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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 43. JAHRGANG, HEFT 6 15. MARZ 1965 Experimente zur Anaerobiose der Krebszellen* Von OTTO WARBUEG, K. GAWEI-IN, A. W. GEISSLER, D. KAYSEI~ und S. LORENz Aus dem M:ax-Planck-Institut fiir Zellphysiologie,Berlin-Dahlem Es wird heute angenommen, und es ist im be- sonderen yon dem amerikanischen Physiko-Chemiker ttA~OLD U~Y ~ begriindet worden, dab das Leben auf unserem Ptaneten zu einer Zeit entstand, als die Erdatmosp/~re noeh keinen Sauerstoff enthielt; so dab die ersten Lebewesen Anaerobier gewesen sein miissen, d.h. Zellen, die ihre Energie niehg dureh die Sauerstoffatmung, sondern dutch G~rnngen gewonnen haben. Auf Grund der Ver~eilung der Sehwefetiso- topen zwisehen oxydierten und reduzierten Sehwefel- verbindungen hat man bereehnet, dab der Sauerstoff in der Erdatmosphfixe vor etwa 800 Millionen Jahren auftrat, vielleieht infolge der Spaltung des Wassers in H-|-OI[ dutch das ultraviolette Sonnenlieht der Wellenl~nge 236 m#. Damals, vor 800 MiUionen Jahren, begann die Sauerstoffatmung anstelle der G~rungen die energMiefernde tgeaktion des Lebens zu werden; und damals begann die H6herentwieklung des Lebens aus den primitiven ggrenden Zellen zu den KSnigreiehen der Pflanzen und der Tiere. Dieser umwglzende EinfluB des Sauerstoffes anf das Leben ist zu verstehen, wenn man bedenkt, dab 1 g Zucker, der dureh Sauerstoff zn Kohlens/~ure und Wasser verbrennt, etwa I5mal soviel Energie liefert ale I g Zueker, der zu Milchs~.ure vergoren ~drd. Seit dem Auftreten der Sauerstoffatmung also konnte in der Mikrostruktur der Zelte auf gleichem gaum 15ram soviel gesehehen Ms vorher mit Hilfe der Giirun- gen oder, anders ausgedriiekt, seit dem Auftreten der Satierstoffatmung kormte die Mil~ostruktur des Le- bens auf das 15fache verfeinert werden. Was hat diese Vorgesehiehte des Lebens mit dem Krebsproblem zu tun ? Die Antwort ist, dab Krebs die Riiekkehr der hoehentwiekelten K6rperzellen zu den primitiven Formen des Lebens ist. Start, wie die normalen K6rperzellen, den Zucker mit Sauerstoff zu verbrennen, verg/~ren sie den Zueker zu Milehs/~ure. Wenn nun in der Vorgeschiehte des Lebens der Ubergang yon der G/~rung zur Atmung die HSher- entwieIdung des Lebens hervorgerufen hat, muB der umgekehrte Weg, die Rfiekkehr yon der Atmung zur G~rung, 1Rfickentwicldung zu den primitiven Formen des Lebens bedeuten. In der Tat haben Krebszellen, die aus Leberzellen oder Nierenzellen oder Muskel- zellen entstanden sinai, ihre speziellen t~unktionen ver- loren und nur die nunmehr sinnlosen Eingensehaften des Waehstums und der Teilung iibrigbehalten. Die Anaerobiose, das Leben ohne Sauers~off, ist von Louis PASTEUt¢ 2 vor etwa hundert Jahren ent- deekt worden, wobei seine ersten Versuehsobjekte Chlostridien waren, zu denen die Butters/~urebakterien und die Erreger des Tetanus geh6ren. Von diesen * Nach einem Vortrag vom 2. Dezember 1964 vor den Professoren und Studenten der Medizinischen ]~akult~t der Saarl~ndischen Universitiit in t{omburg, anJ~iglich der ]gin- weihung des Otto Warburg-Rings. Kiln. Wschr., 43. gahrg. Anaerobiern nimmt man an, dab sie UberbleibseI aus der anaeroben Zeit des Lebens sind. Andere Anae- robier sind die Knlturhefen, die wahrseheinlieh vo'm Menschen kiinstlieh aus den aeroben wilden Torula- I-Iefen ffir industrielle Zweeke gezfiehtet worden sind. Kulturhefen sind die besten Modelle der Krebszellen, da aueh die Krebszellen, wenn aueh ungewollt, ans aue den obligat aeroben K6rperzellen im KSrper des Menschen geziichtet werden und da in beiden, in den Krebszellen wie in den Kulturhefen, noeh Atmung fibriggeblieben ist, so dab Krebszellen wie Kulturhefen Diphosphoglycerinaldehyd -~-DPN Diphosphoglycerins~ure+ DPNtI~ $ Brenztraubens/~ure + DPNI-I 2 Hydrierung der BreD_z- Verbrennurrg der Brenz- braubens~ure traubensgure (lurch DPNI-I2 mig O~ zu COs und H~O zu Milehsgure (10 Reaktionen) (1 tteaktion) Abb. 1. Atmmlgsweg and G~trungsweg, gemeinsam bis zur Brenztrauben- s~ure, yonbier an eine l%eaktionbis zumEndprodukt der G~rtmg, aber zehll l%eaktionenbis zmn Endprodukt der A¢mung. Da augerdem der ]~atalysator auf beiden Wegen das Nicotins~.lrea.micl ist, so versteht man das Auftretender G~irung bei jeder Sch~digung der Atmung sowohl Sauerstoff veratmen als auch Zucker verg~ren kSnnen und deshalb ]akultative Anaerobier sind; w/ihrend die Chlost:ridien, deren Vorfahren niemals Aerobier waren, obligate Anaerobier sind und (an H~O2-Vergiftung) sterben, werm sie mit Sauerstoff in Berfihrung gebraeht werden. Wir wollen uns nunmehr fragen, wie der Umschlag der Atmung zur G/~rung in den KSrperzetlen chemisch m6glieh ist, den wit heute vor unseren Augen bei der Krebsentstehung im mensehlichen KSrper in gr6Btem Ausmag vor sich gehen sehen**. Zur Be- antwortung dieser Frage m6ehte ich eine Abbildung zeigen, in tier der Zusammenhang zwisehen Atmungs- weg und Garungsweg skizziert ist (Abb. 1). Die Sehltisseleubstanz der beiden Wege ist das Nieotins~ureamid -- in der Figur als DPN bezeieh- net --, das ale Katalysator der Atmung und G~rung im Jahr 1934 im Kaiser-Wilhelm-Institut fiir Zell- physiologie entdeekt worden ist a. Man sieht aus der Abbildnng, dab vom Zueker bis zur Brenztraubens~_re Atmungs- nnd G~rungsweg gemeinsam sind. Darm trennen sich die Wege. Auf ** Die En~stehung des Krebsstoffwechse]s aus dem nor- malen Stoffwechsel hat nichts zu tun mit der Pasteurre~ktion, bei der, anders als hier, Atmung und anaerobe G~rung kon- s~ant bleiben. 20

