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Externe und interne Geschichte der romanischen Sprachen
2. Sitzung - 26.10.2009 Aspekte der internen und externen Sprachgeschichte des Italienischen
1
TEMPUS > tempo, tiempo, temps, timp (…)
Programmübersicht• 19.10.09• Im Rahmen der Settimana della lingua italiana: Die
Geschichte des Italienischen in Deutschland vom Mittelalter bis zur Gegenwart
• 26.10.09• Theoretische Aspekte der Sprachgeschichtsschreibung und
Geschichte der allgemeinen und italienischen Sprachgeschichtsschreibung
• 02.11.09• Vom Lateinischen zum Italoromanischen
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Programmübersicht• 16.11.09• Die Herausbildung der primären Dialekte des Italienischen• 23.11.09• Latein und volgare im Mittelalter: der Ausbau der
Volkssprache• 30.11.09• Latein und volgare in der Renaissance: der Beginn des
metasprachlichen Diskurses über die Volkssprache• 07.12.09• Der Einfluss des Buchdrucks auf die weitere Entwicklung
des Italienischen
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Programmübersicht• 14.12.09• Auf der Suche nach der literarischen Norm: die
Questione della lingua• 21.12.09• Die Fixierung der Sprache durch Literaten, Grammatiker
und Lexikographen• 11.01.10• Sprachkontakte vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit• 18.01.10• Der Einfluss des Risorgimento auf die Entwicklung des
Italienischen
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Programmübersicht• 25.01.10• Das Italienische im Königreich Italien von 1860 bis zum Ende
des 2. Weltkriegs und die italienische Sprache von 1945 bis heute
• 01.02.09• Fakultative Abschlussklausur
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WISSENSCHAFTLICHEGRUNDBEGRIFFE
I.
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Externe vs. interne Sprachgeschichte
Extern• Sprachkontakt• Sprachmischung• Migrationsbewegungen• politischer Wandel• gesellschaftlicher Wandel• (…)
Intern• Phonetik • Phonologie• Morphologie• Syntax• Semantik• (…)
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Externe vs. interne Sprachgeschichte
Externe Sprachgeschichte Interne Sprachgeschichte
(1) Sprachkontakt Sprachmischung Entstehung von Pidgin- und
Kreolsprachen Lehnbeziehungen
(2) Sprachnormierung Wertung und Auswahl
sprachstruktureller Möglichkeiten, die von einer sozial bestimmten Norminstanz vorgenommen wird
Ökonomieprinzip Vereinfachung Regularisierung Phonemsystem mit
maximaler Differenzierungsleistung bei minimalem Merkmalsinventar
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WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE FRAGESTELLUNGEN
9
Wissenschaftstheoretische Fragestellungen
• Was ist Geschichte?– Geschichte ist im allgemeinen Sinn
bezeichnet alles, was geschehen ist. – Eine Geschichtsschreibung gibt es
bereits seit der Antike, eine systematische Geschichtswissenschaft allerdings wird seit dem 19. Jahrhundert.
10
G. D
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Was sind historische Quellen?
• Quelle – "alle Texte, Gegenstände oder
Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann„ (Kirn)
– Grundsätzlich unterscheidet man zwischen • Sachquellen• Bildquellen • abstrakten Quellen • Textquellen
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Paul Kirn: Einführung in die Geschichtswissenschaft, fortgeführt von Joachim Leuschner, 5. Auflage, De Gruyter. Berlin 1968 (1947).
Tradition und Überrest
• Tradition– Informationen, die - in
mündlicher oder schriftlicher Form - in der Absicht weitergegeben werden, um Zeitgenossen, vor allem aber Nachwelt über Gegenwart oder Vergangenheit zu unterrichten.
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Tradition und Überrest
• Ein Überrest hingegen wurde ursprünglich zu einem eigenen Zweck hergestellt, beispielsweise eine Rechnung, die nur einen Geschäftsvorgang dokumentieren sollte.
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Was ist Sprachgeschichte?
