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- 1 - Der Kern des Design-Arguments in der Biologie Warum sich in der Natur kein „intelligentes Design“ offenbart MARTIN NEUKAMM Inhalt A. Einleitung B. Der Kern des Design-Ansatzes C. Kritik an der positiven Komponente des Design-Arguments C.1 Aus Naturteleologie folgt keine (Handlungs-) Intentionalität C.2 Lebewesen und technische Konstrukte haben radikal verschiedene Eigen- schaften: Biosysteme sind Systeme der Selbstorganisation C.3 Nicht reduzierbare Komplexität C.4 Der Design-Ansatz ist ohne Spezifikation nicht prüfbar C.5 Ein methodologischer Vergleich zwischen ID und der Archäologie C.6 Zwei Eisenmassen in der Sahara C.7 Design-Modelle, die sich zirkelfrei positiv testen lassen, fehlen C.8 Die Kritik des Philosophen Elliott SOBER D. Zielscheibenfehler: Plastizität und „programmierte Variabilität“ als Design- Merkmale E. Das Argument der Konstruktionsfehler F. Kritik an der negativen Komponente des Design-Arguments F.1 Nicht reduzierbare Komplexität als Einwand gegen Evolution F.2 Reduzierbare Spezifität contra nicht reduzierbare Komplexität F.3 Schätzungen zur Unwahrscheinlichkeit von Evolution G. Der Design-Ansatz in der biologischen Forschung G.1 Gibt es „gute“ Erklärungslücken? G.2 Ist der Design-Ansatz ein „Science-Stopper“, oder stärkt ihn die Forschung? H. Zusammenfassung © AG EvoBio – Evolution in Biologie, Kultur und Gesellschaft 10/2018

Evolution und der Kern des Design-Ansatzes in der Biologieag-evolutionsbiologie.net/pdf/2018/evolution-kern-des-design-arguments.pdf · - 2 - A. Einleitung Auf der Website des evangelikalen

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Der Kern des Design-Arguments in der Biologie

Warum sich in der Natur kein „intelligentes Design“ offenbart

MARTIN NEUKAMM

Inhalt

A. Einleitung

B. Der Kern des Design-Ansatzes

C. Kritik an der positiven Komponente

des Design-Arguments

C.1 Aus Naturteleologie folgt keine

(Handlungs-) Intentionalität

C.2 Lebewesen und technische Konstrukte haben radikal verschiedene Eigen-

schaften: Biosysteme sind Systeme der Selbstorganisation

C.3 Nicht reduzierbare Komplexität

C.4 Der Design-Ansatz ist ohne Spezifikation nicht prüfbar

C.5 Ein methodologischer Vergleich zwischen ID und der Archäologie

C.6 Zwei Eisenmassen in der Sahara

C.7 Design-Modelle, die sich zirkelfrei positiv testen lassen, fehlen

C.8 Die Kritik des Philosophen Elliott SOBER

D. Zielscheibenfehler: Plastizität und „programmierte Variabilität“ als Design-

Merkmale

E. Das Argument der Konstruktionsfehler

F. Kritik an der negativen Komponente des Design-Arguments

F.1 Nicht reduzierbare Komplexität als Einwand gegen Evolution

F.2 Reduzierbare Spezifität contra nicht reduzierbare Komplexität

F.3 Schätzungen zur Unwahrscheinlichkeit von Evolution

G. Der Design-Ansatz in der biologischen Forschung

G.1 Gibt es „gute“ Erklärungslücken?

G.2 Ist der Design-Ansatz ein „Science-Stopper“, oder stärkt ihn die Forschung?

H. Zusammenfassung

© AG EvoBio – Evolution in Biologie, Kultur und Gesellschaft 10/2018

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A. Einleitung

Auf der Website des evangelikalen Vereins WORT UND WISSEN findet sich ein Grund-

satzartikel über das Design-Argument in der Biologie. Letzteres nennt sich auch Intelli-

gent Design, kurz: ID. Der Beitrag stammt von Markus WIDENMEYER und Reinhard

JUNKER und dient Menschen als Handreichung, die „methodisch sauber“ für Schöpfung

argumentieren wollen (WIDENMEYER & JUNKER 2016). Vollmundig heißt es, Kritiker wür-

den am Kern des Design-Arguments „scheitern“. Entsprechend wird der Text bewor-

ben – als ein „must read“ für alle, die argumentativ „up to date“ sein möchten.

Der Leser erwartet also eine argumentativ gewichtige Abhandlung zum intelligenten

Design. Doch die Erwartungen erfüllen sich nur teilweise. Tatsächlich unterscheidet

sich die Argumentation der Autoren nicht wesentlich von vorangegangenen Publikatio-

nen. Gleichwohl lohnt sich die Detail-Analyse.

Zum einen stellt der Beitrag Design-Argumente kompakt statt bücherfüllend dar, was die

Kritik erheblich erleichtert. Zum anderen arbeiten sich die Autoren erfreulicherweise we-

nig an biologischen Detailfragen ab. Dies kommt der Diskussion zugute, denn der Streit

darüber, inwiefern die Evolutionstheorie diesen oder jenen Entwicklungsschritt zufrie-

denstellend erklärt, ist fruchtlos. Die Frage, ob die Fakten den Design-Ansatz erhärten,

lässt sich nur auf dem Boden der Methodologie und Logik führen.

Es geht zuallererst um wissenschaftstheoretische Fragen: Ist Intelligent Design eine

vernünftige Alternative zur (naturalistischen) Evolutionstheorie? Ist es rational begrün-

det und durch Forschung zu untermauern? Sind die Einwände seiner Kritiker unzu-

reichend, wie die Anhänger des intelligenten Designs behaupten? Um diese Fragen zu

klären, widmen wir uns zunächst dem Kern der Argumentation nach WIDENMEYER &

JUNKER (2016) und kritisieren ihn dann systematisch.

B. Der Kern des Design-Ansatzes

Als „Design-Ansatz“ bezeichnen die Autoren die These, bestimmte Naturgegenstände

seien ursprünglich auf geistige Ursachen, das heißt auf Schöpfung, zurückführen (S.

2). Dieser Ansatz ist in logischer Hinsicht mit dem Design-Argument verknüpft – dem

Rückgriff auf wissenschaftliche Befunde und logische Aspekte. Design-Argumente

dienen dazu, den Design-Ansatz zu begründen (S. 1).

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Nach WIDENMEYER & JUNKER besteht die Begründung für „eine geistige Verursachung

und damit für das Design-Argument“ aus zwei Komponenten. Erstens:

„1. Der Naturgegenstand zeigt definierte Kennzeichen von Planung bzw. Zielorientierung

(Teleologie), die wir in anderen Fällen ganz entsprechend unseren sonstigen Design-

Erfahrungen (Technik, Kunst) ausschließlich auf einen geistigen Urheber zurückführen

(wir sprechen dann von ‚Design-Indizien‘ oder ‚Design-Merkmalen‘ wie z. B. funktionale

Komplexität; s. u.)“ (S. 1-2).

Insbesondere seien „geistig hervorgebrachte“1 Gegenstände wie Computer „so gestal-

tet, dass ihre Teile in z. T. äußerst komplexen und vielschichtigen Zweck-Mittel-

Beziehungen stehen.“ Die Teile, ihre Form und Anordnung, seien „nur in Bezug auf

ihre Funktionen und letztlich das Ganze, den Zweck des Gegenstands, zu verstehen“.

„Damit ein Gegenstand eine Funktion ausüben kann, benötigt er in der Regel mehrere Bau-

elemente, die in spezifischer Weise jeweils konstruiert und zusammen aufeinander abge-

stimmt sein müssen. Dies betrifft oft ganz verschiedene Aspekte wie Materialeigenschaften,

Form, Steuerung u. a. Diese Bestandteile und ihre gegenseitigen Abstimmungen erfordern

sehr häufig eine hohe Komplexität, die nicht mehr verkleinert werden kann, ohne die in Rede

stehende Funktion vollständig zu verlieren (nichtreduzierbare Komplexität…). Diese Kon-

struktionen sind an sich klare Design-Kennzeichen…“ (S. 5).

Nicht reduzierbare Komplexität ist ein zentraler Begriff des Intelligent Designs. Ein zu-

sammengesetzter Gegenstand ist nicht reduzierbar komplex, wenn sich keines seiner

Bestandteile entfernen lässt, ohne dessen Funktion komplett zu zerstören (BEHE 1996, S.

39). Wir können auch sagen: Interagieren mehrere Elemente spezifisch miteinander, bil-

den sie eine funktional nicht reduzierbare Ganzheit, ein System.2 Stören wir das Zusam-

menspiel der Elemente, gehen seine emergenten Eigenschaften und Strukturen verloren.

Systeme besitzen zwar oft redundante Teile, deren Verlust ihre Aktivität nicht wesentlich

beeinträchtigt. Gleichwohl existiert ein „Kern“ an Elementen, der für das betreffende Sys-

1 Streng genommen stellt der Ausdruck „geistig hervorgebracht“ ein Oxymoron dar: Nie hat jemand ein

Stück „Geist“ etwas Gegenständliches hervorbringen sehen. Stets sind es (materielle) Systeme, die

Dinge hervorbringen, seien es Sterne oder vernunftbegabte Wesen mit komplexen Gehirnen.

2 In der ID-Literatur ist von nicht reduzierbar komplexen Systemen die Rede. Dies ist faktisch ein Pleo-

nasmus, eine überflüssige Doppelung von Wörtern mit gleicher Bedeutung. Wir können hier das Adjektiv

„nicht reduzierbar komplex“ weglassen. Denn es gibt kein System, das keine emergenten Strukturen be-

säße und in diesem Sinn nicht irreduzibel komplex wäre. Alle Systeme haben einen nicht reduzierbar

komplexen „Kern“. Andernfalls sind die betreffenden Elemente in unspezifischer Weise vereint, sodass sie

Aggregate bilden (vgl. MAHNER & BUNGE 2000, S. 26). Daher sprechen wir entweder von Systemen oder –

gleichbedeutend – von nicht reduzierbar komplexen Gegenständen, Merkmalen oder Strukturen.

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tem konstitutiv ist. Lebewesen verfügen über zahlreiche komplexe Strukturen, die diese

Bedingung erfüllen. Die Autoren glauben, „die bekannten natürlichen Mechanismen“

seien „nach aller unserer Erkenntnis bei weitem überfordert“, sie hervorzubringen. Erklä-

rungen, die auf „überlegte Mittelwahl“ verzichten, ließen „a priori keine Merkmale … er-

warten, wie sie bei intentional organisierten Gegenständen vorliegen“ (S. 3).3 Damit sind

wir bei der zweiten, der negativen Komponente des Design-Arguments:

„2. Ein natürlicher Entstehungsvorgang des betrachteten Naturgegenstandes ist unbe-

kannt, und Erklärungsversuche scheitern trotz Wissenszuwachs (im Idealfall können so-

gar Gründe angegeben werden, warum sie scheitern). Ein konkretes Design-Argument

würde demnach geschwächt, wenn naturwissenschaftlich die Möglichkeit eines natürli-

chen Entstehungsvorgangs im Detail nachgewiesen würde, der zum betreffenden De-

sign-Merkmal führt (vgl. Abschnitt 4, Einwand 1). Damit würde das Design-Indiz seine

Kraft verlieren und bekäme Konkurrenz“ (S. 2).

Der Grund, weshalb eine Evolution nicht reduzierbar komplexer Strukturen unplausibel

sei, besteht WIDENMEYER & JUNKER zufolge darin,

„dass kein kontinuierlicher, kleinschrittiger und hinreichend wahrscheinlicher Weg von ei-

nem Zustand ohne diese spezielle Funktion (und ohne die speziell dafür nötige Konstrukti-

on) hin zu einem Zustand mit dieser Funktion (und der dafür nötigen Konstruktion) gedacht

[sic!] werden kann. Jeder einzelne Mutationsschritt müsste eine hinreichende statistische

Wahrscheinlichkeit haben. Er dürfte nicht selektionsnegativ sein, vielmehr müsste die ent-

sprechende Mutante in der Population konserviert und signifikant verbreitet werden. Dabei

müsste er sich dem in Rede stehenden Zustand annähern … Selbstverständlich kann hier

jedoch nicht (schrittweise) auf ein Ziel hin geplant und ‚gearbeitet‘ werden, da natürliche

Mechanismen zukunftsblind sind...“ (S. 7).

„Geistige Urheber“ unterliegen dieser Beschränkung nicht, „da sie zielgerichtet vorgehen

und vorab im Geiste die verschiedensten Aspekte gleichzeitig beachten und aufeinander

abstimmen können.“ Sie wären in der Lage, Organismen am Reißbrett neu zu konzipie-

ren, ohne auf stammesgeschichtliche „Altlasten“ Rücksicht nehmen zu müssen:

„Geistbegabte Wesen (Personen) haben Ich-Bewusstsein, Wertekategorien, Denkver-

mögen, setzen Ziele und verfolgen sie überlegt usw.“ Sie zeichneten sich aus durch:

„Zielsetzung (Zukunftsorientierung), Planung, Wahl (der Mittel), Überlegungen zu Zwi-

schenschritten, Einkalkulieren möglicher Hindernisse, Sich-Vorstellen von Weg und Ziel

(Intentionalität). Natürliche Vorgänge können das nicht“ (S. 2).

3 Woher die Autoren diese „A-priori-Erkenntnis“ haben, wissen wir nicht. Sie tun so, als sei durch evolutio-

näre Algorithmen de novo noch nie Funktional-Zweckmäßiges entstanden. Das ist aus der Luft gegriffen.

Ausfühlich beschäftigen sich MATT et al. (2014) mit diesem Thema. Beispiele darüber, was die Evolution

schon in kurzer Zeit zu leisten vermag, erläutern KRAKER & GERSHENZON (2011) und BEYER (2018).

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Danach wäre der Schluss auf Intelligent Design ein empirischer Analogieschluss, ein

Schluss, der sich aus Erfahrungswissen speist:

„Nach aller unserer Erfahrung gilt: Organisierte Gegenstände entstehen durch den Ein-

satz von Intelligenz und Planung“ (S. 5).

Gleichwohl schließen WIDENMEYER & JUNKER eine natürliche Entstehung biologischer

Systeme nicht kategorisch aus. Sie halten sie lediglich für unplausibel derzeit.

C. Kritik an der positiven Komponente des Design-Arguments

Ist das Design-Konzept eine vernünftige Alternative zur naturalistischen Evolutionsthe-

orie? Ist der Schluss auf ein intelligentes Design in der Natur der Schluss auf die beste

Erklärung, wie seine Proponenten behaupten? Dagegen spricht, wie wir im Folgenden

sehen werden, eine Reihe von Gründen.

C.1 Aus Naturteleologie4 folgt keine (Handlungs-) Intentionalität

Es ist unstrittig: Die in Organismen ablaufenden Prozesse und deren Verhaltenswei-

sen sind komplex. Auch lassen sie sich im Lichte bestimmter „Zweck-Mittel-

Beziehungen“ betrachten. Im Rahmen seiner Naturteleologie verwendete KANT den

Begriff der inneren Zweckmäßigkeit. Dementsprechend sind naturteleologische Termi-

ni, die Zwecke und Ziele anzeigen, in der Biologie gang und gäbe: Das Wehrsekret

des Bombardierkäfers erfüllt „den Zweck“, Angreifer in die Flucht zu schlagen. Die raf-

finiert gestalteten Blütenstrukturen einiger Orchideen „dienen“ dazu, Bienen ihren Pol-

len aufzudrücken. Heliotrope Pflanzen wenden ihre Blätter und Knospen der Sonne zu,

„um“ die Energieproduktion zu steigern. Die Liste ließe sich endlos fortführen.

Um diese Form teleologischer Sprache zu vermeiden, bedarf es einer hohen Sprachdis-

ziplin. Möglich wäre es, wie MAHNER & BUNGE (2000, S. 357) nachweisen, doch die Vorzü-

ge einer guten, bildhaft-anschaulichen Sprache hindern uns meist daran. Dies ist im Prin-

zip harmlos. Problematisch ist das Vermengen von Naturteleologie und der in Artefakten

erkennbaren Handlungsteleologie eines Schöpfers dann, wenn sie Ausdruck einer onto-

logischen Position ist. Das ist der Fall, wenn der Betrachter auf gleiche Ursachen der Ent-

stehung schließt. So lesen wir bei WIDENMEYER & JUNKER (S. 1):

4 Zur Erläuterung: Der Begriff „Naturteleologie“ ist hier beschreibend gemeint. Er bezieht sich auf bioti-

sche Strukturen, die eine positive Auswirkung auf den Fortpflanzungserfolg ihres Trägers haben.

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„1. Der Naturgegenstand zeigt definierte Kennzeichen von Planung bzw. Zielorientierung

(Teleologie), die wir in anderen Fällen ganz entsprechend unseren sonstigen Design-

Erfahrungen (Technik, Kunst) ausschließlich auf einen geistigen Urheber zurückführen

(wir sprechen dann von ‚Design-Indizien‘ oder ‚Design-Merkmalen‘ wie z. B. funktionale

Komplexität; s. u.)“ (S. 1-2).

Ein solches Parallelisieren von Natur- und Handlungsteleologie (Intentionalität) ist unstatt-

haft, da sich beide Formen kategorial voneinander unterscheiden: Eine Handlungsteleolo-

gie spiegelt sich in Objekten, an denen wir die gedankliche Vorwegnahme eines äußeren,

nicht dem Gegenstand dienlichen Ziels ablesen. Diese besitzen in aller Regel keine intern

zweckmäßigen Strukturen. Mit der Naturteleologie verhält es sich umgekehrt. Sie betrifft

Systeme, die „um ihrer selbst willen“ existieren: Ihre Strukturen dienen der Selbstorganisa-

tion und Reproduktion. Im Gegensatz zu Maschinen, die nur „bewegende Kraft“ haben,

haben Naturgegenstände „in sich bildende Kraft“ (TOEPFER 2004, S. 333). Wer sie trans-

zendiert, ihnen einen Schöpferwillen oder die Tendenz zur Selbstdarstellung der Lebewe-

sen voranstellt, überschreitet das empirisch Begründbare (vgl. TOEPFER 2004, S. 198).

Verdeutlichen wir dieses Argument anhand einiger Beispiele: Autos, Computer, Nuss-

knacker, Trinkgefäße und Uhren sind zweckmäßig und funktional. Sie sind es im Hin-

blick auf ein äußeres Ziel. Es sind fremddienliche Werkzeuge – von Menschen und

für Menschen gemacht, keine Werkzeuge der Selbstorganisation. In Kenntnis des De-

sign-Zwecks schließen wir ohne zu zögern auf einen Zwecksetzer. Bei Lebewesen ist

ein solcher Schluss nicht ohne weiteres möglich, weil sie selbstdienliche Strukturen

besitzen, jedoch keine fremddienlichen Werkzeuge, die den Schluss auf Planer recht-

fertigen. Diese Naturteleologie spiegelt sich exklusiv in den sich wechselseitig hervor-

bringen Teilen eines Organismus. Es stellt daher

„… eher eine Irreführung als eine gerechtfertigte methodische Parallelisierung dar, wenn

beide Bereiche mit der einheitlichen Begrifflichkeit der Teleologie, insbesondere mit dem

Wort Zweckmäßigkeit, erschlossen werden sollen. Nach dem Ergebnis meiner Arbeit

verliert die Zweckmäßigkeit in den Bereichen der Handlungs- und Naturteleologie die

Einheitlichkeit ihrer Bedeutung“ (TOEPFER 2004, S. 425).

Merke: Aus Naturteleologie folgt keine (Handlungs-) Intentionalität. Der Schluss

von der inneren Zweckmäßigkeit biotischer Prozesse auf einen handelnden

Zwecksetzer ist unstatthaft (TOEPFER 2004, S. 425f). Aus diesem Grund prägte

Colin S. PITTENDRIGH den Begriff „Teleonomie“, um diesen Effekt konzeptionell und

begrifflich sauber von intentionalem Telos zu unterscheiden.