Experimente zur Anaerobiose der Krebszellen

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Page 1: Experimente zur Anaerobiose der Krebszellen

KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 43. JAHRGANG, HEFT 6 15. MARZ 1965

Experimente zur Anaerobiose der Krebszellen* Von

OTTO WARBUEG, K . GAWEI-IN, A. W . GEISSLER, D. KAYSEI~ u n d S. LORENz

Aus dem M:ax-Planck-Institut fiir Zellphysiologie, Berlin-Dahlem

Es wird heute angenommen, und es ist im be- sonderen yon dem amerikanischen Physiko-Chemiker ttA~OLD U ~ Y ~ begriindet worden, dab das Leben auf unserem Ptaneten zu einer Zeit entstand, als die Erdatmosp/~re noeh keinen Sauerstoff enthielt; so dab die ersten Lebewesen Anaerobier gewesen sein miissen, d.h. Zellen, die ihre Energie niehg dureh die Sauerstoffatmung, sondern dutch G~rnngen gewonnen haben. Auf Grund der Ver~eilung der Sehwefetiso- topen zwisehen oxydierten und reduzierten Sehwefel- verbindungen hat man bereehnet, dab der Sauerstoff in der Erdatmosphfixe vor etwa 800 Millionen Jahren auftrat, vielleieht infolge der Spaltung des Wassers in H - | - O I [ dutch das ultraviolette Sonnenlieht der Wellenl~nge 236 m#. Damals, vor 800 MiUionen Jahren, begann die Sauerstoffatmung anstelle der G~rungen die energMiefernde tgeaktion des Lebens zu werden; und damals begann die H6herentwieklung des Lebens aus den primitiven ggrenden Zellen zu den KSnigreiehen der Pflanzen und der Tiere.

Dieser umwglzende EinfluB des Sauerstoffes anf das Leben ist zu verstehen, wenn man bedenkt, dab 1 g Zucker, der dureh Sauerstoff zn Kohlens/~ure und Wasser verbrennt, etwa I5mal soviel Energie liefert ale I g Zueker, der zu Milchs~.ure vergoren ~drd. Seit dem Auftreten der Sauerstoffatmung also konnte in der Mikrostruktur der Zelte auf gleichem g a u m 15ram soviel gesehehen Ms vorher mit Hilfe der Giirun- gen oder, anders ausgedriiekt, seit dem Auftreten der Satierstoffatmung kormte die Mil~ostruktur des Le- bens auf das 15fache verfeinert werden.

Was hat diese Vorgesehiehte des Lebens mit dem Krebsproblem zu tun ? Die Antwort ist, dab Krebs die Riiekkehr der hoehentwiekelten K6rperzellen zu den primitiven Formen des Lebens ist. Start, wie die normalen K6rperzellen, den Zucker mit Sauerstoff zu verbrennen, verg/~ren sie den Zueker zu Milehs/~ure.

Wenn nun in der Vorgeschiehte des Lebens der Ubergang yon der G/~rung zur Atmung die HSher- entwieIdung des Lebens hervorgerufen hat, muB der umgekehrte Weg, die Rfiekkehr yon der Atmung zur G~rung, 1Rfickentwicldung zu den primitiven Formen des Lebens bedeuten. In der Tat haben Krebszellen, die aus Leberzellen oder Nierenzellen oder Muskel- zellen entstanden sinai, ihre speziellen t~unktionen ver- loren und nur die nunmehr sinnlosen Eingensehaften des Waehstums und der Teilung iibrigbehalten.

Die Anaerobiose, das Leben ohne Sauers~off, ist v o n L o u i s PASTEUt¢ 2 v o r etwa hundert Jahren ent- deekt worden, wobei seine ersten Versuehsobjekte Chlostridien waren, zu denen die Butters/~urebakterien und die Erreger des Tetanus geh6ren. Von diesen

* Nach einem Vortrag vom 2. Dezember 1964 vor den Professoren und Studenten der Medizinischen ]~akult~t der Saarl~ndischen Universitiit in t{omburg, anJ~iglich der ]gin- weihung des Otto Warburg-Rings.

Kiln. Wschr., 43. gahrg.

