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Erika Bock-Rosenthal Kurzversion: Der Drei-Stufen-Test für Telemedien imöffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Verwendung von Schaubildern aus dem im März 2009 vorgelegten Gutachten„Rahmenbedingungen für die Durchführung des Drei-Stufen-Tests“ Kops/Sokoll/Bensinger Diese Kurzversion des sogenannten „Drei-Stufen-Tests“ auf der Basis des Verfahrensgutachtens von Kops/Sokoll/Bensinger „Rahmenbedingungen für die Durchführung des Drei-Stufen-Tests“ (2009) soll zur leichteren Verständlichkeit beitragen. Rundfunkräte sind der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet und müssen deshalb der interessierten und medienrechtlich nicht versierten Öffentlichkeit auch erklären können, was sie tun. In diesem Fall ist schon allein der Text des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages ohne Hintergrundinformationen nicht zu verstehen. Zu deutlich ist ihm anzumerken, das er als Kompromiss ausgehandelt wurde. Die einzelnen Versatzstücke entstammen völlig unterschiedlichen Traditionen und Denkweisen, dem deutschen Verfassungsrecht und dem Europäischen Wettbewerbsrecht. Deshalb kann auch jeder Versuch einer allgemeinverständlichen Darstellung sich nicht im Sinne einer reinen Übersetzungsleistung verstehen; es bedarf vielmehr einer ständigen Interpretation. Auch in dem Gutachten wird an mehreren Stellen auf die Auslegungs- und Handlungsspielräume für den Rundfunkrat aufmerksam gemacht. Zudem zeigt sich schon jetzt, dass aus verschiedenen Interessenlagen heraus ganz unterschiedliche Lesarten entwickelt werden. Auch aus wissenschaftlicher Sicht wird zwar aus juristischen, ökonomischen, kommunikationswissenschaftlichen und sozialwissenchaftlichen Perspektiven auf den Drei-Stufen-Test eingegangen, interdisziplinäre Vorgehensweisen aber stecken erst in den Anfängen. Insofern ist der WDR- Rundfunkrat gehalten, sich Schritt für Schritt zu positionieren. Aus meiner Sicht gehört dazu, die neuen Aufgaben als Herausforderung und Chance - auch für die Funktionsfähigkeit der Gremienkultur - anzunehmen und auf der Basis eines klaren Wertekanons, großer Unabhängigkeit mit Tranparenz und Umsicht anzugehen, um zur Qualitätssicherung des öffentlich-rechtlichen Telemedienangebots und in gewisser Weise auch zur Funktionsfähigkeit des dualen Systems beizutragen. Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (12. RÄStV) kommen auf die Rundfunkräte komplexe neue Aufgaben zu, die sie zur entscheidenden Prüfinstanz für die Weiterentwicklung der Telemedien des öffentlich- rechtlichen Rundfunks machen. Der Hintergrund für diese Neuregelung war die Einigung zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission in einem Beihilfeverfahren aufgrund einer Beschwerde des Verbandes Privater Rundfunk ( VPRT). Da die deutsche Rundfunkgebühr von der EU-Kommission als staatliche Beihilfe eingestuft wird, die nur unter strengen Ausnahmeregelungen zulässig ist, war die EU-Kommission Adressatin des Beschwerdeverfahrens. Das „Amsterdamer Protokoll“, eine Ergänzung zum EG-Vertrag von 1997, sieht jedoch vor, dass die Bestimmung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten fällt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zudem in seinem letzten Gebührenurteil klar verdeutlicht, dass der alte Rundfunkbegriff, der ursprünglich Radio und Fernsehen (lineare

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Erika Bock-Rosenthal Kurzversion: Der Drei-Stufen-Test für Telemedien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter Verwendung von Schaubildern aus dem im März 2009 vorgelegten Gutachten „Rahmenbedingungen für die Durchführung des Drei-Stufen-Tests“ Kops/Sokoll/Bensinger

Diese Kurzversion des sogenannten „Drei-Stufen-Tests“ auf der Basis des Verfahrensgutachtens von Kops/Sokoll/Bensinger „Rahmenbedingungen für die Durchführung des Drei-Stufen-Tests“ (2009) soll zur leichteren Verständlichkeit beitragen. Rundfunkräte sind der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet und müssen deshalb der interessierten und medienrechtlich nicht versierten Öffentlichkeit auch erklären können, was sie tun. In diesem Fall ist schon allein der Text des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages ohne Hintergrundinformationen nicht zu verstehen. Zu deutlich ist ihm anzumerken, das er als Kompromiss ausgehandelt wurde. Die einzelnen Versatzstücke entstammen völlig unterschiedlichen Traditionen und Denkweisen, dem deutschen Verfassungsrecht und dem Europäischen Wettbewerbsrecht. Deshalb kann auch jeder Versuch einer allgemeinverständlichen Darstellung sich nicht im Sinne einer reinen Übersetzungsleistung verstehen; es bedarf vielmehr einer ständigen Interpretation. Auch in dem Gutachten wird an mehreren Stellen auf die Auslegungs- und Handlungsspielräume für den Rundfunkrat aufmerksam gemacht. Zudem zeigt sich schon jetzt, dass aus verschiedenen Interessenlagen heraus ganz unterschiedliche Lesarten entwickelt werden. Auch aus wissenschaftlicher Sicht wird zwar aus juristischen, ökonomischen, kommunikationswissenschaftlichen und sozialwissenchaftlichen Perspektiven auf den Drei-Stufen-Test eingegangen, interdisziplinäre Vorgehensweisen aber stecken erst in den Anfängen. Insofern ist der WDR- Rundfunkrat gehalten, sich Schritt für Schritt zu positionieren. Aus meiner Sicht gehört dazu, die neuen Aufgaben als Herausforderung und Chance - auch für die Funktionsfähigkeit der Gremienkultur - anzunehmen und auf der Basis eines klaren Wertekanons, großer Unabhängigkeit mit Tranparenz und Umsicht anzugehen, um zur Qualitätssicherung des öffentlich-rechtlichen Telemedienangebots und in gewisser Weise auch zur Funktionsfähigkeit des dualen Systems beizutragen.

Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (12. RÄStV) kommen auf die Rundfunkräte komplexe neue Aufgaben zu, die sie zur entscheidenden Prüfinstanz für die Weiterentwicklung der Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks machen. Der Hintergrund für diese Neuregelung war die Einigung zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission in einem Beihilfeverfahren aufgrund einer Beschwerde des Verbandes Privater Rundfunk ( VPRT). Da die deutsche Rundfunkgebühr von der EU-Kommission als staatliche Beihilfe eingestuft wird, die nur unter strengen Ausnahmeregelungen zulässig ist, war die EU-Kommission Adressatin des Beschwerdeverfahrens. Das „Amsterdamer Protokoll“, eine Ergänzung zum EG-Vertrag von 1997, sieht jedoch vor, dass die Bestimmung des Funktionsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten fällt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat zudem in seinem letzten Gebührenurteil klar verdeutlicht, dass der alte Rundfunkbegriff, der ursprünglich Radio und Fernsehen (lineare

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Sendungen) umfasste, auch auf das Internet (nicht linear, sondern auf Abruf) anzuwenden sei und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Entwicklungsgaratie auch in der digitalen Welt ermöglicht werden müsse, insbesondere auch, um junge Menschen erreichen zu können. Auf EU-Ebene, wo ein großes Interesse besteht mit Hilfe der neuen Technologie neue Märkte zu erschließen, wurde in dem Beschwerdeverfahren vorgetragen, dass angesichts der Vielzahl von Angeboten im Internet öffentlich-rechtliche Online-Angebote im Netz nicht nötig seien und beklagt, dass mit Gebührenmitteln unzulässig die Marktchancen der Privaten eingeschränkt würden. Es galt also, in dem Beschwerdeverfahren eine Kompromisslinie zu finden zwischen dem deutschen Verfassungsrecht der Rundfunkfreiheit, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade auch im dualen System eine besondere Rolle zuweist, und der EU-Kommission, die darauf bestand zu klären, inwiefern die Voraussetzungen des Amsterdamer Protokolls im Bereich der Telemedien zutreffen. Generell wurde ausgehandelt, den Sendern nicht einen allgemeinen Auftrag für Telemedien zu erteilen wie für die Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen, sondern es wurden enge Vorgaben verabredet. Als Telemedien werden online abrufbare Inhalte verstanden (mit Ausnahme der zeitgleich zur Sendung laufenden Streaming-Angebote, die aus Gründen der Technologieneutralität ausgenommen werden mussten), Informationsdienste, Video-On-Demand-Dienste, Podcasts etc. Telemedien, die mit Rundfunkgebühren finanziert werden, müssen selbstredend einen öffentlichen Auftrag erfüllen, grundsätzlich werbefrei und redaktionell veranlasst und gestaltet sein, einen Sendungsbezug aufweisen und eine zeitliche Begrenzung auf 7 Tage und 24 Stunden bei Bundesliga-Übertragungen und ähnlichen Sportereignissen einhalten, damit sie unter den generellen Auftrag fallen. Darüber zeitlich und sachlich hinausgehende Telemedienangebote, insbesondere auch zeit- und kulturgeschichtliche Archive, sollen ermöglicht werden, dann aber ist im Einzelfall vorab zu klären, inwiefern die neuen Telemedien vom öffentlichen Auftrag gedeckt sind, ob sie einen publizistischen Mehrwert schaffen, welcher finanzielle Aufwand nötig sein wird und daneben auch noch, welche marktlichen Auswirkungen zu erwarten sein werden. Diese Prüfung kann entspechend der nach unserem Grundgesetz notwendigen Politikferne nicht von staatlicher Seite vorgenommen werden, wie die EU-Kommission es ohne Weiteres zugelassen hätte. Eine neu zu schaffende zentrale Stelle wurde verworfen. Die Rundfunkräte wurden als die Organe bestimmt, die dieses Testverfahren, das gemeinhin Drei-Stufen-Test genannt wird, durchzuführen haben.