• Sprachgeschichte (= Historiolinguistik)– Untersuchungsgegenstand• Die Historiolinguistik, beschäftigt sich als nd
als Teilbereich der Sprachwissenschaft mit allen Fragen der Veränderung von Sprache.
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Historiolinguistik• Die Historizität von Sprache– diachrone
Sprachbetrachtung– synchrone
Sprachbetrachtung
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F. d
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Historiolinguistik• Diachronie (< gr.: δια=dia
durch, hindurch ; χρονος chronos=Zeit) – Von Ferdinand de Saussure
geprägter Terminus. • Es ist das Antonym von Synchronie
und ist damit ein Grundbegriff der Historischen Linguistik, die sich mit historischen Sprachbetrachtungen befasst.
16
Historiolinguistik• Im Gegensatz zur Synchronie wird
in der historischen Linguistik die Sprache nicht auf einer Zeitebene untersucht, sondern ein Sprachaspekt wird innerhalb mehrerer ausgewählter (oder allen) Zeitebenen untersucht und verschiedene Sprachentwicklungsstufen werden miteinander verglichen.
AMICUM
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amico amigo ami
17
Geschichte der Historiolinguistik
• Der Beginn der Historiolinguistik liegt im 19. Jahrhundert, als von Franz Bopp erstmals eine gut begründete Hypothese über Verwandtschaft unter den indoeuropäischen Sprachen aufgestellt wurde.
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Vocalismus, oder sprachvergleichende Kritiken: Über J. Grimm's deutsche Grammatik und Graff's althochdeutschen Sprachschatz (1836)
Geschichte der Historiolinguistik
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Geschichte der Historiolinguistik
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Geschichte der Historiolinguistik
21
http://books.google.de/books?id=OhRuZJRQbIEC&pg=PA1&source=gbs_toc_r&cad=0_0
Geschichte der Historiolinguistik
• Auswahl an Schriften
– Vocalismus, oder sprachvergleichende Kritiken, Berlin 1836
– Über die keltischen Sprachen, Berlin 1839
– Über die Verwandtschaft der malaiisch-polynesischen Sprachen mit dem Indogermanischen, Berlin 1841
– Über die kaukasischen Glieder des indo-europäischen Sprachstammes, Berlin 1847
– Über die Sprache der alten Preußen, Berlin 1853
– Vergleichendes Accentuationssystem, Berlin 1854
– Über das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen, Berlin 1855
22Weitere digitalisierte Schriften: http://de.wikisource.org/wiki/Franz_Bopp
Geschichte der Historiolinguistik • August Schleicher erforschte
die Zusammenhänge der indogermanischen Sprachfamilie.
• Die Linguistik betrachtete er als Teil der Naturwissenschaften.
• Er definierte Sprache als natürlichen Lebensbestandteil, dessen Veränderungen – analog zur Entwicklung biologischer Arten – den Gesetzmäßigkeiten der Evolution unterliegt.
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Geschichte der Historiolinguistik
• Auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse zeichnete er im August 1853 den Ursprung der indoeuropäischen Sprachen in einem der ersten „Stammbäume“ nach, die in der Geschichte der Sprachwissenschaft und der Biologie (z.B. von Charles Darwin) veröffentlicht wurden.
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Geschichte der Historiolinguistik
• "Die grammatik bildet einen teil der sprachwißenschaft oder glottik. Dise selbst ist teil der naturgeschichte des menschen. Ire methode ist im wesentlichen die der naturwißenschaften überhaupt ... Eine der hauptaufgaben der glottik ist die ermittelung und beschreibung der sprachlichen sippen oder sprachstämme, d.h. der von einer und der selben ursprache ab stammenden sprachen und die anordnung diser sippen nach einem natürlichen systeme."
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Geschichte der Historiolinguistik
• Die Junggrammatiker– Gruppierung von Linguisten der
sogenannten Leipziger Schule, die sich Ende der 1870er Jahre in Leipzig um August Leskien (1840–1916), Karl Brugmann (1849-1919) und Hermann Osthoff (1847-1909) gebildet hatte.