Anaerobiern nimmt man an, dab sie UberbleibseI aus der anaeroben Zeit des Lebens sind. Andere Anae- robier sind die Knlturhefen, die wahrseheinlieh vo'm Menschen kiinstlieh aus den aeroben wilden Torula- I-Iefen ffir industrielle Zweeke gezfiehtet worden sind. Kulturhefen sind die besten Modelle der Krebszellen, da aueh die Krebszellen, wenn aueh ungewollt, ans aue den obligat aeroben K6rperzellen im KSrper des Menschen geziichtet werden und da in beiden, in den Krebszellen wie in den Kulturhefen, noeh Atmung fibriggeblieben ist, so dab Krebszellen wie Kulturhefen

Diphosphoglycerinaldehyd -~- DPN

Diphosphoglycerins~ure + DPNtI~ $

Brenztraubens/~ure + DPNI-I 2

Hydrierung der BreD_z- Verbrennurrg der Brenz- braubens~ure traubensgure

(lurch DPNI-I2 mig O~ zu COs und H~O zu Milehsgure (10 Reaktionen) (1 tteaktion)

Abb. 1. Atmmlgsweg and G~trungsweg, gemeinsam bis zur Brenztrauben- s~ure, yon bier an eine l%eaktion bis zum Endprodukt der G~rtmg, aber zehll l%eaktionen bis zmn Endprodukt der A¢mung. Da augerdem der ]~atalysator auf beiden Wegen das Nicotins~.lrea.micl ist, so versteht

man das Auftreten der G~irung bei jeder Sch~digung der Atmung

sowohl Sauerstoff veratmen als auch Zucker verg~ren kSnnen und deshalb ]akultative Anaerobier sind; w/ihrend die Chlost:ridien, deren Vorfahren niemals Aerobier waren, obligate Anaerobier sind und (an H~O2-Vergiftung ) sterben, werm sie mit Sauerstoff in Berfihrung gebraeht werden.

Wir wollen uns nunmehr fragen, wie der Umschlag der Atmung zur G/~rung in den KSrperzetlen chemisch m6glieh ist, den wit heute vor unseren Augen bei der Krebsentstehung im mensehlichen KSrper in gr6Btem Ausmag vor sich gehen sehen**. Zur Be- antwortung dieser Frage m6ehte ich eine Abbildung zeigen, in tier der Zusammenhang zwisehen Atmungs- weg und Garungsweg skizziert ist (Abb. 1).

Die Sehltisseleubstanz der beiden Wege ist das Nieotins~ureamid - - in der Figur als DPN bezeieh- net - - , das ale Katalysator der Atmung und G~rung im Jahr 1934 im Kaiser-Wilhelm-Institut fiir Zell- physiologie entdeekt worden ist a.

Man sieht aus der Abbildnng, dab vom Zueker bis zur Brenztraubens~_re Atmungs- nnd G~rungsweg gemeinsam sind. Darm trennen sich die Wege. Auf

** Die En~stehung des Krebsstoffwechse]s aus dem nor- malen Stoffwechsel hat nichts zu tun mit der Pasteurre~ktion, bei der, anders als hier, Atmung und anaerobe G~rung kon- s~ant bleiben.

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dem G/~rungsweg wird die Brenztraubens~ure, in einer einzigen Reaktion, yon dem Dihydro-Nieotin- saureamid zu Mflehsaure, dem Endprodukt tier G/~rung, hydriert; w/ihrend auf dem Atmungsweg die Brenz- traubens/~ure in vielen weiteren Reaktionen dureh Nicotins/~ureamid und Flavin-Nueleotid zu Kohlen. s/~ure und Wasser oxydiert wird. Die G/~rung ist eine einfache Versehiebung yon Wasserstoff mit Hflfe yon I~ieotins~ureamid. Die Atmung abet ist ein sehr vie1 komplizierterer Vorgang, der deshalb gegen alle Sch/~digungen empfindiieher ist Ms die G/irung.

Da NiGotins/iureamid der gemeinsame Ka~alysator yon Atmung and G/~rung ist, so wird bei jeder SGh~digung der Atmung Nieotins/~ureamid f/Jr die G/~rung frei. Der Umsehlag der Atmung in die G/£rung bedarf hiernaeh keiner Neubfldung yon Garungs- f ermenten, sondern es bedarf lediglieh einer Seh~di- gung des Atmungswegs, um automatisch die G/~rung entstehen zu lassen. So erkennt man, warum der Umschtag yon der Atmung zur G~rung, der das Wesentliehe and das Prim/~re der Krebsbfldimg ist, sieh so h/~tdig und sehnell vollziehen kann.

Man kann sich dieses Ergebnis aueh ohne spezielle ehemische Betrachtungen, dutch eine allgemeinere Betrachtung, klarmaehen. 0ffenbar ist die HSher- entwieklung des Lebens durch fortschreitende Diffe- renziGrang ein anwahrseheinlicher Vorgang, bei dem die Entropie abnimmt und der deshalb nieht yon selbst verlaufen kann. Von selbst verlaufen aber kann der umgekehrte Vorgang, die Entdffferenzierung, die also immer die Tendenz hat, zu erfolgen.

ChGmiseh betraehtet oder allgemein betraehtGt, jedenfalls sind dies keine akademischen Betraeh- tungen, sondern es sind Betrachtungen, die die grim- mite ~Virkliehkeit erkl~ren: die H£ufigkeit des Krebses, die Zunahme des Krebses unter den heutigen Lebens- bedingungen und nicht zule tz t die Ergebnisse der experimentellen Krebsforsehung, die gezeigt haben, dab die meisten zellfremden, in lebende KSrperzGllen eindringenden Substanzen, wenn sie die K6rperzellen nicht t6ten, auf die Dauer Krebs erzeugen.

Ieh m6ehte nunmehr einige Experimente besehrei- ben, aus denen man sieht, WiG lest die Tatsaehen chemiseh fundier t sind. Natfirlieh ist die Haupt- entdeckung die Milehs/~urGg/~rung der Krebszetlen gewesen. Diese G~rung der Krebszellen ist entdeckt worden bei der Untersuehung yon Sehnitten yon Rat tentumoren in vitro mit der manometrisehen Ver- suehsanordnung. Es folgten in vitro-Versuche mit Sehnitten mensehlieher Tumoren; es folgten in vivo- Versuehe mit Rattentumoren, wobei das in den Tumor einstr6mende Blur and das ausstr6mende Blur analysiert wurde; es fotgten in vivo-Versuehe mit graviden Tieren, in denen alas in den Embryo einstr6mende Blur und das ausstrSmende Blur ana- lysiert wurde, mit dem Ergebnis, dab das normale embryonMe Waehstum, im Gegensatz zum Tumor- waehstum, keine Spur yon G/trung zeigt; u n d e s folgten in vitro-Versuehe mit Tumorschnitten bei AbsehluB yon Sauerstoff, die zeigten, dab Krebs- zellen tagelang ohne Sauerstoff teflungsf/£hig und transplantierbar bleiben.

