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Ernst von Siemens Musikpreis 2017

Ernst von Siemens Musikpreis 2017 - evs-musikstiftung.ch · Elliott Carter Caténaires for piano (2006) Anschließend lädt die Ernst von Siemens Musikstiftung zu einem Empfang. Porträtfilme

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Ernst von Siemens Musikpreis 2017

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Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises an

Pierre-Laurent Aimard

und Verleihung der Komponisten-Förderpreise an

Michael Pelzel, Simon Steen-Andersen und Lisa Streich

Prinzregententheater München | 2. Juni 2017 | 20 UhrErnst von Siemens MusikstiftungBayerische Akademie der Schönen Künste

Die Preisverleihung wird aufgezeichnet und am Dienstag, 4. Juli, und Donnerstag, 6. Juli 2017, jeweils 22.05 Uhr in der Reihe „Horizonte“ auf BR-KLASSIK gesendet.

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Ernst von Siemens Musikpreis

Laudatio George Benjamin, Komponist und Dirigent

Überreichung des Ernst von Siemens Musikpreises an Pierre-Laurent Aimard Michael Krüger

Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich

Vassos Nicolaou Frames für Klavier zu vier Händen (2017)

Pierre-Laurent Aimard [Die Stücke werden quasi attacca gespielt]

George Benjamin Shadowlines – six canonic preludes for piano – IV, V (2001)

György Kurtág Passio sine nomine (2015)

György Ligeti Étude XII Entrelacs (1993), Étude X Der Zauberlehrling (1994)

Marco Stroppa Passacaglia canonica aus Miniature Estrose (1991)

Elliott Carter Caténaires for piano (2006)

Anschließend lädt die Ernst von Siemens Musikstiftung zu einem Empfang.

Porträtfilme von Johannes List

English texts: page 85 ff

Begrüßung Michael Krüger Vorsitzender des Stiftungsrates der Ernst von Siemens Musikstiftung

und Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste

Komponisten-Förderpreise

Lisa Streich

Auszug aus AUGENLIDER (2015) | UA für präparierte Gitarre und Orchester

Laura Snowden, Gitarre | Münchener Kammerorchester | Jonathan Stockhammer, Leitung

Porträtfilm

Michael Pelzel

Porträtfilm

Auszug aus Gravity’s Rainbow (2016) für CLEX (elektronische Kontrabassklarinette) und Orchester

Ernesto Molinari, CLEX | Münchener Kammerorchester | Jonathan Stockhammer, Leitung

Preisübergabe Thomas von Angyan Vorsitzender des Kuratoriums der Ernst von Siemens Musikstiftung

Simon Steen Andersen

Porträtfilm

Run Time Error @ Opel feat. Ensemble Modern (2015) für Joystick-kontrolliertes Video

Simon Steen-Andersen, Joysticks

15 Minuten Pause

Programm

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Komponisten-Förderpreise 2017

Lisa Streich

Auszug aus AUGENLIDER (2015) | UAfür präparierte Gitarre und Orchester Laura Snowden, Gitarre Münchener Kammerorchester Jonathan Stockhammer, Leitung

4 Eine flirrende Klangfläche führt – wie der typische Quartsext- Vorhalt im klassischen Solokonzert – in die Solokadenz der Gitarre. Da die leisen Triller und mikrotonalen Cluster des Orchesters jedoch weiterklingen, bilden sie mit den schnellen Tonwechsel-Figuren, Läufen und Trillern des Solisten sirrende Differenztöne. Jeder Hörer sitzt dabei wie in einem eigenen Hörraum, in dem er zur kaum hörbaren Kadenz des Solisten seine eigene Kadenz imaginiert, ähnlich wie wenn man die Augenlider zum Schlafen oder Sterben schließt. Denn so wie die zarte Haut unserer Augen-lider wie ein Filter wirkt, der selbst geschlossen noch etwas sehen lässt – bei strahlendem Sonnenschein etwa eine Flut roten Lichts sowie die Umrisse und Komplementärfarben dessen, was man eben noch erblickt hat –, lässt in ähnlicher Weise auch die limi-tierte Auflösungsfähigkeit unseres Gehörs bei eng nebeneinander liegenden Frequenzen und Spektren verschiedene Illusionstöne oder regelrechte Phantommelodien hören, die nur als Interferen-zen im Innenohr existieren, nicht aber real. Fluktuierende Effekte erzielt der Gitarrist auch mit rein solistisch gespielten Skalen, indem er fortwährend zwischen den regulären Gitarrensaiten und den nicht-temperierten Stahlsaiten eines Eierschneiders wechselt.

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Das Küchengerät ist griffbereit neben das Schallloch auf den Gitarren korpus geschnallt, so dass sein feines Klirren maximal resonieren und mit den temperierten Tönen der Gitarre verschmelzen kann. Die repetitiven Skalen wandern auch in sanftes Tasten auf den Saiten der Streicher, zartes Atmen der Blechbläser sowie ganz hinten im Orchester zu drei weiteren ppp gezupften Eierschneidern der Schlagzeuger. So entsteht eine räumlich und akustisch spannungsvoll geladene Atmosphäre, die den Hörer auf Messers Schneide zwischen kollektivem und subjektivem Erfahren sowohl nach außen wie nach innen die Individualität des eigenen Hörens hören lässt.

Rainer Nonnenmann

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Verse aus dem Gloria des lateinischen Messordinariums, die zwar nicht gesprochen werden, gleichwohl aber auf das Leben und Sterben des Menschen- und Gottessohnes Jesus Christus verweisen:

„Domini fili unigenite“, „Agnus dei“, „qui tollis peccata mundi“… Das Lamm Gottes starb am Kreuz zur Sühne der Welt. Ebenso bleibt das Violoncello plötzlich mit einem Solo allein, von allen verlassen: Ecce homo. Als zartes Werden und Vergehen der Klänge entfaltet sich auch Streichs filigranes Duo SERAPH für Violoncello und Orgel (2013), das der Hörer als Sinnbild flüchtiger Existenz erleben kann, aber nicht muss.

Nicht nur von dieser Welt Lisa Streichs Musik zwischen Akribie und Glaube, Dies- und Jenseits

von Rainer Nonnenmann

Wie die Fittiche von Seraphim und Cherubim spannen zwei Harfen ihre goldgeschwungenen Bögen um das in der Mitte platzierte Ensemble. Sonst zurückhaltender mit Glaubensbekenntnissen nutzt Lisa Streich in GRATA für Violoncello und Ensemble (2011) eine offenbar biblisch konnotierte Besetzung. Symbolisch zu verstehen ist auch die Faktur des Stücks. Zwischen Liegeklängen der Streicher, fauchenden Clustern der Orgel und metallischen Fortissimo-Stößen der fünf apokalyptischen Posaunen erscheint das Solocello als einsame Vox humana, mit zerbrechlichen Kantilenen, atemhaften Flageoletts und zitternden Rezitativen. Zudem enthält die Partitur

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1110 Streichs Œuvre umfasst Vokal-, Chor-, Solo-, Kammermusik-, Ensemble- und Orchesterwerke, darunter AUGENLIDER für präparierte Gitarre und Orchester (2015), ferner die Taschenoper

…MIT BRENNENDEM ÖLE… (2011) auf alt- und neutestamentliche Texte sowie elektronische Kompositionen und Stücke für elektro-nisch und mechanisch erweiterte Instrumente. In PIETÀ (2012) werden die Cellosaiten auch unabhängig vom Spieler mit dünnen Papierstreifen bearbeitet, die an kleinen Motoren rotieren, so dass der martyriumhaft traktierte und mikrofonierte Cellokorpus ein maschinelles Eigenleben entfaltet. Diese skurrile Symbiose aus spielerischer Mechanik und der österlichen Idee der Auferstehung des Gekreuzigten erweiterte Streich in SAI BALLARE? für Klaviertrio (2015) sowie ZUCKER für „motorisiertes Ensemble“ (2016). Um den Zauber unbelebter Materie und zufälliger Koinzidenzen geht es in ihrer Konzertinstallation DER ZARTE FADEN DEN DIE SCHÖNHEIT SPINNT (2014). Vier Schlagzeuger tasten durch lose Klangfolgen und verdichten sich nur stellenweise zu synchronen Tutti-Aktionen. Dazu ziehen sie von Zeit zu Zeit an einem über Seilwinden gespannten Faden, von dem kleine Streifen aus Metall, Plastik, Leder und Pappe über Perkussionsinstrumente, Eierschneider, Flaschen und Gläser streichen. Die Beiläufigkeit der delikaten Klangresultate sowie die zwischen Spielern und Objekten changierende Rollenverteilung entfalten große Intensität und Magie. Lisa Streichs Musik ist von ein-wickelnder Schönheit, zugleich ernst und verspielt, kraft- und bedeu-tungsvoll, körperlich, grausam und zart – nicht nur von dieser Welt.

Die 1985 in Schweden geborene Komponistin und Organistin trägt den spirituellen Hintergrund ihrer Musik nicht missionarisch vor sich her. Neben tief existenziellen Fragen prägen ihr Schaffen auch Alltägliches und Einfaches. Doch selbst ohne programmatische Titel, Texte und Kommentare hört man ihren Werken an, dass es um Wesentliches geht. Dabei verdankt sich die Ausdruckskraft ihrer Musik klar gesetzten Materialien und differenzierten Strukturen. Beispielsweise schreibt Lisa Streich oft sechs Geschwindigkeitsstufen vor, mit denen Streicher ihre Bogenführung gestalten, Harfenisten über die Saiten fahren und Posaunen mit ihren Zügen glissandieren. Voraussetzung jeden Bekenntnisses durch Musik ist zunächst einmal größtmögliche Genauigkeit des Komponierten und Notierten. Während sich der Titel ASCHE für Klarinette und Violoncello (2012) mehrdeutig auf Verbranntes, die Fastenzeit oder profan-umgangs-sprachlich auf Geld bezieht, sind Satztechnik und Form des Stücks umso eindeutiger gestaltet als ein Prozess der gegenseitigen Annä-herung des Blas- und Streichinstruments über alle klangliche Diffe-renz und räumliche Distanz hinweg. Das mittig auf der Bühne plat-zierte Cello und die möglichst weit rechts davon entfernte Klarinette spielen anfangs konsequent abwechselnd. Dadurch kommen sie zwar nie simultan zusammen, verzahnen sich aber nahtlos zu einer einstimmigen Linie, bis die Instrumente schließlich durch erweiterte Spielpraktiken, Mehrklänge und Unisoni in hoher Lage miteinander verschmelzen. Man kann diese instrumentale Anamorphose theo-logisch als Aufhebung des Prinzipio Individuationis deuten, braucht dies aber nicht, denn der rein musikalische Vorgang und die sirrend en Schwebungen und Differenztöne, die sich sehr physisch und durch-aus quälend dem Gehör einschreiben, sind bereits spannend genug.

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Lisa Streich

Lisa Streich, geboren 1985 in Norra Råda (Schweden), studierte Komposition und Orgel in Berlin (UdK), Stockholm (KMH), Salzburg (Mozarteum), Paris (Ircam) und Köln (HfMT) bei Adriana Hölszky, Johannes Schöllhorn, Mauro Lanza, William Brunson, Margareta Hürholz, Ralph Gustafsson, David Smeyers und anderen. Meisterkurse, zum Beispiel bei Chaya Czernowin, Brian Ferneyhough, Steven Takasugi und Hanspeter Kyburz, runden ihre musikalische Ausbildung ab. Die Musik Lisa Streichs wurde in Schweden, Deutschland, Israel, Österreich, Frankreich, Großbritannien, USA und Kanada aufgeführt und im schwedischen, deutschen, norwegischen und tschechischen Rundfunk ausgestrahlt. Aufgeführt wurde ihre Musik unter anderem von Nouvel Ensemble Moderne, Quatuor Diotima, ensemble recherche, OENM, Ensemble Sonanza und Stockholms Kammarkör, beim Taschenopernfestival Salzburg, ICMC, Ircam, Deutschlandfunk, Sveriges Radio, Ultraschall, Tzlil Meudcan, Acht Brücken, Acanthes, im Kölner Dom und im Schloss Solitude. Sie war Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie Aufenthaltsstipendiatin der Cité des Arts Paris / Kungliga Musikaliska Akademien Stockholm. 2013 wurde sie Preisträgerin des Anne-Sophie Mutter Fonds / Norrköpings Symfoniorkester und es wurde ihr der Busoni Förderpreis der Akademie der Künste Berlin anerkannt. 2014 erhielt sie ein Arbeitsstipendium vom schwedischen Staat (Konstnärsnämnden) sowie das Bernd Alois Zimmermann Stipendium der Stadt Köln. 2015 wurde sie für die Edition Zeitgenössische Musik / WERGO für eine Porträt-CD ausgewählt, sie erhielt die Roche Young Commission für das Lucerne Festival 2017 und wurde von der deutschen Bundes-regierung mit einem Aufenthaltsstipendium in die Villa Massimo in Rom eingeladen, wo sie 2016 / 2017 lebt. 2017 / 2018 wird sie eine Composer Residency beim ensemble recherche innehaben.

www.lisastreich.se

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Michael Pelzel

Auszug aus Gravity’s Rainbow (2016)für CLEX (elektronische Kontrabassklarinette) und OrchesterErnesto Molinari, CLEX Münchener Kammerorchester Jonathan Stockhammer, Leitung

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18 Ein Kontrabassklarinettenkonzert ist etwas Ungewöhnliches, auch in der zeitgenössischen Musik. Wie ungewöhnlich aber mag dann erst ein Konzert sein, das für ein ganz neu entwickeltes Instrument geschrieben ist, dessen Name zwar wie ein Malprogramm für Kinder klingt, das aber – Sie werden es gleich sehen – schon auf-grund seiner Größe nichts für Heranwachsende ist? CLEX steht für

„Contrabassclarinet extended“: Dahinter verbirgt sich eine radikale Neukonstruktion dieses tiefen Klarinetteninstruments, bei der mithilfe modernster Technik die Kompromisse, die man bislang zugunsten der Spielbarkeit machen musste, wegfallen. Kleine Elek-tromotoren steuern, ausgelöst durch elektronische Sensoren, das Öffnen und Schließen der Tonlöcher, die somit an den akustisch idealen Stellen auf dem Instrument angebracht werden können – und nicht dort, wo sie sich vom Spieler noch erreichen lassen. Dadurch ergibt sich ein weites Feld neuer klanglicher und spiel-technischer Möglichkeiten, das Michael Pelzel in Gravity’s Rainbow erkundet. Und indem er sich dabei vor allem auf das Schüttere und Mürbe konzentriert, auf das changierend Uneindeutige im Grenzbereich des Mehr-als-Leisen, verführt er zum genauen Hin-hören, zwingt er uns hinein in einen irisierenden Kosmos, den er vor unseren Ohren entfaltet. Dem Solisten zur Seite steht dabei ein ungeheuer reiches Instrumentarium, in dem sphärische Glocken-, Glas- und Flötenklänge dominieren. So findet neben einer Vielzahl von Perkussionsinstrumenten auch eine Glasharmonika Verwen-dung, ein Instrument, dessen zauberhaft körperlosen Tönen man bereits im 18. Jahrhundert erlag. Dazu kommen gestimmte Trink-gläser, Orgelpfeifen, Okarinas und Lotosflöten sowie Watergongs und andere Klangkörper, deren Schwingungen durch Wasser modi-fiziert werden.

Das Resultat dieses instrumentalen Aufwands ist eine berückende Musik ohne alle Erdenschwere, in der die Bassklarinette nicht so sehr als konzertierender Gegenpart, sondern als Impulsgeber oder komplementäre Ergänzung agiert. Einerseits füllt sie das tiefe Register, andererseits belebt sie mit Mehrfachklängen und Luftge-räuschen – „äolischen Klängen“, wie es in der Partitur heißt – den Klangraum in der Höhe. Wie Symbionten an ihre Wirtspflanze lagern sich dabei andere Klangereignisse an ihre Linien an, ver-dichten sich und scheinen die Solostimme zeitweise zu überwu-chern, um sie am Ende in eine Kadenz zu entlassen. So mag es in den Baumkronen noch unentdeckter Urwälder klingen. Gewiss, das sind bloße Metaphern, die bestenfalls dazu anregen, beim Hören von Gravity’s Rainbow eigene, treffendere Bilder zu finden. Und doch lassen sie etwas für das Stück Entscheidendes deutlich werden: dass nämlich sein Komponist sich nicht als ein Platzanweiser für Töne, sondern als Entdecker versteht, im Erkunden eines neuen Instruments ebenso wie im Entwickeln seiner musikalischen Ideen.

Markus Böggemann

„Äolische Klänge“

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von Markus Böggemann

„Komponieren heißt: ein Instrument bauen“: Der Satz Helmut Lachenmanns erscheint wie gemünzt auf die Musik Michael Pelzels. Denn die Werke des Schweizer Komponisten führen häufig die Idee eines besonderen Klangkörpers mit sich, eines gleichsam imaginären Ensembles, das durch das real vorhandene dargestellt wird und ihm gelegentlich auch richtiggehend abge-trotzt werden muss. ...sentiers tortueux... beispielsweise, ein Ensemblestück für neun Musiker aus dem Jahr 2007, soll, so der Komponist, klanglich an ein ganzes „Gong-Orchester“ erinnern. Dazu werden die zwei (um einen Sechstelton gegeneinander verstimmten) Klaviere aufwendig präpariert, ebenso die drei Streichinstrumente. Zusammen mit einem enormen Arsenal von Schlag instrumenten – Tempel-, Kuh- und Kirchenglocken, Becken, Gongs, Trompong, Steeldrums, aber auch eine Kalimba („Daumenklavier“) – ergibt sich so ein Klang, der überwältigend reich und vielgestaltig ist und die gewählte Besetzung geradezu transzendiert. Zugleich aber erscheint dieser Reichtum in einen Gesamtklang eingebunden, der seine Bestandteile überwölbt und verschmelzen lässt. Dieses nur scheinbar paradoxe Ineinander von Differenziertheit und Homogenität ist ein zentraler Aspekt von Michael Pelzels kompositorischem Denken. Unter Hinweis auf die Faszinations-kraft der monochromen Bilder Yves Kleins spricht er von einem

„Amalgam-Klang“, den er in seinen Werken zu realisieren trachtet, einer farblichen Verschmelzung der Instrumente bei zugleich auße rordentlicher Tiefenschärfe im Detail. Und ähnlich dem

Im Strom des Klanges. Zur Musik Michael Pelzels

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Reflexion auf den Klang und auf die Mittel seiner Hervor bringung erscheint als Maxime für die Musik Michael Pelzels auch dort, wo sie vermeintlich durch Tradition stabilisierte Gattungen aufgreift. ...vague écume des mers..., sein Streichquartett aus dem Jahr 2013, verlässt sich nicht auf diese Tradition, es entwirft stattdessen mit seinem individuellen Klang auch den ihn hervorbringenden Klangkörper neu: Die vier Streichinstrumente agieren meist in einer Aufteilung in zwei Schichten, die sich verzahnen, gegen-einander laufen, einander ausweichen und wieder zusammen-kommen. Für ihre Interaktionsformen ist dabei nicht zuletzt die Rezeption der aus der afrikanischen Musik herrührenden Interlocking-Technik ausschlaggebend, bei der rhythmische Patterns reißverschlussartig miteinander verschränkt werden. Ein Instrument bauen, das heißt, den Klang nicht als etwas Gegebenes, sondern als etwas zu Entdeckendes, als Feld reflek-tierten kompositorischen Handelns zu begreifen. Die Musik Michael Pelzels führt das mit ästhetischer Überzeugungskraft, reflektiert und mit außergewöhnlicher Fantasie vor Ohren.

