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4. Die mitteleuropäischen Orts- und Matronen- namen mit / , p, h und die Spätphase der Indogermania* Abstract The fricatives f,p,h occur in a number of Central European toponyms, e.g. Füssen, Dingolfing (< + Ping-), Haßfurt, and in names of the Rhenish matrons of the 2nd and 3rd centuries A.D., e.g. Matronae Fachineihiae, Matronae Ratheihiae, Matro- nae Hamavehae, which are for the most part derived from toponyms. This does not agree well with the fact that Central Europe became Germanic in the second half of the first millennium B.C. The problem is that these fricatives cannot stem from the Proto-Germanic consonant shift, which had been completed long before the Germanic tribes entered the Central European region. Had f,p,h been plosives in toponyms and matron names when the Germanic tribes arrived they would have been adapted as Germanic plosives, not as fricatives. The fricatives therefore must have existed as part of the names when these were taken over by the Germanic tribes. It is proposed that certain instances off,p,h in toponyms and matron names date back to the third and second millennia B.C., when Palaeo-Italic tribes still lived in Central Europe and applied the Italic consonant shift (PIE + /b h d h g h / > Palaeo-Italic + /f, J), h /) to the Old European toponyms. The "Italic" fricatives f, p, h of the names fitted well into the Germanic sound system and were adopted as such by the new Germanic settlers. The Appendix presents a sketch of the linguistic prehistory of Europe, including the roles of South-Western Europeans including the Basques, of Hamito-Semitic seafarers, and of Indo-European agri- culturalists and, later, military conquerors. In zahlreichen Toponymen Mitteleuropas kommen die stimmlosen Frika- tive /, p, h (bzw. ihre regulären neuzeitlichen Fortsetzungen) vor. Das hat in der Vergangenheit nur selten Verwunderung verursacht. Bekanntlich sind diese Reibelaute für wichtige Sprachen der Region gewissermaßen das de- finitorische Markenzeichen. Warum sollten sie nicht in Gewässer- und Siedlungsnamen vorkommen? Ein dabei selten beachtetes Problem ist, daß Mitteleuropa erst seit ver- hältnismäßig junger Zeit germanisch ist, die Gebiete westlich des Rheins erst seit wenig mehr als zweitausend Jahren und die südlichen deutschspra- Brought to you by | Penn State - The Pennsylvania State University (Penn State - The Pennsylvania State University) Authenticated | 172.16.1.226 Download Date | 6/30/12 2:36 AM

Europa Vasconica - Europa Semitica Volume 803 () || 4. Die mitteleuropäischen Orts- und Matronennamen mit f, p, h und die Spätphase der Indogermania

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Page 1: Europa Vasconica - Europa Semitica Volume 803 () || 4. Die mitteleuropäischen Orts- und Matronennamen mit f, p, h und die Spätphase der Indogermania

4. Die mitteleuropäischen Orts- und Matronen-namen mit / , p, h und die Spätphase der Indogermania*

Abstract

The fricatives f,p,h occur in a number of Central European toponyms, e.g. Füssen, Dingolfing (< +Ping-), Haßfurt, and in names of the Rhenish matrons of the 2nd and 3rd centuries A.D., e.g. Matronae Fachineihiae, Matronae Ratheihiae, Matro-nae Hamavehae, which are for the most part derived from toponyms. This does not agree well with the fact that Central Europe became Germanic in the second half of the first millennium B.C. The problem is that these fricatives cannot stem from the Proto-Germanic consonant shift, which had been completed long before the Germanic tribes entered the Central European region. Had f,p,h been plosives in toponyms and matron names when the Germanic tribes arrived they would have been adapted as Germanic plosives, not as fricatives. The fricatives therefore must have existed as part of the names when these were taken over by the Germanic tribes. It is proposed that certain instances off,p,h in toponyms and matron names date back to the third and second millennia B.C., when Palaeo-Italic tribes still lived in Central Europe and applied the Italic consonant shift (PIE +/bh dh gh/ > Palaeo-Italic +/f, J), h /) to the Old European toponyms. The "Italic" fricatives f , p, h of the names fitted well into the Germanic sound system and were adopted as such by the new Germanic settlers. The Appendix presents a sketch of the linguistic prehistory of Europe, including the roles of South-Western Europeans including the Basques, of Hamito-Semitic seafarers, and of Indo-European agri-culturalists and, later, military conquerors.

In zahlreichen Toponymen Mitteleuropas kommen die stimmlosen Frika-tive / , p, h (bzw. ihre regulären neuzeitlichen Fortsetzungen) vor. Das hat in der Vergangenheit nur selten Verwunderung verursacht. Bekanntlich sind diese Reibelaute für wichtige Sprachen der Region gewissermaßen das de-finitorische Markenzeichen. Warum sollten sie nicht in Gewässer- und Siedlungsnamen vorkommen?

Ein dabei selten beachtetes Problem ist, daß Mitteleuropa erst seit ver-hältnismäßig junger Zeit germanisch ist, die Gebiete westlich des Rheins erst seit wenig mehr als zweitausend Jahren und die südlichen deutschspra-

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96 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

chigen Gebiete dauerhaft erst seit der Zeit zwischen dem 3. und 6. Jh. unse-rer Zeitrechnung, während die Region schon Jahrtausende zuvor dicht be-siedelt war, die Gewässer und die bedeutenderen Siedlungen also schon vorgermanisch benannt gewesen sein müssen. Dabei steht außer Frage, daß die Lautverschiebung, die jene Frikative aus Plosiven, den urindogermani-schen Tenues, entwickelte, lange vor der Germanisierung West- und Süd-deutschlands abgeschlossen war, so daß eine Erzeugung der toponymischen Frikative auf diesem Wege in loco nicht in Betracht kommt: In Toponymen vorgefundene Plosive konnten von den einwandernden Germanen im Zuge der Lautsubstitution nur als Plosive adaptiert werden; eine Substitution von Frikativen für Plosive ist in einer Sprache, die selbst zwei Reihen von Plo-siven hat, ausgeschlossen. Um hier ein wohlbekanntes Beispiel vorauszu-schicken: Die Stadt Füssen im Landkreis Ostallgäu läßt durch ihre exzel-lente Lage vermuten, daß die Siedlung schon lange vor der Germanisierung bestand. Zudem ist ihr Name schon vorgermanisch bezeugt.1 Das anlau-tende / des Namens kann also nicht erst germanisch sein.2 In der vorliegen-den Arbeit möchte ich die Evidenz für vorgermanische / , p, h in Mitteleu-ropa vermehren und mich für eine andere Deutung der Herkunft dieser Lautungen aussprechen. Γ404

Im Zusammenhang meiner Untersuchungen zu den Lautverschiebungen im Germanischen3 habe ich in den letzten Jahren auch die niederrheini-schen Matronennamen, etwas über 80 an der Zahl auf über 1000 Weihe-steinen, untersucht.4 Die lateinischen Inschriften dieser Weihungen, sämt-lich aus der Zeit zwischen 160 und 240 unserer Zeitrechnung,5 sind von Bewohnern des Ubierlandes zwischen Eifel und Rhein westlich von Bonn und Köln veranlaßt worden. Diese sprachen nach unbestrittener Auffassung zumindest zum Teil Germanisch, wie die in (1) zusammengestellten insge-samt zehn Fälle des Dativ-Plural-Ausgangs -ims des adjektivischen Matro-nennamens beweisen.6

(1) (a) MATRONIS AFLIABVS 0015001

MATRONIS AFLIMS 0015002

(b) V AT VI AB YS 0970001

0695001, 0970002, -7, -8, -10 MATRONIS VATVIABVS

VATVIMS 0970011 MATRONIS VATVIMS 0970003, -4, -5, -6, -9

(c) MATRONIS SAIT-1AMIABVS 0810003

MATRONIS SAITCiAMIMIS [sie] 0810002 MATRONIS SAITHAMIMS7 0810001

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 97

(d) GABIABVS SACRVM GABIMS SACRVM8

0410004 0415001 MATRONIS GABIABVS 0410007, -8, -9, -10 (?), 0620128 (?) GABIABVS9 0410001, -2, -3 Γ 4 0 5

In diesen Matronennamen kommen Schreibungen vor, die im Hinblick auf mein Thema interessant erscheinen: z.B. F in (l.a), H10, übrigens auch CH, in (l.c) und TH in (l.c), wo es mit TCH alterniert, und unten in (9), wo dies nicht der Fall ist.

Diese Lettern werden im allgemeinen, z.B. bei Gutenbrunner 1936: 147 und Neumann 1987: 105, als Schreibungen für stimmlose Frikative aufge-faßt, die aus der 1. (Urgermanischen) Lautverschiebung hervorgegangen sind. Diese Auffassung war den genannten Autoren möglich, da sie wie alle neueren Forscher für die Basen der Matronennamen zu einem großen Teil germanische Appellative ansetzten. Daneben lassen freilich fast alle Auto-ren auch Siedlungsnamen als Ableitungsbasen zu; und zumindest für diese Matronennamen stellt sich, wie ich zeigen werde, hinsichtlich der traditio-nellen Deutung der Frikative das eingangs genannte Problem. Ich betrachte zunächst die Matronae Albiahenae in (2).

(2) Matronae Albiahenae 0055001-04; Fundort Ober-Elvenich (a) Hydronym: +Alb-a, evtl. +Alb-in-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Alb-iac-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Alb-iac-in-ae (c') Ubisierter Matronenname Alb-iah-en-(ae) (d) Siedlungsnamendublette: +Alb-in-iac-um oder +Alb-in-ic-um (d') Mitteldeutsch: Elv-en-ich

Diesen Matronennamen stellt man allgemein zum Namen des Fundorts El-venich, obwohl genau genommen dieser eigentlich Elvich heißen müßte11, um exakt zu passen, oder sonst die Matronen nicht Albiahenae, sondern *Albinehae. Aber schon Gutenbrunner (1936: 189) hat bemerkt, daß die Ortsnamen der Region in dieser Hinsicht schwanken, daß es nämlich z.B. für Ulpenich, das auf ein nicht bezeugtes +Ulpiniacum zurückgeht, die in Ulpiaco bezeugte Nebenform +Ulpiacum gab (die heutige Fortsetzung wäre *Ülpich).12 Und so ist, wie Albiahenae zu Elvenich, das allgemein zu Jülich gestellte Matronae Julineihiae, vgl. (3), gewissermaßen spiegelbildlich überliefert.

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98 Mitteleuropäische Orts· und Matronennamen

(3) Matronae Iulineihiae 0510001; Fundort Müntz, 6 km nördlich von Jülich (a) Hydronym: +Jul-a, evtl. +Jul-in-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Jul-in-iac-um o.ä.