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Der Drei-Stufen-Test, der unten näher beschrieben wird, ist also ein neues „Versatzstück“ im 12. RÄStV neben dem wie bisher geregelten Auftrag an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Fernseh- und Hörfunkprogramme anzubieten. Dieses Versatzstück füllt die Lücke der Auftragserteilung für die öffentlich-rechtlichen Telemedien im Bereich der Telemedien. Der Drei-Stufen-Test hat das Ziel, die öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote nicht überborden zu lassen, sondern zur Qualifizierung der Angebote und zur Wahrung einer gewissen Balance im dualen System beizutragen. Dazu dienen komplizierte Verfahrensvorgaben, die es auszugestalten gilt. Der bisherige Auftrag beschränkte sich auf programmbegleitende Angebote; dies gilt nun nicht mehr für Angebote, die den Drei-Stufen-Test bestehen. Ausdrücklich als wünschenswert erwähnt werden z.B. Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichem Inhalt. Die Vorgaben des Drei-Stufen-Tests geben den Rundfunkräten auf, die Qualität und den gesellschaftlichen Nutzen der Angebote zu prüfen, die publizistische Landschaft und die Konkurrenzsituation insgesamt zu betrachten und auf der Basis externer Gutachten zu den marktlichen Auswirkungen die andere Seite des dualen Systems in den Blick zu nehmen. Die Rundfunkräte haben also in vieler Hinsicht völlig neue Rollen einzunehmen. In einem ersten Durchgang sieht der Rundfunkstaatsvertrag vor, den gesamten Telemedien-Bestand der ARD zu prüfen. Der Auftrag für die Telemedien, die den Drei-Stufen-Test durchlaufen, geht nach dem Prüfverfahren durch die Rundfunkräte zwar noch an die jeweilige Rechtsaufsicht, die zu prüfen hat, ob das vorgeschriebene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde, faktisch trifft aber der Rundfunkrat eine Entscheidung auf der Ebene eines Staatsvertrages. Die formale Beauftragung erfolgt dann durch die Rechtsaufsicht in einer amtlichen Verkündung. Der Rundfunkrat hat für die Prüfung der Telemedienkonzepte, die die Intendantin vorlegt, verschiedene Vorgaben zu beachten (s. Tabelle): Vorschriften, die für alle Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gelten: - der allgemeine Auftrag, als Medium und Faktor Prozesse der freien Meinungsbildung zu befördern, - aber auch spezielle Aufgaben:

o die Ermöglichung der Teilhabe an der Informationsgesellschaft, o Orientierungshilfe und

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o Förderung der technischen und inhaltlichen Medienkompetenz aller Generationen und der Minderheiten.

- Telemedien müssen grundsätzlich journalistisch veranlasst und gestaltet sein. - Keine Werbung und kein Sponsoring - Presseähnliche Angebote sind unzulässig.

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Zulässigkeit gebührenfinanzierter Telemedienangebote nach dem RStV-E Schaubild S. 30*

* Die genannten Seitenzahlen beziehen sich auf die Veröffentlichung des Verfahrensgutachtens als Heft 252 in der Reihe „Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie“

Ja

Nein

nicht bestandenbestanden

Ja

Nein

Sendungen auf Abruf bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung bzw. bis zu 24 Std. bei Großereignissen oder 1. und 2. Bundesliga

Nichtsendungs-bezogene Angebote

Drei-Stufen-Test

Neues oder verändertes Telemedienangebot

Gesetzlich verboten (Negativliste)?

Beauftragt?

Sendungsbezogene Angebote bis zu sieben Tage nach Ausstrahlung der

Sendung

Sendungen (auf Abruf) und

sendungsbezogene Angebote über die 7 Tage- bzw. 24h-Frist hinaus

Zeitlich unbefristete Archive mit

zeit- und kultur-geschichtlichen Inhalten (wird evtl. noch geändert)

Angebot zulässig Angebot unzulässig

Journalistisch-redaktionell veranlasst und gestaltet?

Unmittelbar nach RStV beauftragt

Telemedienangebot

Entscheidung

Abwägungsprozess

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Eine Negativliste unzulässiger Angebote nach § 11d Abs. 5 Satz 3 RStV-E mit weiteren Verboten ist einzuhalten (siehe Anlage 12. RÄStV, Seite 59/60; Verfahrensgutachten, Seite 133): 1. Anzeigenportale, Anzeigen oder Kleinanzeigen; 2. Branchenregister und -verzeichnisse; 3. Preisvergleichsportale sowie Berechnungsprogramme (z. B. Preisrechner, Versicherungsrechner); 4. Bewertungsportale für Dienstleistungen, Einrichtungen und Produkte; 5. Partner-, Kontakt-, Stellen- oder Tauschbörsen; 6. Ratgeberportale ohne Sendungsbezug; 7. Business-Networks; 8. Telekommunikationsdienstleistungen im Sinne von § 3 Nr. 24 Telekommunikationsgesetz;434 9. Wetten im Sinne von § 762 BGB;435 10. Softwareangebote, soweit nicht zur Wahrnehmung d. eigenen Angebots erforderl.; 11. Routenplaner; 12. Verlinkung ohne redaktionelle Prüfung; Verlinkungen sollen ausschließlich der unmittelbaren Ergänzung, Vertiefung oder Erläuterung eines Eigeninhalts (auch von Beteiligungsunternehmen) dienen und nicht unmittelbar zu Kaufaufforderungen führen;

13. Musikdownload von kommerziellen Fremdproduktionen; 14. Spieleangebote ohne Sendungsbezug; 15. Fotodownload ohne Sendungsbezug; 16. Veranstaltungskalender (sendungsbezogene Hinweise auf Veranstaltungen sind zulässig); 17. Foren, Chats ohne Sendungsbezug und redaktionelle Begleitung; Foren, Chats unter Programm- oder Sendermarken sind zulässig. Foren und Chats dürfen nicht inhaltlich auf Angebote ausgerichtet sein, die nach den Nummern 1 bis 16 unzulässig sind.

434 Telekommunikationsdienste i. S. v. § 3 Nr. 24 TKG sind in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen. Ihre Auflistung ist lediglich eine Klarstellung, denn solche Dienste sind ohnehin nicht vom Begriff der Telemedien umfasst.