Schwindel, den das ebenso klare wie bodenlose Ultramarin des Malers im Betrachter auslöst und mit dem es ihn ins Bild zieht, entfaltet auch Michael Pelzels Musik eine Soghaftigkeit, auf die man sich hörend einlassen sollte. Pelzel selbst benutzt das Bild eines Flusses, der alles Mögliche mit sich führt; es aufgreifend, kann man sagen: Der Ort des idealen Hörers seiner Musik ist nicht am Ufer, sondern mitten im Strom. Sculture di suono (2014) für großes Ensemble ist ein solcher Strom. Das Werk, dessen Untertitel „in memoriam Giacinto Scelsi“ es zu einer Art Stele macht, zu einem Akt musikalischen Eingeden-kens, nimmt zwar seinen Ausgang von der Klangwelt der Impro-visationen Scelsis auf einem einfachen elektronischen Musikinstru-ment (der „Ondiola“ oder „Clavioline“), es imitiert sie aber nicht bloß. Vielmehr projiziert das Stück bestimmte Charakteristika dieser Klangwelt – das Körperlose, Nicht-Expressive, die orgel-artige Homogenität, aber auch ihre mikrotonalen Reichtümer, ihre diversen Vibrati und Schwebungen – auf das große Ensemble. Dieses wird gleichsam zu einem überdimensionalen und vielfach erweiterten Nachbau von Scelsis Instrument, auf dem sich dann individuell spielen lässt, um eigene musikalische Ideen zu formu-lieren und auszuführen. Dazu zählen bei Sculture di suono das wechselnde Verhältnis von Vorder- und Hintergrund, von prä-gnanter Motivgestalt und diffuser Umgebung, und die Interaktion verschiedener instrumentaler Schichten: Wie nach einigen Takten eine Figur im Englischhorn die opake Klangoberfläche durchstößt, von dieser wieder aufgesogen wird, gleichzeitig aber als individu-elle Farbe fortan präsent bleibt, das ist berückend zu hören und macht höchst neugierig auf den Fortgang, da ja der Klangkörper, der diesen Gegensatz inszeniert, bereits ein Ergebnis komposito-rischer Arbeit ist.

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Michael Pelzel ist Komponist und Organist. Er wurde 1978 in Rapperswil (Schweiz) geboren. Nach der Matura an der Kantons-schule Wattwil folgte von 1998 bis 2009 das Studium an den Musik hochschulen von Luzern, Basel, Stuttgart, Berlin und Karlsruhe. Er studierte unter anderem Klavier bei Ivan Klánsky, Orgel bei Jakob Wittwer, Martin Sander, Ludger Lohmann und Guy Bovet und Komposition bei Dieter Ammann, Detlev Müller-Siemens, Georg-Friedrich Haas, Hanspeter Kyburz und Wolfgang Rihm sowie Musiktheorie bei Roland Moser und Balz Trümpy. Er besuchte verschiedene Kompositionsmeisterkurse bei Tristan Murail, Beat Furrer, Michaël Jarrell, Klaus Huber, Brian Ferneyhough, György Kurtàg und Helmut Lachenmann. Von 2004 bis 2010 war er bei den Sommerferienkursen von Darmstadt, darüber hinaus besuchte er Meisterkurse bei den Festivals Acanthes in Metz und Royaumont in Paris und war Mitglied der Akademie Musiktheater heute. Als Organist war Pelzel zu Gast an verschiedenen Kirchen und Kathedralen, beispielsweise in San Francisco, Los Angeles, Sydney und Cape Town. Seine Kompositionen werden von Klangkörpern wie dem ensemble recherche, Klangforum Wien, Quatuor Diotima, Arditti Quartet, Ensemble intercontemporain oder dem Sympho-nieorchester des Bayrischen Rundfunks interpretiert. Seine Werke erklingen bei Festivals wie den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, den Donaueschinger Musiktagen, Wien Modern, Klang-spuren (Schwaz, Tirol), Tremplin (Paris), Lucerne Festival und Art on Main (Johannesburg). Er unterrichtet zudem an Musikhochschu-len im Bereich Musiktheorie und hielt Workshops für Komposition an der University of the Witwatersrand in Johannesburg (Südafrika).

Michael Pelzel

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Pelzel erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen, unter anderem war er 2005 Preisträger beim Kompositionswettbewerb der musica viva des Bayerischen Rundfunks, 2005 Preisträger beim Kompositions-wettbewerb der Stiftung Christoph Delz (Basel), 2007 Preisträger bei der Jurgenson Competition (Moskau), 2009 Preisträger beim Kompositionswettbewerb Music Today (Seoul), 2011 erhielt er den Busoni-Kompositionspreis. Im selben Jahr wurde er für eine Porträt-CD im Rahmen der Edition des Deutschen Musikrates in Zusammen-arbeit mit dem deutschen Label WERGO ausgewählt. 2012, 2013 und 2016 erhielt er ein Aufenthaltsstipendium am Visby International Centre for Composers (VICC), 2014 ein Aufenthaltsstipendium im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms DAAD; 2016 den Kom-positionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart und ein Stipendium der pro helvetia – Kulturstiftung der Schweiz für einen dreimona-tigen künstlerischen Aufenthalt in Chennai (Indien). Dort studierte er karnatische Musik mit ihren speziellen rhythmischen Strukturen und perfektionierte sein Spiel auf der Ghatam, einem südindischen Tontopfinstrument. Michael Pelzels Kompositionen und Kompositionsaufträge wurden jeweils mehrfach gefördert von der STEO Stiftung, Küsnacht, der Stiftung NICATI DE LUZE, Lausanne und der Schweizer Kulturstiftung pro helvetia.

www.michaelpelzel.ch

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3130 Die Run Time Error-Serie begann Simon Steen-Andersen 2009. Mittlerweile realisierte er diese „Site-specific Performance“ an 13 Orten, die meisten in Europa, eine in New York. Sie gehorcht einem einfachen, aber strengen Regelsystem. Aufgebaut wird am jeweiligen Ort (meist im Zusammenhang mit der Aufführung anderer Werke des Komponisten) ein klingender Parcours aus dort vorgefundenen Gegenständen. Diese müssen nicht unbedingt Instrumente sein, sondern es kann alles sein, was tönt, klirrt, rasselt und scheppert. Jeder Gegenstand darf nur einmal benutzt werden, und jede Aktion muss mit der nachfolgenden zusammen-hängen. Der Parcours wird in der Regel vom Komponisten selbst und wiederholt in großer Geschwindigkeit abgelaufen. Dabei bringt er die Gegenstände zum Klingen, in dem er sie bewegt, schüttelt, rüttelt und beklopft. Die Klänge werden gleichzeitig von ihm mit einem Mikrofon aufgezeichnet. Ein Kamermann folgt ihm auf den Fersen und hält die Aktion im Bild fest. Anschließend wird der mechanische Ablauf zu einer kontinuierlichen Schleife montiert, die keinen Anfang und kein Ende hat. Von Ferne erinnert es ein wenig an das legendäre Video Der Lauf der Dinge des Künstlerduos Fischli und Weiss. In Anspielung darauf nennt Steen-Andersen Run Time Error auch Lauf der Klänge. Im anschließenden Konzert wird die Aufnahme zweimal ne-beneinander projiziert. Die Projektionen werden von Steen-Andersen mit zwei Joysticks live gesteuert, so dass sie – zeitlich manipuliert – gegeneinander verschoben, vorwärts und rückwärts, beschleunigt und verlangsamt ablaufen. Eine Art zweistimmige Invention, ein Fugato im buchstäblichen Sinne des Wortes.

Simon Steen Andersen

Run Time Error @ Opel feat. Ensemble Modern (2015)für Joystick-kontrolliertes VideoSimon Steen-Andersen, Performance, Aufnahme und JoysticksEnsemble Modern, Instrumente und Objekte Peter Tining, Kamera-Performer

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3332 Der Komponist agiert dabei wie ein virtuoser Instrumentalist, des-sen Klangkörper allerdings die audio-visuelle Projektion ist. Und er verfährt dabei als Komponist: Er rhythmisiert, setzt im Sinne des Componere das Video zusammen, dehnt oder presst die Zeit. Alle Parameter des kompositorischen Prozesses werden erfüllt: Tonhöhe, Tondauer, Klangfarbe, Zeit und Raum. Hier komponiert Simon Steen-Andersen wie auch in anderen Werken mit Bild und Klang. Andererseits ist Run Time Error nicht nur ein aktionistisches Selbstporträt des Komponisten, sondern zeigt ein generelles Bild des gegenwärtigen Komponierens unter globalisierten Bedin-gungen: wechselnde Örtlichkeiten, das Arrangement mit dem Gegebenen und die Beschleunigung der zeitlichen Verhältnisse. Ohne explizit politisch zu sein, bleibt diesem konzeptuellen Zugriff die Politik des Musikmachens dennoch eingeschrieben. 2015 realisierte Steen-Andersen in einem stillgelegten Opel-werk in Rüsselsheim den Run Time Error-Parcours nicht allein. Er ist zwar immer noch unterwegs mit Mikrofon und Kamera, der Spurt führt aber an den 14 Musikern des Ensemble Modern vorbei, die sowohl ihre angestammten Instrumente als auch dort vorge-fundene Objekte in Bewegung und Klang zu versetzen haben. In diesem Fall hat er nicht nur mit dem Raum und seinen Bedingungen komponiert, sondern ein Werk erzeugt, das Musiker, Raum und Zeit zu einem Totalerlebnis zusammenschweißt. Und bei jeder Aufführung wird der Komponist nicht nur zum Performer, sondern auch zu einem genialisch-diabolischen Dirigenten des Ensembles, der den Taktstock durch den Joystick seiner ewig andauernden Kindheitsspiele vertauscht hat. Forever young! Auch wenn die Zeit im Bild buchstäblich davonläuft.

Bernd Künzig

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Manch ein Besucher von Konzerten der Neuen Musik gesteht gern ein, dass er dieses Neue oft erst wirklich verstehen und genießen kann, wenn er sieht und nicht nur hört, wie es entsteht. Die Kon-templation, mit geschlossenen Augen Musik nur zu hören, scheint für diesen Typus des Konzertbesuchers dabei eher schwierig zu sein. Bei einem Komponisten wie Simon Steen-Andersen dürfte er durchaus auf seine Kosten kommen. Denn die Sichtbarkeit der Klänge spielt in seinem Werk eine entscheidende Rolle. Dabei nutzt er die sich ihm bietenden multimedialen Möglichkeiten reichlich, allerdings ohne in modisch Zeitgeistiges zu verfallen. Im Gegenteil könnte der Einbezug einer im Low-Tech angesiedel-ten Sichtbarkeit eher auf die Kindheitsgeschichte des 1976 Gebo-renen verweisen: Der Joystick aus der frühen Generation der Computerspiele ist ein wesentliches Spielinstrument seiner Musik, mit dem er als Performer in seiner Reihe Run Time Error sowohl die Bilder als auch die Klänge steuern kann.

Sichtbare Klänge.Zur Musik von Simon Steen-Andersen

Man könnte diese neue Form des audio-visuellen Komponierens im Sinne des ursprünglichen Wortes „componere“ und mit einer Wortschöpfung des genialen Ausstellungsmachers Harald Szeemann definieren: „When attitudes become form“. Wenngleich Simon Steen-Andersens Musik eigentlich nicht viel mit Pop zu tun hat, so prägt neben dem Geräuschhaften ein maßgeblicher Aspekt der Rock- und Pop-Musik dennoch seine Klangsprache. Klänge können nicht nur sichtbar gemacht werden, sondern ein wesentliches Merkmal ihrer Entstehung sind ihre Physikalität und Körperlichkeit, nach Aussage des Komponisten:

„Ich sage eigentlich immer zu den Musikern, arrangiere Dich so, dass man möglichst sehen kann, was Du machst. Ich finde es immer interessant zu sehen, was die Leute machen oder wie ein Klang entsteht.“ Auf den ersten, oberflächlichen Blick scheint dies banal zu sein. Doch Simon Steen-Andersen ist alles andere als ein Bebilderer oder Illustrator von Klängen. Mit seinen Kompositionen betreibt er oft auch ein Verwirrspiel, bei dem sich nicht mehr ganz genau differenzieren lässt, ob das, was wir sehen, das akustische Ereignis erzeugt und bestimmt oder umgekehrt. In Black Box Music (2012) werden dergestalt dirigentische Gesten in einer Art Puppenthea-terbühne ausgeführt. Den Schlagzeuger, der diese Gesten aus-führt, bekommen weder die davor spielenden Musiker noch die Zuschauer ganzkörperlich zu sehen. Er bleibt reduziert auf seine Hände, die nicht nur dirigieren, sondern im geschlossenen Kasten zusätzlich allerhand Dinge – den Puppentheatervorhang, Gummi-züge, Luftschlangen und anderes Gerät – zu bedienen haben, bis hin zum surrealen Slapstick. Einblick erhält man in diesen Kasten nur durch die überdimensionale Videoprojektion mithilfe einer Miniaturkamera, so dass das Ganze wie eine Guckkastenbühne oder ein Zauberkasten erscheint.

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Für den Zuschauer und Hörer bleibt jedenfalls offen, ob die darin stattfindenden Gesten und Ereignisse nun die Musiker steuern oder ob sie eine Choreografie des Klangverlaufs darstellen. Dem Ganzen bleibt etwas Unheimliches eingeschrieben, denn im Grun-de ist dieser Zusammenhang von Bild und Klang auch ein unge-heuerlicher. Eine gleichzeitige Dekonstruktion des Dirigierens und des Puppentheaters, also des Kreatürlichen und Mechanischen, hat Steen-Andersen fast in der Konsequenz von E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann diesen Ansatz bezeichnet.

Als eine großformatige, konzertante Synthese kann man das 2014 entstandene Piano concerto ansehen. Der zu Beginn als Präludium projizierte Videofilm eines Flügelsturzes in slow-slow-motion ist lediglich der Ausgangspunkt für den „Bau“ und die

„Brechung“ eines klassischen Instrumentes, das schließlich selbst gebrochene Klänge hervorbringt. Das Gebrochene erscheint in diesem Konzert phantomartig als Videoprojektion des Pianisten, der nicht nur den intakten Konzertflügel live spielt, sondern sein eigenes, zuvor in Ton und Bild aufgezeichnetes Spiel am zerbro-chenen Instrument per Sampler steuert und rhythmisiert. Was so entsteht ist ein Orchesterstück mit zwei Klaviersolisten, intakt und gebrochen, perfekt und imperfekt, real und surreal, mit diversen Anleihen in der Musikgeschichte von der romantischen Virtuosität bis zum Ragtime. Von der „Schönheit des Imperfekten“ spricht Steen-Andersen dabei und realisiert doch ein Grundprinzip, das Helmut Lachenmann einmal benannt hat: Komponieren heißt, ein Instrument bauen.

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3938 Simon Steen-Andersen studierte Komposition bei Karl Aage Rasmussen, Mathias Spahlinger, Gabriel Valverde und Bent Sorensen in Aarhus, Freiburg, Buenos Aires und Kopenhagen. Seit 2008 ist Simon Steen-Andersen Kompositionsdozent an der Königlichen Musikakademie Aarhus. Von 2013 bis 2014 war er Gast professor an der Norwegischen Musikhochschule in Oslo und von 2014 bis 2016 Dozent bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt. 2017 hat er eine Gastprofessur an der UdK Berlin inne. Die meisten seiner Werke sind bei Edition-S (Kopenhagen) erschienen.

www.simonsteenandersen.dk

Simon Steen-Andersen, geboren 1976, lebt in Berlin und ist Komponist und Installationskünstler, dessen Arbeit sich zwischen instrumentaler Musik, Elektronik, Video und Performance, sym-phonischer und Kammermusik (mit und ohne Multimedia), Solo-auftritten, Inszenierungen und Installationen bewegt. Die Arbeiten der vergangenen Jahre nehmen vor allem konkrete Elemente in die Musik auf und betonen physische und choreographische Aspekte der instrumentalen Aufführung. Oft kommen dabei ver-stärkte akustische Instrumente in Verbindung mit Sampler, Videos, einfachen Alltagsgegenständen oder Selbstgebautem zum Einsatz. Simon Steen-Andersen erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Förderungen – zuletzt den Musikpreis des Nordischen Rats und den Preis des SWR-Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg 2014, den Carl Nielsen Preis und den Kunstpreis Musik der Akade-mie der Künste in Berlin 2013, die Tribune internationale des compositeurs, die DAAD Berliner Künstlerprogramm Residency 2010 und den Kranichsteiner Musikpreis 2008. Seit 2016 ist er Mitglied der Akademie der Künste. Er erhielt Kompositionsaufträge von Ensembles, Orchestern und Festivals wie ensemble recherche, Neue Vokalsolisten Stuttgart, SWR Symphonieorchester, Orchestre Philharmonique de Radio France, Ensemble Ascolta, JACK Quartet, Ensemble Modern, Oslo Sinfonietta, 2e2m, Donaueschinger Musik tage, Ultraschall, Wittener Tage für neue Kammermusik und ECLAT. Außerdem arbeitete er mit Ensembles wie Klangforum Wien, Collegium Novum Zürich, ICTUS, Arditti, London Sinfonietta, Ensemble intercontemporain, asamisimasa und NADAR.

