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4/2019 ONKOLOGIE heute 5 GAST-EDITORIAL Liebe Kolleginnen und Kollegen, Patienten mit Sarkomen sind in Deutschland über Jahrzehnte mit fehlenden Versorgungsstrukturen konfrontiert gewesen. Hier hat 2019 eine neue Ära begonnen: Im März sind die ersten fünf Sarkom- zentren in Deutschland durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert worden. In einer ge- meinsamen Anstrengung von Ex- perten, Patientenvertretern (Das Lebenshaus, Deutsche Sarkomstif- tung) und der DKG wurden Zertifi- zierungsvorraussetzungen erarbei- tet und Qualitätsstandards defi- niert. Fachexperten wurden zu Au- ditoren ausgebildet und die ersten Audits erfolgreich absolviert. Die ersten Erfahrungen zeigen – Zentren funktionieren dann, wenn Experten sich auf das Thema fokus- sieren können, wenn Betreuung nicht „nebenbei“ erfolgt. Hierzu benötigt es der Unterstützung von Klinikleitungen und Fakultäten, die nachhaltige, am Thema orientierte Strukturen fördern. Das Sarkom- zentrum in Essen kann hier als Blau- pause dienen – genau diese Unter- stützung hat den Aufbau eines der größten Zentren in Europa ermög- licht. Aber auch diagnostisch und the- rapeutisch bewegt sich viel. Die Ökonomisierung von Hochdurch- satz-Sequenzierungen hat auch bei Sarkomen zu einer deutlichen Verbesserung der Diagnostik aber auch zu einem immensen Erkennt- nisgewinn beigetragen. Eine Viel- zahl genetisch klar definierter Sub- typen lassen eine immer passge- nauere, personalisierte Therapie zu. Allerdings setzt dies eine immer höhere technische und fachliche Expertise in der Pathologie voraus, die nur an wenigen Standorten vorgehalten werden kann. Den- noch: Referenzpathologie lohnt sich – für jeden Patienten. Innovationen im Bereich der ope- rativen Fächer erlauben immer bes- sere Funktionen trotz ungünstiger anatomischer Lokalisationen. Da- zu zählen Metallimplantate aus dem 3D-Drucker, mitwachsende Prothesen für Kinder, plastische Eingriffe mit freien Transplantaten aber auch immer bessere Pro- thesen, sollte eine Extremität nicht erhalten werden können. Hohe Fallzahlen im chirurgischen Bereich korrelieren in fast allen Studien mit einem signifikant besserem Out- come. Hochfokussierte Strahlen- therapie-Techniken helfen, Spät- folgen zu minimieren und die loka- le Tumorkontrolle zu verbessern. Hier bin ich zuversichtlich, dass die gerade angestoßenen Entwicklun- gen die Versorgung in Deutschland in den nächsten Jahren nachhaltig verbessern wird! Ich hoffe, die kurzen Übersichten in der aktuellen Ausgabe von ONKO- LOGIE heute helfen Ihnen, sich hier einen hilfreichen Überblick zu ver- schaffen! Herzlichst, Ihr Sebastian Bauer Translationale Onkologie Schwerpunkt Personalisierte Tumortherapie Sarkome/GIST, Phase I Universitätsklinikum Essen Es bewegt sich etwas!

Es bewegt sich etwas! - WTZ Essen · 2019. 5. 17. · Pseudarthrosen, Frakturen und In-fektionen [5]. Durch eine Kombina-tion von Allo- und Autograft wird eine bessere Primärstabilität

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  • 4/2019 ONKOLOGIE heute

    5GAST-EDITORIAL

    Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    Patienten mit Sarkomen sind inDeutschland über Jahrzehnte mitfehlenden Versorgungsstrukturenkonfrontiert gewesen. Hier hat2019 eine neue Ära begonnen: ImMärz sind die ersten fünf Sarkom-zentren in Deutschland durch dieDeutsche Krebsgesellschaft (DKG)zertifiziert worden. In einer ge-meinsamen Anstrengung von Ex-perten, Patientenvertretern (DasLebenshaus, Deutsche Sarkomstif-tung) und der DKG wurden Zertifi-zierungsvorraussetzungen erarbei-tet und Qualitätsstandards defi-niert. Fachexperten wurden zu Au-ditoren ausgebildet und die erstenAudits erfolgreich absolviert.

    Die ersten Erfahrungen zeigen –Zentren funktionieren dann, wennExperten sich auf das Thema fokus-sieren können, wenn Betreuungnicht „nebenbei“ erfolgt. Hierzubenötigt es der Unterstützung vonKlinikleitungen und Fakultäten, dienachhaltige, am Thema orientierteStrukturen fördern. Das Sarkom-zentrum in Essen kann hier als Blau-pause dienen – genau diese Unter-

    stützung hat den Aufbau eines dergrößten Zentren in Europa ermög-licht.

    Aber auch diagnostisch und the-rapeutisch bewegt sich viel. DieÖkonomisierung von Hochdurch-satz-Sequenzierungen hat auchbei Sarkomen zu einer deutlichenVerbesserung der Diagnostik aberauch zu einem immensen Erkennt-nisgewinn beigetragen. Eine Viel-zahl genetisch klar definierter Sub-typen lassen eine immer passge-nauere, personalisierte Therapiezu. Allerdings setzt dies eine immerhöhere technische und fachlicheExpertise in der Pathologie voraus,die nur an wenigen Standortenvorgehalten werden kann. Den-noch: Referenzpathologie lohntsich – für jeden Patienten.

    Innovationen im Bereich der ope-rativenFächererlauben immerbes-sere Funktionen trotz ungünstigeranatomischer Lokalisationen. Da-zu zählen Metallimplantate ausdem 3D-Drucker, mitwachsendeProthesen für Kinder, plastischeEingriffe mit freien Transplantatenaber auch immer bessere Pro-

    thesen, sollte eine Extremität nichterhalten werden können. HoheFallzahlen imchirurgischenBereichkorrelieren in fast allen Studien miteinem signifikant besserem Out-come. Hochfokussierte Strahlen-therapie-Techniken helfen, Spät-folgen zu minimieren und die loka-le Tumorkontrolle zu verbessern.Hier bin ich zuversichtlich, dass diegerade angestoßenen Entwicklun-gen die Versorgung in Deutschlandin den nächsten Jahren nachhaltigverbessern wird!

    Ich hoffe, die kurzen Übersichten inder aktuellen Ausgabe von ONKO-LOGIE heute helfen Ihnen, sich hiereinen hilfreichen Überblick zu ver-schaffen!

    Herzlichst,

    IhrSebastian Bauer

    Translationale OnkologieSchwerpunkt PersonalisierteTumortherapieSarkome/GIST, Phase IUniversitätsklinikum Essen

    Es bewegt sich etwas!

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    16 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Primäre Knochensarkome sind mit ca. 600 Fällen pro Jahr in Deutschland selten. Neben einer eng abge-stimmten interdisziplinären Therapie mit insbesondere (Kinder-)Onkologen, Strahlentherapeuten, Pa-thologen und Radiologen stellen sie den behandelnden Tumororthopäden bezüglich Resektion undRekonstruktion nicht selten vor große Herausforderungen. Bei hochmalignen Knochensarkomen musseine weite Tumorresektion nach Enneking erfolgen [1]. Erfreulicherweise sind heutzutage Amputatio-nen oder die Durchführung einer Umdrehplastik die Ausnahme. Lediglich die Infiltration der Gefäß-Nerven-Straße und eine ausgeprägte Weichteilkomponente, die eine sinnvolle muskuläre Deckungoder Funktion unmöglich macht, stellen eine Amputationsindikation dar. Die Lokalrezidivrate nachextremitätenerhaltenden Operationsverfahren liegt je nach Entität und Ansprechen des Tumors aufeine möglicherweise neoadjuvant applizierte Chemotherapie bei ca. 5 %. Die operative Rekonstruk-tion erfolgt bei gelenknahen Defekten zumeist mithilfe modularer Tumorendoprothesen, welche beiKindern auch als Wachstumsprothesen zur Verfügung stehen. Diaphysäre Defekte können häufig bio-logisch (z. B. gefäßgestielte Fibula) rekonstruiert werden.

    Einteilung der onkologischenResektionsgrenzen

    Die Resektionsgrenzen werden inder Tumororthopädie nach Enne-king [1] in vier Gruppen eingeteilt:

    Bei der intraläsionalen Resektionerfolgt nur eine Tumorkürettagemit zumindest mikroskopisch insitu verbleibenden Tumorzellen. Inder Therapie der Knochensarkomespielt die Kürettage keine Rolle.

    Bei der marginalen Resektion er-folgt die Tumorentfernung entlangder Pseudokapsel des Tumors. Ein-zelne versprengt liegende Tumor-zellen aus der reaktiven Zone desTumors können somit in situ ver-bleiben.

    Bei der weiten Resektion erfolgteine Mitnahme der reaktiven Zone,indem der Tumor mitsamt einerSchicht gesunden Gewebes rese-ziert wird. Über den idealen quanti-tativen Sicherheitsabstand – sowohlossär als auch in den Weichteilen –in der Therapie von Knochen- und

    Weichteilsarkomen gibt es aller-dings keine gesicherten wissen-schaftlichen Angaben [2]. Sicher ist,dass auch die Qualität des Gewebes(Periost, Faszie, Fett etc.) bei der Be-urteilung des Resektionsrandes mitzu berücksichtigen ist.

    Eine Kompartmentresektion mit ei-ner radikalen Entfernung des vomTumor befallenen Kompartimentswird heute nur noch sehr seltendurchgeführt.

    Rekonstruktionsarten

    Bei der Defektrekonstruktion wer-den biologische (Auto- oder Allo-graft) von endoprothetischen Ver-fahren unterschieden. Welches Ver-fahren der behandelnde Chirurgwählt, hängt neben der persönli-chen Präferenz u. a. vom Alter desPatienten, der Lokalisation des Tu-mors und auch der Defektlänge ab.

    BiologischeRekonstruktionsverfahrenBei jüngeren Patienten wird häufigeineautologeFibulazurRekonstruk-

    tion diaphysärer Defekte I 10 cm an-gewendet. Bei größeren diaphysä-ren Defekten kann die Rekonstruk-tion mithilfe einer gefäßgestieltenFibula erfolgen. Hierzu wird die Fi-bula, einschließlich des versorgen-den Gefäßes, entnommen, in dendiaphysären Defekt eingebracht unddas nutritive Gefäß mikrochirurgischangeschlossen. Diese Art der Rekon-struktion eignet sich v. a. im Bereichder oberen Extremität, da hier gerin-gere mechanische Kräfte herrschen[3]. Im Bereich der unteren Extremi-tät muss die operierte Extremitätlängere Zeit entlastet werden. DasEinheilen kann gerade bei Notwen-digkeit einer Chemo- und insbeson-dere Strahlentherapie problema-tisch sein. Ein Versagen des Trans-plantats (Fraktur, Pseudarthrose) imBereich der unteren Extremität istnicht selten und mündet dann häu-fig nach mehrfachen Revisionsope-rationen in einer Rekonstruktion mit-hilfe einer Tumorendoprothese [4].

    Bei sehr jungen Patienten kann einegefäßgestielte Fibula auch zur Re-

    Tumororthopädische Behandlung von primärenKnochensarkomenMarkus Nottrott, Wiebke Guder, Lars Erik Podleska, Georg Täger, Arne Streitbürger, Jendrik Hardes

    Abteilung für Tumororthopädie und Sarkomchirurgie, Universitätsklinikum Essen

  • 17SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    konstruktion des proximalen Hu-merus oder proximalen Femur ver-wendet werden. Es kommt hier zueinem Remodelling der proximalenFibula, so dass sich im Verlauf einHumeruskopf bzw. Hüftkopf formt.Bei Durchführung einer autologenFibulatransplantation kann es häu-

    figer zu Problemen im Bereich derEntnahmestelle der Fibula kommen(donor-site morbidity) mit z. B. ei-ner Läsion des N. peronaeus mitSchwäche bis weitestgehender Läh-mung der entsprechenden Musku-latur sowie der Entwicklung vonKrallenzehen.

    Bei vorhandener, ausreichend gro-ßer Knochenbank stehen interka-lare und osteoartikuläre Allograftszur biologischen Rekonstruktion zurVerfügung. Hierbei handelt es sichum avitalen Knochen, der sich derneuen Umgebung und Belastungssi-tuation nicht anpassen kann. Häufigbeobachtete Komplikationen sindPseudarthrosen, Frakturen und In-fektionen [5]. Durch eine Kombina-tion von Allo- und Autograft wirdeine bessere Primärstabilität ge-währleistet und ein „remodelling“ermöglicht. Auch sind Kombinatio-nen aus einer Allograftversorgungund einer Endoprothese möglich(allograft-prosthesis composite). Ins-gesamt verlieren biologische Rekon-struktionen mit Allografts aber auf-grund der zuvor genannten Kompli-kationen an Bedeutung.