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435 Wetten i. S. v. § 762 BGB sind gegenseitige Versprechen zur Bekräftigung widerstreitender Behauptungen, dass dem, dessen Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Wetten sind auch einseitige Wetten, bei denen nur der eine Partner einen Einsatz macht. Die Wette wird unterschieden vom Spiel, z. B. Glücksspiel, Geschicklichkeitsspiel. Vgl. Sprau in: Palandt (2009), § 762 Rz. 3. (Seite 133)

Für die Beauftragung der Sender, Telemedien ins Netz zu stellen, gibt es zwei unterschiedliche Wege: I. Es gibt eine zeitlich und sendungsbezogen eng begrenzte Beauftragung nach dem Rundfunkstaatsvertrag: - Sendungen und sendungsbezogene Angebote können zeitlich begrenzt auf 7 Tage nach der Ausstrahlung zum Abruf bereit gestellt werden.

- bei Großereignissen und Bundesliga-Spielen der 1. u. 2. Liga beschränkt sich die Abrufzeit auf 24 Stunden

II. Alle anderen Telemedien sind nach dem Drei-Stufen-Test zu prüfen und zeitlich zu befristen: - Sendungen und sendungsbezogene Angebote, die über die zeitlichen Fristen hinausgehen - Nichtsendungsbezogene Angebote - Archive mit zeit- und kulturgeschichtlichem Inhalt, die als einzige zeitlich unbefristet zugelassen werden können.

Der Drei-Stufen-Test Der Rundfunkrat als unabhängige Instanz prüft die von der Intendantin vorgelegten Angebotskonzepte: 1. inwieweit das geplante Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht,

2. in welchem Umfang das Angebot qualitativ zum publizistischen Wettbewerb beitragen wird und 3. welcher finanzielle Aufwand erforderlich ist. Im Rahmen dieses Drei-Stufen-Tests ist Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ein Gutachten zu den marktlichen Auswirkungen einzuholen. Im Staatsvertrag heißt es: „Dabei sind Quantität und Qualität der

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vorhandenen frei zugänglichen Angebote, die marktlichen Auswirkungen des geplanten Angebots sowie dessen meinungsbildende Funktion angesichts bereits vorhandener frei vergleichbarer, auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, zu berücksichtigen. Darzulegen ist der voraussichtliche Zeitraum, innerhalb dessen das Angebote stattfinden soll“. Dieser Nachsatz zum Drei-Stufen-Test birgt mehrere Unklarheiten. Erstens ist nicht klar, worauf sich dieses „Dabei“ bezieht, zweitens ist strittig, was als „frei zugänglich“ gelten kann. Nach gängiger Rechtsmeinung (Schulz) fallen darunter keine Pay-Angebote. Andererseits sind Pay-Angebote ein wichtiges Geschäftsmodell, das, wenn die Kosten nicht eine soziale Schranke darstellen, bei den marktlichen Auswirkungen mit in die Betrachtung einbezogen werden sollte. Drittens wird mit dem Verweis auf die meinungsbildende Funktion eine Verbindung zwischen der Stufe 2 und den marktlichen Auswirkungen hergestellt, die es im Einzelfall zu beachten gilt. Weitere Verfahrensschritte werden genau vorgeschrieben. Dritten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und dafür eine Mindestfrist von 6 Wochen zu gewähren. Wer als Dritte in Betracht kommt, ist nicht definiert. Neben der privaten Konkurrenz können sich auch Verbände und Organisationen der Zivilgesellschaft äußern. „Zu den marktlichen Auswirkungen ist gutachterliche Beratung hinzuzuziehen“, während weitere unabhängige Sachverständige zur Entscheidungsbildung hinzu geholt werden können. Dem marktlichen Gutachten wird insofern eine besondere Stellung eingeräumt gegenüber möglichen anderen Gutachtern. Zudem kann der Gutachter oder die Gutachterin auch Dritten gegenüber unabhängig agieren, weitere Auskünfte einholen und Stellungnahmen unmittelbar entgegennehmen. Übrigens wird auch geregelt, dass der Rundfunkrat unabhängige Sachverständige auf Kosten des WDR mit Gutachten beauftragen kann. (Dieser Passus bedarf einer Regelung im WDR-Gesetz) Weitere Vorschriften beziehen sich auf die durchgängig einzuhaltende Transparenz im Verfahren und die Abstimmungsquoren in der abschließenden Entscheidung des Rundfunkrats. Nach der Entscheidung des Rundfunkrats findet nur noch eine rechtsaufsichtliche Prüfung statt, wobei alle für die ordnungsgemäße Abwicklung notwendigen Auskünfte zu erteilen sind. Die Entscheidung des Rundfunkrats nach einer gemäß § 11f des RFÄsV durchgeführten Prüfung steht damit faktisch auf der gleichen Ebene wie ein

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Staatsvertrag. Eine spezifische inhaltliche Vorgabe durch die Rechtsaufsicht, bzw. der Länder wäre mit der verfassungsmäßig im Art. 5 GG verankerten Rundfunkfreiheit nicht vereinbar gewesen. Die erforderliche Unabhängigkeit im gesamten Verfahren und die Nachvollziehbarkeit der fachlichen Entscheidung des Rundfunkrats gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber der Konkurrenz im „marktlichen“ Bereich ist in jedem Fall zu gewährleisten, denn die Vereinbarungen im Rahmen der Beilegung des VPRT-Verfahrens, die im 12. Staatsvertrag umgesetzt sind, stehen unter allgemein kritischer Beobachtung. Insofern muss der Rundfunkrat neben seinen sonstigen Aufgaben, diese neue, unabhängige Schlüsselrolle im Bereich der Telemedien verantwortlich wahrnehmen und ausgestalten.