Simon Steen-Andersen

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Leinwand für die Projektion von Ravels Geist aus dem Instrumental-Theater Inszenierte Nacht (2012) von Simon Steen-Andersen

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Ernst von Siemens Musikpreis 2017Pierre-Laurent Aimard

Über Ordnung und Freiheit in der Musik

Pierre-Laurent Aimard im Gespräch mit dem Musikjournalisten Eckhard Roelcke

Eckhard Roelcke: Neben zeitgenössischer Musik haben Sie sich intensiv mit Musik des 18. und 19. Jahrhunderts beschäftigt, unter anderem mit Kompositionen von Bach, Beethoven und Debussy. Welche Idee liegt diesem weit gefächerten Repertoire zugrunde?

Pierre-Laurent Aimard: Um ein besseres Verständnis von unserer Welt zu bekommen, müssen wir unsere starken Wurzeln in den Vergangenheiten kennen und darauf aufbauen. Deswegen wollte ich nicht ausschließlich zeitgenössische Musik spielen. Man kann viel stärker überzeugen, wenn man nicht in einer Nische bleibt. Der Musik-Betrieb fordert diese Nische: ein klares Profil für ein „Produkt“. Der Kunde soll nicht zu viel nachdenken, sondern einen Titel, ein Gesicht, ein Image kaufen. Es ist schwer, gegen diese Tendenz anzukämpfen und zugleich einen Platz in der Gesellschaft zu behaupten, auf dem man gesehen und gehört wird. Deshalb, und damit komme ich auf die Musik und Ihre Frage zurück, ist mir dieses Repertoire von Sweelinck bis hin zu jungen Komponisten so wichtig. Wir sind kein Supermarkt für Neue Musik und sollten nicht alles verkaufen. Wir müssen auswählen und ein Profil haben. Ge-nau so habe ich mein künstlerisches Leben konzipiert. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir engstirnig sind. Wir müssen uns öffnen.

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45Es freut mich beispielsweise zu sehen, wie sich Ligeti-Werke weiter verbreiten. Ich wollte nie einen Komponisten ganz für mich in Beschlag nehmen – ich sehe mich immer nur als Zeuge unserer Zeit. Unterrichten ist auch deshalb wesentlich, weil wir Lehrer die Chance haben, uns selbst zu regenerieren – wenn wir mit jüngeren Musikern zusammenarbeiten, die in dieser neuen Welt so anders leben als wir. Kultur, Kommunikation und Konzen tration wandeln sich, deshalb müssen auch wir uns permanent ändern. Genau das Gegenteil geschieht im Showbusiness. Dort sind Werke bloße Verkaufsobjekte. Und Interpreten sind nur Spieler. Wenn man gegen diese Konsumwelt und gegen die Politik, die diese Entwicklung fördert, kämpfen will, muss man permanenten Kontakt mit der jungen Generation haben. Die Stimmungsacher gegen die Geschichte sind zahlreich. Sie verfassen rückwärtsgewandte Texte, in denen sie „endlich“ den Tod der Avantgarde postulieren können, und andere, die den Populismus feiern.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie die Partitur für ein neues Werk, das Sie uraufführen werden, erstmals in der Hand haben? Setzen Sie sich an den Flügel und beginnen zu spielen? Gehen Sie an den Schreibtisch und fangen an – vielleicht mit dem Bleistift in der Hand – zu lesen?

Es gibt keine Regel. Das hängt von den Umständen ab, ob zum Beispiel gerade ein Instrument in der Nähe ist oder nicht. Und natürlich von der Art des Werkes. Bei manchen Partituren möchte ich sofort eine klangliche Präsenz haben. Bei einem sehr langen

Sie reflektieren als Künstler also auch gesellschaftspolitische Entwicklungen.

Wir leben in einer Epoche der Spezialisten. Das halte ich für gefährlich, denn oft führt das Spezialistentum zu einem Mangel an Kommunikation. Wir sehen die Gefahren überall in den Wissenschaften, zum Beispiel in der Medizin. Man isoliert zu viel das Wissen und das Machen. Als ich jung war, habe ich geglaubt, mit Neuer Musik gegen die zu träge Welt ankämpfen zu müssen, gegen ihre Gewohn-heiten und Routinen. Doch es besteht die Gefahr, dass man schnell selbst Schutz in Gewohnheiten und Routinen findet. Die strukturierte Welt kann direkt in einen Akademismus führen, gegen den man kämpfen wollte. Wir müssen mit unserem kritischen Urteil wach bleiben! Wenn ich die Welt sehe, wie sie sich verändert, denke ich, dass die künftigen Kämpfe für eine bessere Welt hart werden.

Sie sind Interpret und Lehrer. Welche Bedeutung messen Sie dem Unterrichten bei?

Da es Komponisten unterschiedlicher Generationen gibt, muss es auch Interpreten unterschiedlicher Generationen geben. Deswegen müssen wir Musiker auf jeden Fall auch unterrichten. Wir müssen unser Repertoire weitergeben und von unseren Erfahrungen und Erlebnissen mit den Komponisten erzählen! Ich halte es für falsch, wenn Interpreten ein Werk als ihr Eigentum betrachten, nur weil ein Komponist es für sie geschrie ben hat. Die Stücke müssen zirkulieren, sie müssen leben!

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4746 Können Sie Rückschlüsse auf das Stück ziehen, wenn Sie sehen, wie der Komponist seine Gedanken notiert hat.

Selbstverständlich, besonders bei Handschriften. Bei Chopin fällt der Fluss der Phrasierung auf; bei Beethoven sieht man seinen Kampf beim Komponieren und wie die Ideen miteinander kämpfen; bei Debussy die Eleganz in der Wahl der Noten und ihre Gruppierung; bei Boulez, wie er den Fokus auf jede einzelne Note legt. Die Noten

„atmen“ und bieten wunderbare Informationen! Deshalb spiele ich so oft wie möglich aus Manuskripten, obwohl sie nicht immer so klar und übersichtlich wie gedruckte Partituren sind. Bei Kompo-nisten, die direkt am Computer komponieren, geht diese Dimension, die Ordnung und manchmal auch das Chaos der Noten verloren.

Ist „Ordnung“ ein wesentlicher Begriff beim Verständnis von Musik? Ein Komponist schafft eine musikalische Ordnung, und der Interpret muss sie erkennen und hörbar machen?

Wesentlich sind die Strukturen und die physikalischen Grundregeln, nach denen Klänge und Verhältnisse zwischen Klängen funktio-nieren. Ein Komponist kann mit eigenen Regeln gegen diese Regeln arbeiten. Er kann sie auch akzeptieren oder erweitern. Schöpferisch tätig zu sein, bedeutet also, Regeln zu strukturieren und in eine Ordnung zu bringen.

Stück verschaffe ich mir erst einmal mit dem Lesen einen Überblick, ein sofortiger Kontakt mit dem Instrument wäre nicht die Lösung. Diese Frage stellt sich also jedes Mal neu.

Einen Roman Satz für Satz zu lesen und zu verstehen ist etwas anderes als eine Partitur Takt für Takt zu lesen und zu verstehen. Wie funktioniert dieses Lesen von Musik?

Auch bei einem Text entdeckt man erst nach und nach die ver-schiedenen Schichten und die Konstruktion, die Tiefe und Vielfalt. Auch wir Musiker lesen die Noten, hören sie vor dem inneren Ohr und verstehen sie bis zu einem bestimmten Punkt. Wenn ein paar Klänge oder die ganze Musiksprache völlig neu sind, braucht man mehr Zeit. Das ist vergleichbar mit dem Lernen einer neuen Sprache. Da ich mich täglich mit Tönen beschäftige, ist es für mich immer leichter, Noten zu lesen als ein Buch. Deswegen bin ich Musiker geworden und geblieben.

Ist Ihre Arbeit beim Lesen und Verstehen einer Partitur vergleichbar mit der Arbeit eines Übersetzers, der einen Roman von einer Sprache in eine andere übersetzt?

Ich glaube nicht. Der Komponist hat das notiert, was er zu hören wünscht. Er hat es grafisch fixiert, und wir Interpreten müssen einen Weg finden, das Werk klanglich und zeitlich so mit Leben zu füllen, wie er es sich vorgestellt hat. Das ist nicht wirklich eine Übersetzung. Es ist vergleichbar mit einem Schauspieler, der einen Text spricht. Ein schlechter Schauspieler sagt nur den Text, so wie ein schlechter Musiker nur die Töne spielt. Doch wir müssen ihren Sinn erfassen und darstellen.

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4948 Die Freiheit des Interpreten hat also mit Handwerk zu tun, aber auch mit Phantasie und Freude am Experiment. Wichtig ist die richtige Dosierung. Man muss entscheiden, welche Dimension man beleuchten und welche man diskret im Hintergrund behalten will.

Wissenschaftler wollen mit Experimenten Thesen bestätigen oder widerlegen. Was wollen Sie als Musiker erreichen, wenn Sie mit Klängen experimentieren?

Die Frage ist immer, welcher Klang passt und geeignet ist. Wenn ich ein Stück von Bach oder Lachenmann spiele, muss ich selbst-verständlich die passenden Klänge suchen. Die liegen nicht in einer Vitrine und ich kann sie nehmen. Ich muss experimentieren, bis ich den passenden Klang gefunden habe. Erst dadurch wird die Musik sinnvoll und lebendig.

Experimentieren heißt also ausprobieren?

Der Komponist ist der Schöpfer, nicht der Interpret. Seine Rolle ist viel bescheidener als die meisten Menschen denken. Unsere Gesellschaft will Interpreten eine Rolle geben, die sie nicht haben. Deswegen entstehen oft peinliche Resultate. Wann ist man erfolgreich bei der Aufführung einer Passion von Bach oder einem großen Werk von Lachenmann? Wenn das Stück in all seiner Vielfalt und seinem Reichtum klingt! In den Phrasierungen, Harmonien, vertikalen Blöcken, mit der sinnvollen zeitlichen Gestaltung. Man muss das Phänomen eines Stückes bis zur Wurzel beobachten und verstehen, wie alle diese Elemente mit einander verbunden sind. Eine solche Aufführung gelingt leider so selten!

Bedeutet das zugleich, dass es ohne eine Ordnung keine Freiheit geben kann?

Ich finde die Dialektik entweder Ordnung oder Freiheit proble ma-tisch. Freiheit stellt sich erst ab einem bestimmten Niveau an Ordnung ein. Wann ist man in einer Sprache völlig frei? Erst wenn man die Regeln bewusst oder unbewusst sehr gut kennt, kann man sich reich ausdrücken. Wer die Regeln nicht gut kennt, bleibt gefangen. Warum kann Mozart so natürlich und frei klingen? So menschlich, wie man sagt? Weil er unvergleichlich fehlerfrei komponiert hat. Er kannte die Regeln wie kein anderer.Größte Freiheit und stärkste Ausdrucksmöglichkeit ergeben sich bei einem sehr hohen Niveau von Regeln. Es kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Regeln nicht als Gefängnisse gespürt, sondern als Möglichkeiten erkannt werden. Wenn Meisterschaft da ist, vergisst man die Regeln. Ganz gleich ob Rechtsanwalt oder Politiker: Wer Regeln nicht als Zwang sondern als Möglichkeit für Freiräume versteht, kann gute Entscheidungen treffen. Das gilt auch für die Kunst. Ordnung und Freiheit: Das ist kein Widerspruch. Es ist ein sehr gutes Paar.

Wie entsteht nun Freiheit in der Interpretation?

Sie entsteht am Ende der Interpretation. Es kann eine Geste sein, ein Klang oder eine Phrase. Das ist wie bei einem Handwerker, der tausendmal dieselben Handgriffe ausgeführt hat, irgendwann die Mühe vergisst – und frei wird.

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5150 Werke können auch Dimensionen enthalten, die der Komponist bewusst gar nicht komponiert hat. Wenn ein Interpret eine solche Qualität entdeckt, soll er dann darauf verzichten, sie darzustellen, weil sie nicht dem Willen des Komponisten entspricht?

Klar, in einer extrem komplexen Struktur gibt es Teile oder Schichten, die ein Interpret anders beleuchten kann. Aber die Identität des Ganzen bleibt in ihrer Komplexität und ihrem Reichtum erhalten.

Verstehe ich Sie richtig: Das ganze Werk hat eine einzige, wenn man so will künstlerisch wahre Gestalt, und einen interpretatorischen „Spielraum“ gibt es allenfalls im Detail?

Komponisten lassen auch in den präzise gestalteten Details oft keine Freiheiten zu. Trotzdem gibt es unterschiedliche Interpre ta tio-nen desselben Werks. Sie können den Mount Everest oder den Mont Blanc auf verschiedenen Wegen besteigen. Doch am Ende bleibt das immer derselbe Berg, und sie schaffen es nach oben oder eben nicht. Den Gipfel zu erreichen gelingt nicht oft. Die Freiheit wird enorm groß, wenn Sie den Stil und die Regeln gut verstehen. Das ist in jedem Beruf so: Wer die komplexen Regeln sehr gut kennt und viel Erfahrung hat, der hat auch viel Raum für Entscheidungen. Das bedeutet Freiheit, wenn Sie diesen Begriff in diesem Zusammenhang benutzen wollen. Wenn ein Musiker heute Beethoven spielt mit der Haltung

„let’s be cool, let’s be free!“, dann spielt er Beethoven angeblich ganz frei. Doch was ist das? Infantilismus! Oder jemand spielt Bach postromantisch und vermeintlich frei. Das hat für mich nichts mit dem Werk zu tun.

Nehmen wir Helmut Lachenmann als Beispiel, es könnte auch ein anderer zeitgenössischer Komponist sein. Er hat ein neues Klang-bild geformt. Wir Interpreten haben nun die Aufgabe, seine Musik so zu gestalten, dass sie klingt, wie er es sich vorgestellt hat. Das ist nicht leicht. Oft muss der Komponist mit dem Interpreten kämpfen, bis er bekommt, was er will. Wie selten gelangt man als Interpret an diesen Punkt. Das merkt man, wenn man mit dem Kompo-nisten spricht. Manche sind direkt und unhöflich: „Bitte spiele mein Stück nicht! Es klingt nicht so, wie ich es höre und verstehe.“ Oft akzeptieren die Komponisten die Interpreten nur deshalb, weil sie in der Gesellschaft die Macht haben. Manche sagen ganz offen: „Ich spiele nur Musik von verstorbenen Komponisten, weil ich dann Ruhe vor ihnen habe.“ Wenn Beethoven heute leben würde, würde er viel mit seinen Interpreten schimpfen.

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5352 Sie sollten mit einem Neurowissenschaftler sprechen (lacht). Eine Mentalität zu ändern, dauert am längsten. Es gibt selbstver-ständlich Menschen, die schneller vorangehen. Sie müssen helfen, die Welt schneller voranzubringen. Doch leider müssen wir täglich das Galileo-Phänomen beobachten. Die Sicht auf die Welt bleibt wie sie ist. Warum glauben sogar viele Musiker, mit Rachmaninow sei die Musikgeschichte zu Ende? Gefährlich wird diese Haltung in der Politik, beim militärischen Denken und in der Ökologie. Dort geschehen Dinge, die uns nicht ruhig schlafen lassen. Es droht ein kollektiver Selbstmord.

Aufklärung ist notwendig. Gehört es auch zu Ihrer Aufgabe als Interpret, Musik zu erklären?

Das gehört zu meiner Rolle. Es ist nicht meine Aufgabe, zweihun-dert Mal im Jahr dasselbe Klavierkonzert überall auf der Welt zu verkaufen. Die Zuhörer wollen mit mir kommunizieren. Sie sind neugierig und wollen nicht einfach den gängigen Konsum-Model-len folgen, die uns manipulieren. Denken Sie daran, was heute mit dem Essen geschieht. Es ist katastrophal, was die Menschen in unserer Gesellschaft essen.

Weil es ungesund ist.

Unglaublich ungesund. Das industrielle Essen macht sehr viele Menschen krank. Es ist auch schlecht fürs Gehirn. Die großen Industrien manipulieren die Menschen. Auch der musikalische Konsum manipuliert uns.

Lassen Sie uns über die Anfänge ihres Musikerlebens sprechen. Warum sind Sie Pianist geworden. Warum haben Sie das Klavier gewählt.

Ein Großonkel von mir hatte eine Instrumentensammlung. Er lebte in Savoyen, das in der Geschichte abwechselnd zu Italien und Frankreich gehört hat. Durch diese Tradition hatte mein Groß-onkel eine Sammlung „südländischer“ Instrumente – Mandolinen, Gitarren, Blasinstrumente. Er hat auch ein Mandolinenorchester für Amateure geleitet. Auf all den Instrumenten habe ich als fünf-jähriges Kind versucht zu spielen, auch auf einem Pianino, das es in der Sammlung gab. Sofort habe ich gefühlt: Das ist ein tolles Instrument, das will ich lernen! Diese Leidenschaft hat mich geprägt. Als Pianist bin ich unabhängig. Ich kann selbst entscheiden, ob ich allein bleibe oder mit anderen musiziere. Und, ganz wichtig: Ich kann alle Musik auf dem Instrument spielen. Wir Pianisten haben ein phänomenales Repertoire. Aus all diesen Gründen bin ich beim Klavier geblieben. Ich wollte ein möglichst interessantes Leben führen und deshalb kein Instrument spielen, das mich in meinen Möglichkeiten zu sehr begrenzt. Ich habe übrigens auch Gesang, Flöte und Dirigie-ren studiert, das waren aber nur Satelliten und Bereicherungen.

