden damit gemacht,dass der Kollege den Klienten mit dieserArgumentation wieder zur Kollegin zurück-schickt. Mit der Zeit wird dies dann von denKlienten in der Regel akzeptiert.

Gehen Klienten, die mit der Entscheidungder Sachbearbeiterin unzufrieden sind, zumKollegen, muss dies nicht immer mit einemanderen Rollenverständnis zusammenhän-gen. Manchmal ist es einfach der Versuch,bei einem anderen Sachbearbeiter zum Zielzu kommen. Dazu ein Klient: „Es gibt viele,die – wenn es nicht klappt oder er ist nichtfreundlich – sagen, heute habe ich Pechgehabt. Vielleicht ist die nächste Wochejemand anderer da.“ (lacht) „Dann ist esein Netter, dann klappt es.“

3.11 Strategien zum Umgangmit anderen Zeitkonzepten

Unterschiede im Umgang mit Zeit

Serviceorientierung durch TermineDas Sozialamt führte in den letzten JahrenTermine ein, um den Klientinnen und Klien-ten lange Wartezeiten in der Behörde zuersparen. Darüber hinaus wirken die Termineentlastend auf die Arbeitssituation der Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Arbeits-anfall durch Publikumsverkehr wird durchdie Termine gesteuert. Früher übte die Tat-sache eines vollen Wartebereichs Druck aufdie Sachbearbeiterinnen und Sachbearbei-ter aus. Dadurch hatten sie das Gefühl, sichkeine Zeit für den einzelnen Klienten, dieeinzelne Klientin nehmen zu können. Aller-dings erscheinen viele Klientinnen und Klien-ten nicht zu den verabredeten Terminen,sie kommen später oder gar nicht oder siekommen ohne einen verabredeten Termin.Es gibt Klientinnen und Klienten, die hart-näckig ohne eine Terminvereinbarung kom-men, obwohl man sie schon oft gebetenhat, das nächste Mal vorher einen Terminzu vereinbaren. Das ist für die Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter sehr ärgerlich. Sie füh-len sich dadurch teilweise respektlos behan-delt und empfinden die Missachtung derServiceleistung Terminvergabe als persönlicheKränkung.

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Kulturelle Unterschiede im Umgang mit ZeitJede Kultur hat ihr eigenes Zeitsystem.Dazu gehört beispielsweise das „allgemeineTempo des Lebens“, das sich u.a. in derGehgeschwindigkeit und der Menge derAktivitäten in einem Zeitraum niederschlägt.Zum Zeitsystem gehört auch der Stellenwertder Uhr, von Zeitplänen und von Pünktlich-keit. In eher individualistischen Gesellschaften(vgl. S. 21) wird mehr Wert auf Leistung alsauf Zusammengehörigkeit gelegt. Die Be-tonung der Leistung führt meist zu einer„Zeit-ist-Geld-Einstellung“. Daraus entstehtdas Bedürfnis, jede Minute sinnvoll zu nut-zen. In eher kollektivistischen Kulturen, indenen soziale Beziehungen Vorrang haben,gibt es eine entspanntere Haltung zur Zeit(vgl. Levine).

Dazu eine Kollegin aus einer eher kollektivis-tischen Kultur:„Das Zeitverständnis ist anders – und zehnMinuten später zu kommen ist da überhauptkein Problem. Das wird aber von den Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozial-amtes und anderen Behörden schon alsNichteinhaltung des Termines gesehen.“

Individuelle Unterschiede im Umgang mit ZeitInnerhalb einer Kultur kann es sehr großeUnterschiede im Umgang mit Zeit geben.Für manche ist eine Stunde hin oder herbei einer Verabredung überhaupt keinProblem, andere empfinden schon eineViertelstunde Verspätung als eine starke

persönliche Kränkung. So haben sich vieleMenschen aus Kulturen mit anderen Zeit-konzepten als dem „deutschen“ privat undberuflich einem „deutschen Zeitkonzept“angepasst.

Zeitstruktur durch beruflichen KontextAsker Kartari hat durch seine Untersuchungzur interkulturellen Kommunikation zwischentürkischen Mitarbeitern und deutschenVorgesetzen in einem deutschen Industrie-betrieb herausgefunden, dass trotz unter-schiedlicher kultureller Zeitvorstellungen dietürkischen Mitarbeiter im Betrieb immerpünktlich sind und Gesprächstermine mitden Sachbearbeitern oder Vorgesetzen ein-halten. Als Gründe für diese Zeitexaktheitnimmt Asker Kartari die Anpassung an die„deutsche Kultur“ auf Grund der negativenFolgen einer Verspätung im gesellschaftlichenLeben in Deutschland an. Die meisten deut-schen Vorgesetzten gaben bei den Inter-views an, mit der Pünktlichkeit der türkischenMitarbeiter zufrieden zu sein. Ergebnis derAuswertung einer repräsentativen quantita-tiven schriftlichen Befragung war, dass eskeine signifikanten Unterschiede gab, wiewichtig Pünktlichsein und Arbeitszeiteinhaltenfür die deutschen und türkischen Befragtenist (vgl. Kartari, S. 123).

Die berufliche Zeit der Mitarbeiterinnen undMitarbeiter des Sozialamtes ist in einem sehrhohen Maße durch die Behörde strukturiert.Stempelkarten, die Regelungen der Gleitzeit-verordnung, die Zeiten des Parteiverkehrsund Arbeitsvorgaben, die mit Terminsetzun-gen verbunden sind, wirken auf die Zeit-struktur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

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Mangelnde Zeitstruktur durchArbeitslosigkeitIn der Untersuchung von Asker Kartari wirddeutlich, dass sich die türkischen Mitarbeiterim deutschen Arbeitskontext sehr stark an dieWertvorstellung, pünktlich zu sein, angepassthaben. Bei den Klientinnen und Klienten desSozialamtes scheint dies nicht der Fall zu sein.Sie haben keinen gemeinsamen betrieblichenHintergrund. Viele von ihnen sind arbeitslos.Ohne Arbeit und ohne regelmäßigen Kontaktmit der Außenwelt fehlt die Notwendigkeiteiner zeitlichen Struktur des Tagesablaufes(vgl. Jahoda, Larzarsfeld & Zeisel). Obwohldiese Menschen mehr Zeit als Berufstätigehaben, ist es für sie paradoxerweise schwie-riger, Termine pünktlich einzuhalten.

Strategien zum Umgang mit anderenZeitkonzepten

Verabreden von Terminen mit EreignissenverknüpfenEine Mitarbeiterin erzählt, wie sie eine inter-kulturelle Fortbildung in ihrem Arbeitsalltagumsetzt. Sie hat durch die Fortbildung ver-standen, dass Migrantinnen und Migrantendie Zeit nicht immer in Kalendertagen,sondern eher in Ereignisse einteilen. Diesbeachtet sie beim Verabreden der Termine.Sie nennt nicht nur Datum und Uhrzeit desTermins, sondern verknüpft ihn mit einemEreignis, z.B. „eine Woche nach Ostern“.Dieser Feiertag entspricht zwar nicht immerdem religiösen Hintergrund der Klientin, desKlienten, aber er wird sicherlich von ihr oderihm wahrgenommen. Noch besser wäre es,auf die Feiertage der jeweiligen Kultur bzw.Religion Bezug nehmen zu können.

Flexiblerer Umgang mit TerminenDie Mitarbeiterin erzählte, dass sie sich frü-her ärgerte, wenn Klientinnen und Klientenohne eine Terminvereinbarung kamen: „Jetzthat er schon einen Termin und kommt zuunmöglichen Zeiten daher. Zu was vergebeich meine Termine!“ Durch das Hinter-grundwissen des interkulturellen Trainingsfällt es ihr leichter, damit umzugehen. Wennheute jemand ohne einen Termin kommt,„dann ist er halt da und dann kommt erdran.“ Sie bittet ihn oder sie, zu warten, bissie „Luft hat“. Manche haben dringendereProbleme, die sie bedrücken. Sie haben dasGefühl, dass sie nicht warten können, bis siein drei Wochen einen Termin bekommen.Auch hat sie die Erfahrung gemacht, dassMigrantinnen und Migranten manchmalstatt eines Telefonanrufes einfach vorbei-kommen, nur um zu sagen: „Vielen Dank,es hat geklappt.“

Hier wird nochmals deutlich, wie viel WertMenschen aus einer eher kollektivistischenKultur auf menschliche Beziehungen legen.Der Sachbearbeiterin ist es gelungen, zumanchen ihrer Klientinnen und Klienten eineBeziehung aufzubauen. Migrantinnen undMigranten pflegen eher als Menschen miteinem „deutschen“ kulturellen Hintergrundden persönlichen Kontakt. So kann es auchvorkommen, dass sie statt eines Telefon-anrufs – ohne einen Termin ausgemacht zuhaben – einfach für eine kurze Rückmeldungvorbeikommen.Manchmal würde einem bei einem unflexib-len Umgang mit Terminen eine positiveRückmeldung verloren gehen: „Die kom-men vorbei und bedanken sich noch ein-

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

mal. Die freuen sich und das finde ichschön, das gibt mir was, dann bemerkeich, meine Arbeit ist doch anerkannt.“

Freie Sprechzeiten einführenVielleicht wäre es ein Möglichkeit, zusätzlichzur Terminvergabe feste Zeiten einzuführen,in denen es möglich ist, ohne eine vorherigeTerminvereinbarung zu kommen. Bei man-chen Ärztinnen und Ärzten wird es sogehandhabt.