Trotz alledem bewiesen diese Versuehe noch nieht endgfiltig, dab der Untersehied zwisehen Krebs- zellen und normalen Zellen wirklich so fundamental ist. dab in einer Welt, in der der Sauerstoff tier EnergiG-

spender des Lebens ist, in den Krebszetlen die Rfiek- kehr zu dem primitiven Leben ohne Sauerstoff er- folgt ist. Erst ein einfaehes Experiment yon M~LM- G ~ und FLAgmAN hat in den letzten Jahren meines Erachtens den unwiderlegtiehGn Beweis er- braGht, and zwar folgendermaBen:

Zu den wenigen Uberbleibseln aus der anaeroben Vorgesehiehte des Lebens geh6ren die Tetanusbacitlen, die dutch Sauerstoff get6tet werden und deren Sporen nur bei Sauerstoffdrucken auskeimen, die niedriger Ms 40 mm Wasser sind 6. M~L~Gt~" und FL~'CmAN s injizierten solehe Sporen in die Venen yon gesunden M/iusen and yon tumortragenden M~usen und fanden, dab nur die tumortragenden M/iuse an Tetanus er- krankten, w/~hrend dig normalen M/~use trotz Injektion tier Tetanus-Sporen gesund blieben. Die normalen MKuse blieben gesund, weft die Tetanus-Sporen ~Argends Jm K6rper der M£use Orte vorfanden, an denen ~ler Sauerstoffdruck niedriger als 40 ram Wasser war. Die tumortxagenden M/iuse erkrankten, weil die Sporen in den Tumoren Sauerstoffdrucke vorfanden, die niedriger als 40 mm Wasser waren. Es war damit bewiesen, dai~ die Tumoren im K6rper fast ohne Atmung waehsen :, da die Atmung bei Sauerstoffdrueken unter 40 mm Wasser fast Null ist. Aber nicht nur dies, sonderu noeh mehr war bewiesen. Es war bewiesen, dab es kein normales Gewebe gfbt, das im K6rper anaerob lebt und w/~ehst. Insbesondere verhielten sieh gravide M/~use wie die normalen M/~use und erkrankten bei dGr Injektion tier Tetanus-Sporen nieht. Damit aber war alles, was wh' vorher gefunden batten, in gI/~n- zender Weise best~tigt: Die Krebszetlen und die Krebszellen alleine leben und waehsen im KSrper anaerob.

Ein zweites Experiment der letzten Jahre, das ieh besehreiben will, betrifft die Frage, wie die G/~rung der Krebszellen entsteht. Wir benutzten daffir embryo- nale Hfihnerzellen, die naeh DuLB~vco-Vo~T mit Trypsin zu Einze]zellen zerteilt worden waren und die dann in vitro so sehnell waehsen, dab sie sieh in 24 Std einmal teilen. Man karm auf diese VCeise leicht soviel in vitro gewaehsene embryonale Zellen gewinnen, d~[~ man Atmung und Gt~rung in manometrischen Ver- suehen genau messen kann.

Wir zfiehteten dabei die Zellen (Abb. 2) in Petri- schalen s, fiber denen Gasmischungen versehiedenen Sauerstoffdrueks 9 standen, und fanden, dab im Ver- lauf yon 48 Std, im Verlauf yon zwei Zellteilungen, der streng aerobe Stoifwechsel der embryonalen Zelien in Krebsstoffwechselumschl/~gt, und zwar vollst/~ndig und quantitativ umsehl~gt in einen Stoffweehsel, der yon dem Stoffwechsel sehr maligner Asciteskrebszellen nicht zu unterseheiden ist.

Der Umsehlag in den Krebsstoffweehsel tr i t t nicht ein, wenn man die Petrisehalen langsam bewegt und dadurch das Waehsen der Zellen, das am Gef~$boden stattfindet, verhindert. ]3ewegt man die Zelten in den Petrisehalen, so bleibt der rein aerobe Stoffweehsel der embryonalen Zellen aerob und wird erst kteiner, abet memals G/~rungsstoffwechsel, wenn sieh die Zellen, die man an der Teilung verkindert, in den Zueht- sehalen aufl6sen. Das Ergebnis yon alledem ist, dab tier Umsehlag zur G/~rung nur stattfindet wiihrend der Teilung der Zellen.

Ein anderes nicht minder interessantes Ergebnis der in vitro-Experimente ist, dab der Umschlag in den

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Jg. 43, ~teft 6 OTTO WAgBvg~ et al. : Experimenbe zur Anaerobiose der Krebszellen 291 ].5. M~xz 1965

Krebsstoffwechset nur erfolgt, wenn der Sauerstoff- druek in der Wachstumsschicht am Boden der Gef/~Be klein ist 9. I s t der Sauerstoffdruck so groB, dab aueh die Wachstumsschieht am Boden der Petrisehalen hin- reiehend mi t Sauerstoff versorgt wird, so finder der Umsehlag in den Krebsstoffwechsel nicht start. Dann bleibt auch beim Waehstum der aerobe Stoffwechsel der embryonalen Zellen erhalten.

Ziichtet man in Snbknlturen welter, so bleibt bei dam niedrigen Sauerstoffdruck der Krebssto//wechsel un4 bei dam hohen Sauerstoffdruek der embryonale StoHwechsel beliebig lange erhalten. Wechselt man aber (tie Sauerstoffdrucke urn, so entsteht , wo vorher Krebsstof/wechsel war, wieder embryonaler Sto/]weehsel, und wo vorher embryonaler Sto//wechsel war, entsteht Krebssto]/wechsel. Fiir alle diese ~_nderungen in den Subkulturen ist die Teilung der Zellen Vorbedingung. Verhinde~ man die Teilung dutch Bewegung der Sehalen, so finder niemals ein Stoffwechselumschlag start , weder naeh der anaeroben Seite bei Mangel an Sauersto~f, noeh naeh der aeroben Seite bei LTber]lufi an Sauerstoff.