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Der Auftrag im Bereich der Telemedien

Schaubild S.31

Allgemeiner Funktionsauftrag: Medium und Faktor des Prozesses der freien Meinungsbildung; Erfüllung demokratischer, sozialer und kultureller Bedürfnisse;

Gebot programminhaltlicher Vielfalt

Bildung Information Beratung Unterhaltung Kultur

Konkretisierung durch Programmleitlinien und Telemedienkonzepte

Spezielle Vorgaben für Telemedien: Ermöglichung der Teilhabe an der Informationsgesellschaft

OrientierungshilfeFörderung der technischen und inhaltlichen Medienkompetenz

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Das Telemedienangebot, das von der Intendantin vorgelegt wird, muss vom Rundfunkrat eigenständig und unabhängig geprüft werden entsprechend der Verfahrensvorgaben des Gesetzgebers und der Telemedienrichtlinie. ad Stufe 1: Prüfung, inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedüfnissen der Gesellschaft entspricht Für den Drei-Stufen-Test gelten mehrerere Rechtsgrundlagen für die Stufe 1: - der allgemeine Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - der spezielle Auftrag für die Telemedien im 12. RStV - das WDR-Gesetz - die Programmleitlinien im Rahmen der Selbstverpflichtung - die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Rundfunkgebührenurteil v.11.9.1007) - das Amsterdamer Protokoll der EU - der 2. Entwurf der Rundfunkmitteilung der EU-Kommission

Dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass der publizistische Nutzen nicht nur vor dem Hintergrund des Qualitätswettbewerbs um die einzelnen Nutzer gesehen werden muss, sondern vor allem auch vor dem Hintergrund der Sicherung der Vielfalt und der Chancengleichheit des gesellschaftlichen Diskurses und der Meinungsbildung sowie der Meinungsfreiheit auch von Minderheiten. Nach unserer Verfassung hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Medium und Faktor der Meinungsbildung in diesem Sinne eine dienende Funktion. Es wird also gerade nicht nur auf empirisch erfassbare Bedürfnisse der Bevölkerung abgehoben, sondern die Verfassung gibt hier eine bildungsrechtliche Komponente vor. Es geht auch darum, einen Möglichkeitsraum gesellschaftlicher Kommunikation“ (Rossen-Stadtfeld) zu schaffen, gesellschaftliche Probleme zu erkennen, neu zu definieren und schließlich zu einer Verständigung im Sinne einer demokratischen Willensbildung zu gelangen, wie auch allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft zu ermöglichen, Orientierungshilfen und Medienkompetenz zu vermitteln und damit die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft zu stärken.

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Keineswegs bezieht sich diese bildungsrechtliche Auslegung des Verfassungsauftrags nur auf den Informations- und Bildungssektor, vielmehr prägen auch ästhetische, gestaltende und unterhaltende Elemente der Medien die Meinungsbildung, indem sie die kulturellen Tiefendimensionen (Stock) berühren, und damit die Meinungsbildungsfreiheit vielleicht sogar intensiver beeinflussen als der Informationssektor im engeren Sinne. Dass der Nutzen nicht einfach in Form von Quotenmessungen oder Meinungsumfragen verstanden werden darf, geht auch daraus hervor, dass im Einzelfall vielleicht gerade diejenigen, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eher fern stehen, am meisten davon profitieren, wenn ihre Probleme in den Medien Aufmerksamkeit finden. Auf indirektem Wege profitieren so gerade diejenigen, welche die öffentlich-rechtlichen Angebote selbst nicht nutzen, sofern die sie betreffenden Probleme öffentlich gemacht und dikutiert werden.

Es ist davon auszugehen, dass die Intendantin zu Stufe 1 mit der Vorlage des Angebotskonzeptes eine ausführliche Argumentation vorlegt, zumal hier auch auf Programmleitlinien zurückgegriffen werden kann.

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Ad Stufe 2: Prüfung, in welchem Umfang das Angebot zum publizistischen Wettbewerb beiträgt. Der publizistische Wettbewerb hebt nicht nur auf den individuellen Konsum des einzelnen Nutzers ab, sondern läßt sich am besten verstehen als kollektives Gut, als Instrument zur Sicherung der Vielfalt und Qualität. Jeder Zugewinn an publizistischem Mehrwert schafft gesellschaftliche Wohlfahrt, Zuwachs an Lernpotenzial Kommunikations- und Verständigungsmöglichkeiten , gesellschaftliche Themen zu problematisieren, Probleme zu diskutieren, Minderheiten einzubeziehen und zur gesellschaftlichen Integration beizutragen, kurz - dem gesellschaftlichen Diskurs als Medium zu dienen und ihn als kritischen Faktor mit journalistischer, auch investigativer Kompetenz und Verantwortung zu begleiten. Insofern bezieht sich die Abwägung auf Stufe 2 deutlich auf die Stufe 1. Der Beitrag zum publizistischen Wettbewerb kann nicht zweifelsfrei operationalisiert werden, aber es können juristisch definierte Vielfaltsapekte zum Vergleich herangezogen werden und Verfahren und Ergebnisse der kommunikationswissenschaftlichen Qualitätsforschung einbezogen werden. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass der Beitrag zum publizistischen Wettbewerb ex ante, im vorhinein abgeschätzt werden muss. Es kommt also auf eine begründete Argumentation an. Der publizistische Wettbewerb ist übrigens nicht gleichzusetzen mit dem marktlichen Wettbewerb, zumal im Internet immer noch lukrative Geschäftsmodelle gesucht werden, denn die Nutzerinnen und Nutzer haben sich daran gewöhnt, Informationen kostenlos zu erhalten.