Unsere Gesellschaft verändert sich in großer Geschwindigkeit. Doch erstaunlicherweise dauert es lange, bis sich Neues durchsetzt. Auch sinnvolle, für die Menschheit lebenswichtige Entwicklungen wie die Energiewende, um die weitere Erwär-mung des Klimas zu begrenzen. Auch in der Musik setzt sich Neues schwer durch. Warum gibt es diese Widerstände?

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5554 Viel: Neue Musik-Erziehungsprogramme sind entstanden und beginnen auf der ganzen Welt zu wirken. Oder die vielen neuen Konzert säle: Sie schaffen ein permanentes künstlerisches Ereignis in einer Stadt und bringen ein neues Publikum und eine neue Be-geisterung zur klassischen Musik. Das ist phantastisch! Und dies auch in Ländern, die noch unter der Wirtschaftskrise leiden. Trotz enormer politischer Schwierigkeiten sind großartige Konzertsäle entstanden. Dieser kollektive Wunsch gibt Hoffnung! Vor fünfzehn, zwanzig Jahren haben auch Talente gefehlt. Plötzlich gibt es eine Menge unglaublich talentierter, unabhängiger, junger Dirigenten mit ambitionierten Projekten. Sie haben künstle-rische und soziale Visionen. Sie geben Hoffnung.

Ist das ein Appell für mehr Bildung und mehr künstlerische Erfahrung?

Ich mache mir große Sorgen um die politische Situation auf der Welt. In den USA kann es sein, dass die Steuern geändert werden und mit einem Fingerschnippen überhaupt kein öffentliches Geld mehr für die Kunst ausgegeben wird. Auf dem ganzen Kontinent kann die gesamte Kultur in die Knie gehen! Das macht mir Alpträume. Doch das ist noch nichts im Vergleich zu dem, was mit der Ökologie geschieht, mit den Menschenrechten, den Fundamenten unserer Zivilisation. Oft höre ich, dass solche Zeiten für die Künste gut sind. Ich möchte nicht, dass wir einen solchen Preis zahlen, um gute Kunst zu bekommen.

Das Gespräch führte der Musikjournalist Eckhard Roelcke im April 2017 in Berlin.

Was können wir dagegen machen?

Wir müssen einen persönlichen Widerstand entwickeln und diese Entwicklung einfach nicht akzeptieren. Es gibt immer mehr Menschen, die wollen nicht nur physisch beim Essen, sondern auch geistig gesünder leben. Eine Mehrheit können wir Musiker nicht erreichen. Doch wir arbeiten mit dem Bewusstsein, dass wir immer Menschen finden werden, die sich für unsere Arbeit interessieren. Sie werden sie nicht unbedingt lieben, aber sie werden sich damit auseinandersetzen.

Das klingt einigermaßen zuversichtlich.

Ob es eine begründete Hoffnung auf Besserung gibt, kann ich nicht sagen. Heute ist völlig klar, dass die Menschheit ab einem bestimm-ten Punkt ohne funktionierende Umwelt nicht überleben wird. Trotzdem gehen sehr viele Menschen in die völlig falsche Richtung.

Aus Unwissenheit? Aus Dummheit?

Das ist ein bisschen dumm. Ja, das kann man sagen.

2007 haben Sie in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel gesagt, wenn nichts geschehe, werde die klassische Musik in zwanzig Jahren tot sein. Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Ist etwas geschehen?

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5756 „ Mein Programm setzt sich aus Werken von Komponisten zusammen, mit denen mich eine besondere Beziehung und enge Zusammenarbeit verbindet. All diese Werke sind mir gewidmet und wurden von mir uraufgeführt – sie nehmen einen wichtigen Platz in meinem musika-lischen Werdegang ein: zusammengenommen bilden sie eine Art Essenz von mir als Interpret.“

„ Vassos‘ Stück steht für meine gegenwärtige Arbeit als Interpret: Es ist das jüngste Stück, das ich uraufführen durfte. Frames ist eine Auftragskom-position des Klavierfestival Ruhr und ein Hochzeitsgeschenk des Kompo-nisten und des Festivals an meine Frau, die Pianistin Tamara Stefanovich, und mich. Wir haben es vor drei Wochen in Essen uraufgeführt. Dieses Stück lässt die Leuchtkraft und die Kompromisslosigkeit eines beeindruckend radikalen und ganzheitlich denkenden Komponisten spüren.“

Pierre-Laurent Aimard über seine Werkauswahl

Vassos Nicolaou (1971) Frames für Klavier zu vier Händen (2017)

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„ Als ich Kurtág zum ersten Mal in seiner Wohnung in Budapest begegnet bin – es muss im Winter 1978 gewesen sein –, wollte kein rechtes Gespräch in Gang kommen. So lud er mich ein, vierhändig mit ihm zu spielen. Bei der Gelegenheit lasen wir auch einige seiner Werke vom Blatt. Ab diesem Moment tauchte ich in seine leidenschaftliche Traumwelt ein, die eine wesentliche Rolle in meinem musikalischen Leben spielen sollte. 2015 rief er mich an, um mir mitzuteilen, dass er mir sein letztes Werk für Klavier, Passio sine nomine, anvertrauen wolle. Seine Frau Marta war so krank, dass er einmal nachts, an ihrem Bettrand sitzend, glaubte, sie sei gestorben. Als es ihr wieder besser ging, bat sie ihn, sein Erlebnis in Musik auszudrücken. Dieses verzweifelte Stück dauert nur zwei Minuten und doch sagt Kurtág darin mehr, als die meisten Komponisten in einer halben Stunde. Es drückt das Unaussprechliche, oder vielmehr ‘Un-Herausschreibare’ aus, und stürzt die Miniatur ins Unerträgliche.“

„ George, mit dem ich seit unserer Jugend befreundet bin, hatte sich zurückgezogen um sein Orchesterwerk Palimpsests zu kom-ponieren, als er mich plötzlich anrief und mir ankündigte, er würde mir ein neues Klavierwerk zuschicken. Das war eine große Überraschung, hatte er doch seit Jahren nicht mehr für Klavier komponiert. Seine Arbeit an Palimpsests war zwischenzeitlich ins Stocken geraten und erst durch das Entwickeln und Ausarbeiten von Shadowlines konnte er den Kompositionsprozess wieder in Gang setzen. Das Zusammenwirken des bezaubernden klanglichen Charmes, den Georges Musik schon immer innehatte, und der polyphonen Strenge seines Spätstils wird zur Aussage des Stückes, der gegenseitigen Durchdringung zweier gegensätzlicher, beinahe widersprüchlicher musikalischer Formen: Prélude und Canon.

George Benjamin (1960)Shadowlines – six canonic preludes for piano, IV, V (2001)

György Kurtág (1926) Passio sine nomine (2015)

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6160 „ Der Titel der Etüde Entrelacs ist nicht wirklich übersetzbar, weshalb ihn Ligeti vermutlich wählte: Gemeint sind Stimmen, die ineinander verschlungen und eng miteinander verflochten sind. Die zu Beginn des Stückes noch deutlich erkennbare Polyrhythmik wird im Verlauf derart beschwert und beladen, dass sie nicht mehr wahrnehmbar ist. Diese allmähliche Entstellung eines Phänomens in seiner Wahrnehmung ist charakteristisch für Ligeti als Meister der Grenzüberschreitungen. Dieser Drang findet sich auch im Zauberlehrling, dessen Virtuosität den Eindruck der Unspielbarkeit vermittelt, obwohl es durchaus spielbar ist. Ligeti hatte dieses Bedürfnis, seine Interpreten an ihre Grenzen, sie buchstäblich in Gefahr zu bringen und ihre Anstrengungen zu inszenieren.“

György Ligeti (1923–2006)Étude XII Entrelacs (1993) und Étude X Der Zauberlehrling (1994)

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„ Nachdem ich Stroppas fulminante Komposition Traiettoria für Klavier und Elektronik gespielt und aufgenommen hatte, war ich so begeistert von seiner klanglichen Kreativität, dass ich ihn ge-meinsam mit dem Festival d’Automne beauftragt habe, ein Stück für Klavier solo zu schreiben und etwas gänzlich Neues hinsicht-lich der pianistischen Schreibweise zu schaffen. Es entstand die Passacaglia canonica, das erste Stück aus dem fast einstündigen Zyklus Miniature Estrose. Im Herzen dieses Stückes, das das Unerhörte beschreibt, ist jede Schicht aus einer anderen klanglichen Welt, mit einem ande-ren Klangverhalten – eine wahre Polyphonie der Farben und Gesten. Die Widmung zeigt, dass ich indirekt Einfluss auf die Entste-hung hatte: ‚à Pierre-Laurent pour que les parfums, les sons et les couleurs se répondent’ [für Pierre-Laurent, damit die Düfte, Klänge und Farben aufeinander wirken]. Das ist eine Anspielung auf Debussys Prélude Les sons et les parfums tournent dans l’air du soir [Klänge und Düfte wirbeln durch die Abendluft], das wiederum auf Baudelaire anspielt. Stroppa führt also eine franzö-sische Tradition fort: die Resonanz der Wörter bei Baudelaire und das Mischen verschiedener Sinne, das Sehen, Hören und Riechen bei Debussy.“

Marco Stroppa (1959)Passacaglia canonica in contrappunto policromatico (1991) aus Miniature Estrose (1991–2001)

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„Mit Carter arbeitete ich zum ersten Mal 1977 zusammen, wobei ich mich erst während der letzten 15 Jahre seines Lebens – Carter verstarb 2012 – konzentriert mit seinem Klavierwerk auseinander gesetzt habe. Caténaires entstand 2006, als der fast Hundertjährige mit einer unbändigen Freude am Komponieren ein Werk nach dem anderen schrieb. Die Energie und überbordende Lebendigkeit des Stücks zeugen von seiner Absicht: ‘I had to write this piece. I couldn’t get rid of it. Every day in my bed I felt the need to wake up for com-posing it.’ Es ist erstaunlich, dass ein Polyphoniker par excellence wie Carter eine solche Toccata (deren Kompositions-Prinzip gerade nicht polyphon ist) hervorbringt, ein Werk von sowohl physischer als auch fundamentaler Virtuosität.“

Elliott Carter (1908–2012) Caténaires for piano (2006)

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Stiftungsrat und Kuratorium, München, den 2. Juni 2017

Die Ernst von Siemens Musikstiftung verleiht

Pierre-Laurent Aimard

den

Ernst von Siemens Musikpreis

Die Ernst von Siemens Musikstiftung ehrt mit Pierre-Laurent Aimard eine zentrale Persönlichkeit der Musikszene. Als Solist und Ensemble-spieler hat er mit seiner vitalen Musikalität, seinem intellektuellen Durchdringen der Werke und seiner spieltechnischen Souveränität internationale Maßstäbe gesetzt. Durch seine jahrelange und enge Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten hat er auch die Kompositionsgeschichte geprägt. Zu seinem künstlerischen Selbst-verständnis gehört der pädagogische Auftrag, sein Wissen und seine Erfahrungen an jüngere Musiker weiterzugeben. Auch diese verant-wortungsvolle Haltung zeigt seine außerordentliche Stellung als Künstler in der Gesellschaft. Die Aktualität seines Schaffens beruht auf der intensiven Beschäftigung mit der musikalischen Vergangenheit. Alte und neue Kunst, Tradition und Gegenwart werden durch sein Spiel und seine Programm-Dramaturgie sinnfällig und dadurch für die Hörer in höchstem Maße anregend. Ganz gleich, ob er Werke von Bach, Beethoven, Debussy, Stockhausen, Ligeti oder Stroppa spielt: Seine Interpretationen sind immer als Ergebnisse umfassender Auseinandersetzung erlebbar.

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6968 Als Botschafter für zeitgenössische Musik sowie als heraus-ragender Interpret von Klavierwerken aller Epochen gehört Pierre-Laurent Aimard zu den bedeutendsten und international bekanntesten Musikern unserer Zeit. Aimard gastiert bei namhaften Orchestern und arbeitete mit Dirigenten wie Pierre Boulez, Nikolaus Harnoncourt, Esa-Pekka Salonen, Peter Eötvös und Sir Simon Rattle. Er war Artist-in-Residence unter anderem an der Carnegie Hall, dem New Yorker Lincoln Center, dem Wiener Konzerthaus, in der Berliner Philharmonie, der Alten Oper Frankfurt, bei Lucerne Festival, dem Salzburger Mozarteum, der Cité de la Musique in Paris, dem Tanglewood Festival sowie dem Londoner Southbank Centre. Von 2009 bis 2016 war Aimard künstlerischer Leiter des Aldeburgh Festivals. In der laufenden Saison entwickelt Aimard innovative Konzert-programme für die Fondation Louis Vuitton in Paris und arbeitet zusammen mit Esa-Pekka Salonen an einer Konzertserie mit dem Titel Inspirations. Pierre-Laurent Aimard wurde 1957 in Lyon geboren und stu-dierte bei Genevieve Lièvre, bevor er am Pariser Konservatorium bei Yvonne Loriod sowie bei Maria Curcio in London studierte. Erste Erfolge feierte er 1973 im Alter von 16 Jahren unter anderem mit dem 1. Preis beim Messiaen-Wettbewerb. Im Alter von 19 Jahren ernannte ihn Pierre Boulez zum ersten Solopianisten des Ensemble intercontemporain.

Pierre-Laurent Aimard

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7170 Während der Saison 2008 / 2009 war Aimard außerordentlicher Professor am Collège de France in Paris, seit 2012 ist er Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. 2013 / 2014 war er Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin. Im Frühjahr 2005 erhielt er den Royal Philharmonic Society’s Instrumentalist Award und wurde 2007 von Musical America als „Instrumentalist of the Year“ ausge-zeichnet. In Zusammenarbeit mit dem Klavierfestival Ruhr entstand 2015 das umfassende Online-Archiv zu Ligetis Klavierwerken, in dem er mit kurzen Videos von Meisterklassen und eigenen Einspielungen die Musik und Spieltechnik Ligetis vermittelt. (www.explorethescore.org) Pierre-Laurent Aimard verzeichnet eine umfangreiche Disko-grafie. Seine erste Aufnahme unter der Deutschen Grammophon, Bachs Kunst der Fuge, erhielt sowohl den Diapason d’Or als auch den Choc du Monde de la Musique Award, wurde Nummer 1 der Klassischen Billboard Charts und kam an die Spitze der klassischen iTunes Download Charts. Pierre-Laurent Aimard wurde mehrfach mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet, zuletzt 2009 für seine Ein-spielung von Hommage à Messiaen für Klavier solo. Er gewann 2005 den Grammy für seine Aufnahme von Charles Ives Concord Sonata and Songs und erhielt 2009 den Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik. Weiteren Veröffentlichungen unter der DG folgten 2011 mit dem Liszt Project sowie 2012 mit Debussys Préludes und 2014 mit Bachs Das wohltemperierte Klavier Buch 1.

Aimard verbindet eine enge Zusammenarbeit mit zahlreichen be-deutenden Komponisten, darunter Boulez, Kurtág, Stockhausen, Carter, Lachenmann, George Benjamin und Marco Stroppa. Eine langjährige Verbundenheit zu Györy Ligeti mündete unter ande-rem in eine Gesamteinspielung seiner Klavierwerke. Anlässlich der Feierlichkeiten zu György Kurtágs 90. Geburtstag brachte Aimard einige Klavierwerke des Jubilars zur Uraufführung. In den vergan-genen Jahren spielte er außerdem die Uraufführungen von Harrison Birtwistles Klavierkonzert Responses: Sweet disorder and the carefully careless sowie Elliott Carters letztem Werk Epigrams für Klavier, Cello und Violine, das für Pierre-Laurent Aimard ge-schrieben wurde. Durch seine Professur an der Hochschule Köln sowie bei zahlreichen Gesprächskonzerten und Workshops weltweit, wirft er ein ganz persönliches Licht auf die Musik aller Epochen.

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7574 Als Dirigent beherrscht George Benjamin ein breites Repertoire und dirigierte bereits zahlreiche Uraufführungen, darunter Werke von Rihm, Chin, Grisey und Ligeti. Er arbeitet regelmäßig mit weltweit führenden Orchestern wie dem Mahler Chamber Orchestra, der London Sinfonietta und dem Ensemble Modern zusammen; eine besonders enge Beziehung verbindet ihn mit dem Concertgebouw-Orchester. George Benjamin erhielt 2010 die Auszeichnung eines C.B.E. (Commander of the Order of the British Empire) und wurde 2015 Commandeur dans l’ordre des Arts et des Lettres. Er lehrt seit 2001 als Henry Purcell Professor für Komposition am King‘s College, London. George Benjamin ist seit 2000 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

George Benjamin

George Benjamin (geboren 1960) komponierte bereits im Alter von sieben Jahren. Ab 1976 studierte er Komposition am Pariser Konservatorium bei Olivier Messiaen, danach bei Alexander Goehr am King’s College. Sein erstes Werk für Orchester, Ringed by the Flat Horizon, wurde bei den BBC Proms aufgeführt, als er gerade 20 Jahre alt war. Benjamin dirigierte die Erstaufführung von Sudden Time 1993 beim Meltdown Festival sowie von Three Inventions for Chamber Orchestra 1995 bei den Salzburger Fest-spielen. Mit der Uraufführung von Palimpsests eröffnete das LSO unter der Leitung von Pierre Boulez 2002 seinen saisonumspan-nenden Rückblick auf Benjamins Gesamtwerk, By George. Bei diesem Projekt wurde durch Pierre-Laurent Aimard erstmals auch Shadowlines aufgeführt. Into the Little Hill, eine Kammeroper zu einem Libretto von Martin Crimp, kam 2006 beim Festival d’Automne in Paris zur Uraufführung. Eine zweite Zusammenarbeit mit Crimp, Written on Skin, wurde vom Festival d‘Aix-en-Provence in Auftrag gege-ben und feierte dort im Juli 2012 seine Premiere. Seitdem wurde die Oper in mehr als zwanzig Opernhäusern weltweit aufgeführt. Die Uraufführung von Benjamin und Crimps jüngster Zusammen-arbeit, Lessons in Love and Violence, findet voraussichtlich 2018 am Londoner Royal Opera House statt.

