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Blätter für Heimatkunde 60 (1986) Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este ein gebürtiger Grazer Von Gerhard M. Dienes Das siebzigste Anniversarium der Ermordung Erzherzog Franz Ferdinands von Österreich-Este am 28. Juni 1914 in Sarajevo brachte im Jahre 1984 nicht nur eine Reihe von Ausstellungen, in denen des Erzherzogs gedacht wurde, sondern auch eine Fülle von Literatur über Leben und Wirken dieses vorletz- ten Thronfolgers der österreichisch-ungarischen Monarchie. 1 In den meisten Abhandlungen — auch in jenen älteren Datums — wird der Geburt des Erzherzogs in Graz kaum Beachtung geschenkt. Daher scheint es angebracht und auch für die Grazer stadtgeschichtliche Forschung von Interesse, die letzten Monate vor der Geburt des späteren Thronfolgers näher zu betrachten. „Das Konrad'sche Haus im ersten Sack wurde für Se. Kaiserl. Hoheit den Herrn Erzherzog Carl Ludwig gemiethet", berichtet die „Grazer Zeitung" am 13. April 1863. 2 Dieses „Konrad'sche Haus" in der Sackstraße 18 ist besser bekannt als Palais Khuenburg und beherbergt heute das Grazer Stadtmuseum. 1839 war es, daher der Name, von Sigmund Conrad erwor- ben worden, und nach dessen Tod an seinen Sohn Dr. Gustav Freiherrn von Conrad, Landesgerichtsrat und Vorstandsmitglied der ,,k. k. privile- gierten innerösterrcichischcn Wechselseitigen Brandschadensversicherungs- anstalt in Graz" gekommen, der es bis 1874 besaß.' Erzherzog Karl Ludwig (1833—1896), der den ersten Stock des Palais anmietete, war der zweitjüngste Bruder Kaiser Franz Josephs 1. Friedrich Weißensteiner charakterisiert 1 Vgl. z. B. die Berichte über die Sonderausstellungen im Schloß Artstetten und im Stadtmu- seum Graz. In: Osterreichische Ärztezeitung, Jg. 39, H. 12, 1981. S. 905 f. Als neue Bücher über den Erzherzog seien erwähnt: W . A i ch e l b u r g , Erzherzog Franz Ferdinand und Artsiellen: G . H o l l e r , Franz Ferdinand \on Österreich-Este. 1982; F . W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand. Der verhinderte Herrscher. Zum 70. Jahrestag von Sarajevo. 1983. - ,,Grazer Zeitung (Abendblatt), Nr. 82, Montag den 13. April 1863" (ohne Seitenzählung = o. S.), vgl. dazu Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863—1914). Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im Grazer Stadtmuseum, 1984, S. 2. 3 Zur Geschichte des Hauses vgl. M a r i a S c h a f f l e r , Das Stadthaus Maximilians von Schrattenbach (Palais Khuenburg). Ein Beitrag zu seiner Geschichte und seiner Zukunft als Stadtmuseum. In: Hisl. Jb. Graz 4/1971, S. 177; F . P o p e l k a . Geschichte der Stadt Graz, Bd. I, mit dem Häuser- und Gassenbuch der inneren Stadt von A. v. Luschin-Ebengreuth. 1928, Neudr. 1959. 1984, S. 593; A i c h e l b u r g , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 22. irrt, wenn er das Palais als den ehemaligen Stadthof des Zisterzienserstiftes Rein bezeichnet. Der sogenannte Reinerhof trägt heute die Nummer 20. 105

Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este — ein ... · Aichelburg , Franz Ferdinand (wie Anm 1) S 18. 8 Vgl . H o 11 e r , Franz Ferdinand (wie Anm 1), S 27. 9 Vgl . Weißensteiner

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Page 1: Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este — ein ... · Aichelburg , Franz Ferdinand (wie Anm 1) S 18. 8 Vgl . H o 11 e r , Franz Ferdinand (wie Anm 1), S 27. 9 Vgl . Weißensteiner

Blätter für Heimatkunde 60 (1986)

Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este — ein gebürtiger Grazer

Von Gerhard M. Dienes

Das siebzigste Anniversarium der Ermordung Erzherzog Franz Ferdinands von Österreich-Este am 28. Juni 1914 in Sarajevo brachte im Jahre 1984 nicht nur eine Reihe von Ausstellungen, in denen des Erzherzogs gedacht wurde, sondern auch eine Fülle von Literatur über Leben und Wirken dieses vorletz­ten Thronfolgers der österreichisch-ungarischen Monarchie.1 In den meisten Abhandlungen — auch in jenen älteren Datums — wird der Geburt des Erzherzogs in Graz kaum Beachtung geschenkt. Daher scheint es angebracht und auch für die Grazer stadtgeschichtliche Forschung von Interesse, die letzten Monate vor der Geburt des späteren Thronfolgers näher zu betrachten.