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Der publizistische Nutzen eines neuen Angebotes unter Berücksichtigung damit verbundener Veränderungen des Angebotes anderer Anbieter Stufe 2 Schaubild S. 37

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Abbildung 6: Privater und gesellschaftlicher Nutzen der Medien

Schaubild Seite 80

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Unter dem publizistischen Nutzen eines Telemedienangebotes verstehen wir den Nutzen, den dieses Angebot den Mitgliedern einer Gesellschaft dadurch stiftet, dass es zur freien Meinungsbildung und damit zur Funktions- und Leistungsfähigkeit der Gesellschaft beiträgt. S. 94 (rechts):

Vielfalt

strukturelle Vielfalt inhaltlich

Informationsvielfalt Meinungsvielfalt

Interessen

Akteure

Themen

Individuen

Soziale Einheiten

Themenkategorie

Themenmerkmal

Quelle: in Anlehnung an Schatz/Schulz (1992), 705

Abbildung 12: Bestimmungsgrößen der Professionalität von Medien

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Quelle: Neuberger (2009), unter Bezug auf Gehrau (2008)

S. 96, Abbildung 14: Perspektiven, Definitionen und Messverfahren von Qualität der Medien

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Ad Stufe 3 Die Klärung des finanziellen Aufwands, der für das Angebot erforderlich ist, sollte so differenziert sein, wie die KEF dies für ihre Planungen braucht. Implizit wird damit eine Kosten-Nutzen-Abwägung vorgeschrieben, ansonsten machte die Vorschrift, die voraussichtlichen Kosten anzugeben, keinen Sinn.

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Weitere Vorschriften Um der publizistischen und marktlichen Konkurrenz im Abwägungsprozess des Rundfunkrats Gehör zu verschaffen, wird gesetzlich vorgegeben, dass Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss und dass zu den marktlichen Auswirkungen gutachterliche Beratung hinzugezogen werden muss. (Weitere Sachverständige können hinzu gezogen werden.)

Die letztlich nicht ganz geklärte ,Einigung’ im VPRT-Verfahren mit der EU, wie ein Austarieren im dualen System erreicht werden kann, scheint im Staatsvertrag durch. Der Rundfunkrat hat bei der Begründung seiner Entscheidung auf jeden Fall auf die Stellungnahmen Dritter und das marktliche Gutachten einzugehen. Der Rundfunkrat kann marktliche Auswirkungen jedoch als minder wichtig betrachten gegenüber dem Zugewinn an publizistischem Mehrwert, muss dies dann allerdings klar nachvollziehbar begründen. Zu klären ist, was in die marktlichen Auswirkungen mit einzubeziehen ist und wie mit den Gutchtern und Gutachterinnen zusammen gearbeitet werden soll. „Stufe 4“ Eigentlich setzt die Logik des Staatsvertrags implizit weitere Stufen voraus, weil nicht nur - wie in Stufe 3 vorgesehen - die Kosten des Vorhabens ermittelt werden sollen, sondern eine Kosten-Nutzen Abwägung erwartet wird. Zur Kosten-Nutzen Abwägung im Sinne von Aufwand und Ertrag gehört in Rückbindung an die erste und zweite Stufe des Dreistufentests die Prüfung, welches qualitative Gewicht dem Angebot in Hinblick auf die Befriedigung der demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft beigemessen wird und inwiefern es in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt. Die Kosten müssen verantwortbar sein in Hinblick auf den zu erwartenden Mehrwert (public value). Hier geht es also auf der einen Seite um eine quasi betriebswirtschaftliche Abwägung auf der anderen Seite um eine kulturpolitische. Auch die Stellungnahmen Dritter sind hier gegebenenfalls einzubeziehen.

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Abbildung 21: Der Drei-Stufen-Test als Nutzen-Kosten-Abwägung

faktische Stufe 4, S. 111

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„Stufe 5“ Da der dem Regelwerk für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zutiefst fremde Marktbegriff in den weiteren Verfahrensvorgaben auftaucht, kann letztlich sogar von einer fünften Stufe des Abwägens ausgegangen werden, die offensichtlich aus EU-Sicht auch erwartet wird, nämlich die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen–Abwägung im dualen System unter Einbeziehung der Abwägung zwischen erwartetem gesellschaftlichen Mehrwert und erwarteten möglichen Marktbeeinträchtigungen. Auch die Stellungnahmen Dritter sind wohl vor allem in diesem Zusammenhang in die Abwägungen einzubeziehen. Allerdings ist hier zu beachten, dass Medienmärkte, so sie denn überhaupt mit normalen volkswirtschaftlichen Kategorien zu fassen sind, erhebliche Besonderheiten aufweisen. a) Medienmärkte sind unvollkommene Märkte vor allem deshalb, weil der Nutzen nicht nur in Bezug auf das

einzelne Individuum bestimmbar ist, wie sonst in der Marktforschung, sondern weil hier der gesellschaftliche Nutzen gemeint ist, der publizistische Mehrwert, der für das Funktionieren der Demokratie nicht nur in der Information und den Entwicklungschancen des einzelnen Individuums zu sehen ist, sondern in der Stärkung und Beförderung gesellschaftlicher Diskurse. Der publizistische Mehrwert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat geradezu pädagogischen Funktionen, die Lern- und Anpassungs- und Integrationsfähigkeit der Gesellschaft zu stärken. Solche aus der Sicht des Marktes „externen“ Effekte wie der Beitrag zur freien öffentlichen Meinungsbildung werden vom Markt nicht abgegolten und lassen sich mit klassischem rein ökonomischem Instrumentarium nicht erfassen.

b) Für ein kollektiv bereitgestelltes Gut ist kein Marktpreis einzuholen (fehlende Ausschließbarkeit vom Konsum),

c) Zudem fehlt die Additivität der Kosten bei größerer Nachfrage, faktisch finden sich sinkende „Stückkosten“ mit wachsendem Abruf.

d) asymmetrische Information der „Marktpartner“: erst nach der Nutzung eines Angebots kann der Nutzer nachträglich den Wert bestimmen.

e) Inkonsequenz in den Präferenzstrukturen der Nutzer oder Kunden und dem tatsächlichen Verhalten: Qualitätsangebote werden für sehr wichtig gehalten, faktisch aber eher leichte Unterhaltung genutzt.