Laudator

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Münchener Kammerorchester

Eine außergewöhnlich kreative Programmgestaltung in Verbin-dung mit der in kontinuierlicher Arbeit gewachsenen Homogenität des Klangs: Das MKO präsentiert sich heute als Modellfall in der deutschen Orchesterlandschaft. Die Programme des MKO konfron-tieren Werke früherer Jahrhunderte assoziativ, spannungsreich und oft überraschend mit Musik der Gegenwart. Mehr als siebzig Uraufführungen hat das MKO in den letzten 20 Jahren zu Gehör gebracht. Komponisten wie Iannis Xenakis, Wolfgang Rihm, Chaya Czernowin und Jörg Widmann haben für das Kammer-orchester geschrieben; allein seit 2006 wurden Aufträge u.a. an Klaus Lang, Nikolaus Brass, Samir Odeh-Tamimi, Mark Andre, Peter Ruzicka, Márton Illés, Miroslav Srnka, Tigran Mansurian, Georg Friedrich Haas, Salvatore Sciarrino, Pascal Dusapin, Clara Iannotta und Milica Djordjević vergeben. Den Kern des Ensembles bilden die 28 fest angestellten Streicher. Im Zusammenwirken mit einem festen Stamm erst-klassiger Solobläser aus europäischen Spitzenorchestern profiliert sich das MKO als schlank besetztes Sinfonieorchester, das auch bei Hauptwerken Beethovens, Schuberts oder Schumanns interpreta-torische Maßstäbe setzen kann. In den Abonnementkonzerten im Prinzregententheater, der Nachtmusik der Moderne und in rund 60 Gastkonzerten weltweit sorgen namhafte Gastdirigenten und herausragende internationale Solisten regelmäßig für weitere künstlerische Impulse. Aufnahmen des MKO sind u.a. bei ECM, NEOS, Sony und Deutsche Grammophon erschienen. Seit Herbst 2016 ist Clemens Schuldt neuer Chefdirigent des MKO.

www.m-k-o.eu

ViolineAshot Sarkissjan, Konzertmeister Romuald KozikTae Koseki Kosuke Yoshikawa Mario KorunicMax Peter Meis Rüdiger Lotter, StimmführerBernhard JestlAndrea Schumacher Magdalena BraunEli Nakagawa

ViolaManuel Hofer, Stimmführer Stefan Berg-DalpráIndre MiknieneDavid Schreiber VioloncelloBridget MacRae, StimmführerinPeter Bachmann Michael WeissBenedikt Jira

KontrabassTatjana Erler, StimmführerinDominik Luderschmid

Piccolo/FlöteChristine Müller

FlöteOry SchneorMaximilian Randlinger

OboeHernando Escobar

KlarinetteOliver KlenkCarolin Streiff-Langenwalder Michael Meinel

HornFranz DraxingerJens Hildebrandt

TrompeteMatthew Sadler

PosauneMikael Rudolfsson

Schlagzeug Mervyn GrootRafael SarsChristopher Taub

Pauke Adriaan Fayaerts

Klavier Olga Fedorova

Harfe Silvia Savary

Glasharmonika Sascha Reckert Philipp Marguerre

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Jonathan Stockhammer, Dirigent

Jonathan Stockhammer ist innerhalb weniger Jahre zu einem welt-weit gefragten Dirigenten geworden. Mit Abschluss seiner Studien zog er nach Deutschland um und entwickelte enge künstlerische Beziehungen zu bekannten europäischen Ensembles wie Ensemble Modern, Musikfabrik und Ensemble Resonanz. Inzwischen hat er sich sowohl in der Welt der Oper, als auch der klassischen Sym-phonik und der zeitgenössischen Musik einen Namen gemacht. Die Oper spielt eine zentrale Rolle in Jonathan Stockhammers musikalischen Aktivitäten. Die Liste seiner Operndirigate, darunter Die Dreigroschenoper, Zemlinskys Eine florentinische Tragödie, Sciarrinos Luci mie traditrici und Monkey: Journey to the West von Damon Albarn, weist ihn als Dirigenten aus, der komplexe Partituren und spartenübergreifende Produktionen als willkom-mene Herausforderung begreift und meistert. Im symphonischen Bereich hat Jonathan Stockhammer bereits zahlreiche renommierte Klangkörper geleitet. Dazu zählen das Oslo Philharmonic Orchestra, NDR Sinfonieorchester Hamburg, Sydney Symphony Orchestra und die Tschechische Philharmonie. Er war auf Festivals wie den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival, den Donaueschinger Musiktagen, der Biennale in Venedig und Wien Modern zu Gast. Für Produktionen, die sich den gängigen Kategorisierungen entziehen, hat Jonathan Stockhammer eine besondere Vorliebe. Dazu gehören Greggery Peccary & Other Persuasions, eine CD mit Werken von Frank Zappa mit dem Ensemble Modern (RCA, 2003), die mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde. Die von ihm dirigierte Liveaufnahme The New Crystal Silence mit Chick Corea, Gary Burton und dem Sydney Symphony Orchestra erhielt 2009 einen Grammy.

Laura Snowden, Gitarre

Die preisgekrönte klassische Gitarristin und Komponistin Laura Snowden hat als erste Gitarristin ihre Ausbildung an der internati-onal anerkannten Yehudi Menuhin School abgeschlossen, wo eine Spende der Rolling Stones die Einrichtung der Gitarrenklasse ermöglicht hat. Während ihrer Zeit am Royal College of Music (RCM) in London, wurde sie von Julian Bream ausgewählt, das Bream Trust-Konzert 2015 in der Wigmore Hall zu spielen, bei dem sie Julian Andersons Catalan Peasant with Guitar uraufgeführt hat – der Guardian schreibt dazu: „eine rührende, faszinierende Darbietung“. Laura Snowden hat bereits zahlreiche Stücke urauf-geführt, weshalb das Classical Guitar Magazine über sie schreibt, sie verbinde Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gitarre. Auf Einladung des Gitarristen John Williams spielte sie mit ihrem Folk Ensemble Tir Eolas im Shakespeare Globe Theatre. Das Lied Live Free, das Laura Snowden für die Wohltätigkeits-organisation Voices for Hospices komponierte, wurde bei 300 gleichzeitig stattfindenden Konzerten in 60 Ländern aufgeführt. Sie erhielt Kompositionsaufträge von der International Guitar Foundation, dem Deal Festival und jüngst von der Park Lane Group, mit Unterstützung des Ralph Vaughan Williams Trust.Laura Snowden wurde durch den Tillett Trust, St John’s Smith Square, Worshipful Company of Musicians und „Making Music Philip and Dorothy Green”-Programme für junge Künstler unterstützt. Ihre wichtigsten Lehrer waren Richard Wright (Menuhin School und Royal College of Music), Gary Ryan (RCM), Carlos Bonell (RCM) und Julian Bream. Zurzeit unterrichtet sie an der Yehudi Menuhin School.

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Ernesto Molinari, CLEX (elektronische Kontrabassklarinette)

Der Schweizer Klarinettist Ernesto Molinari wurde 1956 in Lugano geboren. Er studierte Klarinette in Basel und Bassklarinette in Amsterdam und ist herausragender sowie vielseitiger Solist auf jedem Instrument der Klarinettenfamilie. Zahlreiche Kompositi-onen wurden speziell für ihn geschrieben und seine wagemutigen Interpretationen haben eine neue Generation von Klarinettisten inspiriert. Als Solist und Kammermusiker spielte er bei den wich-tigsten Festivals in Europa und auf der ganzen Welt. Neben der Interpretation klassischer, romantischer und zeitgenössischer Werke beschäftigt sich Ernesto Molinari mit Jazz und Improvisa-tion. Von 1994 bis 2005 war er Klarinettist im Solisten-Ensemble des Klangforum Wien. Er ist Professor für Klarinette und Bass-klarinette, Kammermusik, zeitgenössische Musik und Improvisati-on an der Hochschule der Künste in Bern. Seit 2000 ist Molinari Dozent bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik Darmstadt. Er unterrichtet auch bei impuls. Internationale Ensem-ble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik in Graz.

Tamara Stefanovich, Klavier

Die Pianistin Tamara Stefanovich ist für faszinierende Interpretati-onen eines breiten Repertoirespektrums bekannt und tritt regel-mäßig in den renommiertesten Konzertsälen der Welt auf. Zu den internationalen Festivals, zu denen sie immer wieder eingeladen wird, gehören Lucerne Festival, Aldeburgh, Salzburger Festspiele, Klavier-Festival Ruhr und Beethovenfest Bonn. Zuletzt war Tamara Stefanovich mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rund-funks, dem Philharmonia Orchestra, MDR Symphonieorchester Leipzig, WDR Symphonieorchester Köln und dem Chamber Orchestra of Europe zu hören. Ihre ausgedehnte Rezital-Tournee durch die USA anlässlich Pierre Boulez‘ 90. Geburtstags wurde in der New York Times hoch gelobt. Sie konzertierte mit Cleveland Symphony, Chicago Symphony, London Symphony, London Philhar-monic Orchestra, den Bamberger Symphonikern, Britten Sinfonia, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen oder London Sinfonietta. Tamara Stefanovich hat mit bedeutenden Dirigenten wie Pierre Boulez, Vladimir Ashkenazy, Osmo Vänskä, Susanna Mälkki, Esa-Pekka Salonen und Vladimir Jurowski sowie führenden zeit-genössischen Komponisten wie Peter Eötvös und György Kurtág gearbeitet. Sie leitet regelmäßig interdisziplinäre Education-Projekte im Barbican Centre London und der Kölner Philharmonie. In Zusam-menarbeit mit dem Klavier-Festival Ruhr hat Tamara Stefanovich das innovative Online-Vermittlungs-Projekt www.explorethescore.org veröffentlicht, in dem sie inter aktiv Boulez‘ Notations analysiert. Tamara Stefanovich ist Mitbe gründerin und Kuratorin des neu ins Leben gerufenen Festivals The Clearing im Rahmen der Portland International Piano Series.

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Die CDs von Gordon Kampe, Milica Djordjevic, David Hudry (2016), Lisa Streich und Michael Pelzel sowie die DVD von Simon Steen-Andersen (2017) erscheinen im Herbst /Winter 2017.

Bislang erschienen:

Steven Daverson Hans ThomallaHèctor Parra Luke Bedford

Zeynep Gedizlioglu

Samy Moussa

Mark Barden

Brigitta Muntendorf

Birke J. Bertelsmeier

Ulrich A. Kreppein

Luis Codera Puzo

Christian Mason

Marko NikodijevicDavid Philip Hefti

Simone Movio

CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung

Die Ernst von Siemens Musikstiftung zeichnet nicht nur renom-mierte Komponisten, Interpreten oder Musikwissenschaftler, die für das internationale Musikleben Hervorragendes geleistet haben, mit dem Ernst von Siemens Musikpreis aus. Seit 1990 vergibt sie außerdem jährlich drei Preise an junge Komponisten, um deren vielversprechendes Talent zu fördern. Zu den bisherigen Preisträgern aus über zwanzig Ländern gehören inzwischen so bekannte Namen wie Beat Furrer, Enno Poppe, Olga Neuwirth, Jörg Widmann und Mark Andre. Seit 2011 stellt die Ernst von Siemens Musikstiftung in Zusam menarbeit mit herausragenden Ensembles und Solisten der zeitgenössischen Musik sowie mit den öffentlich-rechtlichen Rund-funkanstalten das Schaffen dieser aufstrebenden Komponisten-generation in einer CD-Reihe beim Wiener Label col legno vor. Oft besteht für die Komponisten in diesem Rahmen erstmals die Möglichkeit, auch Werke in größerer Besetzung auf Tonträger zu präsentieren. Jede CD versteht sich als individuelles Porträt eines Preisträgers, dessen künstlerisches Selbstverständnis dem internationalen Publikum durch einführende Kommentare, Analysen und Hintergrundinformationen nahegebracht wird.Nach und nach soll sich mit der CD-Reihe der Ernst von Siemens Musikstiftung ein breit angelegtes Panorama der zeitgenössischen Ernsten Musik entfalten, das aktuelle Tendenzen aufspürt und dokumentiert.

www.evs-musikstiftung.ch und www.col-legno.com

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Presentation of the Ernst von Siemens Music Prize

to Pierre-Laurent Aimard

and presentation of the Composers’ Prizes

to Lisa Streich, Michael Pelzel and Simon Steen Andersen

Prinzregententheater Munich | June 2, 2017 | 8 pmErnst von Siemens Music FoundationBavarian Academy of Fine Arts

Stiftungsrat und Kuratoriumder Ernst von Siemens Musikstiftung

Der Stiftungsrat trägt die Verantwortung für die Ernst von Siemens Musikstiftung. Ihm sitzt derzeit Michael Krüger, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, vor. Weitere Mitglieder sind Bettina von Siemens als stellvertretende Vorsitzende, Hubert Achermann, Rudolf W. Hug, Elisabeth Oltramare-Schreiber, Herbert Scheidt und Ferdinand von Siemens. Die Auswahl der Preisträger sowie der Förderprojekte obliegt dem Kuratorium der Stiftung. Ihm gehören 2017 Thomas Angyan als Vorsitzender sowie Hermann Danuser (bis Juni 2017), Winrich Hopp, Isabel Mundry, Enno Poppe, Wolfgang Rihm, Peter Ruzicka, Ilona Schmiel und Nikos Tsouchlos (bis Juni 2017) an. Neu im Kuratorium sind die Geigerin Carolin Widmann, die Kulturmanagerin Andrea Zietzschmann und der Musikwissenschaftler Ulrich Mosch.

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Word of Welcome Michael Krüger Chairman of the Board of Supervisors of the Ernst von Siemens Music Foundation

and President of the Bavarian Academy of Fine Arts

Composers’ Prizes

Lisa Streich

Extract from AUGENLIDER (2015) | Premiere For prepared guitar and orchestra Laura Snowden, guitar | Münchener Kammerorchester |

Jonathan Stockhammer, conductor

Portrait Film

Michael Pelzel

Portrait Film

Extract from Gravity’s Rainbow (2016) for CLEX (contrabass clarinet extended) and orchestra Ernesto Molinari, CLEX | Münchener Kammerorchester |

Jonathan Stockhammer, conductor

Award Presentation Thomas von Angyan Chairman of the Board of Trustees of the Ernst von Siemens Music Foundation

Simon Steen Andersen

Portrait Film

Run Time Error @ Opel feat. Ensemble Modern (2015) for joystick-controlled video Simon Steen-Andersen, joysticks

Interval, 15 minutes

Ernst von Siemens Music Prize

Laudatory Speech George Benjamin, composer and conductor

Presentation of the Ernst von Siemens Music Prize to Pierre-Laurent Aimard

Michael Krüger

Pierre-Laurent Aimard and Tamara Stefanovich

Vassos Nicolaou Frames for piano four hands (2017)

Pierre-Laurent Aimard [quasi attacca]

George Benjamin Shadowlines – six canonic preludes for piano – IV, V (2001)

György Kurtág Passio sine nomine (2015)

György Ligeti Étude XII Entrelacs (1993), Étude X Der Zauberlehrling (1994)

Marco Stroppa Passacaglia canonica from Miniature Estrose (1991)

Elliott Carter Caténaires for piano (2006)

Followed by a Reception at the Invitation of the Ernst von Siemens Music Foundation.

Portrait Films by Johannes List

Program

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Composers’ Prizes 2017

Lisa Streich

Extract from AUGENLIDER (2015) | Premierefor prepared guitar and orchestra

A shimmering sound surface – like the typical cadential-6 / 4 chord of the classical concerto, which heralds the soloist’s cadenza – leads into the guitarist’s cadenza. Here, however, the orchestra’s quiet tremolos and microtonal clusters continue to sound, forming flickering difference tones with the soloist’s rapid ostinatos, runs, and trills. Each listener sits as if in his own, solitary auditorium, imagining his own cadenza to the barely audible cadenza of the soloist; it is like when one closes the eyelids to go to sleep or to die. Just as the delicate skin of our eyelids acts as a filter which even when closed permits some faculty of sight – in radiant sun-light a torrent of red light and the silhouettes and complementary colors of what one has seen just a moment ago – in the same way, our auditory system’s limited faculty of resolution, when confron-ted with very close frequencies and spectra, causes us to hear illusory tones, even phantom melodies, which exist only as inter-ference in our inner ear, only hallucinations. The guitarist also achieves fluctuating effects in unaccompanied passages in which he continually alternates between the ordinary strings of the guitar and the un-tempered steel wires of an egg slicer. The kit-chen utensil is ready at hand, attached to the body of the guitar just next to the sound hole so that its tenuous plinking resonates as much as possible and blends with tempered tones of the guitar. The guitar’s repetitive scales wander into the soft gropings of the string section, into the delicate breath of the winds, and to the very back of the orchestra to three additional egg slicers, plucked pianississimo by the percussion section. And so spatially and acoustically a tensely charged atmosphere arises, which balances the listener on a knife-edge between collective and subjective experience – between the external and the internal – and makes audible the individuality of one’s own hearing.