Auf die Regeln der TerminvergabehinweisenEs ist sehr verschieden, wie mit dem ThemaTermine und Pünktlichkeit innerhalb derMünchner Behörden umgangen wird. Gutwäre es, Klientinnen und Klienten daraufhinzuweisen, auf welche Regeln sie sich beider anderen Behörde einstellen müssen.Beispielsweise habe ich bei meinen Beobach-tungen im Sachgebiet Wirtschaftliche Hilfen

für Flüchtlinge festgestellt, dass keine Termi-ne mit Uhrzeitangabe, sondern nur Terminemit Datumsangabe vergeben werden. Auchwerden Klientinnen und Klienten, die ohneeinen Termin kommen, weil sie z.B. einenKrankenschein benötigen, einfach drange-nommen. Wenn beispielsweise nicht mehrdas Wohnungs- und Flüchtlingsamt für dieKlientinnen und Klienten zuständig ist, son-dern das Sozialamt, ist es sinnvoll, sie daraufhinzuweisen, dass es beim Sozialamt festeTermine gibt, die vorher vereinbart werden –und wenn der Termin für 9.00 Uhr verein-bart ist, auch tatsächlich 9.00 Uhr gemeint ist.

Im Übrigen sind die Klientinnen und Klien-ten bei Terminen von anderen Dienstleistern,z.B. Ärztinnen und Ärzten, gewöhnt, dasseine Uhrzeitangabe nicht bedeuteten muss,dass man sofort drankommt. Es kann pas-sieren, dass man trotz Termin zwei bis dreiStunden warten muss. So kann es sein, dassein „Zu-spät-Kommen“ nicht unbedingt einProblem ist.

3.12 Respekt vor altenMenschen

In eher kollektivistischen Kulturen ist derStatus, den jemand einnimmt, abhängigvom Alter. Es wird erwartet, dass man älte-ren Menschen mit Respekt begegnet (vgl.Triandis, Brislin & Hui, S. 284). Deshalb sollteman sich als jüngere Mitarbeiterin, jüngererMitarbeiter einer Behörde älteren Menschengegenüber besonders höflich verhalten.Dies fördert eine erfolgreiche Kommunikation.

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Eine ältere Frau türkischer Herkunft berich-tete mir von ihren Erfahrungen im Woh-nungsamt. Sie fühlte sich von der Mitarbei-terin sehr schlecht behandelt. Diese Frauhabe mit ihr „geschimpft“ und geschrien.Dabei habe sie einen roten Kopf bekommen.Besonders empörend fand sie dabei, dassdiese Frau, die so mit ihr umgegangen sei,noch sehr jung war, etwa im Alter ihresSohnes.

3.13 Bedeutung von Kindern

Kinder zu haben hat in eher kollektivistischenKulturen einen viel größeren Stellenwert alsbei uns. Das ist ein zentrales Gesprächs-thema. Die Gesprächspartnerinnen und-partner freuen sich, wenn nachgefragtwird, ob es den Kindern gut geht und obsie gesund sind. Durch die Frage nach denKindern drückt man Wertschätzung ausund auch Wissen darüber, dass dies für dieGesprächspartnerin, den Gesprächspartnerwichtig ist.

In einigen Kulturen gilt es als Schande, keineKinder zu haben. Deshalb sollte man nurnach den Kindern fragen, wenn man weiß,dass die Betreffenden Kinder haben. Diesgilt insbesondere, wenn sie in einem Altersind, in dem andere in der Regel schonKinder haben.

Im Sachgebiet Wirtschaftliche Hilfen fürFlüchtlinge gab es in einem Zimmer einenTisch mit Spielzeug. Ich konnte beobachten,dass dies von den Kindern mit großer Be-geisterung genutzt wurde. Während ihre

Mütter mit dem Sachbearbeiter sprachen,spielten die Kinder. Ich hatte den Eindruck,dass die Kinder sich noch von ihren letztenBesuchen an das Spielzeug erinnerten, diemeisten steuerten sofort beim Betreten desZimmers auf das Spielzeug zu. Einmal be-obachtete ich ein kleines Mädchen, das dasZimmer betrat, lange bevor ihre Mutter ander Reihe war. Das kleine Mädchen gingdann nochmals hinaus, um einen kleinenJungen zum Spielen hereinzuholen. MeinEindruck war, dass dieser Spieltisch dazubeiträgt, dass für einige Kinder der Behörden-besuch einen positiven Charakter hat. Diesist eine Anregung, die sicher nicht nurFamilien mit Migrationshintergrund denBehördenbesuch erleichtert.

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III Forschungsergebnisse zur Kommunikation in der Verwaltungspraxis

3.14 Kleider machen Leute

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vonMigrationssozialdiensten berichteten vonKlientinnen und Klienten, die ihnen erzähl-ten, dass die Sachbearbeiterin, der Sach-bearbeiter der Behörde ihrer Meinung nachnicht angemessen gekleidet war.

Bei meinen Beobachtungen im Sozialamtsowie im Wohnungs- und Flüchtlingsamtstellte ich fest, dass meine eigene Einschät-zung der Klientinnen und Klienten davonbeeinflusst ist, wie sie gekleidet sind. Aufmeine Frage, worauf Klientinnen und Klien-ten bei einem Behördenbesuch achten soll-ten, fasste dies eine Sachbearbeiterin mit„gewaschen, geschneuzt und gekampelt13“zusammen. Manche Klientinnen und Klien-ten kommen aus Kulturen mit einer tenden-

ziell hohen Machtdistanz (siehe Seite 22).In diesen Ländern würde ein Behörden-mitarbeiter mit Anzug und Krawatte hinterseinem Schreibtisch sitzen. Ich möchte hiernicht dafür plädieren, dass im Sozialreferateine Kleiderordnung, die Anzug undKrawatte beinhaltet, eingeführt werden soll.Ich möchte nur darauf hinweisen, dass dieKleidung der Sachbearbeiterinnen und Sach-bearbeiter Einfluss auf die Kommunikationhaben kann. Es kann vorkommen, dassSachbearbeiterinnen und Sachbearbeiteru.a. auf Grund ihrer Kleidung mit Respektbehandelt werden bzw. sich Klientinnenund Klienten eher mit Respekt behandeltfühlen.

13 „gekampelt“ = gekämmt

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IV Was tun bei Konflikten?

Zum Thema Konflikte sagte eine Führungs-kraft: „Konflikte bringen immer Umständemit sich, die für jeden das Leben schwermachen. Deshalb ist es wichtig, dass Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter mit Konfliktenumgehen und zur Konfliktlösung beitragenkönnen.“

1 Häufig vorkommendeKonflikte

Zu Konflikten kommt es, wennKlientinnen und Klienten sich hartnäckignicht an Terminvereinbarungen halten.Dazu mehr unter „Umgang mit einemanderen Zeitverständnis“ auf den Seiten48–52.Klientinnen und Klienten die Erwartunghaben, dass alles sofort erledigt wird.„Da ist dieser Druck, den die auf einenausüben wollen, es brennt, also es mussganz dringend was passieren, aber siewollen nicht verstehen, dass man ihneninnerhalb der fünf Minuten nicht sofortGeld bereitstellen kann, nicht sofort allesregeln kann.“Klientinnen und Klienten nicht akzep-tieren, dass zur Bearbeitung einesAntrages Unterlagen erforderlich sind.

„Weil er es uns jetzt so erklärt und er lügtja schließlich nicht. Viele verstehen nicht,dass sie trotzdem Unterlagen brauchen,um das Ganze zu überprüfen.“Klientinnen und Klienten als sehrfordernd erlebt werden.„Das steht mir zu und das will ich jetztund das müssen Sie machen oder dasmuss ich kriegen, also das Fordernde,ganz egal, ob noch irgendetwas dage-genspricht.“Klientinnen und Klienten nicht bereitsind, zu kooperieren.„Wo der absolut nichts machen will undich alles versucht habe und er in keinerWeise bereit ist, was zu tun.“Klientinnen und Klienten laut werden.Männern mehr geglaubt wird als Frauen,obwohl sie das Gleiche gesagt haben.Dazu mehr auf den Seiten 47–48.Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alsausländerfreundlich oder ausländer-feindlich beschimpft werden.„Es gibt die Deutschen, die – wenn sieetwas nicht bekommen – sagen, dassdie Ausländer alles hinten und vornereingeschoben kriegen. Dann hab ichdas nächste Mal einen Ausländer vor mirsitzen, der was nicht kriegt, weil er ein-fach keinen Anspruch drauf hat, und derschimpft mich dann ausländerfeindlich.“Klientinnen und Klienten Sachbearbei-terinnen und Sachbearbeiter „unter derGürtellinie“ beleidigen.Klientinnen und Klienten drohen.„I want my fucking money! I’m going tokill you!“

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Zusammengefasst kommt es immer dannzu Konflikten, wenn es um Interessenunter-schiede geht, wenn Klientinnen und Klien-ten etwas wollen, was sie aus Sicht der Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter nicht erhaltenkönnen, jedenfalls nicht sofort. Oder wennsich Klientinnen und Klienten nicht an dieRegeln des Amtes halten und wenn sichMitarbeiterinnen und Mitarbeiter respektlosbehandelt fühlen. Die interviewten Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter wiesen darauf hin,dass es genauso mit Deutschen zu Konflik-ten kommt. Im Abschnitt „Wege erfolgrei-cher Kommunikation“ wurde schon einigeszum Thema Konfliktvermeidung gesagt.Manchmal spitzen sich aber Konflikte zu.Welche Strategien haben Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter entwickelt, um mit Konflikten,ohne ihre Macht einzusetzen, umzugehen(vgl. „Machtgefälle“, S. 25–26)?Dazu im Folgenden einige bewährte Grund-strategien.