    TumorendoprothetikHeutzutage kommen modulare Re-konstruktionssysteme zum Einsatz,die zu Beginn der Ära der Tumor-endoprothetik (Mitte bis Ende der1970er Jahre) verwendeten, kun-denspezifisch angefertigten Pro-thesen nahezu vollständig ersetzthaben [6]. Mit den modernen mo-dularen Systemen können Defektenahezu jeden Ausmaßes mit einemguten funktionellen Ergebnis unterEinsparungvonZeitundRessourcenrekonstruiert werden [7].

    Die Rekonstruktionslänge kanndem jeweiligen Defekt angepasstwerden. Bei dem in der Abteilungfür Tumororthopädie und Sarkom-chirurgie des UniversitätsklinikumsEssen verwendeten Prothesensys-tem kann der Aufbau in 1-cm-Schritten erfolgen. Zudem ist eineAnpassung der Torsion der Pro-these in 5°-Schritten möglich.

    Bei diaphysärem Defekt − insbeson-dere bei älteren Patienten oder ei-ner langen Rekonstruktionsstrecke(siehe oben) − erfolgt die Rekon-

    B

    RR

    A

    Abb. 1A/B: Röntgenbilder des rechtenFemurs in zwei Ebenen. Nach Tumorre-sektion wurde eine modulare proximaleFemurendoprothese implantiert.

    A

    B

    L

    L

    Abb. 2A/B: Röntgenbilder des linken Humerus in zwei Ebenen. Nach Tumorresektionwurde eine modulare inverse Schulterendoprothese implantiert.

    BA

    R R

    Abb. 3A/B: Röntgenbilder d. rechten Knie-gelenks inzweiEbenen.NachTumorresek-tion der proximalen Tibia wurde eine mo-dulare Tumorendoprothese implantiert.

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    18 SCHWERPUNKT: SARKOME

    struktion mithilfe eines metallischenDiaphysenimplantats; hierbei wer-den die Schäfte in der proximalenund distalen Diaphyse des Restkno-chens verankert. Die Schaftveran-kerung erfolgt hierbei heutzutagein der Regel durch zementfreieSchäfte, die „pressfit“ im Knochenverankert werden. Eine zementier-te Verankerung kommt v. a. beiälteren Patienten zur Vermeidunglängerer Immobilisationsphasen undbei ausgeprägter Osteopenie, ge-planter postoperativer Bestrahlungoder schwieriger metadiaphysärerVerankerung zur Anwendung. Ne-ben der Rekonstruktion eines ein-zelnen Gelenkes kann auch der Er-satz eines ganzen Knochens erfol-gen (z. B. Totaler Femurersatz).

    Zur Refixation von Muskel- undSehnenansätzen kann ein Anbin-dungsschlauch aus nichtresorbier-barem Kunstgewebe angewandtwerden. Zur Prävention einer Luxa-tion nach endoprothetischem pro-ximalemFemur- (� Abb. 1A+B,S. 17)oder Humerusersatz (� Abb. 2A+B,S. 17) wird der Anbindungsschlauchan der Gelenkpfanne fixiert und an-schließend über die Prothese gezo-gen. Hierdurch wird die Ausbildungeiner Neokapsel auf dem Boden desKunstgewebes gefördert und diePrimärstabilität erhöht [8]. Bei einemproximalenTibia-Ersatz(� Abb. 3A+B,S. 17) kann der Streckapparat amAnbindungsschlauch refixiert wer-den, und nach Vernarbung ist eineaktive Streckung im Kniegelenkmöglich. Damit eine ausreichendemuskuläre Deckung der Prothesenach proximalem Tibia-Ersatz ge-währleistet ist, sollte regelhaft eineM.-gastrocnemius-Schwenklappen-Plastik durchgeführt werden, denneine suffiziente muskuläre De-ckung senkt das Risiko einer peri-prothetischen Infektion.

    Je nach Studie beträgt die 5- bis10-Jahresstandzeit der Tumorendo-

    prothesen heute zwischen 69 %und 90 % [6, 9, 10]. Die häufigstenKomplikationen stellen hierbei dieperiprothetische Infektion, dieSchaftlockerung und ein Versagendes Gelenkkopplungsmechanismusam Kniegelenk dar. Während me-chanische Komplikationen in derRegel operativ gut beherrschbarsind, stellt insbesondere die Infek-tion immer noch – bei vorherigemVersagen mehrfacher Wechselope-rationen – ein erhöhtes Risiko füreine sekundäre Amputation dar.

    Bei einem Kind müssen physischeBesonderheiten bedacht werden.Bei Tumoren im Bereich des Knie-gelenks muss das Restwachstum indie Planung einbezogen werden,da eine Prothesenimplantation vorBeendigung des Längenwachstumsdurch Entfernung oder Zerstörungder Epiphysenfuge zu einer Bein-längendifferenz führt. Es sollteüberlegt werden, ob die resultie-rende Beinlängendifferenz akzep-tiert und durch Schuhsohlenerhö-hung ausgeglichen werden kann.Je nach Alter des Patienten kann

    bei einer zu erwartenden Beinlän-gendifferenz bis zu etwa 3–4 cmdie kontralaterale Extremität mit-hilfe einer Epiphyseodese angehal-ten werden. Bei einer deutlicherenBeinlängendifferenz kommen heut-zutage oftmals sog. Wachstums-prothesen zum Einsatz.

    Wachstumsprothesen bei Kindernund JugendlichenWährend modulare Tumorendo-prothesen beim Erwachsenen denGoldstandard darstellen, kann diesnicht auf Kinder übertragen wer-den. Sogenannte „Service“-Ope-rationen sind bis zum Beinlängen-ausgleich zu mehreren Zeitpunk-ten notwendig. Auch aufgrundder häufig eingeschränkten Fähig-keit zur suffizienten Rehabilita-tion bei insbesondere ängstlichenKindern können schlechtere funk-tionelle Ergebnisse resultieren.

    Die aktuell zur Verfügung stehen-den Wachstumsprothesen verschie-dener Hersteller können transkutandurch einen Federmechanismus oderüber einen kleinen Elektromotor

    R

    Abb. 4: Röntgenbild des Beckens einer Patientin nach interner linksseitiger Hemipelv-ektomie und Hüftverschiebeplastik.

  • 19SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    verlängert werden. Durch einen sub-kutan gelegenen Transmitter kannmithilfe von elektromagnetischenWellen transkutan die Energie zumAusfahren des Motors übertragenwerden. So können eine kontinuier-liche Verlängerung der Prothese von1 mm/Tag am Oberschenkel und0,8 mm/Tag am Unterschenkel er-reicht werden. Je nach Modell isteine Gesamtverlängerung bis zu10 cm möglich.

    UmdrehplastikDie Umdrehplastik wurde in den1970er Jahren als Alternative zurOberschenkelamputationvonSalzereingeführt. Dieses Verfahren kannbei Tumoren im Bereich des Ober-schenkels eingesetzt werden. Dertumorbefallene Anteil des Ober-schenkels wird unter Erhalt des N.ischiadicusentfernt,derUnterschen-kel um 180° gedreht und mit demFuß nach hinten zeigend mit demrestlichen proximalen Femur osteo-synthetisch verbunden. Durch denvollständigen Erhalt des N. ischia-dicus werden Phantomschmerzenunterbunden. Das obere Sprungge-lenk dient als „Neokniegelenk“; diesentspricht funktionell einer Unter-schenkelamputation. Bei Notwen-digkeit der Resektion des komplet-ten Femurs kann bei Kindern bis zum10. Lebensjahr das Tibiaplateau indas Acetabulum eingestellt werden.Unter Belastung formt es sich auf-grund der Plastizität des kindlichenKnochens zu einem „Neohüftkopf“um. Die Umdrehplastik wird v. a. beikleinen Kindern angewendet, beidenen aufgrund der Größenverhält-nisse und des zu erwartenden Rest-wachstums keine endoprothetischeVersorgung möglich ist. Bei großerTumorausdehnung mit Verlust derumgebenden Muskulatur ist dieUmdrehplastik ein alternatives Ver-fahren. Des Weiteren kann sie nachgescheitertem Extremitätenerhalteine Alternative zur Amputationdarstellen. Die funktionellen Ergeb-

    nisse nach Umdrehplastik sind sehrgut, trotzdem kann die Umdreh-plastik aufgrund ihres äußeren Er-scheinungsbildes problematisch seinund bei Patienten sowie Eltern aufAblehnung stoßen.

    HemipelvektomieEine weite Tumorresektion ist auchbei einer Lokalisation im Beckengrundsätzlich möglich. Abhängigvon der genauen Lokalisation desTumors stehen verschiedene Metho-den der sog Hemipelvektomie zurVerfügung. Bei Erhalt der unterenExtremität, spricht man von einer„internen Hemipelvektomie“, beiVerlust der Extremität von einer „ex-ternen Hemipelvektomie“. Eine „ex-terne“ bedeutet im Vergleich zur„internen Hemipelvektomie“ häufigkeine Erweiterung des Resektions-randes, da die limitierende Tumor-komponente meist beckeninnen-seitig sitzt.

    Eine Hemipelvektomie geht miteiner hohen Morbidität und erheb-licher Mutilation mit konsekutiverFunktionseinschränkung einher.Bei einer internen Hemipelvekto-mie kann zum Extremitätenerhalteine Hüftverschiebeplastik durch-geführt werden (� Abb. 4). Dabeiwird das proximale Femur demrestlichen Os ilium oder Os sacrumunterstellt [11, 12]. Mithilfe einesAnbindungsschlauchs kann eineNeokapsel geformt und über einenFadenanker am restlichen Becken-knochen fixiert werden [8]. Auf-grund eines oftmals resultierendenTrendelenburg-Hinkens be- nutzenviele Patienten einen Gehstock aufder gesunden Seite. Aufgrund derausgeprägten Morbidität und desstark mutilierenden Charakterssollte aus Sicht der Autoren dieIndikation zur Hemipelvektomieimmer durch ein Referenzzentrumgestellt werden.

    Extremitätenerhaltende Verfahren haben heute einen festen Stellen-wert in der Tumororthopädie. Bei der Mehrzahl der Patienten, die aneinem malignen Knochentumor erkranken, kann eine extremitäten-erhaltende Operation durchgeführt werden. Die Wahl des geeignetenRekonstruktionsverfahrens hängt sowohl von der Lokalisation undAusdehnung des Defekts als auch von Alter und Konstitution des Pa-tienten ab. Grundsätzlich stehen biologische und endoprothetischeRekonstruktionsverfahren zur Verfügung. Die operative Rekonstruk-tion erfolgt mithilfe modularer Tumorendoprothesen. Immer geht dieweite Resektion des Tumors voraus. Ablative Verfahren wie Amputa-tion oder Umdrehplastik sind heute nur noch bei einer Infiltration derGefäß-Nerven-Straße und einer großen Weichteilkomponente mit derUnmöglichkeit der suffizienten Deckung der Prothese indiziert. Nahe-zu jedes Gelenk und sogar ganze Knochen (totales Femur oder totalerHumerus) können mit gutem funktionellem Ergebnis durch modulareTumorendoprothesen rekonstruiert werden. Schwerwiegende Kom-plikationen nach endoprothetischer Versorgung sind das Lokalrezidiv(1–9 %), die periprothetische Infektion (5–36 %) und die aseptischeSchaftlockerung (5–27 %).

    Schlüsselwörter:Rekonstruktive Operationsverfahren – Knochentumor – modulareProthese – Resektionsgrenzen

    Zusammenfassung

  • 20 SCHWERPUNKT: SARKOME

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    Fazit

    Die Wahl des geeigneten Rekon-struktionsverfahrens hängt sowohlvon der Lokalisation und Ausdeh-nung des Defekts als auch von Alterund Konstitution des Patienten ab.Grundsätzlich stehen biologischeund endoprothetische Rekonstruk-tionsverfahren zur Verfügung. Ins-gesamt verlieren biologische Re-konstruktionen mit Allografts aberaufgrund der mit ihnen einherge-henden Komplikationen an Bedeu-tung. Mit modernen modularenProthesen-Systemen können Defek-te nahezu jeden Ausmaßes mit gu-tem funktionellem Ergebnis unterEinsparungvonZeitundRessourcenrekonstruiert werden. Während mo-dulare Tumorendoprothesen beimErwachsenen den Goldstandard dar-stellen, können diese bei noch imWachstum befindlichen Kindernaufgrund der resultierenden Bein-längendifferenzundderhäufigein-geschränkten Fähigkeit zur suffizi-enten Rehabilitation in schlechte-ren Ergebnissen resultieren. Hiersind biologische Rekonstruktionenoder gegebenenfalls Wachstums-prothesen vorzuziehen.