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C.2 Lebewesen und technische Konstrukte haben radikal verschiedene

Eigenschaften: Biosysteme sind Systeme der Selbstorganisation

Es kommt ein wichtiger Punkt dazu: Menschen kommen nicht umhin, Computer und

Uhren zu planen, zu konstruieren und zusammenzusetzen. Der Grund: Sie entwickeln

sich nicht aus Eizellen. Sie wachsen nicht, sie pflanzen sich nicht fort und unterliegen

keiner Mutation und Selektion. Daher kommen sie von vorn herein nicht als Produkt

evolutionärer Entwicklung in Betracht. Aber Lebewesen wachsen und vermehren sich.

Sie haben eine Generationenfolge. Und die Nachkommen unterscheiden sich von den

Eltern in Bezug auf Aussehen und Fitness (differenzielle Tauglichkeit der Varianten).

Mit einem Wort: Lebewesen sind evolutionsfähige Mehrgenerationen-Systeme.

Dies schließt zwar nicht aus, dass sie anfangs „designt“ wurden, aber ein solcher

Schluss ist nicht naheliegend. Er widerspricht all unseren Daten und Erkenntnissen.

Das wäre selbst dann der Fall, wenn es gelänge, Roboter zu konstruieren, die sich

„vermehren“. Denn es ist klar, dass Roboter kein natürliches, organisches Wachstum

mit zellulärer Differenzierung durchlaufen würden. Und sie wären nicht zeugungsfähig

im eigentlichen Wortsinn. Ihre „Nachkommen“ müssten sie händisch fertigen. Die An-

führungszeichen zeigen den Unterschied auf: Roboter unterscheiden sich kategorial

von allen Naturgegenständen: Es gibt hier keine Zellteilung, kein Wachstum, keine

Mutation, keine Rekombination, keine Selektion und keine natürliche Evolution.

Ein Beispiel, das BEYER (2018) anführt, veranschaulicht den fundamentalen Unter-

schied: Im Rahmen der Züchtung neuer, pollensteriler Maissorten entstand ein Protein

mit der prosaischen Namen T-urf13, das um 1970 entdeckt wurde. Im Verbund mit

einigen weiteren T-urf13-Molekülen bildet es Strukturen in der inneren Mitochondrien-

Membran, die einen chemisch gesteuerten Kanal formen: Er besitzt Bindestellen für

Moleküle, die dafür sorgen, dass der Kanal öffnet und Ionen die Membran passieren

lässt (Abb. 1). Dieser Mechanismus ist hochspezifisch: Er bewirkt zu einer definierten

Zeit der Blütenreifung der Mais-Pflanze „gezielt“ das Absterben der betreffenden Zel-

len in den Staubblättern. Die Pflanze bleibt vital, bildet aber keine Pollen mehr.

WIDENMEYER & JUNKER würden sagen, das System wirke hochgradig „zielgerichtet“:

Seine Teile stehen in einer spezifischen „Zweck-Mittel-Beziehung“, die die Züchter se-

lektierten. Doch der Clou ist, dass sie diese Struktur weder gezielt erschufen, noch

durch Mutation eines anderen Ionenkanals gewannen. Das Gen, welches für das

Protein kodiert, entstand zufällig durch Rekombinationen mitochondrialer DNA.

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Nach allem, was wir heute wissen, kodierten die Bruchstücke niemals ihn ihrer

Geschichte für Proteine. Es ist ein lupenreines Beispiel evolutiver Flickschusterei.

Abb. 1 Links: Funktionsweise chemisch gesteuerter Ionenkanäle. Binden bestimmte

Moleküle an einer dafür „vorgesehenen“ Bindungsstelle, öffnet der Kanal. Ionen können

die Membran passieren. Rechts: Quartärstruktur eines multimeren Kanalproteins.

Unter der Zwischenüberschrift „Warum der Vergleich von Lebewesen mit Design hinkt“

schreibt BEYER (2018):

„Stellen Sie sich vor, Sie knipsen Bilder mit Ihrer Digitalkamera und kopieren sie auf Ih-

ren PC. Dabei werden die Dateien beschädigt, wodurch Anteile neu kombiniert und etli-

che Bits verändert werden. Es entsteht eine neue, kleinere Datei, die nicht mehr als Bild-

datei lesbar ist. Stattdessen ist nun eine Programmdatei entstanden, die Musikdateien

lesen und abspielen kann! Jeder, der ein wenig Ahnung von Programmierung hat, weiß,

dass so etwas nie und nimmer vorkommen kann. Im Fall der Evolution des Proteins T-

urf13 ist aber genau dies passiert.“

Wir sehen: Technische Systeme und Natursysteme sind nur begrenzt vergleichbar.

Technische Systeme sind und bleiben tote Systeme. Natürlichen Systemen ist die Fä-

higkeit zur Selbstorganisation inhärent. Letzteres schließt die Entstehung funktionaler

Neuheiten ein. Auf gleiche oder ähnliche Ursachen darf nicht geschlossen werden.

Merke: All unser Wissen zeigt, dass Lebewesen evolutionsfähige Mehrgenerationen-

Systeme sind. Eine tragfähige Analogie zwischen technischen und biologischen Sys-

temen, die den Schluss auf Design rechtfertigen würde, ist nicht gegeben.

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C.3 Nicht reduzierbare Komplexität

Spätestens an dieser Stelle wenden ID-Vertreter ein, Biosysteme unterschieden sich

zwar hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation von technischen Gegenstän-

den. Sie seien aber nicht so verschieden, dass sich der Schluss auf gleiche Ursachen

verbiete. Bereits LÖNNIG (1993) merkte hierzu an:

„Man hört hierzu manchmal den Einwand, dass sich die von Menschen erschaffenen ky-

bernetischen Systeme nicht fortpflanzen können. Dabei wird völlig übersehen, dass Mi-

tose und Meiose selbst ungeheuer komplexe kybernetische Systeme darstellen, deren

erfolgreiche Funktion unter anderem das genauestens koordinierte Zusammenspiel von

Hunderten von Genen erforder[t].“

Dieser Autor hebt implizit auf die Eigenschaft hochgradiger nicht reduzierbarer Kom-

plexität ab und deutet sie als Designindiz (so auch WIDENMEYER & JUNKER, S. 3). In

formalisierter Form könnte das Argument beispielsweise wie folgt lauten:

Formallogisch ist gegen dieses Argument nichts einzuwenden. Aber die Prämisse, ähn-

liche Eigenschaften (nicht reduzierbare Komplexität) hätten ähnliche (intelligente) Ursa-

chen (causa aequat effectum), ist nicht allgemein gültig (Martin MAHNER, pers. Mittei-

lung). Es ist nur begrenzt möglich, Rückschlüsse von einer bekannten Wirkung auf eine

unbekannte Ursache anzustellen. Selbstredend haben nicht reduzierbar komplexe tech-

nische Gegenstände intelligente Ursachen. Dennoch ist der Schluss über die unbelebte

Welt hinaus aus mehreren Gründen nicht stringent.

Zunächst trifft Randbedingung 2 in dieser Form nicht zu: Wir haben gesehen, dass mit

dem T-urf13-Protein ein hochspezifisches, nicht reduzierbar komplexes Merkmal evol-

vierte. Aber nehmen wir pro forma an, die Randbedingung wäre korrekt, der Ionenka-

Prämisse: Nach unserer Erfahrung gehen (hochgradig) nicht reduzierbar komplexe Merk-

male auf Intelligenz und Planung zurück.

Randbedingung 1: Lebewesen beinhalten (hochgradig) nicht reduzierbar komplexe organi-

sierte Merkmale.

Randbedingung 2: Die Suche nach natürlichen Erklärungen zur Entstehung von (hoch-

gradig) nicht reduzierbar komplexen Strukturen blieb bislang ergebnislos.

Folgerung: Der Schluss auf die beste Erklärung ist, dass Lebewesen erschaffen wurden.

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nal aus irgendwelchen Gründen kein überzeugendes Beispiel. Dann wäre der Schluss

auf Design noch immer nicht gerechtfertigt. Denn es ist fraglich, ob nicht reduzierbare

Komplexität für den Analogie-Schluss überhaupt bedeutsam ist.

Zum einen ist Komplexität kein notwendiges Design-Kriterium. Wir benötigen sie nicht,

um Gegenstände wie Tonscherben, Mauerreste und Kleidung als Artefakte zu identifizie-

ren (MAHNER 2007, S. 341). Ein weiteres Beispiel stammt von den Autoren: Verwitterungs-

Strukturen in den Alpen im Vergleich zu den Menschenköpfen von der Osterinsel (Abb. 2):

„Das rechte Bild zeigt die berühmten Steinköpfe auf den Osterinseln. Hier wird niemand

auf die Idee kommen, sie alleine durch Erosion und Materialeigenschaften zu erklären.

Die Formen (Menschenfiguren) korrelieren hochspezifisch mit typischen Zielsetzungen

geistig begabter Wesen. Dies ist (hier) die bildhaft-abstrakte Darstellung von menschli-

chen Portraits. Dies rechtfertigt, a priori eine künstliche Entstehung anzunehmen. Wenn

bei hinreichender Kenntnis natürlicher Prozesse mechanistische Erklärungen für eine na-

türliche Entstehung derartiger Formen nicht vorliegen, haben wir gute Gründe, eine na-

türliche Entstehung auszuschließen“ (S. 4).

Abb. 2 Links: Felskopf in den Stubaier Alpen unterhalb des Kalbenjochs bei der Gemeinde

Trins. Rechts: Figuren auf den Osterinseln. Aus: WIDENMEYER & JUNKER (2016, S. 3).

Faktisch haben die Autoren hier Recht. Doch nicht Komplexität oder Funktionalität,

sondern das Wissen darüber, dass menschenähnliche Portraits durch Menschenhand

entstehen, stellt die Verbindung zu Design her. Wären menschliche Köpfe geformt wie

besagter Felskopf, vermuteten wir in dieser Struktur ein Konstrukt. Dann deutete ledig-

lich die Vielzahl der Blöcke auf den Osterinseln darauf hin, dass sie designt wurden.

Sämtlichen Analogie-Beispielen aus der Intelligent-Design-Literatur sehen wir ihre Tri-

vialität an: Autos, Computer, Motoren, Portraits, Raumschiffe, Uhren und Zahnräder

zeichnen sich durch ihren „Wiedererkennungswert“ aus. Dies gälte auch für so exoti-

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sche Objekte wie extraterrestrische Radiowellen, denen die Kreiszahl Pi bis auf 1000

Nachkommastellen aufmoduliert wäre. SETI-Forscher schlössen daher auf einen künst-

lichen Ursprung, auf eine planmäßige Urheberschaft (NEUKAMM 2009, S. 49).

Andererseits ist selbst hochgradig nicht reduzierbare, funktionale Komplexität kein zu-

verlässiges Design-Indiz. Auch wenn wir nicht wüssten, wie sie zustande kam, wäre

der Design-Schluss unstatthaft. Ein Beispiel aus der nichtbelebten Welt: Der globale

Wasserkreislauf und dessen Verzahnung mit atmosphärischen und kosmischen Be-

dingungen ermöglicht Leben auf der Erde. Diese „Feinabstimmung“ lässt sich als eine

Form nicht reduzierbarer Komplexität auffassen (DRENDEL 2016). Trotzdem offenbart

sich in ihr nicht die Handschrift eines Designers. Sie entstand über Jahrmilliarden auf-

grund von Prozessen, die nicht abzusehen waren. Der Weg dahin verlief nicht zielori-

entiert geradlinig, und die Bedingungen auf der Erde sind ein kosmischer Glückstreffer.

Auf einen lebensfreundlichen Planeten kommen Tausende unbewohnbarer. Dieser

„sinnlose Aufwand“ (SCHMIDT-SALOMON 2005, S. 5) ist für Planung atypisch. Wie so oft,

fokussieren die ID-Anhänger auf den vermeintlichen „Sinn“ und übersehen den „Un-

sinn“. Treffend bemerkt CARROLL (2015):

„Die Sonne wird eines Tages kein Leben mehr auf der Erde zulassen. Schon heute lässt sie

auf den übrigen Planeten keinerlei Leben zu. Was folgt daraus für Design? Nichts. … Wir kön-

nen nicht leugnen, dass wir nicht existieren würden, würde unsere Existenz nicht durch Millio-

nen von Faktoren gestützt. Ja und? Viele dieser Faktoren existierten in der Vergangenheit

nicht und werden in Zukunft auf unserem Planeten nicht mehr existieren“ (ins Deutsche M.N.).

C.4 Der Design-Ansatz ist ohne Spezifikation nicht prüfbar

Wenden wir uns der Frage der Prüfbarkeit des Design-Ansatzes zu:

„Können wir empirisch bestätigte Fälle angeben, in denen mittels nicht-geistiger Prozes-

se organisierte Gegenstände aus nicht-organisierten Gegenständen entstanden sind (z.

B. aus einer komplexen Mixtur chemischer Verbindungen, die nicht wiederum biologi-

schen Ursprungs sind)? Da wie gesagt die Design-These die direkte Gegenthese zur

Merke: Weder im Alltag noch in der Wissenschaft ist nicht reduzierbare, funktiona-

le Komplexität ein zuverlässiger Indikator für intelligente Entstehungsursachen.

Auch wenn diesbezüglich eine stringente natürliche Erklärung aussteht, darf nicht

ohne weiteres auf einen artifiziellen Ursprung geschlossen werden. Dies ist nur

statthaft, wo natürliche Mechanismen von vorn herein (aufgrund bekannter physi-

kalisch-chemischer Gesetze) als Erklärung entfallen.

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These einer nicht-geistigen Entstehung ist, ist eine Prüfung der These gleichzeitig eine

Prüfung der Gegenthese und umgekehrt“ (S. 5).

„Die Testbarkeit einer These entspricht der Testbarkeit der (genauen) Gegenthese. Wäre

der Design-Ansatz (als genaue Gegenthese einer naturalistischen Evolutionslehre) nicht

testbar, gölte dies ganz genauso für den Ansatz einer natürlich verlaufenden Evolution“

(S. 10, Fußn. 13).

Doch die These, der Design-Ansatz sei die „(genaue) Gegenthese einer naturalistischen

Evolutionslehre“, erweist sich als unbegründet. Warum? Nehmen wir an, es wäre möglich,

experimentell zu beweisen, dass der Mensch das Ergebnis natürlicher Evolution ist. Wäre

der Design-Ansatz geschwächt? Nur wenn die ID-Vertreter annehmen, der Befund stehe

im Widerspruch zu Design oder lasse den Design-Ansatz überflüssig erscheinen.

Einige Design-Anhänger setzen jedoch voraus, der Schöpfer verursache Mutationen

und arrangiere ihr unwahrscheinliches Zusammentreffen (RHONHEIMER 2007, S. 53).

Andere glauben, der Designer habe die Genome unserer Primaten-Vorfahren mit dem

Potenzial ausgestattet, sich zu Menschen zu entwickeln (↑ Abschnitt D, „programmier-

te Variabilität“). Der ID-Vertreter Michael BEHE (2008) geht noch weiter:

„Intelligentes Design ist durchaus kompatibel mit der Sichtweise, dass das Universum

ohne Überschreitung der Naturgesetze funktioniert, wobei das Design des Lebens viel-

leicht in seine ursprüngliche Struktur gepackt wurde“ (S. 166, ins Deutsche M.N.).5

Im Lichte dieser Spezifikationen würden experimentelle Beweise für eine lückenlose na-

türliche Evolution den Design-Ansatz nicht nur nicht schwächen, er ginge gestärkt dar-

aus hervor! Das heißt: Ohne das Einbeziehen von Hypothesen, die das Schöpfer-

handeln betreffen, lässt sich der Design-Ansatz nicht an konkreten Fällen prüfen.

Und je nach Spezifikation fällt das Prüfergebnis unterschiedlich aus. Doch wo liegt das

Problem? Selbstredend muss die Wissenschaft alle Theorien spezifizieren, damit sie

diese prüfen kann. Aus allgemeinen Theorien gewinnt sie theorieabhängige Modelle.

Das Problem ist, dass Schöpfungs-Modelle entweder keiner Prüfung standhalten, wie

die Vorstellungen des Kreationismus zeigen. Oder sie enthalten Hypothesen, die nicht

unabhängig vom Design-Ansatz prüfbar sind: Nichts Empirisches spricht dafür, ein

Schöpfer lanciere Mutationen oder habe das gesamte mögliche Variations-Potenzial in

die Genome von Organismen geschrieben. Wer dergleichen annimmt, um Design mit

5 Im Original: „Intelligent design is quite compatible with the view that the universe operates by unbroken

natural law, with the design of life perhaps packed into its initial set-up“.

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Mikro- oder Makro-Evolution zu harmonisieren, setzt voraus, was er nicht unabhängig

vom Design-Ansatz belegen kann. Das Ergebnis ist ein fataler Zirkel wechselseitiger

Selbstbestätigung (circulus vitiosus): Das positive „Prüfergebnis“ des Design-Ansatzes

steckt bereits in der Prämisse. Erst der Nachweis entsprechender Designer und De-

sign-Methoden würde die Prämisse legitimieren. Gleiches gilt für die Prämisse der Au-

toren, eine lückenlose natürliche Evolution schwäche den Design-Ansatz.

Nun verstehen wir, warum die Forderung zur Spezifikation des Schöpferhandelns

sowie nach unabhängigen Belegen für den modus operandi des Designers unver-

zichtbar ist. Beides sind Voraussetzungen für eine kohärente (zirkelfreie) Prüfung des

Design-Ansatzes (ähnlich HEILIG 2011, S. 92f). Dieser Zusammenhang scheint WI-

DENMEYER & JUNKER entgangen zu sein. Sie meinen, „eine mögliche weitere Spezifizie-

rung“ würde „vom Design-Ansatz unbegründet verlangt“ (S. 12). Die Einsicht, dass wir

ohne diese weitergehende (kausale!) Spezifizierung Theorien weder auf reale Fälle

anwenden noch prüfen können, zählt zu den Grundlagen der Wissenschaftstheorie.

(Siehe das Schema der Operationalisierung nach MAHNER & BUNGE 2000, S. 91– 94).6

6 Auch die Evolutionstheorie ist auf die Spezifikation ihrer Mechanismen angewiesen: Wären die

„Großmechanismen“ der Evolution (Variation, Vererbung und Selektion) nicht unabhängig von der Evo-

lutionstheorie begründet, wäre eine zirkelfreie Prüfung der Evolutionstheorie unmöglich. Je nach „Tiefe“

der erklärenden Mechanismen ergeben sich teils unterschiedliche Vorhersagen.

Beziehen wir in die Evolutionstheorie die erwähnten Großmechanismen ein, entspricht die abgestufte

Ähnlichkeit der Arten ihren Erwartungen. Dagegen schwächt das gehäufte Auftreten von sogenannten

Konvergenzen und Parallelentwicklungen, die diese Ordnung stören, die so spezifizierte Theorie. Doch

integrieren wir verschiedene Erkenntnisse der Entwicklungsbiologie in die Evolutionstheorie („Evo-

Devo“), verfeinern sich die Vorhersagen. Dann sind auch Konvergenzen und Parallelentwicklungen

erwartbare Phänomene natürlicher Evolution (HALL 2012; MÜLLER & HASSEL 2018, S. 596–597, 626).

Merke: Der Design-Ansatz ist kein prüfbarer Entwurf zum Ursprung des Lebens. Es

gilt, ihn zu spezifizieren, das heißt mit zusätzlichen Hypothesen über das mutmaßli-

che Schöpferhandeln auszustatten. Erst dann läge ein (konkretes) Schöpfungs-

Modell vor, das sich an realen Fällen prüfen ließe.

In Ansätzen spezifizierte Design-Modelle gibt es. Denken wir an die „Sechs-Tage-

Schöpfung“ des Kreationismus oder an die Vorstellung, der Designer habe Lebe-

wesen mit „programmierter Variabilität“ ausgestattet. Einige Modelle nehmen an,

der Designer sei „menschenähnlich“, woraus folgen würde, dass seine Artefakte

ähnliche Merkmale aufwiesen, wie die des Menschen.