Γ406 (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Jul-in-ic-i-ae (c') Ubisierter Matronenname: Iul-in-eih-i-(ae) (d) Siedlungsnamendublette: Jul-iac-um (d') Mitteldeutsch: Jül-ich

Der Siedlungsname Jülich (3.d') setzt das bezeugte Juliacum (3.d) voraus, aber der Matronenname Julineihiae (3.c'), gallo-römisch zu rekonstruieren als Jul-in-ic-i-ae (3.c), setzt ein nicht bezeugtes +Juliniacum (3.b) voraus.13

Tatsächlich sind, wie Albiahenae und Julineihiae alternativ zu einander, so einige Matronennamen direkt als Dubletten belegt, z.B. (4). Allerdings ist in diesem Fall die Bezugssiedlung noch nicht bestimmt worden.

(4) Matronae Veteranehae und Veterahenae 0990001-2614; fast alle aus Dörfern bei Nideggen (a) Hydronym: +Veter-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Veter-an-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Veter-an-ic-ae (c') Ubisierter Matronenname: Veter-an-eh-(ae) (B) Siedlungsnamendublette: +Veter~ac-um (C) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Veter-ac-in-ae (C') Ubisierter Matronenname: Veter-ah-en-(ae)

Im Folgenden kommen weitere solche Dubletten vor. Deutlich ist die Ab-leitung des Matronennamens vom Namen einer noch heute bestehenden Siedlung in (5).

(5) Matronae Chuhenehae 0305001/Chuchenehae -2/Cuchenehae -3, -4; Fundorte: Zülpich und Umgebung; vgl. Kuchenheim, 18 km östlich von Zülpich (a) Hydronym: +Cuc-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Cuc-en-um (b') Ubisierter Siedlungsname: +[kxukxenum], +[kxuxxenum] (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Cuc-en-ic-ae (c') Ubisierter Matronenname: [kxukx-en-ex-(e)]

oder [kxuxx-en-ex-(e)] Γ 4 0 7 (d) Frankonisierter Siedlungsname: [khuxxen(heim)], Kuchenheim15

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 99

Beispiel (5) zeigt zugleich, daß nicht jedes inschriftliche „H"16 verdächtig ist, seinen Ursprung der Urgermanischen Lautverschiebung zu verdanken; denn das h am Ende der Wurzel in Chuhenehae, das mit ch in Chuchenehae und Cuchenehae alterniert und im heutigen Kuchenheim als Frikativ erhal-ten ist, ist der 2. (Althochdeutschen, Hochgermanischen) Lautverschiebung zuzuschreiben.17

Ähnlich wie in (5) ist der Wurzelauslaut bei dem Beispiel (6) behandelt; vgl. meine Analyse in (7).

(6) (c') Matronae Fachineihiae 0365001-6; Fundort nahe Zingsheim MATRONIS FACHINEHIS -4 MATRONIS FACHINEilS -6 MATRONIS FA-IINEHIS -2 MATRONIS FAlINEilS -5 FA-IINEHIS -1 MATRONIS FAilNEIABVS -3

(7) (a) Hydronym: +Fac-in-a, zur Grundform +Fac-ali Γ408 (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Fac-in-iac-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Fac-in-ic-i-ae (c') Ubisierter Matronenname: Fach-in-eih-i-(ae),

d.i. +[fakxinei9i(e)] oder +[faxxinei?i(e)]

Auch das F in (8) bezeugt die Hochgermanische, nicht die Urgermanische Lautverschiebung. Ich fasse es - in der Umgebung nach Μ - als Schreibung für die labiale Affrikata auf.

(8) Matronae Amfratninehae/Amfratnihenae 0105001-1419; 1980 auf dem Domerberg bei Eschweiler-Fronhoven, Kreis Aachen, ausgegraben (a) Hydronyme: +Ampr-a, +Atn-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname, mit

kompositalem Vorderglied: +Ampr+atn-in-um, d.i. +Ampr[-a]+Atn-in-um

(c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Ampr+atn-in-ic-ae

(c') Ubisierter Matronenname: Amfr+atn-in-eh-(ae) (B) Siedlungsnamendublette: +Ampr+atn-iac-um,

d.i. +Ampr[-a]+Atn-iac-um (C) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname:

+Ampr+atn-ic-in-ae (C') Ubisierter Matronenname: Amfr+atn-ih-en-(aef°

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100 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

Hier ist das erste Kompositalglied +[ampfr-], vgl. den Flußnamen Amp-fer, den Ortsnamen Ampfing u.a.21 - In (9) deutet die „TH"-Schrei-b u n g 2 2 ^ , zusammen mit einer gewissen Unsicherheit bei der Behandlung des darzustellenden Sprachlauts, auf den dentalen Frikativ p.

(9) Matronae Authrinehae bzw. Autriahenae 0160001-7; alle aus Hermül-heim bei Köln (c*) MATRONIS AVT^RINEHABVS 0160007

MATRONIS AVDRINEHABVS -1, -2 MATRONIS AVDRINEHIS -3, -4, -5

(C') MATRONIS AVTRIAiENIS -6

In (10) findet sich meine Analyse dieser Namen. Es sind zwei Herleitun-gen, da auch hier eine Suffixvariation des zugrundeliegenden Toponyms auftritt. Γ410

(10) (a) Hydronym: +Aupr-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Aupr-in-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Aupr-in-ic-ae (c') Ubisierter Matronenname: +Aupr-in-eh-(ae), vgl. (9.c') (B) Siedlungsnamendublette: +Aupr-iac-um (C) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Aupr-iac-in-ae (C') Ubisierter Matronenname: +Aupr-iah-en-(ae), vgl. (9.C')

Dies ist eine Auswahl der Namen, von denen einige schon früher an Siedlungsnamen angebunden worden sind. Darüber hinaus habe ich für einige weitere die namengebende Siedlung selbst entdeckt, und zwar je-weils weniger als zehn Kilometer vom Fundort entfernt. Auch in diesen finden sich Frikative und Affrikaten.23 Γ 4 1 1

Die Alaferchuiae, die Gutenbrunner (1936: 202) nur von zwei Inschrif-ten her als Alaferhuiae kannte, sind 1980 auf sechzehn weiteren Inschriften im Doppelheiligtum auf dem Domerberg bei Fronhoven (Eschweiler-Fron-hoven, Kreis Aachen) sowohl als Alaferchuiae wie auch als Alaferhuiae gefunden worden, zusammen mit dreizehn Inschriften der Amfratninehae, s. oben (8), und einer beiden Gruppen geltenden Weihung.24 Meine Herlei-tung des Namens findet sich in (11).

(11) Matronae Alaferhuiae/Alaferchuiae 0035001-1725, 1080008; Haupt-fundort: der Domerberg bei Fronhoven (a) Hydronyme: +Al-a, +Fercu-a (?)26

(b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname, mit kompositalem Vorderglied: +Al-a+fercu-um, d.i. +Al-a+Fercu-um

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 101

(c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Al-a+fercu-i-ae (c') Ubisierter Matronenname: Al-a+ferchu-i-(ae),

d.i. [ala+ferkxy-i-(e)]

Zu +(Al-a+)Fercu-um erwartet man die übliche Namendublette, +Fercu-in-um. Ein solches hätte sich mit den üblichen Lautsubstitutionen, mit der fränkischen Unterdrückung der velaren Affrikata und den nachfolgenden Lautwandeln folgendermaßen entwickelt: +Fercu-in-um => + FerkxV-in-um => +Ferk-in-um > +Ferken. Tatsächlich liegt 8 km östlich des Hauptfund-ortes Verken [f-], und zwischen diesen beiden Orten liegen die Huren Ver-kener Acker und Große Verkener Gewann. - Gegen die bisherigen Deuter und auch gegen den Index MWG trenne ich von den Matronae Alaferchuiae die Matronae Alapierhuiae in (12).

(12) Matronae Alapierhuiae27; Fundorte: Lamersdorf u.a. (a) Hydronyme: +Al-a, +Perhu-a (?)28

(b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname, mit kompositalem Vorderglied: +Al-a+perhu-um, d.i. *Al-a+Perhu-um

(c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Al-a+perhu-i-ae

(c') Ubisierter Matronenname: Al-a+p'erhu-i-fae) für +[ala+pfeiX«-i-(e)]

3 km östlich von Lamersdorf liegt Pier, a. 922 Pirina, a. 874, 1076, 1131 Pirna (Förstemann 1913: II. 484, Gysseling 1960: s.v.), das wahrscheinlich schon in römischer Γ412 Zeit bestand.29 Ein +Perhu-um und die übliche Dublette +Perhu-in-um - bzw. +Perhu-a, +Perhu-in-a - hätten sich, ubisiert als +pferM-a, +PferM-in-a, mit den üblichen Lautsubstitutionen, mit der fränkischen Unterdrückung der velaren Affrikata und den nachfolgenden Lautwandeln durchaus zu heutigem bzw. zwischenzeitlichem Pier und Pirina, Pirna entwickeln können.

Für die Annahme, daß das erste i in Alapierhuiae eine Affrikation an-zeigen soll, gibt es eine indirekte Bestätigung in einer Kölner Weihung, Matribus paternis Hiannanef(atibus) 0480001, die zum Stammesnamen Cannanefates gestellt wird: [kxannanef...].

Die Namen der Chandrumanehae30 und der Matronae Cantrusteihiae31

zeigen im Vergleich, daß der Anlaut affriziert war, denn es dürfte sich bei der inneren Basis um die r-Ableitung verwandter Wurzelerweiterungen (kan-d-, kan-t-) handeln.32

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102 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

(13) (a) Hydronym: +Candr-um-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname:

+Candr-um-an-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname:

+Candr-um-an-ic-ae (c') Ubisierter Matronenname: Chandr-um-an-eh-ae

(14) (a) Hydronym: +Cantr-ust-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname:

+Cantr-ust-iac-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname:

+Cantr-ust-ic-i-ae (c') Ubisierter Matronenname: Cantr-ust-eih-i-(ae) für

+Chantr-ust-eih-i-(ae), d.i. +[kxantrustei9-i-(e)]

In der Weihung aus Zülpich-Enzen, die Rüger (1981: 295) folgendermaßen liest: Matronis M(arcus) Chamari f(ilius) et Alio, steht das „H" (klein) innerhalb des „C".33 Der Dedikant Marcus legte offenbar Wert darauf, daß der Name Chamarus seines Vaters Γ413 [kxamarus], nach germanischer Ak-zentuierung also vermutlich ['kxamarus] gesprochen wurde.34

Ich brauche hier nicht die Frage zu entscheiden, ob alle Matronennamen von Siedlungsnamen abgeleitet seien (ausgenommen die wenigen Fälle, in denen Stammesnamen nachgewiesen sind) oder n u r e i n i g e . Max Ihm 1887 und Friedrich Kauffmann 1892 waren davon überzeugt, daß alle oder fast alle es sind. Ich selbst habe es in meinem noch unveröffentlichten Matronenbuch (i.E.e) durch eine vollständige Analyse aller Beispiele wahr-scheinlich gemacht und bin ebenfalls davon überzeugt; es handelt sich an-gesichts der funktionalen Einheitlichkeit aller Matronenweihaltäre des Rheinlands meines Erachtens um den Namentypus Notre Dame de Paris, Notre Dame de Reims, Unsere liebe Frau von Altötting usw., bloß in ad-jektivischer Form: Die Gottesmutter bzw. die Matronen sind immer diesel-ben, nur die Verehrergemeinschaft wechselt und wird eigens bezeichnet.