    Literatur:1. Enneking WF, Spanier SS, Goodman

    MA. A system for the surgical stagingof musculoskeletal sarcoma. ClinOrthop Relat Res 1980; 153: 4–18

    2. Andreou D, et al. The influence of tu-mor- and treatment-related factorson the development of local recur-rence in osteosarcoma after adequa-te surgery. An analysis of 1355 pati-ents treated on neoadjuvant Coope-rative Sarcoma Study Group proto-cols. Ann Oncol 2011; 22: 1228–1235

    3. Gebert C, et al. Free vascularized fibu-lar grafting for reconstruction aftertumor resection in the upper extremi-ty. J Surg Oncol 2006; 94: 114–127

    4. Foo LS, et al. Surgical difficulties en-countered with use of modular en-doprosthesis for limb preserving sal-vage of failed allograft reconstructi-on after malignant tumor resection.J Arthroplasty 2011; 26: 744–750

    5. Abed R, Grimer R. Surgical modalitiesin the treatment of bone sarcoma inchildren. Cancer Treat Rev 2010; 36:342–347

    6. Zeegen EN, Aponte-Tinao LA, Horni-cek FJ, et al. Survivorship analysis of141 modular metal¬lic endoprosthe-ses at early followup. Clin OrthopRelat Res 2004; 420: 239–250

    7. Tunn PU, Schmidt-Peter P, Pomraen-ke D, Hohenberger P. Osteosarcomain children: long-term functionalanalysis. Clin Orthop Relat Res 2004;421: 212–217

    8. Gosheger G, Hillmann A, et al. Softtissue reconstruction of megapros-thees using a trevira tube. Clin Ort-hop Relat Res 2001; 393: 264–271

    9. Balke M, Ahrens H, Streitbürger A, etal. Modular endoprosthetic reconst-ruction in malignant bone tumors:indications and limits. Recent ResultsCancer Res 2009; 179: 39–50

    10.Gosheger G, Gebert C, Ahrens, et al.Endoprosthetic reconstruction in 250patients with sar¬coma. Clin OrthopRelat Res 2006; 450: 164–171

    11.Gebert C, Hillmann A, SchwappachA, et al. Hip transposition as a univer-sal surgical procedure for periaceta-bular tumors of the pelvis. J SurgOncol 2009; 99: 169–172

    12.Gebert C, Wessling M, Hoffmann C,et al. Hip transposition as a limb sal-vage procedure following the resec-tion of periacetabluar tumors. J SurgOncol 2011; 103: 269–275

    Korrespondenzadresse:Dr. Markus NottrottUniversitätsklinikum EssenAbteilung für Tumororthopädie undSarkomchirurgieHufelandstraße 5545147 [email protected]

    Dr.Markus Nottrott

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    10 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Die Diagnostik von mesenchymalen Neoplasien gehört zu den schwierigsten Aufgaben in der Patho-logie. Eine referenzpathologische Mitbeurteilung kann die diagnostische Sicherheit erhöhen undwesentlich zur korrekten Behandlung von Sarkompatienten beitragen. Im Folgenden sollen einigeAspekte der Sarkomdiagnostik steckbriefartig dargestellt werden.

    Warum ist die Diagnostik vonmesenchymalen Tumoren soschwierig?

    Es sind nach der aktuellen WHO-Klassifikation eine Fülle von Tumo-ren zu unterscheiden, die vielfachäußerst selten sind und zudem er-hebliche morphologische Ähnlich-keiten aufweisen können (� Tab. 1und � Tab. 2, S.12ff). Problematischkann auch die Unterscheidung gut-artiger Läsionen von malignen Neo-plasien sein. Zudem ist die Dignitäts-einschätzung letztlichnurdannmög-lich, wenn auch eine konkrete Tu-mordiagnose gestellt werden kann.Die Klassifikation von Sarkomen istkomplex und beruht letztlich aufder Einordnung anhand einer Ähn-lichkeit zu einem Vergleichsgewe-be (z. B. Tumoren mit Fettgewebs-differenzierung). Dieses Klassifika-tionssystem ist aber nicht konse-quent anzuwenden, was dazu führt,dass viele Tumoren nicht entspre-chend eingruppiert werden kön-nen. Außerdem sind viele Namender Tumoren letztlich irreführend –

    z. B. „Synovialsarkom“, ein Tumor,der eher selten im Bereich der Ge-lenke und Synovialmembranen auf-tritt.

    Die Beurteilbarkeit ist ferner auchdadurch erschwert, dass Weich-gewebstumoren eine erheblicheintratumorale Heterogenität auf-weisen, die eine eindeutige Dia-gnose an einer kleinen Biopsie mit-unter unmöglich machen kann.

    Eine weitere Besonderheit ergibtsich daraus, dass in verschiedenenklinischen Situationen durch Pa-thologen Antworten auf verschie-dene Fragestellungen gegebenwerden müssen (� Textkasten 1).

    Welche Zusatzuntersuchungenin spezialisierten Zentrenkönnen bei der Diagnostikhilfreich sein?

    Bei der diagnostischen Einord-nung schwieriger morphologi-scher Befunde helfen modernemolekularpathologische Metho-

    den und Immunhistochemie. Diemolekulare Diagnostik zielt dabeiauf die Detektion rekurrenter ge-nomischer Alterationen ab, diespezifisch für bestimmte Tumo-ren sind. Dabei macht man sichzunutze, dass viele Tumoren bei-spielsweise bestimmte Genfusio-

    Referenzpathologie von Sarkomen – ein SteckbriefHans-Ulrich Schildhaus

    A B C

    Abb. 1: A+B: Die beiden Ausschnitte aus demselben Tumor einer jungen Patientin zeigen die erhebliche morphologische Bandbreiteund intratumorale Heterogenität mesenchymaler Tumoren. Während fokal myxoide Abschnitte dominieren (A), liegen in zentralenAbschnitten kollagenfaserreiche Areale vor. Die hohe mitotische Aktivität (A) lässt an eine maligne Neoplasie denken. Der Nachweiseiner USP6-Translokation in der FISH-Analyse (C) ermöglicht aber den Beweis einer nodulären Fasziitis, also eines benignen Weich-gewebstumors.

    Klinische Fragestellungen an die Sarkomdiagnostik in verschiedenen Settings

    Präoperativ: Dignität und Grading?Prognostische Parameter Hinweise für die OP- Planung (Radikalität der OP, Sicherheitsränder)? Neoadjuvante Therapie erforderlich?

    Postoperativ: Tumorentität?Prognose?Grading & TNM? Resektionsstatus, R0/R1-Resektion? Adjuvante Therapie erforderlich?

    Bei metastasierter Erkrankung:

    Prädiktive Biomarker? Zielgerichtete System-therapie möglich?

    Textkasten 1

  • 11SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    nen aufweisen können (� Tab. 3,S. 14ff). Der Nachweis molekular-pathologischer diagnostischer Bio-marker hilft dabei sowohl in derUnterscheidung gutartiger undmaligner Tumoren (� Abb. 1) alsauch bei der korrekten Klassifika-tion bösartiger Sarkome (� Abb. 2).Die erforderlichen Untersuchun-gen, NGS-Sequenzierpanels undFluoreszenz-in-situ-Hybridisierung(FISH) können in spezialisiertenZentren an Paraffingewebe durch-geführt werden.

    Welche prädiktiven Biomarkerwerden in der Sarkom-diagnostik angewandt?

    In den letzten Jahren sind verstärktBiomarkerassays für die Therapie-prädiktion von metastasierten Sar-komen entwickelt worden. Diesezielen darauf ab, zu prüfen, obeine zielgerichtete Therapie mög-lich ist.

    Prototypisch hierfür sind die gas-trointestinalen Stromatumoren.

    Typen genomischer Veränderungen bei mesenchymalen Tumoren

    Chaotisches Genom

    • Vielzahl struktureller und numerischer chromosomaler Aberrationen (z. B. Leiomyo sarkom)

    • Keine rekurrenten spezifischen Veränderungen

    • Hohe Mutationslast möglich (z. B. kutane Angiosarkome)

    Rekurrente genomische Veränderungen

    • Spezifische Translokationen (Tab. 3)• Spezifische Mutationen (z.B. CTNNB1

    (ß-Catenin) Mutation bei Desmoid-fibromatosen)

    • Amplifikationen (z. B. mdm2-Amplifika-tion bei dedifferenzierten Liposarkomen)

    Tumoren, die im Rahmen von hereditären Tumorsyndromen auftreten

    • TP53: Li Fraumeni-Syndrom; verschiedenen Tumoren

    • APC: Familiäre adenomatöse Polyposis coli (FAP); Desmoidfibromatosen

    • NF1: Neurofibromatose Typ 1, Maligner peripherer Nervenscheidentumor

    Textkasten 2

    Prädiktive Bedeutung von KIT- und PDGFRA-Mutationen bei gastrointestinalen Stromatumoren in Bezug auf die Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren

    KIT-Exon 8 D419del,T417_D419delinsY

    wahrscheinlich sensitiv

    KIT-Exon 9 (1) A502_Y503dup (2) andere seltene Mutationen

    höhere Imatinib-Dosis erforderlichunklar

    KIT-Exon 11 (1) Punktmutationen(2) Deletionen/delins Mutationen(3) Insertions

    sensitiv

    KIT-Exon 13 K642E (wahrscheinlich) sensitive (selbe Mutation kann sekundäre Resistenz vermitteln)

    KIT-Exon 17 N822K resistent gegenüber Imatinib, Behandlung mit neueren TKI möglich

    PDGFRA-Exon 12 (1) V561D(2) Non-V561D mutations

    sensitiv

    PDGFRA-Exon 14 N659KN659Y

    sensitiv

    PDGFRA-Exon 18 (1) D842V (most frequent variant) (2) weitere Mutationen

    resistent gegen Imatinib, sensitiv für Crenolanibteilweise sensitiv für Imatinib

    Textkasten 3

    Abb. 2: Weichgewebstumoren können äußerst vielgestaltig sein. Alle hier abgebilde-ten Tumoren sind retroperitoneale dedifferenzierte Liposarkome. Alle Tumoren wei-sen eine charakteristische Amplifikation des mdm2-Gens auf (Mitte). Nachdruck mitfreundlicher Erlaubnis aus [2].

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    12 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Histologische Gruppe Untergruppen Morphologie-Code

    Adipozytäre Tumoren Atypischer lipomatöser Tumor/hoch differenziertes Liposarkom

    8850/18850/3

    Dedifferenziertes Liposarkom 8858/3

    Myxoides Liposarkom 8852/3

    Rundzelliges Liposarkom 8853/3

    Pleomorphes Liposarkom 8854/3

    Liposarkom, NOS 8850/3

    Fibroblastische/ myofibro-blastische Tumoren

    Superfizielle Fibromatose Desmoid-Fibromatose

    8813/1 8821/1

    Riesenzellfibroblastom 8834/1

    Dermatofibrosarcoma protuberansFibrosarkomatöses DFSPPigmentiertes DFSP

    8832/18832/38833/1

    Solitärer fibröser Tumormaligne

    8815/1 8815/3

    Inflammatorischer myofibroblastärer Tumor 8825/1

    Low grade myofibroblastisches Sarkom 8825/3

    Low grade fibromyxoides Sarkom 8840/3

    Sklerosierendes epitheloides Fibro sarkom 8840/3

    Myxoinflammatorisches fibroblastisches Sarkom/atypischermyxoinflammatorischer fibroblastischer Tumor

    8811/1

    Infantiles Fibrosarkom 8814/3

    Adultes Fibrosarkom 8810/3

    Myxofibrosarkom 8811/3

    Fibrohistiozytäre Tumoren Plexiformer fibrohistiozytärer Tumor tenosynovialer Riesenzelltumor, diffuser TypTenosynovialer Riesenzelltumor, maligne

    8835/19252/19252/3

    Riesenzelltumor des Weichgewebes 9251/1

    Malignes fibröses Histiozytom 8830/3

    Glattmuskuläre Tumoren Leiomyosarkom/Uterines Leiomyo sarkom 8890/3

    Perizytäre Tumoren Maligner Glomustumor 8711/3

    Skelettmuskuläre Tumoren Embryonales Rhabdomyosarkom (inkl. botryoid, anaplastisch) 8910/3

    Alveoläres Rhabdomyosarkom (auch solide, anaplastisch) 8920/3

    Spindelzelliges/sklerosierendes Rhabdomyosarkom 8912/3

    Pleomorphes Rhabdomyosarkom 8901/3

    Vaskuläre Tumoren Kaposiformes und composite Hämangioendotheliom 9130/1

    Retiformes Hämangioendotheliom 9136/1

    Papilläres intralymphatisches Angio endotheliom 9135/1

    Pseudomyogenes (Epitheloides Sarkom-artiges) Hämangioendotheliom 9136/1

    Kaposi-Sarkom 9140/3

    Epitheloides Hämangioendotheliom 9133/3

    Angiosarkom 9120/3

    Gastrointestinale Stroma-tumoren

    Stromasarkom o.n.A. 8931/3

    Gastrointestinaler Stromatumor mit unsicherem malignem PotentialMaligner gastrointestinaler Stroma tumor

    8936/18936/3

    Tab. 1: Aktuelle WHO-Klassifikation der Weichgewebstumoren, basierend auf der aktuellen WHO-Klassifikation (modif. nach [1]).