2 Strategien zurKonfliktlösung

Hilfreich für Konfliktlösungen ist, wenn man„niederlagelose“ Methoden der Konflikt-bewältigung sucht, d.h. Lösungen, in denenes keine Gewinner und Verlierer gibt. Dazuist es wichtig, unterschiedliche Bedürfnisseals selbstverständliche Gegebenheiten zuakzeptieren (vgl. Gordon, S. 186 ff.).

2.1 Nicht in einen Streiteinsteigen

Eine Mitarbeiterin erzählt, dass es Menschengibt, die „schon mit hundertachtzig rein-kommen und sich streiten wollen. Danngehe ich innerlich einen Schritt zurück undüberlege mir: ,Will ich mich heute streiten,will ich mich ärgern oder will ich michnicht ärgern?’ Ich schaffe es inzwischen zuentscheiden, ob ich mich streiten will odernicht.“ Diese Art von Konfliktvermeidung istfür sie die Konsequenz aus einer Kommuni-kationsfortbildung. Aber es hat auch etwasmit Lebens- und Berufserfahrung zu tun:„Aneinander gerät man vielleicht noch,wenn man frisch, jung und dynamisch ist,aber nach ein paar Jahren lernt manschon, wo es sich lohnt, sich aufzureiben.“Ihre Kollegin ergänzte, dass es Dinge gibt,die man einfach so akzeptieren muss, unddass es sich nicht lohnt, „einzusteigen“,„weil es einfach keinen Sinn macht.“

IV Was tun bei Konflikten?

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2.2 Nicht seine Meinungdurchbringen, sondernnachfragen

Eine Führungskraft sagt aus ihrer Erfahrungmit Konfliktschlichtung, dass es oft umMissverständnisse geht: „Oft hat der eineetwas verstanden, was der andere gar nichtgesagt hat. Dadurch verhärten sich dieFronten.“ Mehr zu diesem Thema unter„Grundlagen der Kommunikation“ auf denSeiten 18–20. Seiner Erfahrung nach ist eshilfreich nachzufragen: „Verstehen Sie, wasich meine? Meinen Sie es wirklich so, wieSie das jetzt sagen?

2.3 Ich-Botschaften senden

Zur Konfliktvermeidung und -schlichtunggehört auch das Senden von „Ich-Botschaf-ten“ statt „Du-Botschaften“. Eine „Ich-Bot-schaft“ geht von den eigenen Empfindungenaus, also von dem, was bei einem selbst an-kommt. Eine solche „Ich-Botschaft“ wärebeispielsweise: „Für mich ist, was Sie sagen,beleidigend.“ Das Gleiche als „Du-Botschaft“ausgedrückt würde in etwa so heißen: „Siesind unverschämt!“ „Ich-Botschaften“ trageneher zu einer erfolgreichen Kommunikationbei als „Du-Botschaften“. „Du-Botschaften“arten häufiger in gegenseitige Beschimp-fungen und wechselseitige Beschuldigungenaus (vgl. Gordon, S. 114–119).

2.4 Beruhigend auf dieKommunikation einwirken

Eine Mitarbeiterin erzählt von Klientinnenund Klienten, die sich schon beim Reinkom-men „daneben“ benehmen. Zu denen sagtsie erst einmal: „‚Nehmen Sie Platz!‘ und:‚Beruhigen Sie sich!‘ oder ‚Was ist dennjetzt eigentlich los, ist es nötig, dass Sieso mit mir reden?‘“

2.5 Eine Pause einlegen,damit sich die Beteiligtenberuhigen können

Wenn sich Konflikte zuspitzen, hat es sichbewährt, wenn man die Klientinnen undKlienten bittet, einen Moment draußen zuwarten. Man sagt ihnen vielleicht: „Ich musserst einmal rumtelefonieren.“ Erfahrungs-gemäß beruhigen sich dann die Klientinnenund Klienten und man hat auch die Mög-lichkeit, sich selbst zu beruhigen.

Eine andere Kollegin verabredet einen neuenTermin, wenn sich Konflikte zuspitzen. Siesagt der Klientin, dem Klienten, was sieselbst bis zu diesem Termin erledigen wirdund was sie sie oder ihn bittet zu überlegenoder zu erledigen. „Das hat sich für micham besten bewährt, weil da hatten sich dieGemüter auf beiden Seiten beruhigt undbeim nächsten Termin war die Sache ganzanders.“

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2.6 Entscheidungennachvollziehbar machen

Zweckdienlich ist es, Entscheidungen nach-vollziehbar zu machen (vgl. dazu S. 45–46).

2.7 Sich die Lebenssituationdes Klientel vergegenwärtigen

Hilfreich kann es sein, sich immer wiederdie Bedingungen, die die Kommunikationbeeinflussen können, zu vergegenwärtigen(siehe Seiten 20–26). Dies trägt manchmaldazu bei, Reaktionen der Klientinnen undKlienten besser zu verstehen.

2.8 Als Vorgesetzte zurKonfliktlösung beitragen

Wenn sich Konflikte verhärtet haben, solltesich der Vorgesetzte in Ruhe den Stand-punkt der Mitarbeiterin, des Mitarbeitersanhören. Er sollte sich auch in Ruhe denStandpunkt der Klientin, des Klienten an-hören. Dies könnte in einem gesondertenRaum geschehen und nicht in der konflikt-beladenen Zone. Dann sollte der Vorgesetz-te einen Termin vereinbaren, bis wann einefür beide Seiten befriedigende Lösung ge-funden wird. Beiden Parteien wird gesagt,dass in einem solch aufgeheizten Klima keinesachlich richtige Lösung gefunden werdenkann. Nach zwei Tagen ist meist der nötigeAbstand da, der dazu beiträgt, eine ange-messene Lösung zu finden. Wichtig ist, dass

weder der Mitarbeiter vor dem Klientenbeschimpft noch der Klient vor demMitarbeiter „abgekanzelt“ wird.

3 Sich nicht von Konflikten„auffressen“ lassen

Eine Mitarbeiterin erzählte mir, dass sie amAnfang gesundheitliche Probleme hatte,weil sie zu Hause nicht abschalten konnte.Inzwischen hat sie das gelernt. Sie erzähltweiter, dass die Leute, die das nicht schaf-fen, nach zwei, drei Jahren Versetzungs-anträge stellen. Wichtig ist nach den Aussa-gen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,dass man Arbeit und Privates unterscheidenkann. Man muss lernen abzuschalten.„Wenn man den Leuten helfen will, dannmuss man es mit einer gewissen Distanzbetrachten können, sonst brennt man schnellaus.“ Diese Aussage gilt nicht nur für dasEngagement für Klientinnen und Klienten,sondern auch für den Umgang mit Konflikten.

Ich habe beobachtet, dass die Kolleginnenund Kollegen oft hinterher die Konflikte, diesie mit Klientinnen und Klienten haben, be-sprechen. Ich habe sie darauf angesprochen.Eine Kollegin bestätigte dies: „Das stimmt,wenn man es jemand erzählt, dann hilft daswahnsinnig.“ Insgesamt hilft „Dampf ablas-sen“: „Dass man wirklich ganz laut schimpftund flucht und dann geht das wieder vielbesser“. Oder man bittet die Kollegin:‚Bring mich mal wieder runter!‘“.

IV Was tun bei Konflikten?

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V Dolmetscher- undsemiprofessionellerSprachmittlereinsatz

1 Dolmetschereinsatz

1.1 Warum Dolmetscherinnenund Dolmetscher einsetzen?

Wenn die Deutschkenntnisse der Klientin-nen und Klienten nicht ausreichen, um dieKommunikation sicherzustellen, werdenz.B. im Sozialamt Wartende gefragt, ob siedolmetschen. Dies geschieht sowohl durchdie Klientinnen und Klienten als auch durchMitarbeiterinnen und Mitarbeiter. AuchKolleginnen und Kollegen, z.B. der Pförtneraus dem Iran oder der Anwärter ausGriechenland, werden gebeten zu helfen.Meistens bringen Klientinnen und Klientenmit schlechten Deutschkenntnissen selbstFamilienangehörige oder Freunde zumDolmetschen mit.

Denkbar schlecht ist es, wenn Kinder dieseRolle übernehmen müssen. Man kann sichvorstellen, dass ein Kind überfordert ist,beispielsweise die Notlage der Familie beimSozialamt zu übersetzen.