„Das Konrad'sche Haus im ersten Sack wurde für Se. Kaiserl. Hoheit den Herrn Erzherzog Carl Ludwig gemiethet", berichtet die „Grazer Ze i tung" am 13. April 1863.2 Dieses „Konrad 'sche Hau s " in der Sackstraße 18 ist besser bekannt als Palais Khuenburg und beherbergt heute das Grazer S tadtmuseum. 1839 war es, daher der Name, von Sigmund Conrad erwor­ben worden, und nach dessen Tod an seinen Sohn Dr. Gustav Freiherrn von Conrad, Landesgerichtsrat und Vorstandsmitglied der ,,k. k. privile­gierten innerösterrcichischcn Wechselseitigen Brandschadensversicherungs­anstalt in Graz" gekommen, der es bis 1874 besaß. ' Erzherzog Karl Ludwig (1833—1896), der den ersten Stock des Palais anmietete, war der zweitjüngste Bruder Kaiser Franz Josephs 1. Friedrich Weißensteiner charakterisiert

1 Vgl. z. B. die Berichte über die Sonderausstellungen im Schloß Artstetten und im Stadtmu­seum Graz. In: Osterreichische Ärztezeitung, Jg. 39, H. 12, 1981. S. 905 f. Als neue Bücher über den Erzherzog seien erwähnt: W . A i ch e l b u r g , Erzherzog Franz Ferdinand und Artsiellen: G . H o l l e r , Franz Ferdinand \on Österreich-Este. 1982; F . W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand. Der verhinderte Herrscher. Zum 70. Jahrestag von Sarajevo. 1983.

- ,,Grazer Zeitung (Abendblatt), Nr. 82, Montag den 13. April 1863" (ohne Seitenzählung = o. S.), vgl. dazu Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este (1863—1914). Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im Grazer Stadtmuseum, 1984, S. 2.

3 Zur Geschichte des Hauses vgl. M a r i a S c h a f f l e r , Das Stadthaus Maximilians von Schrattenbach (Palais Khuenburg). Ein Beitrag zu seiner Geschichte und seiner Zukunft als Stadtmuseum. In: Hisl. Jb. Graz 4/1971, S. 177; F . P o p e l k a . Geschichte der Stadt Graz, Bd. I, mit dem Häuser- und Gassenbuch der inneren Stadt von A. v. Luschin-Ebengreuth. 1928, Neudr. 1959. 1984, S. 593; A i c h e l b u r g , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 22. irrt, wenn er das Palais als den ehemaligen Stadthof des Zisterzienserstiftes Rein bezeichnet. Der sogenannte Reinerhof trägt heute die Nummer 20.

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den Erzherzog folgend: „Er war einer von vielen unbedeutenden Erzherzögen aus dem Geschlecht der Habsburger. Er war gutmütig, treuherzig und ge­schwätzig. Er sammelte Briefmarken, liebte die Jagd und war ein unendlich geduldiger Angler."4 Anders sieht ihn Erich Feigl. Nach ihm war Karl Ludwig „so etwas wie der ruhende Pol in der Großfamilie des Hauses Österreich . . . Während der Kaiser, gehetzt von Amtsgeschäften, sich zum Unheil des Reiches weder um seine engere noch um seine weitere Familie kümmern konnte, stellte sich Karl Ludwig nicht nur dem Kaiser zur Verfü­gung, um alle Kunst und Wissenschaft betreffenden Agenda (höchst erfolg­reich!) zu betreuen, sondern hielt auch die Familienangelegenheiten in Evi­denz. Karl Ludwig war die Vertrauensperson der ganzen Großfamilie Habs­burg."5

Gleich allen Erzherzögen hatte auch Karl Ludwig die militärische Stufenlei­ter durcheilt, „ohne jedoch je ein höheres Kommando geführt zu haben".6