Seit der Entdeekung der G/~rung der Krebszelten sind dies die wiehtigsten Versuehe auf dem Gebiet der Bioehemie des Krebses. Sie lehren uns erstens, dab es nunmehr eine Methode gibt, um in vitro unter iibersichtliehen Bedingungen, sehnell und quan- t i ta t iv den embryonalen Stoffwechsel in dan Krebs- sto¢fwechsel zu verwandeln, n/~mlich dutch Entziehung des SauerstoHs wShrend der Zellteilung. So viele careino- gene Substanzen Jm TierkSrper ~,_rebs erzeugen, so ist doch bisher noeh kein Fall bekanntgeworden, in dem eine eareinogene Substanz in vitro den embryonalen Stoffwechsel schnell und quanti tgt iv in Krebsstoff- wechsel umwandeln kormte. Bis heute also n immt die Entziehung des Sauerstoffs eine Ausnahmestellung unter den nnz/~hligen earcinogenen Wirkungen ein, was einleuebtet, wenn man bedenkt, dab es das Leben ohne Sanerstoff ist, auf das alle carcinogenen Wirkun-

• gen hinauslaufen. Der besehriebene Umsehlag des embryonalen Stoff-

weehsels in den Krebsstoffweehsel bei dan Versuehen in vitro lehrt ferner, in weleher Reihenfolge sich die Ereignisse bei tier Krebsentstehung abspielen. Denn bei unseren in vi t ro-Experimenten ist der Umschlag des embryonalen Stoffweehsels in den Krebsstoff- weehsel zun/~ehst reversibel, d .h . , der Umschlag in den Krebsstoffwechsel wird wieder rfiekg/~ngig ge- macht, wenn man dan umgesehlagenen Stoffwechsel w/~hrend der Zellteflung wieder h6heren Sauerstoff- drueken aussetzt. Diese g/~renden Zetlen, auf Hiihner znriickgeimpft, erzeugen also keinen Krebs. Anderer- seits wissen ~ aus den Effahrungen mit in vitro- Kulturen embryonaler Zellen, dab auf die Dauer, in Monaten oder Jahren, in solchen in vitro-Kul- turen immer Krebszellen entstehen. Dann kann der G/~rungsstoffweehsel nicht mehr r/iekgangig gemacht werden, sondern er ist irreversibel, d .h . vererbbar geworden.

Bei der Krebsentstehung ist also die Reihenfotge der Ergebnisse: prim/£r Umsehlag des normalen Stoff- wechsels in den G/~rungsstoffwechsel, der im Lauf yon Tagen erfolgen kann. Sekundi£r, infolge monate- oder jahrelanger G/~rung, ~nderungen, die den Umschlag des Stoffweehsels irreversibel machen. DaB dann die entdifferenzierten Zellen, also die Krebszellen, Unter-

;Klin. Wschr . , 43. gahrg .

schiede in dan Proteinen, Nucleins~uren, l°igmenten und Fermen~en zeigen, ist selbstverst~ndlich, da die entdifferenzierten Zellen ihre speziellen chemischen Funktionen verloren haben. Aber da die G~rung nun- mehr zeitlich yon der Entdifferenzierung getrermt werden kann, sind diejenigen chemischen Ver/inde- rungen, die die G/~rung erzeugen, prim/~rer bei der

Abb. 2. Der Sauers~offdruck bet~/igD in d e m l inken Exs i cca to r 2000 m m Wasser , in d e m rech~en ]~xsiccator 5 000 r a m Wasser . Werden die Pe t r i - schalen i n den Exs i cca tomn n ich t bewegt , so en t s t eh t a m :Boden der Pe t r i - schalen (wo die Zellen wachsen) wegen der l a n g s a m e n Hydrod i f fus ion l inks, abe r n ich t rechts Sauers tof fmangel und der embryonale Stoffwectlsel schl~gt i n 48 S td q u a n t i t a t i v in :Krebsstoffwechsel urn. I m i ibr igen soil die Abbi ldung zeigen, wie m a a die fundamenDalsten Ta t sachen attch heute

noch m i t den e infachs ten tec tmischen HiIfsmi~teln entdecken k a n n *

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~chstumsgeschwind@kei! Abb, 3. Zusamraenhang zwtschen der Wachs tumsgeschwind igke i t ~ un4 der Glucoseverg~irung Q chemisch erzeugter Leber tumoren der R a t t e nach ])]~AN BDR~, ~kl~K WOODS u n d 50H~ ~ H b ' N T ~ . Setzt m a n Q = f(c~) = a ÷ b x ÷ c x 2, so erhiiR m a n eine empir i sche Gleichmlg. aus der m a n fl i t beliebige Wachs tumsgeschwind igke i t en ~ die G~rungen Q berectmen kann , wenn m a n f i i r zwei Wer te yon ~ die G/irung O gemessen t ~ . Es g ib t ke inen sch6neren Beweis ffir anes, was i n d iesem Vor t r ag fiber die geme insame

Ursache der carc inogenen W i r k u n g e n gesag t worden i s t

Krebsentstehung, Ms alle anderen chemisehen Ver- /inderungen.

FAn drittes Experiment. Erzeugt man in Ra t ten Lebertumoren dutch verschiedene Dosen yon Carcino- genen, so kann man Tumorlirden sehr verschiedener Waehstumsgeschwindigkeit erhalten - - die ,,Morris- tumoren" - - , die ihr Gewieht zum Beispiel in einem

* Inzwischen sind die Sauers~offdrucke in den Wachs- tumszonen am Boden der Petrisch~Ien gemessen worden. Wir fanden in dem linken Exsiccator einen O~-Druck yon e~wa 100 mm Wasser und rechts etwa 1000 mm Wasser. Dabei war die Atmung links mn etwa 50%, rech~s gar nicht ge- hemm~. Diese 50% Hemmung erzeugt~n also den totalen Umschlag in Krebss~offwechsel.