Im Sozialamt konnte ich feststellen, dass vonden Klientinnen und Klienten erwartet wird,dass sie bei Bedarf für nichtprofessionelleSprachmittlerinnen und Sprachmittler sorgen.Diesen Begriff verwendet die Linguistik fürMenschen, die ohne einen professionellenAuftrag und ohne Ausbildung die Sprach-übermittlung leisten. Die Linguistik unter-scheidet auch zwischen semiprofessionellenSprachmittlern und professionellen Dolmet-schern (vgl. Scheffer, S. 179; Knapp &Knapp-Potthoff, S. 451). Im Folgenden

werde ich diese Begriffe übernehmen, damitklar ist, wann von wem die Rede ist.

Wenn die Verständigung in deutscherSprache nicht klappt, werden Klientinnenund Klienten gebeten, beim nächsten Ter-min einen „Dolmetscher“ mitzubringen. DieKommunikation mit den von den Klientinnenund Klienten mitgebrachten Sprachmittlernund Sprachmittlerinnen ist nicht immererfolgreich. Bei einer Gruppendiskussionberichteten mir Verwaltungsmitarbeiterinnen,dass es häufiger vorkommt, dass die mit-gebrachten „Dolmetscher“ nicht mehrverstehen als die Klientin, der Klient. Dazukommt, dass Angehörige ihrer Arbeit fern-bleiben müssen, „wenn sie zum Übersetzenbeim Behördengang gebraucht werden. ImExtremfall ist sogar der Arbeitsplatz der An-gehörigen gefährdet“ (Kiss-Surány, S. 57).

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V Dolmetscher- und semiprofessioneller Sprachmittlereinsatz

Neben der nicht immer sichergestelltenKommunikation ist die fehlende Schweige-pflicht ein weiterer Nachteil der nichtprofes-sionellen Sprachmittlerinnen und Sprach-mittler (vgl. Salman 2001b, S. 2). In einigenFällen, z.B. bei Neuanträgen, wäre es ange-bracht, mit professionellen Dolmetscherinnenund Dolmetschern bzw. semiprofessionellenSprachmittlerinnen und Sprachmittlern zuarbeiten. Ich bin nicht der Auffassung, dassdies obligatorisch geschehen sollte. DieAnforderung, selbst für eine sprachlicheUnterstützung zu sorgen, trägt in vielenFällen dazu bei, das eigene Hilfenetzwerk zuerhalten und sich durch die eigene Organi-sation der Unterstützung selbst kompetentzu erleben. Wichtig ist jedoch, dass die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bedarfwissen, wo sie eine Dolmetscherin oder einenDolmetscher anfordern können und dies alsBeitrag zu ihrer Kundenfreundlichkeit undzur eigenen Arbeitserleichterung sehen.

Bei meinen Interviews habe ich festgestellt,dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitergar nicht wussten, wo sie jemanden zumDolmetschen anfordern können. Und siehaben tief verinnerlicht, dass gespart wer-den muss. Da ist es aus Mitarbeitersichtbesser, wenn die Klientinnen und Klientenselbst für die „Dolmetscher“ sorgen. Dabeiwird übersehen, dass die eigene Arbeitszeit,die nicht effektiv eingesetzt werden kann,auch etwas kostet. Oder welche Folgekostenes verursacht, wenn sich die Klärung desSachverhalts durch eine schlechte Ver-ständigung hinauszögert und es dadurchbeispielsweise zu einer Räumung kommt.

Ein Grund, warum keine Dolmetscherinnenund Dolmetscher angefordert werden, istder zeitliche Vorlauf. Meistens „brennt esschon hinten und vorne“. Beispielsweisesind die Mieten nicht bezahlt und eine Räu-mung droht. Da sind die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter der Meinung, dass esschneller geht, wenn der Klient, die Klientinjemanden zum Dolmetschen mitbringt.

Die Übersetzung durch Familienangehörigeund Freunde trägt nicht immer zum besse-ren Verständnis bei. Dazu kommt, dass Fa-milienangehörige Teil des Familiensystemsund in manchen persönlichen Angelegen-heiten nicht neutral sind. Dadurch habenviele Migrantinnen und Migranten nicht dieMöglichkeit, die Dienste des Sozialreferatesgleichberechtigt in Anspruch zu nehmen.Nach Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzessind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.Dies bedeutet auch das Recht auf Chancen-gleichheit. In Artikel 3, Absatz 3 heißt es:„Niemand darf wegen seines Geschlechtes,seiner Abstammung, seiner Rasse, seinerSprache (…) benachteiligt oder bevorzugtwerden“ (Schade, S. 29). Geert Drenthen,der Direktor des Dolmetscherzentrums fürdie Provinz Nord-Holland, kommt zu demErgebnis, dass ohne Dolmetscher einesoziale Chancengleichheit in Frage gestelltwird. Damit kann von einer Diskriminierungausgegangen werden (vgl. Salman 2001a,S. 171).

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Der ASD-Arbeitskreis „Verbesserung der Hil-fe für ausländische Mitbürger/-innen“ weistin seiner „Umfrage an den Außenstellen zuden Dolmetscherdiensten“ darauf hin, „dassviel häufiger, viel früher Dolmetscher ein-gesetzt werden sollen, um letztlich rascherzu einem Erfolg in der Fallbearbeitung zukommen“. Auch Ramazan Salman vomEthnomedizinischen Zentrum in Hannoverkommt zu dem Ergebnis, „dass Dolmetschernicht nur für den nicht Deutsch sprechen-den Klienten hilfreich sind, sondern auchden öffentlichen Diensten eine effizientefachliche Arbeit ermöglichen. Es könnenauch Einsparungen erzielt werden, denneine effektive Verständigung führt regelhaftdazu, dass die angebotenen Dienstleistun-gen nicht über Gebühr in Anspruch ge-nommen werden“ (Salman 2001b, S. 1).Auch Geerth Drenthen plädiert für Dolmet-schereinsatz auch im Hinblick auf den effek-tiven Einsatz von Ressourcen (vgl. Drenthen,S. 4).

Das Arbeitshandbuch des Sozialamtes emp-fiehlt, gerade bei Neuanträgen mit Dolmet-scherinnen und Dolmetschern zu arbeiten,um Missverständnisse und die daraus resul-tierenden späteren Probleme zu vermeiden.

1.2 Fachliche Anforderungenan Dolmetscherinnen undDolmetscher

Beide Sprachen zu beherrschen reicht beiweitem nicht aus, um eine professionelleÜbersetzung sicherzustellen. WichtigeQualitätsstandards sind Anonymität undNeutralität. Wichtig ist, dass der Dolmet-scher, die Dolmetscherin weder zum Anwaltdes Klienten, der Klientin noch zum Vertre-ter, zur Vertreterin der Institution wird. Diegenuine Aufgabe des Dolmetschers ist es,neutrales „Sprachrohr“ der Beteiligten zusein (vgl. Salman 2001a, S. 174).

Professionelle Dolmetscherinnen und Dol-metscher „haben über das genaue Über-setzen hinaus die Aufgabe, den Professio-nellen kulturelle Hintergründe der Klientenzu vermitteln und sie zur Reflexion anzu-regen, wie die fachlichen Aufgaben, dieVorgehensweisen von Einrichtungen unddie kulturellen Sichtweisen aller Beteiligtenbesser in Einklang gebracht werden können“(Hegemann, S. 152).

Für den Beruf des Dolmetschers gibt es inDeutschland keine einheitlichen Studien-gänge und Prüfungsordnungen. Dolmetscher-ausbildungen gibt es sowohl als Fachakade-mieausbildung als auch als Universitätsstu-diengänge. Das Studium dauert zwischendrei und vier Jahren. Da das Sprachen-spektrum dieser Ausbildungen bei weitemnicht für die soziale und medizinische Arbeitausreicht, qualifiziert das Bayerische Zentrumfür transkulturelle Medizin Migrantinnen

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und Migranten als Dolmetscherinnen undDolmetscher. Diese werden speziell für denGesundheits- und Sozialbereich ausgebildet.

1.3 Dolmetscherinnen undDolmetscher anfordern

Beim Bayerischen Zentrum für transkulturelleMedizin können Dolmetscherinnen und Dol-metscher in über 35 Sprachen angefordertwerden:Bayerisches Zentrum für transkulturelleMedizin e.V.Sandstraße 41/Rgb.80335 MünchenTel.: (0 89) 54 29 06 65Fax: (0 89) 523 69 78E-Mail: [email protected]

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter desSozialamtes müssen, bevor sie das Zentrumbeauftragen, eine Genehmigung bei S-I-Leinholen. Die Zuständigkeit für diese Geneh-migung liegt bei der jeweiligen Fachabteilung,d.h. für HLU bei S-I-L 2 und für HbL beiS-I-L 3. Dies kann telefonisch geschehen.

Bezirkssozialarbeiterinnen und Bezirkssozial-arbeiter des Allgemeinen Sozialdienstes bzw.der Sozialbürgerhäuser können im Rahmenihrer Beratungstätigkeit professionellemuttersprachliche Dolmetscherdienste inAnspruch nehmen. Die Beauftragung durchdie Bezirkssozialarbeiterinnen und Bezirks-sozialarbeiter erfolgt direkt telefonisch beimBayerischen Zentrum für TranskulturelleMedizin e.V. Eine Genehmigung durch

Vorgesetzte ist nicht erforderlich. Die Kosten(der feststehenden Gebühren) übernimmtdie Fachstelle Sozialdienst.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sach-gebietes „Erziehungshilfen in Heimen undanderen Einrichtungen“ des Stadtjugend-amtes können einen Dolmetschereinsatz imSachgebiet Wirtschaftliche Hilfen abrechnen.