Die einzige politische Funktion, die er innehatte, war die eines Statthalters von Tirol. Das Februarpatent von 1861 aber nahm den Kronländern einen Teil ihrer Selbständigkeit und brachte die Statthalter in völlige Abhängigkeit von den dem Parlament verantwortlichen Ministerien. Mit der Errichtung des konstitutionellen Staates war es unvereinbar, ein Mitglied des regierenden Hauses dienstlich unterzuordnen. Das hatte das Ausscheiden aller Erzherzöge aus den zivilen Behörden zur Folge, und damit ging auch die Tätigkeit Karl Ludwigs als Tiroler Statthalter zu Ende.7 Karl Ludwig wurde, wie oben ange­führt, zum Förderer und Protektor der Künste und Wissenschaften.

Der Erzherzog war seit 1856 in erster Ehe mit Margarethe von Sachsen verheiratet, die aber nach zwei Jahren starb. Am 21. Oktober 1862 heiratete Karl Ludwig in Venedig die sizilianische Prinzessin Maria Annunziata, eine Bourbonin.8 Ihr Vater war König Ferdinand II. von Neapel und Sizilien, der auch den Titel eines Herzogs von Parma, Piacenza und Castro sowie den eines Erbgroßherzogs von Toskana führte. Der zunächst eher liberal gesinnte Kö­nig ließ 1848/1849 die Aufstandsbewegung in seinem Reich brutal niederkar­tätschen, was ihm den Spottnamen „Re Bomba" eintrug. 1859 starb er an den Folgen eines auf ihn verübten Attentats. Zwei Jahre später wurden die Bour-bonen aus Neapel vertrieben und gingen nach Rom ins Exil.9

Karl Ludwig und seine Gemahlin trafen am 18. April 1863 in Graz ein, stiegen im Hotel Elephant ab und besichtigten den für sie gemieteten ersten Stock des Hauses Sackstraße 18, der ihr zukünftiges Domizil werden sollte.10

4 W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 52 f. 5 E. F e i g l (Hg.), Kaiser Karl, Persönliche Aufzeichnungen, Zeugnisse und Dokumente, 14. S. 26. 1984. S. 26 6 R. K i s z l i n g , Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este. Leben, Pläne und Wir­

ken am Schicksalsweg der Donaumonarchie. 1953, S. 10. 7 Vgl. A i c h e l b u r g , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 18. 8 Vgl. H o 11 e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 27. 9 Vgl. W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 53; A . S c h u s s e r , Der

Thronfolger. In: Kaiser Franz Joseph von Österreich, oder: Der Verfall eines Prinzips. Ausstel­lungskatalog (Hist. Museum der Stadt Wien). 1980, S. 213.

10 Vgl. „Grazer Zeitung (Abendblatt), Nr. 88, Montag den 20. April 1863", Rubrik „Ange­kommene in Graz"; das Holel befand sich am Südtirolerplatz Nr. 13; vgl. F . P o p e l k a , Geschichte der Stadt Graz, Bd. II, mit dem Häuser- und Gassenbuch der Vorstädte am rechten Murufer von H. Pirchegger. 1935, Neudr. 1960, 1984, S. 802.

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Der Erzherzog empfing auch den Statthalter Graf Strassoldo und reiste nach Wien weiter, wo zu Ehren seiner Frau ein „Hof-Diner" stattfand, „an wel­chem auch die sämtlichen Mitglieder der Kaiserlichen Familie" teilnahmen.11

Warum sich die erzherzoglichc Familie gerade in Graz niederließ, ist nicht ganz geklärt. Nach Friedrich Weißensteincr erkannte die Mutter Karl Lud­wigs, Erzherzogin Sophie, daß Maria Annunziata an Lungentuberkulose litt. Deshalb schlug sie dem Paar wegen des milden Klimas vorerst einen Aufent­halt in Görz vor.12 Und auch laut Rudolf Kiszling zog man, „um die zarte Südländerin . . . allmählich an das rauhere Alpenklima zu gewöhnen, in die Kurstadt Görz".Li Der Erzherzogin schien es in Görz jedoch nicht zu gefallen. Karl Ludwig gab ihrem Wunsch nach einem Ortswechsel nach. Erzherzogin Sophie, unter deren starkem Einfluß Karl Ludwig (wie seine Brüder Franz Joseph und Ferdinand Max) stand, soll sich nunmehr für Graz entschieden haben.11