Ich wende mich nun noch einmal den Ableitungsbasen der Siedlungs-namen zu - dem, was stehen bleibt, wenn wir die Ortsnamensuffixe strei-chen, also in den Beispielen (2), (3), (4) usw. jeweils der Zeile (a). Hierüber gibt es in der Toponomastik verschiedene Auffassungen.

Der dominanten Auffassung zufolge handelt es sich bei der Ableitungs-basis oft, im Falle der -iac-um-Namen überwiegend, um gallische und rö-mische Personennamen. Diese Auffassung habe ich in allen neueren Lehr-büchern der Namenkunde gefunden, aber auch in Spezialuntersuchungen wie Buchmüller-Pfaff 1990. Ich halte sie für unbewiesen. Für keinen -acum- oder -iacum-Nomen ist jemals ein Bezug zu einer Person entspre-

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 103

chenden Namens hergestellt worden, sowenig wie im germanischen Raum für irgendeinen -ing- oder -/ng-en-Namen (vgl. zu diesen z.B. Wagner 1967) jemals ein Nachweis der Anbindung an eine germanische oder römi-sche oder keltische Person vorgelegt worden ist.

Ich halte diese Theorie auch nicht für wahrscheinlich. Die Kelten, Rö-mer und Germanen kamen als Eroberer, und Eroberer g r ü n d e n nicht Siedlungen, sie ü b e r n e h m e n sie und passen im Regelfall den Sied-lungsnamen ihrer eigenen Sprache an. Und gerade das Ubierland ist, wie alte und auch neueste Funde zeigen, seit der Jungsteinzeit besiedelt. Inso-fern neige ich zur gegenteiligen Ansicht, daß nämlich die alten Γ 4 1 4 Sied-lungsnamen dieser Gegenden von Naturnamen, und zwar überwiegend von Gewässernamen abgeleitet sind; viele Ortsnamen Mitteleuropas sind ja bis heute sogar einfach mit Gewässernamen identisch.

In einem Fall, beim Namen der Matronae Vatviae Nersihenae aus dem Jülicher Land (0695001, vgl. Gutenbrunner 1936: 234, Nr. 110.7), zweifelt übrigens niemand an einem Bezug auf die Nersa, heute Niers.35 Nach mei-ner morphologischen Analyse - ubisch Ners-ih-en-ae aus gallo-römisch +Ners-ic-in-ae - ist lediglich in einem Zwischenschritt ein Ortsname +Ners-ic-um anzusetzen. Ein heutiges *Nersich o.ä. ist mir nicht bekannt, aber zu einem +Ners-ic-in-ae gehört ja, wie sich mehrfach gezeigt hat, wahrscheinlich ein +Ners-in-ic-ae, das wiederum auf ein altes +Ners-in-um schließen läßt.36 Selbst Neumann (1987), der in den Basen der niederrheini-schen Matronennamen überwiegend germanische Appellative erkennt, sieht bei seinen fünf „semantischen Gruppen" (127) eine Gruppe ,,γ. Wasser-läufe: Aumena-, Nersi-, Ratha-, Ruma- und ahva- 'Wasser'" vor.37 Am auf-fälligsten deutet aber die Tatsache, daß ziemlich genau ein Drittel der nie-derrheinischen Matronennamen mit dem Buchstaben Α beginnt, auf einen hydronymischen Ursprung.38

Zieht man alle Matronennamen ab, in denen eine Frikativgraphie ihren Ursprung erst ubischer Lautsubstitution, nämlich der Hochgermanischen Lautverschiebung, verdankt, bleibt eine Reihe von Fällen, in denen die Schreibungen mit erheblicher Sicherheit die Frikative / , p, h bezeichneten. Ich habe sie in (15) zusammengestellt.

( 1 5 ) f , p , h in den niederrheinischen Matronennamen

[f] Anlaut: Fachineihiae 0365001-6, Fernovinehae 0375001-2 [f] Inlaut: Afliae 0015001-2, Atufrafinehae 0155001-739,

Aufaniae 0165001-78, Ifles 0165001 [J)] Anlaut: Textumeihiae 0870001-3 (falls für +Thestumeihiae),

Turstuahenae 0895001-2 (falls für +Thurstuahenae) [£>] Inlaut: +AuprinehaeAAupriahenae: vgl. (9, 10);

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104 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

Etrahenae/Etttrahenae 0360002-4 (falls TTT in 0360004 verschrieben für TH) für Ethrahenae, i.e. +Eprahenae\ Ratheihiae 0785001 Γ415 Hamavehae 0470001, Hiheraiae 0485001 Ahinehiae 0025001, Ahueccaniae 0030001, Alapierhui-ae 0035013, Hiheraiae (s.o.), Mahlinehae 0590001-2, Ulauhinehae 0915001

Wenn man nicht wie ich in den Matronennamen von (15) hydronymische Basen sieht, so muß man gleichwohl nach Ausweis von (16) mit hydro-nymischen Frikativen rechnen, sogar mit p, dem problematischsten dieser Laute:

(16) Flußname Dijle (< Thila, Thilia, vgl. Förstemann 1913: II. 1027, Gys-seling 1960: s.v.) Siedlungsnamen aus Thul- (z.B. Dulder, vgl. Förstemann 1913: II. 1061)

Hans Kuhn (1978b, Teil I) hat dieses Problem der Frikativschreibungen in Ortsnamen gesehen und hat zur Erklärung frühe germanische Invasionen westlich des Rheins erwogen. Das ist aber schiere Verzweiflung; denn wieso sollten diese hypothetischen Germanen der nicht-germanischen Nach-Bevölkerung ausgerechnet Namen hinterlassen haben, noch dazu solche, die sie nach ihrer eigenen Sprache gar nicht hätte aussprechen kön-nen? Nachgewiesen sind Germanen linksrheinisch bekanntlich nicht vor dem letzten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, also viel zu spät, um ihre Lautverschiebung auf die vorgefundenen Toponyme anzuwenden. Wie die Matronennamen zeigen, haben die Germanen die vorgefundene Topo-nymie bloß übernommen, aber nicht geschaffen. Sie müssen also auch/, p und h bereits vorgefunden haben, schaffen konnten sie sie nicht; denn ihre 1. Lautverschiebung war längst vorbei, für vorgefundene p, t, k konnten sie also nicht/, p und h, sondern nur ihre eigenen p, t, k einsetzen.

Das Entsprechende gilt nun aber nicht nur für das Ubierland, sondern auch für große rechtsrheinische Gebiete, sogar für ganz Deutschland, wenn man die Germanen aus Skandinavien kommen läßt, zumindest aber für Süddeutschland, wenn man in Norddeutschland Germanen schon vor der 1. Lautverschiebung ansetzt.40

In Nummer (17) habe ich aus v. Reitzenstein 1991 einige bayerische Siedlungsnamen mit/, p und h im Anlaut zusammengestellt. Es handelt sich in allen Fällen um Städte, Märkte und Pfarrdörfer, also um erfolgreiche, vermutlich sehr alte Siedlungen. Γ416

[h] Anlaut: [χ] Inlaut:

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 105

(17) /-: Fechenbach41, Fischach42, Fladungen43, Freising44, Friesen-hausen45, Fuchsmühl46, Fuchsstadf, FultenbacKM, Füssen

p-49·. Dettelbach50, Dingolfing51, Hersbruck (Hatheresburgdi)52, Γ417 Dillingen53, Dirlewang54

/i-55: Hahnbach56, Harburg51, Haßfiirt5*, Heilsbrunn59, Hindelang Uis Hösbach61, Hollfeld62, Hutthurm63

Aus den genannten Gründen halte ich es für unmöglich, die stimmlosen Frikative f , p und h in Namen westlich des Rheins, in Süddeutschland und übrigens auch in Großbritannien aus der Urgermanischen Lautverschiebung zu erklären. Dann bleibt die Frage, woher diese Lautungen kommen.

Es bietet sich an, die einfachste Annahme zu machen: Sie kommen aus der einzigen weiteren Lautverschiebung der vorgeschichtlichen Indogerma-nia, die stimmlose Frikative / , p und h hervorgebracht hat: der italischen Lautverschiebung, in (18) rechts.

(18) Die stimmlosen Frikative / , p und h in Mitteleuropa

Germ. Uridg.64 Paläo- Paläo-Klassisch Italisch

+/f {>h/ < + / p h t h k h / > +/p t k/ > + / p t k / +/p f tz kx; < + / p ' t ' k 7 > + / b d g / > + / b d g /

ph th kh +/b d ή/ < +/b d $/ > + / b f i d f i g f i /> +/f J>h/

Diese Lautverschiebung hat zwar eine andere Ausgangsreihe im urindoger-manischen Inventar; aber doch dasselbe Resultat. Und da wir die Be-deutung der alteuropäischen toponymischen Wurzeln in den wenigsten Γ 4 1 9 Fällen verstehen, ist eine Herleitung der Wurzeln mit / , p und h mithilfe der italischen Lautverschiebung aus der dritten Reihe genauso wahrscheinlich wie diejenige mithilfe der germanischen Lautverschiebung aus der ersten.65

Daß die Italiker gegen das Ende des 2. Jahrtausends vor unserer Zeit-rechnung aus dem Norden kamen, wurde z.B. von Krähe angenommen. Bei Krähe und Meid 1969:1. 14 heißt es:

In sehr frühe Zeiten muß die Grenznachbarschaft der Germanen mit den späte-ren Ί t a 1 i k e r n* zurückgehen, denn noch im 2. vorchristl. Jahrtausend sind diese aus einer nördlicheren Heimat in Richtung auf ihre nachmaligen Wohn-sitze in der Appenninhalbinsel abgewandert.

