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Skript zur Vorlesung Experimentalphysik 2 f ¨ ur MSE Sommersemester 2018 Prof. Dr. Peter M¨ uller-Buschbaum Technische Universit¨ at M¨ unchen Lehrstuhl f¨ ur Funktionelle Materialien Physik-Department E 13

Experimentalphysik 2 fur MSE¨ - groups.ph.tum.de€¦ · Experimentalphysik 2 fur MSE¨ Zeit und Ort: Di 12:00 - 13:30, MW 2001 Do 10:00 - 11:00, 102, IH2 Literatur Paul A. Tipler,

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Skript zur Vorlesung

Experimentalphysik 2 fur MSE

Sommersemester 2018

Prof. Dr. Peter Muller-Buschbaum

Technische Universitat MunchenLehrstuhl fur Funktionelle Materialien

Physik-Department E13

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II

Experimentalphysik 2 fur MSE

Zeit und Ort: Di 12:00 - 13:30, MW 2001Do 10:00 - 11:00, 102, IH2

Literatur

Paul A. Tipler, Gene Mosca, Physik fur Wissenschaftler und Ingenieure, 7. Aufl. SpringerVerlag 2014, ISBN 978-3642541650 (79,99 Euro)

Wolfgang Demtroder, Experimentalphysik 2 - Elektrizitat und Optik, 7. Aufl. Springer Ver-lag 2018, ISBN-13: 978-3662557891 (39,99 Euro)

Ekbert Hering, Rolf Martin, Martin Stohrer, Physik fur Ingenieure, 12. Aufl. SpringerVerlag 2017, ISBN-13: 978-3662493540 (49,95 Euro)

Ubungen

Ubung 1: Montag, 12:30 Uhr bis 13:15 Uhr, Raum 5414.EG.001

Ubung 2: Montag, 13:15 Uhr bis 14:00 Uhr, Raum 5414.EG.001

Ubung 3: Montag, 12:30 Uhr bis 13:15 Uhr, Raum PHII 127

Ubung 4: Montag, 13:15 Uhr bis 14:00 Uhr, Raum PHII 127

Ubung 5: Dienstag, 14:00 Uhr bis 14:45 Uhr, Raum 5414.EG.003

Ubung 6: Dienstag, 14:45 Uhr bis 15:30 Uhr, Raum 5414.EG.003

Ubung 7: Mittwoch, 17:00 Uhr bis 17:45 Uhr, Raum BC2 0.01.16

Ubung 8: Mittwoch, 17:45 Uhr bis 18:30 Uhr, Raum BC2 0.01.16

- jede Woche ein Blatt mit Aufgaben

- Blatt zum Download im Internet

- Besprechung der Aufgaben in der darauffolgenden Woche

- Ubungsaufgaben als Training fur die Klausur und Verstandnis

Sprechstunden

Dozentensprechstunde: Di 17:00 - 18:30, Raum PH 3278

Internetseiten

http://www.polymer.ph.tum.de/

https://www.av.ph.tum.de/

c©Lehrstuhl E13, TUM, 2018

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III

Klausur

Die Klausur findet am 21.08.2018 um 13.30 Uhr statt. Sie dauert 90 Minuten und umfasstPhysik I + II.

Zugelassene Hilfsmittel: nicht-programmierbarer Taschenrechner und selbstgeschreibe-nes Formelblatt

Griechisches Alphabet

Abbildung 1: Das griechische Alphabet

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Inhaltsverzeichnis

6 Optik 16.1 Eigenschaften des Lichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

6.1.1 Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26.1.2 Lichtquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

6.2 Ausbreitung von Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96.2.1 Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106.2.2 Reflektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106.2.3 Fermatsches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116.2.4 Snelliussches Brechungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126.2.5 Totalreflexion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126.2.6 Umkehrung des Lichtweges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146.2.7 Planparallele Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146.2.8 Ablenkung durch ein Prisma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

6.3 Geometrische Optik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176.3.1 Abbildung durch Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186.3.2 Abbildung durch Linsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196.3.3 Linsensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276.3.4 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286.3.5 Abbildungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

6.4 Optik des Auges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366.4.1 Akkommodation des Auges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376.4.2 Kurzsichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386.4.3 Weitsichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

6.5 Optische Phanomene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406.5.1 Rayleigh-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406.5.2 Lichtstreuung an ausgedehnten Objekten . . . . . . . . . . . . . . . 426.5.3 Luftspiegelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

6.6 Wellenoptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466.6.1 Interferenz von Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466.6.2 Der ideale Doppelspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496.6.3 Der Einzelspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516.6.4 Der reale Doppelspalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556.6.5 Mehrfachspalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576.6.6 Das optische (Strich-)Gitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606.6.7 Reflektionsgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

IV

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INHALTSVERZEICHNIS V

6.6.8 Interferenz an dunnen Schichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636.6.9 Auflosungsvermogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706.6.10 Holografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

7 Elektrodynamik 737.1 Elektrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

7.1.1 Coulomb Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747.1.2 Gesetz von Gauß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787.1.3 Arbeit im elektrischen Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817.1.4 Elektrisches Potential und Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

7.2 Strome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867.3 Statische Magnetfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

7.3.1 Lorentzkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927.3.2 Ampere’sches Durchflutungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 957.3.3 Magnetismus im Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967.3.4 Biot-Savart Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 987.3.5 Hall-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1007.3.6 Magnetischer Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1017.3.7 Die 4 Maxwell’schen Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

7.4 Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1027.4.1 Erweiterung der 3. Maxwell’schen Gleichung . . . . . . . . . . . . . 1037.4.2 Selbstinduktionskoeffzient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1047.4.3 Lenz’sche Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

7.5 Wechselspannung und -strom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1057.5.1 Impedanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

8 Thermodynamik 1108.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1108.2 Das ideale Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1128.3 Zustandsanderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1158.4 Warmekraftmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1208.5 Reversible und irreversible Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1268.6 Das reale Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

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Kapitel 6

Optik

Die Optik beschreibt die Ausbreitung von Licht und dessen Wechselwirkung mit Materieinsbesondere im Zusammenhang mit optischen Abbildungen. Optik wird daher oft auchals die Lehre vom Licht bezeichnet.

Es werden zwei klassische Zugange zur Lichtausbreitung unterschieden: Die Wellenoptikund die geometrische Optik. Grundlage der Wellenoptik ist die Wellennatur des Lichts. DieGesetzmaßigkeiten der geometrischen Optik gelten fur den Fall, dass die Abmessungen desoptischen Systems sehr groß sind gegenuber der Wellenlange des Lichts.

6.1 Eigenschaften des Lichts

Mit Welle-Teilchen-Dualismus wird ein klassischer Erklarungsansatz der Quantenmechanikbezeichnet, der besagt, dass Objekte aus der Quantenwelt sich in manchen Fallen nur alsWellen, in anderen nur als Teilchen beschreiben lassen. Jede Strahlung hat sowohl Wellen-als auch Teilchencharakter, aber je nach dem durchgefuhrten Experiment tritt nur der eineoder der andere in Erscheinung.

Im Teilchenbild besteht das Licht aus Lichtteilchen, sogenannten Photonen. Das Pho-ton hat hierbei die Energie E, die von der Wellenlange λ bzw. der Frequenz f der Lichtwelleabhangen

BeispieltextBeispieltext

. (6.1)

Hierbei bezeichnen c = 2, 998 · 108m/s die (Vakuum-)Lichtgeschwindigkeit und h =6, 626 · 10−34 Js eine Konstante, das sogenannte Planck’sche Wirkungsquantum.

Die Ausbreitung von Licht wird am einfachsten durch die Welleneigenschaften erklart,wahrend der Austausch von Energie zwischen Licht und Materie (z.B. Beim Photoeffekt)durch Teilcheneigenschaften erklarbar ist. Ein Teilchen mit dem Impuls p weist auch Wel-leneigenschaften mit der de-Broglie Wellenlange

BeispieltextBeispieltext

. (6.2)

1

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 2

auf. Entsprechend verknupft die sogenannte de-Broglie Wellenlange das Teilchen- und Wel-lenbild.

Abbildung 6.1: Die Gesamtheit aller strahlender Energiearten oder Wellenfrequenzen, von denkurzesten bis zu den langsten Wellenlangen, bildet das elektromagnetische Spektrum.

Unter Licht wird in der Regel der sichtbare Teil des elektromagnetischen Spektrums(siehe Abb. 6.1) zwischen ca. 380 nm bis 780 nm verstanden. In der Physik wird als op-tisches Spektrum haufig auch der Frequenzbereich ab einer Frequenz von 100 THz bis800 THz definiert. Hierunter fallt also auch unsichtbares Licht, wie z. B. das Infrarot-licht oder das ultraviolette Licht. Viele Gesetzmaßigkeiten und Methoden der klassischenOptik gelten allerdings auch außerhalb des Bereichs des sichtbaren Lichts. Dies erlaubteine Ubertragung der Erkenntnisse der Optik auf andere Bereiche des elektromagnetischenSpektrums.

6.1.1 Farben

Eine Spektralfarbe (reine Farbe) ist jener Farbeindruck, der durch Licht einer festen Wel-lenlange (monochromatisches Licht) im sichtbaren Teil des Lichtspektrums entsteht. Wirordenen also einzelnen Lichtwellenlangen

λ =c

f(6.3)

Farben zu.

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 3

Versuch # 3140: Additive Farbmischung

Drei Diaprojektoren enthalten je eine Lochblende, die mit einer Farbfolie abgedeckt ist(rot, grun und blau). Die Farbkreise werden so abgebildet, daß sie sich teilweise uberlappen.Man sieht dann außer den drei reinen Farben die aus je zwei Farben entstehenden additi-ven Mischungen und schließlich die in der Mitte entstehende Summenfarbe Weiß.

In der additiven Farbmischung werden aktiv leuchtende bzw. beleuchtete Lichtquel-len verschiedener Farben uberlagert. Rot (R), Grun (G) und Blau (B) sind die Primar- oderGrundfarben des additiven Modells. Die drei Grundfarben ergeben bei geeignetem Misch-verhaltnis nach der additiven Farbmischung Weiß. Ein typisches Beispiel sind die Pixel beiBildschirmen (Fernseher, Computer, usw.). Das zugehorige Modell wird bezugnehmendauf die drei Grundfarben als RGB-Modell bezeichnet.

Abbildung 6.2: Additive Farbmischung aus den drei Grundfraben Rot, Grun und Blau. In derMitte uberschneiden sich alle drei Lichtkegel, hier sieht man die Tertiarfarbe Weiß.

Die ersten reinen Mischfarben der Primarfarben im Verhaltnis 1 zu 1 sind Cyan (Cyan-blau), Magenta (Magentarot) und Yellow (Optimalgelb). Sie heißen Sekundarfarben des(additiven) Modells. Sie sind gleichzeitig auch die Komplementarfarben zu den Primarfarben.In der Mitte uberschneiden sich alle drei Lichtkegel und es ergibt sich die Tertiarfarbe Weiß.Die unbunte Grundfarbe Schwarz wird durch die Dunkelheit im Raum reprasentiert.

Versuch # 3145: Komplementarfarben

Wir erzeugen mit einem Geradsichtprisma das kontinuierliche Spektrum der Bogenlam-pe oder 24 V Halogenlampe als Zwischenbild. In diesem Zwischenbild kann man mit einemSpiegel einen Teil des Spektrums auslenken und sowohl den ausgelenkten Teil als auchdas Restspektrum mit einer Zylinderlinse wieder zum Bild des Spaltes vereinigen. Je nachStellung des Spiegels sieht man zwei Spaltbilder in verschiedenen Komplementarfarben.

Die subtraktive Farbmischung beruht auf der Absorption von Teilen des Lichtspek-trums durch die Korperoberflache, so dass nur die verbleibenden Anteile durchgelassenoder reflektiert werden.

Der Farbauftrag absorbiert den komplementaren Farbanteil im Licht und reflektiertdeshalb nur seinen Farbton. Dies ist gleichbedeutend mit dem Einfugen von Filtern ineinen weißen Lichtstrahl.

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 4

Die drei Primarfarben sind Yellow (Y, Gelb), Magenta (M) und Cyan (C). Diesedrei Grundfarben ergeben bei geeignetem Mischverhaltnis nach subtraktiver FarbmischungSchwarz. Die Sekundarfarben sind die Farben Rot (R), Grun (G) und Blau (B).

Abbildung 6.3: Subtraktive Farbmischung aus den drei Grundfarben Yellow (Gelb), Magentaund Cyan. In der Mitte uberschneiden sich alle drei Farben, hier sieht man die TertiarfarbeSchwarz.

Das zugehorige Modell wird bezugnehmend auf die drei Grundfarben als CMY-Modellbezeichnet und findet in der Malerei und Druckgrafik Anwendung. In der Praxis sind Farb-stoffe allerdings nicht in der theoretisch erforderlichen Reinheit verfugbar. Aus technischemGrund wird meist zu Cyan, Magenta, und Yellow als Erganzung noch Schwarz eingesetzt(CMYK-Modell). Dadurch erhalt man z.B. beim Drucken mit Tintenstrahldruckern eineQualitatsverbesserung.

6.1.2 Lichtquellen

Eine Lichtquelle ist der Ursprungsort von Licht. Lichtquellen 1. Ordnung sind selbstleuch-tende Lichtquellen. Dazu gehoren u. a. die Sonne, Sterne, Lampen, Gluhwurmchen, Feuerusw. Als Lichtquellen 2. Ordnung bezeichnet man Korper, die Licht nur reflektieren undnicht selbst leuchten. Hierzu zahlen z. B. der Mond, Ruckstrahler an Fahrzeugen.

Die Strahlstarke (Lichtstarke) einer Punktquelle, die den Strahlungsfluss dΦ pro Raum-winkel dΩ emittiert, ist

BeispieltextBeispieltext

. (6.4)

Die Einheit der Lichtstarke ist das Candela (cd).

Versuch 4067: Strahlung verschiedener Oberflachen bei gleicher TemperaturEin Metallwurfel (Leslie-Wurfel) von etwa 10 cm Kantenlange ist innen hohl und hat

verschieden behandelte Oberflachen: glanzend, weiß und schwarz lackiert. Er wird mitheißem Wasser uber einen Thermostaten gefullt und auf eine drehbare Unterlage gestellt.Schaut man jetzt seine verschiedenen Oberflachen mit einem Bolometer an, dessen Strom

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 5

man mit einem Galvanometer sichtbar macht, so stellt man fest, dass die schwarze Flacheam meisten und die glanzende Flache am wenigsten Warme abstrahlt.

Thermische Strahler

Thermische Strahler liefern eine kontinuierliche Strahlung. Ein schwarzer Strahler (auch:schwarzer Korper, planckscher Strahler) ist ein idealisierter Korper, der die auf ihn tref-fende elektromagnetische Strahlung egal welcher Wellenlange vollstandig absorbiert. Erist zugleich eine ideale thermische Strahlungsquelle, die elektromagnetische Strahlung miteinem charakteristischen, nur von der Temperatur abhangigen Spektrum aussendet. In-tensitat und Frequenzverteilung der von einem schwarzen Korper ausgesandten elektro-magnetischen Strahlung werden durch das von Max Planck aufgestellte plancksche Strah-lungsgesetz beschrieben. Die spezifische spektrale Ausstrahlung bei Temperatur T ist

Meλ =2π h c2

λ5

1

exp[

hcλ kB T

]

− 1

. (6.5)

Hierbei bezeichnet kB = 1.381 · 10−23 J/K die Boltzmann-Konstante.

Abbildung 6.4: Verteilung der Intensitat der abgegebenen Strahlung in Abhangigkeit von derWellenlange. Je hoher die Temperatur, desto weiter verlagert sich das Maximum zu kleinerenWellenlangen.

Die spezifische spektrale Ausstrahlung nimmt bei jeder Wellenlange mit der absolutenTemperatur zu. Das Maximum λmax der Kurven verschiebt sich, gemaß dem WienschenVerschiebungsgesetz, mit zunehmender Temperatur zu kurzeren Wellenlangen

λmaxT =hc

4, 966 kB. (6.6)

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 6

Fur den Temperaturbereich zwischen 5000 und 6000 K fallt das Maximum in den sichtbarenBereich des elektromagnetischen Spektrums.

Die gesamte spezifische spektrale Ausstrahlung Me bei einer Temperatur T ist dieFlache unter der Kurve der Schwarzkorperstrahlung und folgt durch Integration uber alleWellenlangen

BeispieltextBeispieltext

. (6.7)

wobei σ = 5, 67 · 10−8 W/(m2K4) die Stefan-Boltzmann Konstante ist. Dieser Zusammen-hang wird als Stefan-Boltzmann Gesetz bezeichnet.

Sonnenspektrum

Das Spekturm der Sonne kommt einer idealen Schwarzkorperstrahlung fur eine Temperaturvon 5762 K recht nahe. Oberhalb der Erdatmosphare liegt entsprechend eine extraterre-strische Strahlung von 1350 W/m2 vor. Auf dem Weg durch die Atmosphare wird diespektrale Verteilung der Sonnenstrahlung durch Absorption und Streuung verandert. Vorallem durch Wasserdampf, Sauerstoff und Kohlendioxid wird die meist selektive Absorpti-on verursacht, woraus sich Bandlucken ergeben. Lediglich Ozon absorbiert in einem breitenSpektrum von 200 bis 700 nm und filtert somit (siehe Abbildung 6.5) einen großen Teilder UV-Strahlung (links des sichtbaren Bereichs) aus.

Abbildung 6.5: Das Spektrum eines (a) schwarzen Korpers ist mit dem (b) Sonnenspektrumuber der Atmosphare und (c) auf der Erde verglichen.

Der Strahlungsfluss Φ, der von der Sonne auf der Erde zu beobachten ist, hangt vomEinfallswinkel β (gemessen zum Lot) ab. Diese Abhangigkeit laßt sich uber das Lambert-sche Gesetz beschreiben:

Φ = Φ0 cos(β) , (6.8)

wobei Φ0 den Strahlungsfluss bei senkrechtem Einfall bezeichnet.Auf dem Weg durch die Atmosphare kann die Strahlung absorbiert oder gestreut wer-

den. Bei Absorption nimmt der Strahlungsfluss exponentiell ab:

Φ = Φ0 exp(−tl) . (6.9)

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 7

Der Strahlungsfluss vor dem Eintreffen in die Atmosphare Φ0 wird also abhangig vom Ab-sorptionskoeffizienten t und der Lange des Weges durch die Atmosphare l reduziert.

Um die Anderung des Sonnenspektrums auf dem Weg durch die Erdatmosphare zucharakterisieren, fuhrte man den Begriff der Air Mass (AM) ein. AM0 steht dabei fur dieStrahlung vor dem Eintreten in die Atmosphare, AM1 kennzeichnet den senkrechten Einfalldes Sonnenlichts auf die Erdoberflache. Umgerechnet in den Strahlungsstrom ergeben sichfur die Air Mass in etwa folgende Werte: AM0: 1350 W/m2, AM1: 925 W/m2, AM1.5: 844W/m2 und AM2: 691 W/m2.

Abbildung 6.6: AM-Werte fur verschiedene Tage im Jahr in Berlin.

Versuch # 3357: Modellauto mit SolarzellenantriebDer Motor eines Modellautos wird uber sechs am Heck angebrachte Solarzellen ange-

trieben, indem man sie mit einer starken Lichtquelle (Fotolampe oder Spot) beleuchtet.Die Geschwindigkeit bleibt jedoch trotz hoher Energiezufuhr relativ klein. Es bewaltigtauch nur kleine Steigungen.

Eine Solarzelle oder photovoltaische Zelle ist ein elektrisches Bauelement, das die imLicht (in der Regel Sonnenlicht) enthaltene Strahlungsenergie direkt in elektrische Ener-gie wandelt. Die physikalische Grundlage der Umwandlung ist der photovoltaische Effekt.Der photovoltaische Effekt ist ein Sonderfall des inneren photoelektrischen Effekts (siehenachstes Semester).

Gasentladungslampen

Gasentladungslampen sind Lichtquellen, die zur Lichterzeugung eine Gasentladung verwen-den. Dabei werden die spontane Emission durch atomare oder molekulare elektronischeUbergange und die Rekombinationsstrahlung eines durch elektrische Entladung erzeug-ten Plasmas ausgenutzt. Ein Unterscheidungskriterium der Gasentladungslampen ist derDruck im Entladungsgefaß:

• Niederdruck-Entladungslampen (Niederdruck-Plasma, Glimmentladung, z. B. Leucht-rohren, Leuchtstofflampen, Neonrohren)

• Hochdruck-Entladungslampen (Drucke bis etwa 1 MPa, z. B. Quecksilberdampflam-pen, Krypton-Bogenlampen zur Laser-Anregung)

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6.1. EIGENSCHAFTEN DES LICHTS 8

• Hochstdruck-Lampen (Drucke bis etwa 10 MPa, z. B. Quecksilberdampf-Hochst-drucklampen in der Fotolithografie, Xenonlampe im Auto)

Abbildung 6.7: Die Kathode ist von einer scharf begrenzten, dunnen, violetten Schicht, demnegative geladenen Glimmsaum, bedeckt, dem sich ein erster schmaler und ebenfalls scharf be-grenzter Dunkelraum, der Hittorfsche Dunkelraum, anschließt. Es folgt das negative Glimmlicht,das diffus in den zweiten, den Faradayschen Dunkelraum, ubergeht. Die anschließende, jetzt fahl-rot leuchtende positive Saule nimmt nur noch die halbe Lange des Entladungsrohrs ein.

Versuch # 3340: Gasentladung

In einem Gasentladungsrohr von etwa 5 cm Durchmesser und ca. 50 cm Elektrodenab-stand wird die Glimmentladungsausbildung in Luft untersucht. Als Spannungsquelle dientein Funkeninduktor oder ein Hochspannungsgerat, mit dem man Gleichspannungen uber10 KV bei Stromstarken im mA-Bereich erzeugen kann. Die Druckvariation wird mittelsDrehschieberpumpe erreicht. Bei einem Druck von einigen zehn Millibar tritt eine blauliche,fadenstrahlartige Entladung auf. Diese Entladung verbreitert sich, wenn der Druck mitder Drehschieberpumpe weiter reduziert wird. Sobald die Glimmentladung das gesamteEntladungsrohr ausfullt, kann man drei ausgepragte Leuchterscheinungen unterscheiden:unmittelbar an der Kathode befindet sich eine schmale, violett leuchtende Schicht, dasnegative Glimmlicht; es folgt ein Dunkelraum, der nach seinem Entdecker der Faraday-sche Dunkelraum genannt wird; an diesen Dunkelraum schließt sich ein langes, intensivrot leuchtendes Band, die positive Saule, an. Die positive Saule reicht bis zur Anode. Beiweiterer Verminderung des Drucks dehnen sich das negative Glimmlicht und der Dunkel-raum immer weiter aus, wahrend die positive Saule langsam schrumpft. Bei ca. 1 mbarentspricht die Leuchterscheinung etwa der in Abbildung 6.7 dargestellten Form. Bei etwa10−1 mbar verschwindet die positive Saule vollkommen und das negative Glimmlicht erfulltden Großteil des Rohrs. Bei weiterem Evakuieren schwindet das Leuchten der Entladungimmer mehr, bis man schließlich nur mehr blauliches Fluoreszieren der Glaswand beob-achtet.

Uber zwei Elektroden fließt ein Strom durch das ionisierte Gas, das in einer Quarz-rohre eingeschlossen ist. Das elektrische Feld zwischen den Elektroden beschleunigt dieElektronen so, dass sie die Gasatome ionisieren konnen. Beim Ubergang der Gasatome inenergetisch tieferliegende Zustande wird Energie in Form von Strahlung (Photonen) frei.Die Photonenenergie Emn entspricht der Differenz der diskreten Energien Wm und Wn der

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 9

zugehorigen Schalen m und n des Gasatoms

BeispieltextBeispieltext

. (6.10)

Es entsteht ein Linienspektrum. Bei niedrigem Druck und niedrigen Stromstarken tre-ten diese scharfe Spektrallinien auf. Bei Betriebsbedingungen wie hoher Druck oder hoheTemperatur ergibt sich zusatz zu verbreiterten Spektrallinien eine kontinuierliche spektraleVerteilung.

Versuch # 3335: Gitterspektrum von Quecksilber

Das Linienspektrum von Hg wird mit einem Gitterspektrograph in verkurzter Bauwei-se gezeigt. Wir benutzen Gitter verschiedener Strichzahl, um das Auftreten der zweitenBeugungsordnung zu zeigen. Die nullte Ordnung (weiß) muss wegen der hohen Intensitatmit einem schwarzen Papierstreifen ausgeblendet werden.

Laser

Laser steht fur Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation. Dies bedeu-tet Lichtverstarkung durch stimulierte Emission von Strahlung und somit umfassen Lasereine spezielle Art von Lichtquelle. Ein Laser besteht konzeptionell aus drei Bestandtei-len: Aktives Medium (Lasermedium), Pumpe und Resonator (Modenselektion). Laser sindStrahlungsquellen fur koharente, quasi-monochromatische und scharf gebundelte Strah-lung im sichtbaren und den angrenzenden Bereichen des elektromagnetischen Spektrums(Ferninfrarot, Infrarot, Ultraviolett und Rontgenstrahlung).

6.2 Ausbreitung von Licht

Es gibt zwei grundlegende Arten fur die Beschreibung der Lichtausbreitung, abhangig vonder Wellenlange λ im Vergleich zur Große des Objekts (Objektgroße), welches beleuchtetwird:

• λ << Objektgroße: Die Beschreibung erfolgt durch die geometrische Optik. Das Lichtwird als Strahl betrachtet und breitet sich geradlinig von seiner Quelle aus.

• λ ∼ Objektgroße: Die Beschreibung erfolgt durch die Wellenloptik. Licht besteht auselektrischen und magnetischen Feldern, die sich wellenformig ausbreiten (elektroma-gnetische Welle).

Versuch # 3000: Schatten in geometrischer Optik und Interferenzoptik

Ein paralleler veranderlicher Spalt wird von einer Lichtquelle (Laser mit Mikroskopop-tik 10-fach) beleuchtet und sein Schatten auf die Leinwand projiziert. Bei weit geoffnetemSpalt sieht man den geometrischen Schatten auf der Leinwand. Verengt man den Spaltallmahlich, so wird zunachst auch das Schattenbild enger, dann aber wieder weiter. Zusatzlichtauchen Interferenzstreifen neben dem geometrischen Schatten auf.

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 10

6.2.1 Beugung

Beugung bezeichnet die Ablenkung von (Licht-)Wellen an einem Hindernis. Bei Beugungs-erscheinungen kann sich die Welle im geometrischen Schattenraum des Hindernisses (Kan-te, Spalt, Gitter, usw.) ausbreiten. Zur Beugung kommt es durch Entstehung neuer Wellenentlang einer Wellenfront gemaß dem Huygensschen Prinzip.

Abbildung 6.8: links: Bei der Beugung an einem spaltformigen Hindernis breiten sich die Wellenhinter dem Hindernis auch im geometrischen Schattenraum aus. rechts: Beispiele fur das Huy-genssche Prinzip mit alten und neuen Wellenfronten fur ebene Wellen (links) und Kugelwellen(rechts).

Huygenssches Prinzip:

Jeder Punkt einer Wellenfront kann als Ausgangspunkt von Elementar-wellen angesehen werden, die sich mit gleicher Geschwindigkeit und Wel-lenlange wie die ursprungliche Welle ausbreiten. Die Einhullende dieserElementarwellen stellt die neue Wellenfront dar.

6.2.2 Reflektion

Beim Ubergang einer Lichtwelle in ein anderes Medium wird ein Teil reflektiert, der andereTeil dringt in das Medium ein.

Versuch # 3005: ReflektionsgesetzDer Versuch wird entweder an der optischen Wand oder (besser) mit einem eigens dafur

gebauten drehbaren Spiegel vor einer Styroporplatte gezeigt. Im zweiten Fall nimmt maneinen Diaprojektor mit Lochblende als Lichtquelle und arbeitet mit einem streifendemLichtstrahl. Fallt ein Lichtstrahl unter einem Winkel α auf einen ebenen Spiegel ein sowird er unter demselben Winkel β wieder reflektiert: α = β. Beide Winkel werden zumEinfallslot (auf die Spiegeloberflache) gemessen.

Bei Reflektion gilt das Reflektionsgesetz wonach der Einfallswinkel α gleich dem Aus-fallswinkel β ist

BeispieltextBeispieltext

. (6.11)

Die einfallende und die reflektierte Welle laufen jeweils mit der Geschwindigkeit c1 imgleichen Medium n1 (siehe Abb. 6.9).

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 11

Abbildung 6.9: links: Reflektion an der Grenzflache zwischen zwei Medien mit unterschiedlichemBrechungsindex n1 und n2. rechts: Glatte Oberflachen reflektieren das Licht und wirken so wieSpiegel.

6.2.3 Fermatsches Prinzip

Nach dem Fermatschen Prinzip muss der optische Weg (Produkt aus Brechungsindex undgeometrischem Weg) einen Extremwert annehmen (also ein Minimum).

Abbildung 6.10: Beispiele fur verschiedene Lichtwege zwischen den Punkten A und B. Lichtnimmt nach dem Fermatschen Prinzip den kurzesten Weg ACB.

Mathematisch lautet das Fermatsche Prinzip: Die Zeit

t =

∫ s2

s1

n(s)

c0ds (6.12)

ist minimal. Die Lichtwelle folgt also dem Weg, bei dem die Laufzeit minimal ist.

Abbildung 6.11: links: bikonkave Linse, rechts: bikonvexe Linse

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 12

Das Fermatsche Prinzip ist die Grundlage der geometrischen Lichtoptik, in der Lichtals Strahl verstanden wird. Es findet beispielsweise bei allen Konstruktionen an LinsenAnwendung.

6.2.4 Snelliussches Brechungsgesetz

Eine (Licht-)Welle wird gebrochen, andert also ihre Richtung, wenn sie von einem transpa-renten Medium in ein anderes transparentes Medium mit einem anderen Brechungsindexubergeht.

Abbildung 6.12: links: Brechung an der Grenzflache zwischen zwei Medien mit unterschied-lichen Brechungsindices n1 und n2. c0 bezeichnet die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. rechts:Durch Brechung erscheint der Buntstift nicht gerade sondern unterhalb der Wasseroberflacheunter einem Winkel abgeknickt.

Geht der Lichtstrahl vom Medium mit Brechungsindex n1 in das Medium mit demBrechungsindex n2 uber, so ist

sinα

sin γ=

c1c2

=n2

n1

(6.13)

und wegen Energieerhaltung (also auch Frequenz f = konst.)

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.14)

wobei α den Einfallswinkel und γ den Brechungswinkel gemessen zum Lot bezeichnen.

Das Snelliussche Brechungsgesetz ist eine Folgerung des Fermatschen Prinzips.

6.2.5 Totalreflexion

Totalreflexion kann nur bei dem Ubergang eines Lichtstrahls von einem optisch dichterenMedium (Wasser) in ein optisch dunneres Medium (Luft) erfolgen. Dabei geht keinerlei

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 13

Energie verloren.

Versuch # 3046: Totalreflexion im WasserstrahlIn unserem Versuch schießen wir mit einem He-Ne-Laserstrahl im rechten Winkel zur

Grenzflache (keine Totalreflexion!) durch die verengte Offnung (Glasrohr im Korken) ei-nes 5 Liter Wassertrogs und fuhren ihn in einen ausfließenden Wasserstrahl. Dort wird ersolange im Strahl totalreflektiert, bis sich der Strahl in einzelne Tropfen auflost. Die Sicht-barkeit des Lichts im Strahl erreichen wir durch Streuung an kleinen aufgeschwemmtenTeilchen.

Abbildung 6.13: Beispiele fur verschiedene Einfallswinkel des Lichts auf die Grenzflache zwi-schen einem optisch dichteren und dunneren Medium (Ubergang Glasfaser in Luft): 1) Einfalls-winkel 0o, 2) 30o, 3) 41,8o und 4) 45o.

Ein Lichtstrahl, der aus einem optisch dichteren Medium kommt und auf die Grenz-flache zu einem optisch dunneren Medium fallt, wird gemaß dem Snelliusschen Brechungs-gesetz vom Einfallslot weg gebrochen. Der Brechungswinkel ist also großer als der Einfalls-winkel des Lichts. Vergroßert man den Einfallswinkel, so verlauft der gebrochene Strahl abeinem bestimmten Wert parallel zur Grenzflache (siehe Abb. 6.13.3). Dieser Winkel wirdGrenzwinkel der Totalreflexion αtot oder auch kritischer Winkel αc genannt.

Beispiel Glasfaser:Es ist nLuft < nGlas, so daß Totalreflexion beim Austritt von Licht aus der Glasfasermoglich ist. Am Grenzwinkel der Totalreflexion ist der Ausfallswinkel erneut β = 90o.Entsprechend ist sin β = 1 und es folgt

1

sin αc=

nGlas

nLuft(6.15)

und so mit fur den Grenzwinkel der Totalreflexion

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.16)

Bei einer Glasfaser mit einem Brechungsindex von 1,5 (BK 7-Glas) ergibt dies αc =41, 8o.

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 14

Abbildung 6.14: links: Ubergang von Glas zu Luft. rechts: Aufbau einer Glasfaser mit Faserkern,Fasermantel und Isolation.

Andere Beispiele sind: Regensensoren, Abbe-Refraktometer, Reflektoren, Lunar LaserRanging Experiment oder Lichtleiter.

Versuch # 3045: LichtleiterDer Strahl eines He-Ne-Lasers wird durch einen Lichtleiter geschickt, in den man einen

Knoten gemacht hat. Das Licht ist in der Lage diesem Knoten zu folgen und kann so inkomplizierten Geometrien gefuhrt werden.

6.2.6 Umkehrung des Lichtweges

Vertauschen wir in den betrachteten Fallen den Ausgangspunkt des Lichts (Lichtquelle)und den Beobachtungspunkt (Detektor), so folgt nach dem Fermatschen Prinzip der gleichegeometrische Weg. Lediglich die Richtung ist vertauscht. In einem optischen System nimmtder Lichtstrahl also den selben Weg zuruck. Fur optische Konstruktionen ist diese Prinzipsehr nutzlich.

6.2.7 Planparallele Platte

Licht trifft unter einem Einfallswinkel α auf eine planparallele Platte der Dicke d (sieheAbbildung 6.15. Durchlauft ein Lichtstrahl diese planparallele Platte vollstandig, so andertsich seine Richtung insgesamt nicht, der austretende Strahl ist aber zum eintretendenverschoben. Die Verschiebung δ ist dann

δ =d sin(α− β)

cos(β), (6.17)

wobei sich der Winkel β aus dem Brechungsgesetz berechnet.