Graz zählte damals rund 80.000 Einwohner, war eine Stadt mit einer hohen Überalterung und einer noch sehr traditionellen Wirtschaftsstruktur.15 Graz galt als die Pensionistenstadt hoher Beamter und Militärs, bot auf gesell­schaftlichem und kulturellem Gebiet genug Zerstreuung und „befriedigte dennoch das Bedürfnis" Karl Ludwigs „nach einem idyllischen Leben".16

Karl Ludwig war nicht das einzige Mitglied des Herrscherhauses, das in Graz wohnte. Von 1863 bis 1866 lebte auch Erzherzog Heinrich (1828—1891) hier — in der 1867 nach ihm benannten Heinrichstraße.1'

Nach der „Grazer Zeitung" vom 7. August 1863 schritt die „Herstellung der für Se. K.K. Hoheit Erzherzog Ludwig im Konrad'schen Hause im I. Stock bestimmten Appartements . . . rüstig vorwärts".18 In den auf fünf Jahre gemieteten Räumlichkeiten wurde ein neuer Ofen gesetzt, eine neue Stiege angebracht, und in der „ebenerdigen" Küche wurden Neuerungen vorgenommen.19 Ende Oktober war die Wohnung bezugsfertig. Das erzher­zogliche Paar traf am 31. Oktober in Graz ein:

11 „Grazer Zeitung" (Morgenblatt), Nr. 92. Freitag den 24. April 1863 (o. S.). 12 Vgl. W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 54. 13 K i s z l i n g , Franz Ferdinand (wie Anm. 6), S. 9. 14 Vgl. W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 54; über den Einfluß Sophies

auf ihre Söhne vgl. W . M. J o h n s t o n , Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte. Gesellschaft und Ideen im Donauraum, 1848 bis 1938. 1974, S. 49.

15 Vgl. W . A . H u b b a r d , Wirtschaftliches Wachstum und sozialer Wandel in Graz, 1850—1914. In: 850 Jahre Graz, 1128—1978. Festschrift. Im Auftrag der Stadt Graz hgg. v. W. Steinbock. 1978, S. 388; W . F e 1 b e r , Der Wandel der Sozialstruktur. Charakteristika und Tendenzen der Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung in der Gründerzeit. In: Stadterweite­rung von Graz. Gründerzeit. Gesamtredaktion S. Dimitriou (Publikationsreihe des Grazer Stadt-muscums, Bd. II, hgg. v. W. Steinbück). 1979, S. 76.

"' W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1). S. 54; zur Pensionistenstadt des Militärs vgl. F . W . K o s c h , Stadt der Generale — Graz in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts. In: ZHVSt. 64/1973, S. 17^46 .

17 Vgl. F . W . K o s c h , Zur Geschichte der Grazer Heinrichstraße. In: BllHk. 41/1967, S. 96—100: nach Karl Ludwig wurde bereits 1860 der heutige Opernring benannt; vgl. T . A r ­b e i t e r und F . G a d o 11 a , Die Straßen, Gassen und Plätze der Landeshauptstadt Graz. 1912, S. 27.

18 „Grazer Zeitung (Morgenblatt), Nr. 178, Freitag den 7. August 1863" (o. S.). " Vgl. Stadtarchiv Graz, Häuserregistratur, Hausakt: Sackstraße 18 (ZI. 14.401/3/1863),

Fol. 1.

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„Die Ankunft Sr. Kaiserl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Carl Ludwig und Höchstdessen Frau Gemahlin erfolgte heute Mittag um 12 Ehr 13 Min. Zum Empfange haben sich Se. K. Höh. der Hr. Erzherzog Heinrich, Se. Exe. der Hr. Statthalter Graf Strasoldo, Se. Exe. der Hr. Truppencommandant Baron Handl, Se. Exe. der Hr. Oberlandesgerichts-Präsident Graf Mitrowsky und die Chefs sämmtlicher K.K. Behörden, Se. fürstbischöfliche Gnaden, Graf Attems, Se. Excellenz der Herr Landeshauptmann Graf von Gleispach, der Herr Bürgermeister Ritter von Franek, Se. Magnifizenz der Herr Rector der Universität und die Vertreter anderer Körperschaften am Bahnhofe in der Halle eingefunden, woselbst auch eine Compagnie der K.K. Garnison und eine Bürger-Grenadier-Compagnie mit Fahnen und Musikkapellen aufgestellt waren. Letztere stimmten bei der Ankunft die Volkshymne an und das am Bahnhof zahlreich harrende Publikum brachte laute Hochs aus. Se. Kais. Hoheit geruhten sich sämmtliche Autoritäten durch Se. Exe. dem Herrn Statthalter vorstellen zu lassen und die Ehrencompagnien zu inspiciren, wor­auf Höchstdieselben sich zu Wagen in das eingerichtete Palais begaben."20