Rainer NonnenmannTranslation: Joseph Lake

Not Only of This World Lisa Streich’s Music Between Minutia and Faith, Between Here and Hereafter

Like the wings of seraphim and cherubim, two harps extend the curves of their golden frames around the ensemble placed in the center. Normally more restrained when it comes to expressions of faith, Lisa Streich uses an instrumentation with obvious biblical connotations in GRATA for cello and ensemble (2011). The construction of the piece can also be understood symbolically: between sustained string notes, fierce organ clusters, and the metallic fortissimo attacks of five apocalyptic trombones, the solo cello appears as a solitary vox humana, with fragile cantilenas, breathy harmonics, and trembling recitatives. In addition, the score contains verses from the ‘Gloria’ of the Latin mass that are not spoken, yet nonetheless point to the life and death of the Son of Man and God, Jesus Christ. ‘Domini fili unigenite’, ‘agnus dei’, ‘qui tollis peccata mundi’ – the Lamb of God died on the cross for the sins of the world. Similarly, the cello is suddenly left alone with a solo, abandoned by all: ecce homo. Similarly, Streich’s filigree duo SERAPH for cello and organ (2013) unfolds as a tender coming into being and passing away of sounds, which the listener can experience as an allegory of fleeting existence. The composer and organist Lisa Streich, born in Sweden in 1985, does not display the spiritual background of her music in missionary fashion; alongside deeply existential questions, her work is also shaped by the quotidian, simple, trivial. Yet even without programmatic titles, texts or commentaries, one can hear in her pieces that something essential is at stake. The expressive power of her music owes itself to clearly defined materials and differentiated structures. For example, Streich often specifies six different speeds at which string players bow their instruments, harpists run their hands across their strings, and trombonists perform glissandi with their slides. The prerequisite for any musical

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creed is, first and foremost, the greatest possible compositional and notational precision. While the title of ASCHE [Ashes] for clarinet and cello (2012) refers ambiguously to burnt things, the period of Lent, or German slang for money, the piece’s composi-tional technique and form all the more unequivocally show a pro-cess of convergence of the wind instrument and the string instru-ment across sonic differences and spatial distance. The cello, positioned in the middle of the stage, and the clarinet, placed as far as possible to the right, initially play strictly in alternation. And although they never coincide, they interlock seamlessly to form a monophonic line until finally the instruments merge through extended playing techniques, multiphonics, and unisons in the higher register. This instrumental anamorphosis can be interpreted theologically as a negation of the principio individuationis, but need not be. The purely musical process and the flickering beats and differential tones, which inscribe themselves on the ear very physically, even painfully, are captivating enough on their own. Streich’s output encompasses vocal, choral, solo, chamber, ensemble and orchestral works, including AUGENLIDER for prepared guitar and orchestra (2015), as well as the pocket opera ...MIT BRENNENDEM ÖLE (2011) on texts from the Old and New Testaments, and also electronic compositions and pieces for elec-tronically or mechanically expanded instruments. In PIETÀ (2012), the cello strings are played – independently of the performer – with thin paper strips that rotate on small motors, allowing the body of the cello, subjected to martyrial abuses which are magni-fied using microphones, to develop a mechanical life of its own. Streich expands this grotesque symbiosis of playful machinery and the Paschal notion of the resurrection of the crucified in SAI BALLERE? for piano trio (2015) and ZUCKER for ‘motorised ensemble’ (2016). The magic of inanimate matter and serendipi-tous coincidences is the subject of Streich’s performance installa-tion DER ZARTE FADEN DEN DIE SCHÖNHEIT SPINNT (2014). Four percussionists feel their way through loose sequences of sounds, only coming together for synchronous tutti actions at certain

points. From time to time they also pull on a string, stretched using rope winches, with small strips of metal, plastic, leather and card-board attached to it that stroke the surfaces of percussion instru-ments, egg slicers, bottles and glasses. The incidental nature of the delicate resulting sounds, as well as the changing distribution of rolls among the players and objects develop great intensity and magic. Lisa Streich’s music has an enveloping beauty; it is both earnest and playful, forceful and pregnant, physical, cruel and tender – not only of this world.

Rainer NonnenmannTranslation: Joseph Lake

Lisa Streich

Lisa Streich, born in Norra Råda, Sweden in 1985 studied Compo-sition (M.Mus.) and Organ (M.Mus.) in Berlin (UdK), Stockholm (KMH), Salzburg (Mozarteum), Paris (Ircam) and Cologne (HfMT) with among others Adriana Hölszky, Johannes Schöllhorn, Mauro Lanza, William Brunson and Margareta Hürholz. Master classes, for example with Chaya Czernowin, Brian Ferneyhough, Steven Takasugi and Hanspeter Kyburz, complete her musical education. Lisa Streich’s works have been performed on stage in Sweden, Germany, Israel, Austria, France, Great Britain, USA and Canada and have been broadcast on Swedish, German, Norwegian, Canadian and Czech radio. Her music has been played by among others Quatuor Diotima, Nouvel Ensemble Moderne, Ensemble Recherche, OENM, Ensemble Sonanza and Stockholms Kammarkör at for example Taschenopernfestival Salzburg, ICMC, Ircam, Deutschlandfunk, Swedish Radio, Ultraschall, Tzlil Meudcan, Acht Brücken, Acanthes, Cologne Cathedral and Schloss Solitude. She held a scholarship from Studienstiftung des deutschen Volkes and Cité des Arts, Paris / Kungliga Musikaliska Akademin, Stockholm. In 2013 she was a beneficiary of the Anne-Sophie Mutter

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Fund / Norrköping Symphony Orchestra and recepient of the Busoni Förderpreis of the Academy of Arts, Berlin. 2014 she got a working scholarship from the Swedish Arts Grants Committee and she won the Bernd Alois Zimmermann Prize. In 2015 she was selected for the Edition Zeitgenössische Musik to have a portrait CD released on WERGO. She received a Roche Young Commission for a new orchestra piece for Lucerne Festival 2017, and she was awarded the Rome Prize by the German Arts Council to live in the Villa Massimo 2016 / 17. 2017/18 she will have a composer residency with the ensemble recherche.

www.lisastreich.se

Michael Pelzel

Extract from Gravity’s Rainbow (2016)for CLEX (contrabass clarinet extended) and orchestra

‘Aeolian Sounds’

A contrabass clarinet concerto is something unusual, even in contemporary music. But how much more unusual is a concerto written for an entirely newly-developed instrument whose name sounds like a painting programme for children, but whose mere size – as you will see shortly – already makes it unsuitable for younger musicians? ‘Clex’ is the abbreviation for ‘contrabass clarinet extended’, for behind this name lies a radical re-conception of this low clarinet’s construction in which, thanks to the most modern technology, the compromises that previously had to be made for the sake of playability are no longer necessary. Small electric motors, triggered by electronic sensors, control the opening and closing of the tone holes, which can thus be located in the acoustically ideal positions on the instrument – and not in the places where the player can reach them.

This opens up a wide range of new sonic and technical possibility that Michael Pelzel explores in Gravity’s Rainbow. And by concen-trating primarily on sparse and fragile elements, on ambiguous fluctuations on the threshold of audibility, he entices us into listening closely, forcing us into an iridescent cosmos that unfolds before our ears. The soloist is supported by an incredibly rich assortment of instruments dominated by ethereal bell, glass and flute sounds. Alongside a plethora of percussion instruments, Pelzel also uses a glass harmonica, an instrument whose magically incorporeal tones already enchanted listeners in the 18th centu-ry. We also hear tuned drinking-glasses, organ pipes, ocarinas and lotus flutes, as well as water gongs and other objects whose vibrations are modulated by water. The result of these impressive instrumental forces is an entran-cing music free of all gravity in which the contrabass clarinet acts not so much as a concertante counterpart to the orchestra, but rather an initiator or complementary addition. On the one hand it fills out the low register, while, on the other hand, its multiphonics and air sounds – ‘aeolian sounds’, as they are called in the score – set the upper regions of the sound space in motion. Like symbi-onts on their host plant, other sonic events attach themselves to the clarinet lines, multiplying and at times almost seeming to over-run the solo part before finally releasing it into a cadenza. Perhaps one can hear such sounds in the treetops of yet undiscovered jungles. Naturally these are simply metaphors that, at best, can animate the listener to find their own more fitting images in response to Gravity’s Rainbow – and yet they do make a decisive aspect of the piece clear, namely that its composer sees himself not merely as someone who puts notes in the right places but as an explorer, both in his investigation of a new instrument and in the development of his musical ideas.

Markus BöggemannTranslation: Wieland Hoban

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In the Stream of Sound

‘Composing means: building an instrument.’ This statement by Helmut Lachenmann is a perfect match for the music of Michael Pelzel, for the Swiss composer’s works often incorporate the idea of special sonic resources – an imaginary ensemble, as it were, that is represented by the actual one present and has to be veri-tably wrested from it on at times. …sentiers tortueux… (2017), for example, an ensemble piece for nine musicians, is described by the composer as reminiscent of an entire ‘gong orchestra’. To this end, the two pianos (tuned a sixth-tone apart) are prepared with an array of objects, as are the three string instruments. Together with an enormous arsenal of percussion instruments – temple bells, cowbells and church bells, cymbals, gongs, trompong, steel drums and also a kalimba (thumb piano) – this results in an over-whelmingly rich and multi-faceted sound that almost transcends the chosen instrumentation. At the same time, this richness is embed-ded in a combined sound world that overarches and merges its components. This only seemingly paradoxical interweaving of differentiation and homogeneity is a central aspect of Michael Pelzel’s composi-tional thought. Referring to the fascination evoked in him by the monochrome pictures of Yves Klein, he speaks of an ‘amalgam sound’ that he seeks to realize in his works, bringing about a tim-bral merging of instruments while retaining an exceptional depth of focus in the details. And, just as the painter’s simultaneously clear and fathomless ultramarine triggers a dizziness in the viewer with which he draws them into the picture, Michael Pelzel’s music likewise develops a pull that one should accept while listening. Pelzel himself uses the image of a river that sweeps all manner of things along with it; taking up this metaphor, one can say that the ideal listening position for his music is not on the shore, but rather in the midst of the current. Sculture di suono (2014) for large ensemble is one such cur-rent. Although the work, whose subtitle ‘in memoriam Giacinto Scelsi’ makes it a form of stele, an act of remembrance, takes

the sound world of Scelsi’s improvisations on a simple electronic instrument (the ondiola, or clavioline) as its point of departure, it does not simply imitate them. Rather, the piece projects certain characteristics of this sound world – its incorporeal, non-expressive quality, its organ-like homogeneity, but also its microtonal riches, its diverse vibrati and beating effects – onto the large ensemble. This ensemble becomes something resembling an oversized, multiply-expanded replica of Scelsi’s instrument that can be played individually to formulate and execute one’s own musical ideas. In Sculture di suono these include the changing relationship between foreground and background, between incisive motivic elements and their diffuse environments, and the interaction between the different instrumental layers. It is entrancing to hear how a figure in the cor anglais breaks through the opaque sonic surface after a few bars and is then sucked back into it, but remains present as an individual colour, and it makes the listener very curious as to its development, as the ensemble enacting this contrast is itself already the result of compositional work. Reflection upon sound and its means of production seems like a maxim for Michael Pelzel’s music, even when it takes up genres supposedly stabilized by tradition. ...vague écume des mers..., his string quartet from 2013, does not rely on this tradition, but instead conceives the individual sound anew, and with it the ensem-ble producing that sound: the four string instruments mostly use a separation into two layers that interlock, run in contrary motion, evade each other and reconverge. Their forms of interaction are influenced not least by Pelzel’s reception of the interlocking tech-nique found in African music, where rhythmic patterns are woven together in the manner of a zip. Building an instrument means: taking sound not as something given, but as something to be discovered, a field of considered compositional action. The music of Michael Pelzel demonstrates this in an aesthetically convincing fashion, characterized by reflection and an exceptional aural imagination.

Markus BöggemannTranslation: Wieland Hoban

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Michael Pelzel

Michael Pelzel is a composer and organist. He was born in Rapperswil (Switzerland) in 1978. After passing his school-leaving exam “Matura” at the Canton school of Wattwil, from 1998 to 2009 he went on to study at the Lucerne, Basel, Stuttgart, Berlin and Karlsruhe academies of music. Amongst other things, he studied piano under Ivan Klánsky, organ under Jakob Wittwer, Martin Sander, Ludger Lohmann and Guy Bovet and composition under Dieter Ammann, Detlev Müller-Siemens, Georg-Friedrich Haas, Hanspeter Kyburz and Wolfgang Rihm as well as music theory under Roland Moser and Balz Trümpy. He attended various composition master classes given by Tristan Murail, Beat Furrer, Michaël Jarrell, Klaus Huber, Brian Ferneyhough, György Kurtàg and Helmut Lachenmann. From 2004 to 2010 he attended the Darmstadt Summer Courses, as well as masterclasses at the Acanthes Festival in Metz and Royaumont Festival in Paris and was a member of Akademie Musiktheater heute. As an organist Pelzel was hosted at various churches and cathedrals, for instance in San Francisco, Los Angeles, Sydney and Cape Town. His compositions are performed by bodies of musi-cians like ensemble recherche, klangforum wien, quatuor diotima, Arditti Quartet, ensemble intercontemporain or the Symphony Orchestra of the Bavaria Broadcasting Corporation. His works are played at festivals like the Darmstadt Summer Courses for New Music, Donaueschingen Music Festival, Wien Modern, Klangspuren (Schwaz, Tyrol), Tremplin (Paris), Lucerne Festival and Art on Main (Johannesburg). He also teaches music theory at music academies and holds composition workshops at the University of the Witwatersrand in Johannesburg (South Africa).

He has received numerous prizes and awards. For instance, in 2005 he was prizewinner in the musica viva composition competition (Munich), in 2005 he was prizewinner in the Stiftung Christoph Delz composition competition (Basel), in 2007 prize-winner in the Jurgenson Competition (Moscow), in 2009 prizewin-ner in the Music Today composition competition (Seoul) and in 2011 he received the Busoni Composition Prize. In the same year he was selected to feature on a portrait CD as part of the Edition of the German Music Council in collaboration with the German label WERGO. In 2012, 2013 and 2016 he received a residency grant for the Visby International Centre for Composers (VICC), in 2014 a residency grant as part of the DAAD Artists-in-Berlin Program; in 2016 he was presented the Composition Prize of the Regional Capital of Stuttgart and a grant from the Swiss art foundation pro helvetia for a three-month artistic residency in Chennai (India). There he studied Carnatic music with its special rhythmic structures and perfected his playing of the ghatam, a Southern Indian clay pot instrument. Michael Pelzel’s compositions and composition commissions have been supported on multiple occasions by the foundations STEO Stiftung, Küsnacht, Stiftung NICATI DE LUZE, Lausanne and the Swiss cultural foundation pro helvetia.

www.michaelpelzel.ch

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Simon Steen Andersen

Run Time Error @ Opel feat. Ensemble Modern (2015)for joystick-controlled video Simon Steen-Andersen, performance, recording and joysticks Ensemble Modern, instruments and objects Peter Timing, camera performer

Simon Steen-Andersen began the Run Time Error series in 2009. In the meantime, this ‘site-specific performance’ has been realized in 13 locations, mostly in Europe, with one in New York. It follows a simple but strict system of rules: a sounding obstacle course is set up in the respective location (usually in conjunction with per-formances of other works by the composer), comprising objects found on site. They do not necessarily have to be instruments, but can be anything that resounds, jangles, rattles or clatters. No object may be used more than once, and every action must be connected to the subsequent one. The course is usually run by the composer himself, repeatedly and at high velocity. He makes the objects sound by moving, shaking, rattling and striking them, and simultaneously records the sounds with a microphone. A camera-man follows him closely, capturing the action in images. Then the mechanical sequence is made into a continuous loop that essen-tially has neither beginning nor end. From a distance it is slightly reminiscent of the legendary video The Course of Things by the artistic duo Fischli and Weiss. Alluding to this video, Steen-Andersen also refers to Run Time Error as a Course of sounds. In the subsequent concert the recording is projected twice, side by side. The projections are controlled by Steen-Andersen using two joysticks, causing them – in temporally-modified form – to get out of phase with each other, to run forwards and back-wards, sped-up and slowed-down. A kind of two-part invention, a fugato in the literal sense of the word.

The composer thus acts in the manner of a virtuoso instrumenta-list, though what he is playing is the audio-visual projection. And he carries this out as a composer: he rhythmicizes, puts together – in the sense of componere – the video, stretches or squashes time. All parameters of the compositional process are in action: pitch, duration, timbre, time and space. Here, as in other works, Simon Steen-Andersen composes with sound and images. On the other hand, Run Time Error is more than simply an actionistic self-portrait of the composer, for it offers a general image of cur-rent composition under globalized conditions: changing localities, accommodation of givens and the acceleration of temporal rela-tionships. Though it is not explicitly political, the politics of music-making is nonetheless inscribed in this conceptual treatment. In 2015 Steen-Andersen went to a disused Opel factory in Rüssels-heim to realize Run Time Error, but this time not alone. In this ver-sion he is still running along with his microphone and the camera, but his path leads past the 14 musicians of Ensemble Modern, who are required to set both their usual instruments and objects found on site in motion and sound. For this project he not only composed with the space and its conditions, but created a work that binds the musicians, space and time together to form an overall experience. And in each performance the composer becomes not only a performer, but also a kind of demonic genius conducting the ensemble – though he has swapped the baton for the joystick of his never-ending childhood games. Forever young! Even if time, in images, literally runs out.

Bernd KünzigTranslation: Wieland Hoban

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Visible Sounds: The Music of Simon Steen-Andersen

Some visitors to New Music concerts will readily admit that often, they can only really understand and enjoy the newness of the music when they not only hear, but also see it come into being. Contemplation, just listening with eyes closed, seems to be a difficult task for this type of concertgoer. With a composer like Simon Steen-Andersen, however, they are more likely to get what they need, for the visibility of sounds plays a decisive part in his music. To this end, he makes extensive use of the available multi-media possibilities, albeit without following the fashions of the time. On the contrary, the incorporation of a low-tech visibility is perhaps connected more to the childhood of the composer, born in 1976: the joystick from the early generation of computer games is a central instrument in his music, and in his series Run Time Error he uses it to control both images and sounds. One could de-fine this new form of audiovisual composition in the sense of the original word componere, and with a formulation by the brilliant exhibition curator Harald Szeemann: ‘When attitude becomes form.’ Even though Simon Steen-Andersen’s music has little to do with pop, there is still one central aspect of rock and pop music that, along with the range of noises he uses, affects his sonic language. Sounds can not only be made visible; a fundamental aspect of their genesis is their physicality, as the composer under-lines: ‘Actually, I always tell the musicians to arrange themselves so that one can see what they are doing. I always find it interesting to see what the people are doing or how a sound comes about.’

At a first, superficial glance, this seems rather banal. But Simon Steen-Andersen is anything but a mere illustrator of sounds. In his compositions, he often plays with perceptions in a way that makes it hard for us to distinguish whether what we are seeing is produ-cing and determining the acoustic result, or vice versa. Thus in Black Box Music (2012), conductor-like gestures are made in a form of puppet theatre setting. The body of the percussionist making these gestures never becomes fully visible, either to the musicians playing in front of him or to the audience. He is entirely reduced to his hands, which not only conduct, but also have to use all manner of objects inside this closed box – the puppet thea-tre curtains, rubber bands, paper streamers and other devices – and even indulge in surreal slapstick. One only sees inside this box via a miniature camera and an oversized video projection of what it records, giving the whole setting the air of a proscenium stage or a magic box. The viewers and listeners remain unsure whether the gestures and events taking place inside it are controlling the musicians, or rather act as a choreographic interpretation of the sounding events. The whole situation has an eeriness to it, for es-sentially this connection between image and sound is a monstrous one: Steen-Andersen refers to this approach as a simultaneous deconstruction of conducting and puppet theatre, of the animal and the mechanical, which he carries out almost as thoroughly as E. T. A. Hoffmann in his tale The Sandman.