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292 OTTO W~VR~ et al.: Experimente zur Anaerobiose der Krebszellen Klinische Wochenschrift

halben Monat oder in einem ganzen Monat oder erst in 10 Monaten verdoppeln. Betraehtet man die konstante Wachstumsgeschw'mdigkeit jedes Tumors

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~ d Y als MaB der Maligniti~t, und miBt man ffir

jeden Tumor auBer der Wachstumsgeschwindigkeit aueh die Vergi~rung der Glucose Q~, so erh/~lt man, ~de B v ~ , WooDs und Hv~EI~ gezeigt haben (Proc. Amer. Assoc. Cancer Research, Marz/April t965), Kurven der Form der Figur 3, die die Abhi~ngigkeit der Garungsgr6Ben Q yon der Wachstumsgeschwindig- keit ~ gTaphisch darstellen.

Aus den Kurven yon BuRK, WooDs und t tu~- TEI¢ erkennt man nicht nur den urs~ehliehen Zusam- menhang yon G~rung nnd Malignit/~t, sondern auch, dab die G~rungsgr6Be der sehr langsam wachsenden Tumoren so niedrig ist, dab sic an. der Grenze der MeB- barkeit ist. Wfirde man nur die sehr langsam wachsen- den Tumoren untersuehen, so k6nnte man zu dem Trug- schluB kommen, daft es Tnmoren gibt, die nicht g~ren. Untersncht man abet das ganze Spectrum der Mor~s- tumoren, so sieht man, dab das Gegenteil richtig ist: dab bereits eine fiberraschend ldeine Verg/~rung der Glucose genfigt, um in den sehr langsam wachsenden Tumoren die Leberzellen zu entdifferenzieren.

BUICK hat damit seinen frfiheren Entdeckungea auf diesem Gebiet eine neue grundlegende hinzugeffigt. Bekanntlieh ist es auch ]3V~K gewesen, der land, dab die nach partieller Amputat ion sehr sehnell regene- rierende Leber keinea G/~rungsstoffwechsel, sondern einen reinen Oxydationsstoffwechsel hat ; und es ist BvnK gewesen, der ffir .Krebszellen verschiedener Malignit~t, die SA~DFO~T und EA~L]~ aus einer einzigen normalen Zelle in vitro gezfichtet hatten, gezeigt hat, dab die G/~rungsgrSBen im Verhi~ltnis der Malignit£ten stehea. [Vgl. BcgK und WooDs, Symposium on I~espiratory Enzymes, Madison, Wisconsin, S. 235 und Cancer l~esearch 4, 547, 1944 sowie Science 123, 309, 1956 uater ,,Addendum" S. 332 sowie J. Nat. Cancer Inst. 23, 1079 (1959)]. Man erkem~t so die stets zunehmende Bedeutung der Arbeiten des In- stituts yon Buick ffir die allgemeine LSsung des Krcbs- problems, die L6sung, die man hcute in die Worte zusammerffassen kann:

UmwaTwllung der Atmung in Ggrung und Entdi]fe- renzierung durch GSrung.

Ich m5ehte nunmehr noeh einiges fiber die Chernotherapie des Krebses sagen. Es ist dabei zweek- m~Big, vorher, als Mode]l, den Lebenscye]us der Kul- turhefen zu betrachten, die wie die KrebszeIlen ~akul- tat ive Anaerobier sind und deren Leben in einer der groBen klassischen Arbeiten yon PAS~EU~ untersucht worden ist.

In der G~rungsindustrie werden die ttefezellen in zwei Phasen geziichtet, in einer anaeroben Phase, in der Zueker vergoren wird, und in einer daranffolgenden aeroben Phase, in der die l:[efezellen mit Sauerstoff durchstrSmt werden and dabei Alkohol zu iKohlen- siiure nnd Wasser verbrennen n. PASWEVg hat darauf hingewiesen ha, dab bei rein anaerobem Leben die Hefezellen auf die Bauer verkfimmern und dab die aerobe Phase die Phase der Verjfingung ist, die die ZeHen ffir die naehfolgende G~rung regeneriert.

Ganz ~hnlieh leben die I~rebszellen in dem krebs- kranken KSrper in zwei Phasen. In den kompakten

Tumoren leben sic im wesentlichen ohne Sauerstoff- atmung nut auf Kosten der Vergi~rung yon Zucker zu Mflehs~ure. Die aerobe Phase, die Phase der Verjfingung, wird im KSrper dadurch erreieht, dab sich yon den kompakten Tnmorea Metastasen ab- ]6sen, die durch den Kreislatff in die sauerstoff- haltigen Gewebe des KSrpers versehleppt werden und bier zun£chst aerob anf Kosten eines Ge- mischs yon Atmung and Gi~rung weiterleben, his sic wieder zu gr6Beren Krebsknoten herangewaehsen sind, in denen dann, wegen mangelnder Sauerstoffversor- gung, das Leben wieder ~naerob w~d. So ist die dauernde Verj/ingung der Krebszellen gewfi, hrleistet, ffir sie selbst gut, ~fir den KSrper unheilvoll. Und so hat man es zu jeder Zeit der Krebskrankheit mit zwei fundamentaI verschiedea lebenden Zellen zu tun, den anaerob und den aerob Iebenden Krebszellen, wodureh die Chemotherapie wesentlich erschwert ~drd. Denn im allgemeh~en ist es so, daB, was bei anaerobem Leben nicht abtStet, bei .aerobem Leben abtStet und umgekehrt.