Doch die betreffenden Design-Modelle halten entweder keiner Prüfung stand, wie

der Kreationismus zeigt. Oder sie enthalten Zusatzhypothesen, die nicht unab-

- 14 -

In den folgenden Abschnitten wollen wir das, was wir in diesem Abschnitt theoretisch-

abstrakt behandelt haben, an Beispielen verdeutlichen.

C.5 Ein methodologischer Vergleich zwischen ID und der Archäologie

Das intelligente Design steht in der Biologie vor einem grundsätzlichen Problem: Es

erklärt nichts, sondern verlagert „die eigentliche Erklärung lediglich einen Schritt nach

hinten“ (MAHNER 2007, S. 350). Zwar würde ein intelligenter Designer gegebenenfalls

erklären, wie die ersten Lebewesen auf die Erde kamen. Doch die grundsätzlichere

Frage, wie Leben (und sei es in Gestalt des Designers) entsteht, lässt er unbeantwor-

tet. Außerdem kann ID keine potenziellen Designer vorweisen.

Gelegentlich kontern Design-Protagonisten mit Beispielen aus der Archäologie. So

lesen wir beim DISCOVERY INSTITUTE (2012), unser Wissen über intelligente Ursachen

erlaube Rückschlüsse auf Design, ohne Identität oder Herkunft der Designer zu ken-

nen. Nach Meinung der Autoren verkörpere die Archäologie „Intelligent Design in Ac-

tion“. Zum Beispiel sind moderne Technologien in der Lage, antike Verfahren zur Her-

stellung von Artefakten wie Tontafeln und Steinwerkzeugen zu rekonstruieren.

Dies wirft zwei fundamentale Fragen auf: Ist es unsinnig, Mechanismen und natür-

liche Erklärungen einzufordern, wo „geistige Entstehungsursachen“ gefragt

sind? Und: Zeigt die Archäologie, dass spezifisches Wissen über Designer und

ihre Methoden entbehrlich ist, um den Schluss auf Design zu ziehen?

Betrachten wir die methodologische Situation, stellen wir fest, dass dem nicht so ist:

hängig vom Design-Ansatz prüfbar sind. Die These von der „programmierten Va-

riabilität“ fällt ebenso in diese Kategorie wie die Annahme, der Designer handele

durch „Zufallsmutationen“ oder bringe Menschenähnliches hervor.

ID-Vertreter kombinieren den Design-Ansatz mit unterschiedlichsten, sich teils

gegenseitig ausschließenden Schöpfungs- und Schöpfervorstellungen. Sie sind

sich weder einig, was der Designer schuf, noch, inwieweit dieser in den Gang der

Welt eingriff. Da sie den Beitrag von Design auf völlig verschiedenen System-

ebenen vermuten (und diesen auch nicht spezifizieren können), ist es absurd

anzunehmen, es gäbe objektive Design-Indizien in der Biologie.

- 15 -

Abb. 3 Realwissenschaften wie die

Archäologie, die in bestimmten

Merkmalen von Steinen das Ergebnis

von Design erkennt, verweisen auf

empirisch nachgewiesene Urheber.

Sie spezifizieren deren Wirkmecha-

nismen und überprüfen sie experi-

mentell (hier: experimentelles Schla-

gen paläolithischer Faustkeile). So

liefern die Archäologen echte, kausa-

le Erklärungen. Das intelligente De-

sign der Biologie leistet das nicht.

Somit räumen wir explizit ein, dass designbasierte Ansätze im Rahmen der Naturwis-

senschaften Erklärungskraft entfalten (vgl. KOJONEN 2016, S. 86f). Doch aufgrund der

Allgemeinheit des Design-Ansatzes in der Biologie ist diesem kein Erfolg beschieden.

Intelligent Design unterscheidet sich in methodologischer Hinsicht dramatisch von florie-

renden wissenschaftlichen Disziplinen wie der Archäologie. Es operiert faktisch durch-

weg mit Unbekanntem: Designer, die infrage kämen, kennen wir nicht. Über ihre mut-

maßlichen Techniken, Fähigkeiten und Grenzen wissen wir nichts. Erforschen lässt sich

dergleichen nicht. Brauchbare Modelle, welche die Fertigungs-Mechanismen spezifizie-

ren, liegen nicht vor. Der Design-Ansatz bleibt spekulativ und inhaltsleer.

1. Die Archäologie befasst sich mit menschlichem Design. Das heißt, sie kennt

die potenziellen Urheber archäologischer Zeugnisse und kann deren Exis-

tenz und Aktivität unabhängig von der Objektebene nachweisen.

2. Die Archäologie bringt die menschlichen Zeugnisse mit bekannten (oder er-

forschbaren) Techniken in Verbindung. Sie kann Design-Modelle entwickeln,

die konkrete Fertigungs-Mechanismen (bestimmte Schlagtechniken) bein-

halten. In diesem Sinn liefert sie echte, mechanismische Erklärungen.

3. Die experimentelle Archäologie erforscht den Ursprung von Tontafeln und

Steinwerkzeugen. Ihr gelingt dies, indem sie die Fertigungs-Möglichkeiten

und Grenzen ihrer Urheber nachvollzieht.

4. Nur mithilfe dieses Wissens lassen sich Design-Vorstellungen rechtfertigen.

Ohne dieses können wir nicht prüfen, ob bestimmte Schlagmerkmale an

Steinen mit den Fertigkeiten des Urmenschen erklärbar sind (Abb. 3).

- 16 -

Analog zur Archäologie stehen dessen Anhänger vor der Aufgabe, potenzielle Techno-

logien in einem Modell zu konkretisieren. Und sie haben den Nachweis zu führen, dass

mögliche Urheber in den betreffenden Zeiträumen existierten. Erst dann ließen sich

unabhängige Belege für das betreffende Design beibringen. Dagegen führt Intelligent

Design das (vorgeblich) Unbekannte auf noch Unbekannteres zurück. Das ist, als woll-

ten wir ein Naturphänomen auf ein Alien zurückführen, dessen „Arbeitsweisen“ noch

unverstandener sind als das, was sie erklären sollen (Abb. 4).

Abb. 4 Das Design-Argument auf die Biologie anzuwenden ist, als führten Astrophysiker das

Explodieren von Sternen auf einen personalen Urheber, beispielsweise ein Alien, zurück. Ana-

log zu ID ließe sich argumentieren: 1.) Erfahrungsgemäß werden Explosionen meist von Men-

schenhand vorbereitet. 2.) Argument der „Feinabstimmung“: Supernovae erscheinen geplant,

denn es entstehen alle chemischen Elemente, die es für das Leben braucht. 3.) Längst nicht

alle kernphysikalischen Details zur Entstehung von Supernovae sind geklärt. – Ließe sich also

von einer Supernova auf einen intelligenten „Urheber“ schließen? Nur, wenn wir die Existenz

dessen voraussetzten, was es zu belegen gälte.

C.6 Zwei Eisenmassen in der Sahara

Angenommen, wir fänden in der Sahara zwei Eisenmassen. Die erste Masse offenbart

nach dem Anschliff, Polieren und Ätzen ein feines Martensit-Gefüge unter dem Mikro-

skop (Abb. 5, links). Die zweite zeigt nach der gleichen Behandlung ein regelmäßiges

Lamellen-Muster der Nickeleisen-Legierungen Kamacit und Taenit (Abb. 5, rechts).

Haben wir die Möglichkeit herauszufinden, wie diese Stücke entstanden?

Merke: Ohne Spezifikation des Design-Ansatzes in einem Design-Modell ist we-

der eine Anwendung auf reale Fälle noch eine Prüfung leistbar. Aus „unbekanntem

Design“ folgt nichts Konkretes. Der Design-Ansatz ist fruchtbar, wenn die Techno-

logien der mutmaßlichen Urheber bekannt oder prinzipiell rekonstruierbar sind.

- 17 -

Abb. 5 Kristallgefüge verschiedener Eisen-Nickel-Legierungen nach dem Ätzen mit Nital.

Links: Martensit-Gefüge. Rechts: Feines Lamellenmuster aus Kamacit und Taenit.

Das Martensit-Gefüge ist einfach strukturiert, könnte also natürlich entstanden sein.

Dagegen könnte es sich bei den komplexeren Figuren rechts um Leiterbahnen eines

elektronischen Bauteils für irgendeine Maschine handeln. Experimente zeigen, dass

sie sich nicht natürlich bilden. Braucht es darum eines geistigen Knowhows? Offen-

sichtlich bringt uns das Betrachten und Analogisieren dieser Objekte nicht weiter.

Erst das Wissen, dass das Martensit-Gefüge dem von gehärtetem Stahl entspricht, er-

laubt den Schluss auf ein Kunstprodukt. Erst die Kenntnis der Technologie gibt Anlass

zur Vermutung, dass die Eisenmasse designt ist. Erst die Erfahrung, welchen Zwecken

sie Menschen dient, rechtfertigt den Schluss auf eine Zwecksetzung. Analoges gilt für

das andere Eisen: Erst die Einsicht, dass sich bei extrem langsamem Abkühlen von Ni-

ckeleisen-Schmelzen Kamacit tafelförmig abscheidet, erlaubt den Schluss auf seine

kosmische Herkunft. Erst die Erkenntnis, dass das Muster WIDMANSTÄTTEN‘sche Figuren

repräsentiert, erlaubt den Schluss auf einen Meteoriten. Erst Wissen über die Anfänge

des Sonnensystems erhärtet den Schluss, dass Meteoriten natürliche Objekte sind.

Merke: Rein durch Betrachten von Objekten ist der Schluss auf Entstehungsursachen

nicht möglich. Es braucht zusätzliches Designer-Wissen oder Wissen über konkrete

Mechanismen, um auf Design oder natürliche Prozesse zu schließen. Im Fall von De-

sign benötigen wir Wissen über mögliche Intentionen oder Fertigungs-Techniken.

- 18 -

C.7 Design-Modelle, die sich zirkelfrei positiv testen lassen, fehlen

Oft hört man, Naturwissenschaft und Technik würden zeigen, dass sich durch Intelli-

genz Organismen manipulieren, züchten und für bestimmte Zwecke erschaffen ließen.

Allein dieser Umstand wird gerne und häufig als empirisches Argument für die Berech-

tigung des Design-Ansatzes in der Biologie gewertet:

„Nach aller unserer Erfahrung gilt: Organisierte Gegenstände entstehen durch den Ein-

satz von Intelligenz und Planung“ (S. 5).

Nun sind Gentechnologie und Züchtung zwar Beispiele, die belegen, dass moderne

Technologien Beachtliches leisten. Mehr noch: Prinzipiell ermöglicht intelligentes Planen

alles, was nicht gegen Naturgesetze verstößt und unsere Ressourcen übersteigt. Daher

ist es korrekt zu sagen: „Designer könnten im Prinzip Leben erschaffen“. Das Problem

ist nur: Diese Erkenntnis ist so allgemein, dass im Speziellen nichts für Design folgt.

Wie HEILIG (2015) dargelegt hat, muss in jedem konkreten Fall Rechenschaft über die

Plausibilität der (historischen) Randbedingungen abgelegt werden, bevor der De-

sign-Ansatz favorisiert werden kann. Das gilt unabhängig davon, ob ein „intelligenter

Prozess“ an sich bestimmte Produkte „erwarten“ lässt oder nicht.

So ist es beispielsweise hochproblematisch, einen (menschenähnlichen) Schöpfer an-

zunehmen, der zur Entstehungszeit der ersten Bakterien gewirkt haben soll. Auch wenn

wir wissen, dass hochintelligente Wesen prinzipiell Bakterien intelligent erzeugen könn-

ten, lässt doch gerade das Fehlen jedweden historischen Hinweises auf die Existenz

„präkambrischer Technologien“ diese Denkmöglichkeit höchst unplausibel erscheinen.7

Analoges gilt für natürliche Prozesse: Wenn ich beweisen kann, dass Proteine „von

selbst“ entstehen können, die irdischen Randbedingungen diese Möglichkeit aber nicht

hergäben, ließe sich nicht vernünftig auf eine chemische Evolution schließen.

Eine saubere Begründung für Design muss also folgende Punkte berücksichtigen:

7 Wie erwähnt gibt es zwei Ausnahmen: Finden wir Objekte, von denen wir von vorn herein wissen, dass

sie 1. erschaffen wurden oder 2., dass ihre Selbstorganisation unmöglich ist, ist Design evident. Bei

technischen Systemen sind in aller Regel beide Bedingungen erfüllt, bei Biosystemen keine einzige.

A. Nach unserem Wissen sind bestimmte Verfahrensweisen erforderlich, um

belebte Systeme gezielt zu verändern oder hervorzubringen.

B. Sprechen zwingende Gründe gegen die natürliche Evolution des Lebens?

C. Spricht Empirisches Wissen dafür, dass vor langer Zeit auf der Erde Tech-

nologien zum Einsatz kamen, die geeignet wären, Leben zu erzeugen?

- 19 -

C.8 Die Kritik des Philosophen Elliott SOBER

SOBER (2008) argumentiert, ein unbekannter Zufallsfaktor „erkläre“ die Herkunft des

Auges nicht weniger schlecht als ein Schöpfer, über dessen Absichten und Hand-

lungsoptionen wir nichts wissen. Es brauche zusätzliche Annahmen, um die spezifi-

schen Augenstrukturen mit einem theoretischen Entstehungsmodell logisch zu ver-

knüpfen (S. 144). Sinngemäß: Wer unspezifizierte „Design-Akte“ als Erklärung zulässt,

argumentiert nicht besser als jemand, der den blanken Zufall als „Erklärung“ für die

Herkunft biotischer Strukturen bemüht.

WIDENMEYER & JUNKER kontern mit einer Reductio ad absurdum, indem sie das Bei-

spiel des Auges exemplarisch durch das eines Computers ersetzen:

„Hypothese 1: Ein Computer ist durch intelligente Planung entstanden.

Hypothese 2: Ein Computer ist durch Zufall entstanden.

Entsprechend müsste SOBER folgern: ‚Da nach beiden Hypothesen ein Computer ent-

stehen kann, kann auf der bloßen Basis seiner Merkmale nicht entschieden werden,

welche Hypothese plausibler ist.‘ SOBER müsste jetzt konsequenterweise zusätzliche,

spezielle Merkmale fordern, die mit einer Design-These verbunden sind. Wir bräuchten

dann zusätzliches und unabhängiges Wissen über potentielle Computerhersteller und ih-

re (ggf. noch spezielleren) Absichten und Fähigkeiten (‚goals and abilities‘, s. o.) – über

die hochkomplexe, funktionale Struktur ihrer Produkte hinaus. Nur mit diesem Wissen

(wenn überhaupt!) könnte beurteilt werden, ob die Computer durch Zufall oder durch in-

telligente Planung entstanden sind.

Dieser Ansatz hat absurde Implikationen: SOBERs Prinzip bringt unter anderem mit sich,

dass man einfach behaupten könnte, dass Computer (oder beliebige andere technische

Gegenstände) durch Zufall entstehen könnten. Zudem: Woher wüssten wir von solchen

speziellen Absichten und Fähigkeiten des Herstellers? Nur über irgendwelche andere in

Raum und Zeit manifestierten Indizien: Wendet man SOBERs Ansatz konsequent an,

müsste man auch hier annehmen, dass sie durch Zufall zustande gekommen sein kön-

Merke: Was die Herkunft des Lebens anbelangt, so ist jedwede prähistorische Ver-

ortung des mutmaßlichen Designs gescheitert. Die historischen Wissenschaften

liefern keinerlei Hinweise auf intelligente Urheber oder Technologien, die auf der

frühen Erde hätten Leben hervorbringen können. Im Gegenteil: Die historischen

Randbedingungen lassen die Idee eines „präkambrischen Designers“ gänzlich un-

plausibel erscheinen. Intelligent Design ist nicht plausibler als die Phantasien eines

Erich von Däniken zur „Prä-Astronautik“, wonach Außerirdische vor Jahrtausenden

die Erde besucht und unsere zivilisatorische Entwicklung beeinflusst haben sollen.

- 20 -

nen, zumindest wenn nicht wieder weitere Indizien über die potenziellen Hersteller vor-

gebracht werden könnten. Und lägen diese vor, so könnten wieder weitere Indizien ge-

fordert werden, und dies ad infinitum. Es gibt hier zwei Hauptpunkte:

1. Egal, welche Indizien für einen letztlich beliebigen Sachverhalt vorliegen: Es

müssten nach SOBERs Ansatz immer noch weitere Indizien gefordert werden.

2. Wer behauptet, dass eine völlig unkonkrete Berufung auf „Zufall“ dieselbe Erklä-

rungskraft hat wie die Angabe einer konkreten systematischen Erklärung, der

leugnet effektiv die Testbarkeit jeder systematisch erklärenden These.

Im Gegensatz zu SOBERs Ansatz sind jedoch die komplexen konstruktiv-funktionalen

Merkmale als solche, die ein Computers oder jeder andere hochorganisierte Gegenstand

aufweist, für die Bevorzugung der Design-Hypothese völlig hinreichend: Es gibt sehr gute

Gründe, dass ein hochkomplex organisierter Gegenstand ein starkes Design-Indiz darstellt

(vgl. Abschnitt 2); und entsprechend gibt es keine guten Gründe, warum man für den

Schluss auf geistige Urheberschaft an sich zusätzliches Wissen über Motive und Fähigkei-

ten z. B. eines Computerherstellers bräuchte“ (S. 12).

Diese Erwiderung geht aus zwei Gründen fehl. Erstens: SOBERs Argument legt nicht

nahe, es sei realiter vernünftig anzunehmen, Computer entstünden durch Zufall. Viel-

mehr besagt das Argument, dass sich keine qualifizierte Entscheidung über die Frage

treffen lässt, welche Erklärung zutrifft. Das gilt, solange die erklärenden Faktoren (hin-

sichtlich des Wirkpotenzials und der Grenzen von Design) nicht durch wohlbegründete

Kenntnisse konkretisiert wurden. Grundsätzlich ließe sich dem unstrukturierten Zufall

genauso gut schöpferische Allmacht zuschreiben, wie einem unkonkreten Designer.

Denken wir an die nach dem Physiker Ludwig BOLTZMANN benannte Idee, dem Quan-

ten-Vakuum könne zufällig etwas so Komplexes wie ein Gehirn entspringen („BOLTZ-

MANN-Gehirn“). Wäre das eine zulässige Erklärung? Natürlich nicht.

SOBER zufolge ist der Verweis auf den Zufall nicht besser und nicht schlechter

als der Verweis auf einen dubiosen „Schöpfer“, über dessen Wirkgrenzen wir

nichts wissen. Ein solcher Joker ließe sich bei der Suche nach Erklärungen im-

mer bemühen. Weder die eine noch die andere „Erklärung“ liefert Mechanismen, die

eine logische Brücke zu den erklärungsbedürftigen Sachverhalten schlagen. Indem

also WIDENMEYER & JUNKER die Absurdität einer – sagen wir – „Zufallserklärung“ auf-

zeigen, führen sie ihren Lesern auch die Absurdität des Design-Arguments vor Augen.

Zweitens: Das von WIDENMEYER & JUNKER gewählte Beispiel enthält die von SOBER gefor-

derten Hilfsannahmen zur Konkretisierung des Schöpfungsvorgangs bereits in Form ver-

steckter Prämissen! Es handelt sich um das „unabhängige Wissen über potentielle Com-

puterhersteller und ihre (ggf. noch spezielleren) Absichten und Fähigkeiten…“.

- 21 -

Konkret: Wir wissen, dass Computer Menschenwerk sind. Wir wissen, welchen Zwecken

sie dienen. Wir wissen, wie sie sich herstellen lassen. Wir wissen, dass Computer nicht

evolvieren konnten. Und wir wissen, dass die Quantenmechanik den Zufall als realistische

Erklärung aussondert. Erst im Lichte dieses Wissens erscheint das Anliegen, den

Zufall als gleichberechtigte Alternative zum Design ins Auge zu fassen, absurd. Da-

her ist der von den Autoren konstruierte Vergleich irreführend. Ein Außerirdischer, dem

dieses Wissen fehlte, wäre nicht imstande, allein dem Ergebnis seiner Struktur-Funktions-

Analyse zu entnehmen, was Computer sind, geschweige denn, wie sie entstanden.