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The Piano Concerto (2014) can be viewed as a large-scale, concer-tante synthesis. The video prelude, a film of a grand piano falling in slow-slow motion, is merely the starting point for the ‘building’ and ‘breaking’ of a classical instrument that finally produces broken sounds itself. In this concerto, the broken appears like a phantom as the video projection of the pianist, who not only plays the intact con-cert grand live, but also uses a sampler to control and rhythmicize a pre-recorded version of himself playing the broken instrument. The result is an orchestral piece with two piano soloists, intact and broken, perfect and imperfect, real and surreal, with various references to music history extending from Romantic virtuosity to ragtime. Steen-Andersen speaks of the ‘beauty of the imperfect’, and realizes a principle that Helmut Lachenmann named when he said: ‘composing means building an instrument’.

Bernd KünzigTranslation: Wieland Hoban

Simon Steen-Andersen

Simon Steen-Andersen, born in 1976, is a Berlin-based composer, performer and installation artist, working in the field between instrumental music, electronics, video and performance within settings ranging from symphony orchestra and chamber music (with and without multimedia) to stagings, solo performances and installations. The works from the last 6–7 years concentrates on integrating concrete elements in the music and emphasizing the physical and choreographic aspects of instrumental perfor-mance. The works often include amplified acoustic instruments in combination with sampler, video, simple everyday objects or homemade constructions. Simon Steen-Andersen received numerous prizes and grants – latest the Nordic Council Music Prize and the SWR Orchestra Prize 2014, the Carl Nielsen Prize (DK) and the Kunstpreis Musik from Akademie der Künste in Berlin 2013, the International Rostrum of Composers, the DAAD Berliner Künstlerprogramm Residency 2010 and the Kranichsteiner Music Award 2008. Member of the German Academy of the Arts 2016. Works com-missioned by ensembles, orchestras and festivals such as ensemble recherche, Neue Vokalsolisten Stuttgart, the SWR Orchestra, The Philharmonic Orchestra of Radio France, Ensemble Ascolta, JACK Quartet, Ensemble Modern, Oslo Sinfonietta, 2e2m, Donau-eschinger Musiktage, Ultraschall, Wittener Days of New Chamber Music and ECLAT. Furthermore worked with ensembles such as Klangforum Wien, Collegium Novum Zurich, ICTUS, Arditti, London Sinfonietta, Intercontemporain, asamisimasa and NADAR. Simon Steen-Andersen studied composition with Karl Aage Rasmussen, Mathias Spahlinger, Gabriel Valverde and Bent Sorensen in Aarhus, Freiburg, Buenos Aires and Copenhagen. Since 2008 Simon Steen-Andersen is a lecturer of composition at the Royal Academy of Music in Aarhus, Denmark, in 2013–2014 he was visiting professor at the Norwegian Academy of Music in Oslo and in 2014–2016 he was lecturer at the Darmstadt Summer Courses.In 2017 he is visiting professor at the UdK Berlin.Most works published by Edition-S / Copenhagen.

www.simonsteenandersen.dk

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Ernst von Siemens Music Prize 2017Pierre-Laurent Aimard

On Order and Freedom in Music

Pierre-Laurent Aimard in Conversation with the Music Journalist Eckhard Roelcke

Eckhard Roelcke: In addition to contemporary music, you’ve occupied yourself intensely with music from the 18th and 19th centuries, including compositions by Bach, Beethoven and Debussy. What idea is at the heart of this wide-ranging repertoire?

Pierre-Laurent Aimard: To gain a better understanding of our world, we need to know our strong roots in the past and build on them. That’s why I didn’t want to play contemporary music exclusively. One can be far more convincing if one doesn’t stay within a niche. The music business wants that niche, it wants a clear profile for a product. The customer isn’t supposed to think too much, they’re meant to buy a title, a face, an image. It’s dif-ficult to fight against this tendency at the same time as asserting a position in society where people see and listen to you. So, to return to music and to your question, that’s why this repertoire, from Sweelinck to younger composers, is so important to me. We’re not a supermarket for New Music, we shouldn’t sell every thing. We need to choose and have a profile. That’s exactly how I’ve conceived my artistic life. But it doesn’t mean we’re narrow-minded. We have to be open!

So, as an artist, you also reflect on social developments.

We live in an age of specialists. I think that’s dangerous, because specialism often leads to a lack of communication. One sees the dangers everywhere in the sciences, for example in medicine. Knowing and doing are separated from each other far too much. When I was young, I thought I had to fight the overly sluggish world with New Music, fight against its habits and routines. But there’s a danger that one can easily seek protection in habits and routines oneself. The structured world can lead directly to the very academicism one sought to oppose. We have to stay alert with our critical judgement! When I see the world, how it’s changing, I think that future battles for a better world will be hard.

You’re a performer and a teacher. What meaning does teaching have for you?

As there are composers from different generations, there have to be performers from different generations too. That’s why we musicians should definitely also teach. We have to pass on our re-pertoire and tell others about our experiences with the composers! I think it’s wrong for performers to regard a piece as their property simply because a composer wrote it for them. The pieces must circulate, they must live. For example, I’m happy that many young pianists today are playing the piano music of Ligeti.

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Teaching is also important because it gives us teachers the chance to regenerate ourselves – when we work together with younger musicians, who live so differently from us in this new world. Culture, communication and concentration are in a state of change, so we also have to change constantly. What happens in show business is exactly the opposite: works are simply objects for sale. And performers are just players. If one wants to fight against this world and the politics that supports this development, one has to stay in constant contact with the young generation. How do you proceed when you have the score of a new work

that you’ll be premiering in your hands for the first time? Do you sit down at the piano and start playing? Do you go to your desk and start reading – maybe with pencil in hand?

There isn’t any rule. It depends on the circumstances, for example, whether there happens to be an instrument nearby. And naturally the type of work. With some scores I want to have a sonic presence immediately. With a very long piece, I start by getting an overview by reading; immediate contact with an instrument wouldn’t be the solution. So this question comes up anew each time.

Reading a novel sentence by sentence and understanding it isn’t the same thing as reading a score bar by bar and understanding it. How does reading music like this work?

In a text too, one only discovers the various layers, the construc-tion, the depth and variety bit by bit. We musicians also read the notation, hear it and understand it up to a certain point. If a few of the sounds or the whole musical language are completely new, one needs more time. That’s comparable to learning a new language. As I deal with notes every day, it’s always easier for me to read music than a book. That’s why I became a musician and stayed one.

Is your work when reading and understanding a score comparable to the work of a translator taking a novel from one language into another

I don’t think so. The composer notated what they want to hear. They gave it a fixed graphic form, and we performers have to find a way of breathing life into the work, in sound and time, in the way they had in mind. That’s not really a translation. It’s compara-ble to an actor speaking a text. A bad actor only says the words, just as a bad musician only plays the notes. But we have to grasp and present their meaning.

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Can you learn things about the piece when you see how the composer notated their thoughts?

Naturally, especially with handwritten scores. With Chopin one notes the flow of the phrasing; with Beethoven one sees his struggle while composing and the way the ideas fight amongst themselves; with Debussy, the elegance in the note choices and their groupings; with Boulez, the way he focuses on each individual note. The scores ‘breathe’ and provide wonderful information! That’s why I play from manuscripts as often as possi-ble, even though they’re not always as clear as printed scores. With composers who work directly at the computer, this dimen-sion, the order and sometimes also the chaos of the score, is lost.

Is ‘order’ a central concept for understanding music? A composer creates a musical order, and the performer has to recognize it and make it audible?

What’s central are the structures and the basic physical rules governing how sounds and relationships between sounds work. A composer can work against these rules with their own rules. They can also accept or expand them. Working creatively therefore means structuring rules and creating an order with them.

Does that also mean there can be no freedom without order?

I find this dichtomoy – either order or freedom – problematic. Freedom only comes about after reaching a certain level of order. When is one completely free in a language? One can only express oneself richly once one knows the rules very well, either consciously or unconsciously. Someone who doesn’t know the rules well remains trapped. How can Mozart sound so natural and free? So human, as people say? Because he composed with incomparable perfection! He knew the rules like no other.

The greatest freedom and the strongest expressive possibilities come about at a very high level of rules. But they can only be reached if the rules are recognized as possibilities rather than a limitation. When there’s mastery, one forgets the rules. It doesn’t matter if it’s a lawyer or a politician: anyone who understands rules not as a constraint but as an opportunity for areas of freedom can make good decisions. That also applies to art. Order and freedom: there’s no contradiction there. They make a very good couple!

So how does freedom come about in interpretation?

It comes about at the end of interpretation. It could be a gesture, a sound or a phrase. It’s like a craftsman who’s performed the same actions a thousand times, then at some point forgets the effort – and becomes free. So the performer’s freedom is based on craftsmanship, but also imagination and a joy in experimenting. What’s important is the right dosage. One has to decide which dimension one wants to highlight and which should be kept discreetly in the background.

Scientists seek to prove or disprove theories through experiments. What do you want to achieve as a musician when you experiment with sounds?

The question is always which sound fits, which one is suitable. If I play a piece by Bach or Lachenmann, I obviously have to find the appropriate sounds. They’re not lying in a cabinet waiting for me to take them. I have to experiment until I find the appropriate sound. Only then does the music become meaningful and alive.

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So experimenting means trying things out?

The composer, not the performer, is the creator. The performer’s role is far more modest than most people think. Our society wants to give performers a role they don’t have. That’s why the results are often embarrassing. When is a performance of a Bach passion or a large work by Lachenmann successful? When the piece sounds in all its richness and variety! In the phrasings, the harmonies, the vertical blocks, with a meaningful treatment of time. One has to observe the phenome-non of a piece down to its roots and understand how all these ele-ments are connected. Sadly, one hears such performances so rarely! Let’s take Helmut Lachenmann as an example, it could just as easily be some other contemporary composer. He crafted a new sound world. Now we, the performers, have the task of shaping his music so that it sounds the way he imagined it. That’s not easy. Often the composer has to fight with the performer before they get what they want. How rarely one reaches that point as a per-former. You can tell when you speak to the composer. Some of them are direct and rude: ‘Please don’t play my piece! It doesn’t sound the way I hear it and understand it.’ Often composers only accept the performers because they have the power in society. Some performers say quite openly, ‘I only play music by dead composers, because then I get left in peace.’ If Beethoven were alive today, he’d often get annoyed with his performers.

Works can also have dimensions that the composer deliberately avoided creating. If a performer discovers such a quality, should they refrain from presenting it because it doesn’t correspond to the composer’s will?

Certainly an extremely complex structure will contain parts or layers that a performer can present in a different light. But the identity of the whole, in all its richness and complexity, will remain.

So if I understand you correctly, the work has a single artistically truthful form, if you will, and the only ‘leeway’ for interpretation is in the details?

Often the composers don’t allow any freedom in the precisely-crafted details either. But there are still different interpretations of the same work. You can take different routes to climb Mount Everest or Mont Blanc, but in the end it’s always the same mountain, and you either make it to the top or you don’t. It’s rare for someone to reach the summit. One’s freedom often becomes immense when you have a good understanding of the style and the rules. It’s like that in every profession: someone who knows the complex rules very well and has a lot of experience will also have a lot of room for decisions. That means freedom, if you want to use the term in this context. If a musician plays Beethoven today with the attitude ‘let’s be cool, let’s be free!’, they’re supposedly playing Beethoven completely freely. But what is that? Infantilism! Or someone plays Bach post-Romantically and allegedly freely. To me that has nothing to do with the work.

Let’s talk about the beginnings of your life as a musician. Why did you become a pianist? Why did you choose the piano?

A great-uncle of mine had a collection of instruments. He lived in Savoy, which historically belonged alternately to Italy and France. Because of this tradition, my great-uncle had a collection of ‘southern’ instruments – mandolins, guitars, wind instruments. He also directed an amateur mandolin orchestra. I tried to play on all of them as a five-year-old, and also on an upright piano in the collection. I immediately felt, ‘That’s a great instrument, I want to learn it!’ This passion guided me.

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As a pianist, I’m independent. I can decide for myself whether to stay alone or make music with others. And, very importantly, I can play all music on the instrument. We pianists have a phenomenal repertoire! I stayed with the piano for all these reasons. I wanted to have as interesting a life as possible, which meant avoiding instruments that would limit me too much in my possibilities. I also studied singing, flute and conducting, as it happens, but those were just satellites and things that enriched my musical life.

Our society is changing at a great speed, but it takes amazingly long for new things to establish themselves. Even productive developments that are vital to humanity, such as the transition to renewable energy in order to reduce global warming. In mu-sic it’s also hard for new things to establish themselves. Why is there such resistance?

You should speak to a neuroscientist (laughs). Changing a mentality takes the longest. Obviously there are people who progress more quickly. They have to help move the world forwards more quickly. But unfortunately we have to observe the Galileo phenomenon on a daily basis; the view of the world stays the same. Why do many musicians even believe that music history ended with Rachmaninov? This attitude becomes dangerous in politics, in military think-ing and ecology. Things are going on there that keep us awake at night. Collective suicide is on the horizon.

One has to inform people. Is it also part of your task as a performer to explain music?

It’s part of my role. I don’t have to sell the same piano concerto all over the world two hundred times a year. Listeners want to com-municate with me. They’re curious, and they don’t simply want to follow the typical consumerist models that manipulate us. Just think what happens to food nowadays. It’s a disaster what people eat in our society.

Because it’s unhealthy.

Incredibly unhealthy. That food makes many people ill. It’s also bad for the brain. The big industries manipulate people. Musical consumerism also manipulates us.

What can we do about it?

We have to develop a personal resistance and simply refuse to accept this development. More and more people want to live more healthy lives, not just physically in what they eat, but also mentally. We musicians can’t reach the majority. But we work in an awareness that we’ll always find people who are interested in our work. They won’t necessarily love it, but they’ll engage with it.

You sound fairly confident.

I can’t say if there’s good reason to hope for improvement. It’s now completely clear that after a certain point, humanity won’t survive without a functioning environment. Nonetheless, a great many people are going totally in the wrong direction.

Out of ignorance? Out of stupidity?

It is a bit stupid. Yes, one could say that.

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In 2007 you said in an interview with the Berlin Tagesspiegel that if nothing changed, classical music would be dead in twenty years. Ten years have passed since then. Has anything changed?

A great deal! Many music education programmes have been installed all over the world, and are beginning to show results. Or the many new concert halls: they create a permanent artistic event in a city and foster a new audience and a new enthusiasm for classical music. That’s fantastic! And this is also in countries that are still suffering from the economic crisis. Despite enormous political difficulties, fabulous concert halls have been built. This collective desire gives us hope. Fifteen or twenty years ago there was also a lack of new talent. Suddenly there are lots of incredibly talented, independent, young conductors with ambitious projects. They have artistic and social visions. They give us hope.

Is that a call for more education and more artistic experience?

I’m very worried about the political situation in the world. In the USA, it’s possible that the tax system could be changed and all public money for the arts simply cut, just like that. All culture on the entire continent could be forced to its knees! That gives me nightmares. But that’s nothing compared to what’s happening ecologically, with human rights, with the foundations of our civilization. I often hear that such times are good for the arts. I don’t want us to pay such a high price for good art.

The interview was carried out by the music journalist Eckhard Roelcke in Berlin, April 2017.

“ My programme consists of works by composers I have worked with and with whom I have a special relationship. Each of these pieces is dedicated to me, and I premiered them, so they were especially important for me concerning my musical development. Taken together, they portray what is essential to me as performer and interpreter.“

Pierre-Laurent Aimard on his choice of works

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Vassos Nicolaou (1971) Frames for piano four hands (2017)

“ Vassos’ piece represents my current work as performer: it is the most recent piece I have premiered. It was commissioned by the Ruhr Piano Festival: Nicolaou and the Festival gave us this work as a wedding gift. The compositions of Vassos Nicolaou are complex and of the highest quality. He writes in a very personal way, with dedication and without making any compromises.“

George Benjamin (1960)Shadowlines – six canonic preludes for piano IV, V (2001)

“ George and I have been friends since our student days at the Paris Conservatoire. He was working on his large orchestral piece Palimpsets and reached a point where he couldn’t continue. He called me on the phone and said, ‘You’ll be getting a surprise’. A day later the piece came in the mail. It was born during a blocked creative compositional process and at the same time resolved it. In that phase of his work he expanded his style by an extremely polyphonic dimension, combined with the charming sound that was always characteristic of George’s music. The piece is a mutual penetration of two opposed, almost contradictory musical forms: prélude and canon.“

György Kurtág (1926) | Passio sine nomine (2015)

“ When I first met Kurtág in his Budapest apartment – it must have been in the winter of 1978 – it was difficult to start a conversation, so he invited me to play piano music for four hands. We also played some of his works at sight. From this moment on, I immersed my-self in his passionate world of dreams, which turned out to play a very important part in my musical life. In 2015 he called me to tell me that he wanted to entrust his latest piece Passio sine nomine to me. It was written when his wife Marta was severely ill. One night, the doctors thought she would die. György was with her. Luckily the doctors’ prediction turned out to be wrong, and she survived. Marta asked her husband to express this moment in music. This desperate piece lasts two minutes, and he says more in that time than most composers do in half an hour. It expresses the unspeakable, or rather that which cannot even be shouted out, making this miniature unbearable.“

György Ligeti (1923–2006)Étude XII Entrelacs (1993), Étude X Der Zauberlehrling (1994)

“ The title of Entrelacs only works in French; one can’t really trans-late it – which is precisely why Ligeti chose it. It refers to voices which are entwined, interwoven. The polyrhythm is very clear at the beginning but in the course of the piece it is burdened in a way that makes it imperceptible. This procedure is characteristic for Ligeti’s work – he is a master of transgression. This also be-comes clear in ‘The Sorcerer’s Apprentice’. Ligeti wrote it in such a way that it looks unplayable, even though it is entirely playable. It was also his aim for all the etudes to be very challenging for the performer. He literally wanted to place them in danger, he wanted to make their efforts part of the performance.“

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Marco Stroppa (1959)Passacaglia canonica (1991) from Miniature Estrose (1991–2001)

“ After having played and recorded Stroppa’s fantastic piece Traiettoria for piano and electronics, I was so enthusiastic about his sonic creativity that, together with the Festival d’Automne in Paris, gave him a commission for a work for piano solo and to create something entirely new regarding writing for piano. He created the Passacaglia canonica, the first piece of the one hour cycle Miniature Estrose. At the climax of this Passacaglia canonica he layers different timbres. Each timbre is extremely finely crafted, which results in a highly complex polychromatic effect, a real polyphony of colours and gestures. The dedication shows that I had an indirect influence on the piece’s composition: ‘à Pierre-Laurent pour que les parfums, les sons et les couleurs se répondent’. This is an allusion to Debussy’s prelude ‘Les sons et les parfums tournent dans l’air du soir’, which in turn refers to Baudelaire. So Stroppa continues a French tradition: the resonance of words in Baudelaire and the mingling of different senses – sight, hearing and smell – in Debussy.”