Versuch # 3007: Lichtstrahlenverschiebung an einer planparallelen PlatteTritt ein Lichtstrahl an einem Punkt A in eine planparallele rechteckige Platte ein, so

wird er aufgrund des Snelliusschen Brechungsgesetzes zur Normalen auf die Oberflache hin

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 15

gebrochen. Er tritt anschließend am Punkt B wieder aus dem dichteren Medium aus undwird dabei wiederum von der Normalen weg gebrochen. Da es sich bei beiden Ubertrittenjeweils um einen Ubergang zwischen denselben Medien handelt wird der Strahl beide Maleum denselben Winkel gebrochen - allerdings in unterschiedliche Richtungen, was dazufuhrt, dass die Richtung des Strahls nach dem Austritt aus der Platte dieselbe ist wie vordem Eintritt, sich der Strahl aber aufgrund seines Verlaufs innerhalb der Platte um einenAbstand d parallel verschoben hat.

Abbildung 6.15: Licht durchlauft eine Platte mit planparallelen Grenzflachen und erfahrt eineQuerverschiebung.

6.2.8 Ablenkung durch ein Prisma

Unter einem Prisma wird in der Optik vorwiegend eine spezielle Form des geometrischenKorpers Prisma verstanden, namlich ein gerades Prisma mit einem Dreieck als Grund-flache. Seine optischen Eigenschaften hangen im Wesentlichen von den Dreieckswinkelnund von der Brechzahl des Werkstoffes (Glas oder glasklarer Kunststoff) ab. Die Haupt-anwendungen des Prismas beruhen auf seiner Eigenschaft, Licht wellenlangenabhangig zubrechen oder total zu reflektieren, je nach Bauart des Prismas.

Versuch # 3023: Reflexion von Licht an der Kante eines Glasprismas

Fallen Lichtstrahlen senkrecht auf die Kante (Kathete) eines gleichschenklig rechtwink-ligen Glasprismas (siehe Abbildung 6.16) so werden sie zunachst aufgrund des SnelliusschenBrechungsgesetzes nicht abgelenkt. Im weiteren Verlauf treffen sie jedoch auf eine weitereKante, geometrisch gesehen die Hypothenuse, wo sie total reflektiert werden. Nach demReflexionsgesetz ist Einfalls- gleich Ausfallswinkel, was dazu fuhrt, dass die Lichtstrahlenum 90o abgelenkt werden. Wird das Prisma leicht verschoben so konnen sowohl Reflexionals auch Brechung beobachtet werden.

Versuch # 3024: Reflexion von Licht an zwei Kanten eines Glasprismas

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6.2. AUSBREITUNG VON LICHT 16

Fallen Lichtstrahlen senkrecht auf die untere Kante (geometrisch gesehen die Hypo-thenuse) eines gleichschenklig rechtwinkligen Glasprismas (siehe Abbildung 6.16) so wer-den sie zunachst aufgrund des Snelliusschen Brechungsgesetzes nicht abgelenkt. Im weite-ren Verlauf treffen sie jedoch zunachst auf eine der Katheten, wo sie total reflektiert undaufgrund des Reflexionsgesetzes um 90o abgelenkt werden, danach auf die andere Kathe-te, wo sie ebenfalls total reflektiert und um 90o abgelenkt werden. Insgesamt werden dieLichtstrahlen also um 180o abgelenkt, der Verlauf des Lichtes dreht sich gerade um. Au-ßerdem ist ebenfalls das gesamte Bild um 180o gedreht: wird der oberste einfallende Strahlabgedeckt so verschwindet der unterste Strahl des austretenden Lichtes, und umgekehrt.

Abbildung 6.16: links: Reflexion von Licht an einer Kante (Hypothenuse) eines Glasprismas.rechts: Reflexion von Licht an zwei Kanten (Katheten) eines Glasprismas.

Beim Eintritt in ein Glasprisma wird der einfallende Strahl zur Oberflachennormalenhin gebrochen, beim Austritt wieder davon weg gebrochen. Daraus ergibt sich ein totalerAblenkwinkel δ wie Abbildung 6.17 ersichtlich ist.

Im Falle des minimalen Ablenkwinkels δmin ist der Einfallswinkel α gleich dem Aus-fallswinkel β. Der Verlauf des abgelenkten Strahls innerhalb des Prismas ist parallel zu derKante die der Strahl nicht durchtritt (die Kante KL in Abbildung 6.17). Der Brechungs-index des Prismas ergibt sich dann aus

n =sin

(

δmin+φ2

)

sin(

φ2

) . (6.18)

Allgemein ist der Ablenkwinkel am Prisma

BeispieltextBeispieltext

. (6.19)

Benutzen wir jedoch anstelle des monochromatischen Lichts, weisses Licht, so stellenwir fest, dass der Ablenkwinkel zudem von der Wellenlange abhangt. Ursache ist dieAbhangigkeit der Brechzahl n(λ) von der Wellenlange.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 17

Abbildung 6.17: Die Ablenkung des gebrochenen Lichtes ist bei symmetrischem Durchgang mi-nimal.

Versuch # 3024: Dispersion verschiedener PrismenDrei 60o Prismen verschiedener Glaser (Kronglas n=1,52, Flintglas n= 1,60 und Schwer-

flint n=1,73) werden ubereinander gestellt und je ein Spektrum durch sie erzeugt. Mit einerBogenlampe entstehen kontinuierliche Spektren, deren Aufbau aber unterschiedlich ist. Daskann man gut sehen, wenn man beispielsweise die gelbe Spektralfarbe aller drei Spektrenubereinander stellt. Der Aufbau entspricht dem vereinfachten Prismenspektrographen (nureine Linse), die Spektren werden auf die Leinwand abgebildet.

Abbildung 6.18: Die Farbzerlegung von weissem Licht bei der Brechung durch ein Prisma be-ruht auf der Dispersionkurve von typischen Materialien, bei der die Brechzahl mit steigenderWellenlange abnimmt.

Fur der Bereich des sichtbaren Lichts haben typische Materialien einen wellenlangen-abhangigen Verlauf der Brechzahl n, bei dem n mit steigendem Wert von λ abnimmt.Folglich werden kleinere Wellenlangen starker abgelenkt und ein weisser Strahl immer soaufgespalten, dass der Farbverlauf von oben nach unten von rot zu violett geht.

6.3 Geometrische Optik

Die geometrische Optik oder Strahlenoptik ist eine Naherung der Optik, in der die Welle-neigenschaften des Lichtes vernachlassigt werden, weil die mit dem Licht wechselwirkenden

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 18

Strukturen (Spiegel, Linsen, Blenden, usw.) und die abgebildeten Objektdetails groß imVerhaltnis zur Wellenlange des Lichtes sind.

In der geometrischen Optik wird das Licht als aus Lichtstrahlen zusammengesetzt be-trachtet. Eine Lichtquelle oder ein diffus reflektierendes Objekt sendet Lichtstrahlen aus,welche dann reflektiert, gebrochen oder aufgespaltet werden. Die Lichtstrahlen folgen demSuperpositionsgesetz, d. h. sie konnen sich gegenseitig durchdringen, ohne sich zu storen.In einem homogenen Medium breiten sich die Lichtstrahlen geradlinig aus. An verspiegel-ten Flachen werden sie reflektiert. An Grenzflachen zwischen Medien mit verschiedenerBrechzahl werden sie nach dem Snelliusschen Brechungsgesetz gebrochen und partiell re-flektiert (und somit in zwei Strahlen aufgespaltet), oder sie werden total reflektiert. EinLichtstrahl kann auch durch Doppelbrechung aufgespaltet werden.

Allgemein gilt fur die Bahnen von Lichtstrahlen das Fermatsche Prinzip.

6.3.1 Abbildung durch Spiegel

Ein Spiegel ist eine reflektierende Flache, glatt genug, dass reflektiertes Licht nach demReflexionsgesetz seine Parallelitat behalt und somit ein Abbild entstehen kann.

Abbildung 6.19: Konstruktion des Bildes an einem ebenen Spiegel aus den ruckwartigenVerlangerungen der reflektierten Strahlen. Zur Bestimmung des Ortes des Spiegelbildes L’ sindmindestens zwei Strahlen notwendig.

Zur Konstruktion des Spiegelbildes werden die ruckwartigen Verlangerungen aller be-liebigen reflektierten Strahlen (zum Beispiel auch diejenige des Strahls b) verlangert. Sietreffen sich alle im Ort des Spiegelbildes (in Abbildung 6.19 L’). Das Auge sieht also dieLichtquelle am diesem Ort hinter dem Spiegel. Es entsteht ein virtuelles Bild (optischesAbbild, das im Gegensatz zu einem reellen Bild nicht auf einem Schirm abgebildet werdenkann). Wenn sich der Beobachter in die Lage seines Spiegelbildes versetzen mochte, soerscheint es ihm, als ob rechts und links vertauscht waren - alles erscheint im Wortsinnespiegelbildlich.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 19

Gekrummte Spiegeloberflachen

Die spiegelnde Oberflache muss nicht plan sein, es konnen auch gekrummte OberflachenLicht reflektieren. Die Konstruktion erfolgt fur jeden Lichtstrahl einzeln.

Versuch # 3050: Brennpunkt eines HohlspiegelsDas Licht einer Bogenlampe wird mit einer großen Linse (Durchmesser 20 cm) parallel

gemacht und quer durch den Horsaal auf einen Hohlspiegel geworfen (Durchmesser etwa 15cm). In den Brennpunkt bringt man ein Streichholz, das durch Einschalten der Bogenlampeentzundet wird.

Abbildung 6.20: Zwei Strahlen im Abstand h zur optischen Achse werden unter Einhaltung desReflexionsgesetzes an der Oberflache des Hohlspiegels reflektiert und treffen sich im BrennpunktF . Der Kugelmittelpunkt ist mit M und der Kugelradius mit R bezeichnet.

Bogenlampen strahlen punktgenau ein sehr helles und intensives Licht mit einem ho-hen Infrarot-Anteil aus. Alle Lichtstrahlen, die die Bogenlampe senkrecht zum Spiegelwirft, werden so reflektiert, dass sie genau in seinem Brennpunkt gebundelt werden. Weilnaturlich die infrarote Warmestrahlung denselben Weg geht, ist am Brennpunkt die Ener-giedichte sehr hoch. Diese hohe Energie, die hauptsachlich vom infraroten Licht ausgeht,ist in der Lage, ein Streichholz zu entzunden.

6.3.2 Abbildung durch Linsen

Als Linse bezeichnet man ein optisch wirksames Bauelement mit zwei lichtbrechendenFlachen, von denen mindestens eine Flache konvex oder konkav gewolbt ist. Die wesent-lichste Große einer Linse ist die Brennweite f , d.h. der Abstand von Brennpunkt bzw.Brennebene zur Linse.

Unter den Hauptebenen eines optischen Systems wie einer Linse versteht man denaquivalenten Ort der Brechung von Lichtstrahlen, die achsparallel in das System einfallen.Dabei gilt:

1. Strahlen, die parallel zur optischen Achse verlaufen, werden so gebrochen, dass sieden Brennpunkt F passieren.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 20

Abbildung 6.21: Strahlenbundel gehen durch die Brennebene bzw. den Brennpunkt F im Abstandder Brennweite f .

2. Strahlen, die untereinander parallel verlaufen, werden so gebrochen, dass sie dieBrennebene in einem gemeinsamen Punkt passieren.

Abbildung durch Sammellinsen

Eine Sammellinse oder Konvexlinse ist eine Linse mit positiver, vergroßernder Brechkraft.Die Sammellinse sammelt parallel eingestrahltes Licht und fokussiert es in ihrem Brenn-punkt.

Wir betrachten eine Bildkonstruktion, bei der das Objekt im Abstand zwischen f und2f zur Sammellinse steht. Das entstehende Bild ist reell und seitenverkehrt.

Abbildung 6.22: Bildkonstruktion fur eine Sammellinse: Das Objekt steht im Abstand zwischenf und 2f zur Sammellinse. Die Strahlen sind gestrichelt eingezeichnet.

Haufig benutzte Abkurzungen sind:

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 21

PS: Parallelstrahl F: Brennpunkt im Objektraum

ZS: Zentralstrahl F’: Brennpunkt im Bildraum

BS: Brennstrahl f: Brennweite im Objektraum

f’: Brennweite im Bildraum

Zur Bildkonstruktion verwenden wir 3 Stahlen (Parallelstrahl, Zentralstrahl und Brenn-strahl). Der Parallelstrahl lauft im Objektraum vom Objekt G parallel zur optischen Ach-se und wird ab der Hauptachse der Linse im Bildraum durch den Brennpunkt gefuhrt.Der Zentralstrahl lauft vom Objekt durch den Schnittpunkt zwischen optischer Achse undHauptachse der Linse. Der Brennstrahl geht schließlich vom Objekt durch den Brennpunktim Objektraum bis zur Hauptachse und danach im Bildraum parallel zur optischen Achse.Alle drei Strahlen schneiden sich in einem Punkt. In diesem Punkt entsteht das Bild B.

Versuch # 3057: Strahlengang durch eine konvexe LinseTreffen zur optischen Achse parallele Strahlen auf eine Bikonvexlinse, so werden sie an

der ersten konvexen Oberflache gebundelt. Dies geschieht, da laut dem Snelliusschen Bre-chungsgesetz beim Ubergang von einem optisch dunneren in ein optisch dichteres Materialdie Lichtstrahlen zum Einfallslot hin gebrochen werden. Beim Austritt aus der Linse an derzweiten konvexen Oberflache werden die Lichtstrahlen von der Normalen weg gebrochen,was aufgrund der Geometrie der Linse impliziert, dass die Strahlen nochmals gebundeltwerden. Eine Bikonvexlinse verhalt sich also wie ein konvergierendes optisches System; dieLichtstrahlen schneiden sich nach dem Durchlaufen der Linse im Brennpunkt F.

Die Vergroßerung einer Linse ist durch den Vergroßerungsfaktor

BeispieltextBeispieltext

. (6.20)

gegeben. Ein negatives V bedeutet hier ein reelles und auf dem Kopf stehendes Bild; einpositives V bedeutet ein virtuelles Bild, das aufrecht steht. Zur Bestimmung der Vorzeichender Großen G,B, g, b ist zu beachten, dass sich der Gegenstand im Ursprung befindet undentsprechend alle Großen auf der x-Achse (g, b, f) positiv gezahlt werden. Der Nullpunktentlang der y-Achse ist durch die optische Achse gegeben.

Der Abbildungsmaßstab β ist definiert als das Verhaltnis zwischen der Große der opti-schen Abbildung (B, Bild) eines Gegenstandes und dessen realer Große (G, Gegenstand)

β =|B||G| (6.21)

und wird in der Technik gemaß der Vorzeichenkonventionen der DIN 1335 berechnet.Ein Abbildungsmaßstab von 1:1 sagt aus, dass der Gegenstand und seine Abbildung

gleich groß sind. Ein Abbildungsmaßstab von 1:2 sagt aus, dass der Gegenstand doppelt sogroß ist wie seine Abbildung. Ein Abbildungsmaßstab von 2:1 sagt aus, dass die Abbildungdoppelt so groß ist wie der Gegenstand. In der Fotografie bezeichnet man als Abbildungs-maßstab das Verhaltnis der Abbildungsgroße eines Objektes auf der Filmebene zur Große

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 22

des Originalobjektes selbst. Der Abbildungsmaßstab nimmt mit kleiner werdendem Ab-stand zum Objekt und mit Verlangerung der Objektivbrennweite zu.

Der Kehrwert der Brennweite (bezogen auf Luft) heißt Brechwert oder Brechkraft

D =1

f. (6.22)

In der Optik verwendet man fur den Brechwert auch die Einheit Dioptrie (Einheitenzeichen:dpt). Es gilt: 1 dpt = 1 m−1.

Beispiel: Eine freistehende Linse der Brennweite 50 cm = 0,5 m hat den Brechwert von1/(0,5 m) = 2 dpt.

Lupe

Die Lupe ist ein einfaches optisches Instrument. Sie ist eine Konvexlinse kleiner Brenn-weite, bei der sich der abzubildende Gegenstand innerhalb der Brennweite f befindet. Sieerzeugt ein aufrechtes virtuelles Bild.

Versuch # 3064: Strahlengang der LupeAn der optischen Wand wird der Strahlengang der Lupe sichtbar gemacht. Da zum

Versuchsaufbau nur dicke Linsen zur Verfugung stehen, sind Linsenfehler vorhanden.

Abbildung 6.23: Bildkonstruktion Lupe: Das Objekt steht im Abstand zwischen 0 und f zurSammellinse.

Die Bildkonstruktion bei der Lupe erfolgt erneut mit den drei Stahlen Parallelstrahl,Zentralstrahl und Brennstrahl. Es mussen jedoch nun noch zusatzlich die ruckwartigenVerlangerungen der Strahlen (gestrichelte Linien in der Abbildung 6.23) betrachtet wer-den, um den Schnittpunkt fur die Lage des Bildes zu finden. Das resultierende Bild istvirtuell und nicht seitenverkehrt. Das Bild der Lupe wird im Auge und nicht auf demSchirm sichtbar.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 23

Um die Vergroßerung einer Lupe zu bestimmen, wahlt man die deutliche Sehweite desAuges (s0 =250 mm) als Bezugsgroße. Ein Gegenstand erscheine in dieser Entfernung unterdem Winkel α0

tanα0 =G

s0. (6.23)

Bei Einsatz der Lupe erscheint das Bild in einem großeren Abstand s und unter einemvergroßerten Winkel α mit

tanα =B

s. (6.24)

Fur die Vergroßerung folgt

BeispieltextBeispieltext

. (6.25)

Abbildung 6.24: Strahlengang bei der Lupe in Bezug auf das Auge: α0 = Sehwinkel bei kon-ventioneller Sehweite und α = Sehwinkel bei Verwendung einer Lupe.

Abbildungsgleichung

Wenn man den mathematischen Strahlensatz zuerst auf den Mittelpunktsstrahl und diesich mit ihm im Mittelpunkt der Linse kreuzende optische Achse anwendet erhalt man denAbbildungsmaßstab

β =|B||G| = | − b

g| . (6.26)

Wendet man den mathematischen Strahlensatz nun auf den Brennpunktstrahl und die sichmit ihm im Brennpunkt kreuzende optische Achse an, so erhalt man

B

G=

b− f

f. (6.27)

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 24

Somit istb

g=

b− f

f(6.28)

und nach Division durch b folgt die Abbildungsgleichung

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.29)

Die Abbildungsgleichung oder Linsengleichung setzt die Bildweite b, die Gegenstands-weite g und die Brennweite f in Beziehung. Die Linsengleichung stellt eine Vereinfachungdar, weil hier angenommen wird, dass die Linse keine Ausdehnung besitzt und dass dieBrennweite an jeder Stelle der Linse gleich groß und unabhangig von der Wellenlange desLichtes ist. In der Praxis sind alle drei Bedingungen nicht exakt erfullt.

Linsenschleifergleichung

Es seien R1 und R2 die Kugelradien einer Linse. Hierbei ist zu beachten, dass die beidenRadien dann gleiche Vorzeichen haben, wenn die Mittelpunkte auf derselben Seite derLinse liegen (konvex-konkave Linse), jedoch unterschiedliche Vorzeichen, wenn die Linsebikonvex oder bikonkav ist (siehe Abbildung 6.25). Fur eine Linse der Dicke d (gemessenin Hohe der optischen Achse) und mit der Brechzahl des Linsenmaterials n ist in Luft dieBrechkraft

D =1

f= (n− 1)

(

1

R1− 1

R2+

(n− 1)d

nR1R2

)

. (6.30)

Abbildung 6.25: Darstellung der Radien R1 und R2 zur Berechnung der Brechkraft einer Linseder Dicke d nach der Linsenschleifergleichung.

Fur dunne Linsen mit d ≪ R1, R2 gilt genahert

D =1

f= (n− 1)

(

1

R1− 1

R2

)

. (6.31)

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 25

Fur eine Sammellinse erhalten wir insgesamt je nach Abhangigkeit von Ort der Gegen-standes:

Gegenstands- Bildweite Vergroßerung Bildlageweite g b V

g > 2f f < b < 2f 0 > V > −1 umgekehrt, reell

g = 2f b = 2f V = −1 umgekehrt, reell

f < g < 2f b > 2f V < −1 umgekehrt, reell

g ≤ f |b| > |f | und b < 0 V > 1 aufrecht, virtuell

Abbildung durch Zerstreuungslinsen

Ein Bundel von einfallenden Parallelstrahlen lauft nach dem Passieren einer Zerstreuungs-linse oder Konkavlinse scheinbar von einem Punkt auf der Einfallseite des Lichts ausein-ander. Es ist hierbei zu beachten, dass die Brennweite von Zerstreuungslinsen negativ ist.

Die Bildkonstruktion bei der Zerstreuungslinse erfolgt wieder mit den drei StahlenParallelstrahl, Zentralstrahl und Brennstrahl. Wie bei der Lupe mussen die ruckwartigenVerlangerungen der Strahlen betrachtet werden, um den Schnittpunkt fur die Lage desBildes zu finden.

Abbildung 6.26: Bildkonstruktion Zerstreuungslinse: Das Objekt steht in weitem Abstand hinterder Zerstreuungslinse.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 26

Die Vergroßerung ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.32)

also V > 0. Das Bild ist aufrecht und virtuell.

Versuch # 3058: Strahlengang durch eine konkave LinseTreffen zur optischen Achse parallele Strahlen auf eine Bikonkavlinse, so werden sie an

der ersten konkaven Oberflache gestreut. Dies geschieht, da laut dem Snelliusschen Bre-chungsgesetz beim Ubergang von einem optisch dunneren in ein optisch dichteres Materialdie Lichtstrahlen zum Einfallslot hin gebrochen werden. Beim Austritt aus der Linse ander zweiten konkaven Oberflache werden die Lichtstrahlen von der Normalen weg gebro-chen, was aufgrund der Geometrie der Linse impliziert, dass die Strahlen nochmals gestreutwerden. Eine Bikonkavlinse verhalt sich also wie ein aufweitendes optisches System; nachdem Durchlaufen einer Bikonkavlinse sind die Lichtstrahlen divergent, sie erzeugen keinreelles Bild. Verlangert man die austretenden Strahlen nach hinten, so erkennt man, dasssie einen gemeinsamen Schnittpunkt haben, den virtuellen Brennpunkt F.

Linsentypen

Bei den einfachsten Linsen sind die beiden optisch aktiven Flachen spharisch. Das heißt, siesind Oberflachenausschnitte einer Kugel. Daher kann man diesen Flachen Krummungsradienzuordnen. Jede dieser Flachen kann konvex, eben oder konkav sein:

Abbildung 6.27: links: Sammellinsen: a) Bikonvexlinse b) Plankonvexlinse c) Konkavkonvex-linse. rechts: Zerstreuungslinsen: a) Bikonkavlinse b) Plankonkavlinse c) Konvexkonkavlinse.

Aspharische Linsen sind meist auch rotationssymmetrisch, jedoch sind die Flachen nichtAusschnitte von Kugeloberflachen. Die Form rotationssymmetrischer aspharischer Linsenwird in der Regel als Kegelschnitt (Kreis, Ellipse, Parabel, Hyperbel) plus eine Potenzreihefur Deformationen hoherer Ordnung angegeben

z = f(h) =h2

R(

1 +√

1− (1 + k)(h/R)2) + A4h

4 + A6h6 + ... . (6.33)

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 27

Nach DIN ISO 10110-12 entspricht z der Pfeilhohe in Abbildung 6.28 und sind h derAbstand senkrecht zur optischen Achse, R der Scheitelradius, k eine konische Konstanteund A4, A6 aspharische Parameter.

Abbildung 6.28: Pfeilhohe bei einer aspharischen Linse nach DIN ISO 10110-12

Die so entstandenen Freiheitsgrade im Vergleich zur spharischen Linse konnen genutztwerden, um beispielsweise Abbildungsfehler zu reduzieren. Konventionell werden in op-tischen Systemen Abbildungsfehler durch den Einsatz mehrerer spharischer Linsen ausunterschiedlichen Materialien (Brechzahl, Dispersion) korrigiert. Durch den Einsatz eineraspharischen Flache kann der Optikdesigner im Allgemeinen 2-3 spharische Linsen erset-zen. Nachteil aspharischer Linsen ist insbesondere ihre auch heute noch vergleichsweiseteure Herstellung.

6.3.3 Linsensysteme

Bei Linsensystemen betrachten wir an Stelle von einer einzelnen Linse eine Abfolge vonhintereinander auf der optischen Achse angeordneten Linsen. Der einfachste Fall ist durchzwei dunne Sammellinsen beschrieben, die im Abstand d hintereinander gestellt sind. DieKonstruktion des Bildes erfolgt jetzt uber das Konzept des Zwischenbilds B = G′.

Fur das Linsensystem errechnet sich eine effektive Brennweite fsystem des Gesamtsy-stems

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.34)

Versuch # 3065: LinsenkombinationenUm die Strahlengange von Linsenkombinationen darzustellen verwenden wir Plexiglas-

scheiben in Linsenform auf der optischen Wand. Es stehen Sammellinsen und Zerstreuungs-linsen verschiedener Brennweiten zur Verfugung. Auf diese Weise konnen verschiedensteStrahlengange mittels eines Mehrfachstrahlers dargestellt werden.

Speziell fur nur zwei Linsen mit f1 = f2 = f ergibt sich fur den Fall, dass der Abstand dzwischen beiden Linsen vernachlassigbar gegenuber den Brennweiten ist die Vereinfachung

1

fsystem=

1

f+

1

f→ fsystem =

f

2. (6.35)

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 28

Abbildung 6.29: Zwei Linsen im Abstand d, es entstehen Zwischenbild B = G′ und Bild B inder Konstruktion fur das gesamte Linsensystem.

In einem System mit N Linsen, die so hintereinander gestellt sind, dass die Abstandezwischen den einzelnen Linsen vernachlassigt werden konnen, gilt

1

fsystem=

N∑

i=1

1

fi. (6.36)

Optische Systeme oder Instrumente (Mikroskope, Fernrohre, Objektive) enthalten im-mer mehrere Linsen.

6.3.4 Optische Instrumente

Einfache optische Instrumente lassen sich bereits aus zwei Linsen aufbauen. Diese beidenLinsen werden als Objektiv (dem Gegenstand, dem Objekt zugewandte Linse) mit derBrennweite fob und Okular (dem Auge, dem Oculus, zugewandte Linse) mit der Brenn-weite fok bezeichnet.

Versuch # 3064: Mikroskop und FernrohrAn der optischen Wand wird der Strahlengang des Mikroskops und des Fernrohrs (Kep-

ler, Galilei) sichtbar gemacht. Da zum Versuchsaufbau nur dicke Linsen zur Verfugungstehen, sind Linsenfehler vorhanden.

Fernrohr

Ein Fernrohr ist ein optisches Instrument, mit dem man entfernte Gegenstande unter einemgroßeren Sehwinkel als mit dem bloßen Auge sieht und diese dadurch naher bzw. großer

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 29

erscheinen.

Im einfachsten Aufbau besteht das Fernrohr aus zwei Linsen, die sich im Abstand derSumme ihrer Brennweiten gegenuberstehen. Nach dem Konstruktionsprinzip unterscheidetman das Galilei-Fernrohr vom Kepler-Fernrohr:

• Das Galilei-Fernrohr hat als Objektiv eine Sammellinse und als Okular eine Zerstreu-ungslinse kleinerer Brennweite. Es besitzt ein kleines Gesichtsfeld, stellt die Objekteaber aufrecht und seitenrichtig dar. Es ist heute nur noch als Opernglas und als festinstalliertes Aussichtsfernrohr in Gebrauch.

• Beim Kepler-Fernrohr werden sowohl fur das Objektiv als auch fur das Okular Sam-mellinsen verwendet. Es entsteht ein reelles, aber auf dem Kopf stehendes (um 180Grad gedrehtes) Bild. Es wird heute in der Astronomie verwendet.

Abbildung 6.30: links: Galileisches Fernrohr oder terrestrisches Fernrohr und rechts: Kepler-sches Fernrohr oder astronomisches Fernrohr

Wie jedes Gerat, mit dem das Auge direkt beobachten soll, erzeugt das Fernrohr paralle-le Lichtstrahlen, die vom entspannten Auge auf der Netzhaut gesammelt werden. Ein Fern-rohr wandelt also einfallende Parallelstrahlen in austretende Parallelstrahlen und verandertdabei nur den Winkel und die Dichte dieser Strahlen. Die Veranderung des Winkels be-wirkt die Vergroßerung. Die großere Dichte der Strahlen vergroßert die Helligkeit des Bildes.

Wird die Vergroßerung des Sehwinkels betrachtet, so ist der Vergroßerungsfaktor

V =tan σ′

tanσ. (6.37)

Gebrauchlicher ist die Angabe in Abhangigkeit von den Brennweiten von Objektiv bzw.Okular

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.38)

Kleine Fernrohre und Fernglaser charakterisiert man durch zwei Zahlenangaben, zumBeispiel 5 × 20 mm (Taschengerat). Die erste Angabe bezieht sich auf die Vergroßerung(5-fach), die zweite auf die Offnung (Apertur) des Objektivs in mm. Bei Linsenfernrohrenfur astronomische Beobachtungen wird das Verhaltnis von Apertur zur Brennweite (dasOffnungsverhaltnis) als Kenngroße fur das Leistungsvermogen des Instruments verwendet.Die Vergroßerung ergibt sich je nach verwendetem Okular, das meist gewechselt werdenkann. Ein Refraktor 100/1000 hat also eine Offnung von 100 mm und eine Brennweite von1000 mm. Ein Gerat mit 1000 mm Objektiv-Brennweite und 5 mm Okular-Brennweitebesitzt zum Beispiel eine 200-fache Vergroßerung.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 30

Abbildung 6.31: Vergroßerung des Sehwinkels beim Keplerschen Fernrohr (oben) und beimGalileischen Fernrohr (unten).

Mikroskop

Ein Mikroskop ist ein optisches Instrument, das es erlaubt, Objekte vergroßert anzuse-hen. Im einfachsten Aufbau besteht das Mikroskop aus zwei Sammellinsen, deren beiderBrennpunkte im Abstand der Tubuslange t angeordnet sind. Die Bezeichnung dieser Lin-sen mit Objektiv und Okular erfolgt analog zum Fernrohr. Das Objektiv entwirft einZwischenbild, welches mit dem Okular betrachtet wird. Das Okular wirkt hierbei wie eineLupe.

Unter der Vergroßerung des Objektivs wird ublicherweise dessen Abbildungsmaßstabverstanden. Mit der Vergroßerung eines Objektivs ist also keine Winkelvergroßerung ge-meint. Vorausgesetzt wird fur die Berechnung, dass der Abstand zum Gegenstand sogewahlt wird, dass das Zwischenbild dort entsteht, wo sich im Mikroskop die Brennebenedes Okulars befindet. Der Abbildungsmaßstab ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.39)

mit der Bezugssehweite s0 ≈ 250 mm.

Mikroskopie wird mit verschiedenen Beleuchtungstechniken betrieben: Hellfeld (Lich-tabsorption der Probe), Dunkelfeld (Streuung des Lichts durch Probe), Phasenkontrast(Interferenzeffekte mit Licht) und kreuz-polarisiert (Rotation polarisierten Lichts durchProbe). Diese verschiedenen Messmethoden geben verschiedene Auskunfte uber die Probe.

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 31

Abbildung 6.32: Bildkonstruktion fur ein Mikroskop mit dem Zwischenbild und dem resultieren-den virtuellen Bild. Die eingezeichneten Lichtstrahlen entsprechen nicht dem wirklichen Verlauf,da diese im Mikroskop nicht ihre Richtung andern konnen. Zur Konstruktion des Bildes ist dieseVorgehensweise jedoch erlaubt.

Mit einem STED (Stimulated Emission Depletion, Stefan Hell, Nobel-Preis Che-mie 2014) Mikroskop ist eine bessere Auflosung als mit einem herkommlichen Laser-Raster-Mikroskop moglich: Der Bereich, aus dem Fluoreszenz emittiert wird, wird dabeibedeutend kleiner gemacht als der Bereich, der von dem Laserstrahl beleuchtet wird. Daswird durch gezieltes Ausschalten der Farbstoffmolekule im Außenbereich des Fokus erreicht.Dazu wird das Praparat nicht nur mit dem fokussierten Anregungsstrahl beleuchtet (linkesBild), sondern gleichzeitig mit einem zweiten Laserstrahl, dem ?Ausschaltestrahl?. DiesemAusschaltestrahl gibt man ein ringformiges Profil im Fokus (mittleres Bild). In der Mitte,also dort wo der Anregungsstrahl seine maximale Helligkeit hat, ist der Ausschaltestrahlvollkommen dunkel. Der Ausschaltestrahl beeinflusst also die Fluoreszenzfarbstoffe in derMitte nicht. Er schaltet aber die Fluoreszenzfarbstoffe im Außenbereich des Anregungsfo-kus durch stimulierte Emission (siehe oben) aus; die Farbstoffmolekule im Außenbereichbleiben dunkel, obwohl sie von dem Anregungslaser beleuchtet werden. Es leuchten deshalbnur die Farbstoffmolekule genau aus dem Zentrum (rechtes Bild). Der minimale Durchmes-ser des Anregungsstrahls ist zwar genauso beugungsbegrenzt wie das zentrale Dunkelfelddes Ausschaltestrahls. Allerdings genugen wenige Photonen des Ausschaltestrahls zur Sti-mulation der Emission einer großeren Zahl von angeregten Zustanden; außerdem kanndie Intensitat des Ausschaltestrahls hoher als die des Anregungsstrahls gewahlt werden.Dadurch ist der nicht ausgeschaltete zentrale Bereich sehr viel kleiner als der mit dem An-regungslaser beleuchtete Bereich (siehe Linienprofile rechts). Beim Scannen des Praparateserfasst man somit jeweils einen leuchtenden Fleck, der viel kleiner ist als in einem normalenLaser-Raster-Mikroskop. Deshalb kann man feinere Details auflosen. Um ein vollstandigesBild zu erhalten, wird das Praparat Punkt fur Punkt abgerastert.

Die Große des resultierenden Lichtflecks sinkt mit steigender Intensitat des Ausschal-

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 32

testrahls immer mehr ab. Das bedeutet, die Auflosung steigt umso weiter an, je heller derAusschaltestrahl ist; das erreichbare Auflosungsvermogen ist prinzipiell nicht begrenzt.Vor der Erfindung der STED-Mikroskopie bestand das Problem, dass der Anregungsstrahlaufgrund der Abbeschen Beugungsgrenze nicht beliebig klein fokussiert werden kann. Manregt also immer alle Molekule, die sich gerade im Fokus befinden, an und kann daher nichtentscheiden, von welchem Molekul die Fluoreszenz gerade kommt. Daher konnten Struk-turen, die kleiner sind als die Ausdehnung des Laserfokus, nicht unterschieden werden.

6.3.5 Abbildungsfehler

Ein Abbildungsfehler, oder auch Aberration genannt, ist eine Abweichung von der idealenoptischen Abbildung. Abbildungsfehler lassen sich im Rahmen der geometrischen Optikerfassen. Es ist moglich, die Abbildungsfehler gegenuber einem einfachen System aus einereinzelnen Linse sehr stark zu reduzieren, indem mehrere Linsen aus verschiedenen Glas-sorten miteinander kombiniert werden. Sie werden durch eine Optimierungsrechnung soaufeinander abgestimmt, dass die gemeinsame Auswirkung aller Abbildungsfehler minimalwird.