D. Zielscheibenfehler: Plastizität und „programmierte Variabilität“ als

Design-Merkmale

Die Individual-Entwicklung (Ontogenese) von Lebewesen ist plastisch. Darunter ver-

stehen wir, dass in Organismen ein enormes Variations-Potenzial steckt. Dieses tritt

durch bestimmte Umweltreize, Eingriffe in die Embryonal-Entwicklung oder durch Mu-

tationen zu Tage. Zum Beispiel ist das zentrale Nervensystem erstaunlich anpas-

sungsfähig: Die Funktionen ausgefallener Hirnbereiche übernehmen zu einem gewis-

sen Grad andere Hirnareale, und das Fehlen eines Sinns wird teils durch andere Sinne

kompensiert. Blinde orientieren sich oft gut mittels Reflexion von Geräuschen (Echoor-

tung). Transgene Mäuse erlernen dreifarbiges Sehen (vgl. JACOBS et al. 1999), usw.

Ein anderes Beispiel: Eine Behandlung von Schlammspringer-Embryos mit dem Hor-

mon Thyroxin hat vielschichtige Auswirkungen auf den Phänotyp. Die Brustflossen des

Fisches entwickeln sich zu beinchenartigen Extremitäten, die Haut wird dicker, die

Merke: Indem WIDENMEYER & JUNKER auf die Irrationalität beliebiger Zufallserklä-

rungen hinweisen, führen sie ihren Lesern unbeabsichtigt die Absurdität von Intel-

ligent Design vor Augen. Denn beide „Erklärungen“ sind methodologisch gleich-

wertig. Wer unbekanntes, gar wundersames Design zulässt, hat kein Argument,

um eine dubiose „Zufallsevolution“ zurückzuweisen. (Letztere hat, wohlgemerkt,

mit der Evolutionstheorie nichts zu tun, denn ihre Mechanismen sind spezifiziert

und empirisch belegt.)

- 22 -

Kiemen kleiner, die Luftatmung nimmt zu usw. Im Ergebnis können sich die Fische

länger außerhalb des Wassers aufhalten als normal (LORENZEN 1988).8

Auf zellulärer, organischer und entwicklungsgenetischer Ebene gibt es zahlreiche der-

artige „Stellschrauben“, die bestimmte Anpassungen erschweren oder ermöglichen

und somit evolutionäre Weichen stellen. Ein Grund ist, dass komplexe Entwicklungs-

prozesse nicht direkt genetisch codiert sind. Vielmehr organisieren sie sich selbst

durch wechselseitige Beeinflussung von Embryonalzustand und Genaktivierung.

Oft wirken kleine „Inputs“ wie „Signale“, die den Phänotyp vielschichtig ändern und die

Ontogenese in bestimmte Richtungen drängen. Beispielsweise verlängerten sich durch

eine Mutation bei den Vorfahren der Fledermäuse die Knochen ihrer Vordergliedma-

ßen. Da die ontogenetische Entwicklung „konzertiert“ abläuft, bedurfte es keiner weite-

ren Mutationen, um Blutgefäße, Haut, Muskulatur, Sehnen und Nerven passend zu

verlängern. Dies geschieht automatisch. Vergleichbares beobachten wir bei Hunden:

Ein erheblich modifizierter Körperbau erfordert wenige Mutationen, oft nur eine einzige.

KIRSCHNER & GERHART (2007) sprechen in diesem Zusammenhang von phänotypi-

scher Plastizität. Paradoxerweise deuten WIDENMEYER & JUNKER diese Plastizität in ih-

rem Sinne um: Aus einem natürlichen Phänomen, das evolutionäre Entwicklungen er-

leichtert, wird kurzerhand ein Schöpfungsindiz:

„Unter Plastizität (Formbarkeit) wird die Fähigkeit von Organismen verstanden, auf der

Basis desselben Genotyps (Erbguts) mehrere Phänotypen (gestaltliche Ausprägungen)

als Reaktion auf Umweltreize ausbilden zu können. Beispielweise kann beim Menschen

die Dicke der Hornhaut an den Händen oder Füßen abhängig von mechanischer Bean-

spruchung moduliert werden. Man weiß heute, dass ein Großteil der Merkmale der Le-

bewesen plastisch ist. Plastizität ist ein ausgesprochen teleologisches Konzept. Denn sie

beinhaltet die Fähigkeit des Organismus, auf genetische oder Umwelt-Änderungen zu

reagieren, um einen bestimmten Zustand aufrechtzuerhalten oder (wieder) zu erreichen.

Es wird also aktiv ein Ziel angesteuert oder beibehalten, indem Änderungen durch Kom-

pensationen ausgeglichen werden“ (S. 7).

Einer der Autoren (JUNKER 2014) vertritt gar die These, die Biologie führe durch Be-

rücksichtigung der Plastizität eine Art Zielorientierung in die Evolutionstheorie ein. Die

Frage nach einem Schöpfer stelle sich weiterhin, da zu erwarten sei, dass der wissen-

8 Entscheidend für die Evolutionstheorie ist, dass solche nichterblichen Modifikationen unter bestimmten

Voraussetzungen erblich werden können. So führen, um beim Schlammspringer zu bleiben, bestimmte

Mutationen zu Erhöhungen des Thyroxin-Spiegels.

- 23 -

schaftliche Fortschritt Hinweise auf geistige Ursachen liefere. In verschiedenen Publi-

kationen spricht der Autor diesbezüglich von „programmierter Variabilität“.

Gegen JUNKERs These greift Einwand C.1. Selbst wenn Organismen ein Ziel ansteuern

würden, folgt nicht, dass es einen Zwecksetzer brauchte. Dass auf natürliche Weise An-

passungen zustande kommen, die „antizipatorisch“ anmuten, ist empirisch gezeigt (vgl.

Fußnote 3). Die These, sie seien geistig programmiert, ist nichts als Spekulation.

Bereits aus systemtheoretischen Gründen weisen biotische Strukturen eine ho-

he Variabilität auf. Da sie durch ein komplexes Netz von sich gegenseitig beeinflus-

senden Mechanismen zustande kommen, sind auch die Auswirkungen genetischer

und äußerer Zustands-Änderungen komplex und vielfältig. Ein Teil der durch sie aus-

gelösten Variationen fällt in den Bereich der Teratologie, der Lehre von den körperli-

chen und organischen Fehlbildungen. Aber ein kleiner Teil der möglichen Variationen

hat unter bestimmten Voraussetzungen adaptiven Charakter.

Potenziell vorteilhafte Merkmale schlummern im Verborgenen: Manchmal zeigt sich,

dass Mutationen, die im Nachhinein als notwendige Bedingungen für bestimmte An-

passungen erkannt werden, allein noch keinen Effekt zeigen. Manchmal verschwinden

sie, ohne dass eine Anpassung zustande kam. Und zeigen sie, zusammen mit weite-

ren Mutationen, einen Effekt, bringen sie ihren Besitzern nicht unbedingt einen Vorteil.

Erst wenn die neuen Merkmale besser zur Umwelt passen oder ihr Besitzer aktiv ein

passenderes Habitat besetzt, liegt eine Anpassung vor. Doch oft verschwinden die

vorteilhaften Genvarianten durch genetische Drift – und die Neuerung ist dahin.

Das heißt: Ob bestimmte Variationen Bestand haben oder nicht, ist das Ergebnis

glücklicher Zufälle und verpasster Chancen. Anpassung zeigt sich retrospektiv, inso-

fern erweisen sich Entwicklungspotenzen nicht als vorausschauend! 99% der

Arten sind wieder ausgestorben, weil sie mit den ökologischen Veränderungen nicht

Schritt halten konnten. Oder die genetischen Änderungen wirkten sich langfristig nach-

teilig auf die Organismen aus. Mit Planung hat all dies herzlich wenig zu tun.

Intelligent-Design-Vertreter argumentieren wie Leute, die in SHAKESPEAREs Sonetten

geheime Botschaften entziffert zu haben glauben. Sie richten ihr Augenmerk nur auf

Passagen, für die bestimmte Dechiffrier-Algorithmen zufällig leserliche Resultate erga-

ben.9 Das ist als würde jemand blind Gewehrkugeln auf ein Scheunentor abfeuern, um

9 Siehe auch: Zielscheibenfehler (de.wikipedia.org/wiki/Zielscheibenfehler).

- 24 -

einige Einschüsse eine Zielscheibe herum pinseln und behaupten, er habe „ins

Schwarze“ getroffen. Die übrigen Schüsse werden nicht berücksichtigt. Dieser Denk-

fehler ist in der informellen Logik unter der Bezeichnung „Fehlschluss des texani-

schen Scharfschützen“ geläufig (Abb. 6).

Abb. 6 Intelligent-Design-Vertreter bege-

hen den Fehlschluss des „texanischen

Scharfschützen“: Zufällig Passendes wird

als Ergebnis einer Programmierung gedeu-

tet, Unpassendes, wie etwa Fehlbildungen,

der degenerativen Evolution angelastet.10

Fazit: Der Terminus „programmierte Variabilität“ ist eine Erfindung, die nur in Schöp-

fungsparadigmen Sinn ergibt. Auf Erfahrungswerten beruht er nicht. Das Konzept ist

auch nicht unabhängig von Design prüfbar: Wie ließe sich bestimmen, welche latenten

Phänotypen und welches Maß an Variabilität für welche Ziele „programmiert“ wurden?

Wer latent vorteilhafte Entwicklungspotenziale als Ergebnis von Planung deutet, sieht

sich mit absurden Konsequenzen konfrontiert: Der Evolutionshistoriker Thomas JUN-

KER (2004) verweist darauf, dass der Botaniker Asa GRAY, ein Freund DARWINs, in den

1860er Jahren eine ähnliche Ansicht vertrat. Er glaubte,

„… die Selektionstheorie mit religiösen Ideen vereinbaren zu können, indem er annahm,

dass die Variationen, die das Material für die natürliche Auslese darstellen, nicht zufällig,

sondern von Gott geplant seien. Solange ‚die physische Ursache der Variation völlig unbe-

kannt und geheimnisvoll ist,‘ könne man davon ausgehen, dass die ‚Variation an bestimm-

ten vorteilhaften Routen entlang geleitet wurde‘. Darwin entgegnete, dass man Grays Mo-

dell zufolge auch annehmen müsse, dass Gott die unzähligen Variationen der Haustiere

und Kulturpflanzen speziell für den Nutzen der Züchter vorherbestimmt habe; dass bei-

spielsweise Kropf und Schwanzfedern der Tauben variieren, damit die Taubenliebhaber ih-

re grotesken Formen züchten können, und dass Hunde in ihren geistigen Fähigkeiten vari-

ieren, damit man Kampfhunde züchten könne“ (Thomas JUNKER 2004, S. 11).

DARWINs Entgegnung veranschaulicht die Willkür dieses Konzepts. Die Annahme, ge-

genwärtige oder in der Zukunft liegende Anpassungen seien „voraus programmiert“, ist

10 Evidenzbasiert können wir auch umgekehrt argumentieren. Beispielsweise zeigt die Evolutionäre

Biotechnologie, dass das Wechselspiel aus Variation und Selektion bei der Erzeugung funktionaler

Biomoleküle ein „designfähiger Prozess“ ist (SCHUSTER 2014, S. 161). Wie SCHUSTER erläutert, sind

evolutionäre Algorithmen in bestimmter Hinsicht dem „rationalen Design“ überlegen (S. 162).

- 25 -

eine raffinierte Schutzhypothese. Sie dient dem Zweck, den Design-Ansatz an die

„unbequeme“ Tatsache der (beobachtbaren) Evolution anzupassen.

E. Das Argument der Konstruktionsfehler

Ein weiteres Argument gegen Intelligent Design betrifft sinnlose Umwege der Individu-

al-Entwicklung und funktionelle Mängel, die mit einer Herabsetzung der Fitness ihrer

Besitzer einhergehen. In einigen Fällen sind sie lebensgefährlich. So erfolgt die Geburt

just durch den nicht zu erweiternden Beckenring, der eine Steißgeburt ohne medizini-

schen Beitrag zur tödlichen Komplikation werden lässt. Die Kreuzung von Luft- und

Speiseröhre birgt die Gefahr der Aspiration mit potenziell tödlichem Ausgang. Die, ge-

messen am aufrechten Gang, verkehrt positionierten Abflusswege der Nasenneben-

höhlen verursachen Entzündungen und erhebliche gesundheitliche Risiken. Und ein

perforierter Wurmfortsatz gehörte bis ins Mittelalter zu den häufigsten Todesursachen.

Ein anderes Beispiel: Der dioptrische Apparat ist alles andere als der Paradefall eines

clever entworfenen Organs. Mindestens 40% der Erwachsenen sind auf eine Brille

angewiesen, da die Bildebene jenseits der Netzhaut liegt. Zudem sind bei den Wirbel-

tieren die Sehzellen dem Licht abgewandt (invers), während die Nervenzellen, die zum

Gehirn führen, nach außen gerichtet sind (Abb. 7). Die Folgen sind ein blinder Fleck

auf der Netzhaut sowie Blutgefäße und Nerven-Verdrahtungen vor (!) den Sehzellen.

All dies verlangt erhebliche Kompensationsleistungen von Auge und Gehirn.

Merke: „Programmierte Variabilität“ ist kein empirisches Faktum, sondern eine ge-

gen Überprüfung resistente Deutung, die ausschließlich im Schöpfungsparadigma

Sinn ergibt. Daher kann es sich um kein unabhängiges Design-Indiz handeln.

Aus der Tatsache, dass Lebewesen Variabilität und Plastizität zeigen, folgt nichts

für den Design-Ansatz. Vielmehr lässt sich daraus ein Argument gegen bestimmte

Formen der Evolutionskritik entwickeln: Plastizität erleichtert eine synorganisierte

Evolution (vgl. LORENZEN 1988). ID-Vertreter deuten diese jedoch in ihrem Sinne

um und stützen damit ihre Behauptung, dass Anpassungen, die sie „antizipato-

risch“ nennen, einen vorbereitenden Designer brauchen. Damit setzen sie voraus,

was es unabhängig vom Design-Ansatz zu belegen gilt.

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Abb. 7 Links: Aufbau der Netzhaut (Retina). Beachten wir ihren inversen Bau: Die Sehzellen

befinden sich auf der dem Licht abgewandten Seite, während die Nervenzellen dem Licht zu-

gewandt sind. Dies ist kein cleverer Schachzug der Natur. Das Licht muss ein Netz aus Blut-

gefäßen und Nervenzellen passieren, bevor es die Sehzellen erreicht. Dies geht mit Einbußen

der Sehschärfe einher, und an der Austrittsstelle des Sehnervs entsteht ein „blinder Fleck“.

Nun existieren Anpassungen, welche die Folgen des konstruktiven Mangels abmildern. Eine

besteht darin, dass die Gefäßzweige der Netzhaut den Bereich des schärfsten Sehens bogen-

förmig umrunden. Ferner entdeckten Forscher, dass die sogenannten MÜLLER-Zellen der

Netzhaut das Licht an den streuenden Zellschichten vorbei leiten (rechts im Bild). Aber wer,

wie ULLRICH (2014), meint, die MÜLLER-Zellen würden die Netzhaut als Paradebeispiel einer

zweckorientierten Struktur rehabilitieren, irrt: Es handelt sich um eine Behelfslösung, die bei

unvorteilhafter Gesamtsituation den Sehvorgang optimiert (FRANZE et al. 2007). Doch den

eigentlichen strukturellen Mangel beseitigen sie nicht. Das Auge ist maximal optimiert – und

zweitklassig. Dass es besser geht, belegen die Kopffüßer: Bei ihnen sitzt die Netzhaut funkti-

onell passend im Augenbecher. Auch die Blutversorgung ist eleganter gelöst (MYERS 2010).

Weshalb ist unsere Netzhaut ein Argument für ihre nicht zielgerichtete Entstehung? Weil

es triftige historische Gründe für die inverse Lage der Netzhaut bei den Wirbeltieren gibt,

aber keine prinzipiell konstruktiven. Genauer gesagt finden sich die Gründe in ihrer emb-

ryonalen Differenzierung in Kombination mit ihrer gemeinsamen Stammesgeschichte.

Beim plattenförmigen Nervensystem an der Körperoberfläche einfacher Deuterostomier

(etwa der Seesterne) zeigen die Sinneszellen zweckmäßigerweise zum Licht. Durch

Einrollen ins Körperinnere entsteht aus der Neuralplatte das Neuralrohr als erste embry-

onale Entwicklungsstufe des zentralen Nervensystems höherer Tiere. Dies bewirkt ein

„Umkrempeln“ des Gewebes, sodass die lichtempfindlichen, primären Sinneszellen im

Innern des Neuralrohrs liegen (FRANZE & GROSCHE 2008, S. 701).

Das Neuralrohr tritt bereits bei augenlosen Chordatieren auf, den Vorfahren der Wir-

beltiere. Bei den Wirbeltieren bilden sich aus dem Neuralrohr später Gehirn, Rücken-

- 27 -

mark und Augen. Unter der Herrschaft des PAX-6-Mastergens quellen aus dem hinte-

ren Bereich des Vorderhirns Wülste hervor, die sich zum Augenbecher umformen

(MÜLLER & HASSEL 2018, S. 475). Aufgrund dieses Entwicklungszwangs (engl.: deve-

lopmental constraints) wird die Netzhaut der Inversion unterzogen (Abb. 8).

Abb. 8 Entwicklung der inversen Netzhaut, ausgehend vom platten Nervensystem einfacher

Deuterostomier (z. B. Seesterne) zum ins Körperinnere eingesenkten Neuralrohr als Anlage

des Gehirns und Rückenmarks. Umgezeichnet nach FRANZE & GROSCHE (2008, S. 701).

Jene embryogenetische Weichenstellung, die die Inversion der Netzhaut herbeiführt,

haben also schon die Vorfahren der Chordatiere „getroffen“. Sie geht auf eine Zeit zu-

rück, bevor sich die Entstehung von Wirbeltieraugen abzeichnete. Diese „Vorentschei-

dungen“ ließen später keine Alternativen mehr zu. Denn ihr genetisches Erbe zu modi-

fizieren, bis die Sehzellen „richtig“ im Augenbecher liegen, machte es erforderlich, die

embryonale Anlage des Nervensystems von Grund auf umzugestalten.

Für Prozesse, die keinen Plan kennen, ist das nicht leistbar, und die ersten Wirbeltie-

rembryos, die Augen entwickelten, konnten nicht vorübergehend „wegen Umbaus

schließen“. Also blieb die Differenzierung von Stammzellen des Neuralrohrs in ihrer

besonderen topographischen Lage zu den Sinneszellen wie sie war.

Dagegen lässt sich nicht ansatzweise erklären, warum sich ein Designer Entwick-

lungszwängen unterwarf, die ihren Ursprung in historisch älteren Bauplänen haben. Er

soll doch in der Lage sein, überlegt zu handeln, die Merkmale planvoll, zielgerichtet

und „frei“ zu kombinieren. Warum soll er die Vorläufer-Sinneszellen erst ins Neuralrohr

wandern lassen, um sie dann invers aus dem hinteren Bereich des Vorderhirns her-

vorquellen zu lassen? Das ergibt nach gegenwärtiger Sachlage keinen Sinn.

- 28 -

Die Entwicklungsbiologen MÜLLER & HASSEL (2018, S. 627) resümieren:

„Die (nahezu) perfekte Konstruktion bestimmter Augen verleitet manche Menschen zu

der Annahme, dass ein intelligentes Wesen diese Augen geschaffen haben müsse, na-

türliche Evolution könne sie nicht hervorgebracht haben. Zunehmendes Wissen um Ho-

mologie auf molekularem Niveau, um Zwischenstufen in der Konstruktion wie auch um

suboptimale Lösungen (z. B. inverses Auge der Wirbeltiere, schlechte optische Qualität

des dioptrischen Apparates) machen Annahmen über ‚intelligentes Design‘ aber keines-

wegs zwingend. Im Gegenteil unterstützen die Daten … die Sicht, dass bekannte Me-

chanismen der Evolution letztlich eine Vielfalt brauchbarer Lösungen hervorbrachten.“

E.1 Einwände der Autoren

WIDENMEYER & JUNKER kontern mit folgenden Einwänden:

„Erstens zeigt eine Reihe von Untersuchungen, dass bei genauerer Kenntnis betreffen-

der Organe nennenswerte Mängel nicht nachweisbar sind. Dem Argument der Konstruk-

tionsfehler liegt oft nur ein Mangel an Kenntnissen über den betreffenden Gegenstand

zugrunde – und, wie es scheint, weltanschaulich motivierte Vorurteile.

