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» Akzente 611 DLR | Dezember 2012 « Ist „glutenfrei“ für von Natur aus glu- tenfreien Käse irreführend, so ALTS, 69. Arbeitstagung Juni 2012, unter TOP 9? Mitnichten. Das Regelbeispiel der Werbung mit Selbstverständlichkeiten erfasst (ab 2014) Art. 7 Abs. 1 lit. c LMIV 1169/2011; dieser Artikel ist zwar nicht wort-, gleichwohl inhaltsgleich mit Art. 2 Abs. 1 lit. a) iii) Richtlinie 2000/13. Der deutsche Gesetzgeber übernahm übrigens erst mit Erlass des LFGB nach 26 Jahren (!) mit § 11 Abs. 1 Nr. 3 LFGB diese Fallgruppe des Art. 2 der RL 2000/13 (ex 79/112/ EWG), zu dem es im LMBG kein Pen- dant gab. Irreführend kann das Hervorhe- ben von Eigenschaften (aber nur) sein, trotz ihrer objektiven Richtig- keit, die dem Lebensmittel ohnehin eigen oder gesetzlich vorgeschrieben sind, wenn der Verkehr das Selbst- verständliche der Eigenschaft nicht kennt bzw. erkennt und deshalb zu Unrecht von einem Vorzug des be- worbenen Lebensmittels gegenüber vergleichbaren anderen Erzeugnis- sen ausgeht (Meyer/Streinz, Kom- mentar, 2. Auflage 2012, § 11 LFGB, Rn. 114). In nicht weiter verarbeitetem Zu- stand ist (Natur-)Käse glutenfrei; bei beispielsweise der Verwendung von Gewürz- und Kräuterzubereitungen (für Käse und Erzeugnisse aus Käse; s. §§ 3 und 4 KäseVO) oder der aus Getreide hergestellten Stärke (für Käsezubereitungen) könnte dies aber nicht mehr der Fall sein. Die Freiheit von Gluten ist demzufolge eben keine selbstverständliche Ei- genschaft für Produkte der KäseVO. Aber kommt es hierauf überhaupt an? Nein. Irreführend kann nämlich nicht sein, was legal nach der GlutenVO Es ist der ALTS, der irrt! 41/2009 gekennzeichnet ist. Diese legt in Art. 3 fest, dass ein Lebensmit- tel als „glutenfrei“ gekennzeichnet werden darf, das einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg aufweist, während Lebensmittel, die einen Glutengehalt von 20–100 mg/kg auf- weisen, mit „sehr geringer Gluten- gehalt“ gekennzeichnet werden dür- fen. Diese Vorgaben der GlutenVO 41/2009 gelten auch dann, wenn die Freiheit von Gluten für das jewei- lige Produkt selbstverständlich wäre. Hätte der Verordnungsgeber weitere Voraussetzungen für die Verwen- dung der Auslobung „glutenfrei“ regeln wollen, wie den Ausschluss solcher Lebensmittel, die von Natur aus glutenfrei sind, hätte er dies aus- drücklich aufgenommen bzw. regeln müssen. Eines (aufklärenden) Hin- weises „von Natur aus glutenfrei“ bedarf es daher nicht. Auch ein Vergleich mit der Health-ClaimVO 1924/2006 zeigt, dass wahre Angaben über die Beschaf- fenheit eines Lebensmittels, wie die über Nährwerte, zulässig sind. Nach Art. 8 i. V. m. dem Anhang der HCVO 1924/2006 sind nährwertbezogene Angaben zulässig, losgelöst von der Selbstverständlichkeit einer Aussage für das jeweilige Lebensmittel, sofern die Anforderungen hierfür erfüllt werden. Zulässig ist daher auch die Angabe „fettfrei“ für von Haus aus fettfreie Gummibärchen (so schon OLG Düsseldorf ZLR 2005, 513). Mit seinem „Recht leicht gemacht“ sollte es sich der ALTS (zukünftig) nicht zu leicht machen. Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer Herausgeber DLR meyer.rechtsanwälte Alfred Hagen Meyer

Es ist der ALTS, der irrt!