Spharische Aberration

Achsparallel einfallende oder vom gleichen Objektpunkt auf der optischen Achse ausgehen-de Lichtstrahlen haben nach dem Durchgang durch die Linse nicht den gleichen Schnitt-punkt, sondern werden auf eine Kreisflache abgebildet. Im allgemeinen ist die Abweichungumso starker, je weiter außen der Strahl verlauft.

Abbildung 6.33: Spaherische Aberration: Lichtstrahlen, die durch die Randzonen der Linsegehen, werden starker gebrochen und in einem der Linse naher liegendem Brennpunkt fokussiertals mittig einfallende Lichtstrahlen.

Es entsteht ein weiches und etwas verschwommenes, aber scharfes Bild. Feine Objekt-details sind noch erkennbar, aber der Kontrast ist vermindert (Weichzeichnungseffekt).

Versuch # 3090: Spharische Aberration einer ZylinderlinseDie spharische Aberration einer Linse kann insbesondere vermindert werden durch Ver-

kleinern des Durchmessers des in die Linse eintretenden Strahls, da dadurch die achsenfer-nen Strahlen nicht mit einbezogen werden. Eine Verminderung der spharischen Aberration

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 33

ist bei plankonvexen Linsen durch das Drehen der Linse moglich. Treffen die parallelenStrahlen unter 90o auf die plane Flache der Linse werden die Lichtstrahlen nur beim Aus-tritt aus der Linse gebrochen. Im umgekehrten Fall brechen die Lichtstrahlen sowohl beimEintritt als auch beim Austritt.

Dieser Versuch lasst sich am Besten an der optischen Wand zeigen. Der Mehrfachstrah-ler erzeugt je zwei achsennahe bzw. achsenferne Parallelstrahlen, die durch eine plankon-vexe Plexiglaslinse gehen. Die Linse wird zunachst mit der planen Seite zur Lichtquellehin in den Strahlengang gebracht und die Schnittpunkte der beiden Strahlenpaare mar-kiert. Dann dreht man die Linse um 180o und bringt sie so an, dass der Schnittpunkt derachsenahen Strahlen wieder an derselben Stelle wie vorher ist. Man sieht, dass jetzt derSchnittpunkt der randnahen Strahlen woanders erscheint.

Chromatische Aberration

Die Brechzahl n(λ) des verwendeten Linsenglases hangt (wie fur jedes Material) nicht-linear von der Wellenlange des einfallenden Lichts ab (Dispersion). Kurzwelliges Lichtwird starker gebrochen und damit zu einem kleineren Abstand hinter der Linse fokussiert.Entsprechend verschiebt sich von blauem zu rotem Licht der Schnittpunkt von Strahlenhinter der Linse zu großeren Abstanden von dieser. Dieser Effekt fuhrt zu Farbsaumen amBildrand.

Abbildung 6.34: Chromatische Aberration: Lichtstrahlen kurzer Wellenlange (blau) werdenstarker gebrochen und in einem der Linse naher liegendem Brennpunkt fokussiert als Lichtstrah-len großer Wellenlange (rot).

Versuch # 3095: Farbfehler einer LinseDieser Versuch kann sowohl an der optischen Wand mit der halbierten Glaslinse oder

mit der Bogenlampe und dem großen Kondensor demonstriert werden. In beiden Fallenwird der gesamte Lichtkegel der Lichtquelle divergent durch die Linse geschickt und da-hinter streifend auf der Leinwand gezeigt. Man sieht sehr gut, dass das blaue Bild derLichtquelle naher an der Linse liegt als das rote.

Astigmatismus

In Abhangigkeit von der Rotationssymmetrie der Linse unterscheiden wir zwei verschiede-ne Arten des Astigmatismus:a) Fur rotationssymmetrische Linsen entsteht dieser Abbildungsfehler durch einen schragen

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 34

Lichteinfall auf die Linse. Aufgrund der spharischen Form der Linsenoberflache entstehenso unterschiedliche Einfallswinkel der Strahlen zum jeweiligen lokalen Grenzflachenlot. Dader Brechungswinkel von der Brechzahl und dem Einfallswinkel abhangt, wird jeder Strahlmit anderem Einfallswinkel auch anders gebrochen. Hierdurch resultiert fur die beidenHauptachsen der Linse unterschiedliche Brennweiten.b) Durch eine Rotationsasymmetrie der Linse (z.B. Auge) bei Einfall vollig paraxialenStrahlen entsteht ebenfalls diese Abbildungsfehler. Die aspharische Form der Linsenober-flache fuhrt zu unterschiedlichen Krummungsradien fur die beiden Hauptachsen. Da derBrechungswinkel von Krummungsradius abhangig ist, resultieren fur die beiden Hauptach-sen der Linse unterschiedliche Brennweiten.

Abbildung 6.35: Astigmatismus durch Linsenasymmetrie: Ist die Linse nicht kugelformig,sondern hat in einer Schnittebene einen anderen Krummungsradius als in der dazu senk-rechten Schnittebene, so fuhrt dies zu unterschiedlichen Brennpunkten in Abhangigkeit vomKrummungradius.

Versuch # 3100: Astigmatismus einer LinseAstigmatismus kann auch bei vollig paraxialen Strahlen durch eine Rotationsasymme-

trie der Linse um die optische Achse entstehen (z.B. beim menschlichen Auge). Je großerder Krummungsradius der Linse ist, desto starker werden die Strahlen in dieser Ebeneder Linse gebrochen und der Brennpunkt liegt dichter hinter der Linse als fur die dazusenkrechte Ebene der Linse mit kleinerem Krummungsradius.

Bildfeldwolbung

Das Bild wird nicht auf einer Ebene, sondern auf einer gewolbten Flache erzeugt. DiePosition des Strahlenschnittpunkts langs der optischen Achse ist dann von der Bildhoheabhangig, d. h. je weiter Objekt- und damit Bildpunkt von der Achse entfernt sind, umso mehr ist der Bildpunkt in Achsrichtung verschoben (typischerweise nach vorn, zumObjektiv hin).

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6.3. GEOMETRISCHE OPTIK 35

Das entstehende Bild ist nicht uberall scharf. Wenn man auf die Bildmitte scharfstellt,ist der Rand unscharf und umgekehrt.

Abbildung 6.36: Bildfeldwolbung: Dieser Fehler entsteht weil Punkte am Rand der Linse naherzur optischen Achse abgebildet werden als mittige.

Versuch # 3105: Bildfeldwolbung einer Linse

Ein Dia mit konzentrischen Ringen wird uber eine einfache Linse (f = 160 mm) abge-bildet. Stellt man die inneren Ringe scharf ein, so werden die außeren Ringe unscharf undumgekehrt. Man kann mit einem Papierschirm zeigen, dass die Bildweite der Außenringekleiner ist als die der Innenringe.

Verzeichnungen

Die Verzeichnung (optische Verzerrung) ist ein geometrischer Abbildungsfehler optischerSysteme, der zu einer lokalen Veranderung des Abbildungsmaßstabes fuhrt. Die Maß-stabsanderung beruht auf einer Anderung der Vergroßerung mit zunehmendem Abstanddes Bildpunktes von der optischen Achse. Die Verzeichnung ist daher rotationssymme-trisch.

Abbildung 6.37: Je nachdem ob der Abbildungsmaßstab zum Bildrand hin zu- oder abnimmterhalt man eine kissen- oder tonnenformige Verzeichnung. Von links nach rechts: kissenformig -verzeichnungsfrei - tonnenformig.

Nimmt die Vergroßerung zu den Randern des Bildfelds zu, dann wird ein Quadratkissenformig verzeichnet. Im umgekehrten Fall spricht man von tonnenformiger Verzeich-nung. Es konnen auch Verzeichnungen hoherer Ordnung auftreten, und die Uberlagerung

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6.4. OPTIK DES AUGES 36

verschiedener Ordnungen kann zu einer wellenformigen Abbildung gerader Linien fuhren.

Versuch # 3110: Verzeichnungen einer LinseEin Dia mit einem groben Gitter wird uber eine einfache Linse (f = 150 mm) abgebil-

det. Setzt man eine Lochblende (Irisblende, Durchmesser ausprobieren) an der Stelle desLinsenbrennpunkts in den Strahlengang, so erhalt man am objektseitigen Brennpunkt einetonnenformige Verzeichnung des Gitters, am bildseitigen Brennpunkt eine kissenformige.

6.4 Optik des Auges

Beim Menschen liegt der durch das Auge wahrnehmbare Bereich des elektromagnetischenSpektrums im Wellenlangenbereich von etwa 380 nm bis 780 nm, das sogenannte Licht-spektrum. Dagegen sehen beispielsweise Bienen auch kurzwelligeres Licht, das sogenannteultraviolette UV-Licht, wahrend sie andererseits kein rotes Licht wahrnehmen konnen. DasAuge besteht aus 5 Hauptbestandteilen (siehe Abbildung 6.38):

Abbildung 6.38: Querschnitt durch das Auge mit den 5 Hauptbestandteilen. Das Licht trittdurch die durchsichtige Hornhaut in das Auge ein.

• Hornhaut: Die glasklare Augenhulle. Sie schutzt das Auge nach außen. Wenn dieHornhaut missgebildet ist, kann dies zu Sehstorungen fuhren.

• Iris: Die farbige Offnung des Auges. Die Aufgabe der Iris besteht darin, sich je nachder Lichtmenge, die in das Auge eindringt, zu offnen oder zu schließen. Diese Rege-lung geschieht unbewusst. Die Iris(blende) entspricht in ihrer Funktion der Blendeeiner Kamera. Durch das Loch, das die Irisblende noch freilasst, die Pupille, dringtLicht in das Auge ein. Der Durchmesser der Pupillenoffnung kann, je nach Umge-bungslicht, zwischen 1 mm und etwa 8 mm betragen. Die Pupille erscheint schwarz,weil das Licht nicht wieder aus dem Auge kommt.

• Augenlinse: Die Linse ist in der Mitte weich (etwa vergleichbar einer durchsichtigen,mit Wasser gefullten Plastiktute). Der Muskel an ihren Enden, der Zilliarmuskel,

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6.4. OPTIK DES AUGES 37

kann die Form der Augenlinse und damit ihre Brennweite so verandern, so dass dasgesunde Auge nahe und ferne Gegenstande scharf sehen kann.

• Netzhaut: Sie ist eine Art Projektionsleinwand auf der das Bild des Gegenstandes,den wir sehen, abgebildet wird. Wenn das Bild scharf darauf abgebildet wird, sehenwir gut. Auf der Netzhaut befinden sich Nervenzellen (Zapfchen und Stabchen), diedas einfallende Licht in Nervenreize wandeln.

• Nervenleitungen: Nervenleitungen tragen die Signale, die in den Zapfchen undStabchen auf der Netzhaut entstehen, zum Gehirn. Hier wird das Bild erfasst. DasBild, das eine Sammellinse (also auch die Augenlinse) erzeugt, steht auf dem Kopfund ist seitenverkehrt. Erst im Gehirn wird das Bild sozusagen umgedreht.

6.4.1 Akkommodation des Auges

Unser Auge beruht in seiner optischen Funktion auf einer Sammellinse. Beim Auge ist dieBildweite b (Abstand Augenlinse zu Netzhaut) unveranderlich. Wollen wir Gegenstande inverschiedenen Entfernungen (Gegenstandsweite g) scharf sehen, muss unsere Augenlinseihre Brennweite f verandern. Die Brennweite von Sammellinsen (Konvexlinsen) hangt vonihrer Wolbung ab. Das bedeutet, dass die Wolbung der Augenlinse, je nach Entfernungdes Gegenstandes, den wir scharf sehen wollen, angepasst werden muss. Diese Aufgabeubernimmt der Ziliarmuskel.

Abbildung 6.39: oben: Sehen weit entfernter Gegenstande erfordert eine große Brennweite fund unten: Sehen naher Gegenstande erfordert eine kleine Brennweite f . Der Abstand Linse-Netzhaut (die Bildweite b) ist gleich geblieben, die Linsen liegen also untereinander.

Basierend auf der Abbildungsgleichung 6.29 bedeutet dies unterschiedliche Anforde-rungen an das Auge fur entfernt und nahe positionierte Gegenstande:

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6.4. OPTIK DES AUGES 38

Sehen eines entfernten Gegenstandes

Wenn ein entfernter Gegenstand gesehen werden soll ist g groß und damit 1/g klein. Da bund damit auch 1/b konstant ist, muss die linke Seite der Gleichung 6.29 (1/f) ebenfallsklein werden. Das bedeutet, dass die Brennweite f groß werden muß.

Sehen eines nahen Gegenstandes

Soll ein Gegenstand in der Nahe gesehen werden (g klein, also 1/g groß), so muss die linkeSeite der Gleichung ebenfalls groß sein (1/b ist ja immer noch gleich). Es muss also 1/fgroß, bzw. die Brennweite f klein werden.

6.4.2 Kurzsichtigkeit

Ist die Augenlinse ist zu stark, die Hornhaut zu dick oder der Augapfel zu lang, so entstehtein scharfes Bild schon vor der Netzhaut im Inneren des Augapfels. Auf der Netzhautselbst ist das dort entstehende Bild nicht mehr scharf. Diesen Augenfehler nennt manKurzsichtigkeit. Leute, die kurzsichtig sind, konnen in die Nahe (auf kurze Distanz) zwargut sehen, sehen aber in große Entfernungen unscharf. Ohne Korrektur durch eine Brilleoder Kontaktlinsen wird ein kurzsichtiger Mensch in die Ferne nie scharf sehen konnen.

Abbildung 6.40: Strahlengang beim kurzsichtigen Auge (jeweils beim Blick in die Ferne). oben:das unkorrigierte Auge und unten: Korrektur durch eine Zerstreuungslinse.

6.4.3 Weitsichtigkeit

Ist die Augenlinse ist zu schwach, die Hornhaut zu dunn oder der Augapfel zu kurz, soentsteht ein scharfes Bild erst hinter der Netzhaut außerhalb des Augapfels. Auf der Netz-haut selbst ist das dort entstehende Bild nicht mehr scharf. Diesen Augenfehler nennt manWeitsichtigkeit. Leute, die weitsichtig sind, konnen in die Ferne (auf große Distanz) zwargut sehen, sehen aber in die Nahe unscharf. Weitsichtigkeit kann in gewissen Grenzen durch

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6.4. OPTIK DES AUGES 39

einen großeren Abstand zwischen Objekt und Auge kompensiert werden. Dabei wird seinBild allerdings kleiner.

Abbildung 6.41: Strahlengang beim weitsichtigen Auge (jeweils beim Blick in die Ferne). oben:das unkorrigierte Auge und unten: Korrektur durch eine Sammellinse.

Versuch # 3315: Optische Farbtauschungen

Lasst man Scheiben rotieren, die in bestimmter Weise, aber nur Schwarz und Weiß,bemalt sind, so sieht man nicht nur Grau als Mischung, sondern auch andere Farben. Eineweitere Farbtauschung kann mit einer Scheibe demonstriert werden, die zur einen Halfteschwarz, zur anderen weiß ist und an der Trennlinie einen Schlitz hat, durch den eine roteLampe zu sehen ist (Rotlichtbirne aus Fotolabor, moglichst hellrot). Man muss dabei dieHelligkeit dieser Lampe variieren konnen (Regeltrafo) und außerdem die Scheibe selbstvon vorne geeignet beleuchten (regelbare Schreibtischleuchte). Lasst man nun die Scheibevor der leuchtenden roten Birne rotieren, dann erscheint letztere nur dann rot, wenn dieScheibe so rotiert, dass auf den Schlitz die schwarze Scheibenhalfte folgt. Wenn die Scheibedagegen so rotiert, dass die weiße Scheibenhalfte auf den Schlitz folgt, dann erscheint dieBirne grun!

Wirkungsweise: In der Netzhaut gibt es zwei verschiedene Arten von Sehzellen: Diesogenannten Stabchen sind fur das Helligkeitsempfinden zustandig (davon gibt es pro Au-ge 125 Millionen). Die etwa 7 Millionen Zapfchen hingegen nehmen Reize von Farben auf,ermoglichen also das Farbensehen. Es gibt 3 Arten von Zapfchen. Eine Sorte von Zapfchenist am starksten fur rot empfindlich, eine am meisten fur grun und die letzte fur blau. Jededieser Sehzellen benotigt eine unterschiedliche Zeit, um auf einen Farbreiz zu reagieren.Außerdem unterscheiden sich die Zellen darin, wie lange sie einen Reiz noch weiterleiten,wenn er gar nicht mehr existiert. So reagieren die blauempfindlichen Zapfchen am lang-samsten, leiten den Reiz dafur aber am langsten weiter. Wenn man nun auf die drehendeFeymannsche oder Machsche Scheibe schaut, sieht man die schnell wechselnden schwarzenund weißen Segmente. Wenn sich ein weißes Feld vor dem Auge vorbeidreht, reagieren alle

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6.5. OPTISCHE PHANOMENE 40

Farbrezeptoren. Man sieht aber erst dann die Farbe weiß, wenn alle drei Arten von Far-brezeptoren gleichzeitig einen Reiz weiterleiten. Die Tatsache, dass bestimmte Zapfchenschneller reagieren als beispielsweise die blauempfindlichen, kann nun teilweise erklaren,wie es zu den Farberscheinungen kommt. Wenn beispielsweise der Blauanteil aus dem wei-ßen Licht noch nicht ans Gehirn weitergeleitet wurde, sieht man rot. Die unterschiedlichenFarben, die sich auf der Scheibe innen und außen ergeben, resultieren aus den verschiedenlangen und positionierten schwarzen Bogen.

6.5 Optische Phanomene

Vielen optischen Phanomenen wie dem blauen Himmel liegen drei wesentliche Faktorenzu Grunde: das Licht (Sonnenstrahlung), unsere Farbwahrnehmung als Mensch und einphysikalischer Prozess (z.B. die Rayleigh-Streuung). Wir wollen einige ausgewahlte op-tische Phanomene betrachten. Diese sollen nicht mit optischen Tauschungen (visuellenPhanomenen), mit Erklarungsansatzen in der aktuellen Sehforschung verwechselt werden.Es geht um die zugrunde liegenden physikalischen Prozesse.

6.5.1 Rayleigh-Streuung

Bei der Streuung von Licht an kugelformigen Teilchen, die einen im Vergleich zur Wel-lenlange λ der gestreuten Wellen kleinen Durchmesser d besitzen, folgt fur die Intensitat

I = I01 + cos2Θ

2R2

(

λ

)4 (

n2 − 1

n2 + 2

)2 (

d

2

)6

. (6.40)

I0 ist die Intensitat der einfallenden Welle, Θ der Streuwinkel, R der Abstand des Be-obachters zum Teilchen und n die Brechzahl des Teilchens. Die Energie E = hf = hc

λ

des eingestrahlten Photons ist zu klein, um Atome anzuregen. Die Energie des gestreutenPhotons andert sich nicht.

Abbildung 6.42: Im klassischen Grenzfall, d. h. einer großen Wellenlange des Photons gegenuberdem Bohrradius des Atoms, spricht man von Rayleigh-Streuung.

Das Oszillatormodell ist ein Modell zur Beschreibung der Streuung von Licht an Ato-men. Dazu wird von einem externen elektrischen harmonischen Feld zur Beschreibung derLichtwelle

~E(t) = ~E0e−iωt (6.41)

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6.5. OPTISCHE PHANOMENE 41

ausgegangen. Auf ein Elektron im Atom wirkt dann die Kraft ~F = q ~E(t) = −e ~E(t). AlsBewegungsgleichung folgt die eines gedampften harmonischen Oszillators mit

me~r +me Γ~r +me ω20 ~r = −e ~E(t) . (6.42)

Dabei bezeichnen me die Masse des Elektrons, Γ die Dampfung (Atomstoße, Strahlungs-verluste, etc.) und ω0 die Eigenfrequenz.

Nach einiger Zeit sind die Einschwingprozesse abgeklungen und die Elektronen schwin-gen mit der Frequenz ω des erregenden externen Feldes. Fur diese inhomogene Losungmachen wir den Ansatz

~rinhom(t) = ~a e−iωt . (6.43)

~a stellt eine (konstante) komplexe Amplitude dar. Setzt man dies in die Bewegungsglei-chung ein, so erhalt man fur das sogenannte atomare Dipolmoment

~p(t) = αe(ω) ~E(t) =e2/me

ω20 − ω2 − iΓω

. (6.44)

Dabei bezeichnet αe(ω) die elektrische Polarisierbarkeit in Abhangigkeit von der Frequenz.Aus diesen Uberlegungen erhalt man den differentiellen Wirkungsquerschnitt fur die

Streuung von Licht

dΩ=

(

e2

me c2

)2ω4

(ω20 − ω2)2 + Γ2ω2

sin2 θ . (6.45)

θ = π − Θ ist hierbei der Winkel zwischen Dipolmoment und Beobachtungspunkt. Dieshat die Form einer Resonanzkurve. Der totale Wirkungsquerschnitt ergibt sich daraus nachIntegration zu

σ(ω) =8π

3

(

e2

me c2

)2ω4

(ω20 − ω2)2 + Γ2ω2

. (6.46)

Blauer Himmel

Der Wirkungsquerschnitt σ der Rayleigh-Streuung ergibt sich als Grenzfall niedriger Fre-quenzen (im Vergleich zur Eigenfrequenz, ω ≪ ω0) aus dem Oszillatormodell (Gleichung6.46) zu

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(6.47)

wobei σTh = 0, 665 · 10−24 cm2 der Thomson-Wirkungsquerschnitt ist. Die Rayleigh-Streuung erklart, warum der Himmel blau erscheint. Die Frequenz von blauem Licht ωblau

ist rund 1,4 mal so groß wie die von rotem Licht ωrot. Somit folgt das Verhaltnis derWirkungsquerschnitte

σblau

σrot=

ω4blau

ω4rot

∼ 4 . (6.48)

Blaues Licht wird also rund viermal starker in der Atmosphare gestreut als rotes Licht.

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6.5. OPTISCHE PHANOMENE 42

Am Tag, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, muss das Licht nur eine kurze Streckedurch die Atmosphare zurucklegen. Dabei werden nennenswerte Lichtanteile nur im kurz-welligen, blauen Spektralbereich gestreut. Dieses Streulicht lasst den Himmel blau erschei-nen.

Ein Blick auf die Spektralfarben lasst vermuten, dass der Himmel violett sein sollte,da dies das kurzwelligste, sichtbare Licht ist. Das Licht des Himmels enthalt auch diesenLichtanteil, gelangt aber im Verhaltnis zu den anderen Farben des Lichts in kleinerenMengen zur Erde und wird vom menschlichen Auge mit relativ geringer Empfindlichkeitund eingeschrankter Selektivitat aufgenommen (siehe Farbwahrnehmung).

Morgen- und Abendrot

Bei niedrigem Sonnenstand ist die Strecke des Sonnenlichts durch die Erdatmosphare groß.Da ein Großteil der hochfrequenten Lichtanteile (blau) schon gestreut wurde, treten dieverbliebenen, langen Wellenlangen in Relation starker zu Tage und der Farbeindruck derSonne verschiebt sich in Richtung rot. Dieser Effekt wird durch zusatzliche Partikel in derLuft (z.B. Staub, Sand) weiter verstarkt.

Versuch # 3315: Streuung des Sonnenlichts

Mit dem parallelem Lichtbundel eines Diaprojektors wird in das mit Mastix trube ge-machte Wasser eines Aquariums eingestrahlt. Außerdem wird auf das Becken eine Vorrich-tung aufgesetzt, die es gestattet, den Strahl an einer beliebigen Stelle aus dem Wasser her-auszureflektieren und uber einen weiteren Umlenkspiegel an die Wand zu werfen. Die Farbedes Lichtflecks hangt dann von der Dicke der durchstrahlten truben Flussigkeitsschicht ab.Je dicker diese gemacht wird, desto mehr spielt die Farbe ins orange-rote. Um die Illusioneines Sonnenuntergangs zu erzeugen, wird der Auslenkspiegel mit zunehmender Schicht-dicke geneigt, so dass der Lichtfleck immer tiefer sinkt, wahrend er seine Farbe ins Roteverandert, bis er schließlich am ”Horizont”(Blendenkarton) verschwindet.

6.5.2 Lichtstreuung an ausgedehnten Objekten

Sind die Objekte, an denen Licht gestreut wird, ausgedehnt, so sind Brechungs- und Reflek-tionsphanomene zu berucksichtigen. Prominentes Beispiel sind kugelformige Wassertrop-fen, an denen Sonnenlicht bei Ein- und Austritt aus dem Tropfen wellenlangenabhangiggebrochen und an der ruckwartigen inneren Oberflache richtungsabhangig reflektiert wird.

Bei Ein- und Austritt aus dem kugelformigen Tropfen wird der Lichtstrahl gemaß demBrechungsgesetz abgelenkt und an der ruckwartigen inneren Oberflache reflektiert. BeimLichteintritt in den Tropfen gilt

nLuft sinΘ1 = nWasser sinΘ2 . (6.49)

Es folgt fur den Ablenkwinkel des ruckgestreuten Lichts gegenuber dem ursprunglich ein-fallenden Lichtstrahl

φA = π + 2Θ1 − 4 arcsin

(

nLuft

nWassersinΘ1

)

. (6.50)

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6.5. OPTISCHE PHANOMENE 43

Abbildung 6.43: Strahlengang im Regentropfen bei einem Lichtstrahl

Eine geometrische Berechnung (siehe Abbildung 6.43) ergibt, dass die reflektierten Strahlenfur monochromatisches rotes Licht von einem kugelformigen Wassertropfen unabhangigvom Tropfendurchmesser maximal unter einem bestimmten Grenzwinkel von annahernd42 Grad zuruckgeworfen werden. Da großere Ablenkwinkel bei einfacher Reflektion nichtauftreten, haufen sich dort die Beitrage verschiedener Auftreffpunkte. Entsprechend ist dieIntensitat des reflektierten Lichtes unter dem Maximalwinkel besonders groß.

Abbildung 6.44: Totalreflexion in einem Wassertropfen fur 12 verschiedenen einfallende Licht-strahlen

Bei weißem Licht folgt aus dem Brechungsgesetz eine wellenlangenabhangige Ablen-kung. Primar, also bei nur einer Reflektion des Lichtstrahls innerhalb des Tropfens, ergibtsich der Ablenkungswinkelbereich von 40o bis 42o (innen blau, außen rot) (siehe Abbildung6.45). Es sind jedoch auch zwei Reflektionen innerhalb des Tropfens moglich. Fur diesen

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6.5. OPTISCHE PHANOMENE 44

sekundaren Prozess ergibt sich der Ablenkungswinkelbereich von 50o bis 53o (innen rot,außen blau) (siehe Abbildung 6.45). Primar und sekundar abgelenktes Licht unterscheidensich also in der Anordnung der Farben.

Abbildung 6.45: Ablenkung des Lichts bei Streuung an kugelformigen Regentropfen. links:primarer Prozess mit einer Reflektion und rechts: sekundarer Prozess mit zwei Reflektionen.

Regenbogen

Der Regenbogen ist eine optische Naturerscheinung, die auftritt, wenn Sonnenlicht von derhinter dem Beobachter stehenden Sonne auf vor dem Beobachter befindliche Regentrop-fen oder andere Wassernebel trifft und reflektiert wird. Es entsteht ein kreisbogenformigesLichtband mit vielen Spektralfarben, die in einem charakteristischen Farbverlauf wahrge-nommen werden. Fur den primaren Regenbogen (innen blau, außen rot) ergibt sich derAblenkungswinkelbereich von 40o bis 42o.

Abbildung 6.46: Der Regenbogen wird also nur sichtbar, wenn der Betrachter mit dem Ruckenzur Sonne auf die Regenwand blickt, denn nur dann kann man in Richtung des Winkels schauen.Die Breite des Regenbogens entsteht dabei durch die Auffacherung der Farben in die unterschied-lichen Winkel, die eigentliche Form des Regenbogens aber durch den festen Beobachtungswinkel.

Steht die Sonne hoher als 42o uber dem Horizont, sind keine Regenbogen mehr moglich,weil ihr Scheitelpunkt dann unterhalb des Horizonts lage.

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6.5. OPTISCHE PHANOMENE 45

6.5.3 Luftspiegelung

Die Luftspiegelung ist ein durch Ablenkung des Lichtes an unterschiedlich warmen Luft-schichten verursachter optischer Effekt basierend auf dem Fermatschen Prinzip. So erwarmtsich zum Beispiel gerade uber schwarzem Asphalt einer Straße oder Wustensand die Luftbesonders stark und dehnt sich aus. Ihre Dichte (auch die optische Dichte) nimmt also di-rekt uber der Straße ab und es entsteht ein kontinuierlicher Ubergang von kalten, dichtenLuftschichten zu heißen, weniger dichten uber der Straße. Die Lichtstrahlen werden, aus-gehend vom Auto, auf dem gesamten Weg durch die Luft zum Beobachter hin gebrochenund so quasi noch oben gebogen. Somit entsteht zusatzlich zu der direkten Beobachtungein, an den heißen Luftschichten gespiegeltes, Bild eines Objekts oberhalb der Straße.

Abbildung 6.47: Die Luft direkt uber dem heißen Asphalt ist warmer als die daruberliegendenLuftschichten und deshalb auch weniger dicht. Die Lichtstrahlen von einem fernen Objekt sinddeshalb nach oben gebogen und es sieht so aus, als ob sich das Objekt am Boden spiegelt.

Die Voraussetzung fur eine zweite Art der Luftspiegelung ist, dass sich warme Luft-schichten uber den kalten befinden (Inversionswetterlage). Am besten ist dies uber Wasser-oder Eisflachen zu beobachten. Die Lichtstrahlen werden dann namlich nach unten gebo-gen, wodurch fur den Beobachter der Eindruck entsteht, als kamen sie von oben. EinObjekt kann so auch nach oben gespiegelt werden, so dass sich das Trugbild uber demeigentlichen Objekt befindet. Auf diese Weise kann auf dem Meer ein Schiff am Himmelsichtbar werden, das sich vielleicht noch hinter dem Horizont befindet. Da der Sehwinkel,unter dem diese zweite Art der Luftspiegelung erscheint, im allgemeinen sehr klein ist,benotigt man zur Beobachtung ein Fernglas.

Abbildung 6.48: Eine Spiegelung nach oben tritt auf, wenn sich kalte, dichte Luftschichten unterwarmeren Luftschichten befinden.

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6.6. WELLENOPTIK 46

6.6 Wellenoptik

Wir haben in drei Dimensionen (3D) ebene Wellen, Zylinderwellen und Kugelwellen alsmogliche spezielle Losungen der Wellengleichung kennengelernt. Fur ebene Wellen kanndie Losung in einer allgemeinen Form unter Verwendung der Exponentialfunktion

z = r exp iϕ = r (cosϕ+ i · sinϕ) (6.51)

geschrieben werden. Fur das elektrische Feld ~E ist also eine ebene Welle durch

~E = i E0 exp(

i(~k · ~r ± ωt+ ϕ0))

= E0 exp(

i(~k · ~r ± ωt))

(6.52)

mit Ausbreitungsrichtung ∓~k gegeben. Entsprechend ist fur die Kugelwelle

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.53)

Die Amplitude nimmt mit wachsendem Abstand vom Ort des Erregers proportional mit1/r ab, da die Energie der Welle auf eine immer großere Kugelflache verteilt wird.

Abbildung 6.49: links: Eine Welle, bei der die Wellenfronten (Orte gleicher Phase) auf Ebenenliegen heißt ebene Welle. rechts: Eine 1/r-amplitudengedampfte harmonische Kreiswelle.

Wir wollen Licht jetzt als eine hochfrequente elektromagnetische Welle auffassen. Eshandelt sich um eine Transversalwelle, wobei die Amplitude durch den Vektor des elektri-schen Feldes oder des Magnetfeldes gegeben ist. Anders als z. B. Schallwellen, benotigenelektromagnetische Wellen kein Medium, um sich auszubreiten. Sie pflanzen sich im Vaku-um unabhangig von ihrer Frequenz mit Lichtgeschwindigkeit fort. Im freien Raum tretensie als Transversalwellen auf, d. h. die elektromagnetischen Feldvektoren sind senkrechtzur Ausbreitungsrichtung der Welle orientiert.

6.6.1 Interferenz von Wellen

Interferenz beschreibt die Uberlagerung von zwei oder mehr Wellen nach dem Superposi-tionsprinzip (d.h. durch Addition der Amplituden, nicht der Intensitaten). Wir betrachtenzunachst die Uberlagerung von zwei gleichfrequenten ebenen Wellen mit gleicher Ausbrei-tungsrichtung

~E = ~E1 + ~E2 = iE1 exp(

i(~k · ~r ± ωt+ ϕ01))

+ iE2 exp(

i(~k · ~r ± ωt+ ϕ02))

. (6.54)

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6.6. WELLENOPTIK 47

Werden die Wellen von unterschiedlichen Orten ausgesendet, so wird die durch verschiedenlange Laufwege verursachte Phasenverschiebung der beteiligten Wellen durch die verschie-denen Nullphasenwinkel ϕ01 und ϕ02 berucksichtigt. Es folgt wieder eine ebene Welle,jedoch mit geanderter Amplitude und anderem Phasenwinkel

~E = iE0 exp(

i(~k · ~r ± ωt+ ϕ0))

. (6.55)

Die Intensitat I einer elektromagnetischen Welle ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.56)

und mit

E2 = ~E ~E∗ = (E1 exp(iϕ01) + E2 exp(iϕ02)) (E1 exp(−iϕ01) + E2 exp(−iϕ02)) (6.57)

E2 = E21 + E2

2 + 2E1E2 cos (ϕ02 − ϕ01) (6.58)

folgt eine Gesamtintensitat

I = I1 + I2 + 2√

I1I2 cos (∆ϕ) . (6.59)

Die Phasendifferenz der Teilwellen ist

∆ϕ = ϕ02 − ϕ01 . (6.60)

Der zusatzliche Interferenzterm wird durch die Phasenbeziehung zwischen den beiden Teil-wellen bestimmt.

In einem wichtigen Spezialfall sind die Amplituden der beiden Wellen und damit auchbeide Intensitaten gleich (I1 = I2) und es folgt fur die Gesamtintensitat

I = 2I1 [1 + cos (∆ϕ)] (6.61)

oder nach Anwendung eines Additiontheorems

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.62)

Loschen sich die Wellen durch Uberlagerung gegenseitig aus, so spricht man von de-struktiver Interferenz. Verstarken sich die Amplituden, so spricht man von konstruktiverInterferenz. Es erfolgt konstruktive Interferenz (Intensitat maximal) fur

∆ϕ = N 2π ; N = 0,±1,±2, ... (6.63)

und destruktive Interferenz (Intensitat minimal) fur

∆ϕ = (N + 1/2) 2π ; N = 0,±1,±2, ... . (6.64)

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6.6. WELLENOPTIK 48

Versuch # 3150: InterferenzmodellDas Modell besteht aus zwei Glasplatten, die ubereinander liegen und gegeneinander

verschoben werden konnen. Jede Glasplatte hat ein System konzentrischer schwarzer Ringeaufkopiert. Die ganze Anordnung wird auf die Schreibprojektion gelegt. In Transmissionsieht man nur diejenigen Stellen hell, die von keinem der beiden Ringsysteme abgedecktwerden. Das stellt eine gewisse Analogie zur Interferenzausloschung dar.