In dem Palais in der Sackstraße wohnte der Erzherzog mit seinem Gefolge nicht alleine. Die Volkszählungsliste des Jahres 1866 nennl als weitere Mieter: den „K.K. Staats-Anwalts-Substitut" Johann Schmidinger mit Familie, den Redakteur Julius Seeliger mit Familie, den Schneider Carl Wilhelm mit Gattin sowie den Lohnkutscher Josef Hackl.21

Einige Tage nach der Ankunft, am 3. November, feierte das Grazer Bürger­korps den Namenstag des Erzherzogs mit einem Fackelzug, an dem über 200 Fackelträger teilnahmen.22

Am 5. November trafen mit dem „Wiener Schnellzuge . . . Ihre Majestät die Königin Witwe von Neapel, Maria Theresia, in Begleitung ihrer Familie und Sr. Kaiserl. Hoheit, des Herrn Erzherzogs Albrecht von Wien zum Besu­che" des erzherzoglichen Paares in Graz ein und kehrten noch am selben Tage mit. dem „Triester Schnellzuge" nach Wien zurück.23

Weißensteiner ist zuzustimmen, wenn er meint, Karl Ludwig habe sich in Graz gleich wohl gefühlt und er habe regen Anteil am Leben der Stadt genommen.24 So besuchte er beispielsweise bereits in den ersten Wochen das Museum Joanneum und das Atelier des Steinmetzmeisters Karl Hinterleit-ncr.25

Erzherzogin Maria Annunziata war seit Monaten in anderen Umständen. Daher ließ Karl Ludwig „in Rücksicht auf den Gesundheitszustand seiner Gemahlin vom Schloßberg aus in sein Palais . . . einen Telcgraphendraht legen . . . um beim Ausbrechen eines Schadfeuers noch vor dem Lösen der Kanonenschüsse avisin zu werden", denn von der sogenannten Alarmbastei auf dem Schloßberg wurden Brände in der Stadt durch Kanonenschüsse

211 „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung), Nr. 27, Samstag den 31. October 1863" (o. S.).

21 Vgl. Stadtarchiv Graz, Volkszählung 1866. Viertel Landhaus, H. Nr. 247 (Sackstraße 18). 22 Vgl. „Grazer Abendpost (Beilage zur Grazer Zeitung), Nr. 29, Dienstag den 3. November

1863" (o. S.). 2i „Grazer Zeitung (Morgenblatt), Nr. 254. Freitag den 6. November 1863" (o. S.). 24 Vgl. W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1). S. 54. 25 Vgl. „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung). Nr. 47, Dienstag den 24. November

1863 u. Nr. 50, Freitag den 27. November 1863" (o. S.).

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Geburtshaus Erzherzog Franz Ferdinands, Sackstraße 18. heute Grazer Stadtmuseum. Aquarell, um 1876. Schloß Artstetten/NÖ.

angezeigt.20 Weiters wurde in den Tagen vor der Niederkunft der Erzherzogin die Sackstraße mit Stroh bedeckt, um jedes Geräusch zu dämpfen.27 Am 18. Dezember 1863 meldete die „Grazer Abendpost": „Ihre Kaiserl. Hoheit die Frau Erzherzogin Maria Annunziata wurde heute morgen 7 Uhr glücklich von einem Prinzen entbunden. Das Befinden der durchlauchtigsten Frau und

26 ..Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung), Nr. 35, Dienstag den 10. November 1863" (o. S.). über die Alarmbastei vgl.: Die Stadt Graz, ihre kulturelle, bauliche, soziale und wirt­schaftliche Entwicklung in den letzten sechzig Jahren nebst kurzen geschichtlichen Rückblicken. Hgg. aus Anlaß der Achthundertjahrfeier 1128 1928, S. 237; G. M. D i e n e s . Zur Ge­schichte der Kanonenbastei. In: Kleine Zeitung, 1979 XI 6, S. 15.