  • 13SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    Histologische Gruppe Untergruppen Morphologie-Code

    Tumoren mit unsicherer Differenzierung

    Angiomatoides fibröses Histiozytom 8836/1

    ParachordomMyoepitheliomMyoepitheliales KarzinomGemischter TumorGemischter Tumor maligne

    9373/18982/08982/38940/08940/3

    SynovialsarkomSpindelzelligbiphasisch

    9040/39041/39043/3

    Epitheloides Sarkom 8804/3

    Alveoläres Weichteilsarkom 9581/3

    Klarzellsarkom 9044/3

    Extraskelettales myxoides Chondro sarkom 9231/3

    extraskelettales Ewing-SarkomPNET (peripherer neuroektodermaler Tumor)

    –9364/3

    Desmoplastisches klein-rundzelliges Sarkom (DSRCT) 8806/3

    Extrarenaler Rhabdoidtumor 8963/3

    Malignes Mesenchymom 8990/3

    PECom (myomelanozytäre Tumoren)[neuer WHO Code für maligne PECome]

    Keine Ziffern[8714/3]

    Intimasarkom[neuer WHO-Code]

    keine spezifische Ziffer[9137/3]

    Extraskelettales Osteosarkom 9180/3

    Extraskelettales mesenchymales Chondrosarkom 9240/3

    Nervenscheiden tumoren Maligner peripherer Nervenscheidentumor 9540/3

    Epitheloider maligner peripherer Nervenscheidentumor 9542/3

    Maligner Triton-Tumor 9561/3

    Maligner Granularzelltumor 9580/3

    Undifferenzierte/ unklassifizierbare Sarkome

    Undifferenziertes SpindelzellsarkomUndifferenziertes pleomorphes SarkomUndifferenziertes rundzelliges SarkomUndifferenziertes epitheloidzelliges SarkomUndifferenziertes Sarkom, NOSAdamantinom

    8801/38802/38803/38804/38805/39261/3

    Uterine Sarkome High grade endometriales Stroma sarkom 8930/3

    Low grade endometriales Stroma sarkom 8931/3

    Undifferenziertes uterines Sarkom 8805/3

    Glattmuskulärer Tumor von unsicherem malignen Potential (STUMP)Diffuse/intravenöse LeiomyomatoseMetatasierendes LeiomyomUterines LeiomyosarkomEpitheloides LeiomyosarkomMyxoides Leiomyosarkom

    8897/18890/18898/18890/38891/38896/3

    Uterines Rhabdomyosarkom 8900/3

    Uterines malignes PECom 8714/3

    Tab. 1: Fortsetzung

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    14 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Bei diesen Läsionen besteht einesehr deutliche Genotyp-Phänotyp-Korrelation, die nicht nur die Tu-mormorphologie und das biolo-gische Verhalten, sondern auchdas Ansprechen auf eine Behand-lung mit Tyrosinkinaseinhibitorenumfasst. Daher ist die Mutations-analyse von KIT und PDGFRA einStandard bei allen neudiagnosti-zierten gastrointestinalen Tumo-ren. Auch im Falle eines Tumor-progresses unter TKI-Therapie isteine erneute molekulare Dia-gnostik an einer Re-Biopsie sinn-voll. Durch weitere Untersuchun-gen kann hier oft eine Sekundär-mutation als Ursache nachgewie-sen werden.

    Ein neues Feld prädiktiver Biomar-ker eröffnet sich im Zusammen-hang mit immunonkologischenTherapien. Hier wird derzeit er-forscht, ob auch bei Sarkomen diePD-L1-Expression oder die Tumor-mutationslast (tumor mutationalburden, TMB) ein Therapieanspre-chen auf eine Behandlung mitImmuncheckpoint-Inhibitoren vor-hersagen können.

    Zusammenfassung

    Die Diagnostik mesenchymaler Lä-sionen ist schwierig, weil reaktiveVeränderungen, gutartige Tumo-ren und Sarkome histologisch ähn-lich erscheinen können. Zudemgibt es zahlreiche seltene Subty-pen, die morphologisch schwer ab-grenzbar sind, aber zudem auchintratumoral heterogen sein kön-nen. Neben high grade Tumorenkönnen auch hochdifferenzierteSarkome und mesenchymale Neo-plasien mit intermediärer Dignität(z. B. solitärer fibröser Tumor oderDesmoidfibromatose) eine erhebli-che Morbidität verursachen. Dieserdiagnostischen Komplexität stehtgegenüber, dass die pathologischeDiagnose die Grundlage aller The-rapieentscheidungen ist, an einer

    Histologische Gruppe Untergruppen Morphologie-Code

    Chondrogene Tumoren

    Atypischer kartilaginärer Tumor/Chondrosarkom Grad 1ChondroblastomChondrosarkom Grad 2 und 3Dedifferenziertes ChondrosarkomMesenchymales ChondrosarkomExtraskelettales mesenchymales ChondrosarkomKlarzellchondrosarkom

    9222/19230/19220/39243/39240/39240/3

    9242/3

    Osteogene Tumoren OsteosarkomExtraskelettales Osteosarkom

    Konventionellchondroblastischfibroblastischosteoblastisch

    TelangiektatischKleinzelligLow grade zentralSekundärParostalPeriostalHigh grade oberflächlich

    9180/39180/39180/39181/39182/39180/39183/39185/39187/39184/39192/39193/39194/3

    Fibrogene Tumoren Desmoplastisches Fibrom des KnochensFibrosarkom des Knochens

    8823/1

    8810/3

    Riesenzelltumoren Riesenzelltumor des KnochensMaligner Riesenzelltumor

    9250/19250/3

    Notochordale Tumoren

    ChordomMalignes Chordom

    9370/3

    Vaskuläre Tumoren Epitheloides Hämangioendotheliom 9133/3

    Angiosarkom 9120/3

    Myogene Tumoren Leiomyosarkom 8890/3

    Lipogene Tumoren Liposarkom des Knochens 8850/3

    Sonstige Tumoren Ewing-Sarkom/PNETAdamantinomUndifferenziertes high-grade pleomorphes Sarkom

    9364/39261/38830/3

    Tab. 2: Aktuelle WHO-Klassifikation der Knochentumoren, basierend auf der aktuellenWHO-Klassifikation (modif. nach [1]).

    Tumorentität Genetische Aberration

    Fusionsgen/Amplifikation/Deletion

    Ewing-Sarkom (ES) t(11;22)(q24;q12)t(21;22)(q22;q12)t(7;22)(p22;q12)t(17;22)(q12;q12)t(2;22)(q33;q12)t(16;21)(p11;q22

    EWS1R-FLI1EWS1R-ERGEWS1R-ETV1EWS1R-E1AFEWS1R-FEVFUS-ERG

    Klarzellensarkom (CCS) t(12;22)(q13;q12)t(2;22)(q33;q12)

    EWS1R-ATF1EWS1R-CREB1

    Desmoplastisch klein-rundzelliger Tumor (DSRCT)

    t(11;22)(p13;q12) EWS1R-WT1

    Extraskelettales myxoides Chondrosar-kom (EMCS)

    t(9;22)(q22;q12)t(9;17)(q22;q11)t(3;9)(q12;q22)t(9;17)(q22;q11)

    EWS1R-NR4A3TAF15-NR4A3TFG-NR4A3TCF12-NR4A3

    Tab. 3: Übersicht häufiger genetischer Aberrationen in mesenchymalen Tumoren(modif. nach [2]).

  • 15SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    präoperativenBiopsie,amOperati-onspräparat oder in der metasta-

    sierten Situation. Referenzpatho-logie verbindet diagnostische Er-

    fahrung mit modernen molekular-pathologischen und immunhisto-chemischen Methoden, um klini-sche Fragestellungen zu beantwor-ten. Dabei werden neben der Tu-morgenetik zunehmend auch prä-diktive Biomarker für die Therapie-planung adressiert.

    Schlüsselwörter:Diagnostik – mesenchymale Tu-moren – Molekularpathologie –Immunhistochemie – prädiktiveBiomarker

    Literatur:1. https://www.onkozert.de/organ/

    sarkom/ (zuletzt eingesehen am 1.April 2019)

    2. Schmitz K, Schildhaus HU. Molecu-lar pathology of soft tissue tumors:Contribution to diagnosis and the-rapy prediction. Pathologe 2015Mar; 36(2): 126–36

    Korrespondenzadresse:Univ.-Prof. Dr. med. Hans-UlrichSchildhausInstitut für PathologieUniversitätsklinikum EssenHufelandstraße 5545147 EssenTel.: +49 (0) 201 723 [email protected]

    Prof. Dr.Hans-UlrichSchildhaus

    Tumorentität Genetische Aberration

    Fusionsgen/Amplifikation/Deletion

    Myxoides Liposarkom (MLS) t(12;16)(q13;p11)t(12;22)(q13;q12)

    FUS-DDIT3EWS1R-DDIT3

    Solitärer fibröser Tumor (SFT)Hämangioperizytom

    der(12)(q13-15)t(12;12)(q13;q13)

    STAT6NAB2-STAT6

    Angiomatoides fibröses Histiozytom (AFH)

    t(12;16)(q13;p11)t(2;22)(q33;q12)t(12;22)(q13;q12)

    FUS-ATF1EWS1R-CREB1EWS1R-ATF1

    Alveoläres Rhabdomyosarkom (ARMS) t(2;13)(q35;q14)t(1;13)(p36;q14)t(2;2)(p23;q36)t(X;2)(q13;q36)

    PAX3-FOXO1APAX7-FOXO1APAX3-NCOA1PAX3-FOXO4

    Synovialsarkom (SS) t(X;18)(p11;q11)t(X;18)(p11;q11)t(X;18)(p11;q11)t(X;20)(p11;q13)

    SS18-SSX1SS18-SSX2SS18-SSX4SS18L1-SSX1

    Kongenitales Fibrosarkom (CGFS) t(12;15)(p13;q25) ETV6-NTRK3

    Niedrig malignes fibromyxoides Sarkom (LGFS)

    t(7;16)(q33-34;p11)t(11;16)(p11;p11)

    FUS-CREB3L2FUS-CREB3L1

    Inflammatorischer myofibro blastischer Tumor (IMFT)

    t(2p23)

    t(6q22)t(5q33)

    ALK mit diversen FusionspartnernROS1PDGFRβ

    Hochdifferenziertes Liposarkom (WDLS)/atypischer lipomatöser Tumor (ALT)Dedifferenziertes Liposarkom (DDLS)

    12q14-q15 RingchromosomRiesenchromosom

    Amplifikation vonMDM2CDK4HMGA2GLI-SAS

    SpindelzelllipomHochdifferenziertes Spindelzellliposarkom

    13q14.1-q14.2 RBDeletion

    Endometriales Stromasarkom (ESS) t(7;17)(p15;q21)t(10;17)(q23;p13)

    JAZF1-JJAZ1YWHAE-FAM22

    Myxoinflammatorisches fibroblastisches Sarkom (MIFS)

    t(1;10)(p22;q24)Ringchromosom

    Deregulation von FGF8 und NPM3Amplifikation von VGLL3

    Alveoläres Weichteilsarkom (ASPS) t(X;17)(p11;q25) ASPSCR1-TFE3

    Epithelioides Hämangio endotheliom (EHE)

    t(1;3)(p36;q25)t(11; X)(q13; p11)

    WWTR1- CAMTA1YAP1-TFE3

    Dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP)

    t(17;22)(q22;q13)der(22)t(17;22)Ringchromosom

    COL1A1-PDGFB

    Tab. 3: Fortsetzung

  • 21SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    Vor 2.000 Jahren schrieb Horaz in seiner Ars poetica „Zum zehntenmal wiederholt, wird es gefallen“.Wiederholung und häufige Übung sind auch die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Chirurgie, wes-halb eine Spezialisierung auf bestimmte operative Eingriffe als völlig selbstverständlich vorausgesetztwird. Der Nachweis der operativen Erfahrung wird daher bei der Zertifizierung von Krebszentren vonjedem Operateur eingefordert. Jeder Patient wünscht sich, dass sein Chirurg seine Entscheidungen undEingriffe evidenz- und erfahrungsbasiert fällt. Hier sind Patienten mit intraabdominellen Sarkomenbislang strukturell im Nachteil – ohne dass jemand etwas dafür kann. Sarkome weisen eine Inzidenzvon 3–4 pro 100.000 Einwohner auf und nur 20 % treten im Bereich des Bauchraums auf [1]. Ohne spe-zialisierte chirurgische Behandlungseinheiten ist es wenig überraschend, dass die operativen Behand-lungszahlen für den einzelnen Operateur auch in großen Kliniken meist nur einstellig sind. Dabei spieltin keiner anatomischen Region die Qualität der Operation eine derart überragende Rolle für das Über-leben – für retroperitoneale Sarkome ist die Prognose ganz wesentlich von den Lokalrezidiven ge-prägt. Etwa 70 % aller Todesfälle sind durch Lokalrezidive geprägt [2]. Die neue Zertifizierungsinitia-tive der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) versucht hier die Spezialisierung in der Viszeralchirurgiezu stärken und fordert (moderate) Mindest-Eingriffe.