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106 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

Diese Annahme ist in der Tat notwendig, um die Abfolge der Sprachkon-takte der Germanen erst mit den Italikern, dann mit den Kelten zu erklären; ich verweise auf die folgenden Zitate: Γ420

Fassen wir zunächst das Italische ins Auge, so kann über die soeben gemachten allgemeinen Feststellungen hinaus mit Sicherheit ausgesagt werden, daß seine Heimat in unmittelbarer Nachbarschaft des Entstehungsortes der germanischen Gruppe gelegen haben muß (Krähe 1954: 71-72).

Auch das ergab sich aus gewissen linguistischen Beobachtungen ..., daß eine Berührung des Germanischen mit dem Keltischen erst eingetreten sein kann, nachdem die bis dahin jene beiden Kreise voneinander trennenden späteren 'Italiker' durch ihre Abwanderung das Feld dafür freigemacht hatten. Eine be-stimmte Gegend in Mitteleuropa für diese Vorgänge zu benennen, ist jedoch vorderhand ebenso wenig möglich wie eine auch nur einigermaßen verbindli-che Angabe über die Zeit, in welcher die 'Italiker' den Norden verließen (Krähe 1954: 171).66

Spezifisch äußerte sich zur Lokalisierung der Italiker vor ihrer Südwan-derung Pokorny (1938: 60):

Die sehr engen Beziehungen [des Keltischen] zum Lateinischen müssen in die Zeit zurückgehen, da die Latiner noch gemeinsam mit den Kelten in West-deutschland saßen.

Die Vermutung eines niederrheinischen Ursprungs der Italiker findet man andeutungsweise in der Literatur, z.B. bei Gysseling, wenn mir seine Gründe auch nicht immer einleuchtend erscheinen:

Misschien mag de noordelijke taal Proto-Italisch genoemd worden, waarbij niet uit het 00g dient verloren dat, eenmaal in het Apennijnse schiereiland overge-plant, de Italische dialecten eigen wegen gingen. Germaans en Italisch moeten immers in een ver verleden buurtalen zijn geweest [Fn.: Verweis auf Krähe 1954, 71-79]. Ook de toponymie lijkt op samenhang te wijzen (suffix eja enz.). Bepaalde volksnamen zijn zowel te onzent als in Italie thuis (bv. Marsi). Alleen bij uitbreiding van het woordenboek tot geheel Frankrijk en Duitsland kan blijken of de term al dan niet juist is (Gysseling 1960: II. 1113).

Ich selbst möchte zu bedenken geben, daß sich eine Reihe von Proble-men auf einen Schlag erledigt, wenn man annimmt, daß vor der keltischen Expansion eine vergleichbare italische Expansion stattgefunden hat, deren maximale Ausdehnung im Europa nördlich der Alpen und südlich - ge-

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 107

nauer: außerhalb - der ältesten Germania übereinstimmt mit der Verbrei-tung der alten Toponyme auf / , p und h. Γ421

Nimmt man an, daß Kuhns (1969a, 1978a) „Nordwestblock" Teil der alten Heimat der Italiker ist, seine Sprache also Paläo-Italisch, so erklärt man nicht nur Kuhns p-Problem (bzw. ρ-ί-Λ-Problem), sondern auch das ebenso gravierende, von Gysseling nicht in vollem Umfang wahrgenom-mene und bei Kuhn ungelöste/-/>-/i-Problem.

Über diese Frikative im Italischen gibt es zwei Auffassungen: eine äl-tere, der zufolge sie im Italischen primär sind, und eine neuere, derzeit be-vorzugte, der zufolge sie aus einem Zwischenstadium stimmhafter Frikative hervorgegangen sind. Ich habe in der Literatur (z.B. Meiser 1986) vergeb-lich nach Gründen gesucht, die die eine oder die andere Annahme erzwän-gen. Aus linguistischer Sicht scheint mir die ältere Auffassung den Vorzug zu verdienen. Das Oskisch-Umbrische mit seinen stimmlosen Frikativen im An- und Inlaut zeigte dann den ursprünglichen Zustand, das Lateinische mit seinen inlautenden Medien eine Weiterentwicklung (wohl kaum eine von Anfang an andere Entwicklung). Den ursprünglichen Zustand zeigen nach dieser Auffassung auch die Matronennamen, denn sie weisen / , p und h auch im Inlaut auf, wie in (15) gezeigt ist; dgl. die Ortsnamen.67 Γ422

Im Anhang skizziere ich, wie sich die vorstehenden Beobachtungen zur späten Indogermania in ein größeres Bild der Entwicklung Europas und des Indogermanischen einordnen lassen.68

Anhang

Ab 8000 v. Chr.: Inbesitznahme Mittel-, West-, Nord- und Osteuropas nach der letzten Eiszeit durch Südwesteuropäisch (Pastoraleuropäisch: Ligu-risch, Iberisch, Alt-Baskisch) sprechende halbnomadische Hirten. Schaffung einer einheitlichen („alteuropäischen") topographischen No-menklatur (einschließlich der Hydronymie) aus den - strukturell ähnli-chen, vermutlich verwandten - Sprachen der Pastoralisten: agglutinie-rend, suffigierend (SOV-harmonisch), einsilbige Wurzeln, obstruenti-sche Wurzelerweiterungen, vokalisch anlautende Derivationssuffixe, determinierendes Schlußsuffix („bestimmter Artikel") -a, gleichberech-tigender Vokalwechsel („Ablaut") in der Wurzel, fünf Vokale, keine Quantität, Vokalharmonie (in Resten), Wurzelakzent (= Initialakzent69), zwei Plosivreihen, keine nicht-sibilantischen Frikative (kein/, p, h).

Ab 5500 v. Chr.: Allmähliche Besiedelung Mittel-, Ost- und Nordeuropas durch Südosteuropäisch (Agrareuropäisch: Indogermanisch) sprechende Ackerbauern aus dem Pannonischen Becken (Karpatenbogen); im 5. Jt.

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bis Pariser Becken, im 4. Jt. bis Skandinavien. Übernahme („Indoger-manisierung") der alteuropäischen pastoralistischen Γ423 topographischen Nomenklatur (mit der Hydronymie) in die agrarische Toponymie.

Ab 5000 v. Chr.: Allmähliche Inbesitznahme der atlantischen Küstenregio-nen und Flußläufe zu Schiff von Nordafrika aus über die iberische Halbinsel und Frankreich bis zu den Britischen Inseln, Norddeutschland (mit Pommern) und Südschweden (Ende 3. Jt. v. Chr. [?], germanische Ethnogenese) durch Afro-Asiatisch (Atlantisch: Semito-Hamitisch) sprechende Pastoralisten/Ackerbauern, die Träger der Megalithkultur. Bedeutung für die atlantische Toponymie nicht zusammenhängend er-forscht.

Um 3500 v. Chr.: Klimaverschlechterung, Landverluste, ständige Expan-sion der Atlantiker, Besiedelung höherer Lagen, Übervölkerung; Milita-risierung Mitteleuropas (Palisaden).

Ab 3500 v. Chr.: Indogermanische militärische Eroberungszüge aus Mittel-und Osteuropa nach Italien, auf den Balkan, nach Kleinasien und Asien (indogermanische Völkerwanderung).

3./2. Jahrtausend v. Chr.: Paläo-Italische Expansion von Norddeutschland (Schwerpunkt Rheinmündung?) nach Norden (britische Hauptinsel), Südwesten (Nordostfrankreich), Osten (Deutschland), Süden (Italien, letzte Welle gegen 1000 v. Chr.). Sprachliche Paläo-Italisierung der eroberten Gebiete, Übernahme (Paläo-Italisierung) der alteuropäisch ba-sierten Toponymie. Mitteleuropa ist am Ende (von Nordost nach Süd-west?) Baltisch, Paläo-Germanisch, Paläo-Italisch und Keltisch. (Durch die wechselnden Kontakte vor und während der Ausbreitung sowie in der Folge: Herausbildung der bekannten Gemeinsamkeiten, Krahes „Alteuropäisch".)

1. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr.: Keltische Expansion (von Südost-frankreich/Westschweiz?) nach Osten (Deutschland, Österreich und weiter bis Kleinasien), Westen (Frankreich, Iberische Halbinsel), Nor-den (Niederlande, Britische Inseln), Süden (Italien). Übernahme („Kel-tisierung") der alteuropäisch basierten Toponymie. Durch Substrate Li-gurisierung, Iberisierung bzw. Baskisierung des Keltischen im Westen (Gallisch, z.B. verstärkte SOV-Syntax), Semito-Hamitisierung des Kel-tischen im Nordwesten (z.B. Idiomatik, Satzbau, Entwicklung zu reiner VSO-Syntax, erforscht vor allem durch Pokorny 1927-30). Caesar un-terscheidet um die Mitte des 1. Jh. v. Chr. westlich des Rheins drei kel-

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tische Gruppen (Gallien bestand, wie jeder weiß, aus drei Teilen, die alle von Galliern bewohnt waren): Im ersten, südlichen Teil saßen die Celtae im engeren Sinne; sie werden zurecht als Kelten auf ligurischem Substrat verstanden. Im zweiten, westlichen Teil saßen die Aquitanien sie werden zurecht als Kelten auf iberischem bzw. baskischem Substrat verstanden. Im dritten, nordöstlichen Teil saßen die Belgae. Die hier skizzierte Theorie vervollständigt die Deutung: Die Belgae waren Kel-ten auf paläo-italischem Substrat. Diesem Substrat verdanken sich die stimmlosen Frikative / , p, h der Fluß- und sonstigen topographischen Namen, damit der Siedlungsnamen und schließlich der Matronennamen Mitteleuropas.

2. Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr.: Germanische und römische Expansion in Mitteleuropa. Übernahme („Germanisierung", „Romanisierung") der alteuropäisch basierten Toponymie.

1. Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr.: Germanisierung der römischen Nie-derlande, großer Teile der britischen Hauptinsel, Süddeutschlands (mit Elsaß), großer Teile der Schweiz, Österreichs. Untergang der Reste paläo-italischer und keltischer Substrate Γ424 in den germanisierten Ge-bieten. Übernahme („Eindeutschung") der alteuropäisch basierten Topo-nymie.

Anmerkungen

* Erstveröffentlichung 1994 in: George E. Dunkel, Gisela Meyer, Salvatore Scarlata und Christian Seidl (eds.), Früh-, Mittel-, Spätgermanisch: Akten der IX. Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft vom 5. bis 9. Okto-ber 1992 in Zürich, 404-425. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert. Der Neu-veröffentlichung wurde eine Zusammenfassung beigegeben.