Fur die Uberlagerung von zwei gleichfrequenten ebenen Wellen mit verschiedener Aus-breitungsrichtung ~k1 und ~k2 gilt

~E = ~E1 + ~E2 = iE1 exp(

i(~k1 · ~r ± ωt+ ϕ01))

+ iE2 exp(

i(~k2 · ~r ± ωt+ ϕ02))

. (6.65)

Die Wegdifferenz ist entscheidend fur das Auftreten von Interferenzerscheinungen zwischendiesen Wellen.

Abbildung 6.50: Interferenz zweier ebener Wellen mit verschiedener Ausbreitungsrichtung

Der optische Weg dopt ist durch den geometrischen Weg r und die Brechzahl n entlangdieses Weges bestimmt

dopt = r n . (6.66)

Der Gangunterschied ∆r ist die Wegdifferenz (Wegunterschied) zweier oder mehrererkoharenter Wellen gleicher Wellenlange. Fur eine Laufzeitdifferenz ∆t folgt

∆r = c∆t = c (t2 − t1) = cr2c2

− cr1c1

= r2n2 − r1n1 . (6.67)

Zusatzlich sind noch Phasensprunge bei Reflektion moglich, die einen weiteren Beitragzum Gangunterschied liefern konnen.

Der aus den unterschiedlich langen zuruckgelegten Wegen folgende Gangunterschied ∆rfuhrt ebenfalls zu einer Phasendifferenz ∆ mit

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.68)

Die gesamte Phasendifferenz δ setzt sich also aus zwei Anteilen zusammen: Ein Beitragkommt durch die Phasendifferenz zwischen den beiden Wellen ∆ϕ und ein zweiter Beitrag

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6.6. WELLENOPTIK 49

folgt aus der Phasendifferenz ∆, die aus der Wegdifferenz, die beide Wellen durchlaufen,stammt. Es ist

δ = ∆ϕ + ∆ . (6.69)

Entsprechend ergeben sich als Interferenzbedingungen fur zwei gleichfrequente ebene Wel-len mit verschiedener Ausbreitungsrichtung (Zweistrahlinterferenz):

a) konstruktive Interferenz (Intensitat maximal) fur

δ = N 2π ; N = 0,±1,±2, ... (6.70)

∆r = N λ ; N = 0,±1,±2, ... (6.71)

b) destruktive Interferenz (Intensitat minimal) fur

δ = (N + 1/2) 2π ; N = 0,±1,±2, ... (6.72)

∆r = (N + 1/2) λ ; N = 0,±1,±2, ... . (6.73)

Fur den Spezialfall gleicher Amplituden I1 = I2 = I0 folgt fur die Gesamtintensitat

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.74)

Abbildung 6.51: Interferenz zweier Kugelwellen

6.6.2 Der ideale Doppelspalt

Beim Doppelspaltexperiment lasst man koharentes, monochromatisches Licht durch ei-ne Blende mit zwei schmalen, parallelen Schlitzen treten. Auf einem Beobachtungsschirmhinter der Blende zeigt sich dann ein Interferenzmuster aus hellen und dunklen Streifen.

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6.6. WELLENOPTIK 50

Dieses Muster entsteht durch die Interferenz der die beiden Blendenoffnungen passierendenLichtstrahlen.

Versuch # 3200: Beugung am DoppelspaltWir beleuchten mit einem grunen Laser einen verstellbaren Spalt, so dass das Beu-

gungsbild in etwa 10 m Abstand auf der Leinwand erscheint. Außerdem erzeugen wir mitdem roten Laser das Beugungsbild eines Doppelspaltes und ordnen es so genau uber demdes Einfachspaltes an. Nun kann man den verstellbaren Spalt so einstellen, dass die Struk-tur des Beugungsbildes mit der Grobstruktur des Doppelspaltes ubereinstimmt.

Der Spaltabstand d liegt in der Großenordnung der verwendeten Wellenlange λ und wirbeobachten auf einem weit entfernten Schirm im Abstand l >> d das Interferenzmuster.

Abbildung 6.52: links: Konstruktion von Punkten maximaler oder minimaler Intensitat hinterdem Doppelspalt. rechts: Interferenzmuster des Doppelspalts.

Dann ist der Gangunterschied ∆r = d sin Θ und konstruktive Interferenz fuhrt zu Maximamit

mλ = d sin(Θ) (6.75)

und destruktive Interferenz zu Minima mit

(m+ 1/2)λ = d sin(Θ) (6.76)

fur m = 0,±1,±2,±3, ....Wenn der Beobachtungsschirm relativ weit vom Doppelspalt entfernt ist, ist der Winkel Θzum Beobachtungspunkt von beiden Spalten aus derselbe und es gilt

d sin Θ ≈ d tan Θ = dyml

≈ mλ . (6.77)

Der m-te helle Streifen hat von der Achse den Abstand

ym ≈ mλ l

d(6.78)

und der Abstand zweier Streifen ist

∆y =λ l

d. (6.79)

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6.6. WELLENOPTIK 51

Abbildung 6.53: Geometrie am Doppelspalt: y misst den Abstand auf dem Schirm von der Mittedes Doppelspalts zum Beobachtungspunkt P .

Fur einen idealen Doppelspalt mit der Spaltbreite 0 folgt fur die Intensitat nach Gleichung6.74

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.80)

mit einer Phasendifferenz

δ =2π

λd sin(Θ) . (6.81)

Abbildung 6.54: Intensitatsverteilung fur einen idealen Doppelspalt.

6.6.3 Der Einzelspalt

Teilt man in Gedanken ein Lichtbundel, das an einem Einzelspalt in eine bestimmte Rich-tung abgelenkt wird, in zwei Halften, konnen sich diese beiden Anteile des Lichtbundelskonstruktiv oder destruktiv uberlagern. Auch an einem Spalt ergibt sich so wieder eineReihe von Beugungsmaxima.

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6.6. WELLENOPTIK 52

Versuch # 3200: Beugung am Spalt

Wir beleuchten mit dem grunen Laser einen verstellbaren Spalt, so dass das Beugungs-bild in etwa 10 m Abstand auf der Leinwand erscheint.

Abbildung 6.55: links: M + 1 punktformige Lichtquellen in einem Spalt der Breite a. rechts:Zeigerdiagramm zur Berechnung der Amplitude fur einen Einzelspalt.

Beim Doppelspalt sind wir von der Idealisierung punktformiger Spalte ausgegangen. InWirklichkeit haben die Spalte aber eine endliche Breite a. In einem Gedankenexperimentunterteilen wir den Einzelspalt der Breite a in M + 1 punktformige Lichtquellen mitAbstand d = a/M . Der Phasenunterschied zwischen zwei benachbarten Lichtquellen indie Richtung Θ ist

δi =2π

λd sin Θ . (6.82)

Der gesamte Phasenunterschied ist dann

Φ =M∑

i=0

δi = (M + 1)2π

λd sin Θ =

M + 1

M

λa sin Θ (6.83)

und fur M → ∞Φ =

λa sin Θ . (6.84)

Die Amplitude A0 resultiert aus der Addition von M + 1 Einzelamplituden A gemaß demZeigerdiagramm wie in Abbildung 6.55 veranschaulicht

A0 = 2 r sin

(

Φ

2

)

. (6.85)

Fur den Winkel Θ = 0 ist Amax = A0(Θ = 0) = M A. Die Amplituden der einzelnenQuellen sind unabhangig von der Beobachtungsrichtung. Deshalb ist auch die BogenlangeAmax = M A = rΦ. Wir losen nach r auf und setzen in Gleichung 6.85 ein:

A0 = 2Amax

Φsin

(

Φ

2

)

=Amax

Φ/2sin

(

Φ

2

)

. (6.86)

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6.6. WELLENOPTIK 53

Es war die Intensitat I ∼ A20 und I0 ∼ A2

max und somit ist die Intensitatsverteilung amEinzelspalt

BeispieltextBeispieltextBeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.87)

Abbildung 6.56: Intensitatsverteilung bei der Beugung am Einzelspalt als Funktion des Winkels.

Setzt man fur den Phasenunterschied Gleichung 6.84 ein, ergibt sich

I = I0

sin

(

π a sin Θ

λ

)

π a sin Θ

λ

2

. (6.88)

Durch Einfuhren der Spaltinterferenzfunktion

sinc(β) =sin β

β(6.89)

vereinfacht sich der Ausdruck zu

I = I0 sinc2

(

π a sin Θ

λ

)

. (6.90)

Je hoher die Ordnung der (Neben-)Maxima ist, desto dunkler werden sie, weil einkleineres Teilbundel fur die Resthelligkeit verantwortlich ist.

Fur Θ = 0 , also in der Mitte, herrscht konstruktive Interferenz und wir erhalten dasHauptmaximum. Haben die Randstrahlen beispielsweise den Gangunterschied ∆r = λ, so

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6.6. WELLENOPTIK 54

Abbildung 6.57: Die Aufteilung in verschieden viele Teilbundel fuhrt zu einer abnehmendenIntensitat bei den nicht destruktiv interferierten Restbundel fur hohere Ordnungen.

konnen wir den Spalt in zwei Halften aufspalten. Zu jeder Elementarwelle aus der oberenHalfte findet sich eine zweite in der unteren Halfte, die zur ersten einen Gangunterschiedvon ∆r = λ/2 hat und destruktive Interferenz ergibt. Entsprechend ist der Trick zurBestimmung der Minima die Aufteilung des Spalts in M Intervalle, wobei sich das Lichtaus jeweils benachbarten Intervallen ausloscht. Es ist

∆r =a sin Θ

M. (6.91)

Abbildung 6.58: Trick zur Bestimmung der Minima ist die Aufteilung in Intervalle mit denzugehorigen Elementarwellen.

Fur Minima giltM λ = a sin Θ (6.92)

mit M = ±1,±2,±3.... Das Hauptmaximum liegt zentral bei Θm=0. Die Nebenmaximasind nicht exakt in der Mitte zwischen benachbarten Minima. Ihre Lage folgt der Bedingung

d

(

sin β

β

)

=β cos β − sin β

β2(6.93)

mit β = Φ/2 und Φ als gesamter Phasenunterschied zwischen den Wellen vom oberen undunteren Ende des Spalts.

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6.6. WELLENOPTIK 55

6.6.4 Der reale Doppelspalt

Ohne die Idealisierung punktformiger Spalte verandert sich auch die Intensitatsverteilungam Doppelspalt gegenuber dem vorangegangenen Abschnitt. Wir betrachten zwei Spal-te der Breite a mit Abstand d. Es folgt die Interferenz und das Beugungsmuster vonDoppelspalt und Spaltgroße als Produkt

BeispieltextBeispieltextBeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.94)

Darin ist Φ die Phasendifferenz zwischen den Wellen vom oberen und unteren Endeeines Spalts. Sie hangt von der Breite a des einzelnen Spalts ab und es gilt

Φ =2π

λa sin Θ . (6.95)

δ ist die Phasendifferenz zwischen Wellen aus der Mitte zweier benachbarter Spalte. Siehangt vom Abstand der Spalte d ab und es ist

δ =2π

λd sin Θ . (6.96)

Fur die Bedingung a < d liefert der Einzelspalt die Einhullende fur die Interferenz desDoppelspalts.

Abbildung 6.59: links: realer Doppelspalt mit a < d. rechts: Intensitatsverteilung bei der Beu-gung am realen Doppelspalt als Funktion des Winkels.

Das Interferenzmuster hangt nicht von der Anzahl oder Gleichzeitigkeit der beteiligtenPhotonen ab. Bei einer langsamen Folge von einzelnen Teilchen baut sich das Interfe-renzmuster langsam auf. Nach dem Detektieren von immer mehr Teilchen sieht man die

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6.6. WELLENOPTIK 56

bekannte Verteilung immer genauer. Bezuglich des Interferenzmusters muss beachtet wer-den, dass die Energie des Lichts nicht reduziert wird. Vielmehr handelt es sich lediglichum eine Umverteilung der Energie (Licht). Die Energie bleibt also erhalten.

Eine Anderung der Spaltbreite a fuhrt zu einer Anderung der Lage der Extrema desEinfachspaltes, dessen Intensitatsverteilung die Hullkurve der Intensitatsverteilung desDoppelspalts bildet (siehe Abbildung 6.60). Je breiter der Spalt ist, desto enger wird dieHullkurve.

Abbildung 6.60: Einfluss der Spaltbreite auf das Interferenzmuster des realen Doppelspalts fureine Wellenlange λ= 553 nm, Spaltabstand d= 124 µm und Spaltbreiten a= 10 µm (links), 25µm (mitte) und 45 µm (rechts).

Eine Anderung des Spaltabstandes d fuhrt zu einer Anderung der Lage der Extremades Doppelspalts innerhalb der konstant bleibenden Hullkurve (siehe Abbildung 6.61). Jegroßer der Spaltabstand ist, desto enger liegen die Extrema des Doppelspalts beieinander.

Abbildung 6.61: Einfluss des Spaltabstandes auf das Interferenzmuster des realen Doppelspaltsfur eine Wellenlange λ= 553 nm, Spaltbreite a= 25 µm und Spaltabstande d= 50 µm (links), 124µm (mitte) und 195 µm (rechts).

Eine Anderung der Wellenlange λ wirkt sich sowohl auf die Hullkurve als auch aufdie Intensitatsverteilung des Doppelspalts aus (siehe Abbildung 6.62). Je großer die Wel-

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6.6. WELLENOPTIK 57

lenlange ist, desto breiter werden die Hullkurve und die Interferenzabstande des Doppel-spalts.

Abbildung 6.62: Einfluss der Wellenlange auf das Interferenzmuster des realen Doppelspaltsfur einen Spaltabstand d= 124 µm, Spaltbreite a= 25 µm und Wellenlangen λ= 409 nm (links),553 nm (mitte) und 695 nm (rechts).

6.6.5 Mehrfachspalte

Bei einer Spaltanzahl N , die großer als 2 (Doppelspalt) ist, spricht man von einem Mehr-fachspalt, oder bei einem sehr großen Wert von N auch von einem Gitter. Das einfachsteBeispiel fur einen Mehrfachspalt ist der Dreifachspalt. Der Dreifachspalt kann als Doppel-spalt mit einem zusatzlichen dritten Spalt, ebenfalls im Abstand d, verstanden werden.

Abbildung 6.63: links: realer Dreifachspalt mit a < d. rechts: Intensitatsverteilung bei derBeugung am realen Dreifachspalt als Funktion des Winkels.

An Orten, an denen zuvor Intensitatsmaxima des Dopppelspalts lagen, hat der erstezum zweiten Wellenzug einen Gangunterschied einer ganzzahligen Wellenlange (Phasen-differenz 0 oder 2π) , ebenso wie der zweite zum dritten. Alle drei Wellenzuge sind also inPhase und interferieren konstruktiv. Entsprechend sind an diesem betrachteten Orten bei

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6.6. WELLENOPTIK 58

einem Dreifachspalt nach wie vor Maxima der Intensitat mit

mλ = d sin(Θ) (6.97)

fur m = 0,±1,±2,±3, ....Ist A0 die Amplitude eines einzelnen Wellenzuges mit zugehoriger Intensitat I0, so

ergibt sich die Intensitat der neuen Maxima zu

(3A0)2 = 9 I0 . (6.98)

Zum Vergleich: Die Maxima des Doppelspalts hatten eine Intensitat von (2A0)2 = 4 I0.

Da die Maxima sozusagen ihren Ort auf dem Schirm beibehalten und gleichzeitig maximalmogliche Intensitat besitzen, nennt man sie in diesem Zusammenhang auch Hauptmaxi-ma n-ter Ordnung. Desweiteren treten zwischen den Hauptmaxima Resthelligkeiten, sogenannte Nebenmaxima auf.

Abbildung 6.64: Vergleich von Doppelspalt (N=2) und Mehrfachspalten (N=4, 8), links: DerEinzelspalt ist so eng, dass von ihm Elementarwellen ausgehen. rechts: Die Breite a der Spalteist nicht zu vernachlassigen.

Die Gesamtintensitat ist ein Produkt aus der Spaltfunktion und der Gitterfunktion

I = I0

sin

(

π a sin Θ

λ

)

π a sin Θ

λ

2

sin

(

Nπ d sin Θ

λ

)

sin

(

π d sin Θ

λ

)

2

. (6.99)

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6.6. WELLENOPTIK 59

Ist die Spaltbreite a zu vernachlassigen, so ist die Gesamtintensitat nur durch die Gitter-funktion beschrieben und es ist

I = I0

sin

(

Nπ d sin Θ

λ

)

sin

(

π d sin Θ

λ

)

2

. (6.100)

Bei steigender Spaltzahl N wachst die Intensitat der Hauptmaxima quadratisch mitN , ihre Positionen auf dem Sichtschirm bleiben unabhangig von N . Die Hauptmaximabefinden sich also an den Positionen der Maxima des Doppelspalts. Dagegen ruckt dasjeweils erste Minimum neben einem Hauptmaximum mit steigender Spaltanzahl N zumZentrum hin naher an dieses Hauptmaximum heran. War beim Doppelspalt das ersteMinimum bei einer Phasendifferenz von π zwischen den Wellenzugen zu beobachten, sotritt es beim Dreifachspalt schon bei einer relativen Phasendifferenz von 2π/3 auf. Dieseentspricht einem kleineren Gangunterschied und damit auch einem geringeren (Winkel-)Abstand zum jeweiligen Hauptmaximum. Die Hauptmaxima werden also mit steigenderSpaltanzahl N zunehmend scharfer durch die ersten Minima neben diesen eingegrenzt.

Abbildung 6.65: Intensitat am Mehrfachspalt aus Zeigeraddition fur verschiedene Phasenun-terschiede von einem Spalt zum nachsten ∆ϕ : a) Hauptmaximum ∆ϕ = 2π b) Nebenmaximum∆ϕ = π c) Nullstelle ∆ϕ = 2/3π d) beliebig ∆ϕ = 5/6π. e) Von oben nach unten Ubergang vomEinzelspalt zu Mehrfachspalten, die als Vorstufe des Gitters verstanden werden konnen.

Die Lage der Maxima und der Nullstellen lasst sich mit der Zeigeraddition verstehen(siehe Abbildung 6.65):

• Hauptmaxima ergeben sich immer dann, wenn alle Zeiger parallel liegen. Das ist derFall, wenn ∆ϕ = m 2π ist, also fur ∆r = mλ.

• Nullstellen ergeben sich genau dann, wenn die N Zeiger ein geschlossenes Polygonbilden, d.h. wenn N ∆ϕ = m 2π ist. Dann ist ∆r = m/N λ fur m = 1, 2, ..., N − 1.

Zwischen zwei Hauptmaxima liegen N − 2 Nebenmaxima und N − 1 Minima.

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6.6. WELLENOPTIK 60

6.6.6 Das optische (Strich-)Gitter

Optische Gitter, auch Beugungsgitter genannt, bestehen aus einer großen Zahl von Langs-strukturen in gleichmaßigem Abstand:

• Spalte in intransparentem Material oder Striche auf einer transparenten Platte (Draht-, Spalt- oder Strichgitter)

• Graben oder Rillen auf einer reflektierenden Flache (Reflexionsgitter)

Versuch # 3210: Strichgitter und KreuzgitterIn den Strahl eines He-Ne-Lasers werden Strichgitter mit drei verschiedenen Strichdich-

ten und ein Kreuzgitter gebracht. Die Beugungsbilder erscheinen groß an der Horsaalleinwand.Durch Verdrehen der Gitter kann man auch noch die scheinbare Gitterkonstante andern.

Die Gitterkonstante g bezeichnet den Abstand der Spalte (z.B.: 10000 Linien pro cm→ g = 1 cm/10000 = 1µm).

Ein optisches Gitter bewirkt das gleiche wie ein Mehrfachspalt mit einer sehr großenSpaltanzahl N . Bei einem Gitter mit M Linien setzt sich das Beugungsmuster aus demMuster des Einzelspalts multipliziert mit dem Beugungsmuster des Gitters zusammen:

I = I0

sin

(

π a sin Θ

λ

)

π a sin Θ

λ

2

sin

(

Mπ d sin Θ

λ

)

sin

(

π d sin Θ

λ

)

2

. (6.101)

Abbildung 6.66: Intensitatsverteilung bei der Beugung am Gitter als Funktion der Hauptmaxi-ma.

Es entstehen Haupt- und Nebenmaxima. Hauptmaxima treten unter den Winkeln Θm

auf und es gilt

BeispieltextBeispieltext

(6.102)

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6.6. WELLENOPTIK 61

mit m = 0,±1,±2,±3.... Zwischen 2 Hauptmaxima liegen M − 2 Nebenmaxima undM−1 Minima. Die Lage eines Interferenzmaximums hangt nicht von der Anzahl der Spalte(also Quellen) ab.

Es werden die beim Gitter auftretenden Hauptmaxima bei steigender Spaltanzahl zu-nehmend intensiver und scharfer, wahrend die Intensitat der Nebenmaxima schnell ab-nimmt.

Naturlich lassen sich nicht Maxima beliebig hoher Ordnung auf dem Sichtschirm be-obachten, da in der obigen Bedingung an die Interferenzmaxima stets die Bedingungsin(Θm) ≤ 1 gilt, woraus m ≤ g/λ folgt. Es existiert also eine maximale Ordnung mmax,bis zu welcher die Interferenzmaxima sichtbar sind.

6.6.7 Reflektionsgitter

Neben den bisher betrachteten Transmissionsgittern gibt es auch Reflektionsgitter (sieheAbbildung 6.67).

Abbildung 6.67: links: Transmissionsgitter und rechts: Reflektionsgitter

Fur einfallendes Licht gilt das Reflektionsgesetz Θ = Θm=0. Dies reflektierte Lichtentspricht der 0−ten Ordnung. Zusatzlich entstehen wie beim (Transmissions-)Gitter Beu-gungsmaxima unter den Winkeln Θm mit

BeispieltextBeispieltext

(6.103)

und m = 0,±1,±2,±3.... Erneut liegen zwischen zwei Hauptmaxima M −2 Nebenma-xima und M − 1 Minima.

Spezialfall: Bei einem senkrechten Lichteinfall auf das Gitter ist Θ = 0 und sin(Θ) = 0.Folglich gilt

mλ = g sin(Θm) (6.104)

mit m = 0,±1,±2,±3..., aber wegen sin(Θm) = − sin(−Θm) ist die Numerierung der Beu-gungsordnungen ist gegenuber dem Transmissionsgitter vertauscht (siehe Abbildung 6.67).

Beispiele fur eine wichtige Anwendungen von Reflektionsgittern sind die CD-ROM oderdie DVD. Bei der Betrachtung einer CD-ROM oder DVD fallt auf, dass sie einfallendes

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6.6. WELLENOPTIK 62

Licht spektral zerlegt. Ihre Oberflache enthalt winzige Rillen, die ein Reflexionsgitter bil-den.

Abbildung 6.68: links: Reflektionsgitter bei senkrechtem Lichteinfall und rechts: CD oder DVDals Reflektionsgitter

Wird das Licht eines Lasers (Wellenlange λ= 633 nm) senkrecht auf eine CD gerichtet,so sind in Reflektion Interferenzmaxima zu beobachten. Das Interferenzmaximum zweiterOrdnung tritt dann gerade unter einem Winkel von ±37, 7o bezuglich der Rillenebene derCD auf.

CD-ROM

Eine CD-ROM besteht aus einem Kunststofftragermaterial (aus Polycarbonat) mit Alu-miniumbeschichtung. Die digitale Information wird auf einer spiralformigen Spur aufge-bracht. Die Spiralspur hat etwa eine Lange von 6 km. Es werden stellenweise Vertiefungenin die Beschichtung gepresst, so genannte Pits. Diese reflektieren etwas fruher als die un-beschadigten reflektierenden Stellen, die Lands genannt werden, da die CD-ROM von derOberseite gepresst wird und von der Unterseite gelesen wird. Somit sind die Pits von derLese-Seite nicht als Vertiefungen sichtbar, sondern als Hugel. Die Ubergange von Land zuPit, und umgekehrt, reflektieren das Licht nicht. Beim Lesen tastet ein schwacher Laser-strahl die gespeicherte Information ab.

Abbildung 6.69: links: Mikroskopaufnahme einer CD-ROM rechts: Rasterkraftmikroskopieauf-nahme einer CD-ROM.

Bei einer CD-ROM betragt ein nominaler Track-Abstand 1,6µm und es wird typischer-weise mit einer Laserwellenlange von 780 nm gearbeitet.

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6.6. WELLENOPTIK 63

DVD

Im Vergleich zu den CDs wird bei DVDs mit Lasern kurzerer Wellenlange gearbeitet (650nm), und wegen der gleichzeitig kurzeren Strahlengange der Fokussierungsoptiken resultie-ren daraus kleinere Laserspots, mit denen in den Datentragerschichten entsprechend klei-nere Strukturen gelesen und geschrieben werden konnen. Der Trackabstand fur die DVDwurde um mehr als die Halfte auf 0,74 µm verringert, die minimale Pit-Lange schrumpftevon 0,9 µm auf 0,4 µm. Es gibt verschiedene Speichervarianten.

Abbildung 6.70: Unterschiedliche DVD-Speichervarianten im Querschnitt: Jeweils zwei Halb-disks von 0,6 mm Dicke sind zu einer DVD zusammengeklebt. Diese Halbdisks konnen einschichtigoder zweischichtig sein.

Blu-ray Disc

Der Name bezieht sich auf den violetten Lichtstrahl des verwendeten Lasers (405 nm).Durch die Verringerung des Laserspots von 1,3 µm bei einer DVD auf 0.6 µm bei einerBlu-ray Disc wird eine großere Speicherkapazitat erreicht. Bei einem Durchmesser von 12cm fasst eine Scheibe mit einer Lage bis zu 25 GB und mit zwei Lagen bis zu 50 GB anDaten.

6.6.8 Interferenz an dunnen Schichten

Licht fallt auf eine dunne Platte der Dicke d mit dem Brechungsindex n. Der Einfallswinkelzum Lot gemessen ist ε. Der Lichtstrahl wird teilweise reflektiert, teilweise gebrochen undreflektiert und es kommt zur Interferenz zwischen beiden Strahlen. Zur Bestimmung desGangunterschieds zwischen dem reflektierten und dem zuerst gebrochenen und danachreflektierten Strahl benutzen wir die parallele Wellenfront bei den Punkten C und P (sieheAbbildung 6.71).

Der Gangunterschied ist

∆ = n(

AB + BC)

− AP . (6.105)

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6.6. WELLENOPTIK 64

Abbildung 6.71: Interferenz an dunnen Schichten mit den Brechungsindices n und n′ umgebenvon Luft.

Geometrisch gilt fur die rechtwinkligen Dreiecke

AB =d

cos ε′(6.106)

AP = AC sin ε (6.107)

undAC

2= DB = d tan ε′ . (6.108)

Also

AC = 2d tan ε′ (6.109)

und entsprechend folgt mit AB = BC

∆ = 2d( n

cos ε′− sin ε tan ε′

)

=2d

cos ε′(n − sin ε sin ε′) . (6.110)

Das Brechungsgesetz liefertsinε

sinε′=

n

1(6.111)

und außerdem gilt

cos ε′ =√

1 − sin2 ε′ =

1 − sin2 ε

n2=

1

n

n2 − sin2 ε . (6.112)

Eingesetzt in den Gangunterschied erhalten wir damit

∆ =2dn

n2 − sin2 ε

(

n− sin2 ε

n

)

(6.113)

und schließlich

BeispieltextBeispieltext

. (6.114)

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6.6. WELLENOPTIK 65

Bei Reflektion am dichteren Medium tritt ein zusatzlicher Phasensprung von π auf (sie-he Abschnitt uber Reflektion vonWellen). Dieser Phasensprung entspricht einem zusatzlichenGangunterschied von λ/2. Fur den Strahl 1 aus Abbildung 6.71 (einfallender Strahl) be-deutet Reflektion am dichteren Medium, dass die Bedingung n > 1 erfullt sein muss undfur den Strahl 2 entsprechend n′ > n.

Fur den Einfall der Lichtwelle aus Luft auf eine Schicht ist immer die Bedingung n > 1erfullt und die Phase von Strahl 1 (an oberen Grenzflache reflektiert) wird um π gedreht.Ist zusatzlich n′ > n fur den gebrochenen Strahl erfullt, so wird auch die Phase von Strahl2 um π gedreht und es folgt fur den Gangunterschied

∆ = 2d√

n2 − sin2 ε . (6.115)

Ist hingegen n′ < n oder gar n′ = 1, was einer dunnen Schicht entspricht, so ist

∆ = 2d√

n2 − sin2 ε− λ

2. (6.116)

Die Interferenzbedingung fur eine dunne Schicht (oder allgemeiner n′ < n) ist also:

• Verstarkung (Helligkeit) fur m = 0,±1,±2,... und

(m+ 1/2) λ = 2d√

n2 − sin2 ε . (6.117)

• Ausloschung (Dunkelheit) fur m = 0,±1,±2,... und

(m+ 1) λ = 2d√

n2 − sin2 ε . (6.118)

Die Interferenz an dunnen Schichten erklart die Farben dunner Blattchen: Dunne Schich-ten wie Seifenfilme, Olfilme auf Wasser oder Aufdampfschichten zeigen bei Beleuchtungmit weißem Licht Farben aufgrund von Interferenz.

Beispiel: Ein Seifenfilm (Brechungsindex n = 1.33) mit der Dicke von d = 350 nm wirdmit weißem Licht senkrecht beleuchtet. Es wird also Licht, das der Bedingung

λ =2dn

m+ 1/2=

931 nm

m+ 1/2(6.119)

fur die Wellenlange genugt, reflektiert. Von den Wellenlangen, die diese Voraussetzungerfullen (m = 0: λ= 1862 nm, m = 1: λ= 621 nm, m = 2: λ= 372 nm, m = 3: λ= 266 nm,usw.), liegt nur λ= 621 nm im sichtbaren Bereich und der Film erscheint folglich rot.

Versuch # 3148: Glanzende ReflexionEine Glasplatte mit den Buchstaben B (blau), G (grun) und R (rot) wird uber eine 12

V Halogenlampe und einer Mattscheibe beleuchtet. Die Glasplatte wird im spitzen Winkelmit der Kamera betrachtet. In der glanzenden Reflexion erscheint nun das B rot, das Gblau und das R gelb; sprich in der Interferenzfarbe. Die Interferenzfarbe ist abhangig vonder Schichtdicke der Farbpigmente, des Hintergrundes und der Grundfarbe. Dreht man dieGlasplatte etwas und stellt ein weißes Blatt Papier dahinter, so erscheinen die Buchstabenwieder in ihren tatsachlichen Farben.

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6.6. WELLENOPTIK 66

Entspiegeln von Linsen

Ein Beispiel fur die Anwendung der destruktiven Interferenz zur Verringerung von Re-flexionen ist das Entspiegeln von Linsen. Wir betrachten hierzu eine Anordnung mitn1 < n2 < n3 was zu einem Phasensprung fur die Strahlen r1 und r2 fuhrt. Der Gangun-terschied bei senkrechtem Einfall des Lichts ist

∆ = 2dn2

n1. (6.120)

Abbildung 6.72: Interferenz an dunnen Schichten zur Entspiegelung von Linsen

Da zur Ausloschung ∆ = (2m + 1)λ/2 erfullt sein muss, ist die dunnste Schicht, diekeine Reflektion aufweist (bei m = 0)

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (6.121)

Der Effekt der Entspiegelung (λ/4-Entspiegelung) ist also abhangig von der Wellenlange.Entspiegelte Linsen erscheinen leicht farbig (rotlich oder violett). Eine Verbesserung derEntspiegelung ist durch mehrere Schichten zu erreichen.Versuch # 3175: Vergutete Glasscheibe

Eine Glasscheibe (5 cm x 5 cm) ist zur Halfte mit einem Antireflexionsbelag bedeckt.Wir beleuchten sie mit einer Halogenlampe etwas schrag, so dass auf der Leinwand sowohlder durchgehende als auch der reflektierte Strahl zu sehen sind. Besonders in Reflexionwird der Helligkeitsunterschied zwischen der verguteten und der nicht verguteten Halfteder Scheibe deutlich.

Interferenz an keilformigen, dunnen Schichten

Wieder wollen wir zunachst monochromatisches Licht (Wellenlange λ fest) betrachten, dasauf eine dunne, keilformige Schicht (Keilwinkel ν, Brechzahl n) fallt, die von Luft (Brech-zahl n = 1) umgeben sein soll.

Der unter dem festen Winkel ε auf die keilformige Schicht treffende Strahl a wirdim Punkt A mit Phasensprung reflektiert. Wir betrachten nun einen Strahl b, der unter

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6.6. WELLENOPTIK 67

gleichem Einfallswinkel wie Strahl a im Punkt B auf den Keil trifft, aber so, dass ernach zweimaliger Brechung und Reflexion im Punkt C an der Schichtunterseite ebenfallsim Punkt A austritt. Somit interferieren die Strahlen a und b im Punkt A. Fur sehrkleine Keilwinkel ν konnen wir die optische Weglangendifferenz aus der zuvor fur denplanparallelen Fall hergeleiteten Formel berechnen:

∆ = 2d√

n2 − sin2 ε− λ

2. (6.122)

Durch den sehr kleinen Keilwinkels ν kann der Abstand zwischen den Punkten A undB als konstant betrachtet werden. Somit ist es nur die Dicke d an einer betrachtetenStelle, die eine Weglangendifferenz hervorruft. Es werden also bei einem gleichmaßig dickerwerdenden Keil Interferenzstreifen sichtbar, die parallel zur Keilkante verlaufen und alsKurven gleicher Dicke bezeichnet werden (siehe Abbildung 6.73).

Abbildung 6.73: links: Geometrie am einem Keil mit dem Brechungsindex n, rechts: Strei-fenformige Anordnung der Interferenzmaxima und Minima

Betrachten wir zwei nebeneinander liegende, dunkle Linien destruktiver Interferenz derOrdnungen k und k+1. Deren optische Weglangendifferenzen betragen ∆k = (2k+1)λ/2und ∆k+1 = (2k + 3)λ/2. Der Unterschied der optischen Wegdifferenzen zwischen diesenbeiden Stellen mit den Dicken dk und dk+1 betragt also eine Wellenlange λ, weswegen furdie Dickenzunahme des Keils

dk+1 − dk =∆k+1 −∆k

2√

n2 − sin2 ε=

λ

2√

n2 − sin2 ε(6.123)

folgt. Sei nun D der Abstand zweier solcher Interferenzminima. Dann nimmt die Dicke desKeils von einem zum nachsten Streifen um

dk+1 − dk = D sin ν (6.124)

zu. Somit finden wir fur den Streifenabstand zweier Interferenzminima

D =λ

2 sin ν√

n2 − sin2 ε(6.125)

Versuch # 3160: Interferenz am Doppelspiegel nach FresnelDer von einer Bogenlampe beleuchtete Spalt erzeugt ein schmales Lichtbundel, das von

zwei wenig gegeneinander geneigten Spiegeln so auf die Leinwand geworfen wird, dass sichdie beiden Teilbundel noch uberlappen. Hat man den Spalt gut parallel zu den Spiegelebe-nen eingestellt, sieht man bunte Interferenzstreifen auf der Leinwand, die man problemlos

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6.6. WELLENOPTIK 68

uber die Fernsehanlage projizieren kann.