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Geschichte der Historiolinguistik
• Mit ihrer Hypothese der „Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze“ versuchten sie die bis dahin als Geisteswissenschaft deklarierte Sprachwissenschaft im Zeichen der Naturwissenschaft neu zu begründen. Diese Entwicklung resultierte aus dem zunehmenden Wettbewerb der Geisteswissenschaften mit den Naturwissenschaften.
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Geschichte der Historiolinguistik
• Die Junggrammatiker vertraten in der indogermanischen und allgemeinen Sprachwissenschaft eine positivistische Richtung und folgten der Doktrin des Physiologen Emil Heinrich du Bois-Reymond (1818-1896) von der Ausnahmslosigkeit der Naturgesetze.
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Geschichte der Historiolinguistik
• Ihrer Auffassung nach finden Sprachveränderungen ausnahmslos auf der Grundlage naturgegebener Lautgesetze statt.
• Sprachwissenschaftliche Erkenntnisse sollten ausschließlich auf beobachtbaren Tatsachen - und nicht auf Abstraktionen - beruhen.
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Geschichte der Historiolinguistik
• „Aller Lautwandel, soweit er mechanisch vor sich geht, vollzieht sich nach ausnahmslosen Gesetzen, d.h. die Richtung der Lautbewegung ist bei allen Angehörigen einer Sprachgenossenschaft, außer dem Fall, daß Dialektspaltung eintritt, stets dieselbe, und alle Wörter, in denen der der Lautbewegung unterworfene Laut unter gleichen Verhältnissen erscheint, werden ohne Ausnahme von der Veränderung ergriffen.“
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Hermann Osthoff/Karl Brugmann :„Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen“ (Bd. 1, 1878, S. XIII)
Geschichte der Historiolinguistik
• Hermann Paul (1846-1921)– Die Prinzipien der Sprachgeschichte
(11883) sind Hermann Pauls Hauptwerk. – Sie dienten Generationen von Linguisten
als kanonisches Buch der Sprachwissenschaft.
– Sie sind, ebenso wie mehrere andere Bücher Pauls, ein Standardwerk insbesondere der germanistischen Sprachwissenschaft geworden
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Geschichte der Historiolinguistik
• Programmatik der Prinzipien– „Die Sprache ist wie jedes
Erzeugnis menschlicher Kultur ein Gegenstand der geschichtlichen Betrachtung…“
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Geschichte der Historiolinguistik
• „…wie in jedem Zweige der Geschichtswissenschaft so muss auch der Sprachgeschichte eine Wissenschaft zur Seite stehen, welche sich mit den allgemeinen Lebensbedingungen des geschichtlich sich entwickelnden Objektes beschäftigt, welche die in allen Wechsel gleichmässig vorhandenen Faktoren nach ihrer Natur und Wirksamkeit untersucht.“
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Geschichte der Historiolinguistik
• „Es fehlt für diese Wissenschaft eine allgemein gültige und passende Bezeichnung.“
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Geschichte der Historiolinguistik
• „Unter Sprachphilosophie versteht man in der Regel doch etwas anderes. Und ausserdem dürfte es vielleicht aus diesem Grunde geraten sein diesen Ausdruck lieber zu vermeiden.“
Geschichte der Historiolinguistik
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Geschichte der Historiolinguistik
• „Unser unphilosophisches Zeitalter wittert darunter leicht metaphysische Spekulationen, von denen die historische Sprachforschung keine Notiz zu nehmen brauche.“
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Geschichte der Historiolinguistik
• „In Wahrheit aber ist das, was wir im Sinne haben, nicht mehr und nicht minder Philosophie als etwa die Physik oder die Physiologie.“
Geschichte der Historiolinguistik
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Geschichte der Historiolinguistik
• „…was ist die eigentliche Ursache für die Veränderungen des Sprachusus? […]“
• „Die eigentliche Ursache für die Veränderung des Usus ist nichts anderes als die gewöhnliche Sprechtätigkeit. Bei dieser ist jede absichtliche Einwirkung auf den Usus ausgeschlossen.“
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atik