    Retroperitoneale Sarkome –es gibt sehr viel zu gewinnendurch versierte Chirurgie

    Kürzlich wurde eine amerikanischeAnalyse über den Einfluss des Pa-tienten-Volumens in Krankenhäu-sern anhand der Verläufe von 5.340Patienten auf das Outcome von Pati-enten mit retroperitonealen Sarko-men publiziert. Hier konnte ein-drücklich eine hoch signifikante Ver-minderung der 90-Tages-Mortalität(p = 0,02), ein verringertes Risiko po-sitiver Resektionsränder (p = 0,001)und ein signifikant verbessertes Ge-samtüberleben (OS) (p = 0,002) ge-zeigt werden [4]. Bemerkenswerter-weise war in dieser Arbeit dieSchwelle für das Erreichen eineshigh-volume Zentrums die Operati-on von 10 Patienten im Jahr – eigent-lich genau das, was Horaz schon vor-schwebte. Auch in den USA werdennur 5 % aller Patienten in high-volu-me Zentren behandelt. Die Zentrali-sierung von Operationen dieser we-nigen Patienten könnte hier mehrals jede Chemotherapie erreichen.

    Chirurgische Herausforderungenretroperitonealer und viszeralerSarkome

    Intraabdominelle Sarkome könneneine Vielzahl von anatomischenStrukturen betreffen, die bei Karzi-nomen nicht oder viel seltener be-troffen sind. Hier können eigentlichnur (gut resektable) gastrointesti-nale Tumoren (GIST) von Magen undDünndarm ausgenommen werden,für die das operative Verfahren häu-fig dem für Karzinome gleicht, bzw.in aller Regel sogar weniger invasiv

    bzw. weniger anspruchsvoll ist (ge-ringere Sicherheitsabstände, keineLymphadenektomie). Bei Letzterenbesteht eher das Risiko einer chirur-gischen Übertherapie.

    Retroperitoneale Sarkome entste-hen häufig im Bereich der großenretroperitonealen (V. cava, Aorta)oder großen viszeralen Gefäße(Truncus coeliacus, A. mesentericasuperior). Radikale Resektionenkönnen bei Letzteren schnell einenVerlust der enteralen Resoprtions-

    Herausforderungen bei retroperitonealen oderviszeralen Sarkomen und Metastasen im BauchraumMoritz Kaths, Tamas Benkö, Jürgen Treckmann

    Abb. 1: 28-jähriger männlicher Patient: (A) Embryonales Sarkom der Leber, bereits in„palliativer“ Chemotherapie; (B) 3 Monate postoperativ, nach Resektion der Segmente2, 3, 4, 5, 7, 8 und des Lebervenensterns. Drainage der Restleber über Segment 6 Vene.

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    22 SCHWERPUNKT: SARKOME

    strecke bedeuten. Hinzu kommt beiTumoren im Becken nicht selteneine Infiltration von Nervenstruktu-renvor.HiermüssenvordenEingrif-fen auch präoperative Therapiever-fahren erwogen werden (Strahlen-therapie und/oder Chemotherapie;zudem ggf. interdisziplinäre [ggf.gefäß-] chirurgische Eingriffe). Ge-rade Chemotherapie-empfindlicheSarkome weisen teilweise drama-tische Tumorschrumpfungen auf(Ewing-Sarkome, Synovialsarkome,undifferenzierte Pleomorphe Sar-kome, Rhabdomyosarkome).

    Die Wahrscheinlichkeit eine R0-Resektion zu erzielen ist bei Primär-diagnose bei 80 %, sinkt aber mitjedem Rezidiv deutlich (1. Rezidiv:57 %, 2. Rezidiv: 33 %, 3. Rezidiv14 %) [3]. Für eine maximale Kura-tionschance sollte daher primär einradikaler Eingriff erfolgen.

    Hier sollten in jedem Fall eine prä-operative Biopsie und auch die prä-operative interdisziplinäre Bespre-chung des Therapiekonzeptes nachVorliegen der Histologie erfolgen.Lediglich bei hochsymptomatischen,homogen lipomatösen Tumorenkann der Verzicht auf eine Biopsieerwogen werden.

    Vor Durchführung einer Resektionmuss eine qualitativ hochwertigeSchnittbildgebung erfolgen, um dasAusmaß der Erkrankung abschät-zen zu können. Immer wieder fin-den sich präoperative CT-Aufnah-men, die die vollständige Ausdeh-nung von Tumoren nicht erfassen.Das Risiko inkompletter Resektionsteigt dadurch offensichtlich.

    Die Prognose von Patienten, bei de-nen nur eine R2-Resektion erfolgt,ist praktisch vergleichbar mit dervon Patienten, die gar nicht ope-riert werden konnten. Makrosko-pisch inkomplette Resektionen er-zielen ein medianes Überleben von

    18 Monaten gegenüber 103 Mo-naten für Patienten, die eine kom-plette Resektion (complete grossresection) erhalten haben [1].

    Viele Zentren streben allerdingsnicht nur die makroskopisch kom-plette Resektion sondern eine echteR0-Resektion an – in Analogie zu Ex-tremitätensarkomen. Hierbei wirdeine en-bloc-Resektion angestrebt,bei der ebenfalls eine intakte Schichtgesunden Gewebes um den gesam-ten Tumor herum gefordert wird [7].

    Während im Bereich der Extremi-täten ein Sicherheitsabstand von1–2 cm meist ohne signifikante Mor-bidität gelingt, ist dies retroperito-neal meist nicht möglich. Eine kom-partimentale Resektion – obwohlkein echtes Kompartment mit z. B.einer zelldichten Faszie umschlossen– umfasst die Resektion des Raumes,der vom viszeralen Peritoneum be-grenzt wird. Dieses radikale Vor-

    gehen typischerweise fordert typi-scherweise eine Nephrektomie, He-mikolektomie, partielle Psoasresekti-on, Splenektomie und ggf. auch einedistale Pankreatektomie [5–6]. An-ders als im Bereich der Extremitätenmacht eine radi-kale Nachresektionkeinen Sinn – die Chance für Radika-lität muss primär ergriffen werden.

    Interdisziplinäre Konzeptebei GIST

    Aus chirurgischer Sicht haben wir inden letzten Jahren mit großer Be-wunderung die Fortschritte bei dermedikamentösen Therapie von GISTverfolgt. Insbesondere lokal fortge-schrittene Tumoren, große Tumo-ren mit Infiltrationen von Nachbar-organen, Primarius im Bereich desDuodenums, aber auch Tumoren imBereich des Rektums, lassen sichdurch eine Vorbehandlung mit Ima-tinib (bei empfindlichen Subgrup-pen) sehr viel sicherer operieren.Vor dem Hintergrund der guten

    Abb. 2: 41-jährige Patientin mit intraabdominalem Leiomyosarkom und R0-Resektionmit V. cava-Ersatz.

    Abb. 3: 44-jähriger Patient mit ausgedehntem Liposarkom rechts retroperitoneal,15 kg R0-Resektion.

  • 23SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    Verträglichkeit von Imatinib gebenwir der Vorbehandlung mit Ima-tinib im Zweifelsfall den Vorzug –Hinweise für eine Erhöhung derOP-Morbidität durch die Vorbe-handlung haben wir nicht [9].

    Prospektive Daten für den Stellen-wert einer Operation von Metasta-sen bei GIST existieren nicht. Einerandomisierte chirurgische Studieder EORTC musste mangels Rekru-tierung eingestellt werden. WederÄrzte noch Patienten wollten bei ei-nem so großen Eingriff einen Zu-fallsgenerator entscheiden lassen.Mehrere retrospektive Analysen le-gen allerdings einen deutlichen Vor-teil für das progressionsfreie Über-leben und auch das Langzeitüber-leben nahe, wenn Patienten zumZeitpunkt des maximalen Therapie-ansprechens makroskopisch kom-plett reseziert werden könnten. Hierwurde eine hohe Zahl von Langzeit-überleben beobachtet [10]. RadikaleOperationen bei schon eingetrete-ner Progression scheinen keinenVorteil für die Krankheitskontrollezu haben und sollten daher vermie-den werden.

    Literatur:1. Lewis JJ, Leung D, Woodruff JM,

    Brennan MF. Retroperitoneal soft-tissue sarcoma: analysis of 500 pati-ents treated and followed at a singleinstitution. Ann Surg 1998 Sep;228(3): 355–65

    2. Lahat G, Anaya DA, Wang X, Tuvin D,Lev D, Pollock RE. Resectable well-differentiated versus dedifferentia-ted liposarcomas: two different di-seases possibly requiring differenttreatment approaches. Ann Surg On-col 2008 Jun; 15(6): 1585–93

    3. Lewis JJ1, Leung D, Woodruff JM,Brennan MF. Retroperitoneal soft-tissue sarcoma: analysis of 500 pati-ents treated and followed at a singleinstitution. Ann Surg 1998 Sep;228(3): 355–65

    4. Adam MA, Moris D, Behren S, Nuss-baum D, Jawitz O, Turner M, Lidsky

    M, Blazer D 3rd. Hospital VolumeThreshold for the Treatment of Ret-roperitoneal Sarcoma Anticancer ResApril 2019; 39(4): 2007–2014

    5. Bonvalot S, Miceli R, Berselli M, et al.Aggressive surgery in retroperitone-al soft tissue sarcoma carried out athigh-volume centers is safe and is as-sociated with improved local control.Ann Surg Oncol 2010; 17: 1507–1514

    6. Bonvalot S, Raut CP, Pollock RE, et al.Technical considerations in surgeryfor retroperitoneal sarcomas: Positi-on paper from E-Surge, a master classin sarcoma surgery, and EORTC-STBSG. Ann Surg Oncol 2012; 19:2981–2991

    7. The importance of surgical marginsin retroperitoneal sarcoma.KiraneA,Crago AM. J Surg Oncol 2016 Mar;113(3): 270–6

    8. Rutkowski P, Gronchi A, Hohenber-ger P, Bonvalot S, Schöffski P, et al.Neoadjuvant imatinib in locally ad-vanced gastrointestinal stromal tu-mors (GIST): the EORTC STBSG expe-rience. Ann Surg Oncol 2013 Sep;20(9): 2937–43

    9. Bauer S, Rutkowski P, HohenbergerP, Miceli R, Fumagalli E, et al. Long-term follow-up of patients with GISTundergoing metastasectomy in theera of imatinib – analysis of prognos-tic factors (EORTC-STBSG collaborati-ve study). Eur J Surg Oncol 2014 Apr;40(4): 412–9

    Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Jürgen TreckmannBereich viszerale und retroperitonealeSarkome / GISTKlinik für Allgemein-, Viszeral- undTransplantationschirurgieUniversitätsklinikum EssenHufelandstraße 5545147 [email protected]

    Prof. Dr.Jürgen Treckmann

    Retroperitoenale und viszerale Sarkome sind seltene Erkrankungen,für die eine deutliche Abhängigkeit der Behandlungsergebnisse vonder Gesamterfahrung des chirurgischen Teams und des Zentrums be-steht. Chirurgische Expertise ist notwendig zum einen für die Einschät-zung der notwendigen Radikalität bei retroperitonealen Sarkomenund GIST, zum anderen zur Durchführung von multiviszeralen Resek-tionen mit gegebenenfalls Ersatz großer abdomineller Gefäße. Diesund die Einordnung in multimodale Behandlungskonzepte in Zusam-menarbeit mit Onkologie und Strahlentherapie nach im Regelfallhistologischer Sicherung sind essentiell, um dem Patienten ein funk-tionell und onkologisch bestmögliches Behandlungsergebnis zu er-möglichen.

    Schlüsselwörter:Chirurgie – Sarkome – retroperitoneal – viszeral – Metastasierung –Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)

    Zusammenfassung

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    24 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Sarkom ist der Oberbegriff unter dem eine biologisch außerordentlich heterogene Gruppe von Tumo-ren mit mesenchymaler und neuroektodermaler Differenzierung zusammengefasst wird. Mehr als 150verschiedene Subgruppen werden in der aktuellen Klassifikation der Weltgesundheitsorganisationunterschieden, weshalb es bei einer kumulativen Inzidenz von 3–4 pro 100.000 Einwohner für eine Viel-zahl von Sarkomtypen keine prospektiven Daten gibt. Für lokalisierte Tumoren steht in aller Regel dieOperation im Fokus der Therapie, wobei für die Indikationsstellung einer Systemtherapie dem Gradingeine zentrale Rolle zukommt. Während low-grade Sarkome praktisch ausschließlich operiert werden,muss für Patienten mit high-grade Sarkomen immer auch die Indikation zur Strahlentherapie oder me-dikamentösen Therapie geprüft werden. Insbesondere in der metastasierten Situation ist die Kenntnisspezifischer, Histotyp-spezifischer Strategien und molekularer Marker eine immer wichtigere Voraus-setzung für die Beratung.