Für die anderen Arbeitsbereiche des Sozial-referates liegen mir keine detaillierten Infor-mationen über das Verfahren des Einsatzesvon Dolmetscherinnen und Dolmetschern vor.

V Dolmetscher- und semiprofessioneller Sprachmittlereinsatz

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2 SemiprofessionellerSprachmittlereinsatz

2.1 Der Sprachmittlereinsatzund seine Vorteile

Da nur wenige Klientinnen und Klienten desSachgebietes Wirtschaftliche Hilfen fürFlüchtlinge Deutsch sprechen, werden semi-professionelle Sprachmittler und -mittlerin-nen eingesetzt. Dies ist nicht nur kunden-freundlicher, sondern auch eine wesentlicheArbeitserleichterung für die Sachbearbeite-rinnen und Sachbearbeiter. Aus finanziellenGründen wird nicht mit professionellen Dol-metscherinnen und Dolmetschern gearbeitet.Die Sprachmittlerinnen und Sprachmittlerarbeiten als freie Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter. Sie gehören oder gehörten teilweiseselbst zur Klientel. Sie sind während desParteiverkehrs anwesend und können daherbei Bedarf schnell eingesetzt werden. DerBedarf für Sprachmittler und -mittlerinnenist abhängig davon, aus welchen Ethniensich Flüchtlinge in München aufhalten.

Der Einsatz von semiprofessionellen Sprach-mittlerinnen und Sprachmittlern trägtwesentlich zur Verbesserung der Kommu-nikation bei. Auch haben sowohl die Sach-bearbeiterinnen und Sachbearbeiter alsauch die Sprachmittlerinnen und Sprach-mittler aus ihrer täglichen Praxis herausTechniken für einen guten Sprachmittler-einsatz entwickelt.Dennoch möchte ich im Folgenden aufeinige Schwachstellen hinweisen.

2.2 Schwachstellen desSprachmittlereinsatzes

Verletztung des NeutralitätsgebotesAuf der einen Seite fühlen sich die Sprach-mittlerinnen und Sprachmittler als Teil derInstitution. Dies ist ihr Auftraggeber, für densie freiberuflich arbeiten. Auf der anderenSeite beherrschen die Sprachmittlerinnenund Sprachmittler die Sprache der Klientin-nen und Klienten und haben durch ihreeigene Biografie und Herkunft eine Nähezum Schicksal der Klienten. Oder sie distan-zieren sich aus ihrer eigenen Geschichteheraus, wenn sie beispielsweise der Meinungsind, dass Klienten besser behandelt werden,als sie es selbst als Klient erlebt haben. Diesist z.B. der Fall, wenn sie selbst nach demAsylbewerberleistungsgesetz behandeltwurden und der Klient, die Klientin Leistun-gen nach dem Bundessozialhilfegesetz er-hält. Teilweise leben die Sprachmittlerinnenund Sprachmittler selbst in den Unterkünf-ten. Die Neutralität ist nicht sichergestellt,wenn Sprachmittlerinnen und Sprachmittlerfür ihre eigenen Nachbarn dolmetschen.Dazu kommt, dass die Anonymität nichtgewährleistet ist.

Sprachmittlerinnen und Sprachmittlerübernehmen SachbearbeiterrollenEs gibt Sprachmittlerinnen und Sprach-mittler, die schon sehr lange im Amt sindund schon auf dem Gang Fragen abklären.Dadurch gehen die Klientinnen und Klientenmanchmal nicht mehr zum Sachbearbeiter.Dies kann entlastend für die Sachbearbeite-rinnen und Sachbearbeiter sein. Der Nach-

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teil ist, dass den Sprachmittlern das Verwal-tungswissen und das Wissen der aktuellenRichtlinien fehlt. Sie machen die Beratungauf der Grundlage ihres Erfahrungswissens.Es kann vorkommen, dass sie anders bera-ten als der Sachbearbeiter in diesem speziel-len Fall. Ein Konfliktpotenzial ist bei neuenSachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern,dass die Sprachmittlerinnen und Sprach-mittler, die schon sehr lange da sind, oftüber mehr Erfahrungswissen verfügen alssie selbst. Dadurch „müssen“ sie sich vondiesen sagen lassen, wie im jeweiligen Falldie Entscheidungen zu treffen sind. Dieskann manchmal als Angriff auf die fachlicheKompetenz empfunden werden.

Sprachmittlerinnen und Sprachmittlerals GesprächsführendeDie Aufgabe, ein neutrales Sprachrohr zusein, ist auch dann nicht erfüllt, wenn dieSprachmittler die Gesprächsführung über-nehmen. Ich konnte beobachten, dass eineder Sachbearbeiterinnen fast ausschließlichden Part übernommen hatte, über den

Sprachmittler den Klienten mitzuteilen,was verwaltungsmäßig zu tun ist, und derSprachmittler den Part der Konversationübernahm. Während die Sachbearbeiterinden Vorgang bearbeitete, unterhielt sich derSprachmittler mit den Klienten. Auch beider Verabschiedung wurde sichtbar, dassdie Hauptschiene der Kommunikation nichtzwischen Sachbearbeiter und Klient, son-dern zwischen Sprachmittler und Klient lief.Die Klienten verabschiedeten sich herzlichmit Händeschütteln vom Sprachmittler undsehr kurz ausschließlich verbal von derSachbearbeiterin. Auch durch die Sitzord-nung wurde die Rollenverteilung deutlich:der Sprachmittler saß dem Klienten (alsGesprächspartner) gegenüber, die Sach-bearbeiterin saß abgewendet am anderenSchreibtisch.

Ildikó Elisabeth Kiss-Surányi beobachte beim„Dolmetschereinsatz“ im Sachgebiet Wirt-schaftliche Hilfen für Flüchtlinge, dass dieGespräche zwischen Sprachmittlern undKlienten sehr lange dauern und sich dasGespräch verselbstständigt. Teilweise nehmendie Sprachmittler das Gespräch in die Handund der Sachbearbeiter, die Sachbearbeite-rin nimmt eine „Nebenrolle“ ein (Kiss-Surányi,S. 57). Dies wird auch von Sachbearbeiterin-nen und Sachbearbeitern kritisch eingeschätzt,oft wissen sie nicht, was Sprachmittlerinnenund Sprachmittler und Klientinnen undKlienten untereinander aushandeln.

Bei meinen Beobachtungen war mir teilwei-se nicht sofort klar, wer Sachbearbeiter undwer Sprachmittler ist. Möglicherweise gehtdas manchen Klienten auch so.

V Dolmetscher- und semiprofessioneller Sprachmittlereinsatz

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Fehlendes Fachwissen der Sprach-mittlerinnen und SprachmittlerSprachmittlerinnen und Sprachmittlern fehltteilweise das Fachwissen. Dadurch wissensie nicht, worauf es dem Sachbearbeiterbei seinen Fragen an die Klientel ankommt.Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die Sprach-mittler ein Grundwissen über die Verwaltungs-zusammenhänge und -vorgänge hätten.Wichtig ist auch, die Fachbegriffe in beidenSprachen zu kennen. Wenn die Sprach-mittler die Frage ein kleines bisschen andersformulieren und der Hilfeempfänger esauch noch ein kleines bisschen anders hört,„dann kommt eine ganz unbrauchbareAntwort.“

2.3 Professionelle Zusammen-arbeit mit Sprachmittlerinnenund Sprachmittlern

Wichtig ist es, darauf zu achten, dass je-mand, der mit dem Klienten in der gleichenUnterkunft lebt, nicht als Sprachmittlerherangezogen wird. Dies ist für beide einSchutz: Für den Klienten, die Klientin, weildie Anonymität gewährleistet ist, und fürden Sprachmittler, weil er damit nicht denAnfeindungen des Nachbarn ausgesetzt ist,dass er nicht so übersetzt hat, dass dieLeistungen gewährt wurden.

Ist es abzusehen, dass das Gespräch prob-lematisch werden kann, ist es hilfreich, denSprachmittler vor dem Gespräch zu unter-richten, worum es geht. Damit kann sich derSprachmittler auf das Gespräch einstellen.

Ich konnte beobachten, dass einer derSachbearbeiter den Klientinnen und Klien-ten immer den Sprachmittler vorstellte.Meiner Meinung nach vermittelte er damitauch der einen Seite, dass er derjenige ist,der das Gespräch steuert, und auf der an-deren Seite drückte es sowohl gegenüberdem Sprachmittler als auch dem Klientengegenüber Respekt aus, indem die Beteilig-ten an der Situation vorgestellt werden.

Wichtig ist es, darauf zu achten, dass dasGespräch zwischen Sachbearbeiter undKlient stattfindet und der Sprachmittler dieRolle des „Sprachrohres“ einnimmt. Wennsich das Gespräch zwischen Sprachmittlerund Klient verselbstständigt, unterbrechen

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erfahrene Sachbearbeiterinnen und Sach-bearbeiter das Gespräch und fragen nach,worüber gesprochen wird. Sie bitten darüberhinaus um die wörtliche Übersetzung dereigenen Frage oder Information. Sie möch-ten auch wissen, wenn Klientinnen undKlienten Schimpfwörter gebrauchen, damitsie wissen, in welcher Stimmungslage sichdas Gespräch befindet. Sprachmittlernwiderstrebt es manchmal, Sachbearbeiterngegenüber die Unhöflichkeiten weiterzu-geben. Auch hier ist es wichtig, darauf hin-zuweisen, dass jedes Wort übersetzt wird.