Zweitens enthalten solche Argumente bestimmte (theologische) Annahmen über einen

hypothetischen Schöpfer, z. B. dass ein möglicher Schöpfer gute, wenn nicht zwingende

Gründe gehabt haben müsste, perfekte Strukturen (in unserem Sinne) hervorzubringen.

Diese meist stillschweigend gemachten Annahmen werden meistens nicht einmal ver-

sucht zu begründen (vgl. DILLEY 2013)“ (S. 9).

Bei JUNKER (2005) lesen wir, Unvollkommenheiten seien „kaum empirisch nachweisbar,

sondern … evolutionstheoretisch begründete Vermutungen, deren Plausibilität mit der

evolutionstheoretischen Voraussetzung steht oder fällt.“ Wie er zu dieser Auffassung kam,

ist unklar, jedenfalls ist sie falsch: Wenn wir die immanenten Funktionen der betreffenden

Systeme verstehen, sind wir in der Lage, qualifizierte Urteile über ihre Mängelstrukturen

zu fällen (KOJONEN 2016, S. 159). Dafür braucht es keine evolutiven Annahmen.

Konstruktive Mängel lassen sich an der verminderten Fitness von Organismen festma-

chen. Zum Beispiel kommt es aufgrund des Überkreuzens von Luft- und Speiseröhre, ins-

besondere bei Kleinkindern, regelmäßig zur Aspiration von Fremdkörpern und zum Ersti-

Merke: Anand biologischer Konstruktionsfehler lassen sich zwei Argumente entfalten:

(1) Intelligent Design kann die unvorteilhafte Gesamtsituation nicht zwanglos erklä-

ren, sondern ist auf willkürliche Zusatzannahmen angewiesen.

(2.) Die Mängel deuten auf einen nichtintendierten Entwicklungsprozess hin.

- 29 -

cken. Und der entzündete Wurmfortsatz des Blinddarms erhöhte früher die Sterblichkeit

deutlich, wobei die vermeintlichen Vorteile des Organs den Nachteil nicht wettmachen.

Allein aus medizinisch-technischer Sicht erweisen sich die Merkmale als nach-

teilig, reparaturbedürftig und alles andere als ein Ausweis an Planmäßigkeit.

Auch die Behauptung, dem Argument der Konstruktionsfehler läge ein Mangel an

Kenntnissen über den betreffenden Gegenstand zugrunde, trifft meist nicht zu. Die

inverse Retina gestaltet das Sehen suboptimal, wenngleich sie das unter den Umstän-

den Beste aus dem Sehvorgang macht.11 Beim Blinddarm lässt sich sogar beweisen,

dass sein Besitz mehr schadet als nützt (BURDA & BEGALL 2013, S. 350).

WIDENMEYER & JUNKERs zweiter Einwand läuft ebenfalls ins Leere. Auch wenn sie sich auf

den Philosophen Stephen DILLEY (2013) berufen: Einwände gegen Design, wie das Ar-

gument der Konstruktionsfehler, setzen nicht zwangsläufig theologische Annahmen vo-

raus. Zumindest benötigen wir keine, die Design-Vertreter nicht selber ins Spiel bringen.

Hier gilt es, zwei Spielarten des Arguments der Konstruktionsfehler zu unterschei-

den: Die sparsamere Variante setzt nicht voraus, ein Schöpfer habe zwingend perfekte

Strukturen hervorgebracht. Sie besagt nur, dass sich bestimmte Merkmals-Klassen mit

Design nicht erklären lassen, solange der Design-Ansatz nicht spezifiziert wird. Erste-

res ist ein theologisches Argument, letzteres ein methodologisches.

Die zweite, stärkere Variante des Arguments nimmt zwar auf das behauptete Schöp-

ferwirken Bezug. Doch sie gebraucht keine theologischen Annahmen; vielmehr orien-

tiert sie sich an den ureigenen Thesen des intelligenten Designs. Erinnern wir uns: De-

sign-Vertreter führen die „Zweck-Mittel-Beziehungen“ und „funktionale Komplexität“

biotischer Strukturen als Design-Merkmale an. Sie vergleichen das vermeintliche

„Knowhow“ mit Meilensteinen aus Medizin und Technik. Daher liegt es in der Natur

der Sache, dass Elemente, welche die Zweck-Mittel-Beziehungen stören, ihr Ar-

11 Eine weitreichende Kompensation der Sehschärfe-Einbußen ermöglichen auch die erwähnten MÜL-

LER-Zellen nicht. Andernfalls wäre die Gefäßarmut im Bereich des schärfsten Sehens unbegründet.

Zahlreiche Vögel verzichten auf eine vaskularisierte Netzhaut. Über ihren Fotorezeptoren winden sich

keine Blutgefäße, dadurch sehen sie schärfer. Zudem haben die MÜLLER-Zellen einen gravierenden

Nachteil: Sie neigen zur Hypertrophie, zur Bildung von Verdickungen und vermehrten Fortsätzen

(BRINGMANN & REICHENBACH 2001). Die sogenannte „Gliose“ führt unbehandelt zur Degeneration der

Netzhaut bis hin zum völligen Sehverlust.

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gument schwächen: Teilstrukturen, die aus medizinisch-technischer Sicht nicht von

Zweckmäßigkeit zeugen, erwecken nicht den Anschein intelligenter Planung.12

Zwar ist es richtig, dass mit dem unspezifischen Design-Ansatz jegliche Art von Pfusch

verträglich wäre (↑ Abschnitt C.4). Es gibt unintelligente Designer, und schlechtes De-

sign wäre trotz allem Design (LUSKIN 2006). Doch ID-Vertreter stellen meist weit höhe-

re Ansprüche an die Qualität biotischer Strukturen als ein allgemeiner Design-Ansatz,

der auch stümperhaftes und sogar evolutionäres Design einschließen könnte!

KOJONEN (2016, S. 152f) bemerkt, dass schlechtes Design logisch mit einem Designer

kompatibel wäre. Im Weiteren betont er jedoch, dass dieser Einwand nicht das

Problem löst, dass schlechtes „Design“ besser zum unserem evolutionären Ver-

ständnis von der Welt passen könnte als zu planvollen, überlegten Prozessen.

Auch RAMMERSTORFER (2006) sieht das Problem. Suboptimale Strukturen oder „banale

Fehler“ würden den Design-Ansatz schwächen, denn:

„Stümperhaftes Design passt insgesamt (wie oben besprochen) hervorragend zu Pro-

zessen, die keinen Plan kennen. Damit würde auf dieser Ebene (‚Design-Fehler‘) ein gu-

tes Argument für Evolution und gegen Planung existieren“ (S. 90).

Das ist der Punkt. Machen wir uns klar: Würde ein Ingenieur die Strukturen des Auges

auf ein optisches Instrument übertragen, müsste er den Lichtsensor verkehrt in das

Gerät einbauen. Die ableitenden Kabel lägen im Strahlengang. Dann müsste er ein

Loch durch den Sensor bohren, um das Kabelgewirr hinter die optische Anordnung zu

führen. Das ist, um mit RAMMERSTORFER zu sprechen, ein „banaler Fehler“, der „her-

vorragend zu Prozessen“ passt, „die keinen Plan kennen“.

Wie befreit sich RAMMERSTORFER aus diesem Dilemma? Zunächst, indem er leugnet,

dass sich die inverse Retina nachteilig auf die Funktion des dioptrischen Apparats

auswirkt. Er zitiert Leute, die ernsthaft glauben, die Gesamtsituation sei vorteilhafter.

So würden die Netzhaut effektiver mit Blut versorgt, Stoffwechselabfälle besser ent-

12 Krass, dass die Autoren ihren Widerspruch nicht bemerken: Auf der einen Seite unterstellen sie De-

sign-Kritikern, sie würden „theologisch“ argumentieren, wenn sie feststellen, Suboptimalität spräche

gegen Design. Andererseits schreiben sie auf S. 2f, das „Merkmalsmuster“ geistig hervorgebrachter

Gegenstände sei „hochgradig speziell“ ausgeführt, „damit es (möglichst optimal) [sic!] entsprechende

Funktionen ausüben kann, also einer Zweck-Mittel-Beziehung entspricht“.

Hier hat KOJONEN (2016, S. 157) Recht, wenn er sagt: “Wenn ID-Vertreter tatsächlich manchmal auf die

Güte, Schönheit und auf den Grad der Perfektion der natürlichen Ordnung abheben, wäre es inkonsis-

tent, sich nicht auch dem Problem des schlechten Designs zu stellen“ (ins Deutsche M. N.).

- 31 -

sorgt (S. 71f). Als ob das ein Argument wäre: Die Netzhaut scharf sehender Vögel ist

aus gutem Grund nicht vaskularisiert. Trotzdem ist die Nährstoff-Versorgung effektiv.

In einer anderen Schrift (RAMMERSTORFER 2004, S. 3) behauptet er, aufgrund mangeln-

den Wissens über Entwicklungsbiologie sei derzeit „keine Urteilsbasis gegeben“, um auf

Suboptimalität zu schließen. Merkmale, die aus technischer Sicht wie Pfusch ausse-

hen, könnten aus entwicklungsbiologischer Sicht den bestmöglichen Kompromiss

darstellen. Denn die Ontogenese ist komplizierter als das „Verschrauben“ von Einzeltei-

len. Bei technischen Dingen entsteht die Funktion erst am Ende des Fertigungsprozes-

ses. Dagegen muss der Embryo in jedem Stadium seiner Entwicklung „funktionieren“.

Und er muss die Voraussetzungen für die jeweils nächsten Entwicklungsschritte schaf-

fen. Alles hängt mit allem zusammen. Daher ist es vorstellbar, dass ein Designer kurios

anmutende Strukturen in Kauf nahm, weil alternative Entwicklungswege gravierende

Probleme an anderer Stelle aufgeworfen hätten. Aber dieser Einwand muss scheitern.

Mit der Frage, ob derzeit eine entwicklungsbiologische „Urteilsbasis“ existiert, steht und

fällt auch das Design-Argument: Gibt es sie nicht, wissen wir auch nicht, ob die Teile

eines Systems „hochgradig speziell ausgeführt sind“ und inwieweit sie „einer Zweck-

Mittel-Beziehung“ entsprechen. Ähnlich argumentiert KOJONEN (2016, S. 159). Außer-

dem ist die Vermutung, dysfunktionale Strukturen seien die bestmöglichen Kompromis-

se, eine Schutzhypothese mala fide. Um beim Auge zu bleiben: Wir wissen, dass ele-

gantere Alternativen existieren. Der Augenbecher des Oktopusses quillt nicht aus sei-

nem Gehirn, sondern entsteht durch Einstülpung der embryonalen Außenhaut. Dann

versorgt ihn das Gehirn mit Nervenzellen. Daraus folgt, dass das Problem nicht kon-

struktionsbedingt ist. Das Problem ist, dass Embryos „unnötig erscheinende Remi-

niszenzen an die evolutive Vergangenheit“ zeigen (MÜLLER & HASSEL 2018, S. 506).

WIDENMEYER & JUNKER erheben den Einwand, auch die Evolutionstheorie würde keine

Erklärungen für Dysfunktionalität liefern. Stattdessen würden

„lediglich spekulative und pauschale evolutionstheoretische Szenarien postuliert, durch

die es zum betreffenden fehlkonstruierten Organ gekommen sein könnte – denen aber

erklärende … Inhalte und Belege weitgehend fehlen“ (S. 10).

Doch die Güte kausaler Erklärungen hat mit unserem Argument nichts zu tun! Wie er-

wähnt geht es darum, dass „stümperhaftes Design“ gut zu planlosen Prozessen passt.

Es bestätigt die Erwartungen natürlicher Evolution, passt aber nicht ohne weiteres zu

planmäßigem Handeln. Daher benötigen die ID-Vertreter passende Hilfsannahmen: Sie

- 32 -

mutmaßen, es könnte embryogenetische „Sachzwänge“ geben, die alternative Entwick-

lungsrouten ausschließen. Manche postulierten, der Designer arbeite wie ein Züchter im

Rahmen historisch limitierter Evolutionsprozesse (KOJONEN 2016, S. 157). Solche Ein-

wände haben Ad-hoc-Charakter. Zudem steht der Letztgenannte, wie KOJONEN bemerkt,

nur jener Minderheit an ID-Vertretern offen, die gemeinsame Abstammung akzeptieren.

Wir sehen: Sobald Analogien nicht ins Design-Konzept passen, leugnen sie die ID-

Vertreter. Dann behaupten sie, Imperfektes sei Ausdruck einer Kompromisslösung. Sie

legen nahe, das Imperfekte läge im Ermessensspielraum des Designers. Oder sie be-

haupten, Suboptimalität lasse sich nicht nachweisen. Wir haben gezeigt, dass es sich

um schwache Versuche von Kritikimmunisierung handelt.

Merke:

(1) Urteile über konstruktive Mängel bedürfen keiner evolutionären Interpretati-

on. Mängelstrukturen verursachen Fitness-Einbußen und erhöhte Mortalität.

Sie zeigen Merkmale, die aus technischer Sicht unsinnig erscheinen und der

Idee der Planmäßigkeit im Weg stehen.

(2) Das Argument der Konstruktionsfehler setzt keine theologischen Annahmen

voraus. Seine sparsamere Variante besagt lediglich, dass sich Mängel-

Strukturen nur mit natürlichen Prozessen zwanglos erklären lassen.

(3) Die starke Variante des Arguments nimmt zwar auf das behauptete Schöp-

ferwirken Bezug. Dafür wendet sie jedoch die Thesen des Intelligent Designs

an: Da ID-Vertreter mit Technik-Analogien arbeiten, ist es legitim, sich die-

sen Analogien zu stellen und zu prüfen, ob sie das Planmäßigkeits-

Argument schwächen. Denn: „Stümperhaftes Design passt … hervorragend

zu Prozessen, die keinen Plan kennen“ (RAMMERSTORFER 2006, S. 90.)

(4) „Die Planmäßigkeitsanaloge streicht den Sinn in der Natur heraus und

übersieht den Unsinn. Auf gleiche oder ähnliche [= intelligente] Ursachen

darf nicht geschlossen werden“ (MAHNER 1986, S. 79).

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F. Kritik an der negativen Komponente des Design-Arguments

Wie eingangs erwähnt, umfasst die zweite Komponente des Design-Arguments die

Kritik an der Evolutionstheorie. Ihre skeptische Haltung gegenüber der natürlichen

Entstehung nicht reduzierbar komplexer Strukturen begründen die Autoren im Wesent-

lichen mit vorgeblicher Unwahrscheinlichkeit:

„Damit ein Gegenstand eine Funktion ausüben kann, benötigt er in der Regel mehrere Bau-

elemente, die in spezifischer Weise jeweils konstruiert und zusammen aufeinander abge-

stimmt sein müssen. Dies betrifft oft ganz verschiedene Aspekte wie Materialeigenschaften,

Form, Steuerung u. a. Diese Bestandteile und ihre gegenseitigen Abstimmungen erfordern

sehr häufig eine hohe Komplexität, die nicht mehr verkleinert werden kann, ohne die in Rede

stehende Funktion vollständig zu verlieren … Diese Konstruktionen sind an sich klare De-

sign-Kennzeichen … Gleichzeitig sind die bekannten natürlichen Mechanismen nach aller

unserer Kenntnis bei weitem überfordert, solche Konstrukte hervorzubringen.

Das evolutionstheoretische Grundproblem besteht darin, dass kein kontinuierlicher, klein-

schrittiger und hinreichend wahrscheinlicher Weg von einem Zustand ohne diese spezielle

Funktion (und ohne die speziell dafür nötige Konstruktion) hin zu einem Zustand mit dieser

Funktion (und der dafür nötigen Konstruktion) gedacht [sic!] werden kann. Jeder einzelne

Mutationsschritt müsste eine hinreichende statistische Wahrscheinlichkeit haben. Er dürfte

nicht selektionsnegativ sein, vielmehr müsste die entsprechende Mutante in der Population

konserviert und signifikant verbreitet werden. Dabei müsste er sich dem in Rede stehenden

Zustand annähern … Selbstverständlich kann hier jedoch nicht (schrittweise) auf ein Ziel hin

geplant und ‚gearbeitet‘ werden, da natürliche Mechanismen zukunftsblind sind: Da Selekti-

on immer nur die aktuellen, nicht aber potentielle zukünftige Funktionen ‚bewerten‘ kann, be-

sitzen hypothetische Vorstufen, die die Funktion des betreffenden Gebildes nicht besitzen,

im Hinblick auf diese spezifische Funktion keinen Selektionsvorteil“ (S. 5, S. 7).

Ist diese Argumentation überzeugend?

F.1 Nicht reduzierbare Komplexität als Einwand gegen Evolution

Zunächst haben WIDENMEYER & JUNKER (S. 7) Recht damit, dass die Selektion nicht

„potentielle zukünftige Funktionen ‚bewerten‘“ kann. Wie sollte sie auch? Was nicht

existiert, kann nicht „belohnt“ werden, und eine nicht vorhandene Funktion lässt sich

nicht verstärken. Die Evolution ist „zukunftsblind“ in dem Sinne, dass wir sagen: Der

Funktionszustand (A) eines Systems kann nicht vom Funktionszustand (B) eines evo-

lutiven Vorläufers aus direkt „anvisiert“ werden.

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Die Grundzüge dieses Arguments stammen von dem Biochemiker Michael BEHE

(1996). Dieser beschreibt detailliert verschiedene biochemische Signalkaskaden und

„molekulare Maschinen“, die gemeinsam eine physiologische Funktion oder Reaktion

herstellen. Dann stellt er fest, dass die Wegnahme einer beliebigen Komponente zum

völligen Zusammenbruch der Funktionen führe: Die betreffenden Strukturen seien

nicht reduzierbar komplex. Daraus folgert BEHE, es sei unmöglich, sie in hinreichend

kleinen, von der Selektion belohnten Schritten aufzubauen. Denn wie sollen fortlaufend

komplexere Biosysteme evolviert sein, wenn sich das Komplexe an keiner Stelle ver-

einfachen lässt, ohne dass die Funktion wegbricht?

In diesem Zusammenhang sprechen ID-Vertreter vom „direkten DARWIN‘schen Weg“:

„Ein direkter darwinistischer Weg ist einer, wonach sich ein System durch natürliche Selek-

tion entwickelt, die eine gegebene Funktion schrittweise verstärkt. Während sich das Sys-

tem weiterentwickelt, ändert sich die Funktion nicht“ (DEMBSKI 2003; ins Deutsche M.N.).

So könnten sich die Strukturen des Auges im Prinzip stufenlos verändern. Die Selekti-

on „beurteilt“ nach jedem Variationsschritt, ob sich die Funktion verbessert oder ver-

schlechtert. Dieser Weg einer schrittweisen Optimierung bleibt der Evolution bei der

Konstruktion nicht reduzierbar komplexer Strukturen versperrt.

Michael BEHE ist sich im Klaren darüber, dass der Evolution indirekte Wege offenste-

hen, um nicht reduzierbar Komplexes hervorzubringen. Eine Möglichkeit ist die soge-

nannte Kooption (oder Kooptation). Darunter verstehen wir das Umgestalten von be-

reits existierenden (präadaptierten) Entwicklungswegen, die Inanspruchnahme von

vorhandenen Genen oder Bauelementen für eine neue Aufgabe. Dieses evolutive

Schema ist unter dem Stichwort Funktionswechsel geläufig. ID-Vertreter räumen ein,

dass die Evolution solche „indirekten“ Wege beschreiten kann, was leider viele Kritiker

(etwa BRIGANDT 2013, S. 233) übersehen. Sie bestreiten allerdings, dass dies bei sehr

komplexen Systemen erfolgversprechend sei (KOJONEN 2016, S. 65f).