des
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achw
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ls
Geschichte der Historiolinguistik
• „Es wirkt dabei keine andere Absicht als die auf das augenblickliche Bedürfnis gerichtete Absicht seine Wünsche und Gedanken anderen verständlich zu machen.“
Geschichte der Historiolinguistik
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Die
Pro
blem
atik
des
Spr
achw
ande
ls
Geschichte der Historiolinguistik
• „Im übrigen spielt der Zweck bei der Entwickelung des Sprachusus keine andere rolle als diejenige, welche ihm Darwin in der Entwicklung der organischen Struktur angewiesen hat: die grössere oder geringere Zweckmässigkeit der entstandenen Gebilde ist bestimmend für Erhaltung oder Untergang derselben.“
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Die
Pro
blem
atik
des
Spr
achw
ande
ls
Die sprachhistorische Theorie H. Pauls
• Die Struktur der Prinzipien– Einleitung– Kap. I. Allgemeines über das
Wesen der Sprachentwicklung
– Kap. II. Die Sprachspaltung– Kap. III. Der Lautwandel– Kap. IV. Wandel der
Wortbedeutung
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Die
Pro
blem
atik
des
Spr
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ls
Die sprachhistorische Theorie H. Pauls
• Die Struktur der Prinzipien– Kap. V. Analogie– Kap. VI. Die syntaktischen
Grundverhältnisse– Kap. VII. Bedeutungswandel
auf syntaktischem Gebiet– Kap. VIII. Kontamination– Kap. IX. Urschöpfung
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Die
Pro
blem
atik
des
Spr
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ls
Die sprachhistorische Theorie H. Pauls
• Die Struktur der Prinzipien– Kap. X. Isolierung und Reaktion
dagegen– Kap. XI. Bildung neuer Gruppen– Kap. XII. Einfluss der
Funktionsveränderung auf die Analogiebildung
– Kap. XIII. Verschiebungen in der Gruppierung der etymologisch zusammenhängenden Wörter
– Kap. XIV. Bedeutungsdifferenzierung
– Kap. XV. Psychologische und grammatische Kategorie
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Die
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atik
des
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Die sprachhistorische Theorie H. Pauls
• Die Struktur der Prinzipien– Kap. XVI. Verschiebung der
syntaktischen Gliederung– Kap. XVII. Kongruenz– Kap. XVIII. Sparsamkeit im
Ausdruck– Kap. XIX. Entstehung der
Wortbildung und Flexion– Kap. XX. Die Scheidung der
Redeteile– Kap. XXI. Sprache und Schrift
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Die
Pro
blem
atik
des
Spr
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ande
ls
Die sprachhistorische Theorie H. Pauls
• Die Struktur der Prinzipien– Kap. XXII. Sprachmischung– Kap. XXIII. Die
Gemeinsprache
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Die
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Die romanische Historiolinguistik
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Die romanische Historiolinguistik
Friedrich Diez (1794-1876) gilt als Begründer der Romanischen Sprachwissenschaft.
Er verfasste unter dem Einfluss von Jacob Grimms Deutscher Grammatik zwischen 1836 und 1843 die Grammatik der romanischen Sprachen und 1853 ein Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen. Auf der Grundlage des romanischen Sprachvergleichs verfasste er 1853 das Etymologische Wörterbuch der romanischen Sprachen, in dem er die etymologische Forschung auf eine wissenschaftliche Basis stellte.
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Die romanische Historiolinguistik Aufgabe der Etymologie
Ein gegebenes Wort auf seinen Ursprung zurückführen
MethodenKritische M.
Beachtung der LautgesetzeNur wenige Ausnahmen sind gestattet
Unkritische M.Deutungen aufgrund von formaler ÄhnlichkeitErzwingung von Zusammenhängen bei geringer Ähnlichkeit oder beim Fehlen von Ähnlichkeit
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Die romanische Historiolinguistik
• In der Romanistik ging es vor allem darum, bei gegebener Kenntnis des klassischen Latein das gesprochene Latein (Vulgärlatein) und damit die hypothetischen Formen des Protoromanischen zu rekonstruieren.