Ein Beispiel. Als AnaerobJer sind Krebszellen selectiv empfindlieh gegen ~Vasserstoffperoxyd. Bringt man nun Chinone in den Kreis]auf, die in die Krebs- zelten eindringen, so werden sic bier dureh das Dihydro- Iqicotins/iureamid reduziert, durch moIekularen Sauer- stoff wieder reoxydiert und erzeugen so in den Krebs- zellen H~Oe, das dana die Krebszellea abtSten kann. Dieses nieht ganz anssichtslose chemotherapeutische Prinzip 1~ kann jedoch nut in den aerob lebenden Krebszellen wirksam werden, kalm also nur die Metastasen abtSten, nicht aber die kompaktcn Tumoren, in denen kein Sauerstoff zur Reoxydation des Hydrochinons" zur Verffigung steht.

Ein anderes Beispiel. Injiziert man in die Venen tumortragender Tiere Sporen nicht pathogener Chlo- stridien 1~, die nur bei sehr niedrigen Sauerstoff- drucken auskeimen, so kann man Krebszellen mit Hi]re der ausgekcimten Sporen in den kompaktcn Tumoren abtSten. Aber diese Methode trifft nur die Krebszellen in den kompakten Tumoren und nicht die im KSrper verbreiteten Metastasen, da in den Me- tastasen der Sauerstoffdruek so hoch ist, dab die Chlostridien-Sporen nicht auskeimen kSimen. Man sieht aus diesen Beispielen, dab es bei ehemothera- peutischen Versuchen mit Tumoren zweckm~Big ist, die kompakten Tumoren vor der chemischen Behand- lung ehirurgisch zu entfernen. Eine solehe Entfernnng wird sich aueh aus andern Grfinden empfehlen. Zum Beispiel haben wir in der letzten Zeit gefunden 3, dab man den sehr ma]ignen Asciteskrebs der Maus in den Frfihstadien mit ung~tigen Dosen des 3-Kohlenstoff- zuckers Glyeerinaldehyd heflen kann; dab aber in vorgesehrittenen Stadien die Heflung nur gelingt, werm man den t taupt tei l der Krcbszellen vor der Behandlung aus der Bauehh6hle entfernt. Andera- falls tStet eine sonst heilende Dosis yon Glyeerinal- dehyd die Mause durch die yon dem Glyeerinaldehyd aufget5sten Zellen 14.

Trotz solcher Ansatze zur Chemo-Therapie yore Kreislauf aus muB man sagen, dab es heute nur einen einzigen mensch]ichen Krebs gibt, dessen Metastasen vom Kreislauf aus zum Verschwinden gebraeht werden kSrmen. Es ist, wie CH~L~s ItCa¢I~TS in eiaer langen Reihe hervorragender Arbeiten gezeigt hat, der Prostata-Krebs des Menschen. Abet die Me-

Page 5: Experimente zur Anaerobiose der Krebszellen

Jg. 43, Heft 6 L. H~H]~yv.~, L. K ~ P und K. Rv~)o~v: Gesteigerte Entziindungsreaktion der Naut. I I 293 15. M~rz 1965

rhode y o n t I u ¢ ~ I N S is{ wesen~lich nur in diesem Fall wirksam, so dab also das allgemeine Problem der Chemotherapie der Metas~asen heute ein noeh un- gelSstes Problem is¢.

Bis sieh dieser Zustand gndert, schlage ich vor, dab der Arzt der Verhfitung des Krebses mehr Beachtung schenkt als bisher. Vorbedingung dafiir is~, dab man ihn davon fiberzeug~, dal3 die Wissenschaft die Ur- saehe des I~ebses kennt.

Dabei wird es zuniiehst eine ge~sse Verwirrung erzeugen, dab es Itunderte der versehiedenartigsten ,,Krebsursaehen °' gibt, und dab sich die Zahl dieser Krebsursachen fast beIiebig vermehren lggt: dab man Krebs z.B. dutch Strahlen erzengen kann, aber aueh dutch Arsen oder dutch Virusarten. oder dureh Anilin usw. Deshalb mug zungehst jeder wissen, dab alle diese manniglaehen eareinogenen Wirkungen keine wirldichen Krebsursachen sind, sondern nur Ausl6sungen einer einzigen Krebsursaehe, auf die sic alle hinauslaufen. ])as beste Gleichnis ist die auf einer sehielen Nbene arre%ierte Kugel, deren Arretierung anf hundert versehiedene Weisen gelSst werden kann. Wird die Arretierung in den K6rperzellen gelSst, so gesehieh~ dasjenige, was aus chemisehen und %hermo- dynamisehen Grfinden gesehehen muff: die A~mung schl£gt um in G/irung, und die Zellen werden dutch die G/~rung entdi:[ferenziert.

Auf dieser Basis kann dann der Arzt das Problem der Verhfitung in Angriff nehmen, indem er in jedem

Fall veto Krebs versucht, die auslSsende carcinogene Wirkung zu finden. Sachverst~ndige sind der Ansicht, dag in der Mehrzahl der Krebsf/~lle die ausl6senden earcinogenen Wirkungen gefunden werden k6nnten. Genau soviel Krebsfglle sind es, die man in Zukurfft wird verhfiten k6nnen, indem man die damn bekannten carcinogenen Wirkungen fernh/~lt.