MENUGE (2004, S. 104–105) begründet dies damit, dass die Transformation eines Vor-

läufersystems in eine neue, nicht reduzierbar komplexe Struktur an eine Reihe von Vo-

raussetzungen geknüpft sei. Zunächst müssten die Teile, aus denen die nicht reduzier-

bar komplexe „Maschine“ wird, in der Zelle vorhanden und für evolutionäre Variations-

Experimente zur Verfügung stehen. Sie dürfen bestehende Vitalfunktionen nicht beein-

trächtigen. Des Weiteren müsse sie die Evolution an den richtigen Ort transferieren und

passend (in der richtigen Reihenfolge) miteinander „verschalten“. Schließlich müsste sie

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alle Teile in ihrer Struktur derart verändern und aufeinander „abstimmen“, dass diese die

neue Funktion herstellen. Kurz: Schon die präzise Lokalisation, Synchronisation und

Koordination einiger weniger Bauelemente soll vielfache Abstimmungen gleichzeitig er-

fordern. Deshalb werde die Entstehung komplizierterer molekularer „Maschinen“ und

biochemischer Regelkreise rasch unwahrscheinlich:

“Die darwinistische Evolution kann für einige nicht reduzierbar komplexen Strukturen ver-

antwortlich sein, aber je höher das Komplexitätsniveau des nicht reduzierbar komplexen

Systems ist, desto weniger plausibel ist es, dass sich dieses System durch darwinistische

Mechanismen entwickelt hat“ (Ins Deutsche M.N.).13

Was lässt sich auf sachlicher Ebene auf diese Argumentation entgegnen? Wir könnten

es uns einfach machen und auf die in Abschnitt C.2 beschriebene Evolution des

T-urf13-Proteins verweisen. Sie belegt, dass nicht reduzierbar komplexe Strukturen

mitunter in größeren Sprüngen entstehen, und das in überraschend kurzer Zeit.

Einen theoretischen Ansatz verfolgt der amerikanische Philosoph Paul DRAPER (2002),

dessen Arbeit zu den derzeit besten auf diesem Gebiet zählt. Seine Analyse und Wider-

legung umfassen drei Ebenen:

Er kritisiert die Behauptung, bestimmte Systeme seien sehr komplex.

Er entkräftet die Aussage, es sei unwahrscheinlich, dass sehr komplexe Sys-

teme auf indirektem Weg evolvieren könnten.

Er verwirft die These, irreduzibel komplexe Strukturen könnten nicht auf direk-

tem DARWIN‘schen Weg evolvieren.

Das Hauptproblem der ID-Argumentation: Die Komplexität heutiger Proteinkomplexe und

Regel-Kaskaden sagt nichts darüber, wie spezifisch das Arrangement der Teile in einem

wenig spezialisierten „Minimal-System“ zu sein brauchte. Auch sagt sie nichts darüber, in

wie vielen Schritten die Evolution sie hervorbringen konnte und wie „groß“ die Schritte sein

mussten. Letzteres hängt davon ab, welche Komponenten des Systems zuvor „richtig“

verortet und in passender Ausprägung vorhanden waren. Und sie hängt davon ab, wie

„weit“ die Funktionszustände des Systems und seines Vorläufers auseinander liegen.

Nehmen wir an, die Evolution optimiere die Funktion (A) eines Systems. Und sie füge

Teile zum bestehenden System hinzu. Dann kann es geschehen, dass der Komplex

unvermittelt eine zusätzliche Funktion (B) erfüllt. Wird später die Funktion (A) nicht

13 thegenomestale.wordpress.com/2011/09/14/revisiting-irreducible-complexity/

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mehr gebraucht, kann das „Gerüst“, das die Entstehung der Funktion (B) ermöglichte,

verloren gehen. Die Eliminierung von Redundanz bewirkt, dass nur der nicht redu-

zierbar komplexe Zustand (B) übrigbleibt (THORNHILL & USSERY 2000; DRAPER 2002).

BURDA & BEGALL (2013, S. 288) erläutern das Prinzip an einem einfachen Beispiel: Die

in Nordamerika beheimatete Bolaspinne (Abb. 9) erzeugt einen Faden, an dem ein

Tropfen Klebstoff hängt. Gleichzeitig scheidet sie einen Stoff aus, der bestimmte Falter

anlockt. Die männlichen Falter fliegen zur Spinne und bleiben am Klebfaden hängen.

Das Arrangement ist nicht reduzierbar komplex, denn ohne Lockstoff ist der Faden

nutzlos und ohne Faden der Lockstoff. Dennoch können wir uns leicht vorstellen, wie

sich das System bildete, ohne beide Komponenten in einem Schritt hervorzubringen.

Abb. 9 Bolaspinnen produzieren ein Pheromon, das männliche Eulenfalter anlockt. Zudem er-

zeugen sie einen Klebfaden, an dem die Falter hängenbleiben. © Bernard DUPONT, CC BY-SA

2.0, www.flickr.com/photos/65695019@N07/9286584444 (Bild beschnitten und gedreht.)

Ein Vorfahr der Spinne produzierte Spinnennetze, die auch ohne Lockstoff funktionier-

ten. Später lockte die Sekretion eines Stoffs, der zufällig Zugang zum Kommunikati-

onssystem männlicher Eulenfalter fand, Beute an. In dem Augenblick, als der Lockstoff

ausreichte, um Beute anzulocken, war das „Gerüst“ des Spinnennetzes entbehrlich.

Die Evolution reduzierte es, bis nur noch ein Klebstoff-Faden übrigblieb. Im selben

Maß, wie das Netz schwand, gewann der Lockstoff an Bedeutung. Was ursprünglich

nur eine zufällige „verspielte“ Luxus-Ausstattung darstellte, erweist sich heute als un-

entbehrlich. Eine nicht reduzierbar komplexe Struktur ist entstanden.

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Natürlich stößt dieses Beispiel an Grenzen. Wie erörtert, stellen ID-Vertreter die Mög-

lichkeit der „indirekten“ Evolution einfacher Systeme selten infrage. Zudem wendet

BEHE sein Argument auf molekulare Systeme an, wo es sich schärfer fassen lässt.

Doch das Beispiel eignet sich gut, um das Prinzip der Redundanz-Eliminierung zu il-

lustrieren: Sobald die „Gerüststrukturen“ verschwinden, sehen wir dem System nicht

mehr an, in welchen Schritten es entstand. Ebenso wenig sehen wir einer Kathedrale

das Holzgerüst an, das nötig war, um einen Bogen zu stützen. Und doch wissen wir,

dass es ein Fehlschluss wäre zu behaupten, die Konstrukteure hätten alle Steine in

einem Schritt verkeilen müssen, damit sie in einem Bogen zusammenhalten.

Die ID-Vertreter mögen einwenden, Steinbögen und Holzgerüste seien Beispiele für

„Design“, nicht für Evolution. Doch das gleiche Prinzip lässt sich auf die natürliche Evo-

lution übertragen – und sogar auf die Entstehung hochkomplexer molekularer Signal-

kaskaden (ROBINSON 1996; MILLER 2007, S. 154ff; NEUKAMM 2009, S. 219–224). An-

hand des Blutgerinnungssystems lässt sich zeigen, wie sich durch aufeinander folgen-

de Gen-Duplikationen mit Redundanz-Eliminierung und Funktionswandel einstufige

Prozesse in mehrstufige Kaskaden umwandeln lassen (Abb. 10).

Abb. 10 Bei der Blutgerinnung ist der wesentliche Schritt die Umwandlung des Glykoproteins

Fibrinogens in den „Wundklebstoff“ Fibrin. Dieser Prozess wird durch eine Protease (A) einge-

leitet, die an den Gewebsfaktor (TF) bindet und durch diesen aktiviert wird. Die aktivierte Pro-

tease (A*) überführt das Fibrinogen zum Fibrin und aktiviert ihrerseits viele weitere A-

Moleküle. Durch Gen-Duplikation entsteht eine Kopie der Protease A (links als B bezeichnet),

die ebenfalls an den Gewebefaktor TF bindet und die Effizienz der Fibrinerzeugung steigert.

Infolge einer Mutation kann sich die Spezifität der B-Protease ändern, sodass sie stärker an

den Gewebefaktor bindet und A rascher aktiviert als A*. Die Effizienz der Blutgerinnung nimmt

zu. Eine einfache Zweischrittkaskade ist entstanden (rechts). Durch weitere solche Schritte

lässt sich die Komplexität der Kaskade beliebig steigern. Aus NEUKAMM (2009, S. 222).

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Generell können sich komplexe Stoffwechselwege schrittweise „von ihrem Ende

her“ (retrograd) herausbilden (LIGHT & KRAULIS 2004; FANI 2012). Daher sagt ihr

Maß an nicht reduzierbarer Komplexität nichts über die Plausibilität ihrer Evolu-

tion aus. Letztere hängt nur von der Plausibilität des unwahrscheinlichsten Einzel-

schritts ab. Wie die hier zitierten Autoren darlegen, gibt es auch andere Evolutionswe-

ge; bei den meisten spielen Gen-Duplikationen eine tragende Rolle. Und: Jedes der

Modelle wird durch Daten untermauert, die ihren Vorhersagen entsprechen.

Noch ein Beispiel aus der Mikrobiologie: Viele Bakterien und Archaeen verfügen über

Fortbewegungs-Organellen (sogenannte Flagellen, „Rotations-Motoren“). Damit sie

funktionieren, müssen Dutzende Proteine miteinander interagieren. Müssten wir vo-

raussetzen, dass sie die Evolution gleichzeitig aufeinander abstimmte, wären vermut-

lich nie Flagellen evolviert. Nun wissen wir, dass Bakterien und Archaeen sogenannte

Haft-Organellen (Pili) besitzen. Damit heften sie sich an Oberflächen oder binden be-

stimmte Moleküle. Für ihren Zusammenbau sorgt ein Membranprotein (Mem) sowie

ein membranassoziiertes Enzym, die sogenannte ATPase (Abb. 11).

Die ATPase liefert durch Spaltung des Energieträgers ATP die Energie für den Trans-

port der Protein-Untereinheiten aus der Zelle. Dabei beginnt sie strukturbedingt zu rotie-

ren. Das bei der Rotation erzeugte Drehmoment ist eine zufällige Eigenschaft der

ATPase, die für die Pili keine Rolle spielt. Doch die ATPase kann kein ATP spalten, oh-

ne zu rotieren: Die Spaltung von ATP sowie die Rotation sind gekoppelte Eigenschaf-

ten der ATPase, die eine Evolution in Richtung eines Rotations-Motors begünstigen

kann. Benötigt der Organismus die Haft-Funktion der Pili nicht mehr, kann er sie zur

Kraftübertragung des Drehmoments der ATPase auf das umgebende Medium nutzen.

Merke: Der Grad an nicht reduzierbarer Komplexität und Spezifität lässt keine

Rückschlüsse auf seinen Ursprung und seine Entstehungswahrscheinlichkeit zu.

So ist dieser nicht zu entnehmen, wie viele Schritte für ihre Bildung notwendig wa-

ren und welche Voraussetzungen sie begünstigten. Auch einer Kathedrale sehen

wir das einstige Holzgerüst nicht an, das einen Bogen stützte.

Ist das Gerüst verschwunden, könnten wir vermuten, die Konstrukteure hätten alle

Steine gleichzeitig verkeilen müssen, damit sie in einem Bogen zusammenhalten.

Das ist ein Irrtum. „Gerüststrukturen“, die eine allmähliche Entstehung des nicht

reduzierbar Komplexen erleichtern könnten, finden wir auch bei Lebewesen.

- 39 -

Wir vermuten, dass diese Modifikation Abstimmungen erfordert. Doch ein Großteil der

Flagellen-Komponenten sitzt bei verschiedenen Pili bereits „an der richtigen Stelle“. Da

sie auch für das Funktionieren von Flagellen erforderlichen Voraussetzungen erfüllen,

vereinfacht sich das evolutionäre Problem wesentlich. Die „Schrittweite“ ist weit kleiner

als verschiedene Design-Vertreter behaupten (↑ Abschnitt F.3).

Abb. 11 Modell der Zellmembran von Sulfolobus solfataricus. Die Vorläufer der Flagellen-,

Pili- und zuckerbindenden Proteine werden in die Membran integriert, durch Peptidase pro-

zessiert und in die verschiedenen Zelloberflächen-Strukturen eingegliedert. Die Assemblie-

rungs-Systeme bestehen in allen drei Fällen aus zwei Komponenten: einer ATPase und ei-

nem integralen Membranprotein. © Max-Planck-Institut für Terrestrische Mikrobiolo-

gie/ALBERS. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von S.-V. ALBERS.

F.2 Reduzierbare Spezifität contra nicht reduzierbare Komplexität

Erörtern wir nun ein Beispiel, das in seiner Komplexität (Abb.13) atemberaubend ist.

Die Forschungs-Resultate der letzten Jahre führten dazu, dass sich die Einwände der

Evolutionsgegner nach und nach verflüchtigten. Wir sehen darin ein Paradebeispiel für

das Scheitern des Arguments der nicht reduzierbarer Komplexität. Worum geht es?

Einige Organellen moderner tierischer und pflanzlicher Zellen (Eucyten) entstanden

durch eine Reihe von Verschmelzungen verschiedener ursprünglicher Zellen. Die Biolo-

gie spricht von serieller Endosymbiose. Diesen Sachverhalt beschreibt die Endosym-

bionten-Theorie. Sie lehrt, dass eine bakterienähnliche Vorläuferzelle ein Sauerstoff

- 40 -

nutzendes Bakterium (Proteobakterium) aufnahm. Ein daraus hervorgehender Eukaryot

verleibte sich später ein Photosynthese betreibendes Cyanobakterium ein. Im Laufe von

Jahrmillionen büßten die aufgenommenen Bakterien (Symbionten) ihre Autonomie ein,

indem sie einen Großteil ihrer Gene in den Zellkern der Wirtszelle auslagerten. So wur-

de das Proteobakterium zu den Mitochondrien („Kraftwerken“) der modernen Zellen und

das Cyanobakterium zu den Chloroplasten der Pflanzen (Abb. 12).

Abb. 12 Evolution der Eucyte durch serielle Endosymbiose. Nach jedem Schritt lagerte sich ein

großer Teil der Symbionten-Gene in den Kern der Wirtszelle aus (Gentransfer). Auf dieser Wei-

se wurden sie zu Organellen, beispielsweise zu den Chloroplasten von Pflanzen, in denen die

Photosynthese stattfindet. (N: Nukleus = Zellkern). Mit freundlicher Genehmigung von R. BOCK.

Die Endosymbionten-Theorie ist etablierter Bestandteil der Evolutionstheorie und gut

belegt. Doch WORT UND WISSEN (2008) hält die „Co-Evolution“ von Endosymbiont und

Wirt für zu komplex und unwahrscheinlich. Ein funktionaler Gentransfer, so das Argu-

ment, erfordere gleichzeitig mehrere aufeinander abgestimmte Koordinationsschritte:

Die Symbionten-Gene müssen sich passend ins Kerngenom der Wirtszel-

le integrieren, damit sie „lesbar“ sind.

Die Produkte (Proteine) der in den Kern transferierten Gene haben über

die Membranen in die jeweiligen Organellen zu gelangen. Diesen „Re-

Import“ gewährleisten spezielle Transit-Peptide. Die Evolution hängte sie

den Proteinen an, indem sie den für sie kodierenden Genen passende

Zielsequenzen zuwies.

Ferner braucht es spezielle „Porenkomplexe“ mit einer Reihe passender

Protein-Untereinheiten, die es den Proteinen erlauben, sich in die jeweili-

gen Kompartimente „einzufädeln“. Diese sogenannten Translokasen müs-

sen am „richtigen Ort“ sein, damit die Verteilung der Proteine auf die Zell-

Kompartimente korrekt geschieht.

- 41 -

Bevor ein Protein durch den Porenkomplex gelangt, muss es ein sogenann-

tes Chaperon entfalten. Anschließend muss eine Protease das Transit-

Peptid abschneiden und sich das Protein korrekt zurückfalten (Abb. 13).

Abb. 13 Schema der acht Hauptschritte in der Co-Evolution von Endosymbiont und Wirt. Nach

Ansicht von WORT UND WISSEN haben sich diese Schritte gleichzeitig vollziehen müssen. An-

dernfalls wäre der Gentransfer vom Endosymbionten in die Wirtszelle nicht funktional.

JUNKER & SCHERER (2006, S. 185) resümieren:

„Diese Prozesse müssen alle zusammen gleichzeitig funktionell sein, damit ein kernco-

diertes Protein ins Organell transportiert werden und das entsprechende mitochondriale

Gen verloren gehen kann. Über den Mechanismus zur Entstehung einer solchen

‚konzertierten Aktion‘ kann derzeit nur spekuliert werden. Außerdem sollen einige der

dazu nötigen Maschinerien in Plastiden, Mitochondrien und Hydrogenosomen ... unab-

hängig voneinander entstanden sein, wofür sehr kleine Wahrscheinlichkeiten eingeräumt

werden müssen. Vielmehr scheint eine ‚vorbereitete‘ Situation vorzuliegen. Das ganze

System erscheint irreduzibel komplex und wirkt als Design-Signal“ (Fettschrift nicht

im Original).

Doch inzwischen zeigte die Biologie, dass die enorme Komplexität und Spezifität heu-

tiger Organellen-Systeme für die ersten, noch wenig spezialisierten Endosymbiose-

Systeme nicht erforderlich war. Die hochspezifischen Einrichtungen der modernen Eu-

karyoten-Zelle brauchten nicht gleichzeitig zu entstehen:

- 42 -

1. Der Gentransfer in den Kern der Wirtszelle kann unspezifisch erfolgen, solange

er Duplikate oder Gene betrifft, die aus dem unregulierten Zerfall gealterter

Symbionten stammen (NEUKAMM & BEYER 2011, S.17). Dies belegen beispiels-

weise Hülsenfrüchtler, bei denen verschiedene Zwischenstufen eines funktiona-

len Gentransfers existieren: Wir kennen für das Protein COX2 Gene, die nur in

den Mitochondrien auftreten. Es gibt Gene in Mitochondrien und Zellkern, die

nur in den Mitochondrien aktiv sind. Ferner existieren Gene, die sowohl in den

Mitochondrien als auch im Zellkern abgelesen werden, und Mitochondrien-

Gene, die nur im Kern aktiv sind (COVELLO & GRAY 1992; DALEY et al. 2002).

2. Experimente mit Pflanzen, in deren Chloroplasten Forscher bestimmte Resis-

tenz-Gene übertrugen, zeigen, dass die Gene überraschend häufig in den Zell-

kern „springen“. Ein Teil der Pflanzen schafft es, die nichtfunktional in den Zell-

kern transferierten Gene durch zufälliges Hinzufügen oder Entfernen eines

kleinen Stücks DNA zu aktivieren (STEGEMANN & BOCK 2006).

3. Zielsequenzen waren für die in den Kern der Wirtszelle ausgelagerten Symbionten-

Gene zunächst entbehrlich. Beispiele belegen, dass ein Teil der Gen-Produkte

nicht in die „vorgesehenen“ Zell-Kompartimente gelangt. Er verbleibt im Plasma

oder gelangt in andere Kompartimente (MARTIN et al. 2002; NOWITZKI 2002, S. 3).

4. Die später erworbenen Zielsequenzen, die das betreffende Gen markieren,

brauchten nicht besonders spezifisch zu sein: Sage und schreibe 20% aller co-

dierenden Gen-Bereiche und ein hoher Prozentsatz von Zufallssequenzen,

eignen sich grundsätzlich als Zielsequenz (TONKIN et al. 2008):

„Die geringe Komplexität [Sequenz-Spezifität; M.N.] des Transit-Peptids hat daher

wohl den Erwerb solcher Sequenzen über Exon-Shuffling oder einfach über den

Gebrauch von Zufallssequenzen erheblich erleichtert und damit den intrazellulä-

ren Gentransfer [von Organellen in den Kern] beschleunigt“ (TONKIN et al. 2008,

S. 4785; ins Deutsche M. N.)

5. Die Evolution profitiert davon, dass es „das richtige“ Kompartiment für den Pro-

tein-Import nicht gibt. Proteine können in jedes Organell importiert werden. Re-

sultiert daraus ein Vorteil, wird diese evolutive Veränderung selektiert und fixiert.