7 Vgl. K . K a p p e r , Das Geburtshaus des Thronfolgers. Beiträge zur Grazer Orts­geschichte. In: Tagespost, 1913 XII 20.

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des neugeborenen Erzherzogs sind den Umständen angemessen."28 Weiters wird berichtet: „Heute Mittag traf anläßlich dieses Ereignisses mit Separatzug Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Erzherzogin Sophie im strengsten Incognito hier ein . . . Se. Kais. Hoheit der Erzherzog Carl Ludwig hat dem Viertelamte Landhaus den Geldbetrag von 80 fl. zum Holzankaufe für die Armen dieses Viertels gespendet."2<)

Noch am selben Tag begab sich eine Delegation unter der Führung von Bürgermeister Moritz Ritter von Franek zum Erzherzog, „um die Glückwün­sche der hiesigen Bevölkerung zu dem freudigen Ereignisse . . . darzubringen. Die Deputation wurde auf das huldvollste aufgenommen und erhielt aus dem Munde Sr. Kais. Hoheit die angenehme Versicherung, daß höchstderselbc den Aufenthalt in Graz bereits sehr liebgewonnen habe."30 Um Mitternacht trafen Vater und Bruder Karl Ludwigs, die Erzherzöge Franz Karl und Ferdi­nand Max (der spätere Kaiser von Mexiko), mit einem Sonderzug in Graz ein.31

Am 19. Dezember und nicht, wie bei Weißensteiner angeführt, am 18. fand im Palais die Taufe statt.32 Die „Grazer Zeitung" berichtet darüber: „Die Taufe des neugeborenen Sohnes Sr. Kaiserl. Hoheit des Herrn Erzherzogs Carl Ludwig wurde gestern Nachmittag nach 3 Uhr durch den hochwürdigen Herrn Fürstbischof von Seckau, Grafen Attems, unter Assistenz von vier Domherren, des Domdcchanten Dr. Bückinger, des Herrn Domcustos Schachner und zahlreicher Geistlichkeit in feierlichster Weise vorgenommen. Die kirchliche Handlung fand in Gegenwart Ihrer kaiserlichen Hoheiten der Frau Erzherzogin Sophie, der Herren Erzherzoge Franz Carl, Carl Ludwig, Ferdinand Max, Heinrich und Se. königl. Hoheit des Grafen von Girgenti statt. . . . Der neugeborene Erzherzog wurde während der h. Handlung von Sr. Excellenz dem Herrn GM und Obersthofmeister Sr. Kais. Hoheit des Hrn. Erzherzogs Carl Ludwig Baron Hornstein gehalten. . . . Unter den geladenen Gästen befanden sich: Ihre Excellenzen der Herr Statthalter Graf Strasoldo und dessen Frau Gemahlin, der Herr Truppen-Commandant FML. Baron Handl, der Herr Oberlandesgerichts-Präsidcnt Graf Mittrowsky, der Herr Landeshauptmann Graf Gleispach und die Herren: Graf Welsersheimb, Baron Buol, Graf Erdödy, Graf Anton Auersperg, General der Kavallerie Ritter v. Legeditsch, FML. Baron Herzingcr und die Gräfin Meran."33 Die Gräfin Meran war die Witwe Erzherzog Johanns, Anna Plochl, die 1834 den Titel einer Freiin von Brandhofen erhalten hatte und im Jahre 1850 zur Gräfin Meran erhoben worden war.31

In den Taufmatriken der Grazer Stadtpfarrkirche findet sich folgende Eintragung:

28 Die Taufmatriken der Grazer Stadtpfarrkirche von 1863, Bd. XXI. Pag. 295, lfde. Zahl 265 nennt als Zeit der Geburt 7.15 Uhr.

29 „Grazer Abendpost (Beilage zur Grazer Zeitung). Nr. 67, Freitag den 18. Dee. 1863" (o. S.). 30 „Grazer Zeitung (Morgenblatt), Nr. 290, Samstag den 19. December 1863" (o. S.). 3' Ebd. 32 Vgl. W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 56. 31 „Grazer Zeitung (Morgenblatt), Nr. 291, Sonntag den 20. December 1863" (o. S.). 34 Vgl. G e r t r u d e S m o l a , Über Leben und Wesen des Erzherzogs. In: Erzherzog Johann

von Österreich. Beiträge zur Geschichte seiner Zeit. hgg. v. Grete Klingenstein unter Mitarbeit v. P. Gordes. 1982, S. 373.