    Perioperative Chemotherapiebei Weichgewebssarkomen –endlich Konsens?Die Rolle der Chemotherapie gehörtzu den meist diskutierten Themenbei der Behandlung von Weichge-webssarkomen. Die verfügbaren Stu-dienergebnisse sind heterogen undbislang gibt es weltweit keine ein-heitliche Empfehlung [1]. Kaum einÜbersichtsartikel zu dem Thema istnicht mit einer Frage betitelt undselbst innerhalb einzelner Länderwerden von Zentrum zu ZentrumIndikationen diametral unterschied-lich gestellt. Befürworter einer Che-motherapie zitieren meist die klei-nere randomisierte Studie der italie-nischen Studiengruppe, die schonvor fast 20 Jahren einen Überlebens-vorteil für Patienten impliziert hatte[2, 3]. Eine größere Metaanalyse un-terstützt diese Hinweise und hat ei-nen 5-Jahres-Gesamtüberlebensvor-teil von 11 % ergeben − für ein hin-sichtlich Rückfallrisiko und Histotypunselektiertes Pateintenkollektiv [4].Demgegenüber stand das Ergebnisder EORTC-Studie 62931 (kein Vor-teil für eine Chemotherapie), die invielen Zentren als Argument gegeneine Therapie angeführt wird [5].Allerdings war in dieser Studie dieChemotherapie niedrig dosiert undviele Patienten waren eingeschlos-

    sen worden, die ein geringes Rück-fallrisiko aufwiesen oder als Che-motherapie unempfindlich galten.In den letzten zwei Jahren ist nunwieder Bewegung in das Themagekommen. Eine neue prospektiveStudie unter der Leitung der italieni-schen Sarkom-Studiengruppe zeigteeinen signifikanten Überlebensvor-teil durch drei Zyklen einer neoad-juvanten Therapie mit Doxorubicinund Ifosfamid gegenüber einerHistotyp-spezifischen Chemothera-pie [6]. Parallel hat die Arbeitsgrup-pe aus Italien ein elektronisches Pro-gnose-Tool, den Sarculator, entwi-ckelt, der anhand der wichtigstenRisikofaktoren das Rückfallrisiko fürPatienten mit Weichteilsarkomen anden Extremitäten sowie im Retro-peritoneum über eine Handy-App(www.sarculator.com) berechnet [7].Pasquali und Mitarbeiter verwende-ten dieses Analyse-Tool für die Pa-tienten aus der (negativen) EORTC-Studie 62931 und konnten zeigen,dass sich doch ein Vorteil für eineChemotherapie ableiten lässt fürPatienten mit einer Wahrscheinlich-keit von unter 60 % für das Gesamt-überleben nach zehn Jahren. [8].

    Diese Arbeiten stellen eine aus un-serer Sicht hilfreiche Grundlage fürdie Beratung von Patienten dar. Ein

    Ende der Diskussion ist jedoch nichtin Sicht − allein in Deutschland vari-iert die Zahl verabreichter Chemo-therapie-Zyklen zwischen 3 und 8.Eine Evidenz für die richtige Zyklus-zahl existiert bisher nicht.

    Metastasierte Weichgewebs-sarkome – das Ende derPhase-III-Basket-Studien

    Aufgrund der geringen Inzidenz vonSarkomen wurden im Stadium IVTherapiestudien seit jeher aus prag-matischen Gründen Histotyp-agnos-tisch durchgeführt. Für klassischeChemotherapien war diese initialhilfreich, aber schon die letzten bei-den Zulassungen auf dem Gebiet derSarkome (Trabectedin und Eribulin)wurden bei Randomisation gegeneinen Standard nur noch bei Lipo-und Leiomyosarkomen evaluiert [9].

    Der Wachstumsfaktor Platelet-deri-ved growth factor (PDGF)-Rezeptorspielt eine wichtige Rolle für die Sig-nalwege mesenchymaler Zellen (inkl.mesenchymaler Stammzellen) undeine aberrante Aktivierung des Re-zeptors wird mit der Modulation desTumormilieus sowie der Ausbildungvon Metastasen in Verbindung ge-bracht [10]. Olaratumab, ein mono-klonaler Antikörper gegen denPDGF-Rezeptor >, wies eine antitu-

    Neues zur Systemtherapie bei SarkomenSebastian Bauer, Rainer Hamacher, Karina Kostbade, Johanna Falkenhorst, Katja Kauertz, Uta Dirksen

  • 25SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    morale Wirksamkeit in präklinischenTests auch in vivo auf [11]. Diese Er-gebnisse waren die Grundlage füreinerandomisiertePhase-II-Studie inKombination mit Doxorubicin, beider sich überraschenderweise eindeutlicher Überlebensvorteil von fast12 Monaten ergeben hatte, beigleichzeitig fehlendem Unterschiedfür das progressionsfreie Überleben.Diese Daten hatten zur Zulassungunter der Bedingung einer bestäti-genden Phase-III-Studie geführt, dienun keinerlei Vorteil für die Hinzu-nahme des Antikörpers ergebenhatte. Ein entsprechender Rote-Hand-Brief wurde kürzlich publiziert [12].Die Ära Histotyp-agnostischer Stu-dien bei Sarkomen scheint mit die-sem Studienergebnis beendet zusein.

    Checkpoint-Inhibition beimetastasierten Sarkomen –öffnet sich doch eine Therapie?

    Während die Immuntherapie dieTherapielandschaft bei einer Viel-zahl epithelialer Tumoren drama-tisch verändert hat, ist für Patientenmit Sarkomen die Bedeutung völligunklar und eine Zulassung langenicht in Sicht. Dennoch gibt es zu-nehmend ermutigende Signale füreinenmöglichen, sinnvollenEinsatz.

    Monotherapien mit Antikörpern ge-gen den PD-1-Rezeptor scheinen inunselektierten Patientenpopulatio-nen nur in weniger als 10 % zu Re-missionen zu führen [13, 14]. DieSARC028-Studie war die erste grö-ßere Studie, die zwei Kohorten mitWeichgewebs- und Knochensarko-men mit Pembrolizumab behandel-ten. Hier zeigten sich insbesonderebei undifferenzierten pleomorphenSarkomen eine überproportionaleHäufung von objektiven Remissionensowie vereinzelte Tumorschrump-fungen bei gering und dedifferen-zierten Liposarkomen. Bei Knochen-sarkomen fand sich praktisch keineWirksamkeit durch eine solche Mo-

    notherapie. Lediglich in der Fall-sammlung, die von Paoluzzi vorge-stellt wurde, fand sich teilweise einedramatische Wirksamkeit bei dedif-ferenzierten Chondrosarkomen. Diedavon biologisch distinkten konven-tionellen Chondrosarkome wurdennicht getestet.

    Eine ungewöhnliche Kasuistik einertiefenRemissionbeieinemuterinenLeiomyosarkom war die Grundlagefür eine Phase-II-Studie bei dieserSarkomsubgruppe. Leider konntedieserkasuistischeErfolgzumindestmit einer PD-1-gerichteten Mono-therapie nicht bestätigt werden –keine einzige Patientin wies einTherapieansprechen auf [15, 16].

    Interessanterweise ist die Expres-sion prädiktiver Marker wie z. B.PD-L1 bei Sarkomen selten. Bemer-kenswert ist jedoch, dass die Chanceeines Therapieansprechens bei PD-L1-positiven Sarkomen höher ist.Beispielhaft konnte dies an unse-rem Zentrum anhand eines Fallesmit kutanem Angiosarkom derKopfhaut gezeigt werden [17]. DasFehlen einer Expression schließt je-doch ein Therapieansprechen nichtaus.

    In der Alliance-A091401-Studie wur-de nicht-randomisiert eine Kombi-nation aus PD-1 und CTLA4-Blockadegegen PD-1-Monoblockade getestet[18]. Hierbei schien die KombinationmiteinerdeutlichhöherenSchrump-fungsrate von Tumoren verknüpftzu sein. Erneut fielen einzelne Sub-typen mit höheren Erfolgschancenauf – undifferenzierte pleomorpheSarkome, Myxofibrosarkome, Angio-sarkome und – in der Kombination –auch Leiomyosarkome. Sämtlichedieser Tumoren weisen einen kom-plexen Karyotyp auf – anders als diewenig komplexen, Translokations-assoziierten Sarkome. Im Rahmendes Jahreskongresses der AmericanSociety of Clinical Oncology (ASCO)

    2018 wurden zudem einige außer-gewöhnliche Therapieansprechenbei Patienten mit alveolären Weich-teilsarkomen berichtet. Hier liegtmöglicherweise eine außergewöhn-liche therapeutische Chance vor.

    Immuntherapien bei Sarkomen sindkomplex und stehen noch am An-fang. Dennoch sind die bislang ge-machten Erfahrungen ein realerHoffnungsschimmer und müssen mitHochdruck weiter untersucht wer-den. Patienten mit unbehandelten,metastasierten Sarkomen könnenaktuell im Rahmen der MEDISARC-Studie mit einer Kombination ausDurvalumab und Tremilimumab be-handelt werden (randomisiert ge-gen Doxorubicin). Patienten könnenzudem über das ImmuNEO MasterProjekt des Deutschen Konsortiumsfür Translationale Krebsforschung(DKTK) umfassend immunologischcharakterisiert werden. Vorausset-zung ist eine ausreichende Mengefrischen Tumorgewebes, welches imRahmen eines ohnehin geplantenoperativen Eingriffs gewonnen wird[19]. Für pädiatrische Patienten mitWeichteilsarkomen werden Check-pointinhibitoren derzeit in Studiengetestet.

    Behandlung von Desmoid-Fibromatosen – endlich Evidenz

    Aggressive Fibromatosen oder Des-moid-Tumoren sind lokal aggressive,mesenchymale Tumoren, die nichtmetastasieren. Aufgrund der häufigungünstigen Lokalisation und desinfiltrativen Wachstums sind Lokal-rezidive häufig und können mitun-ter zu hoher Morbidität führen. In-traabdominelle Desmoide treten ge-häuft im Zusammenhang mit fami-liärer adenomatöser Polyposis coli(FAP) auf; die meisten extra-abdo-minellen Fibromatosen treten spo-radisch auf. Typisch molekularerMarker mit bislang unklarer pro-gnostischer und therapeutischer Re-levanz sind Mutationen von Beta-

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    26 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Catenin. Fibromatosen wurden seitvielen Jahren sehr erratisch und le-diglich basierend auf retrospektivenFallserien behandelt. Hierbei kameine Vielzahl von Medikamentenzum Einsatz, deren Wirkmechanis-men unklar waren. Das Risiko einerÜbertherapie für diese Patienten-gruppe ist hoch. Eine aus Mannheimgeleitete europäische Initiative hathier zur Harmonisierung eine sehrwichtige Konsensus-Empfehlung her-ausgegeben, die für die Beratungherangezogen werden sollte [20, 21].

    Insbesondere die medikamentöseTherapie basierte in der letzten De-kade auf problematischer Empirie.Zu den häufig eingesetzten Sub-stanzen zählten nicht-steroidaleAntirheumatika (Sulindac) oderauch Tamoxifen. Kürzlich wurdeeine bahnbrechende randomisierteStudie vorgestellt, die erstmaligeine wirklich nützliche Evidenzliefert. Patienten mit nicht-resek-tablen Desmoiden, die innerhalbvon sechs Monaten eine nachweis-bare Progression aufwiesen, wur-den hier mit Sorafenib oder Placebobehandelt [22]. Wirklich bemer-kenswert an der Studie ist vor allemdas Ergebnis des Placebo-Arms. DieWaterfall-Plots zeigten bei mehrals der Hälfte der Patienten eineSchrumpfung, was den günstigenSpontanverlauf von Desmoiden dra-matisch unterstreicht – und mög-licherweise die Erklärung für die„Wirksamkeit“ von z. B. Sulindacoder Tamoxifen liefert. Ohne ran-domisierte Evidenz kommen letz-tere an unserem Zentrum jedochnicht mehr zum Einsatz. HinsichtlichSorafenib konnte nichtsdestotrotzeine hoch signifikante Verbesserungdes progressionsfreien Überlebenserzielt werden.

    Die parallel publizierte StudieDESMOPAZ zeigte hier ähnlich gu-te Ansprechraten für Pazopanibund im pädiatrischen Bereich konn-

    ten mit der Kombination aus Me-thotrexat und Vinblastin ebenfallsErfolge erzielt werden [23].