1. Vgl. v. Reitzenstein (1991: s.v. Füssen): „In einer römischen Inschrift des 4. Jahrhunderts wird ein praepositus militum Fotensium (Offizier der Solda-ten von Füssen') genannt, eine weitere antike Namensform ist 425-430 (Handschrift des 15./16. Jh.) Foetibus." - Der Titel v. Reitzenstein 1991 wird im Folgenden als R abgekürzt.

2. Die Gleichsetzung der toponymischen Wurzel mit der Wurzel des germani-schen Wortes für den Fuß und die Deutung des Namens als 'zu den Füßen des Gebirges' (ebd.) sind deshalb auszuschließen.

3. Vgl. die Synopsen in Vennemann 1985,1994a (mit Literaturangaben).

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110 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

4. Dabei kamen mir einige neuere Werke zustatten, so Neumann 1987 und einige weitere Aufsätze in Bauchhenß und Neumann (Hrsg.) 1987, ferner Scardigli 1989, Untermann 1989b und vor allem der noch unpublizierte In-dex MWG, den am Rheinischen Landesmuseum Bonn Christoph B. Rüger und Brigitte Beyer-Rotthoff besorgen und mit welchem ich durch die Groß-zügigkeit der beiden Autoren bereits habe arbeiten dürfen.

5. Vgl. Rüger 1987: 10, 13; Horn 1987: 41. 6. Vgl. entsprechend, mit der gallischen Dativpluralendung -bo in einer zu

Nfmes gehörenden Inschrift, MATPEBO ΝΑΜΑΥΣΙΚΑΒΟ (Schmidt 1987, 139-140). Diese würde allerdings, wenn Nimes am Niederrhein läge, Matronis Namausehis oder Matronis Namausehabus lauten, da die Endung -ms nur an Stämme tritt, die auf -/- ausgehen (vgl. Vennemann 1993a, Ab-schnitt 6.) - Alle im Folgenden angegebenen Identifikationsnummern be-ziehen sich auf den Index MWG (Rüger und Beyer-Rotthoff i.E.).

7. Meine Lesung (Autopsie); MWG hat SA1TCHAM1MS. 8. GABIMS ist meine Lesung, vgl. Vennemann 1993a: Anhang, Anm. 54. 9. Auch in Komposita, vgl. unten Anm. 21. Ferner einmal MATRONIS

CABIABVS 0410006. 10. Η erscheint in zwei Zeichenformen, „H" und „T\ d.i. 'ganzes Λ' und 'hal-

bes h'. Die Signifikanz dieser Erscheinung wird in Rüger 1986 und Venne-mann 1994f diskutiert.

11. Oder Elfgen, wie das Elfgen 12 km westlich von Gohr, das a. 1085 Elbeke, a. 1141 Elueke hieß und in welchem Gysseling (1960: s.v.) ein altes Albia-cum sieht.

12. +Ulp-in-iac-um > Ülpenich, +Ulp-iac-um > Ulpiaco (so bezeugt: a. 1140 Vlpiaco, Vlpech, a. 1166 Vlpich, vgl. Gysseling 1960: s.v. Ülpenich).

13. Dabei steht in Jul-in-eih-i-ae die Suffixvariante -eih- des sonstigen -eh-nach einem allgemeinen ubischen Lautgesetz, nämlich vor dem Deriva-tionssuffix -i- (vgl. das inschriftliche MATRONIS IVLINEIHIABVS). Das ist in Vennemann 1993a näher ausgeführt.

14. Vgl. zu Veteranehae: VETERANEHIS -1, VETERANE-IIS -23, MATRONIS VETERANEHIS -4, -6, -11, -12, -15, -18-20, MATRONIS VETERANEHIS -14, -16; MATRONIS VETERANEHABVS -5, -10; zu Veterahenae: VETERAHENIS -2, MATRONIS VETERAHENIS -17. Auf ein tiefes e, vielleicht [ac], deuten Schreibungen mit A: MATRONIS VETARANEHIS -9, VATARANEIABVS -3, MATRONIS VATARANE-HABVS -7, -8.

15. Das Beispiel macht anschaulich, wie die Hochgermanische Lautverschie-bung durch die Frankonisierung, beginnend im 4. Jh., partiell wieder rück-gängig gemacht wurde, nämlich außer wo die Affrikaten pf und kx zu Fri-kativen weiterverschoben worden waren; also z.B. +[kxukxena] zu +[kxuxxena], frankonisiert +[kNixxena] bzw. Kuchenheim. Wäre das

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 111

Rheinland nicht frankonisiert worden, hätten etwa die Alemannen die Schlacht bei Zülpich (Gregor von Tours, Historia Francorum II. 37) ent-scheidend gewonnen, hieße der Ort meiner Theorie zufolge heute noch Kchuchen, Chuchen o.ä.

16. Bzw. ,,-T; 0305001 hat MATRONIS CTOENE-ilS. 17. Die Hochgermanische Lautverschiebung zeigt auch der Anlaut des Namens:

Dort alterniert ch mit c, was sich am ehesten bei einer Aussprache als Affri-kata verstehen läßt. Dazu paßt die plosive Aussprache im Anlaut von Ku-chenheim: Durch die kurz nach Fertigung der Matroneninschriften ein-setzende Frankonisierung der Region - die ursprünglichen (salischen) Fran-ken waren Niedergermanen - wurde der extreme Zug der Hochgermani-schen Lautverschiebung, die Affrikation der nicht-dentalen Plosive, im sprachlichen Ausgleich der hochdeutschen Ubier und der niederdeutschen Franken rückgängig gemacht. Die Matroneninschriften bestätigen also, was meine Lautverschiebungstheorie (vgl. oben Anm. 3) ohnehin feststellt: Die Hochgermanische Lautverschiebung fand nicht im 6. bis 8. Jh. und land-schaftlich differenziert statt, sondern war vor Beginn der Expansion des Frankenreichs (im 3. und 4. Jh.) abgeschlossen, und zwar einheitlich in al-pendeutscher Vollständigkeit (also einschließlich der Affrikaten /pfy und /kx/) bis zum damaligen Gegenstück der „Benrather Linie". - Dies scheinen mir erhebliche Änderungen in der Theorie des Germanischen, so daß man mir vielleicht nachsehen wird, daß ich sie hier - in einem indogermanisti-schen Kontext - knapp wiederhole. Vielleicht ist es auch erlaubt, dabei ei-nige der Matronennamen, die ich auch an anderer Stelle schon beigezogen habe (1993a, 1994a), hier systematischer noch einmal zu präsentieren.

18. Vgl. Facft-Namen, z.B. Fachingen, niederdt. Fak- in Vaake an der Weser, Veckenstedt (alt Vakenstede)\ Bahlow 1985: s.v. Fachingen. (Dieses Werk, das zahlreiche philologische und konzeptuelle Mängel aufweist, ist gleich-wohl als überregionale Beispielsammlung unentbehrlich. Der Titel wird im Folgenden als Β abgekürzt.) - S.u. Fechenbach in Bayern (R).

19. Die Beleglage (nach MWG) ist merkwürdig: MATRONIS AMFRATNINE-IIS 0105006-8, MATRONIS AMFRATNINEHIS 0035014; MATRONIS AMFRATNINEIS 0105005 und AMFRATNINEIS (?) -13 haben ihr suffixales h eingebüßt. AMFRATNHENIS -1 und AMFRATNIHENIS -10,-11 sind Suffixdubletten zum Vorigen. Auffällig und ohne Parallele sind die folgenden Formen ohne F: MATRONIS AMRATNINEIS -4 und AMRATNINEIS -12 zum ersteren Suffixtyp, wozu MATRONIS AMARTNINEHIS -9 eine Verschreibungsmetathese sein dürfte. Und schließlich - ein Rarissimum - die Gebäudeaufschrift AMRATNINA -3, nominativisch zu CVRIA. Die verbleibende Form, AMFRATNINIS -2, die das F aufweist, scheint unmittelbar wie AMRATNINA gebildet zu sein. Neumann (1987: 124-125) betont, daß die

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112 Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

Alternanz von F und Null kaum zu erklären sei. Er leitet das F mit der 1. Lautverschiebung her und setzt also für das Vorderglied der Namenbasis ein vorgermanisches *ampro- an. Dieser Lautstand sei „kaum erklärbar": „Aus lautphysiologischen Gründen ist ja stets eine Media als epenthetischer Vo-kal [gemeint ist: Konsonant] zu erwarten." Dem ist beizupflichten. Ich er-kläre die Alternanz aus der Schwierigkeit, die in der römischen Welt neuar-tige labiale Affrikata der Hochgermanischen Lautverschiebung mit lateini-schen Lettern wiederzugeben.

20. Man sieht hier wieder die doppelte Ableitung des Siedlungsnamens mit -in-und ohne dieses.- Zu beachten ist auch, wie hier und auch sonst nach dem Siedlungsnamensuffix -in- das Matronennamensuffix -ic- steht, hingegen nach dem Siedlungsnamensuffix -ic- das Matronennamensuffix -in-: -ic-ic-und -in-in- sind haplologisch ausgeschlossen.