Wesentlich ist, dass die Sachbearbeiterinnenund Sachbearbeiter kurze Sätze und Sprech-pausen machen, damit die Sprachmittlerin-nen und Sprachmittler die Chance haben,das Gesagte wortnah zu übersetzen. Mitwortnah ist gemeint, dass der Sinn und dieBedeutung des Gesagten verstanden wer-den kann. Manchmal ist eine wortwörtlicheÜbersetzung nicht zweckdienlich, wenn sieden Sinn des Gesagten nicht transportiert.

V Dolmetscher- und semiprofessioneller Sprachmittlereinsatz

Um einen professionelleren Sprachmittler-einsatz zu gewährleisten, sollten nicht nurdie Sprachmittlerinnen und Sprachmittler,sondern auch die diejenigen, die Sprach-mittler einsetzen, geschult werden. Dies si-chert Rollenklarheit und einen sinnvollenAblauf des Sprachmittlereinsatzes, zu demu.a. eine kurze Vor- und Nachbesprechungmit dem Sprachmittler gehören. Informatio-nen über kulturelle Hintergründe gehörenbeispielsweise nicht in das Gespräch mit denKlientInnen, sondern in die Vor- oder Nach-besprechung (vgl. Abdallah-Steinkopff, vgl.Salman 2001a, S. 177 ff.).

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VI Schriftverkehr

Wenn Klientinnen und Klienten ein Schreibenvon einer Behörde erhalten, ist das meistsehr verunsichernd. Oft ist es für sie nichtsofort erkennbar, von welcher Behörde dasSchreiben ist. Es ist für viele schwierig, dieBehörden zu unterscheiden. Viele Behörden-schreiben, wie z.B. die des Ausländeramtes,haben oft einschneidende Auswirkungenauf das eigene Leben (siehe Seite 24).

Eine große Hilfe für die Empfängerin, denEmpfänger ist es, wenn die Briefe so ab-gefasst sind, dass sie den Inhalt verstehen.Das ist für eine Sachbearbeiterin, einenSachbearbeiter eine große Anforderung.Sie oder er muss es schaffen, die Anforde-rungen seiner Behörde, deren Grundlageoft das Gesetz ist, für Klientinnen und Klien-ten verständlich zu formulieren. Hilfreich istdabei, sich in die Leserin, den Leser hinein-zuversetzen. Sie müssen dabei versuchen,jemandem, der von dem Sachverhalt keineAhnung hat, diesen Schritt für Schritt zuerklären. Dies ist mit Sicherheit auch fürdeutsche Klientinnen und Klienten eine gro-ße Unterstützung. Selbst wenn der Migrant,die Migrantin kein Deutsch kann, hätten siemit einem in verständlich geschriebenemDeutsch abgefassten Brief größere Chancen,dass er ihnen von Freunden oder Verwand-ten übersetzt wird.

Wie beim Sprechen ist es auch beimSchreiben hilfreich, kurze Sätze zu bilden.Fachausdrücke wie „Vorsprache“, „Schalter“und „unterhaltsverpflichteter Angehöriger“sollten vermieden bzw. erklärt werden.

Sinnvoll wäre es, Schreiben, die oft benötigtwerden, in die wichtigsten Sprachen zuübersetzen. Dabei sollte darauf geachtetwerden, dass das Schreiben vor der Über-setzung zunächst in bürgerfreundlichesDeutsch übersetzt wird. Beim Abfassen vonMusterbriefen wäre es darüber hinaus hilf-reich, wenn man zwei bis drei Klientinnenund Klienten bitten würde, sie durchzulesen,ob sie verständlich sind.

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VII Ein letztes Wort

Das Sozialreferat München ist wegweisend in Bezug auf die inter-kulturelle Öffnung der Regeldienste, aber natürlich ist noch sehr vielzu tun. Ein sehr wichtiges Ziel ist, weiter daran zu arbeiten, dassmehr Migrantinnen und Migranten in der Stadtverwaltung auf allenHierarchieebenen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu findensind. Durch multikulturelle Teams würden die Perspektiven, wie manan Fragen herangeht, vielfältiger. Dadurch würde sich die Qualitätder Dienstleistungen nicht nur für Migrantinnen und Migrantenverbessern.

Zur gleichberechtigten Teilnahme an der Gesellschaft gehört auchdie Möglichkeit zu partizipieren, das heißt, sich unter anderem anWahlen beteiligen zu können.

In meinen Beobachtungen und Interviews wurde deutlich, dass sichdie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele Handlungsschritte einererfolgreichen Kommunikation in ihrer Arbeitspraxis erarbeitet haben.Auch Kommunikationsfortbildungen und Fortbildungen zur inter-kulturellen Verständigung tragen wesentlich zur Kundenfreundlich-keit bei.

Sicher haben Sie beim Lesen dieses Leitfadens festgestellt, dass Sieschon vieles von dem, was gesagt wird, in ihrer Arbeit praktizieren.Vielleicht möchten Sie versuchen, das eine oder andere, das für Sieneu ist, auszuprobieren.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit!

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Abdallah-Steinkopff, Barbara (12.07.2001)Psychotherapie mit DolmetscherInnen. Referatauf der Tagung „Offene Worte. Arbeiten mit Dol-metscherinnen und Dolmetschern im sozialenund gesundheitlichen Bereich“. BayerischesZentrum für Transkulturelle Medizin e.V. München.

Anderson, Philip (2000)Interkulturelle Kompetenz und die Öffnung dersozialen Dienste – Eine Studie des Sozialreferatesder Landeshauptstadt München.

ASD Arbeitskreis „Verbesserung der Hilfe fürausländische Mitbürger/-innen“ (14.12.2000)Umfrage an den Außenstellen zu denDolmetscherdiensten.

Drenthen, Geert (2001)Das Modell der niederländischen Dolmetscher-zentren. www.gesundheitberlin.de/content/aktivitaeten/a_g/migration/drenthen.html

Gordon, Thomas (1976)Familienkonferenz. Die Lösung von Konfliktenzwischen Eltern und Kind. 7. Auflage. Hamburg:Hoffmann und Campe Verlag.

Handschuck, Sabine & Schröer, Hubertus (2000)Interkulturelle Öffnung sozialer Dienste. EinStrategievorschlag. In: iza Zeitschrift für Migrationund Soziale Arbeit. 3/4-2000, S. 86–95.

Handschuck, Sabine & Schröer, Hubertus (2001)Interkulturelle Orientierung als Qualitätsstandardsozialer Arbeit. In: Auernheimer, Georg (Hrsg.).Migration als Herausforderung für pädagogischeInstitutionen. Opladen: Leske + Budrich. S. 147–180.

Handschuck, Sabine & Schröer, Hubertus (2002)Interkulturelle Orientierung von Organisationen –Strategien, Ansätze und erste Erfahrungen. Refe-rat anlässlich der Tagung „Interkulturalität als in-stitutionelle Aufgabe“ der Akademie für politischeBildung in Tutzing am 04.03.2002.

Heckel, Jürgen (1997)Frei sprechen lernen. Ein Leitfaden zur Selbsthilfe.München: A 1 Verlag.

Hegemann, Thomas (2000)Das Bayerische Zentrum für Transkulturelle Medizine.V. München. In: Heise, T. (Hrsg.). TranskulturelleBeratung, Psychotherapie und Psychiatrie inDeutschland. Berlin: Verlag für Wissenschaft undBildung.

Hofstede, Geert (1997)Lokales Denken, globales Handeln. Kulturen,Zusammenarbeit und Management. München:Verlag C.H.Beck.

Jahoda, Marie, Larzarsfeld, Paul, F. &Zeisel, Hans (1975)Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein sozio-graphischer Versuch. Suhrkamp Verlag.

Kartari, Asker (1997)Deutsch-türkische Kommunikation am Arbeits-platz. Zur interkulturellen Kommunikation zwischentürkischen Mitarbeitern und deutschen Vorge-setzten in einem deutschen Industriebetrieb.Münster, München, New York: Waxmann.

Knapp, Karlfried & Knapp-Potthoff, Annelie(1985)Sprachmittlertätigkeit in der interkulturellen Kom-munikation. In: Rehbein, Jochen (Hrsg.). Inter-kulturelle Kommunikation. Tübingen: Gunter NarrVerlag.

Kiss-Surányi, Ildikó Elisabeth (2000)Interkulturelle Kommunikation – Eine soziologischeUntersuchung in den Ämtern des Sozialreferatesder Landeshauptstadt München.

Landeshauptstadt MünchenLeitbild der Stadtverwaltung.http://www.muenchen.de/leitbild/index.html.

Literatur

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Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Sozialplanung/Geschäftsleitung (1995)Interkulturelle Ziele des Sozialreferates für einebessere Ausrichtung der Regeldienste auf dieausländische Wohnbevölkerung.