Sichtbar werden solche Interferenzen an dunnen, durchsichtigen (und naturlich keil-formigen) Schichten, z.B. an schrag eingespannten Seifenlamellen. Aufgrund der Schwer-kraft ist die Lamelle an ihrem tiefstgelegensten Punkt am dicksten und wird nach obenhin zunehmend dunner. Dabei sinkt solange Wasser ab, bis sie schließlich zerreißt. Un-ter weißem Licht betrachtet ergeben sich verschiedenfarbige Streifensysteme der einzelnenWellenlangen, die sich uberlappen.

Abbildung 6.74: Bei senkrechter Anordnung hat die Seifenlamelle einen keilformigen Quer-schnitt. Aufgrund der Schwerkraft wird die Flussigkeitsschicht nach unten hin dicker.

Newtonsche Ringe

Eine Plankonvexlinse mit großem Krummungsradius R liegt mit der gekrummten Flacheauf einer ebenen Glasplatte. Wird monochromatisches Licht von oben senkrecht auf dieVersuchsanordnung gestrahlt, erscheinen in Reflektion durch konstruktive und destruk-tive Interferenz abwechselnd helle und dunkle konzentrische Kreise, deren Zentren imBeruhrungspunkt der Linse mit der Glasplatte liegen.

Versuch # 3170: Newton’sche RingeDas Demonstrationsgerat besteht aus einem Rahmen, in dem eine plankonvexe Glasp-

latte mit der gewolbten Seite gegen eine planparallele Platte montiert ist, wobei man denAuflagedruck mittels dreier Schrauben verandern kann. Die entstehenden Interferenzrin-ge werden in Reflexion beobachtet. Ein Blau/Rot Wechselfilter wird in den Strahlenganggebracht, dieser zeigt die Abhangigkeit der Ringdurchmesser von der Wellenlange. Wirprojizieren das reflektierte Bild.

Es interferieren Lichtwellen, die an der Grenzflache beim Ubergang von der Linse indie Luft reflektiert werden, mit denjenigen, die an der Grenzflache beim Ubergang von derLuft in die Glasplatte reflektiert werden. Der Gangunterschied ist an einer Stelle, an der

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6.6. WELLENOPTIK 69

der Abstand zwischen Linse und Glasplatte (Luftspalt) d ist,

∆r = 2d− λ/2 , (6.126)

weil ein Strahl am optisch dichteren Medium (Platte) reflektiert wird und einen Phasen-sprung erleidet.

Abbildung 6.75: Seitenansicht zum Aufbau fur die Beobachtung von Newtonschen Ringen.

Die Radien der hellen und dunklen Interferenzringe rm (vom Zentrum aus derm-te helleund dunkle Kreis) sind mit der Dicke des Luftspaltes dm an diesem Radius geometrischverknupft. Nach dem Hohensatz ist

r2m = dm(2R − dm) (6.127)

und es ist dm ≪ R. Damit folgt

r2m = dm 2R und dm =r2m2R

(6.128)

und eingesetzt in die Interferenzbedingungen fur Maxima (konstruktive Interferenz ergibthelle Ringe) und Minima (destruktive Interferenz ergibt dunkle Ringe) ergibt sich fur dieRadien dunkler Ringe

rm =√mλR (6.129)

und heller Ringerm =

(m+ 1/2) λR (6.130)

mit m = 0, 1, 2, 3.... Die Symmetrie ergibt sich aus der Form der Linse als Kugelsegment(um die Achse AM rotationssymmetrisch, siehe Abbildung 6.75) und bedingt die Symme-trie der Interferenzminima bzw. Interferenzmaxima (Kreisringe).

Wird weißes Licht verwendet, entstehen bunte Ringe, weil die einzelnen Farben wegenihrer unterschiedlichen Wellenlangen bei verschiedenen Radien ausgeloscht werden. DieKomplementarfarbe ist an der Stelle sichtbar.

Anwendung: Mit Newtonschen Ringen konnen Unebenheiten im Nanometerbereichentdeckt werden, da schon kleinste Unebenheiten einer Oberflache (Abweichungen derGlasplatte) die Newtonschen Ringe storen. Es konnen so kleinste Materialschaden nach-gewiesen werden. So wird die Oberflachenprufung von Linsen mit Genauigkeit von Bruch-teilen der Wellenlange mittels Newtonscher Ringe ausgefuhrt.

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6.6. WELLENOPTIK 70

Abbildung 6.76: Kleinste Unebenheiten fuhren zu einer gut sichtbaren Storung der Ringformbei Newtonschen Ringen.

6.6.9 Auflosungsvermogen

Eine Lochblende kann als kreisformiger Spalt verstanden werden, der nicht mehr unendlichlang ist, sondern einen Durchmesser d aufweist. Die Berechnung des Interferenzmustersist fur Lochblenden komplizierter und fuhrt auf sogenannte Besselfunktionen. Das ersteMinimum, also der erste dunkle Ring erscheint ungefahr unter dem Winkel α1 mit

sinα1 ≈ 1, 22 λ /d (6.131)

Der Begriff Auflosungsvermogen bezeichnet die Unterscheidbarkeit feiner Strukturen,also den kleinsten noch wahrnehmbaren Abstand zweier Punkte. Durch die Angabe einesWinkelabstandes oder durch die Angabe des Abstandes gerade noch trennbarer Strukturenlasst es sich quantifizieren.

Bei der Abbildung zweier dicht benachbarter Objekte durch eine Blende uberlagernsich die Beugungsbilder. Es sein der Winkel δ die Differenz der Sichtwinkel von der Blendeaus gesehen.

Abbildung 6.77: von links nach rechts: d = 1, 25 δmin, d = 1, 00 δmin, d = 0, 75 δmin undd = 0, 50 δmin

Das resultierende Gesamtbild kann als verbeultes Scheibchen mit kleinem Buckel be-schrieben werden. Das praktische Kriterium geht auf Lord Rayleigh zuruck: Zwei dicht

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6.6. WELLENOPTIK 71

benachbarte Objekte sind nur dann als zwei Punkte erkennbar, also auflosbar, wenn daserste Beugungsminimum der einen Quelle nicht das zentrale Maximum der anderen Quelleerreicht. Diese Bedingung ist erfullt fur

BeispieltextBeispieltext

. (6.132)

In Abbildung 6.77 erfullt also nur das erste Beispiel (linke Grafik) das Rayleigh Krite-rium.

Versuch # 3160: Auflosungsvermogen eines GittersDie Versuchsanordnung besteht aus einem aus einzelnen Teilen zusammengestellten

Prismenspektrographen, der einen zusatzlichen Spalt enthalt, mit dem sich die Ausleuch-tung des Gitters (1016 Striche pro mm) verandern lasst. Wir beleuchten ihn mit der Natri-umdampflampe und sehen ihn uns mit der Fernsehkamera und Nahlinse das Na-D-LinienDublett an. Man sieht je nach Ausleuchtung des Gitters die Doppellinie sauber getrenntoder verwaschen ineinander ubergehen.

6.6.10 Holografie

Bei der Schwarzweißfotografie wird lediglich die Intensitat des einfallenden Lichtes auf demFilm gespeichert. Bei der Farbfotografie nimmt man zusatzlich noch die Farbe, also dieFrequenz des Lichtes auf. Bei der Holografie werden nun die Phase und die Intensitat ge-speichert. Dies geschieht mit Hilfe der Interferenz.

Wahrend Hologramme im Alltag vor allem mit Kunstobjekten oder den Kennzeichnun-gen auf Chequekarten und Geldscheinen in Verbindung gebracht werden (wobei letzterekeine Hologramme im eigentlichen Sinne sind, aber auf dem Prinzip der Holographie beru-hen), liegt die enorme Bedeutung der Holographie heute in wissenschaftlich-technischenAnwendungen (holographische Interferometrie, holographische optische Elemente). DieNutzung zur Datenspeicherung ist wegen der Packungsdichte und der Unempfindlichkeitgegen mechanische Zerstorung in Entwicklung; die industrielle Umsetzung dieses Daten-speichers scheiterte bisher jedoch am komplizierten Aufnahmesystem und den relativ un-geeigneten holographischen Materialien. Schließlich ist auch die hochauflosende Abbildungkleinster Objekte durch Holographie interessant, weil ein Hologramm keine eingeschrankteScharfentiefe besitzt.

Zur Erzeugung eines Hologramms wird ein Gegenstand mit koharentem Licht (La-serlicht) beleuchtet. Das Laserlicht wird durch einen Strahlungsteiler geteilt. Ein Teil falltuber den Spiegel und die den Strahl aufweitende Linse auf einen Film. Dieser Teil wird alsReferenzwelle bezeichnet. Der andere Teil wird uber einen Spiegel auf den Gegenstand ge-lenkt. Das vom Gegenstand reflektierte Licht, die so genannte Objektwelle oder Signalwelle,gelangt ebenfalls zum Film und uberlagert sich in diesem Bereich mit der Referenzwelle.Auf dem Film entsteht ein Interferenzmuster, in dem Informationen uber die raumlicheLage der einzelnen Gegenstandpunkte gespeichert sind.

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6.6. WELLENOPTIK 72

Wiedergabe eines Hologramms: Wird nun ein Hologramm durch eine Referenz-welle mit koharentem Licht (Laserlicht) bestrahlt, so wird das Licht an dem Interferenz-muster gebeugt. Es entsteht wieder die Original-Signalwelle. Das bedeutet: Hinter demlichtdurchlassigen Hologramm ist ein reelles dreidimensionales Bild des Gegenstandes zubeobachten. Daruber hinaus entsteht auch ein virtuelles Bild auf der anderen Seite desHologramms. Als Beobachter kann man das Bild aus verschiedenen Richtungen betrachtenund gewinnt damit ein raumliches Bild des Gegenstandes.

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Kapitel 7

Elektrodynamik

Die Elektrodynamik beschaftigt sich mit bewegten elektrischen Ladungen und mit zeitlichveranderlichen elektrischen und magnetischen Feldern. Die Elektrostatik als Spezialfall derElektrodynamik beschaftigt sich mit ruhenden elektrischen Ladungen und ihren Feldern.

7.1 Elektrostatik

Die Elektrostatik beschaftigt sich, ahnlich der Statik in der Mechanik, mit Kraften. Sie be-fasst sich mit ruhenden elektrischen Ladungen, Ladungsverteilungen und den elektrischenFeldern geladener Korper.

Die elektrische Ladung Q tritt nur in Vielfachen der Elementarladung e in Erscheinung.Die Einheit der elektrischen Ladung ist 1 C (Coulomb) = 1 As. Die Elementarladungist e = 1, 60217733 · 10−19C. Es gibt also eine kleinste elektrische Ladung. Es ist 1 C =6, 241506 · 1018 e.Es gilt Ladungserhaltung. Gemaß dem Ladungserhaltungssatz ist in einem abgeschlos-senen System die Summe aller Ladungen zeitlich konstant. Ladung kann also weder erzeugtnoch vernichtet werden.

Versuch # 2000: Reibungselektrizitat

Ein Braunsches Elektrometer wird mit einem Plexiglas- bzw. Hartgummistab aufgela-den, den man an Seide bzw. Katzenfell gerieben hat. Die Ladung wird jeweils am Elektro-meter abgestreift.

Ein Korper, mit einer Gesamtladung Null (von beiden Ladungsarten gleich viel), ist nachaußen hin elektrisch neutral. Es gibt also 2 Arten von Ladungen. Wir unterscheiden diesemit dem Vorzeichen (+/−). Dabei bedeutet positiv geladen Elektronenmangel und negativgeladen Elektronenuberschuss.Die Trager der elektrischen Ladung sind negativ geladene Elektronen und Anionen undpositiv geladene Protonen und Kationen.

Versuch # 2005: Abstoßung gleichnamiger, Anziehung ungleichnamiger LadungenZwei mit Silberbronze leitend gemachte Tischtennisballe hangen nebeneinander an je

73

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7.1. ELEKTROSTATIK 74

einem dunnen Metallfaden (Abstand variabel). Die Aufhangungen sind zwar voneinanderisoliert, konnen aber miteinander leitend verbunden werden. Die beiden Balle werden nunmit der Influenzmaschine einmal gleichnamig (Abstoßung), das andere mal ungleichnamigaufgeladen (Anziehung). Im ersten Fall hangt man die Balle eng, im zweiten Fall etwasweiter voneinander entfernt auf. Alternativ zur Influenzmaschine kann man die Balle auchdurch Reibungselektrizitat (Plexiglas und Seide ergibt positive Ladung, Hartgummi undKatzenfell negative Ladung) aufladen.

Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen einander an.Die Kraft, die auf Ladungen gleichen Vorzeichens wirkt, wird als Abstoßung bezeichnet,die Kraft auf Ladungen mit entgegengesetzten Vorzeichen als Anziehung.

7.1.1 Coulomb Gesetz

Elektrische Ladungen erkennt man durch die Kraftwirkung zwischen ihnen. Wie in derMechanik abstrahiert man zunachst die Ladungsverteilung zur Punktladung. Die Kraft Fzwischen zwei Ladungen q1, q2 im Abstand r12 ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.1)

Hierbei ist die Influenzkonstante ε0 = 8, 85× 10−12C2/(Nm2).

Abbildung 7.1: Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen ein-ander an.

Versuch # 2030: Coulombsches GesetzDas Versuchsgerat besteht aus 2 Metallkugeln von 2 cm Durchmesser, wobei eine Kugel

an einer Drehwaage und die andere an einem Stativ mit Skala befestigt ist. Als Messvor-richtung besitzt die Drehwaage einen Spiegel. Ein Laserpunkt wird uber diesen Spiegelauf eine Skala projiziert. Die Kugeln werden (von Kugelmitte zu Kugelmitte gemessen)in einen Abstand von 10 cm gebracht. Zur Nullpunktsfeststellung werden beide Kugeln

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7.1. ELEKTROSTATIK 75

geerdet. Mit einem isoliertem Stab werden die Kugeln uber ein Hochspannungsgerat mitetwa 15 kV aufgeladen. Der Ausschlag der Drehwaage aufgrund der Abstoßung beider Ku-geln stellt sich nach einigen Pendelschwingungen ein. Verschiebt man nun den Abstandder Kugeln auf 14,1 cm, so verringert sich der Ausschlag auf die Halfte. Eine weitere Ver-schiebung auf 20 cm reduziert den Ausschlag wieder auf die Halfte und mit Bezug auf denursprunglichen Wert auf ein Viertel. Man erkennt, dass bei konstanter Ladung die Kraftumgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes ist.

Elektrisches Feld

Die elektrische Feldstarke ist eine vektorielle Große, die den Betrag und die Richtung deran einem Ort wirkenden Kraft auf eine Einheitsladung hat. Es ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.2)

mit der Einheit 1N/C.z.B. im Abstand r zu einer Punktladung Q ergibt sich fur die elektrische Feldstarke

~E =1

4 π ε0

Q

r2~r

r(7.3)

mit~r

rRichtungsvektor der Lange 1.

Feldlinien

Feldlinien zeigen an jedem Ort in die Richtung der von der Feldstarke auf eine positiveLadung ausgeubten Kraft.

Abbildung 7.2: Feldlinien einer positiv geladenen Punktladung: a) Krafte an ausgewahltenPunkten 1 bis 8 und b) zugehoriges Feldlinienbild.

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7.1. ELEKTROSTATIK 76

Versuch # 2040: Elektrische Feldlinien (Grießbilder)In eine flache Glasschale wird eine dunne Schicht Rizinusol gegossen (einige mm). Als

Elektroden dienen runde bzw. stangenformige Messingstucke. Das ganze wird auf einerSchreibprojektion aufgebaut und die Elektroden mit den Polen der Influenzmaschine ver-bunden. Man streut Hartweizengrieß auf die Rizinusoberflache und ladt die Elektrodenauf. Die Grießkorner bilden dann entlang der Feldlinien Ketten. Folgende Anordnungenlassen sich demonstrieren: Monopol, Dipol, Punktladung gegen Platte, Plattenkondensa-tor, Quadrupol.

Man erkennt:

• Feldlinien enden senkrecht auf Oberflachen elektrischer Leiter. Die beweglichen La-dungstrager verschieben sich, bis die tangentialen Komponenten verschwinden.

• Je nach Geometrie der Objekte liegen die Feldlinien unterschiedlich dicht.

• An den Spitzen von Leitern ist ihre Dichte besonders hoch. (Blitzableiter).

• Das Innere eines von einem Leiter umgebenden Hohlraums ist frei von Ladung(Faraday-Kafig). Gleichnamige Ladungen suchen großten Abstand voneinander, des-halb wandern sie auf die Außenseite des Leiters.

Abbildung 7.3: links: Feldlinienbild einer negativen Ladung, rechts: Feldlinienbild einer Anord-nung aus einer negativen und einer positiven Ladung.

Merke:

Positive Ladungen sind also Quellen der Feldlinien und negative Ladun-gen sind entsprechend Senken der Feldlinien.

Faraday-Kafig

Im Inneren eines Leiters, der sich in einem elektrischen Feld befindet, ist die Feldstarkewegen der freien Beweglichkeit der Ladungen Null. Alle Ladungen drangen sich an die

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7.1. ELEKTROSTATIK 77

Oberflache des Leiters. In einem Hohlraum, der von einer Metallhaut umgeben ist (Fara-dayscher Kafig, nach Michael Faraday) ist also die Feldstarke Null, ganz gleich wie dasFeld im Außenraum auch aussehen mag. Das gilt selbst dann noch, wenn die Metallhautnicht allzu große Locher aufweist, also wie unser Modellauto aus Gitterstaben besteht.

Abbildung 7.4: Feldlinienbild fur einen metallischen Leiter in einem Plattenkondensator: Wiebei einem Farady Kafig ist das Innere des Leiters feldlinienfrei.

Versuch # 2070: Faraday Kafig

Ein Automodell aus Drahten mit abnehmbaren Dach wird an der Influenzmaschineaufgeladen. Der Fahrer hat ein Haarbuschel aus Papierstreifen und außen am Fahrzeugsind ebenfalls einige Papierstreifen angebracht. Bei geschlossenem Dach spreizen sich nurdie Papierstreifen am Fahrzeug, die Haare des Fahrers bekommen keine Ladung ab. Bautman jedoch das Fahrzeug zum Cabrio um, indem man das Dach abnimmt, so stellen sichbei erneuter Aufladung auch die Haare des Fahrers auf.

Die Feldstarke sorgt fur Influenzladungen auf der Oberflache des Leiters, so dass dort dieelektrischen Feldlinien beginnen bzw. enden.

Influenz

Bringt man einen Korper in ein elektrisches Feld, so verandert sich seine Ladungsvertei-lung. Dies geschieht, da negative und positive Ladungen durch die Wirkung dieses Feldesin entgegengesetzte Richtungen streben. Die Gesamtladung des Korpers bleibt jedoch kon-stant.

Zwei mit Elektroskopen versehene Metallzylinder werden durch Kontakt (Abb. 7.5 oben)und durch Influenz (Abb. 7.5 unten) aufgeladen. Bis zu Beginn der Trennung der Zylindermuss im Influenzversuch der Stab in der Nahe des Zylinders bleiben, anschließend wirder entfernt. Die Elektroskope auf den getrennten Zylindern zeigen ihre Ladungen an. Bisdahin verlaufen die Versuche gleich. Beim Zusammenfuhren der Zylinder zeigt sich, dassdie Ladungen der mit Influenz geladenen Zylinder unterschiedlichen Vorzeichens sind: Dasgesamte System ist ungeladen.

Influenz bezeichnet die Verlagerung elektrischer Ladungen in einem Korper durch die Ein-wirkung eines elektrischen Feldes.

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7.1. ELEKTROSTATIK 78

Abbildung 7.5: oben: Aufladung durch Kontakt, unten: Aufladung durch Influenz, beim Zusam-menfuhren der Zylinder gilt: Ladungen der mit Influenz geladenen Zylinder haben unterschiedli-ches Vorzeichen und das gesamte System ist ungeladen.

Die Flachenladungsdichte

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.4)

bezeichnet die Ladung Q normiert auf die Flache A.

Versuch # 2060: BandgeneratorVersuchsgerat ist ein Bandgenerator der Firma Leybold (erzielbare Spannung max. 100

kV), meist weniger. Der Maximalwert hangt sehr stark von der Luftfeuchtigkeit ab.). DieKugel des Bandgenerators hat oben ein Loch, in das verschiedene Zubehorteile gestecktwerden konnen. Folgende Versuche konnen ausgefuhrt werden:

1) Ein Buschel aus Papierstreifen wird auf den Generator gesteckt und aufgeladen. DiePapierstreifen spreizen sich weit auseinander.

2) Eine Versuchsperson mit langen, dunnen und glatten Haaren, die frisch gewaschensein mussen, stellt sich auf zwei gut isolierende Glasziegel. Sie nimmt eine kleine Stativstan-ge in die Hand und beruhrt damit die Kugel des Bandgenerators. Wird die Versuchspersonaufgeladen, so strauben sich ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Haare (im Schattender Bogenlampe zeigen). Sollte keine entsprechende Versuchsperson im Horsaal sein, sokann man auch einen Buschel mit langen dunnen Papierstreifen in die Hand nehmen. DerVorgang ist absolut schmerzfrei und gefahrlos, wenn sich die Versuchsperson nach derVorfuhrung mit Hilfe der Stativstange an einer angebrachten Erdung entladt (moglichstschnell), solange sie noch isoliert steht. Unterlasst man dieses, so konnen beim Herab-steigen vom Glasziegel Funken durch die Schuhe schlagen oder an den Fingergelenkenuberspringen. Dies ist zwar ebenfalls ungefahrlich, aber es ist unangenehm.

7.1.2 Gesetz von Gauß

Fur die elektrische Feldstarke kann, wie fur jedes Vektorfeld, der Durchfluss durch eineFlache A mit der Flachennormale d ~A berechnet werden. Dies ergibt den elektrischen

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7.1. ELEKTROSTATIK 79

Fluss

Φ =

A

~E · d ~A . (7.5)

Dabei tragt nur jener elektrische Flussanteil, welcher normal zur Flache A steht, zum elek-trischen Fluss durch die Flache A bei.

Gesetz von Gauß: Die Summe aller elektrischen Flusse uber die geschlossene Ober-flache A eines Volumens ist proportional zur Ladung Q in diesem Volumen, unabhangigvon der speziellen Wahl der Flachen:

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.6)

Ist diese Summe bzw. das Integral ungleich Null, dann befinden sich im umschlossenen Vo-lumen Quellen oder Senken der Feldlinien, also positiver oder negativer Ladungsuberschuss.

Versuch # 2085: Kugel im elektrischen Feld

Zwischen zwei Platten, die sich im Abstand von etwa 10 cm befinden, wird eine lei-tende Kugel (bronzierter Tischtennisball) isoliert aufgehangt. Die beiden Platten werdenan die Influenzmaschine angeschlossen und aufgeladen. Die Kugel bewegt sich zunachstnicht. Lasst man sie jedoch eine der Platten beruhren, so tanzt sie eine Weile zwischen denbeiden Platten hin und her, wobei sie sich dauernd umladt.

Feldstarke einer Punktladung

Zur Berechung der Feldstarke von Punktladungen und kugelsymmetrischen Ladungsanord-nungen wahlen wir eine Kugel als geschlossene Flache A fur die Integration im GaußschenSatz

Φ =

Kugeloberflache

~E · d ~A =Q

ǫ0. (7.7)

Abbildung 7.6: Punktladungen und kugelsymmetrische Ladungsanordnungen: Auch das Feldmuss kugelsymmetrisch sein, steht also uberall senkrecht auf der Kugel.

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7.1. ELEKTROSTATIK 80

Durch die, passend zur Symmetrie gewahlte Integrationsflache vereinfacht sich die Inte-gration und es folgt

Φ = E 4π r2 =Q

ǫ0(7.8)

und schließlich

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.9)

Feldstarke einer geladenen Leiterplatte

Fur eine homogen geladene, unendlich ausgedehnte Platte steht die Feldstarke uberallsenkrecht zur Oberflache der Platte. Wir verwenden dies wieder als Hinweis auf die Sym-metrie fur die Auswahl der Integrationsflache fur den Gaußschen Satz. Wir wahlen Zylinderbeliebiger Große durch die Platte, die mit ihrer Achse parallel zu den Feldlinien orientiertsind.

Abbildung 7.7: Homogen geladene, unendlich ausgedehnte Platte: Symmetrie durch Zylindergegeben.

Φ =

Zylinder

~E · d ~A =

Deckel

~E · d ~A+

Mantel

~E · d ~A+

Boden

~E · d ~A (7.10)

d ~A ⊥ ~E gilt auf der Mantelflache so dass diese Integrale keinen Beitrag liefern (sie sind

gleich null). Im Boden und Deckel gilt d ~A ‖ ~E und es folgt

Φ =

Deckel

~E · d ~A+

Boden

~E · d ~A = 2

Boden

~E · d ~A = 2E A . (7.11)

Damit ist

Φ = 2E A =Q

ε0(7.12)

und

E =Q

2Aε0=

σ

2 ε0(7.13)

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7.1. ELEKTROSTATIK 81

also unabhangig vom Abstand.

Feldstarke im Plattenkondensator

Ein Plattenkondensator besteht aus der Kombination einer negativ mit einer in einembestimmten Abstand parallel dazu montierten positiv aufgeladenen Platte.

Abbildung 7.8: links: Schematische Anordnung eines Plattenkondensators, rechts: Feldlinienbildfur einen Plattenkondensator.

Die Feldstarke der negativ geladenen Platte ist

E =σ

2 ε0

und die Feldstarke der positiv geladenen Platte ist

E =σ

2 ε0

und damit ist die Feldstarke zwischen den Platten gegeben durch die Addition

E =σ

ε0. (7.14)

Bei unendlich ausgedehnten Platten ist außen die Feldstarke exakt null. Fur reale Plat-tenkondensatoren (Platten nicht unendlich ausgedehnt) mussen Randeffekte eventuell mit-berucksichtigt werden (siehe Abbildung 7.8). Bei endlicher Plattengroße gibt es am Randund auf der Außenseite zusatzlich das Streufeld.

7.1.3 Arbeit im elektrischen Feld

Die Verschiebung einer Ladung in einem elektrischen Feld ist mit Arbeit verbunden. Es ist

dW = −~F · d~r = −q ~E · d~r . (7.15)

Demnach ist die Arbeit zur Bewegung der Ladung zwischen zwei Punkten r1 und r2 ineinem ortsabhangigen Feld gegeben durch

W = −r2∫

r1

~F · d~r = −q

r2∫

r1

~E · d~r . (7.16)

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7.1. ELEKTROSTATIK 82

Beispiel: Bewegung einer positiven Ladung q in einem homogenen, konstanten Feld,das z. B. von einer ausgedehnten Leiterplatte erzeugt sei. Bei Bewegung in Richtung derKraft ist die Arbeit negativ, weil sich die Ladung von selbst bewegt, d. h. sie konnte z. B.ein Gewicht anheben, also Arbeit nach außen abgeben.

Abbildung 7.9: Fur die Bewegung der Ladung vom Punkt A zum B wird Arbeit benotigt.

Ist die Feldstarke ortsabhangig, dann wird der Weg in (kleine) Stucke aufgeteilt, entlangdenen die Feldstarke als konstant angenommen werden kann. Die einzelnen Arbeiten aufdiesen Stucken werden schließlich summiert.

7.1.4 Elektrisches Potential und Spannung

Analog zum Potential in der Mechanik wird in der Elektrostatik jedem Punkt im Raum eineskalare Große, sein elektrostatisches Potential ϕ, zugeordnet. Das Potential eines Ortes istdie Arbeit, die man verrichten muss, um eine Ladung vom Betrag 1 von einem Bezugspunktaus, hier aus unendlicher Entfernung, zu diesem Ort zu bringen

ϕ(r) =W

q= −

r∫

~E · d~r . (7.17)

Die Uberfuhrungsarbeit hangt nur von Anfangs- und Endpunkt des Weges ab, sie istunabhangig von der Wahl des Wegs dazwischen. Aquivalent dazu ist die Aussage, dassauf geschlossenen Wegen keine Arbeit zu leisten oder zu gewinnen ist. Je nach Lage derFeldlinien kann zwar auch auf einem Rundweg auf manchen Teilstucken Arbeit zu leistensein, sie wird aber auf anderen Wegstucken wieder gewonnen.

Die Uberfuhrungsarbeit fur die Ladung q ist proportional zur Differenz zwischen denPotentialen an diesen Orten

W = q (ϕ2 − ϕ1) = q U . (7.18)

Die elektrische Spannung ist die Potentialdifferenz zwischen zwei Orten

U = ϕ2 − ϕ1 (7.19)

undU = −E∆r . (7.20)

und hat die Einheit 1 V (Volt) = 1 Nm/C.

Leiter sind Orte gleichen Potentials: Die beweglichen Ladungstrager folgen zunachst denFeldstarken, die bei Potentialdifferenzen auftreten und gleichen diese schließlich aus.

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7.1. ELEKTROSTATIK 83

Potential im Plattenkondensator

Die Platten und alle zu ihnen parallelen Flachen im Zwischenraum sind Flachen gleichenPotentials.

Abbildung 7.10: links: Feldlinien und Spannung an einem Plattenkondensator, rechts: symbo-lisches Schaltbild

Die elektrische Spannung zwischen den Platten (die Feldstarke ist konstant) ist

U = ϕ(0)− ϕ(d) = −d

0

E dx = −E d . (7.21)

Die Spannung an einem Plattenkondensator wachst linear auf demWeg von einer Plattezur anderen

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.22)

Versuch # 2120: Dielektrikum im Feld eines Plattenkondensators

Der Demonstrationskondensator wird mit dem Braunschen Elektrometer verbundenund von der Influenzmaschine mit einem großen Loffel aufgeladen. Der Abstand der Plat-ten wird so eingestellt, dass eine dicke Glasplatte (ca. 3 cm) bequem zwischen die Platteneingebracht werden kann, ohne sie zu beruhren. Die Aufladung wird so weit getrieben, dassdas Braun’sche Elektrometer am leeren Kondensator fast Vollausschlag zeigt. Bringt manjetzt die Glasplatte ein, geht der Ausschlag des Elektrometers fast auf Null zuruck, nimmtman die Glasplatte wieder heraus, ist der alte Ausschlag wieder da. Macht man denselbenVersuch mit einer (dunneren) Aluminiumplatte, dann geht der Ausschlag nur unwesentlichzuruck. Der Versuch lasst sich auch mit einer Holzplatte und einer wassergefullten Kuvettewiederholen (verschiedene Wirkungen).

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7.1. ELEKTROSTATIK 84

Kapazitat

Es ist offensichtlich, dass die Spannungen von den Ladungen abhangen: Ladungen sind dieQuellen der Feldlinien (Gaußscher Satz), die Spannung gibt die Uberfuhrungsarbeit derEinheitsladung im von den Ladungen erzeugten Feld an. Die Spannung ist zur Ladungproportional, unabhangig von der raumlichen Anordnung der Ladung. Es gilt also immer

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.23)

Der Wert der Proportionalitatskonstanten C richtet sich nach der Geometrie der An-ordnung. Die Einheit der Kapazitat ist 1 F (Farad) = 1 Nm/V2.

Fur den Plattenkondensator folgt, bei gleicher Ladung Q

C =Q

U=

ε0A

d(7.24)

und mit Dielektrikum

C = ε0 εrA

d. (7.25)

Abbildung 7.11: εr ist Materialkonstante des Dielektrikums

Das Dielektrikum zwischen den Platten eines Kondensators erhoht dessen Kapazitat.

Schaltungen von Kondensatoren

Werden Kondensatoren parallel geschaltet, dann liegt uber allen Kondensatoren die gleicheSpannung, es addieren sich aber die Ladungen. Bei hintereinander (in Serie) geschaltetenKondensatoren tragt jeder Kondensator die gleiche Ladung, dagegen addieren sich dieSpannungen uber den einzelnen Kondensatoren zur Gesamtspannung.

a) parallel = nebeneinanderEs ist Uges = U1 = U2 und Qges = Q1 +Q2 und Uges Cges = U1 C1 + U2C2 womit folgt

Cges = C1 + C2 . (7.26)

Fur eine Parallelschaltung von i Plattenkondensatoren ist somit

Cges =∑

i

Ci . (7.27)

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7.1. ELEKTROSTATIK 85

Abbildung 7.12: Veranschaulichung der Parallelschaltung von zwei Plattenkondensatoren.

Abbildung 7.13: Veranschaulichung der Reihenschaltung von zwei Plattenkondensatoren.

b) in Reihe = hintereinander

Es ist Qges = Q1 = Q2 und Uges = U1 + U2 undQges

Cges

=Q1

C1

+Q2

C2

womit folgt

1

Cges=

1

C1+

1

C2. (7.28)

Fur eine Reihenschaltung von i Plattenkondensatoren ist somit

1

Cges

=∑

i

1

Ci

. (7.29)

Versuch # 2195: Stromstoß beim Entladen eines KondensatorsEin Kupferdraht (0,2 mm) wird zwischen zwei Isolatoren ausgespannt. Die Kondensa-

toren (40 mF, 2,5 kV) werden von einem Leybold-Hochspannungsnetzgerat aufgeladen unddann mit den Enden des Kupferdrahtes verbunden. Der Draht verdampft mit lautem Knall.

Elektrische Feldenergie

Beim Laden eines Kondensators muss elektrische Ladung entgegen der auf den Plattenentstehenden Spannung auf die Platten transportiert werden. Zur Berechnung die Energieeines geladenen Kondensators geht man von der Spannung aus, die unmittelbar die Arbeitpro Ladung angibt. Weil sich mit zunehmender Ladung auch die Spannung andert, stelltman die Arbeit als Integral der von der Ladung abhangigen Spannung nach der Ladungdar.

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7.2. STROME 86

Zuwachs der Energie bei Zunahme der Ladung

dW = U(Q) dQ =Q

CdQ (7.30)

daraus folgt nach Integration

W =

Q∫

0

q

Cdq =

1

2

Q2

C=

1

2C · U2 =

1

2QU . (7.31)

Mit C =ǫ0A

dund U = E d folgt fur die Energie des geladenen Kondensators

W =1

2C U2 =

ǫ0AdE2

2(7.32)

Merke:

Der Kondensator speichert also Energie!

7.2 Strome

Die Stromstarke ist der Quotient aus Ladungsmenge ∆Q und der Zeit ∆t , in der dieseLadungsmenge durch eine Flache senkrecht zur Flussrichtung fließt

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.33)

und hat die Einheit 1 A (Ampere) = 1 C/s.