21. B: s.v. Amper. - Neumann (1987: 125) hält -atn- für ein Suffix. Ich sehe darin ein zweites toponymisches Kompositionsglied, at-(V)n-, dies wie in Eten (a. 850 Atina), Attenbach, Atzenbach (B: s.v. Attendorn)·, Attington (Domesday Book Attendorn), Atworth (a. 1001 Attenwröe [sie]); vgl. Ek-wall 1960: s .w. (dieser Titel im Folgenden kurz E, Domesday Book DB). Kompositale Namenbasen sind in den Matronennamen nicht ungewöhnlich, vgl. noch die folgenden, wo erfreulicherweise beim ersten Beispiel dieselbe Wurzel im Vorderglied erscheint, die soeben im Hinterglied festgestellt wurde:

At[-a]+Uf-r-af-in-eh-ae 0155001-7 Vall[-a]+Ab-n-eih-i-ae 0935001-2 Ab-i-a+Marc-i-ae 0100004 Amb-i-a+Marc-i-ae 0005001,0100002-3; Amb-i-o+Marc-i-ae 0100001 Al-a+Ferchv-i-ae 0035001-18,1080008 Al-a+Pierhv-i-ae 0035013 Al-a+Gab-i-ae 0040001 Oll-o+Gab-i-ae 0740001-2 Ar-v-a+Gast-i-ae 0145001 As-er[-a]+Ic-in-eh-ae, Aser[-a]+Ec-in-eh-ae 0150001-3 Oct-o+Cann-eh-ae 0730001-8 Ul[-a]+Auh-in-eh-ae 0915001

Solche toponymischen Komposita sind auch im Mittelalter noch neu gebil-det worden, z.B. im Namen der Stadt Kaufbeuren (Allgäu): vom 10./11. bis 13. Jh. Buorrin usw., im 13. auch Schiltbuirron, ab Beginn des 14. Kufbu-run usw. (R). Kaubeuren bedeutet schwerlich 'Beuren mit Kaufmöglichkeit' (ebd.); vielmehr dürfte kuf-/kauf- selbst bloß Variante einer toponymischen Wurzel sein, und zwar derselben, die auch in Kaufungen, Kupfer (B: s.w.),

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 113

Kufstein usw. vorliegt. - Der Kompositaltyp umfaßt Fälle, wo beide Teile zu den bestbezeugten hydronymischen Wurzeln gehören. Dazu gehört vor allem der Name der Matronae Alagabiae, d.i. Al-a+Gab-i-ae. Es ist keines-falls nötig, in Matronae Gabiae und Alagabiae die Wurzel von geben zu er-kennen; eher wird man sich erinnern, daß mit einem +Gab-a, woraus sich Gabiae auf die übliche Weise herleitet, auch die Dublette +Gab-in-a anzu-setzen wäre, die sich in Siedlungsnamen wie Gevenich findet. Übrigens liegt 3,5 km westlich des Hauptfundorts der Gabiae, Rövenich, der Ort Geich, schon a. 1195 als Geich bezeugt (Gysseling 1960: s.v.) und selbst ein Fund-ort (der Matronae Ulauhinehae 0915001); dabei könnte es sich um ein altes +Gab-iac-um oder +Gab~ic-um handeln.

22. Nämlich die mit ihr wechselnde „T-l"-Schreibung, vgl. oben Anm. 10. 23. Geographisch nicht so eindeutig, aber morphologisch umso transparenter ist

der Name der Matronae Austriahenae. Diese Matres bzw. Matronae - beide Bezeichnungen kommen hier vor - sind erst in den sechziger Jahren ausge-graben worden, fast sämtlich in Morken-Harff im Erftkreis (0180001ff.), einmal in Bad Münstereifel (0180095); mit 108 identifizierbaren Weihun-gen gehören sie zu den größten Gruppen. Aus der Zahl der Bruchstücke läßt sich schließen, daß es noch wesentlich mehr waren, mindestens 250-300 (Kolbe 1960: 53, 119). Aber die Fundumstände - die Bruchstücke waren zwecks Bildung einer Furt in spätantiker oder mittelalterlicher Zeit in einen seither ausgetrockneten Arm der Erft geschüttet worden (50-51) - lassen die Vermutung zu, daß auch die gefundenen Bruchstücke nur einen Teil des ursprünglichen Tempelguts ausmachen. Neben sehr häufigem (Matronis) Austriahenis findet sich einmal bei identischem Fundort die folgende Weihung, die allerdings auch durch die Inversion vom Üblichen abweicht (Kolbe 1960: 58; 0180071): M(ARCUS) IVLIVS / VASSILE/NI F(ILIVS) LEV/BO MATRO/NIS AUSTRI/ATIVM V. S. L. M. Offenbar konnte man die Matronen, die üblicherweise nach einem Ortsnamen bezeichnet wurden, stärker latinisierend auch nach der Bevölkerung des Ortes, hier den Austriates, benennen. Ganz ähnlich schließt Kolbe (1960: 120, vgl. auch 58): „Über die Bedeutung des Beinamens unterrichtet uns der Altar Nr. 5, auf dem wir Matronis Austriatium lesen. Hier wird uns - soweit ich sehe, zum erstenmal in Niedergermanien - das der Bildung eines Matronen-beinamens zugrunde liegende Ethnikon überliefert. Die bei Morken-Harff verehrten Matronen sind danach die Schutzgöttinnen der Austriates gewe-sen. Die Bezeichnung Austriates dürfte am ehesten von einem Siedlungs-namen abgeleitet sein. Allerdings ist weder ein entsprechender antiker noch ein moderner Ortsname, der den antiken bewahrt hätte, in der Umgebung der Fundstelle nachzuweisen." Offenbar hatte Kolbe, obwohl der Weg nicht mehr weit war, noch nicht im -(i)ah- des Matronennamens das gal-lisch-römische Ortsnamensuffix -(i)ac- erkannt, so daß er den von ihm

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postulierten Siedlungsnamen nicht als +Austriacum anzugeben vermochte. Die morphologische Analyse verläuft folgendermaßen: Austriates ist offen-bar Austr-i-at-es, mit dem bekannten ligurischen Siedlungsnamensuffix -(i)at- (Pokorny 1938: 84, Nr. 13), hier offenbar zur Herleitung eines Be-völkerungsnamens verwendet. Im Matronennamen Austriahenae ist vorn ein identisches Teilstück abzutrennen, hinten das Matronennamensuffix und die lateinische Endung: Austr-i-ah-en-ae. Da -(i)ac- bekanntermaßen das domi-nante gallo-römische Siedlungsnamensuffix der Region ist, bietet es sich an, dieses hier einzusetzen (und dazu im Corpus der Matronennamen völlig re-gelmäßige Konsonanten- und Vokaladjustierungen bei den Suffixen vorzu-nehmen): +Austr-i-ac-in-ae. Der von Kolbe gesuchte antike Siedlungsname ist also +Austr-i-ac-um. Da das Tempelgut verschleppt wurde, kann man bei der Suche nach einem Anknüpfungsort nicht wie sonst den Maßstab größter räumlicher Nähe anlegen. Anwendung der Lautgesetze auf +Austri-ac-um ergibt indes ein modernes Östrich. Dazu passen formal z.B. Oestrich, west-lich von Westrich bei Erkelenz, und Östrich am Rhein (vgl. Gysseling 1960: s.w.).

24. Beyer und Gaitzsch 1990: 258. Die Doppelweihung lautet MATRONIS / [ALAF]ERH[V]IAB[VS] / [A]MFRATNINEH[IS] (0035014). S. auch Rü-ger 1983 mit zahlreichen Abbildungen.

25. Vgl. insbesondere ALAFERCHVIABVS -4. 26. Toponymisches ferk· ist nur schwach bezeugt (Förstemann 1913: I. 874).

Immerhin ist das ablautende fork- eindeutig hydronymisch (Förstemann 1913:1. 922).

27. MATRONIS ALAPIERHVIIABVS 0035013. 28. Toponymisches perhu- ist wegen des frühen Λ-Verlusts schwer nachweis-

bar. Es könnte sich in einigen der Namen bei Förstemann 1913: II. 484-485 verbergen, z.B. Pirremont (Bad Pyrmont), Pyrumbach (a. 816, bei Prym).

29. „Römische Siedlungsspuren finden sich nördlich und südöstlich der moder-nen Ortslage Pier" (Beyer und Joachim 1987: 599). In Pier selbst wurde ein Weihestein der Matronae Alusneihiae (0095001-3) gefunden (Beyer und Joachim 1987: 598).

30. CHANDRVMANE-IIS 0285001. 31. (MATRONIS) CANTRVSTEIHIABVS 0245001-2, MATRONIS [?]

CANTRUSTEIIABUS -3. 32. Vgl. zur inneren Basis Canstatt am Canbach (alt Condistat, Candestat,

Chanstada) und Kander(n) an der Kander (alt Cantara) sowie, mit anderem Suffix, Kendenich bei Köln (alt Cantinich, Kentenich), vgl. Förstemann 1913: II. 1642. Vgl. in England Canterton, Cantley, Kent, Kentisbeare u.a. (E: s.w., aber mit anderer Deutung).

33. Vgl. die Abbildung bei Rüger 1981: 296. Ich habe den Stein auch selbst gesehen. - Rüger schreibt: „Chamarus ist ein weiterer Beleg für die velare

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 115

('germanische') Spirans" (295). Eine mutmaßliche velare Spirans wird aber in zahlreichen Fällen bloß mit (ganzem oder halbem) „H" geschrieben. Ich sehe in dieser reizvollen Ligatur einen besonders gelungenen Versuch, die hochgermanische velare Affrikata wiederzugeben. (Freilich kommen gele-gentlich ähnliche Ligaturen auch ohne eine solche Absicht vor.)

34. Eine Verschiebung auch der dentalen Tenuis ist nicht nachweisbar, weil es im 2. und 3. Jh. noch keine Schreibung für die dentale Affrikata gab. Ich kann also nur vermuten, daß das „T" in der folgenden Inschrift für eine sol-che steht:

Matronae Teniavehae 0865001, Fundort Blankenheim bei Schleiden (a) Hydronym: +Ten-i-av-a (b) Abgeleiteter gallo-römischer Siedlungsname: +Ten-i-av-um (c) Abgeleiteter gallo-römischer Matronenname: +Ten-i-av-ic-ae (c') Ubisierter Matronenname: Ten-i-av-eh-(ae),

vielleicht +[tseniav-ex-(e)]

Ich möchte den von Gutenbrunner (1936: 172) abgelehnten Vorschlag auf-greifen, daß einer der drei folgenden Orte gemeint sei: 1. Zingsheim, a. 1131 Cinesheim, a. 1222 [Quelle a. 893] Cinesheym (Gysseling 1960: s.v.), in dessen Nähe ein Tempel der Fachineihiae ausgegraben wurde, 7-8 km nördlich des Fundorts; 2. Zingscheid im Kreis Schleiden, a. 1130 Cine-scheid, 8 km westlich des Fundorts; 3. Zendscheid im Kreis Prüm, 1036 Cinsceith. - Mit meiner Deutung Ten-i-av-eh-(ae) +[tseniav-ex-(e)] < +Ten-i-av-ic-ae vergleicht sich Zür-ich < Tur-ic-um, ebenfalls mit Lautsubstitu-tion nach der Hochgermanischen Lautverschiebung im Anlaut und im Suf-fix, hier durch die Alemannen.

35. Vgl. Gutenbrunner 1936: 194: „Die allgemein angenommene Herkunft des MNs Nersihenae vom Flußnamen Niers, alt Nersa darf als gesichert gelten."

36. Vgl. dazu B: s.v.: „Niers, ndrhein. Nbfl. der Maas ... ist die vorgerm. Nersa, mit der kleinen Nersina 823: daher Neersdonk und Neersen b. M. Gladbach mit kelt. Matronenkult der Nersihenae." Vgl. auch Gysseling 1960: s .w. Nerschina, Nersdomm und Niers.