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f) Generell: fehlende Äquivalenz zwischen (individuellem) Nutzen und Finanzierungsbeitrag bei Gebühren ebenso wie auf der anderen Seite des dualen Systems, wo die Finanzierung über Werbeeinnahmen und sonstige Transaktionen stattfindet, das Programm und die Telemedien also eher ein Nebenprodukt sind (Helmut Thoma).

Vor allem der Widerspruch zwischen kollektiver und individueller Rationalität lassen großen Raum für Zweifel, ob in der Forschung hier mit dem klassischen Homo oeconomicus oder Rational Choice-Theorien gearbeitet werden kann, wenn es um empirische Verfahren der Marktabgrenzung geht, die die EU-Kommission favorisiert, oder um Methoden des Hypothetischen Monopolistentests, bei denen statt Preisen dann ein Qualitätsindikator eingesetzt wird. Wie also in dieser unbestimmten und mehrdimensionalen Sachlage marktliche Auswirkungen zu betrachten sind, ist in wissenchaftlicher wie auch in praktischer Hinsicht offen, was auch die ersten vorliegenden Gutachten belegen. Ein wichtiger Hinweis für die Anlage der marktlichen Gutachten findet sich in der überarbeiteten oder zweiten Fassung der Rundfunkmitteilung. Genannt werden hier Prüfdimensionen wie Vorhandensein substituierbarer redaktioneller Angebote, die Marktstruktur, die Marktstellung der öffentlich-rechtlichen Anstalt, Grad des Wettbewerbs und potenzielle Auswirkungen auf Initiativen privater Marktteilnehmer. Ein wichtiger Hinweis auf die Marktabgrenzung ist auch dem Kap 2, Ziffer 16 der Rundfunkmitteilung zu entnehmen, wo die Zeitungsverlage und andere Printmedien als wichtige Garanten für eine objektiv informierte Öffentlichkeit und für die Demokratie erwähnt werden, die jetzt mit Rundfunkveranstaltern im Internet im Wettbewerb stehen. Alle diese „kommerziellen Mediendienstleister“ werden als von den potenziellen negativen Auswirkungen Befroffene gesehen. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass nicht etwa die Spieleindustrie, die Sportartikelindustrie oder andere Privatunternehmen mit ihren Internetauftritten berücksichtigt werden müssen, wenn es um die Eruierung von marktlichen Auswirkungen geht. Entscheidend aber ist die Frage, welchen Stellenwert marktliche Gutachten überhaupt haben können angesichts des Vorrangs des publizitischen Mehrwerts. Obgleich der Gesetzestext im Staatsvertrag unpräzise ist, in welchem Verhältnis die weiteren Vorgaben zu den drei Stufen stehen, kann doch konstatiert werden, wenn in Stufe 1 und 2

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des Drei-Stufent-Tests notwendige und hinreichende Voraussetzungen genannt werden zur Begründung für das Telemedienangebot, dann sind die marktlichen Auswirkungen als nachrangig zu betrachten. Bei der Einbeziehung marktlicher Auswirkungen handelt es sich also um eine zusätzliche Bedingung, die nur dann zum Tragen käme, wenn erhebliche Marktbehinderungen zu erwarten sein würden angesichts eines kaum ins Gewicht fallenden publizistischen Zugewinns. Eine erwartete Marktstörung allein reicht also nicht aus, um eine Vorlage für ein Telemedienkonzept zurückzuweisen. Vielmehr müssen auf allen Ebenen qualitative und quantitative Aspekte prospektiv und argumentativ abgewogen werden. Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich noch daraus, dass die marktlichen Auswirkungen für ein neues Angebot prognostiziert werden müssen, denn das gesamte Verfahren sieht eine Ex-Ante-Prüfung vor. Wie kann in Bezug auf ein sich so schnell wandelndes Medium wie das Internet eine seriöse Prognose abgegeben werden? Angesichts der oben genannten Marktstörungen relativiert sich voraussichtlich die Aussagekraft von marktlichen Gutachten ohnehin. Insofern spricht viel für eine kleine Gutachtenlösung, allerdings empfiehlt es sich aus politischen Gründen und im ersten Durchgang vielleicht sogar, mehrere Gutachten einzuholen. Es bleibt auch zu klären, in welchem Ausmaß vor- und nachgelagerte Märkte wirklich mit zu berücksichtigen sind. Zu den marktlichen Auswirkungen können übrigens auch positive Effekte gehören. (Maxdome profitiert nach in der Taz zitierten Aussagen des eigenen Sprechers zur Zeit von der Kooperation mit dem ZDF) Auf jeden Fall müssen die Ergebnisse des marktlichen Gutachtens ebenso wie die Stellungnahmen Dritter sorgfältig in die Abwägungen einbezogen werden. Es kommt vor allem darauf an, gute Begründungen für die Entscheidungen des Rundfunkrats zu finden, eine plausible Argumentation und transparente Verfahrensschritte. Die Bewältigung der Aufgaben, die im Drei-Stufen-Test auf den Rundfunkrat zukommen, erfordern eine interne Professionalisierungsstrategie, die Wahrung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nach außen und eine Verständigung oder Selbstvergewisserung über die neue Rolle des Rundfunkrats.