Versuch # 2210 Strommessgerate: Hitzdraht-, Weicheisen-, DrehspulinstrumentDie drei Modelle im Plexiglasgehause werden nacheinander auf die Schreibprojektion

gelegt und mit Strom beschickt (Heinzinger - Netzgerat). Die Funktionsweise ist beimWeicheisen und Hitzdrahtinstrument deutlich zu sehen. Zur besseren Veranschaulichungdes Drehspulinstruments haben wir einen Hufeisenmagneten, in dem eine Spule drehbargelagert ist (Schattenprojektion).

Beispiele fur verschiedene Strome:

• Strom beim Zusammenziehen der Muskeln: 15 mA

• Erste Verbrennungen: 800 mA

• Strom in einer Taschenlampe: 200 mA

• Strom in einem Ventilator: 120 mA

• Strom durch eine Gluhbirne: 200 mA bis 1000 mA

• Strom zum Betrieb einer Elektrolokomotive: uber 300 A

• Strom in einem Blitz: ca. 100.000 A

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7.2. STROME 87

Elektrische Leistung

Die elektrische Leistung ist das Produkt aus Stromstarke und Spannung

P = I U . (7.34)

und hat die Einheit 1 W (Watt) = 1 J/s.

Die elektrische Arbeit oder Energie ist damit

W = P t = U I t . (7.35)

mit der Einheit 1 kWh = 3, 6 · 106 J.

Als Beispiel zur Veranschaulichung machen wir uns klar, dass mit 1 kWh Strom 10 lWasser um 86C erwarmt werden konnen.

(1 kcal entspricht 4,1868 kJ, 1 kWh = 3,6 MJ entspricht 3600/4,1686 = 859,84 kcal ≈860 kcal), z.B. jahrlicher Stromverbrauch TV, Audio, Video, PC = 260 kWh

Ohm’sches Gesetz

Bewegen sich die Ladungstrager nicht im Vakuum, sondern in einem Leiter, das ist ein Me-tall oder eine elektrolytisch leitende Flussigkeit, dann werden sie durch Stoße mit anderenTeilchen wie Atomrumpfen und anderen Ladungstragern gebremst. Es wirkt auf sie eineReibungskraft. Analog zur Stokesschen Reibung in der Mechanik stellt sich eine konstanteGeschwindigkeit ein, wenn die Reibungskraft gleich der beschleunigenden Kraft wird. Pro-portional zur Spannung nimmt dann auch die transportierte Ladung pro Zeiteinheit zu.Die Proportionalitatskonstante R ist der elektrische Widerstand des Leiters

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.36)

und die entsprechende Einheit ist 1Ω (Ohm) = 1 V/A.

Abbildung 7.14: Messung der Proportionalitat zwischen Spannung und Strom in einem Strom-kreis mit Widerstand R.

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7.2. STROME 88

Zur Messung des Widerstands muss der Strom gemessen werden, der durch das zumessende Bauteil fließt, und gleichzeitig die uber diesem Bauteil abfallende Spannung. ZurMessung des Stromes I muss der im Stromkreis fließende Strom auch durch das Instrumentfließen. Dieses Instrument soll deshalb einen moglichst geringen Innenwiderstand zeigen.Zur Messung der Spannungsabfalls U muss das Instrument parallel zum Widerstand ge-schaltet werden. Dieses Instrument sollte einen moglichst hohen Innenwiderstand zeigen,damit moglichst wenig Strom parallel zum Widerstand R abfließt.

Bei Leitern mit konstantem Querschnitt A , der Lange l und dem spezifischen Wider-stand ρ (Materialkonstante) ist

R = ρl

A. (7.37)

Der Leitwert ist der Kehrwert des Widerstands

Y =1

R. (7.38)

mit der Einheit 1 S (Siemens) = 1 A/V.

Analogie zwischen dem elektrischen und dem Stromungswiderstand

Analoge mechanische und elektrische Großen zum Widerstand (Rohr der Lange l undRadius r ):

Mechanische Große Elektrische Große

Druck ρ Spannung U

Volumenstrom V elektrischer Strom I

Stromungswiderstand elektrischer Widerstand

R =8 · η · lr4

R =ρ · lπ · r2

Viskositat η spezifischer Widerstand ρ

Beim Vergleich des elektrischen Widerstands mit dem Stromungswiderstand gibt esneben der begrifflichen Identitat aber auch Unterschiede: Im Rohr fuhrt die laminareStromung, mit Haftung der Flussigkeitsschicht an der Wand und maximaler Geschwin-digkeit in der Rohrachse, zum Hagen-Poiseuille Gesetz, das die Zunahme des Widerstandsmit 1/r4 erklart. Die Elektronen im Draht bewegen sich dagegen uberall im Leiter mit kon-stanter Geschwindigkeit, deshalb ist der Widerstand umgekehrt proportional zur Flachedes Querschnitts.

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7.2. STROME 89

Versuch # 2190: Warmewirkung des StromsZwischen zwei Isolatoren wird ein etwa 1m langer Konstantandraht gespannt, in dessen

Mitte man ein kleines Gewicht (15 g) hangt. Schickt man einen ausreichend großen Stromhindurch, so erwarmt sich der Draht bis zum Gluhen und biegt sich durch, wobei das Ge-wicht deutlich nach unten sinkt (Schattenprojektion). Wir verwenden das 50 A-Netzgeratund einen Konstantandraht mit 0,25 mm Durchmesser.

Joule’sche Warme

Bei Gultigkeit des Ohmschen Gesetzes wird im Widerstand durch Effekte, die der Reibungahnlich sind, die gesamte elektrische Energie in Warme umgesetzt. Diese Warmeleistungerzeugt die sogenannte Joulesche Warme. Die Warmeleistung ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.39)

Kirchhoff’sche Regeln

Die Kirchhoffschen Regeln dienen zur Berechnung von Stromen und Spannungen in Schal-tungen, die aus mehreren miteinander verknupften Widerstanden und Spannungsquellenbestehen. Man bezeichnet solche Schaltungen auch als Netzwerke, die aus Knoten, denVerzweigungspunkten, und Maschen, den geschlossenen Schleifen, bestehen. Sie liefern, alswichtige Anwendung, die Vorschrift zur Berechnung des Gesamtwiderstands von hinterein-ander oder parallel geschalteten Widerstanden.

Versuch # 2216 Kirchhoffsches Gesetz mit GluhlampenEine Gluhlampe (6V/3W) wird uber ein regelbares Netzgerat mit einer Spannung von

6Volt betrieben. Uber ein Amperemessgerat zeigen wir den fließenden Strom von 0,5A an,die Lampe leuchtet hell. Schaltet man bei 6V Spannung die beiden Gluhlampen parallel,so leuchten beide Lampen hell und es fließt ein Gesamtstrom von 1A . Schaltet man beigleicher Spannung eine zweite Gluhlampe in Serie zur ersten, so ist eine deutliche Abnahmeder Leuchtkraft zu sehen. Außerdem sinkt der Strom im Kreis aufgrund der thermischenWirkung auf unter 0,5A. Erhoht man nun die Spannung auf 12V, so leuchten die Lampenhell und der Strom steigt wieder auf 0,5A an.

1. Kirchhoffsche Regel (Knotenregel):Diese Regel formuliert die Kontinuitatsgleichung fur Strome. Es gilt analog zu Flussigkeiten:

In Verzweigungspunkten (Knoten) ist die Summe aller ankommenden Strome (Vorzeichen+) gleich der Summe der abfließenden (Vorzeichen -):

i

Ii = 0 . (7.40)

2. Kirchhoffsche Regel (Maschenregel):

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7.2. STROME 90

Diese Regel formuliert die Wegunabhangigkeit der Potentialdifferenz zwischen zweiPunkten. Sie besagt, dass in einer Schleife eines Netzwerks der Spannungsabfall uber denbeiden moglichen Verbindungswegen zwischen zwei Punkten gleich ist und der Spannungzwischen diesen Punkten entspricht. Wahlt man in der Schleife ein positives Vorzeichenfur Stromfluss im Uhrzeigersinn (clockwise, cw) und ein negatives fur die Gegenrichtung(counterclockwise, ccw), dann gilt:

j

Uj = 0 . (7.41)

In dieser allgemeinen Formulierung konnen auch Spannungsquellen in der Schleife lie-gen, auch ihr Vorzeichen richtet sich nach Lage der Polung zum Umlaufsinn (technischerStromfluss von + nach -).

Abbildung 7.15: links: 1. Kirchhoffsche Regel (Knotenregel), rechts: 2. Kirchhoffsche Regel(Maschenregel).

Schaltungen von Widerstanden

Bei der Parallelschaltung (parallel = nebeneinander) von zwei Widerstanden ist

Uges = U1 = U2 (7.42)

und nach den Kirchhoffschen Regeln

Iges = I1 + I2 . (7.43)

Also folgt

Uges

Rges

=U1

R1

+U2

R2

−→ 1

Rges

=1

R1

+1

R2

−→ 1

Rges

=∑

i

1

Ri

. (7.44)

Bei der Reihenschaltung (in Reihe = hintereinander) von zwei Widerstanden ist

Iges = I1 = I2 (7.45)

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 91

und nach den Kirchhoffschen Regeln

Uges = U1 + U2 . (7.46)

Also folgt

Rges Iges = R1 I1 +R2 I2 −→ Rges = R1 +R2 −→ Rges =∑

i

Ri . (7.47)

Abbildung 7.16: links: Parallelschaltung, rechts: Reihenschaltung von zwei Widerstanden.

7.3 Statische Magnetfelder

In der Magnetostatik gibt es kein Aquivalent zur einzelnen Ladung in der Elektrostatik.Es gibt also keine magnetischen Monopole, sondern nur magnetische Dipole mit einemsogenannten Nord- und Sudpol. Somit ist das Magnetfeld quellenfrei.

Abbildung 7.17: links: Magnetische Feldlinien in der Umgebung eines Stabmagneten (von Nord-zu Sudpol), rechts: Das Erdmagnetfeld ist gegenuber der Erdachse verschoben und geneigt.

Magnetische Feldlinien

Magnetische Feldlinien geben in jedem Punkt die Richtung des Magnetfeldes bzw. des ma-gnetischen Flusses an. Der Abstand zwischen benachbarten Feldlinien ist ein Anhaltspunkt

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 92

fur die Starke des Magnetfeldes: je dichter die Feldlinien, desto starker das Feld.

Das Erdmagnetfeld ist das Magnetfeld, das die Erde umgibt. Nahe der Erdoberflacheahnelt das Feld dem eines magnetischen Dipols (Stabmagnet). Die geomagnetischen Poleder Erde fallen nicht genau mit den geographischen Polen der Erde zusammen. Die Achsedes geomagnetischen Dipolfeldes um etwa 12 gegenuber der Rotationsachse der Erde ge-neigt.

In guten Magnet-Kompassen ist die Nadel so austariert, dass sie vor allem auf die Horizon-talkomponente anspricht und daher in den meisten Gebieten etwa nach Norden weist. AmGeomagnetischen Nordpol befindet sich aus physikalischer Sicht ein magnetischer Sudpol.Daher wird dieser Pol besser als der nordanziehende Pol des Erdmagnetfeldes bezeichnetoder als der im Norden liegende Pol des Erdmagnetfeldes.

Versuch # 2135: Feldlinien um Stab und HufeisenmagnetAuf der Unterseite einer Glasplatte ist ein Stabmagnet (Modell 1) bzw. ein Hufeisen-

magnet (Modell 2) befestigt. Die Modelle werden auf die Schreibprojektion gelegt undEisenfeilspane aus einem Streuer darubergestreut. Der Feldverlauf ist sehr gut zu sehen.

Magnetische Flussdichte

Die magnetische Flussdichte ~B wird auch als magnetische Induktion oder umgangssprach-lich und unprazise als Magnetfeld bezeichnet. Sie hat die Einheit 1 T (Tesla) = 1Vs/m2. Sie steht fur die Flachendichte des magnetischen Flusses welcher durch ein be-stimmtes Flachenelement hindurch tritt.

Die magnetische Feldstarke ~H (auch magnetische Erregung genannt) kennzeichnet dieStarke eines Magnetfeldes. Sie ist die Ursache fur den magnetischen Fluss. Sie hat dieEinheit 1 A/m.Im Vakuum gilt der Zusammenhang

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.48)

mit der magnetischen Feldkonstante µ0 = 4 π 10−7VS/(Am).

7.3.1 Lorentzkraft

Die Feldstarke eines statischen magnetischen Feldes zeigt sich als Kraftwirkung auf einenPol eines magnetischen Korpers, analog zu den Kraften auf Ladungen im elektrischenoder auf Krafte auf Massen im Gravitationsfeld. Mit der Lorentzkraft erscheint eine Ei-genschaft, die keine Analogie im elektrischen oder im Gravitationsfeld hat: Auf eine ineinem Magnetfeld ~B mit Geschwindigkeit ~v bewegte Ladung q, also auf Strome, wirkt dieLorentzkraft

BeispieltextBeispieltext

(7.49)

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 93

Die Lorentzkraft steht senkrecht zur Richtung des Magnetfeldes und senkrecht zur Rich-tung der Bewegung, also der Geschwindigkeit. Es ist F = q v B sin (α) mit α dem Winkel

zwischen ~v und ~B.

Die Richtung ergibt sich aus der 3-Finger-Regel (der rechten Hand): zeigt der Daumenin technische Stromrichtung (von + nach -) und der Zeigefinger in Richtung des Magnet-feldes, dann zeigt der Mittelfinger in Richtung der Lorentzkraft.

Abbildung 7.18: Anwendung der 3-Finger-Regel der rechten Hand

Ein Beispiel fur die Lorentz-Kraft ist das Ferrofluidgel: Ein Ferrofluid(gel) bezeichnet einegelartige Flussigkeit, die auf ein magnetisches Feld reagiert. Ferrofluide Stoffe bestehen auswenigen Nanometer großen magnetischen Partikeln, die in einer gelartigen Tragerflussigkeitkolloidal suspendiert sind. Die festen Teilchen werden in der Regel mit einer polymerenOberflachenbeschichtung stabilisiert.

Fadenstrahlrohr

Die Wirkung der Lorentzkraft auf die Bahn frei fliegender Elektronen wird im Fadenstrahl-rohr sichtbar gemacht.

Ein von zwei Ringspulen erzeugtes homogenes Magnetfeld durchquert einen evakuiertenGlaszylinder. Eine Gluhkathode im Zylinder emittiert Elektronen, die durch ein elektri-sches Feld senkrecht zur Magnetfeldrichtung beschleunigt werden. Die immer senkrechtzur Flugrichtung weisende Lorentzkraft lenkt die Elektronen auf eine Kreisbahn, derenRadius sich so einstellt, dass die Lorentzkraft die Zentrifugalkraft - die ja auch senkrechtzur Flugbahn wirkt - kompensiert.

Die Lorentzkraft FL steht immer zur augenblicklichen Bewegungsrichtung senkrechtund ermoglicht als Zentripetalkraft FZ die Kreisbewegung

FZ = e v B =mv2

r= FL . (7.50)

Eine großere Lorentzkraft lenkt die Elektronen starker ab, weshalb der Radius

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 94

Abbildung 7.19: Schematischer Aufbau fur ein Fadenstrahlrohr: Der senkrechte Elektronen-strahl wird ohne Magnetfeld beobachtet. Unterschiedliche Kreisbahnen entsprechen unterschiedli-chen Verhaltnissen von

√U/B. Das Magnetfeld zeigt in die Bildebene hinein.

r =mv

eB(7.51)

der Kreisbahn kleiner wird. Die Bestimmung der Geschwindigkeit erfolgt mit Hilfe desEnergieerhaltungssatzes

Ekin =m

2v2 = e U , (7.52)

wobei die Beschleunigung der Elektronen durch die Spannung U zwischen Kathode undAnode erfolgt, und es ist

v =

2 e U

m(7.53)

die Geschwindigkeit des Elektrons.

Mit Hilfe der Lorentzkraft konnen im Vakuum fliegende Elektronen auf Bahnen gefuhrtwerden, auf diese Weise werden Elektronen zur Erzeugung des Bildpunkts auf den Leucht-stoff in Fernseh-Bildrohren und Monitoren gelenkt. Ebenso werden hochbeschleunigte ge-ladene Teilchen auf geschlossenen Bahnen in Teilchenbeschleunigern gehalten, z. B. Elek-tronen im Synchrotron.

Versuch # 2200: Magnetische Wirkung des Stroms

Unter ein Stuck dickeren Drahtes wird eine leicht drehbar gelagerte Magnetnadel ge-stellt. Der Draht wird in isolierte Stutzen eingespannt und so auf die Vertikalprojektiongestellt, dass er in Nord-Sud-Richtung weist. Seine Enden schließt man an ein Heinzinger -Netzgerat an, schaltet es ein und steigert dann langsam die Stromstarke. Die Magnetnadelunter dem Draht wird die Nord-Sud-Richtung verlassen und sich je nach Stromrichtung imoder gegen den Uhrzeigersinn drehen. Die Stromstarke kann uber ein Instrument angezeigtwerden.

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 95

7.3.2 Ampere’sches Durchflutungsgesetz

Das Wegintegral uber die magnetische Feldstarke entlang eines geschlossenen Wegs zeigtden Strom, der eine von diesem Weg umschlossene Flache durchdringt.

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.54)

oder

~B · d~s = µ0

~j · d ~A = µ0 I (7.55)

Das Gesetz setzt das Kurvenintegral des magnetischen Feldes um eine geschlosseneKurve in Beziehung zum Strom, der durch die von dieser Kurve eingeschlossene Flachefließt. Dabei ist ~j die Stromdichte.

Neben der integralen Form des Gesetzes gibt es auch eine differenzielle Schreibweise:

rot ~B = µ0~j (7.56)

Die Aquivalenz von integraler und differentieller Form wird durch den Satz von Stokesbewiesen.

Versuch # 2170 Magnetische Feldlinienbilder um stromdurchflossene LeiterDie Leiter sind in Plexiglasscheiben eingelassen, die man auf die Schreibprojektion legt

und mit Eisenfeilspanen bestreut. Es stehen folgende Modelle zur Verfugung: Einzeldraht,Doppeldraht, Spule und Ringspule (Langsschnitt).

Abbildung 7.20: links: rechte Handregel fur die technische Stromrichtung, rechts: linke Hand-regel fur physikalische Stromrichtung

Ein elektrischer Strom ruft ein ihm proportionales Magnetfeld hervor, dessen Rich-tung mit der des Stromes eine Rechtsschraube bildet: Rechte Handregel fur technischeStromrichtung.

Stromdurchflossener Leiter

Wir betrachten einen unendlich langen Leiter durch den ein Strom fließt. Mit Hilfe desDurchflutungsgesetzes kann unmittelbar das Magnetfeld eines geraden Leiters berechnet

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 96

werden. Dabei ist die Wahl des richtigen Integrationsweges entscheidend. Dieser muss denfließenden Strom umschließen.

Abbildung 7.21: Beispiel: Stromdurchflossenes Leiterstuck in der Mitte, zwei unterschiedlicheIntegrationswege: Leiter innerhalb und außerhalb der vom Integrationsweg umschlossenen Flache.

~B · d~s = B

Kreis

ds = B 2 π r = µ0 I (7.57)

liefert

B =µ0

I

r(7.58)

oder

H =I

2 π r. (7.59)

Das Durchflutungsgesetz gilt fur beliebige geschlossene Wege und beliebige, von denWegen umrandete Flachen. Obwohl das Wegintegral ungleich Null ist, kann bei einem ma-gnetischen Feld keine Arbeit gewonnen werden: Was der Nordpol bei Uberfuhrung entlangeines geschlossenen Weges gewinnt, geht durch den notwendigerweise mitgefuhrten Sudpolverloren.

Versuch # 2155 Parallel- und Serienschaltung von LeiternZwei leitende Bander von etwa 1 m Lange sind senkrecht nebeneinander im Abstand

von etwa 4 cm locker aufgehangt und im Schatten gezeigt. Sie sind so kontaktiert, dass mansie mit Strom aus dem großen Netzgerat beschicken kann. Wahlt man die Stromrichtungenin beiden Leitern parallel, so ziehen sie sich an. Bei antiparallelem Stromdurchgang stoßensie sich ab.

7.3.3 Magnetismus im Material

Magnetismus von Festkorpern ist ein kooperatives Phanomen. Die makroskopische Ma-gnetisierung setzt sich additiv aus den Beitragen der einzelnen Bausteine (Atome, Ionen,quasifreie Elektronen), aus denen der Festkorper aufgebaut ist, zusammen. Bei vielen Ma-terialien haben bereits die einzelnen Bausteine ein magnetisches Moment. Allerdings weisenselbst von Materialien, deren Bausteine nichtverschwindende magnetische Momente tra-gen, nur wenige eine makroskopische Magnetisierung auf. Die Ursache ist, dass sich dieeinzelnen Bausteine in der Regel so anordnen, dass sich ihre Beitrage aufheben.

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 97

Versuch # 2375: Barkhausen Effekt

Eine etwa 15 cm lange, dunne Spule wird an den Eingang eines Tonverstarkers ange-schlossen. Der Ausgang betreibt einen Lautsprecher. In die Spule werden einige Nickeldrahtegesteckt. Dann fahrt man langsam mit einem starken Permanentmagneten außen an derSpule entlang. Aus dem Lautsprecher dringen laute Knack- und Prasselgerausche, die manuber das Horsaalmikrofon auf die Horsaalanlage ubertragen kann.

In Festkorpern konnen funf Typen von Magnetismus auftreten:

1) Diamagnetismus: Das entgegengesetzte Ausrichten der magnetischen Momente imFeld fuhrt zu einer Abschwachung des Magnetfeldes in der Substanz.

2) Paramagnetismus: Das teilweise Ausrichten der magnetischen Momente fuhrt zu ei-ner Verstarkung des Magnetfeldes im Material. Ohne außeres Feld gibt es kein magnetischesVerhalten.

Abbildung 7.22: Ohne außeres Magnetfeld sind die magnetischen Momente in paramagneti-schem Material zufallig verteilt (links). Im außeren Feld werden diese mit zunehmender Feldstarkegeordnet (mitte nach rechts).

3) Ferromagnetismus: In sogenannten Weissschen Bezirken sind die magnetischen Mo-mente schon ohne außeres Feld ausgerichtet. Die Ausrichtung der Weissschen Bezirke iststatistisch verteilt, so dass der Gesamtkorper unmagnetisch erscheint. Durch ein außeresMagnetfeld kann man die Weissschen Bezirke gleichrichten.

Abbildung 7.23: Die Bereiche gleicher Magnetisierung werden Weisssche Bezirke genannt. Sietreten in Großen von 0,01 µm bis 1 µm auf und sind im unmagnetisierten Zustand der Substanznicht einheitlich orientiert. Die Ausrichtungsprozesse der Domanen werden Barkhausensprungegenannt.

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 98

Es istBeispieltextBeispieltextBeispieltext

(7.60)

mit der Materialkonstante Permeabilitatszahl µr.

Barkhausen Effekt: Das gleichzeitige und manchmal horbare Umklappen von Moleku-larverbanden (Weissschen Bezirken) bei der Ummagnetisierung bestimmter Materialien.

4) Ferrimagnetismus: Es liegen aber zwei Arten von magnetischen Zentren vor. Diegleichartigen Zentren richten sich dabei parallel und die verschiedener antiparallel aus.Dieses fuhrt zu einer partiellen Ausloschung der magnetischen Momente. Im ubrigen Ver-halten ahneln sie den Ferromagneten.

Abbildung 7.24: links: Anordnung der zwei Arten von magnetischen Momenten beim Ferrima-gnetismus, rechts: Antiferromagnetismus

5) Antiferromagnetismus: Die magnetischen Momente einzelner Teilchen sind nicht un-abhangig voneinander sondern richten sich spontan antiparallel aus. Daher zeigt der idealeAntiferromagnet nach außen kein magnetisches Verhalten.

7.3.4 Biot-Savart Gesetz

Die Kraftwirkung auf einen Magneten durch die magnetische Induktion ~B kann analog zumCoulomb-Gesetz formuliert werden. Die elektrischen Ladungen werden dazu durch vomStrom durchflossene Leiterstucke ersetzt. Die Richtung der Kraft, die sowohl senkrechtzum Feld als auch zur Richtung des Stromflusses steht, wird durch das Vektorproduktausgedruckt

d2 ~F =µ0

I2d~l2 ×(

I1d~l1 × ~er

)

r2. (7.61)

Abbildung 7.25: Kraft auf zwei stromdurchflossene Leiterstucke

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 99

Ein kurzes, stromdurchflossenes Leiterstuck Id~l entspricht der skalaren elektrischen La-dung im Coulombgesetz, ~er ist der Einheitsvektor in Richtung des zweiten Leiterstucks, rder Abstand zwischen ihnen.

Die Analogie zum Coulomb-Gesetz gilt bei dem magnetischen Kraftgesetz nur fur zweikurze Leiterstucke. Fur zwei endlich lange Leiter erhalt man durch Integration uber dl1und dl2 die Gesamtkraft.

Abbildung 7.26: Krafte auf stromdurchflossene Leiter: Die Kreise zeigen die Feldlinien und dieFeldstarke, die Pfeile die Richtung der Krafte auf die Leiter.

Bei paralleler Stromrichtung ziehen sich die Leiter an, bei gegenlaufiger stoßen sie sichab. Die Kraft auf das Leiterstuck d~l2 durch die Wirkung des vom Leiterstucks d~l1 erzeugtenFeldes d ~B ist

d2 ~F = I2 d~l2 × d ~B . (7.62)

(Analog zu ~F = q2 ~E fur eine ruhende Ladung)Das Biot-Savart Gesetz beschreibt den Beitrag eines kurzen Stucks eines stromdurch-

flossenen Leiters zur magnetischen Flussdichte ~B am Ort ~r

d ~B =µ0

4πId~l

r2× ~r

r(7.63)

mit ~r = r~er. Bei komplizierten Geometrien ist der Leiter in geeignete infinitesimale Stucked~l aufzuteilen.

Abbildung 7.27: Leiter in infinitesimale Stucke aufteilen

Anwendung: Die magnetische Feldstarke in der Achse eines konstanten Kreisstroms Imit Radius R. Weil ~er ⊥ d~l immer erfullt ist, ergibt sich das Integral zu

B =µ0

∫ 2πR

0

I dl

R2=

µ0

4πI2πR

R2=

µ0

2

I

R. (7.64)

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 100

7.3.5 Hall-Effekt

Der Hall-Effekt tritt in einem stromdurchflossenen elektrischen Leiter auf, der sich in ei-nem Magnetfeld befindet, wobei sich ein elektrisches Feld aufbaut, das zur Stromrichtungund zum Magnetfeld senkrecht steht und das die auf die Elektronen wirkende Lorentzkraftkompensiert.

Versuch # 2401: Hall Effekt in einem bewegten Kupferstreifen

Eine etwa 5 cm breite, 4 mm dicke und 1 m lange Kupferschiene ist auf Rollen gela-gert. Sie wird anstatt der Wismutplatte in die Anordnung von Versuch 2400 eingebracht.Schleifkontakte an der Ober- und Unterkante der Kupferschiene gestatten die Messung derHallspannung mit dem Galvanometer. Die Schiene selbst bleibt stromlos. Die Bewegung derLadungstrager im Magnetfeld wird dadurch erzeugt, indem man die ganze Schiene durchdas Magnetfeld zieht. Auch hier hat man durch geschicktes Verlegen der Zuleitungen dar-auf zu achten, dass beim Ein- und Ausschalten des Magnetfeldes das Galvanometer keinenInduktionsstrom anzeigt. Durch die verschiedenen Kombinationen von Magnetfeldrichtungund Bewegungsrichtung der Schiene lassen sich gleichgroße Hallspannungen unterschiedli-cher Polaritat abgreifen.

Abbildung 7.28: Auftreten einer elektrischen Spannung in einem stromdurchflossenen, qua-derformigen Leiter mit her Hohe h und der breite b, der sich in einem stationaren Magnetfeldbefindet.

Durch Anlegen einer Spannung an die Probe fließt ein Strom mit der Stromdichte~j = n q ~v, wobei n die Anzahl der Ladungstrager pro Einheitsvolumen ist. Bewegte La-dungstrager in einem magnetischen Feld erfahren die Lorentzkraft und es baut sich einkompensierendes elektrisches Feld auf, das die ablenkende Wirkung des Magnetfeldes neu-tralisiert

~F = q ~v × ~B = −q ~E . (7.65)

Im stationaren Fall ist ~EHall = −~v × ~B und da Magnetfeld und Stromdichte senkrechtaufeinander stehen ist die Hallspannung

UHall = bEHall = −b v B = −bB j

n q(7.66)

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7.3. STATISCHE MAGNETFELDER 101

fur einen Leiter der Breite b. Es folgt fur den Strom durch den Leiter der Hohe h

I = n q v b d = j b d (7.67)

und damit

j =I

b d(7.68)

und schließlich

UHall = − I B

dnq= −IB

dAH (7.69)

mit dem Hall-Koeffizient AH = 1/(nq). In der Elektronik wird der Hall-Effekt in so ge-nannten Hallsonden zur Messung der magnetischen Flussdichte benutzt.

7.3.6 Magnetischer Fluss

Analog zum elektrischen Fluss ist der magnetische Fluss

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.70)

Da magnetische Feldlinien (im Gegensatz zu elektrischen Feldlinien) keiner Quelle ent-springen gilt

ΦB =

A

~B · d ~A = 0 . (7.71)

Also wie schon zu Beginn des Kapitels festgestellt, gibt es keine magnetischen Mono-pole!

7.3.7 Die 4 Maxwell’schen Gleichungen

Die vier Maxwellschen Gleichungen beschreiben die Erzeugung von elektrischen und ma-gnetischen Feldern durch Ladungen und Strome, sowie die Wechselwirkung zwischen diesenbeiden Feldern, die bei zeitabhangigen Feldern als Zeitentwicklung in Erscheinung tritt.Sie sind die Grundlage der Elektrodynamik. Die Maxwellschen Gleichungen lassen sich indifferentieller und in integraler Form darstellen. Betrachten wir hier die integrale Form:

1. Gauß’scher Satz: Ladungen sind Quellen des elektrischen Feldes

Φ =

A

~E · d ~A =Q

ε0

2. Es gibt keine magnetischen Einzelladungen. B Magnetfeld ist quellenfrei ⇔keine magnetischen Monopole.

ΦB =

A

~B · d ~A = 0

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7.4. INDUKTION 102

3. In elektrostatischen Feldern ist die Uberfuhrungsarbeit entlang geschlos-senen Wegen immer Null

~E · d~s = 0

4. Ampere’sches Gesetz: Strome sind die “Quelle” des magnetischen Feldes.Strome sind von magnetischen Wirbelfeldern umgeben.

~B · d~s = µ0 I

7.4 Induktion

Induktion beschreibt das Entstehen einer elektrischen Spannung entlang einer Leiterschleifedurch die Anderung des magnetischen Flusses. Die Induktion einer Spannung setzteine zeitliche Anderung in der Anordnung der magnetischen Flussdichte ~B oder FlacheA voraus.

Faradaysches Induktionsgesetz

Bei Anderung des magnetischen Flusses ΦB wird eine elektrische Spannung Uind induziert

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.72)

Der magnetischer Fluss als Produkt aus der magnetischen Flussdichte und der da-zu senkrecht stehenden Flache ΦB = ~B · ~A eingesetzt liefert fur ~B homogen und nichtgekrummte Flachen

Uind = − d

dt( ~A · ~B) (7.73)

wobei das negative Vorzeichen beschreibt, dass die induzierte Spannung ihrer Ursache ent-gegengerichtet ist.

Die induzierte Spannung hangt von der zeitlichen Anderung eines Produktes aus dreiGroßen ab. Andert man nur eine dieser Großen und halt die anderen beiden konstant,dann ergeben sich drei Moglichkeiten zur Induktion einer Spannung: Man kann die FlacheA, das Feld B oder den Winkel φ zwischen der Flachennormalen und der Feldrichtungandern:

1. Induktion bei Anderung der Flache U = −dA

dtB cos ϕ

2. Induktion bei Anderung des Magnetfeldes U = −dB

dtA cos ϕ

3. Induktion bei Anderung des Winkels zwischen Magnetfeld und Flache

U =dϕ

dtAB sin ϕ

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7.4. INDUKTION 103

Induktion in einer Spule mit n Windungen: Wird in einer Schleife eine Spannung in-duziert, dann wird die Uberfuhrungsarbeit fur eine Einheit der Ladung aufgebracht. Bein Schleifen vervielfacht sich die Arbeit entsprechend. Die Arbeit ist additiv, deshalb ver-vielfacht sich die Spannung bei Verbindung der Schleifen

Uind = −nd

dtΦB . (7.74)

Versuch # 2425 InduktionsgesetzVerschiedene Spulen werden an ein Mavo-Instrument angeschlossen. Dann nahert man

ihnen rasch einen Stabmagneten. Die Ausschlage sind proportional der Windungszahl undandern mit der Bewegungsrichtung das Vorzeichen. Anstatt des Stabmagneten benutztman eine stromdurchflossene Spule. Die Ausschlage verhalten sich wie im ersten Fall.Schließlich lassen sich die Ausschlage wesentlich vergroßern, wenn man eine Spule mitEisenkern verwendet. Damit man kontrollierte Bewegungen ausfuhren kann, sind Spulenund Stabmagnet auf einem Gestell in Fuhrungen verschiebbar.

Die Induktion ist eine fundamentale Eigenschaft der elektrischen und magnetischen Felder,fur die es keine Analogie im Gravitationsfeld gibt. In statischen elektrischen Feldern ist dieArbeit zur Uberfuhrung einer Ladung auf einem geschlossenen Weg Null, jedem Punkt kannein Potential zugeordnet werden. Nur bei Anderungen des magnetischen Flusses entstehenelektrische Wirbelfelder, in denen bei Uberfuhrung einer Ladung auf einem geschlossenenWeg Arbeit zu leisten oder zu gewinnen ist. Diese Eigenschaft ist in einer der MaxwellschenGleichungen formuliert.

7.4.1 Erweiterung der 3. Maxwell’schen Gleichung

Bisher war die 3. Maxwell’sche Gleichung fur zeitlich konstante Felder formuliert. Jetztbetrachten wir zeitlich variable Felder:

Faradaysches Induktionsgesetz: Ein sich zeitlich andernder magnetischer Fluss erzeugtein elektrisches Feld mit kreisformigen Feldlinien um die vom Fluss durchdrungene Flache

Rand

~E d~s = − d

dt

F laeche

~B d ~A . (7.75)

Abbildung 7.29: links: Faradaysches Induktionsgesetz, rechts: Amperesches Durchflutungsgesetz

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7.4. INDUKTION 104

Versuch # 2440: Wirbelstrome im Waltenhofen’schen PendelDas Waltenhofsche Pendel hat einen Pendelkorper aus Messing in Form eines Kreissek-

tors, der zwischen den Polen eines starken Elektromagneten schwingt. Schaltet man dasMagnetfeld an, so kommt das Pendel rasch zum Stillstand. Zum Beweis, dass fur die star-ke Dampfung Wirbelstrome verantwortlich sind, spannen wir einen zweiten Pendelkorperin die Aufhangung ein, der genauso geformt ist wie der erste, aber in radialer Richtungviele Schlitze hat. Schaltet man nun das Magnetfeld ein, so schwingt das Pendel nahezuunbeeinflusst weiter.