37. Vgl. auch Krähe 1962. 38. Vgl. zur Erklärung Vennemann 1994a: Abschnitt 7.4. 39. Es gibt m.E. keinen Anhaltspunkt dafür, daß in At[-a]+Uf-r-af-in-eh-ae

(s.o. Anm. 21) das erste „F" des Hydronyms +Uf-r-af-a ein / der Hochger-manischen Lautverschiebung bezeichnete. Für das zweite „F" nehme ich dies allerdings an: Ich halte +Uf-r-af-a (< + Uf-r-ap-a) für die erste Bezeu-gung der lautverschobenen toponymischen -αρα-Namen. In unbetonter Stellung steht einfaches „F" für die labiale Lautverschiebungsgeminata, ge-rade so wie einfaches „H" (bzw. ,,T4) mehrere hundert Mal für die velare

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Lautverschiebungsgeminata in den - stets unbetonten - ubisierten gallo-römischen Siedlungsnamensuffixen steht.

40. Letzteres, wenn man der Theorie von Schmid 1986 folgt. 41. Das Vorderglied des „ursprünglichen Gewässernamens" (R) ist dasselbe

Hydronym, +Fak-in-a, wie oben in (7) bei den Matronae Fachineihiae. Vgl. zu dieser hydronymischen Basis B: s.w. Fechenheim, Fachingen (mit einer Fecht im Elsaß, a. 772 Fachina) und bei Ε neben FooNamen vor allem Fetcham, a. 964-95 Fecham, DB Feceham, a. 1253 Fecchenham.

42. Das fis-k- in Fischach (alt Viscaha, Vischaha) ist ein Naturwort unklarer Bedeutung. Vgl. B: s.w. Fischingen, Fischeln (alt Viscala), E: s .w. Fish-lake (DB Fiscelac), Fishley (DB Fiscele, vermutlich < +Fis-k-al-ä).

43. Hier ist flad eine weit verbreitete hydronymische Wurzel; vgl. B: s.w. Fla-dungen, Fleddermoor, E: s.w. Fladbury, Fledborough.

44. Die Wurzel frig (a. 744 [Kopie a. 824] Frigisinga) ist nach B: s.v. Frille (a. 1168 Frigilide) vorgermanisch. Dafür spricht allerdings die dort angegebene -5/-Ableitung Frigiste.

45. Die Wurzel fris (vgl. bei R a. 1290 Vrisenhusen) ist hydronymisch, vgl. B: s.v. Fries (Quellbach der Haune), E: s .w. Friesthorp (DB Frisetorp), Frisby (DB Frisebi), Friston (DB Frisetuna), Sunk Island (a. 1122-37 Frisamersc), Frizinghall, Frizington (12. Jh. Frisingaton).

46. Die beiden ältesten Belege sind a. 1363 Vossenmül, a. 1379 FossenmüL Ab 1394 tritt ch in den Namenschreibungen auf. Das Vorderglied des Namens stelle ich zur hydronymischen Wurzel fos, fus\ vgl. B: s.v. Vossenack mit der Fösse (zur Leine), E: s.w. Fosham, Foss, Fosse Way.

47. Schwerlich 'eine Stätte, wo sich Füchse aufhalten' (R), sondern nach Aus-weis der ältesten Belege (a. 1166 Fuhstat, 12. Jh. mehrmals Vuchstat, a. 1342 Fuchstat, erst 1800 Fuchsstadt) zur hydronymischen Ablautvariante

fuk/fok von fak (vgl. oben Fechenbach)·, s. B: s .w. Vochem, Vockenbach (Zufluß der Wied), E: s.v. Folkington (DB Fochingtone, a. 1121 Fokintune).

48. Das Vorderglied des „ursprünglichen Gewässernamens" (R) dürfte dasselbe Hydronym sein wie der Name der Fulda.

49. Hierher gehören wegen der frühalthochdeutschen Lautregeln d > t und p> d die meisten der zahlreichen bayerischen Ortsnamen mit D-. Doch ist wegen der meist spät einsetzenden Überlieferung die Schreibung th (für p) selten.

50. Nach R ein ursprünglicher Gewässername. Vgl. a. 889 Thetilabah. Die Wurzel ped (oder pad) ist im deutschsprachigen Raum wegen des frühen Lautwandels p > d schwer nachzuweisen. Aber vgl. E: s .w. Thedden, Thed-dingworth, Theddlethorpe, Thealby.

51. Vgl. a. 773 (Kopie 12. Jh.) Thinolfingas. Unter den zahlreichen deutschen D/ng-Toponymen dürften sich etliche auf eine hydronymische Wurzel ping zurückführen lassen; hinter Dingolfing selbst vermute ich ein altes

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 117

+Ping-al-ap-a. Auch in englischen Siedlungsnamen scheint mir ping nicht immer 'Versammlungsplatz' zu bedeuten.

52. Der Erstbeleg Hatheresburgdi stammt erst vom Anfang des 11. Jh. Da aber alle übrigen Belege bis zum Anfang des 13. Jh. -d- aufweisen (R), dürfte altes -p- vorliegen. In deutschen Toponymen ist had häufig (vgl. B: s .w. Hadamar, Hadeln)', in den meisten Fällen dürfte hap zugrunde liegen. Vgl. bei Ε Haddlesey, ca. 1030 Haöelsd, ca. 1200 Hapelsay („It is possible that Haöel was a name of the lake"); Hadleigh, ca. 1000 (of) Hceplege·, Hatfield Peverel, ca. 995 Hcepfeld; Hatherleigh, DB Hadreleia, a. 1193 Hatherlega, 1228 Hatherleg (also schwerlich 'Hawthorn wood'); u.a.

53. Die konstante Bezeugung (ab dem 10. Jh.) mit D- (R) deutet nach den Laut-regeln auf die Wurzel pil. Vgl. oben (16).

54. Hier gilt das Entsprechende wie bei Dillingen. Die älteren Belege (a. 919 [verunechtet im 12. Jh.] Durniwanc, 1130 Durniwanch, 1302 Därniwank) deuten auf ein altes Vorderglied +Pur-in-a (> Durni(a)-)·, dasselbe auch in Dürrwangen, a. 1258 Durnewanc, 1262 (Kopie 14. Jh.) Därnwanch. Vgl. oben in (15) die Matronae Turstuahenae, wenn für +Purstuahenae, also +Pur-st-u-ah-en-ae, d.i. + Pur-st-u-ac-in-ae, zu einem (unbekannten) +Pur-st-u-ac-um an einer (ebenfalls unbekannten) +Pur-st-u-a, älter wohl, nach geläufigem hydronymischem Muster, +Pur-ust-a. Vgl. pur bei E: s .w. Thirlmere (im Vorderglied vermutlich +Pur-il-a), Thurning (DB Tyrninga, Turninga, a. 1203 Tiringes, 1211 Therning, vermutlich -mg-α-Ableitung von +Pur-in-a), Thurston (DB Thurstuna, Torstuna, ca. 1095 Thurstune, im Vorderglied vermutlich +Pur-us-a oder +Pur-ust-a).

55. Da Toponyme mit H- sehr zahlreich sind, habe ich solche ausgesucht, bei denen die Ableitung aus einer hydronymischen Wurzel leicht gezeigt wer-den kann.

56. Diesen „ursprünglichen Gewässernamen" (a. 1134 Haninbach) stellt R wahlweise zu einem Personennamen Hano und zum Appellativum mhd. han(e) 'Hahn'. Indes ist han eine weit verbreitete hydronymische Wurzel, vgl. B: s.v. Hanfe, E: s.w. Hambrook (DB Hanbrok), Hampole (DB Hane-pol, Honepol - schwerlich 'Hana's pool' oder 'cocks' pool'), Handborough (DB Haneberge), Handford (1158-81 Haneford), Hannington (DB Hanin-done), Hanwell (a. 959 Hanewelle, a. 998 Hanawella - auch dies schwerlich 'Hana's spring' oder 'cocks' spring'). - Zur selben Wurzel stelle ich Hen-

fenfeld; dieses gehört vermutlich nicht wie bei R (a. 1059 [Kopie des 11. Jh.] Hamfenfeld, a. 1119 Henphenuelt) zu hanaf, hanif 'Hanf , sondern zu hydronymischem +Han-ap-a (vgl. B: s.v. Hanfe).

57. Hier setzt R wegen alter Belege mit Hör- ahd. horo 'Schmutz, Schlamm' an. Dieselbe Wurzel (und schwerlich ein Personenname) liegt auch in Herr-sching vor (a. 776 [Kopie von 824] Horscaninga usw.); der Name dürfte vor der Eindeutschung +Hor-isk-a gewesen sein. Auch Hörstein (ca. 1000

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Hurstin, a. 1191 Horsten), vermutlich aus +Hur-ist-a oder +Hor-ist-a, dürfte hierher gehören.

58. Diesen Namen (a. 1230 Hasefurth) stelle ich gegen R zur weit verbreiteten hydronymischen Wurzel has (wie im Namen der oldenburgischen Hase), vgl. B: s.v. Hasede·, dgl. wegen a. 797 (Kopie des 9. Jh.) Hasareoda usw. (R) auch Herrieden.

.59. Im 12. Jh. zweimal Haholdesbrunnen. Da es den bei R angesetzten Perso-nennamen *Hahold nicht gibt, halte ich wegen der Strukturparallelen (Na-gold, Singold) einen (vermutlich abgegangenen) Bachnamen +Hah-ald-a (> ahd. +Hah-olt-a) für wahrscheinlicher. Dieser dürfte auch Hochaltingen (a. 1153 Haheltingen, R) zugrundeliegen.

60. Die ältesten Belege Hundinlanc, Hundilanc, Hfndenlanch usw. meinen schwerlich 'Wang eines Huntilo' (mit einem unbekannten Personennamen

Huntilo), sondern eher 'Lank (oder Lang wie in Langerfeld, Langd, Lan-gen usw.) an einer +Hund-in-a' o.a.; vgl. zum hydronymischen Charakter beider Basen B: s.w. Lenglern bzw. Hundem, Hondelage und (mit anderer Wurzelerweiterung) Hunte. Vgl. auch E: s.w. Hanby (ca. 1115 Hundebi), Houndsditch (schwerlich ein 'ditch into which dead dogs were thrown'), Houndstone (DB Hundestone), Hounslow (mit Hundeshlcew, Hundesgeat).