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- Gegenüber der Intendantin ist der Rundfunkrat in Bezug auf den Drei-Stufen-Test in einer Entscheidungsposition. In voller Respektierung der Intendantenverfassung ist ggf. zu prüfen, ob der Rundfunkrat auch Teilgenehmigungen erteilen kann, z.B. mit Auflagen zu kürzeren Einstellfristen.

- Es ist auch zu klären, ob der Rundfunkrat in Zukunft nicht zu einer Dauerbeobachtung verpflichtet ist, um ggf. zu entscheiden, ob etwa ein verändertes Angebot vorliegt oder nicht.

- Im WDR-Gesetz sollte in Hinblick auf die Unabhängigkeit des Rundfunkrats bei der Vergabe von Gutachten eine Klarstellung erfolgen.

- Der Öffentlichkeit gegenüber ist der Rundfunkrat Tranparenz schuldig in einem komplizierten Verfahren, deshalb ist eine eigenständige Pressearbeit wünschenswert.

- Zu prüfen ist ggf. auch, ob Organisationen und Vereinigungen der Zivilgesellschaft angefragt oder angeregt werden sollten, sich als Dritte zu äußern.

- Die Bedenken und Monita der privaten Anbieter und der „Dritten“, die sich im Verfahren äußern, sollten sorgfältig geprüft werden. Ernst zu nehmende Argumente und Fakten sollten in die Einzelfallabwägungen einbezogen werden.

- Rundfunkräte haben die Interessen der Allgemeinheit wahrzunehmen und handeln im öffentlichen Auftrag, nicht im „Auftrag eines Senders“. Faktisch kommt den Rundfunkräten eine Wächterrolle auf der einen Seite des dualen Systems zu.

- Vor diesem Hintergrund ist es sicher von Nutzen, die Expertise der Landesanstalt für Medien (LfM) zu nutzen und deren Vertreter/innen zur Beratung oder gutachterlich hinzuzuziehen.

- Ohnehin empfiehlt es sich, vielleicht auch zur Klärung des publizistischen Mehrwerts in manchen Fällen unabhängigen Rat einzuholen, wenn die publizistische Landschaft sich sehr unübersichtlich darstellt und Prognosen einander widersprechen.

- Aus den ersten Verfahren ist zu lernen: Diejenigen, die mit einem marktlichen Gutachten betraut werden, sollten nicht allein gelassen werden, sondern brauchen Ansprechpartner aus dem Rundfunkrat.

- Die ökonomischen Gutachter dürfen qua Gesetz weitere Auskünfte und Stellungnahmen einholen. Von dieser Möglichkeit sollte der Rundfunkrat ggf. ebenfalls Gebrauch machen.

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- Gegebenenfalls ist gegenüber der Rechtsaufsicht darauf zu achten, dass ihr keine inhaltliche Prüfung zusteht.

- Rundfunkräte stehen unter verschärfter Beobachtung der politischen Öffentlichkeit, ob sie in der Lage sind, wirklich unabhängig und transparent ein so komplexes Verfahren durchzuführen. Im ersten Durchgang, in dem pragmatisch und prozesshaft vorgegangen werden muss, lohnt sich deshalb ein aufwändiges Verfahren, um formale Fehler zu vermeiden und inhaltliche Entscheidungen unter Abwägung aller relevanten Aspekte treffen zu können.

Ablauf, Einzelheiten und weiteres zum Verfahren und den einzelnen Prüfschritten sind dem Gutachten von Kops/Sokoll/Bensinger zu entnehmen.

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Zum Verfahrensablauf 3. Verfahren Schaubild S. 38:

Prüfung eines Telemedienangebots im Gesamtverfahren

1. Vorprüfung

Angebotsbeschreibung (Antrag) einschließlich Begründung

Intendantin Rundfunkrat

Angebot weder bereits beauftragt noch unzulässig?

Neues oder verändertes Angebot, das dem Drei-Stufen-Test unterliegt?

Neues oder verändertes Angebot? (laufende Überprüfung)

Dritte

Erstellung zeitlicher Ablaufplan, Formelle Verfahrenseröffnung,

Veröffentlichung, Gelegenheit zu Stellungnahmen, evtl. Verschwiegenheitserklärungen

Marktgutachten, Stellungnahmen, ggf. Einholung weiterer Informationen

Entscheidung unter Berücksichtigung aller Informationen- Beschlussfassung- Begründung

Abschluss: Übersendung an Rechtsaufsicht, Bekanntmachung

Angebotsvorlage hinreichend konkret?

Stellungnahme zu Marktgutachten und Stellungnahmen Dritter; ggfls.

weitere Informationen

Stellungnahmen, ggfls. weitere Informationen

„Holrecht“ - Möglichkeit, Genehmigungsantrag anzufordern

ja

ja

Übersendung der

geschwärzten Unterlagen

Stellungnahme

Übersendung

nein: Nachbesserung Antrag nötig

Evtl. Stellungnahme zu Frage, ob mögl. Teilgenehmigung mit

Telemedienkonzept überein stimmt oder Antrag ggfls.

zurückgenommen wird

2. Verfahrens-eröffnung

3. Informations-sammlung

4. Entscheidung

5. Abschluss