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Gehurt: 18. (achtzehnten) Dezember, 7'A Uhr morgens. Taufe: 19., 3 Uhr nachmittags. Ort: 1. Sack, Nr. 247. Name des Kindes: Franziskus, Fcrdinandus, Karolus, Ludovikus, Josefus, Maria (MännL), r. kath. Vater: Seine kaiserliche u. königl. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzher­zog Karl Ludwig Josef Maria, Ritter d. gold. Vließ, ec. ec. ec, FML., Inh. d. Ulanenreg. Nr. 7, Chei des kaiserlichen russischen 4. Lubowschen Husarenre­giments ec. ec. ec. Mutter: Ihre kaiserliche und königliche Hoheit Frau Erzherzogin Maria An­nunziata Isahella Philomena, Tochter weiland Sr. Majestät Ferdinand IL, Königs beider Sizilien. Pate: Franz Karl, Erzherzog von Osterreich. Täufer: Ottokar Maria Graf Attems, Fürstbischof in Seckau. Hebamme: Bar. Gruber, K.K. Hofhebamme.^

Am Sonntag, dem 20. Dezember, übergab Erzherzog Karl Ludwig dem Grazer Bürgermeister „aus Anlaß des glücklichen Ereignisses . . . den Betrag von 500 Gulden zur Vertheilung unter Arme der Stadt Graz".30 Einen Tag später traf Charlotte von Belgien, die Gattin Erzherzog Ferdinand Max', in Graz ein.37 Charlotte, die mit ihrem Gefolge aus Triest kam, stieg im Hotel „Erzherzog Johann" in der Sackstraße ab, das nunmehr das Grand-Hotel „Elephant" für kurze Zeit in den Zeitungsrubriken „Angekommen in Graz" von der ersten Stelle verdrängte.38 Am Mittwoch, dem 23. Dezember, verlie­ßen Erzherzog Ferdinand Max, seine Gemahlin sowie Erzherzog Ernst Graz in Richtung Triest.39 Am nächsten Tag überreichte Erzherzog Karl, der Tauf­pate Franz Ferdinands, dem Statthalter der Steiermark 300 Gulden für die Armen, um dann mit „Separatzug" nach Wien zu reisen; seine Frau spendete 200 Gulden.»

Am Heiligen Abend ließ Erzherzog Karl Ludwig „in seinen Appartements für arme Kinder einen Christbaum aufstellen. Herr Viertelmeister Pichler hatte es übernommen, vier dieser Festlichkeit würdige Knaben und ebenso viele Mädchen aus dem Viertel Landhaus zu bestimmen. Diese wurden von ihm in Begleitung ihrer Eltern zur bestimmten Stunde in das erzherzogliche Palais geführt. Ein großer, reichbehängter, hellbeleuchteter Christbaum überraschte die Kinder, mit welchen sich Se. Kaiserl. Hoheit auf das Freund­lichste unterhielt. Die Mädchen erhielten sogar Einlaß zu Ihrer Kaiserl. Ho­heit der Frau Erzherzogin Annunciata. Nachdem die Kinder die Früchte von

35 Vgl. Taufmatriken der Grazer Stadtpfarrkirche, wie Anm. 28. 36 „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung), Nr. 69, Montag den 21. December 1863"

(o. S.). 37 Vgl. „Grazer Zeitung (Morgenblatt), Nr. 292, Dienstag den 22. December 1863" (o. S.);

über Charlotte vgl. A i c h e l b u r g , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 14. 38 Vgl. „Grazer Zeitung (Morgcnblatt), Nr. 292, Dienstag den 22. December 1863" (o. S.);

über das Hotel Erzherzog Johann vgl. Stadtmuscum Graz, Nachlaß E. Andorfer sub Sackstraße 3; dazu: Grazer Gastlichkeit. Beiträge zur Geschichte des Beherbergungs- und Gastgewerbes in Graz (Publikationsreihe des Crazer Stadtmuseums 4). 1985, S. 66 ff„ 244.

M Vgl. „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung), Nr. 71, Mittwoch den 23. December 1863" (o. S.).