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DLR | Dezember 2012 «

Ist „glutenfrei“ für von Natur aus glu-

tenfreien Käse irreführend, so ALTS,

69. Arbeitstagung Juni 2012, unter

TOP 9? Mitnichten.

Das Regelbeispiel der Werbung

mit Selbstverständlichkeiten erfasst

(ab 2014) Art. 7 Abs. 1 lit. c LMIV

1169/2011; dieser Artikel ist zwar

nicht wort-, gleichwohl inhaltsgleich

mit Art. 2 Abs. 1 lit. a) iii) Richtlinie

2000/13. Der deutsche Gesetzgeber

übernahm übrigens erst mit Erlass

des LFGB nach 26 Jahren (!) mit § 11

Abs. 1 Nr. 3 LFGB diese Fallgruppe

des Art. 2 der RL 2000/13 (ex 79/112/

EWG), zu dem es im LMBG kein Pen-

dant gab.

Irreführend kann das Hervorhe-

ben von Eigenschaften (aber nur)

sein, trotz ihrer objektiven Richtig-

keit, die dem Lebensmittel ohnehin

eigen oder gesetzlich vorgeschrieben

sind, wenn der Verkehr das Selbst-

verständliche der Eigenschaft nicht

kennt bzw. erkennt und deshalb zu

Unrecht von einem Vorzug des be-

worbenen Lebensmittels gegenüber

vergleichbaren anderen Erzeugnis-

sen ausgeht (Meyer/Streinz, Kom-

mentar, 2. Aufl age 2012, § 11 LFGB,

Rn. 114).

In nicht weiter verarbeitetem Zu-

stand ist (Natur-)Käse glutenfrei; bei

beispielsweise der Verwendung von

Gewürz- und Kräuterzubereitungen

(für Käse und Erzeugnisse aus Käse;

s. §§ 3 und 4 KäseVO) oder der aus

Getreide hergestellten Stärke (für

Käsezubereitungen) könnte dies

aber nicht mehr der Fall sein. Die

Freiheit von Gluten ist demzufolge

eben keine selbstverständliche Ei-

genschaft für Produkte der KäseVO.

Aber kommt es hierauf überhaupt

an? Nein.

Irreführend kann nämlich nicht

sein, was legal nach der GlutenVO

Es ist der ALTS, der irrt!41/2009 gekennzeichnet ist. Diese

legt in Art. 3 fest, dass ein Lebensmit-

tel als „glutenfrei“ gekennzeichnet

werden darf, das einen Glutengehalt

von höchstens 20 mg/kg aufweist,

während Lebensmittel, die einen

Glutengehalt von 20–100 mg/kg auf-

weisen, mit „sehr geringer Gluten-

gehalt“ gekennzeichnet werden dür-

fen. Diese Vorgaben der GlutenVO

41/2009 gelten auch dann, wenn die

Freiheit von Gluten für das jewei-

lige Produkt selbstverständlich wäre.

Hätte der Verordnungsgeber weitere

Voraussetzungen für die Verwen-

dung der Auslobung „glutenfrei“

regeln wollen, wie den Ausschluss

solcher Lebensmittel, die von Natur

aus glutenfrei sind, hätte er dies aus-

drücklich aufgenommen bzw. regeln

müssen. Eines (aufklärenden) Hin-

weises „von Natur aus glutenfrei“

bedarf es daher nicht.

Auch ein Vergleich mit der

Health-ClaimVO 1924/2006 zeigt, dass

wahre Angaben über die Beschaf-

fenheit eines Lebensmittels, wie die

über Nährwerte, zulässig sind. Nach

Art. 8 i. V. m. dem Anhang der HCVO

1924/2006 sind nährwertbezogene

Angaben zulässig, losgelöst von der

Selbstverständlichkeit einer Aussage

für das jeweilige Lebensmittel, sofern

die Anforderungen hierfür erfüllt

werden. Zulässig ist daher auch die

Angabe „fettfrei“ für von Haus aus

fettfreie Gummibärchen (so schon

OLG Düsseldorf ZLR 2005, 513).

Mit seinem „Recht leicht gemacht“

sollte es sich der ALTS (zukünftig)

nicht zu leicht machen.

Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer

Herausgeber DLRmeyer.rechtsanwälte

Alfred Hagen Meyer