6. Ein einfaches Sortiersystem ist nicht auf die „enorme Komplexität und Spezifität“

(WORT UND WISSEN 2008) heutiger Porenkomplexe angewiesen. Zwar sind die

Protein-Untereinheiten heute nur in ihrer speziellen physiologischen Vernetzung

funktional. Wir wissen jedoch, dass ein Großteil davon ursprünglich unnötig war.

- 43 -

Ein Beispiel ist der Tic/Toc-Komplex in der Außenmembran von Chloroplasten. Des-

sen Kernstück ist das Porenprotein Toc75. Es steuert gemeinsam mit den Rezeptor-

Proteinen Toc34, Toc159 und Toc64 sowie mit einigen Regulator-Proteinen den Import

bestimmter, von den Chloroplasten benötigter Proteine (Abb. 14). Beim Cyanobakteri-

um Synechocystis findet sich das sehr ähnlich gebaute Protein SynToc75, allerdings

ohne die Untereinheiten des Tic-/Toc-Komplexes (BÖLTER et al. 1998).

Abb. 14 Toc- und Tic-Proteine. Nach Soll & Schleiff (2004, S. 204).

Dieses Protein sitzt beim Cyanobakterium (dem einstigen Proto-Endosymbionten) be-

reits an der „richtigen“ Stelle. Es ist in der Lage, bestimmte Proteine passieren zu las-

sen, wenngleich noch nicht mit der Spezifität heutiger Chloroplasten. Dies macht Syn-

Toc75 zum idealen Ausgangspunkt in der Evolution des Protein-Transporters. Die

Evolution konnte mit diesem noch weitgehend unspezialisierten Transportkanal begin-

nen und dessen Effizienz und Spezifität durch sukzessives Addieren von Rezeptoren

und Regulationsproteinen steigern (REUMANN et al. 2005; INABA & SCHNELL 2008; BO-

DYŁ et al. 2009, S. 1221f). Selbst bei hochentwickelten Pflanzen bewirkt der Knock-out

einiger Protein-Untereinheiten zwar eine Effizienz-Minderung des Proteintransports,

nicht aber dessen Zusammenbruch (KOVACHEVA et al. 2005).

Wieder ist der entscheidende Punkt, dass aus „nicht reduzierbarer Komplexität“

nicht folgt, dass alle Teile des Systems von Anfang an hochspezifisch miteinan-

der wechselwirken müssen. Um es mit DRAPER (2002) zu formulieren:

- 44 -

„Was Behe braucht, ist nicht nur Spezifität, sondern das, was ich als ‚nicht reduzierbare

Spezifität‘ bezeichnen möchte. Die Behauptung, dass die Spezifizität eines Systems nicht

reduzierbar sei, entspricht etwa der Behauptung, dass das System aufhört wirksam zu ar-

beiten, wenn seine Teile modifiziert werden. Diese Definition ist jedoch nur eine erste Nä-

herung, weil sie nicht reduzierbare Spezifität als qualitatives Konzept behandelt, während

sie in Wirklichkeit quantitativ ist – sie entsteht abgestuft, gradweise. Kein System funktio-

niert so, dass eine Veränderung seiner Teile, egal wie geringfügig sie auch sein mag, zu

einem totalen Funktionsverlust führen würde.“14

Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit der Evolution nicht reduzierbar komplexer

Strukturen durch Funktionswechsel und Kooption wäre umso geringer, je komplizierter

sie sind. Dann dürfte sich ihr hoher Grad an Spezifität nicht verringern, ohne zum

Funktionsausfall zu führen. Das Endosymbiose-System zeigt exemplarisch, dass das

nicht der Fall ist.

F.3 Schätzungen zur Unwahrscheinlichkeit von Evolution

Wie gesehen bezeichnen JUNKER & SCHERER (2006, S. 185) die Evolution der eukaryo-

tischen Zelle als sehr unwahrscheinliche, „konzertierte Aktion“. Das System erscheine

„irreduzibel komplex“ und wirke „als Design-Signal“. Doch in der aktuellen Auflage

räumen sie ein, dass die Datenlage „eine schrittweise Entwicklung zu Endosymbionten

zunehmend plausibel“ mache (JUNKER & SCHERER 2013, S. 199). Von „Design-

Signalen“ und „konzertierten Aktionen“ ist nicht mehr die Rede!

14 Im Original: “So what Behe needs to rule out the sort of indirect route being considered is a system

that cannot function at all unless its parts are well matched. He needs, in other words, not just specifici-

ty, but what I will call ‘irreducible specificity.’ To claim that the specificity of a system is irreducible is,

roughly, to claim that the system would effectively cease to function if its parts were modified. This defi-

nition is, however, only a first approximation, because it treats irreducible specificity as a qualitative con-

cept, whereas in reality it is quantitative–it comes in degrees. No system is such that any modification of

its parts, no matter how slight, would result in a total loss of function.”

Merke: Nicht reduzierbare Komplexität wäre ein Argument gegen eine natürliche

Evolution, wenn gezeigt wäre, dass die betreffenden Systeme zugleich nicht redu-

zierbar spezifisch sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Annahme, die Evolution

einer nicht reduzierbar komplexen Struktur sei umso unwahrscheinlicher, je kom-

plizierter sie ist, ist unbegründet.

- 45 -

Kurioserweise hält dies die Autoren nicht davon ab, ihr gescheitertes Argument immer

wieder neu aufzulegen. Ihre Beispiele wechseln, die Struktur ihres Arguments bleibt

gleich. Sie behaupten, ein hinreichend wahrscheinlicher Weg zu einem nicht reduzier-

bar komplexen Gegenstand könne nicht einmal gedacht werden. Das mag in einzelnen

Fällen zutreffen – aber nur so lange, bis die Forschung das Problem durchdacht hat.

Wie anders lässt sich das Rückzugsgefecht bei JUNKER & SCHERER (2013, S. 199) er-

klären? Jedenfalls scheinen andere keine Schwierigkeiten damit zu haben, entspre-

chende Wege zu denken (ORR 1996; DRAPER 2002; NEUKAMM & BEYER 2011).

Auch das Kapitel über die Evolution bakterieller Fortbewegungs-Organellen (soge-

nannte Flagellen) haben die Autoren komplett revidiert. Seit BEHE (1996) zählt es zu

den Paradebeispielen nicht reduzierbar komplexer Strukturen in der ID-Literatur. Wäh-

rend JUNKER & SCHERER (2006) die Evolution der Flagellen transastronomisch un-

wahrscheinlich rechnen, findet sich in der aktuellen Auflage hierzu keine Kalkulation.

Statt der ehemals postulierten 160 sollen jeweils noch etwa zehn Mutationen zwischen

zwei positiv selektierbaren „Basis-Funktionszuständen“ liegen (SCHERER 2010, S. 20).

Dies würde eine drastische Erhöhung der Entstehungs-Wahrscheinlichkeit bedeuten.

Welche Werte bei solchen „Berechnungen“ herauskommen, hängt also enorm von den

Prämissen ab, die die Evolutionsgegner ihnen zugrunde legen. So gut wie keine Prä-

misse, die ID-Vertreter ihren Kalkulationen voranstellen, wird in der Fachwelt aner-

kannt. Damit ist klar, dass die Wahrscheinlichkeitswerte der ID-Vertreter höchst sub-

jektiv sind. Und je weniger wir über bestimmte Evolutionswege wissen, desto weniger

Sinn hat es, über Wahrscheinlichkeiten zu spekulieren. Jede neue Erkenntnis kann die

Einschätzungen zu Fall bringen – und so ist es tatsächlich in den meisten Fällen: Kei-

ne einzige Wahrscheinlichkeit, die JUNKER & SCHERER (1998–2006) in ihrem Schulbuch

präsentierten, taucht in der jeweils nächsten Auflage auf.

Ein anderes Beispiel: DENTON (2016, S. 226) behauptet, bereits das Rekrutieren eines

einzelnen Gens für eine neue Gen-Kaskade sei ein komplizierter Schritt. Das bloße An-

schalten des Gens erfordere enorm komplizierte Regulationsmechanismen, die gewähr-

leisten, dass das Gen am rechten Platz, zur rechten Zeit und in der richtigen Menge ex-

primiert werde. Andernfalls führe dies ins Chaos. Dergleichen ist aber nicht zwingend. In

vielen Fällen reicht es, wenn ein Gen überhaupt aktiv ist, und sei es in allen möglichen

Zellen. Die Optimierung der Genregulation kann oft später erfolgen.

- 46 -

Insbesondere den Einsichten der Systembiologie ist es zu verdanken, dass derartige

Spekulationen Zug um Zug an Plausibilität einbüßten. Zum Beispiel brauchen sich die

Komponenten eines Merkmalskomplexes („Moduls“) nicht unabhängig voneinander zu

verändern. Vielmehr gilt oft das Umgekehrte: Werden genetische „Schalter“ modifiziert,

verändert sich das Zusammenspiel aller untergeordneten Gene gleichzeitig. Infolge-

dessen evolviert mehr oder minder das ganze Modul. Und durch Übernahme eines

„Schalters“ in andere Gennetzwerke werden ganze Genkaskaden auf einen Schlag in

unterschiedlichen „Modulen“ aktiv (MONTEIRO & PODLAHA 2009).

Freilich ist es legitim zu fragen, ob die betreffende Evolution im konkreten Einzelfall

plausibel ist. Von wenigen Beispielen abgesehen, ist es unmöglich, dies experi-

mentell zu klären: Einerseits wissen wir über die Voraussetzungen der Realhistorie

zu wenig. Andererseits haben wir nicht genügend Zeit, eine Millionen Jahre lange Ent-

wicklungsreihe im Labor zu analysieren. Doch es gibt neue theoretische Einsichten.

Monte-Carlo-Simulationen zeigen, dass selbst dann gute Chancen bestehen, nicht

reduzierbar komplexe Strukturen hervorzubringen, wenn dies drei, vier oder noch mehr

„passende“ Mutationen gleichzeitig erfordern würde (TROTTER et al. 2014). Eine sol-

che Evolution ist insbesondere bei Genen erfolgversprechend, die unter keinem hohen

Selektionsdruck stehen. Hier können sich über lange Zeit selektionsneutrale Mutatio-

nen ansammeln (Abb. 15). Da der Anteil kryptischer Gene im Genom recht groß ist, ist

die Zahl komplexer Anpassungen unter bestimmten Bedingungen erheblich (Abb. 16).

Das mitochondriale Gen T-urf13 (↑ Abschnitt C.2) in bestimmten Mais-Sorten mag als

Beispiel genügen. Es besteht aus einer intergenischen Region, die nicht transkribiert

wird, und aus einem Fragment, das nicht in ein Protein übersetzt wird. Die Evolution

konnte mit diesen DNA-Stücken weitgehend selektionsneutral experimentieren.

Merke: Wahrscheinlichkeits-Abschätzungen der Evolutionsgegner, oft mit einer

mathematischen Scheinpräzision ausgestattet, täuschen Wissen über die Mög-

lichkeiten und Grenzen der Evolution vor, das wir nicht haben. Ein solches Wissen

existiert nicht ansatzweise. Andernfalls wüssten wir, welche Systeme sich unter

welchen Voraussetzungen in welche Richtungen entwickeln können und wie viele

Schritte notwendig sind. Wüssten wir dies alles, müssten die ID-Vertreter zeigen,

dass all die Voraussetzungen zu keiner Zeit und bei keiner Art realisierbar waren.

Sie bürden sich eine Beweislast auf, die sie nicht stemmen.

- 47 -

Abb. 15 Nicht reduzierbare Komplexität lässt sich als Tal zwischen zwei Erhebungen in der

Fitnesslandschaft interpretieren (links unten). Jede Erhebung repräsentiert einen Funktionszu-

stand, jeder Anpassungsgipfel ein lokales Fitness-Optimum. Da die Selektion Schritte mit ab-

nehmender Fitness unterbindet, endet die Optimierung auf einem der Gipfel. Doch Zufallsdrift

ermöglicht das Überqueren der Täler und so das Erreichen eines neuen Funktionszustandes.

Je „breiter“ das Tal zwischen zwei Funktionszuständen ist, desto schwerer lässt es sich über-

winden. Monte-Carlo-Simulationen zeigen, dass dies umso eher geschieht, je geringer der Ein-

fluss der Selektion ist. Besonders eignen sich kryptische Gene, die nur unter bestimmten Be-

dingungen abgelesen werden. So besteht bei dominanten Anpassungsgipfeln eine gute Chan-

ce, „Täler“ zu überwinden, die drei oder vier Mutationen „breit“ sind (rote Punkte). Bei rezessi-

ven Gipfeln ist dies schwieriger (blaue Quadrate). Grafik verändert nach TROTTER et al. (2014).

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Abb. 16 Die erwartbare Zahl von Anpassungen in einer bestimmten Population als Funktion

der Talbreite. Wie in Abb. 15 symbolisieren die Linienfarben verschiedene Grade der „Kryptizi-

tät“. Die Autoren definieren sie als Stärke der Selektion, die auf die kryptischen Gen-Varianten

wirkt, im Verhältnis zur vollen Selektionsstärke, die auf die nicht-kryptischen Varianten wirkt.

Für jede Talbreite (j) führten die Autoren 100.000 Simulationen durch. Als Ergebnis erhielten

sie Monte-Carlo-Schätzungen für die Wahrscheinlichkeit, mit der sich j-dimensionale Anpas-

sungen in einer bestimmten Population durchsetzen würden. Diese Wahrscheinlichkeiten mul-

tiplizierten die Autoren mit der möglichen Zahl j-dimensionaler Anpassungen. Das Ergebnis:

Die Zahl der komplexen Anpassungen durch Rekombination polymorpher Gen-Varianten, die

in der Population fixiert wird, ist im Fall hoher Kryptizität erheblich. Aus: TROTTER et al. (2014).

- 49 -

G. Der Design-Ansatz in der biologischen Forschung

G.1 Gibt es „gute“ Erklärungslücken?

Auch wenn wir über die Evolution nicht reduzierbar komplexer Gegenstände nichts

wüssten, wäre die Annahme ihrer natürlichen Evolution nicht unplausibel. Warum?

Weil fehlendes Wissen kein Argument gegen eine Theorie sein kann: Es zeigt ledig-

lich, wo noch Forschungsbedarf besteht. Doch nehmen wir

„… einmal contra factum proprium an, der Beweis sei gelungen, dass die Evolutionstheo-

rie die Entstehung zweckmäßiger Strukturen und Funktionen nicht erklären kann. Intelli-

gent Design würde daraus nicht folgen. Mehrere andere Möglichkeiten lägen näher, zum

Beispiel der gute, alte Vitalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, oder ein Stufenbau der

Natur, wie ihn Esoteriker annehmen, in dem höhere, feinstoffliche Seinsebenen die Bau-

muster für niedere, materielle Ebenen enthalten. Es gibt keinen Weg, von der Lücke auf

den Lückenbüßer zu schließen, solange man ein rein negatives Argument für die Lücke

entwickelt“ (HEMMINGER 2019).

Kurzum: Kritiker des Design-Ansatzes sprechen vom „Appell an das Nichtwissen“, vom

Fehlschluss des argumentum ad ignorantiam oder vom Lückenbüßer-Argument: De-

sign-Anhänger interpretieren die vermeintlichen oder tatsächlichen Erklärungs-Defizite

als Scheitern der Evolutionstheorie. Dann schieben sie vorschnell ihren Designer in die

Lücke, wodurch sie einer natürlichen Erklärung vorgreifen. Ist der Vorwurf berechtigt?

Merke: Es existiert keine logische Brücke von nicht reduzierbarer Komplexität zu

einem „intelligenten Design“. Entgegen Beteuerungen der ID-Vertreter lässt sich ein

solcher Weg nicht aufzeigen. Nicht reduzierbare Komplexität wäre ein Argument

gegen Evolution, wenn gezeigt wäre, dass sie für die Evolution eine nicht über-

windbare Hürde darstellte. Dieser Nachweis existiert nicht. Das Gegenteil ist der

Fall: Theoretische Überlegungen zeigen, dass die Entstehung komplexer Anpas-

sungen unter bestimmten Voraussetzungen sehr wahrscheinlich ist.

Doch nehmen wir an, Intelligent Design erbrächte diesen Nachweis. Dann wäre

nicht reduzierbare Komplexität nicht automatisch ein Argument für Design. Das wä-

re der Fall, wenn gezeigt wäre, dass der Design-Ansatz der Schluss auf die beste

Erklärung ist. Mangels überzeugender „positiver Komponente“ des Design-

Arguments ist auch dieser Nachweis nicht erbracht.

- 50 -

Es gibt Tatsachen, die sich prinzipiell nicht durch das Wechselspiel von Zufall und

Notwendigkeit erklären lassen. Dazu gehört die Konstellation der Steinblöcke von

Stonehenge. Wie natürliche Mechanismen die Steine derart spezifisch anordneten, ist

rätselhaft. Hier ist das Fehlen einer natürlichen Erklärung keine wirkliche Erklärungslü-

cke, sondern, wie manche behaupten, eine „gute Lücke“, die auf anerkanntem Wissen

beruht. Die beste Erklärung lautet, dass Menschen die Steine anordneten (Abb. 17).

Abb. 17 Die jungsteinzeitliche Megalith-Struktur Stonehenge. Bauwerke dieser Art sind in der

menschlichen Zivilisation nichts Ungewöhnliches. Doch bemerkenswert ist ihr Alter; die ge-

samte Anlage ist rund 5.000 Jahre alt. Nichts deutet auf eine natürliche Entstehung der spe-

ziell arrangierten Steinblöcke hin. Die Annahme beispielsweise, es handele sich um eiszeitli-

che „Findlinge“, die zufällig so zu liegen kamen, nachdem Gletscher schmolzen, wäre zu weit

hergeholt. Hier ist die, wenn wir es so ausdrücken wollen, Erklärungslücke positiv begründet.

Auch Design-Protagonisten behaupten, auf der Basis bekannten Wissens gegen Evolu-

tion und für Schöpfung zu argumentieren. Wer ihnen, so entgegnen sie, den Gebrauch

von Lückenbüßer-Argumenten unterstelle, ignoriere die positive Komponente des

Schlusses auf Design. Wir haben jedoch in den Abschnitten C. bis E. gesehen, dass

es keine überzeugende positive Komponente des Design-Arguments gibt. In der

Biologie existieren keine „guten Erklärungslücken“, um damit ID zu rechtfertigen.

- 51 -

Schlussendlich besinnt sich die Wissenschaft auf das, was sie über die Evolution weiß,

und nicht auf das, was sie nicht weiß: Wir kennen ein Arsenal natürlicher Evolutions-

mechanismen, die das Potenzial haben, komplexe Neuerungen entstehen zu lassen.

Theoretische und empirische Ergebnisse stützen diese Auffassung.15 Und solange

kein vernünftiger Grund vorliegt, warum Evolution an der nicht reduzierbaren Komple-

xität scheitern soll, bleibt die naturalistische Evolutionstheorie unangefochten.

G.2 Ist der Design-Ansatz ein „Science-Stopper“, oder stärkt ihn die Forschung?