    Tenosynoviale Riesenzell-tumoren − Target-Therapie mithoher Wirkchance

    Eine außerordentlich spannendeEntwicklung ist für Patienten mittenosynovialen Riesenzelltumoren(tsGCT; Synonym: pigmentierte villo-noduläre Synovialitis) zu berichten.Diese relativ unbekannte Erkran-kung ist in der nodulären Form meistharmlos und durch eine endoskopi-sche Entfernung ausreichend be-handelt. Bei der diffusen Form kannes (ähnlich wie bei Desmoid-Tumo-ren) zu teilweise schwersten Ge-lenkzerstörungen und massiven Be-wegungseinschränkungen führen.Pathologisch sind tsGCT durch eineTranslokation t(1;2) charakterisiert,die das CSF1- mit dem COL6A3-Genverbinden. Dies führt zu einer auto-krinen und parakrinen Aktivierungdes CSF1-Rezeptors. Auch hier istdas Risiko einer Untertherapie ag-gressiver Tumoren aber auch einerÜbertherapie harmloser Befundesehr hoch. Die Anbindung vonPatienten mit diffuser Form an einSarkomzentrum ist hier zu empfeh-len.

    Eine randomisierte Studie, die ei-nen spezifischen Inhibitor von CSF1gegenüber Placebo untersucht hat,konnte kürzlich eine objektive Re-missionsrate von 40 % (vs. 0 %) miteiner hoch signifikanten Verbesse-rung der Beweglichkeit, Funktion,Gelenksteifigkeit und des Schmerz-niveaus nachweisen. Hier könntein Kürze eine erstmalige Zulassungin dieser Indikation erfolgen.

    Gastrointestinale Stroma-tumoren – New Kids on the Block

    Für die Behandlung von Gastro-intestinalen Stromatumoren hat inden letzten zwei Jahren ein großerInnovationsschub begonnen und

    eine Welle neuer, vielversprechen-der Substanzen könnte bald dasBehandlungsspektrum verbessern.

    Hervorzuheben sind hier Avapriti-nib und Ripretinib, zwei speziell fürGIST entwickelte, hochspezifischeInhibitoren, die aktuell im Rahmenvon Phase-III-Studien für die Be-handlung Imatinib-refraktärer GISTgeprüft werden. Sowohl präklini-sche Daten als auch die Ergebnissefrüherer Studien legen einen bis-lang nicht erreichten therapeuti-schen Nutzen für Patienten nachVersagen aller Therapien nahe.

    Für Ripretinib, einen Inhibitor vonKIT und PDGFRA, der anders als bis-herige Inhibitoren an der Switch-Pocket bindet, fand sich eine Re-missionsrate von etwa 10 % selbstin der / Viertlinientherapie miteiner Krankheitskontrollrate von66 % nach drei Monaten. Für Ava-pritinib, einen ATP-kompetitivenInhibitor, lag die objektive Remis-sionsrate in dieser Therapielinie bei20 % mit einer ebenfalls vielver-sprechenden medianen progressi-onsfreien Überlebenszeit von 5,5Monaten [24, 25]. Hervorgehobenwerden muss die dramatische Wirk-samkeit von Avapritinib bei Patien-ten mit PDGFRA-D842V-Mutation,da hier bislang keine medikamen-töse Therapie zur Verfügung stand[25]. Hier werden Remissionsratenvon . 80 % erreicht – ein Durch-bruch vergleichbar mit der Einfüh-rung von Imatinib bei KIT-mutier-ten GIST vor knapp 20 Jahren. GIST-Patienten mit Imatinib-resistenterMutation sollten frühzeitig an einZentrum mit Zugang zu Therapie-studien (Avapritinib, Ripretinib,Crenolanib, Ponatinib) angebundenwerden. Eine besondere Chancebesteht hier für Patienten in früh-eren Therapielinien, die über dieTeilnahme an Therapiestudien früh-zeitig Zugang zu diesen Substan-zen bekommen [26].

  • 27SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    Knochentumoren – neue undbewährte TherapiekonzepteHochmaligne Knochensarkome las-sen sich durch die Erfolge einer ko-ordinierten, strukturierten Behand-lung durch multimodale Therapienin der Mehrzahl der Fälle heilen. Pa-tienten sollten in der Primärtherapieim Rahmen klinischer Studien undRegister behandelt werden. Welt-weit werden Osteosarkome mitKombinationen aus Methotrexat(M), Doxorubicin (A), Cisplatin (P)und in einigen Ländern auch Ifos-famid (I) behandelt. Die Ergebnis-se der internationalen EURAMOS-Studie haben gezeigt, dass der Zu-satz weiterer Substanzen zum MAP-Schema keinen Überlebensvorteil er-zielt [27, 28]. Daher wird in Deutsch-land derzeit das MAP-Schema füralle Patienten bis 40 Jahren empfoh-len. Kontrovers diskutiert werdendie Ergebnisse der prospektiv ran-domisierten Studie zum Makropha-genaktivator Mifemurtid [29], der inDeutschland zur ergänzenden Be-handlung von Patienten mit lokali-siertem Osteosarkom zugelassen ist.

    Das Behandlungskonzept für Ewing-Sarkome besteht in einer multimo-dalen Strategie mit den folgendenKomponenten: der Induktionsche-motherapie, der Lokaltherapie undder adjuvanten Chemotherapie. InDeutschland steht für die Patientenaktuell das „EWING 2008“-Protokollzur Verfügung (NCT00987636). DieNachfolgestudie iEURO EWING SRund HR soll Ende 2019 geöffnet wer-den. Die Lokaltherapie kann aus ei-ner Operation, aus einer Strahlen-therapie oder aus einer Kombina-tion der beiden Therapieformen alsprä- oder postoperative Bestrahlungbestehen. Grundbaustein der syste-mischen Behandlung ist eine Kombi-nationstherapiemitAlkylantien,An-thrazyklinen, Topoisomerase-Hem-mern und Vincaalkaloiden [30, 31].Die gängigen Protokolle verwendeneine Kombination dieser Substan-

    zen. Die Wertigkeit von Hochdosis-chemotherapie-Protokollen mit Re-transfusion autologer hämatopoeti-scher Stammzellen wird in randomi-siertenStudienüberprüft.Erwachse-ne Patienten bis 50 Jahre werdennach denselben Protokollen behan-delt wie Kinder. Bezüglich der Do-sierung der Medikation muss – ins-besondere bei älteren Patienten –in Abhängigkeit vom Allgemeinzu-stand eine eventuell sinnvolle Dosis-reduktion diskutiert werden.

    Rezidive des Ewing-Sarkoms werdenbei ca. 30–40 % der Patienten dia-gnostiziert. In der Regel treten dieRezidive in den ersten 2−4 Jahrennach Therapieende auf. Die Prog-nose der Frührezidive ist mit einer5-Jahres-Überlebensrate von I 10 %schlecht. Auch die Therapie mitneueren Substanzen, die allerdingsoft als Monotherapie getestet wur-den,hatbisherkeinedurchschlagen-den Erfolge erzielen können. DiePrognose der seltenen Spätrezidiveist dagegen, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 40 %, sehrviel besser [32].

    Für Patienten mit refraktärer oderrezidivierter Erkrankung werden inDeutschland unterschiedliche Kom-binationen von Standardchemothe-rapien angewendet: Topotecan undCyclophosphamid [33], Irinotecanund Temozolomid [34], Carboplatinund Etoposid [35], Gemcitabine undDoxotaxel sowie Hochdosis-Ifosfa-mid. Solche Substanzen wurden bis-hernicht systematischgetestet.Dieserfolgt aktuell in der ersten großenEuropäischen Investigator-initiiertenStudie „rEECur“.

    Ein breit gefächerter Screeningtesthat gezeigt, dass vor allem auchEwing-Sarkomzellensehr sensitivaufPARP-Inhibitoren reagieren [36]. Ei-ne erste, nicht randomisierte Phase-II-Studie an 12 Patienten zeigte keinAnsprechen, vier Patienten hatten

    eine stabile Erkrankung für ca. dreiMonate [37]. Weitere Studien, meistin Kombination mit Irinotecan und/oder Temozolomid, werden derzeitdurchgeführt. International wur-den die Tyrosinkinase-InhibitorenCabozantinib (NCT02243605) undRegorafenib (NCT02389244) getes-tet. Beide Medikamente zeigten instark vorbehandelten Osteosarko-men und Ewing-Sarkomen einenbeachtlichen Therapieerfolg mit ei-nem Ansprechen in 40–60 % derTumoren. Zu den derzeit in klini-schen Studien überprüften Sub-stanzen gehören Src-Inhibitoren[38], VEGF-Antikörper [39], Histon-Deacetylase-Inhibitoren sowie Eri-bulin (NCT03245450) und Larotrec-tinib [40].

    Personalisierung von Therapien– die Strategie der Zukunft?

    Entitäten-übergreifend werden inverschiedenen Ländern Europasderzeit Studien oder Pilotstudienzu personalisierter Medizin durch-geführt. Das Konzept dieser Pro-jekte ist es, die Tumorproben zucharakterisieren, um eine möglicheZielstruktur zu identifizieren. In denmeisten Projekten soll sich eine kli-nische Studie in Form einer Basket-Studie anschließen, um den Patien-ten mit nachgewiesener Zielstruk-tur eine personalisierte Medizin an-bieten zu können. Für Patienten mitSarkomen steht in Deutschland dasan DKTK angebotene Master Pro-gramm [41] für erwachsene Patien-ten sowie die INFORM-Studie fürKinder und Jugendliche [42, 43] alsforschungsorientiertes Programmzur Verfügung. Frischtumor- undReferenzmaterial werden in diesenStudien umfassend molekular ana-lysiert. Es wird nach therapeutischadressierbaren genetischen Verän-derungen gescreent. Beide Pro-gramme untersuchen aktuell dentherapeutischen Mehrwert derarti-ger umfassenden Analysen für diejeweiligen Patienten. Während der

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    28 SCHWERPUNKT: SARKOME

    Einsatz in der Breite der Krebsmedi-zin aktuell sicher noch nicht reali-sierbar sein wird, ist der bisherigewissenschaftliche Erkenntnisgewinndieser Programme für die Sarkom-forschung bereits jetzt enorm.

    Literatur:1. Abendroth A, and Bauer S. Adjuvant

    chemotherapy for soft tissue sarcoma?a clear no - well - yes-ish. Dtsch MedWochenschr 2013; 138(41): 2107–2110

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    5. Woll PJ, et al. Adjuvant chemothera-py with doxorubicin, ifosfamide, andlenograstim for resected soft-tissuesarcoma (EORTC 62931): a multicent-re randomised controlled trial.Lancet Oncol 2012; 13(10): 1045–54

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    Vollständige Literatur unter:medizin.mgo-fachverlage.de/onkologie

    Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Sebastian BauerUniversitätsklinikum EssenInnere Klinik (Tumorforschung)Sarkomzentrum, DKTK Standort EssenHufelandstraße 55, 45147 EssenTel.: +49 (0)201 [email protected]@uk-essen.de

    Fortschritte in der molekularen Diagnostik haben zu einer immer bes-seren Unterteilung von Sarkomen geführt. Therapieentscheidungenwerden dadurch allerdings auch komplexer. Dafür haben sich für eineganze Reihe von Tumoren eine Vielzahl neuer Therapieoptionen er-geben. Neben zielgerichteten Therapien bei Desmoiden, Riesenzell-tumoren und GIST sind auch immuntherapeutische Ansätze in den Fo-kus der Behandlung gerückt. Hier kann die Mitbetreuung durch einSarkomzentrum wichtige Therapieoptionen eröffnen.

    Schlüsselwörter:Systemtherapie – Weichgewebssarkom – Checkpoint-Inhibitoren – Des-moid-Fibromatosen – Tenosynoviale Riesenzelltumoren − Gastrointes-tinale Stromatumoren – Knochentumoren – Personalisierte Therapie

    Prof. Dr.Sebastian Bauer

    Prof. Dr.Uta Dirksen

    Zusammenfassung

  • 29SCHWERPUNKT: SARKOME

    4/2019 ONKOLOGIE heute

    Neben der Chirurgie repräsentiert die Strahlentherapie (RT) ein hoch effektives Behandlungsverfahrenzur lokalen Therapie von Sarkomen mit kurativer Potenz. Nach dem Übergang von den mutilierendenEingriffen der Vergangenheit zur funktionserhaltenden Chirurgie, vor allem bei den Extremitäten-sarkomen, aber auch bei inoperablen Sarkomen, hat die Strahlentherapie einen festen Platz im peri-operativen Setting − neoadjuvant oder adjuvant − sowie alternativ zur Chirurgie als alleiniges lokal-therapeutisches Verfahren erhalten. Moderne Verfahren der Strahlentherapie, intensitätsmodulierteBestrahlung (IMRT), bildgeführte Präzisionsstrahlentherapie (IGRT), Brachytherapie (auch intraopera-tiv, IORT) und Partikel-Therapie (z. B. Protonen) haben die Einsatzgebiete der Strahlentherapie er-weitert.

    Grundlage der modernen Strahlen-therapie ist die konformale Radio-therapie, die als optimale Anpas-sung der therapeutischen Isodosenan das medizinisch definierte Ziel-volumen definiert ist. Von einerState-of-the-Art Strahlentherapiewird erwartet, dass simultan zugrößtmöglicher Anpassung der Do-sis an die Tumorregion die best-mögliche Schonung gesunder Or-gane und Gewebe gewährleistetwird.