Elliott Carter (1908–2012)Caténaires for piano (2006)

„ I first met Carter in the late 70s and worked with him until his death in 2012, especially intensively during the last phase of his work after the year 2000. He composed Caténaires in 2006, when the almost one hundred-year-old man composed work after work. One feels the energy and the exuberant vivacity of the piece, about which he once said: ‘I had to write this piece. I couldn’t get rid of it. Every day in my bed I felt the need to wake up for composing it. It ate me.’ What’s amazing is that Carter, who is known for his extremely polyphonic music, wrote a toccata – whose compositio-nal principle is precisely not polyphonic. This work is of physical as well as fundamental virtuosity.“

In Pierre-Laurent Aimard, the Ernst von Siemens Music Foundation is honouring a central personality in the music world. With his vigorous musicality, his profound intellectual understanding of the works and the technical mastery of his playing, he has set international standards both as a soloist and an ensemble player. He also influenced composi-tional history through his long-standing and close collaborations with contemporary composers. He also sees part of his role as an artist in the pedagogical mission to pass on his knowledge and experience to younger musicians. This responsible mentality demonstrates his outstanding position as an artist in society. The relevance of his work for our time is also based on his intense engagement with the musical past. Old and new art, tradition and the present day – they all become extremely stimulating for the listener through his playing and the dramaturgy of his programmes. Regardless of whether he is playing works by Bach, Beethoven, Debussy, Stockhausen, Ligeti or Stroppa, his interpretations can always be experienced as the results of a comprehensive engagement with the music.

The Board of Supervisors and the Board of Trustees, Munich, June 2, 2017

The Ernst von Siemens Music Foundation awards the

Ernst von Siemens Music Prizeto

Pierre-Laurent Aimard

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Recent seasons have included the world premieres of Harrison Birtwistle’s piano concerto Responses: Sweet disorder and the carefully careless, as well as Carter’s last piece Epigrams for piano, cello and violin, which was written for Pierre-Laurent. Through his professorship at the Hochschule Köln as well as numerous series of concert lectures and workshops worldwide, he sheds an inspiring and very personal light on music of all periods. During the 2008/09 season Aimard was an Associate Professor at the College de France, Paris and he is a member of the Bayerische Akademie der Schönen Künste. He was also a fellow at the Wissenschaftskolleg Berlin in 2013 / 2014.He was the recipient of the Royal Philharmonic Society’s Instrumentalist Award in spring 2005 and was named ‘Instrumentalist of the Year’ by Musical America in 2007. In 2015 he launched a major online resource centred on the performance and teaching of Ligeti’s piano music with filmed masterclasses and performances of the Études and other works by Ligeti in collaboration with Klavier-Festival Ruhr. (www.explorethescore.org) Pierre-Laurent has made many highly successful recordings. His first Deutsche Grammophon release, Bach‘s Art of Fugue, received both the Diapason d‘Or and Choc du Monde de la Musique awards, debuted at No.1 on Billboard‘s classical chart and topped iTunes’ classical album download chart. In recent years Pierre-Laurent has been honoured with ECHO Klassik Awards, most recently in 2009 for his recording of solo piano pieces, Hommage à Messiaen, a Grammy award in 2005 for his recording of Ives’ Concord Sonata and Songs and he was also presented with Germany’s Schallplattenkritik Honorary Prize in 2009. Further releases for DG – The Liszt Project in 2011 and Debussy Préludes in 2012 – were joined by a new recording of Bach’s Das wohltemperierte Klavier Book 1 in 2014.

Pierre-Laurent Aimard

Widely acclaimed as a key figure in the music of our time and as a uniquely significant interpreter of piano repertoire from every age, Pierre-Laurent Aimard enjoys an internationally celebrated career. He has performed throughout the world each season with major orchestras under conductors including Pierre Boulez, Nikolaous Harnoncourt, Esa-Pekka Salonen, Peter Eötvös and Sir Simon Rattle. He has been invited to curate, direct and perform in a number of residencies, with projects at Carnegie Hall, New York‘s Lincoln Center, Vienna‘s Konzerthaus, Berlin‘s Philharmonie, Frankfurt’s Alte Oper, the Lucerne Festival, Mozarteum Salzburg, Cité de la Musique in Paris, the Tanglewood Festival and London‘s Southbank Centre. Aimard was the Artistic Director of the Aldeburgh Festival from 2009 to 2016. This season sees Pierre-Laurent’s development of innovative programme of concerts for Fondation Louis Vuitton in Paris and he joins Esa-Pekka Salonen for a series of concerts, entitled Inspirations. Born in Lyon in 1957, Pierre-Laurent Aimard studied with Genevieve Lièvre before studying at the Paris Conservatoire with Yvonne Loriod and in London with Maria Curcio. Early career landmarks included winning first prize in the 1973 Messiaen Competition at the age of 16 and being appointed, at the age of 19, by Pierre Boulez to become the Ensemble intercontemporain‘s first solo pianist. Aimard has had close collaborations with many leading composers including Boulez, Kurtág, Stockhausen, Carter, Lachenmann, George Benjamin and Marco Stroppa and had a long association with Ligeti, recording his complete works for piano. Most recently he performed the world premiere of piano works by Kurtág at a celebration of the composer’s 90th birthday.

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Münchener Kammerorchester

Renowned for its exceptionally creative programming and the homogeneity of timbre that can only come from a long history of making music together – over sixty-five years after its foundation the MKO is blazing a trail for orchestras in Germany and beyond. At the beginning of the 2016/17 season the orchestra welcomed Clemens Schuldt as its new principle conductor. Under his leader-ship the MKO will continue to present daring, associative pro-grammes combining works from the past and the present. In the past twenty years, the MKO has premiered over seventy new works a.o. from Iannis Xenakis, Wolfgang Rihm, Chaya Czernowin and Jörg Widmann. Since 2006 alone composers such as Klaus Lang, Nikolaus Brass, Samir Odeh-Tamimi, Mark Andre, Peter Ruzicka, Márton Illés, Miroslav Srnka, Tigran Mansurian, Georg Friedrich Haas, Salvatore Sciarrino, Pascal Dusapin, Clara Iannota and Milica Djordjević have fulfilled commissions from the MKO.The core of the ensemble consists of twenty-eight string players, all full members of the MKO. In collaboration with a fixed pool of elite principal wind players from Europe’s leading orchestras, the MKO performs as a slender symphony orchestra that can also make its mark with major works by Beethoven, Schubert, Schumann and others. In the orchestra’s subscription series at the Prinzregententheater, the Nachtmusik der Moderne and around 60 invitation concerts, the MKO is playing with internationally acknowledged conductors and soloists. Recordings of the orchestra are available amongst others at ECM, NEOS, Sony and Deutsche Grammophon.

www.m-k-o.eu

Laudator

George Benjamin

George Benjamin (b. 1960) began composing at the age of seven. In 1976 he entered the Paris Conservatoire to study with Messiaen, after which he worked with Alexander Goehr at King‘s College, Cambridge. His first orchestral work, Ringed by the Flat Horizon, was performed at the BBC Proms when he was only 20. Benjamin conducted the first performances of Sudden Time at the Meltdown Festival in 1993, and Three Inventions for Chamber Orchestra at the Salzburg Festival in 1995. The LSO and Pierre Boulez gave the world premiere of Palimpsests in 2002 to mark the opening of the LSO‘s season-long retrospective of his work, By George, a project which also included the premiere of Shadowlines by Pierre-Laurent Aimard. Into the Little Hill, a chamber opera to a text by Martin Crimp, was premiered at the Festival d’Automne in 2006. A second collaboration with Crimp, Written on Skin was premiered at the Aix-en-Provence festival in July 2012 and has been programmed by over twenty international opera houses since then. The world premiere of their new collaboration, Lessons in Love and Violence, is scheduled for the Royal Opera House in 2018. As a conductor George Benjamin has a broad repertoire and has conducted numerous world premieres, including important works by Rihm, Chin, Grisey and Ligeti. He regularly works with some of the world’s leading orchestras, amongst them the Mahler Chamber Orchestra, London Sinfonietta and Ensemble Modern; he also has an especially close relationship with the Royal Concert-gebouw Orchestra. Benjamin was awarded a C.B.E. in 2010 and made an Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres in 2015. He has been the Henry Purcell Professor of Composition at King‘s College, London since 2001. George Benjamin was elected a Member of the Bavarian Academy of Fine Arts in 2000.

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Laura Snowden, guitar

Award-winning classical guitarist and composer Laura Snowden was the first guitarist to graduate from the world-renowned Yehudi Menuhin School, where guitar tuition was made possible by a donation from the Rolling Stones. Whilst at the Royal College of Music in London she was handpicked by Julian Bream to give the prestigious Bream Trust concert at Wigmore Hall in 2015, where she premiered Julian Anderson’s Catalan Peasant with Guitar – “a poignant, mesmerising show” (The Guardian). Having premiered numerous pieces over the years, she has been described as “linking guitar’s past, present and future” by Classical Guitar Magazine, and has been invited by guitarist John Williams to perform at Shakespeare’s Globe with her folk ensemble Tir Eolas.As a composer, Laura‘s song Live Free for the charity Voices for Hospices was performed at over 300 simultaneous concerts in 60 countries. She has been commissioned by the International Guitar Foundation, Deal Festival, and most recently the Park Lane Group supported by the Ralph Vaughan Williams Trust.Laura has been supported by the Tillett Trust, St John’s Smith Square, Worshipful Company of Musicians, and ‘Making Music Philip and Dorothy Green’ young artist schemes. Her principal teachers have been Richard Wright (Menuhin School and Royal College of Music), Gary Ryan (RCM), Carlos Bonell (RCM) and Julian Bream, and she currently teaches at the Yehudi Menuhin School.

Jonathan Stockhammer, conductor

In just a few years, Jonathan Stockhammer has made a name for himself in the worlds of opera, symphonic repertoire, and contem-porary music. After completing his studies, Jonathan Stockhammer moved to Germany where he formed close relationships with well-known European ensembles such as Ensemble Modern, Collegium Novum Zürich and Ensemble Resonanz. Opera is central to Jonathan Stockhammer‘s work. The operas he has conducted, including Die Dreigroschenoper, Zemlinsky‘s Eine florentinische Tragödie, Sciarrino‘s Luci mie traditrici and Monkey: Journey to the West by Damon Albarn, identify him as a conductor who welcomes and masters the difficulties presented by complex scores and special, interdisciplinary productions. Jonathan Stockhammer has worked with numerous renowned orchestras such as the Oslo Philharmonic, NDR Symphony Orches-tra Hamburg, Czech Philharmonic Orchestra and the Sydney Symphony Orchestra, and has appeared at the Salzburg Festival, Lucerne Festival, Donaueschingen Festival, Biennale Venice and Wien Modern. Jonathan Stockhammer enjoys delving into music that blurs the boundaries between classical music, rock, pop, and hip-hop. His CD Greggery Peccary & Other Persuasions with Ensemble Modern (RCA, 2003), featuring works by Frank Zappa, won an Echo Klassik Award. His live recording of The New Crystal Silence with Chick Corea, Gary Burton and the Sydney Symphony Orchestra won a Grammy in 2009.

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Tamara Stefanovich, piano

Known for captivating interpretations of a wide repertoire, Tamara Stefanovich performs at the world’s major concert venues. She features in international festivals such as Lucerne, Aldeburgh, Salzburger Festspiele, Klavier-Festival Ruhr and Beethovenfest Bonn. Recent engagements have included performances with the Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Philharmonia Orchestra, MDR Symphonieorchester Leipzig, WDR Symphonie-orchester Köln and Chamber Orchestra of Europe as well as an extensive US recital tour marking the 90th birthday of Pierre Boulez garnering exultant reviews such as that of The New York Times:

“Ms. Stefanovich’s performance of Boulez’ second piano sonata was staggeringly brilliant”. Stefanovich has appeared with orche-stras including The Cleveland and Chicago Symphonies, London Symphony, London Philharmonic, Bamberger Symphoniker, Britten Sinfonia, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen and London Sinfonietta. Tamara Stefanovich has collaborated with conductors such as Pierre Boulez, Vladimir Ashkenazy, Osmo Vänskä, Susanna Mälkki, Esa-Pekka Salonen, Vladimir Jurowski as well as leading composers including Peter Eötvös and György Kurtág. She regularly leads educational projects at London’s Barbican Centre, Philharmonie Köln and at Klavier-Festival Ruhr such as innovative online project www.explorethescore.org with interactive analyses of Boulez’ Notations. Tamara is cofounder and curator of the newly created festival The Clearing at Portland International Piano Series that will see her perform in recitals and work with young pianists and composers.

Ernesto Molinari, CLEX (contrabass clarinet extended)

The Swiss clarinetist Ernesto Molinari was born in Lugano, Switzerland in 1956. He studied clarinet in Basel and bass clarinet in Amsterdam and is an accomplished soloist on each of the instruments in the clarinet family. Numerous compositions have been composed especially for him and his fearless approach to playing has inspired a new generation of clarinet players. From 1994 to 2005 he was clarinetist in the Viennese Soloist Ensemble Klangforum Wien. He has performed as a soloist and chamber musician in renowned music festivals (Salzburg, Paris, Lucerne, Berlin, et al.) throughout Europe and around the world and is at home with classical music as well as contemporary music and jazz. Presently professor for clarinet at the HKB (College of Arts) in Bern, Switzerland, Ernesto Molinari has also been teaching at the International Music Institute in Darmstadt since 2000 as well as the Impuls Academy in Graz since 1999.

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Die Preisverleihung wird aufgezeichnet und am Dienstag, 4. Juli, und Donnerstag, 6. Juli 2017, jeweils 22.05 Uhr in der Reihe „Horizonte“ auf BR-KLASSIK gesendet.

Die Veranstaltung wird als Live-Stream auf www.br-klassik.de und www.evs-musikstiftung.ch übertragen. Eine Kooperation des Bayerischen Rundfunks und der Ernst von Siemens Musikstiftung. Ausführender Produzent und technische Umsetzung: Benedict Mirow, NIGHTFROG GmbH, www.nightfrog.com

Die Ernst von Siemens Musikstiftung dankt der Siemens AG sehr herzlich für die Bereitstellung der Münchner Geschäftsräume.

Textnachweise:Eckard Roelcke: Gespräch mit Pierre-Laurent Aimard, 7. April 2017, Berlin | Rainer Nonnenmann: Werktext AUGENLIDER; Nicht nur von dieser Welt. Lisa Streichs Musik zwischen Akribie und Glaube, Dies- und Jenseits | Markus Böggemann: Werktext Gravity’s Rainbow; Im Strom des Klanges. Zur Musik Michael Pelzels | Bernd Künzig: Werktext Run Time Error; Sichtbare Klänge. Zur Musik von Simon Steen-Andersen | Übersetzungen: Wieland Hoban, Joseph Lake, François Bastian, Saskia Müller

Alle Rechte bei den Autoren.

Bildnachweise: Fotos: Pierre-Laurent Aimard, Tamara Stefanovich, Jonathan Stockhammer: Marco Borggreve | Michael Pelzel, Simon Steen-Andersen und Lisa Streich: Manu Theobald | George Benjamin: Matthew Lloyd | Münchener Kammerorchester: Sammy Hart | Ernesto Molinari: :craft: bildwerkSkizzen/Manuskripte/Partituren: Notenmaterial Collagen Komponisten-Förderpreisträger: alle Rechte bei den Komponisten | S. 56: Mit freundlicher Erlaubnis von Vassos Nicolaou | S. 58: Mit freundlicher Erlaubnis von George Benjamin | Mit freundlicher Erlaubnis von György Kurtág | S. 60/61: György Ligeti, Skizze zur Klavieretüde Entrelacs (1993) und Reinschrift von Entrelacs (1993), Pierre-Laurent Aimard gewidmet; Sammlung György Ligeti, Paul Sacher Stiftung, Basel; Mit freundlicher Genehmigung SCHOTT MUSIC, Mainz | S. 62: Mit freundlicher Erlaubnis von Marco Stroppa | S. 64/65: Elliott Carter: Skizzen zu Caténaires (2006); Sammlung Elliott Carter, Paul Sacher Stiftung, Basel Collagen und Notenständermontage: jäger & jäger

Filme Komponisten-Förderpreisträger: Johannes List, www.fritzzfilm.de

Redaktion: Imke ListMitarbeit: Saskia MüllerKonzept und Gestaltung: jäger & jäger, www.jaegerundjaeger.deDruck: Druck-Ring, München

HerausgeberErnst von Siemens Musikstiftung, Zug, SchweizDr. Georgia Fotiou, Prof. Michael Roßnagl, Nicole WillimannKommunikation: Imke List und Dr. Tanja PröbstlAdresse München: Wittelsbacherplatz 2, 80333 MünchenT. +49 89 636 329 07 | [email protected] | www.evs-musikstiftung.ch

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