Landeshauptstadt München, Sozialreferat (1997)Das Sozialreferat – unser Selbstverständnis.Bausteine zur Kultur des Sozialreferates.

Landeshauptstadt München, Referat fürStadtplanung und Bauordnung (1998)Perspektive München. Leitlinien für einezukunftsfähige Stadtentwicklung.

Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Stadtjugendamt, Beauftragte für inter-kulturelle Arbeit (2000)Leitlinien für eine interkulturell orientierte Kinder-und Jugendhilfe auf Grundlage des § 9 Abs. 1und 2 KJHG.

Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Stadtjugendamt (2001)Jugendamt im Wandel. Jahresbericht 2000 desStadtjugendamtes München.

Landeshauptstadt München, Direktorium,Statistisches Amt (2002)Statistisches Jahrbuch 2001.

Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Sozialplanung (2002)Soziale Leistungen in Zahlen 2000.

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Levine, Robert (2001)Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeitumgehen. München, Zürich: Piper.

Salman, Ramazan (2001a)Sprach- und Kulturvermittlung. Konzepte undMethoden der Arbeit mit Dolmetschern in thera-peutischen Prozessen. In: Hegemann, Thomas &Salman, Ramazan (Hrsg.). Transkulturelle Psy-chiatrie. Konzepte für die Arbeit mit Menschenaus anderen Kulturen. Bonn: Psychiatrie-Verlag.

Salman, Ramazan (2001b)Professionelle Dolmetscherdienste als integralerBestandteil medizinischer und sozialer Dienstleis-tung. www.gesundheitberlin.de/content/aktivitaeten/a_g/migration/salman.html.

Schade, Peter (2000)Grundgesetz mit Kommentierung. 5. Auflage.Regensburg: Walhalla-Fachverlag.

Scheffer, Thomas (1997)Dolmetschen als Darstellungsproblem. Eine ethno-graphische Studie zur Rolle der Dolmetscher inAsylanhörungen. In: Zeitschrift für Soziologie.Jg. 26, Juni 1997, S. 159–180.

Treibel, Annette (1999)Migration in modernen Gesellschaften. 2. Auflage.Weinheim und München: Juventa Verlag.

Triandis, Harry C., Brislin, Richard &Hui, C. Harry (1988)Cross-cultural training across the individualism-collectivism divide. In: International Journal ofIntercultural Relations, Vol. 12, S. 269–289.

Literatur

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Wahrig (2002)Die deutsche Rechtschreibung. Gütersloh/München: Wissen Media Verlag.

Wahrlich, Heide (1991)Wortlose Sprache – Verständnis und Mißver-ständnis im Kulturkontakt. In: Thomas, Alexander(Hrsg.). Kulturstandards in der internationalenBegegnung. Saarbrücken: breitenbach. S. 13–39.

Weiß, Anja (2001a)Macht und Differenz in interkulturellen Aus-einandersetzungen. Ein erweitertes Modell derKonfliktpotentiale. Berghof Report Nr. 7. BerghofForschungszentrum für konstruktive Konflikt-bearbeitung.

Weiß, Anja (2001b)Rassismus wider Willen. Ein anderer Blick auf dieStruktur sozialer Ungleichheit. Wiesbaden: West-deutscher Verlag.

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Auernheimer, Georg (Hrsg.) (2002)Interkulturelle Kompetenz und pädagogischeProfessionalität. Opladen: Leske + Budrich.

Die Aufsatzsammlung verschiedener Autorinnenund Autoren deckt relativ leicht verständlich undgleichzeitig kritisch ein breites Spektrum der The-matik „Interkulturelle Kompetenz“ ab.

Benhabib, Seyla (1999)Kulturelle Vielfalt und demokratische Gleich-heit. Frankfurt: Fischer Taschenbuch.

Die politphilosophische Abhandlung thematisiertdie politische Partizipation im Zeitalter der Globa-lisierung. Ist nicht so leicht zu lesen, bringt abereine politische Perspektive in die Diskussion.

Handschuck, Sabine & Schröer, Hubertus(2000)Interkulturelle Öffnung sozialer Dienste.Ein Strategievorschlag. In: iza Zeitschrift fürMigration und Soziale Arbeit. 3/4-2000,S. 86–95.

Der Artikel macht einen Strategievorschlag zurinterkulturellen Orientierung und Öffnung vonOrganisationen. Ausgangspunkt ist die Reform-diskussion innerhalb der sozialen Dienste mit denElementen neue Steuerung, Sozialplanung undQualitätsmanagement. Anhand der fünf wesent-lichen inhaltlichen Schritte zur Implementierungvon Qualitätsmanagement werden die Chancenfür mehr interkulturelle Kompetenz in Einrichtun-gen der sozialen Arbeit diskutiert.

Handschuck, Sabine & Schröer, Hubertus(2001)Interkulturelle Orientierung als Qualitätsstan-dard sozialer Arbeit. In: Auernheimer, Georg(Hrsg.). Migration als Herausforderung fürpädagogische Institutionen. Opladen: Leske +Budrich, S. 147–180.

Dieser Artikel geht der Frage nach, wie das neueSteuerungsmodell, ergänzt durch eine beteili-

gungsorientierte Sozial-, Kinder- und Jugend-planung sowie Qualitätsmanagement für dieinterkulturelle Orientierung und Öffnung von Ein-richtungen genutzt werden kann. Themen sind:interkulturelle Orientierung des Organisations-leitbildes, Konkretisierung in Zielen und für Ziel-gruppen, Festlegung von Schlüsselprozessen,Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisationund Überprüfung der Zielerreichung.

Hofstede, Geert (2001)Lokales Denken, Globales Handeln. Inter-kulturelle Zusammenarbeit und globalesManagement. München: Verlag C.H.Beck.

Hofstede hat bei seinen Forschungen in 50 Län-dern vier Kategorien entwickelt, mit deren Hilfesich ethnische bzw. regionale Kulturen analysierenlassen. Diese Kategorien, die er Dimensionennennt, sind Aspekte einer Kultur, mit deren Hilfesich Kulturen vergleichen lassen. Allerdings sinddiese Dimensionen nur vorläufige Annahmenzum besseren Verstehen. Deshalb ist Vorsichtgeboten! Sie sind ein Mittel für Erklärungsversuchevon wahrgenommenem Verhalten. Wichtig istaber, den Menschen und seine Situation jenseitsdieser „Schubladen“ wahrzunehmen.

Koptelzewa, Galina (2002)Erfolgreiche Kommunikation mit Menschenaus anderen Kulturen. Ein Praxishandbuch fürSozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.München: Sozialreferat/Sozialplanung.

In dem Buch wird anhand konkreter Beispieleaus der Beratungspraxis gezeigt, welchenEinfluss Kulturen auf die Kommunikation ausübenkönnen und wie man als Beraterin bzw. Beraterdamit umgehen kann. Eine kurze theoretischeEinführung und Hintergrundinformationen zuverschiedenen Aspekten von interkulturellenBegegnungen sollen die Leser und Leserinnenzur selbstständigen Entwicklung von Gesprächs-strategien anleiten.

Literaturempfehlungen

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Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Stadtjugendamt, Beauftragte für inter-kulturelle Arbeit (2000)Leitlinien für eine interkulturell orientierteKinder- und Jugendhilfe auf Grundlage des§ 9 Abs. 1 und 2 KJHG.

Die Leitlinien wurden 1999 vom Münchner Stadt-rat verabschiedet und 2000 veröffentlicht. Sietragen der sich verändernden gesellschaftlichenRealität Rechnung, indem sie die Normalität vonVielfalt betonen, ohne die strukturelle Benachtei-ligung verschiedener kultureller und ethnischerGruppen zu leugnen. Folgende Themen werdenbehandelt: Situation von Migrantinnen und Mig-ranten in München, gesetzliche Grundlage undHandlungsanforderungen, Ziele, Zielgruppen undUmsetzung der Leitlinien.

Landeshauptstadt München, Sozialreferat/Allgemeiner Sozialdienst (2002)Arbeitshandbuch Bezirkssozialarbeit, Arbeits-hilfe, Interkulturelle Kommunikation undBeratung in der Bezirkssozialarbeit.

Die „Tipps“ wurden von Teilnehmerinnen undTeilnehmern des ASD-Arbeitskreises „Verbesse-rung der Hilfe für ausländische Mitbürger/-innen“entwickelt. Sie sind ein gelungener Beitrag, dasinterkulturelle Hintergrundwissen in der Beratungvon Migrantinnen und Migranten zu erweiternund Missverständnisse in der Kommunikation mitMenschen aus anderen Kulturen zu verringern.

Levine, Robert (2001)Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeitumgehen. München, Zürich: Piper.

„Um herauszufinden, wie Menschen in ver-schiedenen Kulturen mit der Zeit umgehen, hatLevine mit Hilfe von ungewöhnlichen Experi-menten das Lebenstempo in 31 verschiedenenLändern berechnet. Das Ergebnis ist eine höchstlebendige Theorie der verschiedenen Zeitformenund eine Antwort auf die Frage, ob ein geruh-sames Leben glücklich macht“ (Umschlagtext).

Prengel, Annedore (1995)Pädagogik der Vielfalt.Opladen: Leske + Budrich.