    Dafür sind zum einen verschiedeneVerfahren der Dosis-Applikation(dose delivery), zum anderen ver-schiedene Verfahren der bildge-stützten Kontrolle (image gui-dance) für die tägliche Bestrahlungvonnöten, um bei zunehmenderKonformalität der Dosisverteilungdie erforderliche Präzision zu si-chern (� Abb. 1).

    Für die Dosis-Applikation stehen ul-traharte Röntgenstrahlen (Photo-nen) zur Verfügung, wobei wegender meist ausgedehnten und kom-plexen Zielvolumen intensitätsmo-dulierte Bestrahlungen bevorzugtwerden. Mit der intensitätsmodu-lierten Bestrahlung (IMRT) gelingtim Vergleich mit den traditionellen

    Bestrahlungstechniken eine optimier-te Anpassung der therapeutischenDosis-Verteilung an das Zielvolumen,so dass die Schonung nicht involvier-ter Gewebe verbessert wird. Dabeieröffnet insbesondere die Möglich-keit, aus verschiedenen Raumrich-tungen auf das Tumorgebiet zu zie-len, weitere Freiheitsgrade, um ge-sundes Gewebe zu schonen undauch an schwierigen Lokalisationen

    dosisgesteigerte Bestrahlungen an-zubieten (� Abb. 2, S. 30). HelikaleTomotherapie, die als Sonderformder IMRT anzusehen ist, bietet auf-grund der rotationalen Technik einhohes Maß an koplanaren Freiheits-graden zur Optimierung einer Do-sisverteilung. Diese werden mittler-weile auch durch rotationale Techni-ken von Linearbeschleunigern (vo-lumetric modulated arc therapy,

    Innovationen in der Strahlentherapie von SarkomenDirk Geismar1, Christoph Pöttgen2

    1 Klinik für Partikeltherapie, Westdeutsches Protonentherapiezentrum, Universitätsklinikum Essen2 Klinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum Essen

    DiagnosticImaging

    DoseDelivery

    Target Volume

    ImageGuidance

    Motion Management Gating

    Tracking

    On-Board-Imaging (MV / kV)

    ConeBeam-CTExacTrac

    MRI

    CTPETMRT

    3DConformal

    IMRT

    Static-Field

    Rotational

    Passive ScatteringIMPT

    Tomotherapy VMAT

    Protons

    Abb. 1: Technologische Aspekte der modernen Strahlentherapie. Neben der Bildge-bung zur Definition des Zielvolumens, stehen die verschiedenen Verfahren zur Dosis-Applikation (dose delivery, s. Text) sowie zur Verifikation und Überwachung (Bildfüh-rung, image guidance) zur Verfügung.

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    30 SCHWERPUNKT: SARKOME

    VMAT) zur Verfügung gestellt, underlaubenhierhäufig inKombinationmit non-koplanaren Einstrahlrich-tungen noch „kompaktere“ Dosis-verteilungen, die aufgrund der spe-zifischen geometrischen Randbedin-gungen heute auch unter dem Be-griff „4pi“-Strahlentherapie zusam-mengefasst werden und mittlerwei-le in verschiedenen Körperregionenuntersucht worden sind [1, 2]. Dabeizeigt sich reproduzierbar, dass trotzhomogenerer Zielvolumenerfassungeine Verbesserung der Gewebescho-nung in der Umgebung des Tumor-gebietes erzielt werden kann.

    Strahlentherapie-Indikationen:perioperativ – definitiv

    Der Einsatz der Strahlentherapie immultimodalen Setting mit Chirurgieverfolgt im Wesentlichen das Ziel,die lokale Kontrolle zu erhöhen,was bei den high-grade Tumorenauch mit einer Verbesserung derGesamt-Prognose assoziiert ist [3].

    Die Indikationsstellung zur post-operativen Strahlentherapie be-rücksichtigt individuelle Risiko-Fak-toren, zu denen neben Resektions-

    Ausmaß Tumorgröße und Gradinggehören. Nach traditionellen Emp-fehlungen wird das gesamte Ope-rations-Gebiet mit großzügigen Si-cherheitssäumen in das Zielvolumender Strahlentherapie eingeschlossen,sodass zur Schonung gesunder Ge-webe moderne konformale Tech-niken notwendig sind.

    Für die neoadjuvante Strahlenthe-rapie gilt, dass sich das Zielvolumenpräoperativ regelhaft besser in derBildgebung abgrenzen lässt undbei der fehlenden Notwendigkeit,chirurgisches Manipulationsgebiet(„surgical bed“) in das Behand-lungsvolumen einzuschließen, inder Mehrheit deutlich kleiner ist alsnach einer Resektion, was die Scho-nung gesunder Gewebe erleichtert[4]. Außerdem führt die präope-rative Bestrahlung zu einer ver-mehrten Fibrosierung der Tumor-Pseudokapsel, was zusammen miteiner abnehmenden Zellularität imRandbereich zu einer verbessertenResektabilität und zu einer Ver-minderung der intraoperativenStreuung von Tumorzellen bei-trägt [5].

    Die Rate postoperativer Komplika-tionen kann allerdings durch prä-operative Bestrahlung erhöht seinund sollte in der interdisziplinärenDiskussion der multimodalen The-rapie-Konzepte sorgfältig abgewo-gen werden [6].

    Die Ausdehnung des Zielvolumensim Zusammenhang mit den Vortei-len einer hoch-konformalen Strah-lentherapie unter den Bedingun-gen bildgeführter Navigation ist inder RTOG-0630-Studie prospektivuntersucht worden.

    Primärer Endpunkt dieser Studiewar, den Effekt einer verkleinertenZielvolumen-Definition auf späteNebenwirkungen (. Grad-2-Lymph-ödem, subkutane Fibrose, Gelenk-Versteifung) der Strahlentherapie(nach zwei Jahren) zu messen, in Re-lation zu den Ergebnissen der Phase-III-Studie NCIC [4, 7]. Patienten mitExtremitäten-Sarkom wurden ge-plant füreinepräoperativeStrahlen-therapie (50 Gy in konventionellerFraktionierung) gefolgt von Extremi-täten-erhaltender Resektion. Tägli-che Bildführung zur Navigation vorder Bestrahlung war eine Vorausset-zung, ebenso wie prätherapeutischeMRT-Bildgebung zur Zielvolumen-definition obligat. Die Ausdehnungdes klinischen Zielvolumens um denmakroskopisch abgrenzbaren Tu-mor herum wurde auf longitudinal2–3 cm reduziert, axiale Erweiterun-gen wurden auf 1–1,5 cm reduziert.

    Daraufhin fanden sich im Vergleichder späten Radiotherapie-Toxizitä-ten zu den 37 % Patienten mit min-destens einer Grad-2-Toxizität ausdem CAN-NCIC-SR2-Protokoll nachzwei Jahren in RTOG-0630 nur10,5 % Patienten mit einer messba-ren späten Toxizität (p I 0,001) [7],was als klare Demonstration derMöglichkeiten zur Gewebeschonungdurch eine moderne Strahlenthera-pie zu werten ist.

    Abb. 2: Hoch-konformale Dosisverteilung mittels non-koplanarer Photonen-Strahlen-therapie zur Behandlung eines inkomplett resezierten Weichteilsarkoms an der Schä-delbasis (obere Reihe: postoperatives T1-KM-MRT, untere Reihe: Planungs-CT mit ent-sprechender Dosis-Verteilung.

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    4/2019 ONKOLOGIE heute

    Am ESMO-Kongress 2018 berichte-te S. Bonvalot vom Institut Curie inFrankreich erstmals über die Ergeb-nisse eines neuen Radiotherapie-In-tensivierungs-Prinzips, das im Rah-men einer prospektiven Phase-II/III-Studie (NCT02379845) geprüft wur-de [8]. Patienten mit einem lokalfortgeschrittenen, potentiell resek-tablen Sarkom von Extremität oderKörperstamm erhielten eine intra-tumorale Injektion von Hafnium-Oxid-Nanopartikeln, die währendder Bestrahlung mittels IMRT bzw.3D-konformaler Photonen-Bestrah-lung zu einer deutlichen Zunahmeder lokalen Elektronen-Dosis füh-ren. In der Intent-to-Treat-Analysewurden 176 Patienten ausgewer-tet, die entweder in den Studien-Arm mit intratumoraler NBTXR3-In-jektion gefolgt von Radiotherapiebzw. Radiotherapie allein randomi-siert worden waren. In beiden Stu-dien-Armen erfolgte nach 50 Gy dieResektion.Dabeiwarendiehistopa-thologisch kompletten Remissions-raten (pCR) nach der kombiniertenTherapie 16,1 vs. 7,9 % (p = 0,0448)und die R0-Resektionsrate betrug77,0 vs, 64,0 % (p = 0,0424) [8], wasdie Möglichkeiten der intensivier-ten präoperativen Radiotherapieunterstreicht.

    Während bei den Extremitätensar-komen mit der Kombination ausChirurgie und Strahlentherapie lo-kale Kontrollraten von 85–90 % beiden high-grade Tumoren und 90 bis100 % bei den low-grade Sarkomenerzielt werden [9], ist die Situationbei den retroperitonealen Sarko-men weniger klar. Der Wert deradjuvanten Strahlentherapie wurdein dieser Region im Rahmen desEORTC-STRASS-Protokolls untersucht[10]; die Ergebnisse sind in abseh-barer Zeit zu erwarten. In einer gro-ßen Case-Control-Analyse haben sichstatistisch valide prognostische Vor-teile für das kombinierte Vorgehenaus prä- oder postoperativer Strah-

    lentherapie und Chirurgie bei denretroperitonealen Sarkomen erge-ben [11], so dass sich zusammen mitdem STRASS-Protokoll für diese In-dikation weitere Klarheit ergebenwird.

    Nicht-resektable SarkomeDiese Tumoren erhalten primär ei-ne definitive Strahlentherapie, diemittels Chemotherapie sequentielloder simultan intensiviert werdenkann.

    Das Ziel der Bestrahlungsplanung istdabei, eine hohe Dosis (66–78 Gy)innerhalb der Normalgewebe-Tole-ranz zu erzielen. Valide Dosis-Effekt-Beziehungen sind in retrospektivenAnalysen beobachtet worden [12,13]. Andererseits gehen aber hoheStrahlendosen, insbesondere in Kom-bination mit einer Chemotherapie,mit einer erhöhten Rate an Neben-wirkungen einher. Insbesondere indieser Situation werden zunehmend

    alternative Strahlenarten (Partikel-therapie: Protonen-/Ionentherapie)mit physikalisch günstigen Dosisver-teilungen zum Einsatz gebracht.

    Partikeltherapie

    Partikelstrahlen, bestehend aus be-schleunigten, geladenen Teilchen(Protonen oder größeren Ionen),haben eine gut definierte, energie-abhängige Reichweite im Gewebe.Während der Partikelstrahl das Ge-webe durchdringt, wird er zuneh-mend verlangsamt und gibt dannden wesentlichen Teil seiner Ener-gie am Ende seiner Reichweite imsogenannten „Bragg Peak“ ab(� Abb. 3). Im Vergleich zur Photo-nenstrahlung wird die Dosis vor undhinter dem eigentlichen Zielvolu-men deutlich verringert. Planver-gleichsstudien konnten entspre-chend zeigen, dass z. B. mit Proto-nen die integrale Normalgewebs-belastung um etwa 50 % im Ver-gleich zu Photonen gesenkt werden

    Dosis

    100 %

    50 %Photonen

    Bragg-Spitze (Bragg-Peak)

    Protonen

    0 cm 10 cm 20 cm 30 cm 40 cm Tiefe

    Abb. 3: Tiefendosiskurve für Photonen und Protonen mit Bragg-Peak.

  • ONKOLOGIE heute 4/2019

    32 SCHWERPUNKT: SARKOME

    kann, was vor allem auf der Reduk-tion des Niedrig-Dosis-Bereichs derDosisverteilungen beruht.

    Gleichzeitig bedingen diese günsti-gen physikalischen Eigenschaftenaber eine Charakteristik, die dieDosis-Verteilung mit Partikeln stör-anfällig für Änderungen in der Pa-

    tientengeometrie macht. Dazu ge-hören Atembewegungen, Verände-rungen der Oberfläche sowie wech-selnde Füllungszustände von Darmund Blase, an deren Reproduzier-barkeit höchste Ansprüche zu stel-len sind. In diesem Zusammenhangsind auch Osteosynthesemateriali-en zu nennen, die aufgrund der ho-

    hen Dichte zu einer erheblichenStörung der Dosisverteilung vonPartikelstrahlung führen können,sodass die Verwendbarkeit von Par-tikeln hier eingeschränkt sein kann.

    Für die Hochpräzisions-Strahlen-therapie kleiner Zielvolumen kön-nen Photonen vorteilhaft sein, weildamit sehr steile Gradienten er-zeugt werden können, die dieseTechnik für besondere Situationenqualifiziert [14].

    Protonenanlagen nehmen seit An-fang dieses Jahrtausends in stei-gender Anzahl den klinischen Be-trieb auf. Heu