40 Vgl. „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung), Nr. 72, Donnerstag den 24. Decem­ber 1863" (o. S.).

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dem Baume abgenommen hatten, erhielt jedes als Weihnachts Geschenk eine vollständige Bekleidung. Beglückt und dankend verließen Eltern und Kinder den hohen Geber."41 Nach den Weihnachtsfeiertagen verließ auch Erzherzo­gin Sophie am 29. Dezember Graz.12

Die nächsten Jahre lebte der Erzherzog mit seiner Familie — abgesehen von den Sommermonaten, die man in Artstetten oder in Reichenau ver­brachte — vornehmlich in Graz.15 Karl Ludwig mischte sich unter die Leute, protegierte Veteranenvereine sowie seit 1865 den Grazer Kunstverein „und hielt zu verschiedenen Gelegenheiten nichtssagende Reden".u Auch seine Eltern waren öfters in Graz auf Besuch. So etwa auch 1865, als sie unter anderem den Ursprung in Andritz besichtigten.45 In Graz wurde auch der zweite Sohn Karl Ludwigs, Erzherzog Otto, geboren (21. April 1865).^

„Nach einigen Jahren (spieß-)bürgerlichen Lebens, wie es ihr schien, hatte Maria Annunciata von Graz genug. Sie wollte mit der ganzen Familie nach Wien übersiedeln."47 Karl Ludwig mußte sich fügen. Im Frühjahr 1866 übersiedelte die Familie nach Wien und bezog ein Palais in der Favoriten­straße. m

Ausgenommen seine ersten Lebensjahre verband Erzherzog Franz Ferdi­nand nur wenig mit Graz: Von 1901 bis 1914 war er Protektor des Grazer Bürgerkorps, dessen ..Korpsinhaber" er 1911 wurde.w Der Leiter der Pressc-abteilung seiner Militärkanzlei im Wiener Belvedere, Dr. Friedrich Funder, kam aus Graz sowie Oberst Carl Bardolff, der langjährige Chef dieser Kanz­lei.30

Anläßlieh der Besichtigung des Grazer Korps im Jahre 1901 lernte der Erzherzog Franz Conrad von Hötzendorff, der die Triester Brigade befehligte, kennen. Conrad gefiel Franz Ferdinand „auffallend gut" und wurde in der Folge von ihm protegiert.1' Sonst kannte der Erzherzog-Thronfolger Graz nur als Durchgangsstation auf seinen Reisen nach dem Süden. Durchzugsstation war Graz für Franz Ferdinand auch auf seiner letzten Fahrt, als der Sonderzug mit seiner und der Leiche seiner Gattin, der Herzogin von Hohenberg, Graz passierte.

41 „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung), Nr. 73, Montag den 28. December 1863" (o. S.).

42 „Grazer Abendpost (Beilage der Grazer Zeitung). Nr. 74, Dienstag den 29. December 1863" (o. S.).

43 Vgl. A i e h e l b u r g , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 27. 44 W e i ß e n s t e i n e r . Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 54; auch A i e h e l b u r g , Franz

Ferdinand (wie Anm. 1). S. 18; vgl. auch E . V aj d a , Was alte Grazer Häuser erzählen . . . Wo Napoleon Quartier nahm. Von Kepler bis Erzherzog Franz Ferdinand. In: Kleine Zeitung. 1954 I 3.

45 Vgl. H . v. d . S a n n , Andritz und Umgebung. 1882. S. 57. 46 Vgl. H o l l e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1). S. 27. 47 W e i ß e n s t e i n e r , Franz Ferdinand (wie Anm. 1), S. 57. 48 Vgl. K i s z l i n g , Franz Ferdinand (wie Anm. 6). S. 9; A i e h e l b u r g , Franz Ferdinand

(wie Anm. 1), S. 7. 49 Vgl. G . M a r a u s c h e k , Das Grazer Bürgerkorps. In: Das Grazer Bürgerkorps (Veröff.

des Landeszeughauses Graz 8). 1978, S. 49. 50 Vgl. C . v . B a r d o l f f . Soldat im alten Österreich. Erinnerungen aus meinem Leben.

1938, S. 123: über die Militärkanzlei vgl. R . E g g e r , Die Militärkanzlei des Erzherzog-Thron­folgers Franz Ferdinand und ihr Archiv im Kriegsarchiv Wien. In: MÖSTA 28/1975, S. 141 bis 162; auch F . F u n d e r . Vom Gestern ins Heute. 1971s.

51 K i s z l i n g , Franz Ferdinand (wie Anm. 6), S. 89 f.

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