Ein Grundlagenwerk, das Verschiedenheit undGleichberechtigung aus interkultureller, feministi-scher und integrativer Pädagogikperspektiveerarbeitet und die drei Querschnittsthemen mit-einander verknüpft.

Treibel, Annette (1999)Migration in modernen Gesellschaften. 2. Auf-lage. Weinheim und München: Juventa Verlag.

Ein sehr gut lesbar geschriebenes soziologischesLehrbuch über die sozialen Folgen von Einwan-derung, Gastarbeit und Flucht. Themen sind u.a.:Ursachen und Verlauf von Migration, öffentlicherund rechtlicher Umgang mit Migration, Erklärungs-modelle zur Einwanderung, Gastarbeit, Niederlas-sung und Fluchtmigration sowie die Bedeutungethnischer Herkunft.

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Interkulturelle VerständigungInterkulturelle Verständigung bedeutet eine Ver-ständigung zwischen Menschen unterschiedlicherkultureller Prägung mit mehr oder weniger unter-schiedlichen Deutungsmustern. Das Sozialreferatwill interkulturelle Verständigung durch Fortbil-dungsangebote auf drei Ebenen fördern. Auf derVerstandesebene wird Wissen als Grundlage fürdie Deutung von Kommunikationshandlungenvermittelt. Strukturelle Gegebenheiten und Inte-ressengegensätze werden untersucht. Auf derEbene des Verstehens werden in Beispielen inter-kulturelle Arbeits- und Alltagssituationen aus ver-schiedenen kulturellen Perspektiven betrachtetund gemeinsam gedeutet. UnterschiedlicheWahrnehmungen, die zu Missverständnissenführen können, werden reflektiert. Auf der Ebenedes Verständnisses wird durch Übungen dieEmpathiefähigkeit der Teilnehmenden unterstützt.Die gefühlsmäßigen Anteile in interkulturellenBegegnungssituationen werden erfahren. DieFortbildungen setzen an den Kompetenzen derTeilnehmenden an. Sie werden darin unterstützt,Vieldeutigkeit auszuhalten und synergetischeHandlungskonzepte zu entwickeln, die ihre je-weiligen Arbeitsbedingungen berücksichtigen.Die Fähigkeit, interkulturelle Verständigungs- undAushandlungsprozesse innerhalb eines institutio-nellen Rahmens zu initiieren, wird bei den Teil-nehmenden gestärkt.

Zielgruppe:Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus verschiede-nen Arbeitsbereichen des Sozialreferates, andererReferate sowie der freien Träger. Da die Begeg-nung von Menschen aus unterschiedlichen Be-rufsgruppen auch eine interkulturelle Begegnungist, bieten die Fortbildungen ein interkulturellesLernfeld und fördern die Verständigung und Ver-netzung von Menschen aus unterschiedlichenArbeitsbereichen.

Konzept und Seminarleitung:Sabine Handschuck und Referentinnen undReferenten mit Migrationshintergrund

Fortbildungsangebotezur interkulturellen Verständigung und Kompetenz,zur Förderung der kommunikativen Kompetenzund zum Umgang mit Konflikten

Anbieter:Landeshauptstadt München, StadtjugendamtTel. (0 89) 2 33-3 43 75Fax (0 89) 2 33-3 43 73

Interkulturelle KompetenzZiel des Grundlagenseminars:Interkulturelle Begegnungen angemessen underfolgreich gestalten

Inhalt:Reflexion der Arbeitssituation; Raum und Zeit imKulturvergleich; Interkulturelle Wahrnehmung undKommunikation; geschlechterspezifische verbaleund nonverbale Kommunikationsstile; Arbeit mitSelbst- und Fremdbildern am Beispiel von Kultur-standards; Islam und das Leben von Muslimen inDeutschland, Vorurteile – Stereotypen – Rassismus

Ziel des Aufbauseminars:Umsetzung von interkultureller Kompetenz in dieberufliche Praxis

Zielgruppe:Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die interkulturelleArbeitssituationen gestalten bzw. Angelegenhei-ten von Migrantinnen und Migranten bearbeiten

Konzept und Seminarleitung:Beate Aschenbrenner-Wellmann

Anbieter:PersonalreferatTel. (0 89) 2 33-4 40 97

Achtung (+) ToleranzZiele:Förderung der Dialog- und Konfliktkompetenz;unterschiedliche kulturelle Hintergründe, Werte-hierachien und politische Auffassungen alsHerausforderung erkennen und als Chance zurBereicherung der eigenen Lebenswelt erfahren;Ausgrenzung benachteiligter Gruppen erkennen,vermeiden und eine Haltung des selbstverständli-

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chen Respekts vor anderen entwickeln; Aneignungvon kommunikationspsychologischem WissenDas Seminar zeigt die Chancen und Grenzen vonToleranz auf und fördert die Zivilcourage. Es bie-tet Übungsräume für tolerantes, de-eskalierendesund gewaltfreies Handeln an. Hilfreiche Kommu-nikation in Konfliktsituationen und Möglichkeiten,auf Fremdenfeindlichkeit zu reagieren, sind Bau-steine der Fortbildung.

Zielgruppe:Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter desVerwaltungsdienstes

Seminarleitung:Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus demSozialreferat

Anbieter:PersonalreferatTel. (0 89) 2 33-4 40 97

Schwierige Situationen im ParteiverkehrZiele des Grundseminars:Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer findenWege, schwierige Gespräche im Parteiverkehr zumeistern; sie lernen, mit emotionalen Belastungenumzugehen, eigene Automatismen zu erkennenund zu verändern.

Ziele des Aufbauseminars:Vertiefen der Gesprächstechniken; Wahrneh-mungsschulung zu Auslösesituationen vertiefen;Austausch von Erfahrungen; Entwickeln von neu-en Handlungsstrategien.

Zielgruppe:Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedenerReferate

Seminarleitung:Wolfgang Ernst und Angelika Rücker

Anbieter:PersonalreferatDiana Heffels

Tel. (0 89) 2 33-4 41 [email protected]

Konflikte konstruktiv lösenZiel:Konflikte sind ein unvermeidlicher Bestandteilunseres Arbeitslebens. Dieses Seminar fördertdas frühzeitige Erkennen und den situations-gerechten Umgang mit konflikthaften Arbeits-beziehungen.

Zielgruppe:Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Sozial-referat, die konstruktiv mit konflikthaften Arbeits-beziehungen umgehen wollen

Anbieter:PersonalreferatTel. (0 89) 2 33-4 40 97

Für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Sozialamtes werden folgende Fort-bildungen angeboten:

Parteiverkehr leicht gemachtSeminarleitung:Helga Rieck, Volker Veth, Alfred Patermann,Friedrich Reisinger

Kreative KommunikationSeminarleitung:Maria Karl-Bourdillon, Institut für CreativeCommunication

Anbieter:SozialamtMichaela BreveglieriTel. (0 89) 2 33-2 37 [email protected]

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Register

alte Menschen 52 f.Aufenthaltsstatus 24Aufgabenorientierung 21Aushandlungsprozess 13 f.

Begrüßung 36 ff.Beziehungsorientierung 21 f., 29, 33 ff., 51

DolmetscherInnen 39, 43, 59 f.anfordern 62fachliche Anforderungen 61 f.

Du 37Du-Botschaften 57

Entscheidungen nachvollziehbar machen 45 f.Ermessensspielräume 46Erwartungen

Umgang mit falschen 44unrealistische 45

Fortbildungsangebote 74 f.

Geduld 39 f.Gesprächseinstieg 39

Haltung 41

Ich-Botschaften 57Individualismus 21interkulturelle Öffnung 15 f.interkulturelle Orientierung 13

Kinder 34, 36, 54Kleidung 54Kollektivismus 21 f., 33Kommunikation 18 ff.

erfolgreiche 27 ff., 32 ff.nonverbale 18

Kompetenz zeigen 44Konflikte 55

sich nicht „auffressen“ lassen 58Strategien zur Lösung 56 f.

Kultur 20 f., 23 f.Kulturunterschiede 20

Lebenskontext 24 f.Leistungen, darüber informieren 47Leitlinien Sozialreferat 14Leitlinien zukunftsfähige Stadtentwicklung 14Literaturempfehlungen 72 f.

Machtdistanz 22Machtgefälle 25 f.MigrantInnen 11 f.

Namenmit Namen ansprechen 38nach der Bedeutung fragen 38

Orientierungssysteme 20 f.

Platz anbieten 37

respektvoller Umgang 28, 30 f.Rollenverständnis 47 f.

Schriftverkehr 67Sprache 22

des Klientel erlernen 35Fremdsprachenkenntnisse 43kulturelle 23

Sprachmittlereinsatz 59 f.professionelle Zusammenarbeit 65 f.Schwachstellen 63 ff.Vorteile 63

Terminvereinbarungen 48auf Regeln hinweisen 52flexibler Umgang damit 51mit Ereignissen verknüpfen 51

Unterlagen 29, 44

Verstanden werden 28, 41 f.Verständnis 28, 30, 41 f.Verstehen 29, 43Vielfalt 12 f.

wahrnehmen 36

Zeitindividuelle Unterschiede 49 f.kulturelle Unterschiede 49 f.nehmen 39 f.Umgang mit 48 ff.

Zeitstrukturdurch Beruf 49 f.mangelnde durch Arbeitslosigkeit 51

Zielunterschiede 30 f.zuhören 39