7.4.2 Selbstinduktionskoeffzient

Andert sich in einer feststehenden Spule der elektrische Stromfluss, dann andert sich dasdadurch erzeugte Magnetfeld und damit der magnetische Fluss. Nach dem Induktionsge-setz wird dadurch in der Spule selbst eine Spannung induziert, deren Betrag, außer vonder zeitlichen Ableitung des Stroms, auch von Eigenschaften der Spule abhangt. Letzteresind im Selbstinduktionskoeffizienten zusammengefasst. Er charakterisiert die elektrischenEigenschaften der Spule in gleicher Weise wie die Kapazitat die eines Kondensators cha-rakterisiert.

Die magnetische Flussdichte in einer Spule der Lange l mit Windungszahl n ist proportionalzum Strom I gemaß

B =µ0 n

lI . (7.76)

Bei zeitlicher Anderung des Stroms andert sich auch das magnetische Feld

dB

dt=

µ0 n

l

dI

dt. (7.77)

Dadurch andert sich der magnetische Fluss in der Spule und induziert nach dem In-duktionsgesetz die Spannung

Uind = −nAdB

dt= −nA

µ0 n

l

dI

dt. (7.78)

Der Selbstinduktionskoeffizient L ist der Proportionalitatsfaktor

L = µ0 · n2 A

l(7.79)

und es ist

Uind = −LdI

dt(7.80)

mit der Einheit 1 H (Henry = 1 Vs/A).

Versuch # 2450: Thomson’scher RingEin oben offenes Joch wird durch zwei Eisenkerne nochmals verlangert und mit einer

Spule (500 Windungen) bestuckt. Auf die Spule legt man nun einen Aluminiumring. Schal-tet man die Netzspannung ein, so springt der Ring etwa 1,5 m hoch in die Luft. Legt man

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7.5. WECHSELSPANNUNG UND -STROM 105

einen ebensolchen, aber durchgesagten Ring auf die Spule, so geschieht nichts.

Induktion in einem Ring mit und ohne Schlitz: Der Ring ohne Schlitz wird abgestoßen, weildie in ihm induzierte Spannung einen Strom erzeugt, dessen Magnetfeld dem erzeugendenin der Primarspule entgegengerichtet ist. Der geschlitzte Ring bleibt liegen, weil in ihmkein Strom fließt und somit kein magnetisches Gegenfeld induziert wird.

7.4.3 Lenz’sche Regel

Nach der Lenzschen Regel wird durch eine Anderung des magnetischen Flusses durch eineLeiterschleife eine Spannung induziert, so dass der dadurch fließende Strom ein Magnetfelderzeugt, welches der Anderung des magnetischen Flusses entgegenwirkt.

Abbildung 7.30: Solange die Stange rollt, wird eine Spannung induziert. Ist die Stange in Ruhe,gibt es keine Kraft und damit auch keine Induktionsspannung.

Die Lenzsche Regel sagt aus, dass der induzierte Strom eine Anderung des magnetischenFlusses zu verhindern sucht. Die Anderung des magnetischen Flusses ist dem Induktions-gesetz (einem Teil der Maxwell-Gleichungen) entsprechend die Ursache fur die Entstehungdes Induktionsstromes.

7.5 Wechselspannung und -strom

Wechselspannung nennt man eine elektrische Spannung, deren Polaritat in regelmaßigerWiederholung wechselt und deren zeitlicher Mittelwert null ist. Die Kurvenform der Span-nung ist dabei unerheblich und keineswegs an den Sinusverlauf gebunden.

In einer Spule, die sich in einem homogenen Magnetfeld dreht, wird eine Spannunginduziert. Durch die zeitliche Anderung der vomMagnetfeld durchstromten Flache entstehtbei der Rotation einer Spule im Magnetfeld ein sinus-formige Wechselspannung

BeispieltextBeispieltext

. (7.81)

Die Wechselspannung ist durch die Amplitude, den Spitze-Spitze-Wert, den Effektiv-wert und die Periodendauer gegeben. In der Praxis wird sie durch eine einzige Zahl cha-rakterisiert. Man fuhrt dazu ihren Effektivwert ein. Dieser entspricht der Spannung eines

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7.5. WECHSELSPANNUNG UND -STROM 106

Gleichstroms, der an einem ohmschen Widerstand die gleiche Leistung wie der Wechsel-strom im zeitlichen Mittel verrichtet.

Abbildung 7.31: links: Spannungsverlauf als Funktion der Zeit fur den sinusformigen Wechsel-strom und sein zeitliches Mittel, rechts: Drehung einer Spule in einem Magnetfeld zur Erzeugungdes Wechselstroms.

Die Leistung des Gleichstroms ist

PEff = UEff IEff =U2Eff

R(7.82)

und die Leistung des Wechselstroms zur Zeit t ist

P (t) = U(t) I(t) =U(t)2

R=

U20

Rsin2 ωt . (7.83)

Die mittlere Leistung des Wechselstroms ist dann

〈P 〉 = U20

2 · R (7.84)

mit dem Mittelwert der sin2-Funktion 〈sin2 ωt〉 = 1

2.

Die zeitlich gemittelte Leistung des Wechselstroms 〈P 〉 sei die der GleichspannungPEff , woraus folgt

U20

2R=

U2Eff

R. (7.85)

Also ist der Effektivwert der Wechselspannung

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (7.86)

Im Haushaltsstromnetz in Deutschland betragt die Netzspannung (effektiv) 230 V bei50 Hz und zeigt Sinusform, die momentane Spannung oszilliert also 50 mal in der Sekunde

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7.5. WECHSELSPANNUNG UND -STROM 107

zwischen ihren Extremwerten 325 V. In anderen Landern gibt es zum Teil deutlich abwei-chende effektive Netzspanungen.

Versuch # 2490: Drehfeld und Drehstrom

Ein Aluminiumring ist als Kurzschlusslaufer an einem Faden so aufgehangt, dass erum einen Durchmesser leicht drehbar ist, wobei die Drehachse senkrecht steht. Als Felder-zeuger dienen drei Leyboldspulen (je 10000 Wdg.) mit Kern, die man im Winkel von 120Grad um den Aluminiumring herum aufstellt. Jede Spule wird uber einen Schalter miteiner Phase des Drehstromnetzes verbunden ( Sternschaltung). Das ganze wird auf einerSchreibprojektion aufgestellt, so dass man sehr gut den Ring rotieren sieht.

Beim Dreiphasendrehstrom sind die Phasen um jeweils 120 versetzt (siehe Abbildung7.32). Dadurch eignet er sich ideal fur Motoren. An dem Punkt, an dem eine Phase (zumBeispiel blau) maximal ist, ist die Phase des vorherigen Magneten (rot) schon negativund die des folgenden Magneten (grun) leicht positiv. Dadurch wird der Rotor immer indie richtige Drehrichtung weiter gezogen. Um die Drehrichtung zu andern, muss man dieAbfolge der Phasen durch Umstecken umkehren. Da es nur drei Phasen gibt, reicht esdazu aus, zwei beliebige Phasen miteinander zu vertauschen. Wurde man mit zwei ge-genuberliegenden Spulen einen entsprechenden Motor mit Zweiphasenwechelstrom bauen,ware die Drehrichtung am Anfang davon abhangig, wie der Rotor gerade steht und damitnicht bei jedem Einschalten gleich.

Abbildung 7.32: links: Dreiphasendrehstrom hat um jeweils 120 versetzte Phasen, rechts: 3Spulen konnen in Stern- oder Dreieckschaltung miteinander verknupft sein

Damit der Rotor (der ja nur ein Aluminiumring ist) uberhaupt von den Magneten an-gezogen werden kann, muss ein Magnetfeld darin induziert werden. Wenn der Rotor sichmit der Frequenz des Drehstroms drehen wurde, konnte kein Magnetfeld induziert werden,weil sich das Magnetfeld aus Sicht des Rotors nicht andern wurde. Deshalb dreht sich derRotor immer mit einer Drehfrequenz, die geringer als die Frequenz des Drehstroms ist.Diesen Unterschied nennt man Schlupf. Trotzdem hangt die Drehfrequenz des Motors mitder Frequenz des Drehstroms zusammen und kann auch nur daruber geandert werden.Eine Anderung der Betriebsspannung andert (im Gegensatz zum Gleichstrommotor) nurdas maximale Drehmoment, das der Motor aufbringen kann.

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7.5. WECHSELSPANNUNG UND -STROM 108

Kapazitive und induktive Lasten

Beim Betrieb an zeitlich variablen Spannungsquellen U(t) gilt:

Last ohmsch kapazitiv induktiv

Instrumentim Strom-kreis misstStrom I(t)

SpannungBauteil U(t) = RI(t) U(t) =

Q(t)

CU(t) = −L

dI

dt

7.5.1 Impedanz

Unter der Annahme, dass Spannung und Strom sinusformig mit gleicher Frequenz seien

U(t) = UEff sin (ω t+ ϕU) (7.87)

undI(t) = IEff sin (ω t + ϕi) (7.88)

lasst sich die Impedanz als Verhaltnis von Spannung zu Strom als frequenzabhangigerWechselspannungswiderstand auffassen. Es ist

Z =U exp (iϕU )

I exp (iϕI)=

U

Iexp (i(ϕU − ϕI)) (7.89)

und damit die Impedanz

Z =U

Iexp (iϕ) . (7.90)

Abbildung 7.33: Darstellung der Impedanz als Zeiger in der komplexen Ebene

In komplexer Schreibweise ist somit demnach

Z = R + iX = z exp (iϕ) . (7.91)

Der Wirkwiderstand oder Resistanz ist also

R = Re(Z) = Z cosϕ (7.92)

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7.5. WECHSELSPANNUNG UND -STROM 109

der Blindwiderstand oder Reaktanz ist dann

X = Im(Z) = Z sinϕ (7.93)

und der Scheinwiderstand istz = |Z| . (7.94)

Die Impedanz ist also in der Wechselstromtechnik die Zusammenfassung von zwei Aussa-gen:1) Sie gibt das Verhaltnis der Amplituden von sinusformiger Wechselspannung zu si-nusformigem Wechselstrom an.2) Sie gibt die Verschiebung der Phasenwinkel zwischen diesen beiden Großen an.

Die komplexe Wechselstromrechnung wird in der Elektrotechnik angewendet, um Verhaltnissevon Strom und Spannung in einem Netzwerkmodell zu bestimmen. Hierzu werden sinus-bzw. kosinusformige Strome bzw. Spannungen (Wechselstrom) vorausgesetzt.

Die Impedanz in einer Reihenschaltung bestimmt sich durch die komplexe Summe derTeilimpedanzen

Z = Z1 + Z2 . (7.95)

Die Admittanz ist der Kehrwert der Impedanz

Y =1

Z. (7.96)

Die Admittanz in einer Parallelschaltung bestimmt sich durch die komplexe Summe derTeiladmittanzen

Y = Y1 + Y2 =1

Z=

1

Z1+

1

Z2. (7.97)

Jeder aus den elementaren Zweipolen Widerstand, Kondensator, Spule durch Parallel- undReihenschaltung aufgebaute Zweipol besitzt selbst eine Impedanz, die nach den angegebe-nen Gleichungen bestimmt werden kann.

Abbildung 7.34: Elementare Zweipole Widerstand, Kondensator, Spule und ihre Impedanz undAdmittanz in der komplexen Ebene.

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Kapitel 8

Thermodynamik

Die Warmelehre befasst sich mit der Mechanik eines Systems mit sehr vielen Teilchen.Im Prinzip kann man fur viele Massenpunkte, die mit ihren Nachbarn in Wechselwirkungstehen, alle Bewegungsgleichungen aufschreiben. Mit Berucksichtigung der Impuls- undEnergieerhaltung erhalt man ein System gekoppelter Gleichungen, die man mit großem,aber verfugbarem Rechenaufwand losen kann.

Merke:

Eine mikroskopische Beschreibung wird in der statistischen Mecha-nik durchgefuhrt, wahrend eine makroskopische Beschreibung in derWarmelehre erfolgt.

In der Warmelehre ist der Zustand eines Systems durch die Anzahl der Teilchen, dieTemperatur, den Druck und das Volumen gegeben. Alle diese Grossen zeigen fur ein En-semble aus vielen Teilchen konstante Mittelwerte, die den Zustand eines Gases beschreibenund Grundlage fur die Gasgesetze sind. Die unterschiedlichen Arten der Energiezufuhr sinddas Thema der beiden Hauptsatze der Warmelehre, die Verteilung der Energie wird imAbschnitt zur kinetischen Gastheorie diskutiert.

8.1 Grundlagen

In einem ersten Vergleich konnen die klassische Mechanik zur Beschreibung einzelner Ato-me und die Thermodynamik zur Beschreibung von homogenen Substanzen betrachtet wer-den. Die Tabelle stellt wichtige Variable gegenuber:

Einzelne Atome Homogene Substanz

Newton’sche Mechanik Thermodynamik

N = Anzahl der Atome ν = Zahl der Mole

m = Masse eines Atoms p = Druck

v = Geschwindigkeit 1 Atoms T = Temperatur

V = Volumen V = Volumen

110

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8.1. GRUNDLAGEN 111

Stoffmenge, Avogadrogesetz

Das Avogadrogesetz lautet: Gleiche Volumina idealer Gase enthalten bei gleichem Druckund gleicher Temperatur gleich viele Molekule.

Die Avogadro-Konstante NA = 6, 022 × 1023mol−1 gibt an, wie viele Teilchen (Atomeoder Molekule) eines idealen Gases in einem Mol enthalten sind. Soll diese Stoffmenge beider Temperatur 273 K und einem Druck von 1024 mbar (Normalbedingungen) in einemKasten eingeschlossen werden, dann muss sein Volumen 22,4 l betragen. Die Masse dieserStoffmenge, in Gramm gemessen, entspricht dem Molekulargewicht.In einem Mol einer Stoffmenge befinden sich 6, 022 × 1023 Atome. Die atomare Massen-einheit ist 1u = 1, 660565× 10−24g.

Temperatur

Die mittlere kinetische Energie Ekin pro Teilchen zeigt einen konstanten Mittelwert. Dieserist in einem Gas ein Maß fur die Temperatur T . Es ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(8.1)

mit der Boltzmannkonstante k = 1, 3807× 10−23J/K

Die SI-Einheit der Temperatur ist das Kelvin (K). Es ist zu beachten, dass die CelsiusTemperatur

TC(C) = [T (K)− 273, 15]C (8.2)

nicht verwendet werden darf, sondern immer in Kelvin umgerechnet werden muss.

Warme

Erhoht sich in einem Gas die Temperatur, dann erhoht sich die kinetische Energie derTeilchen. Es gibt zwei Arten der Energiezufuhr:

1. Durch mechanische Arbeit W : (z.B. durch einen Kolben) alle Teilchen werden ingleicher Richtung, also geordnet, beschleunigt.

2. Durch Kontakt mit einem heissen Gegenstand: alle Teilchen werden in beliebige Rich-tung beschleunigt. Diese Form der Energiezufuhr nennt man Zufuhr einer WarmemengeQ und es ist

Q = cm (T1 − T2) = cm∆T (8.3)

mit der spezifischen Warme c. Die SI-Einheit der Warme ist das Joule (1 J = 1Nm).

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8.2. DAS IDEALE GAS 112

Versuch # 4025: Spezifische Warme einiger MetalleVier Metallzylinder gleicher Masse (je 25 g) aus Blei, Zinn, Eisen und Aluminium wer-

den auf einen Halter mit vier Stiften gesteckt, in kochendem Wasser auf gleiche Temperaturgebracht und dann gleichzeitig auf eine etwa 7 mm dicke Paraffinplatte gelegt. Der Alumi-niumzylinder schmilzt durch, Eisen sinkt tief, Zinn und Blei sinken kaum ein. Der Vorgangkann mit der Fernsehanlage gezeigt werden. Die spezifischen Warmen der vier Metalle incal pro Gramm und Grad sind: Pb (0,032), Sn (0,053), Fe (0,11) und Al (0,22).

Spezifische Warme

Wird den Teilchen eines Korpers durch Zufuhr von Warme Energie zugefuhrt, dann erhohtsich die Temperatur proportional zur zugefuhrten Warme und die spezifische Warme ist

c =C

m=

∆Q

m∆T(8.4)

mit der Warmekapazitat

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

(8.5)

Bei Gasen kann die Warmezufuhr entweder bei konstantem Druck oder bei konstan-tem Volumen erfolgen. Bei konstantem Druck wird zusatzlich die Arbeit fur die Volu-menanderung aufgebracht. Man unterscheidet deshalb:- spezifische Warme bei konstantem Druck cp- spezifische Warme bei konstantem Volumen cV

Der Quotient der spezifischen Warme wir durch die sogenannte Adiabatengleichung

κ =cpcV

. (8.6)

beschrieben. Typischer Weise gilt 1,2 < κ < 1,7.

Eine Kalorie (1 cal) ist die Warmemenge Q, die 1 g Wasser von 14,5C auf 15,5Cerwarmt. Es ist 1 cal = 4,184 J.

8.2 Das ideale Gas

Als ideales Gas bezeichnet man eine bestimmte idealisierte Modellvorstellung eines realenGases, in der von einer Vielzahl von Teilchen in ungeordneter Bewegung ausgegangen wirdund als Wechselwirkungen der Teilchen nur Stoße untereinander und mit den Wanden inBetracht gezogen werden. Im Modell des idealen Gases werden alle Gasteilchen als aus-dehnungslose Massepunkte angenommen, welche sich frei durch das ihnen zur Verfugungstehende Volumen bewegen konnen. Es gibt also keine Wechselwirkung zwischen den Teil-chen. Die Stoße der Teilchen untereinander und an der Wand des Volumens sind elastisch.Ein Gasteilchen bewegt sich also geradlinig mit einer konstanten Geschwindigkeit, bis ein

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8.2. DAS IDEALE GAS 113

Stoß es in eine andere Richtung lenken und dabei beschleunigen oder abbremsen kann.

Entsprechend gibt es die Zustandsgroßen: Volumen V , Druck p, (absolute) Temperatur Tund Anzahl der Atome oder Molekule N . Diese liefern die Zustandsgleichung des idealenGases

BeispieltextBeispieltext

(8.7)

mit Anzahl der Mole ν , Gaskonstante R = 8,314510 J/(Mol K) und Boltzmannkonstantek = R/N0 = 1,380658 ·10−23J/K.

Abbildung 8.1: Modellgas mit Zustandsgroßen

Versuch # 4015: Druck eines ModellgasesDas Modellgas besteht aus kleinen (ca. 2 mm Durchmesser) Stahlkugeln, die zwischen

zwei Glasplatten von unten mit einem vibrierenden Stempel in Bewegung gehalten werden(Schuttelapparat). Nach oben hin ist die Kammer durch einen beweglichen Stempel abge-schlossen, der mit einem kleinen Gewicht belastet werden kann. Er nimmt in Abhangigkeitvom Auflagegewicht und der Motordrehzahl eine definierte Stellung ein. Das Modellgasund der Stempel werden optisch abgebildet.

Aus der allgemeinen idealen Gasgleichung lassen sich Spezialfalle ableiten, die histo-risch als eigenstandige Gesetze formuliert wurden:a) Gesetz von Boyle und Mariotte (N = konst. und T = konst.)

p1V1 = p2V2 (8.8)

b) Gesetz von Gay Lussac (fur eine beliebige Gasmenge gilt:)

p1T1

=p2T2

(8.9)

oderV1

T1

=V2

T2

(8.10)

Geschwindigkeitsverteilung

Versuch # 4017: Maxwell’sche GeschwindigkeitsverteilungDie Modellgasmaschine (Schuttelapparat) ist seitlich mit zwei Offnungen versehen. Die

eine hat einen Trichter und wird zum Einfullen von ”Gasmolekulen”benutzt. Die zweite

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8.2. DAS IDEALE GAS 114

liegt der Einfulloffnung gegenuber und ist als Zwei - Blenden - Kollimator ausgefuhrt,so dass Kugeln, die durch diese Offnung ausgeworfen werden, eine annahernd waagrechteAnfangsgeschwindigkeit haben. Vor diese Auswurfoffnung wird ein Auffanger gestellt, derdie ausgeworfenen Kugeln sammelt und je nach ihrer Flugweite in 24 Kanalen sammelt.Die Kanale sind Plexiglasschachte, die im Schatten gezeigt werden und in denen sich dieeindimensionale Geschwindigkeitsverteilung direkt als Histogramm aufbaut. Das Gasvolu-men im Schuttelapparat wird durch den Stempel auf ein konstantes Volumen festgelegt(Stempelhohe 6 cm, Auswurfoffnung in 3 cm Hohe), die innere Energie des Modellgases mitHilfe eines Regeltransformators (120 V) eingestellt. Da die Molekulzahl wahrend des Ver-suches konstant bleiben soll, werden bei einer Anfangskugelzahl von 400 alle 60 Sekunden70 Kugeln durch die Einfulloffnung nachgefullt. Nach etwa 20 Minuten ist die MaxwellscheKurve bereits genugend deutlich zu erkennen. Man muss am Ende lediglich die in den Auf-fangrinnen liegengebliebenen Kugeln noch mit einem Pinsel in die Kanalschachte kehren.

In einem idealen Gas bewegen sich nicht alle Gasteilchen mit der gleichen Geschwindigkeit,sondern statistisch verteilt mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Die Wahrscheinlichkeitw, dass ein Gasteilchen eine Geschwindigkeit zwischen v1 und v2 besitzt ist

w =

v2∫

v1

f (v) dv (8.11)

mit der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung

f(v) =

2

π

( m

kT

)3/2

v2 exp

[

−1

2

mv2

kT

]

(8.12)

Die wahrscheinlichste Geschwindigkeit vw, also die Geschwindigkeit am Maximum, ist

vw =

2 kT

m(8.13)

Mit steigender Temperatur T nimmt die durchschnittliche Geschwindigkeit zu und dieVerteilung wird gleichzeitig breiter. Mit steigender Teilchenmasse m hingegen nimmt diemittlere Geschwindigkeit ab und die Geschwindigkeitsverteilung wird gleichzeitig schmaler.Es ist m(H2) = 2 u; m(N2) = 28 u; m(Cl2) = 71 u.

Brown’sche Bewegung

Die Brown’sche Bewegung ist Folge der unregelmaßigen Stosse der sich standig bewegendenAtome und Molekule. Es ist also die thermisch getriebene Eigenbewegung von Teilchen.Sichtbare Partikel werden standig von den viel kleineren und daher optisch unsichtbarenMolekulen der Flussigkeit bzw. des Gases angestoßen und so gewissermaßen herum ge-schubst. Die Anzahl, Starke und Richtung der stoßenden Molekule andern sich standigund so resultiert insgesamt eine zufallige zick-zack-formige Bewegung.

Versuch # 4010: Brown’sche Molekularbewegung

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8.3. ZUSTANDSANDERUNGEN 115

Eine Rauchkammer wird unter dem Mikroskop mit Zigarettenrauch (aus der Rauch-maschine) gefullt und schrag von oben mit einem Laserstrahl (He-Ne) beleuchtet. DieFernsehkamera wird auf das Mikroskop gesetzt (Spezial-Zwischenring) und ubertragt dasBild der vibrierenden Rauchteilchen auf die Großbildprojektion.

8.3 Zustandsanderungen

Bei Zustandsanderungen, zum Beispiel von Gasen, wird das thermodynamische Systemvon einem Zustand in einen anderen Zustand uberfuhrt. Die innere Energie U ist eineeindeutige Funktion der Zustandsvariablen.

1. Hauptsatz der Thermodynamik

Die Zufuhr von mechanischer Energie ∆W oder einer Warmemenge ∆Q erhoht die innereEnergie U eines Korpers. Es gilt

BeispieltextBeispieltext

(8.14)

Ein positives Vorzeichen bedeutet, dass dem System Energie zugefuhrt wird.

Ideales Gas: Beim idealen Gas ist die Temperatur proportional zur inneren Energie U ,weil die Translationsbewegungen die einzigen Freiheitsgrade sind. Die ganze innere Energiesteckt beim idealen Gas in der kinetischen Energie der Teilchen, deshalb sind Anderungender inneren Energie als Temperaturanderungen messbar. Es ist

U =3RT

2(8.15)

Im Gegensatz dazu wird z. B. im Festkorper beim Schmelzen die durch Warme zu-gefuhrte Energie fur das Losen von Bindungen benotigt, in diesem Fall andert sich dieinnere Energie auch ohne Temperaturerhohung.

Isotherme Zustandsanderung

Die isotherme Zustandsanderung ist eine thermodynamische Zustandsanderung, bei derdie Temperatur unverandert bleibt

BeispieltextBeispieltext

(8.16)

und damit auch die innere Energie konstant ist

∆U = 0 . (8.17)

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8.3. ZUSTANDSANDERUNGEN 116

Zur Berechnung der Volumenarbeit betrachten wir die Kompression und Expansioneines idealen Gases bei konstanter Temperatur anhand des p-V Diagramms. Die Volu-menanderung soll reversibel erfolgen, d.h. so langsam, dass das System immer im Gleich-gewicht bleibt. Das Warmebad und der Prozess haben immer die gleiche Temperatur. Beider isothermen Komprimierung des Gases wird mit dem Kolben folgende Arbeit geleistet:

δA = −F ds = −pA ds = −p dV . (8.18)

Bei einer Verkleinerung des Volumens wird am System Arbeit geleistet. Wird das Vo-lumen von V1 auf V2 verkleinert, muss die Arbeit

A12 = −V2∫

V1

p(V ) dV (8.19)

geleistet werden. Dies entspricht gerade der Flache unter der Kurve des p-V Diagramms.

Abbildung 8.2: Isotherme Zustandsanderung im p-V Diagramm von einem Zustand 1 zu einemZustand 2.

Als Beispiel betrachten wir die Komprimierung eines idealen Gases unter Verwendungder Gasgleichung

Q12 = −A12 = v RT lnV2

V1

. (8.20)

Es ist

A12 = −V2∫

V1

p(V ) dV = −v RT

V2∫

V1

1

VdV (8.21)

A12 = −v RT (ln V2 − ln V1) = v RT lnV1

V2. (8.22)

In Ubereinstimmung mit der Vorzeichenkonvention ist A12 positiv. Es wird am SystemArbeit geleistet.

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8.3. ZUSTANDSANDERUNGEN 117

Adiabatische Zustandsanderung

in einer adiabatischen Zustandsanderung wird ein System von einem Zustand in einenanderen uberfuhrt ohne dabei Warme mit seiner Umgebung auszutauschen.

BeispieltextBeispieltext

. (8.23)

Versuch # 4195: Adiabatische Entspannung

Fur diesen Versuch steht ein normaler Feuerloscher (CO2) zur Verfugung, der zusam-men mit den anderen Sicherungsanlagen gewartet wird. Beim Spruhen in ein Tuch wirdCO2-Schnee sichtbar.

Wirkungsweise: Der benutzte Feuerloscher ist mit flussigem Kohlenstoffdioxid gefulltund steht unter dem hohen Druck von fast 7000 kPa. Durch Betatigen des Ventils stromtgasformiges Kohlenstoffdioxid heraus. Dabei dehnt sich das Gas in Bruchteilen von Sekun-den um etwa das 1200-fache aus. 1 ml des flussigen Kohlenstoffdioxids aus dem Feuerloschernimmt also ungefahr ein Volumen von 1,2 Liter ein, wenn es gasformig ist. Durch die starkeAbkuhlung sinkt naturlich in Folge auch die Temperatur im Rohr des Feuerloschers starkab, wodurch das Kohlenstoffdioxid teilweise fest wird. Diese Feststoffteilchen des Koh-lenstoffdioxids sieht man als weißen Rauch vor dem Feuerloscher. Bei Raumtemperatursublimiert dieses Kohlenstoffdioxid. Das fuhrt zu einer weiteren Abkuhlung der Umgebung.

Versuch # 1420: Adiabatische Kompression

Das pneumatische Feuerzeug ist ein an einem Ende verschlossenes Glasrohr, in das einGasdichter Kolben mit einem Handgriff eingeschoben werden kann. Man bringt am Kolbenein kleines Watteballchen (Q-Tip) an und trankt es in Ather. Dann setzt man den Kolbenan der Offnung des Rohres an und stoßt ihn kraftig in das Rohr hinein. Die Watte flammtauf. Der Lichtblitz ist bei dunklem Horsaal weithin zu sehen.

Abbildung 8.3: Adiabatische Zustandsanderung im p-V Diagramm - die Isotherme ist zumVergleich ebenfalls eingezeichnet.

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8.3. ZUSTANDSANDERUNGEN 118

Wir betrachten jetzt die Kompression eines Gases unter der Bedingung, dass keineWarme mit der Umgebung ausgetauscht werden kann. Das kann erreicht werden, indemder Prozess sehr rasch ausgefuhrt wird, und/oder in dem das System von der Umgebungisoliert wird.

Nach dem ersten Hauptsatz und da die gesamte Arbeit zur Erhohung der innerenEnergie verwendet wird ist ∆U = −p∆V . Da U unabhangig von V ist, erhoht sich alsodie Temperatur des Gases um

∆U = νCV ∆T = CV∆T (8.24)

fur ein Mol ν = 1 eines idealen Gases. Es folgt

CV∆T = −p∆V (8.25)

und mit Hilfe der Zustandsgleichung fur das ideal Gas folgt

CV∆T

T=

R

V∆V . (8.26)

Also istT∫

T0

1

TdT = − R

CV

V∫

V0

1

VdV . (8.27)

Es folgt die Adiabatengleichung

T

T0=

(

V0

V

)R

CV

(8.28)

und in Schreibweise mit dem Adiabatenexponenten κ = Cp/CV

und R/CV = (Cp − CV )/CV = κ− 1 folgt

T = T0

(

V0

V

)κ−1

. (8.29)

Isochore Zustandsanderung

Die isochore Zustandsanderung ist eine thermodynamische Zustandsanderung, bei der dasVolumen unverandert bleibt

BeispieltextBeispieltext

. (8.30)

Es findet also die Temperaturanderung des Gasgemisches bei konstantem Volumenstatt. Die zugefuhrte Warme leistet keine Arbeit, sie erhoht nur die innere Energie unddamit die Temperatur.

∆Q = CV∆T (8.31)

und

∆U = ∆Q . (8.32)

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8.3. ZUSTANDSANDERUNGEN 119

Abbildung 8.4: Isochore Zustandsanderung im p-V Diagramm von einem Zustand 1 zu einemZustand 2 - die zugehorigen Isothermen sind ebenfalls eingezeichnet.

Isobare Zustandsanderung

Die isobare Zustandsanderung ist eine thermodynamische Zustandsanderung, bei der derDruck unverandert bleibt

BeispieltextBeispieltext

. (8.33)

Bei Erwarmung (oder Abkuhlung) eines Gases wird der Druck konstant gehalten.

Abbildung 8.5: Isobare Zustandsanderung im p-V Diagramm von einem Zustand 1 zu einemZustand 2 - die zugehorigen Isothermen sind ebenfalls eingezeichnet.

Die zugefuhrte Warme erhoht die innere Energie und das Volumen. Ein Teil der thermi-schen Energie wird also in Arbeit verwandelt. Es ist

∆Q = Cp∆T (8.34)

und∆U = ∆Q− p0∆V . (8.35)

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8.4. WARMEKRAFTMASCHINEN 120

Abbildung 8.6: Charakteristische Zustandsanderung im p-V Diagramm

Damit konnen wir also diese vier charakteristischen Zustandsanderungen unter Kon-stanz einer Zustandsgroße in einem Diagramm zusammenfassen. Dies kann im bisher be-nutzen p-V Diagramm geschehen, andere Diagramme sind aber auch moglich und findenVerwendung.

8.4 Warmekraftmaschinen

Warmekraftmaschinen sind zyklisch laufende Maschinen, in denen Warmeenergie in me-chanische Arbeit umgewandelt wird. Bei jedem Zyklus wird einKreisprozess durchlaufen.

In einem Kreisprozess durchlauft ein System mehrerer Zustande und kehrt wiederzum Ausgangszustand (p1, V1, T1) zuruck.

Abbildung 8.7: Schematischer Kreisprozess in einem Zustandsdiagramm

Ob dabei Arbeit verrichtet oder aufgenommen wird, hangt von der Umlaufrichtung ab.Der Betrag der Arbeit ergibt sich aus der durch den Graphen eingeschlossenen Flache.

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8.4. WARMEKRAFTMASCHINEN 121

An einer idealisierten Warmekraftmaschine mit einem idealen Gas als Arbeitsmittellasst sich der Kreisprozess in 4 einzelne Wegstucke zerlegen, die jeweils eindeutig einer deroben genannten Zustandsanderungen entsprechen. Die Schwungscheibe dient als Speicherfur die mechanische Arbeit. Sie nimmt vom Gas mechanische Energie auf, wenn sich derKolben abwarts bewegt und gibt mechanische Energie an das Gas ab, bewegt sich derKolben aufwarts.

Carnotsche Kreisprozess

Die Maschine nach Carnot ist ein Arbeit leistender Zweitaktmotor, bei dem sich ein Kol-ben in einem mit idealem Gas gefullten Zylinder bewegt. Der Zylinder wird im Laufe einesZyklus abwechselnd von außen geheizt, thermisch isoliert, von außen gekuhlt, thermischisoliert und dann wieder geheizt.

Die Idealisierung im Carnot-Prozess liegt vor allem darin, dass die Isothermen, mit gu-tem Warmeubertrag zur Heizung bzw. Kuhlung, an den Ecken 2 und 4 des folgenden Dia-gramms unmittelbar in Aiabaten munden, die schlagartig einen voll gegen Warmeubertragisolierten Zylinder erfordern. Das ist technisch nur annahernd realisierbar.

Das Schwungrad sollte man sich als Rad mit einem Gewicht vorstellen, das bei abwartslaufendem Kolben von 1 nach 3 gegen die Schwerkraft angehoben wird und dessen Lage-energie genugt, um den Kolben gegen den Kompressionswiderstand von 3 nach 1 aufwartszu treiben. Im Arbeitstakt 1-2 wird zusatzlich Arbeit nach außen abgegeben, z. B. kannein Gewicht angehoben werden.

Abbildung 8.8: Carnot-Prozess im p-V Diagramm mit den vier Zustanden 1, 2, 3 und 4, dienacheinander durchlaufen werden.