Formulieren wir die Frage zunächst positiv: Bringt Intelligent Design die Forschung

voran? Bestenfalls insofern, als Design-Ansätze helfen, die Komplexität konkreter Bio-

systeme zu bestimmen. Doch da dieses Unternehmen in den Aufgabenbereich ver-

schiedener biologischer Disziplinen fällt, ist ein Mehrwert des Design-Ansatzes nicht

erkennbar. Günstigstenfalls zwingt er Biowissenschaftler, ihre Erklärungsmodelle de-

taillierter auszuarbeiten als bisher.16

HAFER (2015) weist nach, dass in ID-Publikationen empirische Aspekte, Modellbildung

und Vorhersagen eine untergeordnete Rolle spielen. Eigene Forschungsprogramme

haben sie nicht vorzuweisen, der kritische Aspekt überwiegt. Wie sollen sich unter die-

sen Umständen Biologie und der Design-Ansatz gegenseitig befruchten? Hinsichtlich

15 Siehe Fußnote 3.

16 Im ungünstigeren Fall müssen sie aufwändige Repliken schreiben, um Behauptungen über die Evolu-

tionstheorie gerade zu rücken, die ID-Vertreter in die Welt setzen. Einer der Negativ-Höhepunkte war

das unwürdige Gezänk um die Frage, ob Birkenspanner ein Beispiel für Selektion sind (vgl. PROFFITT

2007). Um Fragen mit Tragweite ging es nicht. Ideologisch aufgeladene Debatten der ID-Bewegung

behindern die wissenschaftliche Forschung zu sehr, als dass sie ein Stimulus wären.

Merke: Zwar ist der Vorwurf, die Evolutionsgegner bedienten sich des Lückenbüßer-

Arguments, vereinfacht. Doch mangels einer überzeugenden „positiven Komponen-

te“ des Design-Arguments spricht nichts für die Annahme, es gäbe ontologisch be-

gründete Erklärungslücken („gute Lücken“) für Intelligent Design.

Fehlende Erklärungen der Evolutionstheorie erhöhen nicht die Plausibilität des De-

sign-Ansatzes. Ebenso wenig schwächen sie die Evolutionstheorie, denn fehlendes

Wissen ist kein gutes Argument gegen Theorien. Da Design-Anhänger nach dieser

Logik argumentieren, ist es nicht verfehlt, ihnen den Gebrauch des Lückenbüßer-

Arguments zu unterstellen.

- 52 -

der Ursprungsfrage profitiert die Biologie erst recht nicht von Intelligent Design. Die

kausale Frage, die für die Wissenschaften konstituierend ist, klammert es aus. Belege

für Existenz potenzieller Akteure und für den Einsatz geeigneter Verfahrensweisen im

Präkambrium bleibt der Design-Ansatz schuldig. Ungeachtet dessen und trotz der

Rückzugsgefechte, zu denen sie die Datenlage zwang (↑ Abschnitt F.2 und F.3), be-

haupten die Autoren im Brustton der Überzeugung:

„Ein wichtiger Aspekt ist, dass der Fortschritt der Forschung das Design-Argument eher

gestärkt als geschwächt hat“ (S. 1).

Intelligent Design kann allenfalls damit punkten, dass sich herausstellte, dass die mo-

lekularbiologischen Prozesse komplizierter sind, als die Wissenschaft erwartet hatte.

Wir konzedieren, dass sich in bestimmten Fällen die Frage der Evolution in verschärf-

tem Maß stellt. Doch wie gezeigt, stärken weder ein hohes Maß an nicht reduzier-

barer Komplexität noch offene Fragen zur Evolution den Design-Ansatz.

Zudem vervollständigt sich der Erklärungsrahmen der Evolutionsbiologie stetig. Den

gegenteiligen Eindruck erweckt, wer entsprechende Beispiele ignoriert oder ihre Be-

deutung herunterspielt. Diese Strategie ist nicht überzeugend, da die oben diskutierten

Rückzugsgefechte auf Seiten der deutschen ID-Vertreter nicht irgendwelche Beispiele

betreffen. Sie betreffen Beispiele nicht reduzierbar komplexer Strukturen, die ID-

Vertreter gegen Evolution in Stellung brachten.

Kommen wir auf die Frage zurück, ob ID die Forschung behindert, das heißt einen

„Science-Stopper“ darstellt. Wie eingangs zitiert, schließen die Autoren eine natürliche

Entstehung biologischer Systeme nicht kategorisch aus. Sie halten diese lediglich für

unwahrscheinlich. Deshalb habe wissenschaftliches Forschen zu klären, ob das De-

sign-Argument davon profitiere oder an Plausibilität einbüße. Der Design-Ansatz sei

kein „Science-Stopper“, sondern auf Forschung angewiesen. Mit ihr lote Intelligent De-

sign die Grenzen der natürlichen Evolution aus.

Dieses Ansinnen erscheint legitim. Das Problem ist nur: Die Protagonisten des intelli-

genten Designs behaupten unverdrossen, natürliche Erklärungsversuche scheiterten

an der Ursprungsfrage. Für differenzierte Zwischentöne ist kein Platz. Viele verlangen,

Prozesse, die so langsam ablaufen, dass sie Jahrtausende und Jahrmillionen in An-

spruch nehmen, im Labor nachzustellen – eine absurde Forderung. Und vor allem: Sie

bringen Design ins Spiel, lange bevor der Naturalismus konsequent ausge-

schöpft ist. Wir sind noch nicht recht dabei, die Felder abzustecken, die es zu erfor-

- 53 -

schen gilt. Wie lange wird beispielsweise an der chemischen Evolution geforscht? Seit

65 Jahren. Wie alt ist das Forschungsfeld der „Evolutionären Entwicklungsbiologie“?

Kaum mehr als 30 Jahre! Was ist das im Vergleich zu 400 Jahren Physik?17

Darum hat HAUGHT (2004, S. 238) recht, der bemerkt:

„Intelligent Design ist ein ‚Wissenschafts-Stopper‘, da es bereits zu einem Zeitpunkt eine

Lückenbüßer-Erklärung anbietet, wo in der Forschung noch genügend Raum für weitere

wissenschaftliche Aufklärungen besteht“ (ins Deutsche M.N.)18

Dadurch, dass sich die wenigsten derer, die ID offensiv vertreten, an der Aufklärung

der betreffenden Mechanismen beteiligen, gewinnt dieser Einwand an Schärfe. Die

Protagonisten des intelligenten Designs verabschieden sich hier aus der Forschung.

Oft zeigen sie nicht das geringste Interesse an der Ursprungsfrage. In erfrischender

dogmatischer Klarheit bestätigt dies der „Baraminologe“ Todd WOOD (2010):

„Das ist der Grund, weshalb ich mich für die Entstehung des Lebens nicht interessiere

(und warum ich wahrscheinlich nie Meyer’s Buch zu Ende lesen werde). Ich weiß ja be-

reits, woher das Leben stammt. Ich schlage das Buch Genesis auf, und die Bibel teilt mir

genau mit, woher das Leben stammt. Darüber zu spekulieren, wie es in einem naturalis-

tischen Szenario entstanden sein könne, ist für mich reine Zeitverschwendung“ (ins

Deutsche M.N.)19

Wie der Evolutionshistoriker Thomas JUNKER (2009, S. 337) bemerkt, geht das Desin-

teresse so weit, dass die Kreationisten bezüglich der mutmaßlichen Schöpfung „von

einem Forschungsverbot fabulieren“. Zu beachten sei,

„dass der Schöpfungsakt an sich nicht naturwissenschaftlich beschrieben werden soll

und kann (JUNKER & SCHERER 2006, S. 296)“.

17 Falls die Evolutionsforschung in den nächsten 400 Jahren auf der Stelle treten sollte, können WIDEN-

MEYER & JUNKER gern wiederkommen und ihre Kritik neu auflegen. Vorher ist die Behauptung, der Natu-

ralismus scheitere an der Ursprungsfrage, und es gäbe diesbezüglich „gute Erklärungslücken“, abstrus.

18 „Intelligent Design is a ‚Science stopper‘, since it appeals to a God-of-the-gaps explanation at a point

in inquiry when there is plenty of room for further scientific elucidation.”

19 „That's why I don't care about the origin of life (and why I'll probably never finish reading Meyer's

book). I already know where life came from. I open the book of Genesis, and the Bible tells me exactly

where life came from. Speculating on how it might have happened in a naturalistic scenario seems like a

waste of time to me.“

Erwartungsgemäß retourniert WOOD diesen Einwand an die Adresse der „Atheisten“, die sich ihrerseits

für die Erforschung der „Arche Noah“ nicht interessierten. Aber das ist Blödsinn, denn wir können

schwerlich jemandem den Vorwurf machen, dass er nicht beliebige Phantasien erforscht.

- 54 -

Warum? Wäre der zur Rede stehende Schöpfungsakt ein wohlbegründeter Sachver-

halt, wäre nicht einzusehen, warum er nicht naturwissenschaftlich beschreibbar sein

sollte. Disziplinen wie die experimentelle Archäologie haben kein Problem damit, die

Schöpfungsakte der betreffenden Gegenstände zu erforschen. Vor diesem Problem

steht allein – Intelligent Design. Und weshalb? Weil der Design-Ansatz in der Biologie

offensichtlich einen fiktiven Sachverhalt behandelt.

H. Zusammenfassung

Die „positive“ Komponente des Design-Arguments kann nicht überzeugen, das heißt:

Der Schluss von der funktionalen Zweckmäßigkeit und „nicht reduzierbaren“ Komplexität

biotischer Merkmale und Prozesse auf einen Zwecksetzer ist keineswegs stichhaltig. All

unser Wissen zeigt nämlich, dass Lebewesen evolutionsfähige Mehrgenerationen-

Systeme sind. Tragfähige Analogien zwischen technischen und biologischen Systemen

gibt es nicht. Entgegen den Autoren ist nicht reduzierbare Komplexität kein Design-Indiz.

Des Weiteren ist der Design-Ansatz nur prüfbar, wenn ihn seine Protagonis-

ten spezifizieren: Er ist mit zusätzlichen Hypothesen über das mutmaßliche Schöpfer-

handeln zu versehen. Die Autoren von WORT UND WISSEN tun dies zwar in mancherlei

Hinsicht, beispielsweise, indem sie das Schöpferhandeln als menschenähnlich einstufen

und dann die strukturellen Ähnlichkeiten zwischen technischen Gegenständen und Bio-

systemen als Schöpfungs-Indiz deuten. Und selbstverständlich bietet ein intelligentes

Design Möglichkeiten, die im rein naturalistischen Rahmen so nicht existieren. Aber es

sind nur (Denk-) Möglichkeiten, keine empirisch begründeten Plausibilitäten. Warum?

Zum einen besteht das Problem darin, dass speziellere Design-Modelle entweder keiner

Prüfung standhalten, wie das Paradigma des Kreationismus zeigt. Oder sie enthalten

Hypothesen betreffs des Schöpferhandelns, die nicht unabhängig vom Design-Ansatz

prüfbar sind. Die Annahme, der Schöpfer stecke hinter Zufallsmutationen oder schreibe

das Repertoire künftiger Anpassungen in die Genome von Organismen („programmierte

Variabilität“) sind Beispiele. Die Annahme, eine durchgehend natürliche Evolution würde

den Design-Ansatz schwächen, ist ebenfalls eine Annahme, die nicht unabhängig vom

Design-Ansatz prüfbar ist.

Selbiges gilt für die Prämisse der Autoren, der Arten-Schöpfer sei in seinem Wir-

ken menschenähnlich oder gestalte die Dinge optimal: Wenn ich den postulierten

Schöpfer so spezifiziere, dass er Menschenähnliches schuf und Optimales hervorbrach-

- 55 -

te, werde ich angesichts teils menschenähnlicher und optimaler Strukturen in der Biolo-

gie immer an einen Schöpfer denken. Das ist trivial, da das Ergebnis schon in den Vo-

raussetzungen steckt. Ohne unabhängige Belege können die Voraussetzun-

gen beliebig gewählt werden.

In der Tat kombinieren Design-Anhänger den Design-Ansatz mit unterschiedlichsten,

sich teils gegenseitig ausschließenden Schöpfungs- und Schöpfervorstellungen. Sie

sind sich weder einig, was der Designer schuf, noch, wie er schuf oder inwieweit dieser

in den Gang der Welt eingriff (oder immer noch eingreift). Einige ID-Vertreter, wie die

Physikerin Barbara DROSSEL, betonen sogar, dass der Schöpferbeitrag mit einem

durchgehend natürlichen Verlauf der Evolution konform gehe, da sie „Design“ nur als

Zweitursache hinter der Natürlichkeit der Prozesse wähnen. Da sie also den Beitrag

von Design teils auf völlig verschiedenen Systemebenen vermuten, ist offensicht-

lich, dass es (derzeit) keine objektiven Design-Indizien in der Biologie gibt.

Wie unter anderem HEILIG (2015) gezeigt hat, besteht ein weiteres Problem des Design-

Ansatzes darin, dass Rechenschaft über die Plausibilität der (historischen) Randbedin-

gungen abgelegt werden muss, bevor der Design-Ansatz favorisiert werden kann.

Das gilt unabhängig davon, ob der „intelligente Prozess“ an sich das Produkt

„erwarten“ lässt oder nicht. So ist es beispielsweise sehr problematisch, ei-

nen menschenähnlichen Schöpfer anzunehmen, der zur Entstehungszeit der ersten

Bakterien vor mehreren Milliarden Jahren gewirkt haben soll. Das Fehlen jedweden his-

torischen Hinweises auf die Existenz „präkambrischer Technologien“ lässt den Schluss

auf Design gegenwärtig nicht plausibel erscheinen. Analoges gilt auch für natürliche

Prozesse: Auch wenn ich beweisen kann, dass Proteine prinzipiell „von selbst“ entste-

hen können, die irdischen Randbedingungen diese Möglichkeit aber äußerst unplausibel

erscheinen lassen, lässt sich nicht vernünftig auf eine chemische Evolution schließen.

Schlussendlich zeigt die Wissenschaft, dass der Design-Ansatz nur fruchtbar ist, wenn

die Verfahrensweisen der mutmaßlichen Urheber rekonstruierbar sind. Das heißt: Es

braucht zusätzliches Designer-Wissen, um vernünftig auf Design zu schließen. Diesbe-

züglich unterscheidet sich Intelligent Design dramatisch von florierenden Design-

Disziplinen wie der Archäologie. Der Design-Ansatz in der Biologie operiert durchweg

mit Unbekanntem: Designer, die infrage kämen, kennen wir nicht. Über ihre mutmaßli-

chen Techniken, Fähigkeiten und Grenzen wissen wir nichts. Erforschen lässt sich der-

gleichen nicht. Brauchbare Modelle, welche die Mechanismen spezifizieren, liegen nicht

vor. Der Design-Ansatz bleibt inhaltsleer und heuristisch steril (HEILIG 2011, S. 91).

- 56 -

Eine weitere Klasse von Einwänden gegen ID bezieht sich auf den Umstand, dass seine

Vertreter unentwegt den „Sinn“ in der Natur herausstreichen und den „Unsinn“ überse-

hen. Sie begehen den Fehlschluss des Texanischen Scharfschützen: Zufällig Passen-

des wird als Ergebnis von „Planung“ gedeutet, Unpassendes der degenerativen Evoluti-

on angelastet. Das ist als würde jemand blind Gewehrkugeln auf ein Scheunentor ab-

feuern, um einige Einschüsse eine Zielscheibe herum pinseln und behaupten, er habe

„ins Schwarze“ getroffen. Die übrigen Schüsse werden nicht berücksichtigt.

In der Biologie schwächt vor allem exzessives Auftreten von Mängelstrukturen das De-

sign-Argument. Entgegen der Behauptung der Autoren setzt dieses Argument keine

theologischen Annahmen voraus. Es geht darum, dass dysfunktionale Merkmale besser

zu Prozessen passen, die keinen Plan kennen. Um sie zu identifizieren, benötigen wir

keine evolutiven Annahmen. Mängelstrukturen verursachen Fitness-Einbußen und er-

höhte Mortalität. Sie sind an Merkmale geknüpft, die aus technischer Sicht unsinnig er-

scheinen und der Idee der Planmäßigkeit im Weg stehen. Die Einwände der Autoren

entpuppen sich als schwache Versuche von Kritikimmunisierung.

Auch die „negative“ Komponente, die den Schluss auf Design rechtfertigen soll, ist ge-

scheitert. Nicht reduzierbare Komplexität wäre ein Argument, wenn gezeigt wäre, dass

sie für die Evolution eine nicht überwindbare Hürde darstellte. Ein solcher Nachweis

existiert nicht, und wir können ihn aus offenen Fragen zur Evolution der betreffenden

Strukturen nicht ableiten. Im Gegenteil: Theoretische und empirische Argumente zeigen,

dass eine Evolution nicht reduzierbar komplexer Strukturen plausibel ist. Ob sie in jedem

Fall kleinschrittig und über selektionspositive Zwischenstufen verläuft, bleibt die Frage.

Doch daraus folgt nicht, die Evolution sei unwahrscheinlich.

Keines der Argumente, welche die Unwahrscheinlichkeit der betreffenden Evolution

begründen sollen, lässt sich schlüssig entfalten. Doch nehmen wir pro forma an, Intel-

ligent Design hätte ein solches Argument vorzuweisen. Dann wäre zwar nicht redu-

zierbare Komplexität ein Argument gegen natürliche Evolution. Aber mangels über-

zeugender positiver Komponente des Design-Arguments wäre der Schluss auf Design

nach wie vor nicht der Schluss auf die beste Erklärung. Wir könnten nur konstatieren,

dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Erklärung gibt.

Zur Frage, inwieweit der Design-Ansatz die Forschung stimuliert, lässt sich festhalten:

Er kann ein Stimulus sein, etwa, wo es um Strukturaufklärung oder um die Frage der

Funktionalität komplexer Strukturen geht. Meist bewirkt er, dass sich Menschen aus

- 57 -

der Erforschung von Entstehungs-Mechanismen zurückziehen oder, wie der Fall von

Todd WOOD zeigt, jedes Interesse an der Entstehung und Entwicklung des Lebens

verlieren. Seine Anhänger propagieren das intelligente Design als Schluss auf die bes-

te Erklärung, lange bevor die Naturwissenschaften den Naturalismus konsequent aus-

schöpften. Daher ist die Feststellung, der Design-Ansatz sei eine Wissenschafts-

Bremse, zutreffend, und es ist legitim, die Frage nach seiner Motivation zu stellen.

Organisationen, die den Design-Ansatz als Instrument der Schöpfungs-Forschung

propagieren, verhehlen selten, worin sein Zweck besteht. „Zu keinem Zeitpunkt“, so

MATT et al. (2014, S. 40), stehe bei solchen Organisationen „die Grundlagenforschung

um des Wissens willen im Mittelpunkt“. Vordergründig fordern sie die Ergebnisoffenheit

des Forschens; im Hintergrund stehen die Erkenntnisse im Wesentlichen bereits fest.

Der Zweck der Schöpfungs-Forschung ist also vornehmlich Apologetik:

„Schöpfungsforschung lässt sich zwar nicht direkt evangelistisch einsetzen, doch erfüllt

sie die Funktion als ‚Vorbereitungs-‘‚ und ‚Unterstützungswerkzeug‘ zu einer Evangelisa-

tion und danach. Gerade Neubekehrte haben viele Fragen an den christlichen Glauben

und brauchen in dieser Hinsicht auch fundierte Hilfe. Schöpfungsforschung bringt die Bi-

bel in konkreten Bezug zur materiellen Welt und hilft suchenden und fragenden Men-

schen, Glaubenshindernisse aus dem Weg zu räumen.“20

Fragende Menschen, die nach bestmöglich gesichertem Wissen suchen, sollten sich

keinen Illusionen hingeben: Der Design-Ansatz ist in seiner aktuellen Form kein

brauchbares Erkenntnisinstrument. Ja, schlimmer: Als Instrument religiöser Missionie-

rung konterkariert er das wissenschaftliche Ethos der freien Suche nach Wahrheit.

I. Dank

Verschiedene Hinweise, die das argumentative Profil dieser Arbeit schärfen, verdanke

ich dem Biologen und Wissenschaftsphilosophen Dr. Martin MAHNER, Gründungsmit-

glied der GWUP und Leiter des Zentrums für Wissenschaft und kritisches Denken. Für

kritisches Gegenlesen und hilfreiche Verbesserungs-Vorschläge danke ich Prof. Dr.

Andreas BEYER, Dr. Hansjörg HEMMINGER und Steffen MÜNZBERG.

20 www.wort-und-wissen.de/disk/d07/5/d07-5.pdf

- 58 -

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