Literatur. ~ Ua~r, H~o~n E.: The plane~s. Yale Univer- sity Press 1952. - - ~ P~s~v~, Lores: C. I~. Acad. Sci. (Paris) ~2, 344 (1861); ~6, 416 (1863). - - ~ W~sv~¢, 0'rTo: Wasserstoffiibertragende Fermente. Berlin: Arb.-Gem. 3led. Verlage 1948. - - a W ~ v ~ o , OTTO: The metabolism of Tumors. London: Constable 1930. - - ~ M ~ r ~ ? ¢ , 1~. M., and C. C. Fr~tmG~t~¢: Cancer Res. 1~, 473 (1955). - - ~ Ka~s~a, D~TL~V: Z. Naturforseh. 17b, 658 (1962); 18b, 748 (1963). - - 7 WAlcBtrya~, O'rTo, A. W. GI~ISSL~Et~ U. S. Lol~El, rz : Z. Na~ur- forseh. 17b, 758 (1962). - - s W~]~wao, OTTO, K. GawEm¢ u. A. W. G~ss~.nr~: Z. Na~urforsch. l~b, 378 (1960). - - ~ Vc'x~- ~v~, OTTO, K. GAw~-, A.W. G~SSLr~ u. S. L o ~ - z : ttoppe-Seylers Z. physiol. Chem. 821, 252 (1960). - - xo W~- ~v~ , OTto, K. GAw~m~ u. S. Lorenz: Z. Na~urforsch. 17b, 772 (1962). - - n P~s~u~., Lov~s: Bull. Soc. c:him. Fr. 1861, 61. - - n~P~STl~wa, Lows: t~$udes sur la Bibrre. Paris: Gauthier-Villars 1876. - - ~2 K~¥s~a, D~Tn~v: Z. Natafforsch. 19b, 258 (1963); vgl. auch Literaturzitat ~ u. L - - ~a W~nm¢~, O~rTO, K. Gxw~m¢, A.W. G ~ s s ~ u. S. Lorenz: Z. klin. Chem. 1, 175 (1963). - - ~a Die Arbeitsmethoden finde$ man in O. W ~ v m o , WeiterentwieMung der zellphysiologischen ~ethoden. S~ut~gart: Georg Thieme u. New York: Inter- science 1962.

Ansehrifl: Professor Dr. O. Wx~m~¢, Direk~r Max-Planck-Institut fiir ZeI1physiologie 1000 Berlin-Dahlem, Garystr. 32

Gesteigerte Entziindungsreaktion der Haut induziert durch eine Allergic gegen Vaecinia-Virus ]gin Beitrag zur Frage der AlIophlogistie

(II. Mitteihmg)

V o n

L. H ~ I L M ~ n , L. K ~ r und K. RYe)eLF

Arts der 9£edizinischen Universit/~tsklinik t ' re iburg i. ]~r. (Direktor: Prof. Dr. mr. h . c . L . H~,tLSIv.y~I¢)

In einer frfiheren Mitteilung 5 wurde gezeigt, dag dureh Erzeugung einer Allergie veto verz6gerten Typ gegenfiber Tuberkelbakterien oder Picrylehlorid beim Meersehweinehen eine veto spezifisehen Antigen mlab- h~ngige gesteigerte Entzfindungsreaktion der Ha.ut hervorgerufen wird. Diese Hyperphlogistie lieB sieh hm Pyrexal6 oder Formalinhauttest (Pyrexal® = Lipo- polysaeeharid-Nndotoxin aus Salm. abortus equi) dareh ein ausgedehnteres, intensiveres und in der Gesamtdauer verl/~ngertes entzfindliehes Erythem messen.

Nine vergleiehbare Beobaehtung is~ wahrseheinlieh in dem yon Mo~o und K ~ L n ~ 9 besehriebenen Phgnomen der Parallergie enthalten. Diese Autoren beriehteten in iriiheren Arbeiten 1° fiber das Auftreten einer positiven Tuberkulinreaktion bei vorher tuber- kulinnegativen Kindern 1. nach Simultanimpfung mit Atttuberkulin und Kuhpoekenlymphe trod 2. nach Impfung nut mi~ Kuhpoekenlymphe. Die Nrgebnisse in beiden Versuehsanordnungen lassen sieh rfiekblik- kend einerseits dutch die Annahme eines Adjuvans- effektes der Poekenimpfung bei der Ausbfldung einer Allergic gegen Tuberkulin erklaren. Dieser Adjuvans- effekt ware aueh in der zweiten Versuehsanordnung gegeben, da ausgieNge Tuberkulin~estungen [0,1 his 10,0 mg(! ) Alttuberkulin] den Poekenimpfungen vor- ausgingen und da Adjuvanseffekte zeitlieh unabh/ingig

yon der Antigengabe zustande kommen kSnnen 1~. Andererseits lassen sich beide Befunde auch als Aus- druek einer postvaeeinal gesteigerten lmspezifisehen Entzfindungsbereitsehaft deuten. In diesem Falle miigte man annehmen, dab dureh Anwesenheit gerin- get Endotoxinmengen im Tuberkulin4,14, 15 infoIge erh6hter Entziindungsbereitsehaft eine Pseudotuber- kulinreaktion zustande kommt. Mo~o und K~LLW~9 und besonders aueh I4~LL~ s interpretierten in spg- teren Publikationen das Ph/~nomen der Parallergie als Ausdruek einer unspezifisehen, gesteigerten Ent- ziindangsbereitsehaft.

In der vorliegenden Arbeit sell im Tierexperiment isoliert die Frage geprfift werden, ob die Poeken- vaccination eine gesteigerte Entzfindungsbereitsehaft der t I au t hervorruft, wetehe sieh im Pyrexal 6- oder Formalinhauttest als Hyperphlogistie eharakterisieren lgl~t.

Methodik. Bei normalen und poekenvaccinierten jungen Kaninehen yon 1--1,5 kg Gewieh~ und aus gleieher Zucht warde der Ablauf der Entzfindungsreaktion naeh ingracu%aner Injektion yon 0,1 7 Lipopolysaceharid aus Salm. aborms equl (AE 3390 S 3)* in physiol. NaC1-L6sung (= 0,2 ml) oder bei einzolnen Kongrollen yon 100 ? Formaldehyd in 0,1 ml physiol. NaCI-LOsung hinsichtIich Dauer, Ausdehnung und Intensit~t untersucht. Vv'ie yon H~IL~]~r~R und HI~5[]~r]~t¢ 7

• Herrn Prof. Dr. O. WEST~trAL, Max-Ptanek-Insti%u% fiir Immunbiologie in Freiburg, sind wir fiir die Uberlassung yon Lipopolysaccharid aus Salm ab. equi sehr zu Dank verpflichtet.