Der Carnot-Prozess wird also in vier Zustandsanderungen aufgeteilt:- Zustand 1 nach 2: isotherme Expansion (Warmezufuhr, der Kolben treibt das Schwungradan)- Zustand 2 nach 3: adiabatische Expansion (innere Energie nimmt ab, der Kolben treibtdas Schwungrad an)- Zustand 3 nach 4: isotherme Kompression (Warmeabtransport, das Schwungrad treibt

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8.4. WARMEKRAFTMASCHINEN 122

den Kolben hoch)- Zustand 4 nach 1: adiabatische Kompression (Innere Energie nimmt zu, das Schwungradtreibt den Kolben hoch)

Wir mochten jetzt die Frage beantworten, wieviel Arbeit wir mit Hilfe eines reversiblenKreisprozesses maximal gewinnen konnen. Dazu betrachten wir den von Carnot vorge-schlagenen Kreisprozess fur ein Mol (ν = 1) eines idealen Gases.

von Maschine abgegebeneArbeit

von Warmebad bezogeneWarme

A12 = −RT1 lnV2

V1Q12 = RT1 ln

V2

V1

A23 = −CV (T1 − T2) Q23 = 0

A34 = RT2 lnV3

V4Q34 = −RT2 ln

V3

V4

A41 = CV (T1 − T2) Q41 = 0

Die Punkte 2 und 3 sowie 4 und 1 liegen jeweils auf der gleichen Adiabate und es gilt

V2

V1=

V3

V4. (8.36)

Also ist die Bilanz des Kreisprozesses fur die Arbeit

∆A = A12 + A23 + A34 + A41 = −RT1 lnV2

V1

+RT2 lnV2

V1

(8.37)

oder

∆A = −R (T1 − T2) lnV2

V1< 0 . (8.38)

Die Arbeit hat ein negatives Vorzeichen, weil sie nach aussen abgegeben wird.

entsprechend ist die Bilanz des Kreisprozesses fur die Warme

∆Q = Q12 +Q23 +Q34 +Q41 (8.39)

oder

∆Q = RT1 lnV2

V1−RT2 ln

V2

V1= R (T1 − T2) ln

V2

V1> 0 . (8.40)

Die Warme wird der Maschine zugefuhrt und hat also ein positives Vorzeichen.

Der Vergleich von verschiedenen Maschinen erfolgt uber den thermischen Wirkungs-grad. Der Wirkungsgrad ist der Quotient aus dem Betrag der abgegebenen Arbeit und derzugefuhrten Warme Q12

ηC =|∆A|Q12

=Q12 +Q34

Q12=

R (T1 − T2) ln(V2/V1)

RT1 ln(V2/V1)=

T1 − T2

T1< 1 . (8.41)

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8.4. WARMEKRAFTMASCHINEN 123

Dies entspricht dem bestmoglicher Wirkungsgrad einer reversibel arbeitenden Maschi-ne.

Je grosser die Temperaturdifferenz der Warmereservoirs ist desto grosser ist der Wir-kungsgrad. Der Ausdruck fur den Wirkungsgrad enthalt nur Temperaturen. Dies ist einHinweis (aber kein Beweis), dass die Arbeitssubstanz im Carnot-Prozess unwesentlich ist.Der reale Wirkungsgrad ist wesentlich kleiner, da viele irreversible Prozesse stattfinden.

Achtung, der reversible Carnot-Prozess ist praktisch unbrauchbar, da fur eine Rever-sibilitat eine unendlich lange Zeit notig ist (was fur typische Maschinen nicht zu erfullenist).

Umkehrung Carnotscher Kreisprozess

Zur Warmeerzeugung kann man den Kreisprozess ruckwarts (im Gegenuhrzeigersinn) lau-fen lassen. Dieser Prozess heisst dann inverser Carnotscher Kreisprozess. Mit diesem wirdunter Zufuhrung von Arbeit Warme aus der Umgebung bei einer hohen Temperatur T2

wieder abgeben. Fur diese Warmepumpe kann man einen Pumpeffekt definieren, namlicheinen Quotienten aus erzeugter Warme und zugefuhrter Arbeit. Bei der Warmepumpe istdie Warmequelle die kalte Umgebung mit der Temperatur T2 von der Warme zur war-men Heizung des Hauses mit der Temperatur T1 transportiert wird. Die entsprechendeLeistungszahl ist

εheizen =∆Qwarm

∆A=

Twarm

Twarm − Tkalt=

T1

T1 − T2=

1

ηC. (8.42)

Es gilt also fur die Leistungszahl ε > 1.

Fur den Kuhlschrank ist die Warmequelle das kalte Kuhlschrankinnere mit der Tem-peratur T2 von der Warme zur warmen Umgebung des Kuhlschranks mit der TemperaturT1 transportiert wird. Die entsprechende Leistungszahl ist

εkuehlen =∆Qkalt

∆A=

Tkalt

Twarm − Tkalt=

T2

T1 − T2= εheizen − 1 . (8.43)

Eine Leistungszahl ε von 4 bedeutet, dass das Vierfache der eingesetzten elektrischenLeistung in nutzbare Warmeleistung umgewandelt wird.

Stirlingscher Kreisprozess

Der Stirling-Kreisprozess besteht aus zwei Isothermen und zwei Isochoren und wird ublicherweisein dem p-V oder T-S-Diagramm dargestellt.

Der Stirlingscher Kreisprozess wird also in vier Zustandsanderungen aufgeteilt:- Zustand 1 nach 2: isotherme Expansion- Zustand 2 nach 3: isochore Abkuhlung- Zustand 3 nach 4: isotherme Kompression

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8.4. WARMEKRAFTMASCHINEN 124

Abbildung 8.9: Stirlingscher Kreisprozess im p-V Diagramm mit den vier Zustanden 1, 2, 3und 4, die nacheinander durchlaufen werden.

- Zustand 4 nach 1: isochore Erwarmung

Der maximale Wirkungsgrad des Stirlingscher Kreisprozess ist gleich gross ist wie derCarnot’sche Wirkungsgrad

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (8.44)

Versuch # 4198: Heizluftmotor (Stirlingsche Maschine)

Die Stirlingmaschine hat einen Aufsatz mit einem Thermoelement und einen mit ei-ner Heizspirale. Der untere Teil der Maschine besteht aus doppelwandigem Plexiglas undwird mit Wasser gekuhlt bzw. auf gleiche Temperatur gehalten. man kann sie also so-wohl als Kuhlaggregat oder als Warmepumpe als auch als Warmekraftmaschine betrei-ben. Die ersten beiden Falle unterscheiden sich nur durch die Drehrichtung der Maschi-ne, die durch den angeschlossenen Elektromotor definiert wird. Die Temperaturerhohungbzw. -erniedrigung wird uber ein Galvanometer mit Laserzeiger angezeigt. Mit der Stir-lingmaschine verbunden ist ein p-V-Anzeigegerat, das - ebenfalls uber einen Laser - daspV-Diagramm fur jede Betriebsart an die Leinwand zeichnet. Zum Betrieb der Maschineals Warmekraftmaschine wird die Heizspirale auf den Maschinenkopf gesetzt und mit einerSpannung von 14 bis 20 Volt auf mittlere Rotglut gebracht. Gleichzeitig muss unbedingtdie Wasserkuhlung laufen. Außerdem darf die Heizspirale unter keinen Umstanden denGlas - Verdranger der Maschine beruhren. Die Maschine lauft meistens nicht von selbstan. Auf keinen Fall darf man dieses Anlaufen durch Erhohen der Heiztemperatur erzwin-gen wollen. Man riskiert die Zerstorung der Glasteile. Ein leichtes Drehen am Schwungradbringt die Maschine zum Laufen. Sie beschleunigt dann aber von selbst.

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8.4. WARMEKRAFTMASCHINEN 125

Stirling Motor

Dieser Motor ist auch ein Zweitakt Motor, der aber mit zwei Kolben arbeitet: Der erste istder Arbeitskolben, der wie bei der Carnot Maschine mit dem Schwungrad verbunden ist.Bei Expansion des Gases lauft er abwarts und ubertragt mechanische Energie vom Gasauf das Schwungrad. Zur Kompression des Gases lauft er aufwarts und gibt Energie vomSchwungrad an das Gas zuruck. Der zweite Kolben heisst Verdrangerkolben und dient nurzur Verschiebung des Gases von einem Ort im Zylinder zu einem Ort mit anderer Tempera-tur, ohne Anderung des Volumens, also isochor. Erfolgt die Bewegung des Gases genugendlangsam, dann gibt es keine Reibungsverluste und die Bewegung des Verdrangerkolbenserfolgt ohne Energieaufwand.

Abbildung 8.10: Stirling Motor

In der Stirling Maschine wird, im Gegensatz zur Carnot Maschine, der Zylinderkopfimmer geheizt, der Zylinderboden immer gekuhlt. Deshalb ist der Stirling Motor technischrealisierbar, wenn auch die Ansteuerung des Verdrangerkolbens kompliziert ist. Im Ideal-

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 126

fall, wie im Schema der folgenden Abbildung, bewegt sich der Verdrangerkolben nur dannrelativ zum Arbeitskolben, wenn der Letztere im unteren oder oberen Totpunkt angekom-men ist.

Otto Motor

Der Otto-Kreisprozess ist ein Gleichraumprozess, also ein Prozess, der auf der idealisiertenAnnahme beruht, dass die Warmezufuhr bei gleichbleibendem Volumen (isochor) stattfin-det. Dazu im Gegensatz steht der idealisierte Diesel-Prozess, bei dem die Warmezufuhr beikonstantem Druck (isobar) erfolgt. Beim Otto-Prozess sind die Temperaturen nicht sehrgut bekannt.

Abbildung 8.11: Otto Motor

Es sind nur adiabatische und isochore Prozesse zugelassen. Der thermische Wirkungsgradist

ηO = 1− 1/

(

Va

Vb

)(κ−1)

< 1 (8.45)

mit κ =Cp

CV

.

Der thermische Wirkungsgrad des idealen Otto-Prozesses ist damit umso hoher, jestarker das Arbeitsmedium komprimiert wird. Er ist gleich dem Wirkungsgrad des Joule-Prozesses. Fur den realen Ottomotor wird allerdings das Verdichtungsverhaltnis durch dieKlopffestigkeit des Gasgemisches nach oben hin begrenzt.

8.5 Reversible und irreversible Prozesse

Reversibler Prozess: Ein reversibler Prozess ermoglicht die Ruckkehr zum Ausgangszu-stand ohne bleibende Veranderung. Man kann sich das an einer Carnot Maschine veran-schaulichen. Voraussetzung fur den reversiblen Ablauf ist, dass in jedem Augenblick einGleichgewichtszustand erreicht wird. Die Laufrichtung konnte jederzeit umgekehrt werden.

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 127

Ideale Maschinen durchlaufen reversible Prozesse.

Irreversivbler Prozess: Ersetzt man die Carnot Maschine durch eine reale Maschi-ne, dann ist der Ablauf irreversibel, bei Umkehrung wird der Ausgangszustand nicht mehrerreicht: Das obere Reservoir wird z.B. nicht so warm wie es war, das untere nicht mehrso kalt (z.B. ideale Maschine ηirrv < ηC).

2. Hauptsatz der Thermodynamik

Um Warme von einem Ort tiefer Temperatur zu einem hoherer Temperatur zu transpor-tieren, muss außere Arbeit geleistet werden = alle Naturvorgange sind irrversible!

Versuch # 4021: zerknautschtes Bierfass

Ein leeres 5 l Bierfass wird mit ca. 50 ml Wasser gefullt. Mit einem Bunsenbrenner wirddas Fass so stark erhitzt, dass das Wasser kocht und sich Wasserdampf bildet. Der Was-serdampf als Gas nimmt das Volumen ein, das ihm zur Verfugung steht und verdrangt dieLuft aus dem Fass. Dann wird das Fass verschlossen. Durch das Uberschutten mit kaltemWasser wird der Wasserdampf so stark abgekuhlt, dass er wieder kondensiert. Der Druckim Fass sinkt ab, weil das Wasser ein kleineres Volumen hat als vorher der Wasserdampf.Der Luftdruck von außen ist nun stark genug, um das Bierfass zusammenzudrucken. EinDank an die Firma Paulaner fur die leeren Bierfasser.

Aggregatzustande

Als Aggregatzustande bezeichnet man die qualitativ verschiedenen Zustande eines Stoffs,die sich durch bloße Anderungen von Temperatur oder Druck ineinander umwandelnkonnen. Es gibt die drei klassischen Aggregatzustande fest, flussig, gasformig. WelcherAggregatzustand bzw. welche Phase je nach Druck und Temperatur jeweils stabil ist, wirdin einem Phasendiagramm dargestellt.

Die Ubergange zwischen den verschiedenen Aggregatzustanden haben spezielle Namenund spezielle Ubergangsbedingungen (Druck und Temperatur). Diese Ubergangsbedingungenentsprechen dabei Punkten auf den Phasengrenzlinien von Phasendiagrammen.

Versuch # 4103: Wasserbombe

Eine Gusseisenkugel wird komplett mit Wasser gefullt und dicht verschraubt. Nungeben wir die Kugel in einen Behalter mit flussigem Stickstoff. Der Behalter mit demflussigem Stickstoff befindet sich in einem mit Sand gefullten Metalleimer. Dieser wird miteiner Metallplatte abgedeckt und diese mit einem Bleiklotz beschwert. Das Wasser im In-neren der Kugel gefriert und dehnt sich dabei aus. Nach einigen Minuten wird der Druckdes Wassers so groß, dass die Kugel mit einem lauten Krachen explodiert. Meist hebt sichhierbei der Deckel und Sand verspritzt im Horsaal.

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 128

Abbildung 8.12: Zuordnung im p-T Diagramm statt bisherige im p-V Diagramm

Wasser

Wasser ist die einzige chemische Verbindung auf der Erde, die in der Natur als Flussigkeit,als Festkorper und als Gas vorkommt. Die Bezeichnung Wasser wird dabei fur den flussigenAggregatzustand verwendet. Im festen Zustand spricht man von Eis, im gasformigen Zu-stand von Wasserdampf. Der Siedepunkt von Wasser liegt bei 100 oC und der Gefrierpunktvon Wasser liegt bei 0 oC.

Versuch # 4170: Fixpunkte von Wasser

Wir fullen einen Fingerhut etwa zu zwei Drittel mit Wasser, halten ein Thermoelementin die Mitte der Flussigkeit (Stativ) und frieren das Ganze mit flussigem Stickstoff ein. DieThermospannung wird uber das Pascosystem gezeigt. Taucht man den mit Eis gefulltenFingerhut samt Thermoelement in ein Becherglas mit kaltem Wasser (Abbildung mit derFernsehanlage), so steigt die Temperatur zunachst bis zu einem gewissen Punkt an undbleibt dann konstant. Nach kurzer Zeit fallt der Fingerhut ab und das Eisklotzchen wirdsichtbar. Wir erwarmen das Wasser gelinde mit einem Bunsenbrenner. Die Temperaturim Eis bleibt trotzdem konstant, bis es ganz geschmolzen ist. Jetzt registrieren wir beiweiterem Erhitzen einen Temperaturanstieg des Wassers bis es zu sieden beginnt. Trotzheftigen Siedens und fortgesetztem Heizen bleibt jetzt die Temperatur wieder konstant.

Der Fall des Wassers, dargestellt im unteren Phasendiagramm, ist besonders entschei-dend fur das Verstandnis der Dynamik innerhalb der Atmosphare und damit des Wetters inBezug auf die Luftfeuchtigkeit bzw. den Wasserdampf. Das Phasendiagramm des Wassersist aufgrund dessen und seiner Bedeutung fur viele Bereiche das am weitesten verbreitetePhasendiagramm und weist zudem eine wichtige Besonderheit auf. Die Anomalie des Was-

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 129

sers fuhrt dazu, dass im Phasendiagramm des Wassers eine Besonderheit zu beobachtenist, die es nur mit wenigen anderen Stoffen gemein hat. Die Schmelzdruckkurve weichtnach links ab, befindet sich also bei niedrigeren Temperaturwerten als im Tripelpunkt.Dies ist ungewohnlich und fuhrt letztendlich dazu, dass Eis auf Wasser schwimmen kann,folglich auch eine geringere Dichte besitzt und leichter ist als das umgebende Wasser. Die-se Anomalie resultiert aus den physikalischen Eigenschaften der Wassermolekule und dendadurch bedingten Wasserstoffbruckenbindungen.

Abbildung 8.13: Phasendiagramm von Wasser

Erinnerung: Aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik folgt, dass die Energieeines Systems ohne Einwirkung von außen konstant ist. Dies macht jedoch keine Aussagedaruber, welcher von vielen moglichen Zustanden, die alle dieselbe Energie haben, wirklichvorliegt, d. h. welcher Zustand der wahrscheinlichste ist.

Ein Makrozustand beschreibt ein System mit vielen Freiheitsgraden (also z. B. einGas, das aus 1 mol ∼ 1023 Einzelteilchen besteht) durch einige wenige Zustandsvariablen,wie Energie, Temperatur, Volumen, Druck oder chemische Zusammensetzung. Es gibt vielemogliche Makrozustande fur ein System. Das Maß fur die Wahrscheinlichkeit des Auftre-tens eines Makrozustandes zur selben Energie (also zur selben Temperatur) definiert eineneue fundamentale Große, die Entropie S des Zustands.

Entropie

Die Entropie ist proportional zum Logarithmus der Wahrscheinlichkeit eines Zustands P(Wahrscheinlichkeit ein physikalisches System in einem Zustand zu finden). Je wahrschein-licher der Zustand (je großer P), desto großer die Entropie

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 130

BeispieltextBeispieltext

. (8.46)

Die SI-Einheit der Entropie ist J/K.

Statistische Interpretation der Entropie:Wir nehmen N Molekule und 2 Zustande. Es sei n1 die Zahl der Molekule im Zustand1 und n2 die Zahl der Molekule im Zustand 2, mit Teilchenzahlerhaltung N = n1 + n2.Damit ist die Wahrscheinlichkeit

P =N !

n1!n2!(8.47)

und mit der Stirling Formel fur große N gilt

ln(N !) = N ln(N)−N (8.48)

berechnet sich P , die Zahl der Mikrozustande. Es sind alle Mikrozustande gleich wahr-scheinlich. Die Zahl der Mikrozustande zu einem Makrozustand ist ein quantitatives Maßfur den Grad der Unordnung dieses Zustandes und der wahrscheinlichster Makrozustandist durch die meisten Mikrozustande realisiert.

Die Entropie ist also ein Maß fur die Ordnung bzw. Unordnung eines Systems.

Die Entropie S ist eine thermodynamische Zustandsfunktion, die wie Temperatur T ,Volumen V und Druck pden Zustand eines Systems beschreibt. Die Entropieanderungbei einem reversiblen Ubergang von einem Anfangszustand i in einen Endzustand f ist

∆S =

dQrev

T=

ausgetauschte Warme

Temperatur. (8.49)

Hierbei ist die reversibel ubertragene Warmemenge dQrev.

Beispiel: Die freie Expansion eines Gases vom Volumen V0 auf ein Volumen 2V0.

Beispiel: Der Warmekontakt zwischen zwei Korpern mit der gleichen Masse m und glei-chen spezifischen Warme c, aber mit einer unterschiedlichen Temperatur T1 > T2.

Die Entropieanderung im Korper 1,2 ist

∆S1,2 =

∫ TM

T1,2

,dQrev

T= cm

dT

T= cm ln

(

TM

T1,2

)

(8.50)

mit der Mischtemperatur

TM =T1 + T2

2. (8.51)

Damit ist die Entropieanderung des Gesamtsystems

∆S = ∆S1 +∆S2 = cm ln

(

T 2M

T1T2

)

> 0 . (8.52)

Die Entropie nimmt also zu!

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 131

Abbildung 8.14: freie Expansion

2. Hauptsatz der Thermodynamik

Fur ein abgeschlossenes System nimmt die Entropie bei irreversiblen Prozessen zu undbleibt bei reversiblen Prozessen konstant. es ist also

BeispieltextBeispieltext

. (8.53)

Der 2. Hauptsatz definiert eine Richtung der Zeitachse: Auf der Zeitachse kann man sichnur in Richtung hoherer Entropie bewegen.

Warmetod des Universums: Irgendwann wird universelles Gleichgewicht im wahrsten Sinnedes Wortes, und damit maximale Unordnung erreicht sein. Nichts wird sich mehr andern- das Universum hat den Warmetod erlitten.

Entropie des idealen Gases

Fur ein ideales Gas ist die Entropieanderung

dS =dQ

T=

dU

T+

p dV

T= v CV

dT

T+ v R

dV

V. (8.54)

Mit dem ersten Hauptsatz∆U = ∆Q− p∆V (8.55)

und der idealen GasgleichungpV = v RT = N k T (8.56)

folgt fur konstantes CV und einer Integration mit dem Anfangszustand i und dem Endzu-stand f

∆S = Sf − Si = v CV lnTf

Ti

+ v R lnVf

Vi

. (8.57)

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8.5. REVERSIBLE UND IRREVERSIBLE PROZESSE 132

Mischungsentropie

Es gibt die Additivitat der Entropie. Also ist fur zwei statistisch unabhangige Systeme mitden Entropien S1 und S2 die Gesamtentropie

BeispieltextBeispieltext

. (8.58)

Zur Berechnung der Mischungsentropie betrachten wir zwei verschiedene Gase mit N1

Molekulen der Sorte 1 und N2 Molekulen der Sorte 2, mit

N1/V1 = N2/V2 . (8.59)

Dann ist

Sm = kBN1 lnN1 +N2

N1+ kBN2 ln

N1 +N2

N2. (8.60)

3. Hauptsatz der Thermodynamik

Es ist prinzipiell unmoglich, den absoluten Temperaturnullpunkt (0 Kelvin) zu erreichen.⇒ Der thermodynamische Gleichgewichtszustand am absoluten Nullpunkt ist ein Zustandmaximaler Ordnung, der nur eine Realisierungsmoglichkeit mit Wahrscheinlichkeit 1 hat.

Das Nernstsche Theorem besagt

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (8.61)

Versuch # 4130: Experimente mit flussiger LuftEine Blume, ein Gummischlauch und eine kleine Bleiglocke werden in flussigen Stick-

stoff getaucht und die Anderung der Materialeigenschaften demonstriert.

Enthalpie

Die Enthalpie H , auch Warmeinhalt genannt, ist ein Maß fur die Energie eines thermody-namischen Systems. Es ist keine neue Große, sondern nur eine Kombination aus bekanntenGroßen (U, p, V ). es gilt

H = U + pV . (8.62)

Zur Motivation betrachten wir einen isobaren Prozess (p = konst.) in einem geschlossenenSystem (n = konst.). Die differentielle Anderung der Enthalpie ist dann

dH = dU + pdV + V dp = dU + pdV (8.63)

und mit dem 1. Hauptsatz ist

dH = dQ− pdV + pdV = dQ . (8.64)

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8.6. DAS REALE GAS 133

Da U, p und V Zustandsgroßen sind, ist auch H eine Zustandsgroße.

Versuch # 4030: Sieden an der Grenze zweier Flussigkeiten

In ein Reagenzglas mit 100 ml Fassungsvermogen, werden 25 ml gefarbtes Wassergefullt. Daruber schichtet man 25 ml Ather, der mit Jod angefarbt wurde. Mit Hilfe derVakuumpumpe mit vorgeschaltetem Ventil pumpt man nun vorsichtig ab. Bei geeignetemUnterdruck in der Apparatur beginnt der Ather an der Trennschicht zu sieden.

8.6 Das reale Gas

Im Gegensatz zu idealen Gasen zeigen die Teilchen der realen Gase eine Ausdehnung. Furihre Bewegung in einem gegebenen Volumen steht ihnen deshalb nur ein um ihr eigenes Vo-lumen kleinerer Raum zur Verfugung. Ausserdem ziehen sich reale Teilchen mit der van derWaals Kraft an. Diese ist zwar von nur kurzer Reichweite, beeinflusst aber doch merklichdie Dynamik der Teilchen. Beide Effekte sind in der van der Waalsschen Zustandsgleichungfur reale Gase berucksichtigt.

Die van der Waalssche Zustandsgleichung fur reale Gase ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (8.65)

Hierbei ist a ist der Binnendruck durch Wechselwirkung der Teilchen mit der SI-Einheit[bar m 6 mol −2] und b ist das Van der Waalssches Kovolumen und betragt etwa das 4-fachedes Eigenvolumens der darin enthaltenen Molekule mit der SI-Einheit [m 3 mol −1]. Furniedere Drucke und hohe Temperaturen geht diese Gleichung in die ideale Gasgleichunguber.

Van der Waals Gas

Der Verlauf von Isothermen (T = konst.) in einem P (V )-Diagramm hangt von der Artdes verwendeten Gases ab (Stoffkonstanten a, b in der van-der-Waals-Gleichung). Ver-gleichen wir die Van-der-Waals-Isothermen und die Isothermen des idealen Gases mit-einander, so gilt: Je hoher die Temperatur, desto grosser ist die ubereinstimmung. FurTemperaturen unterhalb und in der Nahe der kritischen Temperatur Tk dagegen liegendie beiden Isothermen an vollig unterschiedlichen Stellen: Zu gegebenem Volumen ist derDruck bei den VdW-Isothermen i.a. kleiner als beim idealen Gas (als Konsequenz derattraktiven Wechselwirkung). Dies gilt jedoch nicht fur sehr kleine Volumina (wenn dieVdW-Zustandsgleichung eine Flussigkeit beschreibt): Dann ubersteigt der Druck der VdW-Isotherme denjenigen des idealen Gases.

An der positiven Steigung der Kurven in einigen Bereichen erkennt man, dass die VdW-Gleichung nicht fur alle Werte von (p,V) eine zulassige Zustandsgleichung eines Stoffes

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8.6. DAS REALE GAS 134

darstellt.

Die Große des Dampfdruckes zu einer gegebenen Temperatur (also die Lage des hori-zontalen Geradenstucks AD in der Isothermen) erhalt man nach der sogenannten Maxwell-Konstruktion: Die Flachen zwischen Isotherme und Horizontale ober- und unterhalb derHorizontalen mussen gleich groß sein.

Abbildung 8.15: Maxwell-Konstruktion: A,D zeigt exemplarisch die Grenzen des Zweiphasen-gebietes und B,C sind Punkte mit horizontalen Tangenten

Versuch # 4188: ZustandsflachenDas Modell einer pVT-Zustandskurve ist vorhanden. Außerdem konnen die Projektio-

nen der Zustandsflache auf die pV bzw. pT Ebenen in Form von auf Plexiglas aufgebrachtenZustandskurven auf die Schreibprojektion gelegt werden.

Phasendiagramme

Das Phasendiagramm ist ein Hilfsmittel fur die Veranschaulichung von Zustanden undderen zugehorigen Phasen. Die Diagramme enthalten einige Kurven, die Bereiche unter-schiedlicher Phasen, beziehungsweise hier auch Aggregatzustande, voneinander abgrenzen.Diese Kurven, die man als Phasengrenzlinien bezeichnet, stellen die Mischbereiche dieserPhasen dar. Unter den durch sie gegebenen Bedingungen stehen folglich mehrere Phasen imthermodynamischen Gleichgewicht. Die Linien werden als Siedepunktskurve (zwischen Tri-pelpunkt und kritischem Punkt, Phasengrenze flussig/gasformig), Sublimationsdruckkurve(zwischen Nullpunkt und Tripelpunkt, Phasengrenze fest/gasformig), sowie Schmelzdruck-kurve (Phasengrenze fest/flussig) bezeichnet. Siedepunkts- und Sublimationsdruckkurvekonnen hierbei auch zur Dampfdruckkurve zusammengefasst werden.

Eine Anderung von Druck p oder Temperatur T andert den Aggregatzustand.

Beispiel: Geysir - Geysire sind Naturphanomene, die entstehen konnen, wenn heißes Was-ser nahe der Erdoberflache existiert, das unter gewissen Bedingungen in Fontanen ausge-

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8.6. DAS REALE GAS 135

Abbildung 8.16: Zustandsflachen - Phasendiagramme

stoßen wird. Die physikalische Ursache fur den Ausbruch eines Geysirs ist die Abhangigkeitder Siedetemperatur des Wassers vom Umgebungsdruck.

Versuch # 4023: Modell eines Geysirs

Der Aufbau dieses Versuchs besteht aus einem Erlenmeyer Kolben als Wasserreservoir.An die Offnung des Kolbens wurde ein etwa 2 Meter langes Glasrohr mit einer lichtenWeite von 20 mm aufgeschmolzen. Am oberen Ende des Glasrohres befindet sich eineAuffangschale (Satellitenschussel 60 cm Durchmesser) welche einen See simulieren soll.Erhitzt man das Wasserreservoir, so bilden sich nach einiger Zeit Blasen, die im Rohrnach oben weichen. Diese Blasen werden immer großer und es entstehen kleine Fontanen.Diese explodieren dann zu einer großen Fontane. Mit Hilfe des Auffangtrichters fullt sichdas Wasserreservoir und das Rohr wieder, sodass sich das ganze Schauspiel erneut abspielt.

Durch die Flussigkeitssaule im Steigrohr lastet ein Druck auf dem Wasser im Glas-kolben. Erst wenn der Dampfdruck des Wassers großer ist als der durch die Wassersauleverursachte Druck, kommt es zum Sieden des Wassers und damit zur Blasenbildung imInnern der Flussigkeit. Da die Wasserdampfblasen aber sehr schnell ein erheblich großeresVolumen einnehmen und den ganzen Rohrquerschnitt beanspruchen, drucken sie die Was-sersaule nach oben und es kommt zum Ausbruch des Geysirs.

Durch die Auffangwanne lauft das abgekuhlte Wasser zuruck in Kolben und Steigrohrund der Prozess beginnt von vorne.

Bei konstanter Warmezufuhr lauft der Prozess periodisch ab, da sich jeweils die gleicheWassermenge im Kolben befindet, etwa gleich viel Wasser bei einem Ausbruch abgekuhltwird usw.

Wurde man das Steigrohr nicht mit Wasser fullen, so wurde der Geysir nicht ausbre-chen, weil der Uberdruck dann nicht aufgebaut wird.

Losungen

Eine Losung ist eine homogene Mischphase, bei der von einer Komponente nur so wenigvorhanden ist, dass deren feinverteilte Partikel untereinander keine Verbindung haben. Dieeine Komponente ist also das Losungsmittel und die andere Komponente die geloste Sub-

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8.6. DAS REALE GAS 136

stanz.

Versuch # 4085: Diffusion von ModellgasDer kleine Luftkissentisch wird auf einer Schreibprojektion genau horizontal justiert

und dann mit je 10 gelben bzw. roten Gasmolekulen bestuckt, die man durch eine Trenn-wand zunachst voneinander isoliert. Der Luftstrom des Tisches bringt genugend Unruhe indie Pucks, um eine Molekulbewegung zu simulieren. Nach dem Entfernen der Trennwandkann man verfolgen, wie sich die beiden Gase langsam vermischen.

Gase in Gasen: Der Gesamtdruck einer Gasmischung ist die Summe aller Partial-drucke der Gaskomponenten. Nach dem Daltonsche Partialdruckgesetz ist

BeispieltextBeispieltextBeispieltext

. (8.66)

Der Partialdruck einer Komponente ist der Druck, den diese Komponente ausubenwurde, befande sie sich alleine mit der gleichen Teilchenzahl im Behalter.

Abbildung 8.17: Veranschaulichung zu Partialdruck mit zwei unterschiedlichen Gasteilchen

Im Bild der Gaskinetik ist das leicht verstandlich, denn der Druck ist der in einerZeiteinheit ubertragene Impuls auf die Wand. Die Impulsubertrage der einzelnen Teilchen-sorten sind voneinander unabhangig und additiv. Es ist

p1 =n1m1v

21

3und p2 =

n2m2v22

3. (8.67)

Der Sattigungsdampfdruck ps(T ) ist der Gleichgewichtsdruck uber der Flussigkeit: Esgehen gleich viele Teilchen von der Gasphase in die Flussigkeit uber wie umgekehrt. DerPartialdruck des Wasserdampfes in Luft (relative Luftfeuchte) ist

fr =pH2O

ps(T ). (8.68)

Versuch # 4185: SiedepunktserhohungWir zeigen die hohere Siedetemperatur einer Kochsalzlosung gegenuber der von reinem

Wasser. Dazu verwenden wir ein Becherglas mit destilliertem Wasser und zeigen die Siede-temperatur mit Hilfe eines Digitalthermometers. Nun gibt man zwei Essloffel Salz in dasGlas und wartet erneut das Sieden ab. Das Thermometer zeigt jetzt eine deutlich hohereTemperatur.

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8.6. DAS REALE GAS 137

Feste Stoffe in Flussigkeiten: Das Raoult-Gesetz besagt: Die relative Erniedrigungdes Dampfdrucks des Losungsmittels ist gleich dem Molenbruch des gelosten Stoffes.

Abbildung 8.18: Dampfdruckerniedrigung bewirkt eine Siedepunktserhohung und eine Gefrier-punktserniedrigung

Eine Dampfdruckerniedrigung bewirkt eine Siedepunktserhohung ∆TS = Kbb und eineGefrierpunktserniedrigung ∆TG = Kfb mit Kb,f Konstanten und b = n(X)/mL als Mola-litat der Losung, also die Stoffmenge der Substanz X in mol bezogen auf die Masse desLosungsmittels in kg.

Kolligative Eigenschaften

Kolligative Eigenschaft einer Losung hangt von der Anzahl und nicht von der Naturder Teilchen in der Losung ab! Dies erfordert eine Wechselwirkungsfreiheit zwischen dengelosten Teilchen und den Losemittelteilchen. Voraussetzung ist also eine stark verdunnte,ideale Losung.

Allgemein ist eine beobachtbare kolligative Variable Θ fur ein Volumen V mit∑

i ni

Molekulen

Θ =klV

i

ni . (8.69)

Nach Einfuhrung der massenbezogenen Konzentration c folgt

Θ

c=

klmNA (8.70)

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fur unendlich verdunnte Losungen mit c → 0.Beispiele: Siedepunktserhohung, Schmelzpunktserniedrigung, Dampfdruckerniedrigung,

Osmotischer Druck

Versuch # 4095: Osmose

Ein etwa 10 cm langes Stuck Dialyseschlauch mit einem Durchmesser von etwa 3 cmist unten verschlossen und oben mit einem Steigrohr versehen. Es wird mit konzentrierterKochsalzlosung gefullt und dann in ein Gefaß mit destilliertem Wasser gestellt. Die Losungsteigt schnell im Steigrohr hoch. Der Vorgang wird in einer optischen Abbildung sichtbargemacht.

Osmose ist die einseitig gerichtete (= selektive) Diffusion eines Losungsmittels durch einsemipermeables Medium. Dabei diffundiert das Losungsmittel von Bereichen mit niedrige-rer Konzentration des gelosten Stoffes in Bereiche mit hoherer Konzentration des gelostenStoffes. Das semipermeable (besser: selektiv permeable) Medium ist fur das Losungsmitteldurchlassig, nicht aber fur den gelosten Stoff.

Abbildung 8.19: Osmose

Die Osmose verlauft immer so, dass ein osmotischer Druck entsteht. Teilchen des Losungsmittelsdiffundieren aus der Losung geringerer Konzentration (hypotonische Losung) in die Losunghoherer Konzentration (hypertonische Losung), so dass sich die Konzentrationen einanderangleichen (isotonische Losungen). Die Volumina der Losungen verandern sich hingegen, sodass beim Erreichen des osmotischen Gleichgewichts alle durch die semipermeablen Mem-branen getrennten Losungen die gleiche Konzentration haben, aber evtl. ein großeres oderkleineres Volumen als zuvor.

Der Osmotische Druck ist nach dem Vant Hoffsches Gesetz

BeispieltextBeispieltext

. (8.71)

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