61. Dieser „ursprüngliche Gewässername" (a. 1189 Hostebach, a. 1225 Hoiste-bach) meint keinen höchsten Bach (R), sondern enthält eine Basis hos-t-, die wegen ihrer Verbreitung (vgl. B: s.v. Hostenbach) und ihrer Ablautver-wandtschaft (ebd.: s .w. Husten, Haste) hydronymisch sein dürfte. Hierher gehören in Bayern vermutlich auch Höchstadt a. d. Aisch (a. 1136-1139 Hostete) und Höchstädt a. d. Donau (a. 1162 Hosteten)', vgl. B: s.v. Höchst.

62. Schwerlich ein hohles Feld, wie R aufgrund der alten Belege, a. 1017 (Ko-pie des 14. Jh.) Holeveit usw., vermutet, sondern eher zur verbreiteten Bach-und Sumpfnamenwurzel hol (vgl. B: s.v. Hollen, Ε unter zahlreichen Hol-Namen).

63. Diesem Namen wird R mit der apodiktischen Feststellung „Dem Siedlungs-namen liegt althochdeutsch huotäri 'Hüter, Wächter' zugrunde" schon laut-geschichtlich nicht gerecht. Die ältesten Belege, a. 1067 (Kopie des 13. Jh.) Hvtarn, ca. 1100 Hötaren usw., lassen ein vordeutsches +Hod-ar-an-a, ein-gedeutscht als + Höd-ar-an-a, vermuten. Dieses paßt nicht nur lautge-schichtlich, sondern ordnet den Namen der mitteleuropäischen Toponymie ein, vgl. z.B. die niederdeutschen Hödingen, Hodenhagen (B: s.v. Hödlin-gen) und bei Ekwall (1960: s.w.) Hodder, Hodcott (dort auch Hodan hlcew), Hoddesdon, Hoddington, Hodnell u.a.

64. Dies ist meine Rekonstruktion (vgl. oben Anm. 3). Aber auf Einzelheiten kommt es hier nicht an, nur auf die Systematik der Entsprechungen.

65. Wolfgang Meid machte in der Diskussion im Anschluß an meinen Vortrag darauf aufmerksam, daß man in einem solchen Rahmen annehmen müsse, in

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 119

den Kontaktregionen sei bis zur Übernahme der besprochenen Lautungen durch Germanen noch Italisch gesprochen worden. Das halte ich allerdings für wahrscheinlich, da ja vor der römischen Herrschaft auch die Gallier Spätankömmlinge waren und nur eine herrschende Schicht stellten, während die Masse der Bevölkerung - vor allem in den ländlichen Siedlungen -durchaus an ihren alten Sprachen lange festgehalten haben kann. Es handelt sich ja lediglich um den ungefähren Zeitraum eines Jahrtausends. Parallelen sind zahlreich: das Drawidische in Indien, das Baskische in Spanien und Frankreich, das Ketschua in den Andenstaaten, das Pelasgische im klassi-schen Griechenland, das Keltische auf den Britischen Inseln, das Sorbische in den deutschen Kolonialgebieten, das Römische (Ladinische) im bairi-schen und alemannischen Sprachgebiet, auch immer und überall die Regio-naldialekte, z.B. das Bairische in den fränkischen und deutschen Reichen. Doch ist Meids Folgerung nicht zwingend: Selbst bei einem lange zuvor eingetretenen Sprachwechsel kann die resultierende Sprache den phonologi-schen Habitus (und damit insbesondere die Aussprache der Ortsnamen) der regional aussterbenden Sprache bewahren, wie etwa das Kastilische den des Baskischen und das Englische in Irland, Schottland und Wales den der kelti-schen Sprachen bewahren. - Eine explizite Aussage zu dieser Frage mit Be-zug auf die Nordwestregion finde ich bei Gysseling (1960: II. 1113): „Dat inderdaad in Gallo-Romeinse tijd /> uitgesproken werd, blijkt uit de substi-tute van/aan p in Feresne < Peresne (= Dilsen)." - Es gibt übrigens in er-heblicher Zahl eigentümliche Wurzeldubletten; z.B., mit Bezug auf (15) und (17): fak-/bak- (B: s.w. Bacharach, Bachra, Bechen), fer-n-/ber-n- (s.v. Berne), ham-/gam- (Gambach),ßad-/blad- (Bladernheim, vgl. für Bayern bei R Plattling), frig-/brig- (Brigach), fris-/bris- (Breisach), fos-/bos- (Bö-sel), fuk-/buk- (Bückeburg), fel-d-/bel-d· (im Ablaut zu ful-d-\ B: Felda, Bel-dengraben), hor-/gor- (Gorleben, Göhrde), hih-/gig- (Gigenberg, Gegen-bach), hah-/gag- (Gagern), hun-d-/gun-d- (Gundheim), hus-t-/gus-t-(Guste), hol-/gol- (Gollern). Vgl. auch B: S. XV. Ob es sich hier um - bei Zehntausenden von Toponymen denkbaren - Zufall handelt oder wie diese Entsprechungen, die sich oft in die Feinheiten der Ableitungsstruktur fort-setzen, andernfalls zu erklären sind (siedlungsgeschichtlich, lautgeschicht-lich), überschaue ich nicht.

66. Wolfgang Meid erwähnte in der Diskussion im Anschluß an meinen Vor-trag, daß Krähe in Vorlesungen die Vermutung angestellt habe, daß die Ita-liker aus Rheinland und Ruhrgebiet abgewandert seien, daß er diese Ansicht aber nie durch Veröffentlichung autorisiert habe.

67. Falls man den lateinischen Zustand als Reflex einer primären Entwicklung oder sonstwie als sehr alt ansieht, erhält die Übereinstimmung der mitteleu-ropäischen Orts- und Matronennamen mit dem Oskisch-Umbrischen zu-sätzliches Gewicht: Sie legt die Annahme nahe, daß in der betrachteten Na-

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen

menregion einst die Vorfahren der Osker und Umbrier saßen, die der Lati-ner abseits, also wohl im Nordosten. - Vielleicht läßt sich aus den histori-schen italischen Sprachzuständen noch Genaueres erschließen. Die nieder-rheinische Region im weiten Sinne, die das Gebiet der Matroneninschriften einschließt, weist ein aus linguistischer Sicht nicht-triviales persistentes Lautgesetz auf, dem zufolge / v o r t zu h, nämlich χ wird, z.B. holländisch [Ιγχί] statt Luft, [χ3ΐίςχί] statt gekoopt oder gekauft. Dieses Lautgesetz gilt auch im Keltischen, und schon lange ist da ein Kontaktzusammenhang ver-mutet worden. Aber m.E. kann man weitergehen: Es gibt bekanntlich eine weitere europäische Sprache, die dieses Lautgesetz aufweist: das Umbri-sche; sonst aber meines Wissens keine.

(a) -pt- > -ft- im Germanischen und im Oskischen -pt- > -ft- > -ht- im Niederländischen, Keltischen und Umbrischen

(b) Lat. scriptus, osk. scriftas, umbr. screihtor < ursabell. skrifto- < vorursabellisch skripto- zur Wurzel skreibh- 'einkratzen, schreiben' (Meiser 1986:93)

Wie im Niederländischen war auch im Umbrischen dieses Lautgesetz persistent, denn es gilt nicht nur für den alten Wortbestand, sondern auch, wie Meiser (1986: 178) schreibt, „postsynkopal, da auch sekundär entstan-denes -pt- über -ft- die gleiche Entwicklung nimmt." Nehmen wir an, daß die Niederlande - in einem weiten Sinn, einschließlich großer Partien, die jetzt zu Deutschland oder zu Frankreich gehören - ursprünglich umbrisch waren, so könnten wir das Vorkommen des Lautgesetzes in diesen und nur diesen drei Sprachen als ein Kontaktphänomen erklären: Die Umbrier hätten es zuerst durchgeführt (oder aus unbekannter Quelle erworben), und die nach Italien abziehenden, aber auch die daheimgebliebenen Umbrier hätten es bewahrt; die ins alte Umbrierland einziehenden Kelten hätten es auf um· brischem Substrat erworben und es bei ihrer weiteren Expansion in ihrer Sprache behalten und z.B. bis nach Irland mitgenommen; schließlich hätten die in das alte Umbriergebiet, nunmehriges Keltengebiet einziehenden Germanen es durch Kontakt mit den Substraten übernommen und bewahr-ten es bis heute. - Helmut Rix äußerte in der Diskussion nach dem Vortrag, er könne sich nicht vorstellen, daß der Unterschied zwischen Latein und Umbrisch in Bezug auf -ft- und -pt- bereits um 1873 [dieses Datum war wohl zur Orientierung der Zuhörer gemeint, denn ich hatte es nicht erwähnt und verbinde nichts mit ihm] in Bonn bzw. der Bonner Umgebung bestan-den habe. Nach allem, was er von der italischen Chronologie wisse, sei das für ihn unvorstellbar. Dies sei aber zugegebenermaßen ein subjektives Ar-gument, es könne auch an seiner unausgeprägten Vorstellungskraft liegen. Diese vermutlich ironisch gemeinte Äußerung, ohne Nennung einschlägiger

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Mitteleuropäische Orts- und Matronennamen 121

Fakten, hilft nicht weiter. In der jüngsten mir bekannt gewordenen längeren Darstellung zur italischen Phonologie (Meiser 1986) habe ich nichts gefunden, was gegen die Annahme spräche. Die von Meiser festgestellte Postsynkopalität beweist nichts, denn ein solches Lautgesetz kann jahrhundertelang wirksam bleiben, wie bekanntlich die urgermanische Frikativierungsregel bis ins Althochdeutsche wirksam blieb (vgl. das Lehnwort Schrift zu schreiben). Meiser (1986: 105) schreibt zwar: .Jünger [als eine Reihe anderer Lautwandel] ist die Spirantisierung der Okklusiven vor t." Er sieht ein hohes Alter der oskisch-umbrischen Frikativierungsregel aber lediglich durch die ungesicherte Etymologie von osk. afti tangiert, dessen Etymon „ungedeutet" sei. Das scheint mir wenig beweiskräftig. -Edgar C. Ροΐοηιέ wies in der Diskussion auf andere Lautwandel zwischen labialen und velaren Frikativen entlang der Nordseeküste hin und in diesem Zusammenhang insbesondere auf Bonebrake (1979). Doch scheint mir der umbrisch-keltisch-niederländische Wandel in seiner Spezifik aus dem Bestand gewöhnlicher lautsubstituierender Veränderungen herauszufallen. Das genannte Werk bietet keine Erklärung.

68. Der indogermanische Teil der Skizze folgt Vennemann (1988a). 69. Als prosodische Eigenschaft in die späteren Supers tratsprachen Paläo-Ita-

lisch, Keltisch und Germanisch vererbt.

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