• Das Protoromanische wurde in seiner regionalen Vielfalt als Vorstufe aller romanischen Sprachen angesehen.
• Die vergleichende historische Sprachwissenschaft fand im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts Vertreter, die von ihren Gegnern "Junggrammatiker" (auch: Neogrammatiker) genannt wurden.
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Die romanische Historiolinguistik
• Die Junggrammatiker bemühten sich, die im Sprachwandel festzustellenden Regelmäßigkeiten als Gesetzmäßigkeiten zu begreifen, um dadurch in positivistischer Tradition die Sprachwissenschaft als eine exakte Naturwissenschaft definieren zu können.
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Grundfragen der modernen Historiolinguistik
• Was wandelt sich in einer Sprache?
• Mit welcher Geschwindigkeit und innerhalb welcher Grenzen wandeln sich Sprachen?
• Wie beschreibt man Sprachwandel
• Warum wandeln sich Sprachen?• Wie wird Sprachwandel von den
Sprachbenützernwahrgenommen• Haben Sprachen einen Ursprung?
Sterben Sprachen?
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Der Untersuchungsgegenstand der Historiolinguistik
• Erscheinungsformen des Sprachwandels– Lautwandel– Bedeutungswandel– Wandel der Morphologie– Wandel der Syntax– Wandel des Lexikons
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SPRACHWANDELAUS THEORETISCHERPERSPEKTIVEBeispielRudi Keller (1990, 32003)
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Die „unsichtbare Hand“
Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in
der Sprache, Tübingen 1990 (3. Auflage 2003)• Sprachwandel wird als Ergebnis des Wirkens einer
„unsichtbaren Hand“ gesehen. • Der Sprachwandel wird hier weder als Naturphänomen
noch als Artefakt verstanden, sondern entsteht aus den Einzelhandlungen der Individuen als ungewollte und ungeplante Struktur.
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Keller greift in Bezug auf den sprachlichen Wandel auf den
Vergleich mit den Trampelpfaden auf einer modernen Campus-Uni zurück
– Kein Naturphänomen, aber auch kein Artefakt im eigentlichen Sinn (etwa im Vergleich zu den vom Architekten angelegten Wegen)
– Das Trapelpfadsystem erweist sich häufig als „intelligenter“ als das offizielle Straßen- und Wegesystem
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“Sprachwandel
Was ist unter dem „Phänomen der dritten Art zu verstehen?
Naturphänomen
[Phänomen der 3. Art] (?)
Artefakt
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“◦Das „Phänomen der dritten Art“
Unterscheidung zwischen folgenden zwei Bereichen:(1)Mikroebene des individuellen Handelns(2)Makroebene der durch dieses Handeln erzeugten
Strukturen Wichiger Faktor:
Die handelnden Akteure haben die Makroebene nicht im Auge und reflektieren sie auch nicht
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Das „Phänomen der dritten Art“• Die alltäglichen, zufälligen Regelverletzungen
hinterlassen keine Spuren in der Sprache,• Nur die systematischen Regelverletzungen können sich
zu den neuen regeln der Zukunft entwickeln
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Das „Phänomen der dritten Art“• Ein Trampelpfad entsteht, weil eine Vielzahl von
Menschen von A nach B geht nach der Maxime der Energiersparnis• Diese Maxime erzeugt eine Regelmäßigkeit des
Verhaltens, die nach einer gewissen Zeit ihre Spuren hinterlässt
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“◦Das „Phänomen der dritten Art“
Dies gilt in ähnlicher Form auch für den Wandel der Sprache (so wird z.B. dt. haben umgangssprachlich als ham artikuliert [„ham wa nich“], die vielleicht irgendwann in die Schriftsprache eingehen wird
Neben der Maxime der Energieersparnis gibt es weitere Maximen, die beim Kommunizieren bewusst oder unbewusst befolgt werden und die mit der Zeit einen Sprachwandel erzeugen
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“◦Das „Phänomen der dritten Art“
Menschen haben bei all ihren kommunikativen Unternehmungen in erster Linie den Erfolg ihrer Bemühungen im Auge, d.h.
sie wollen verstanden werden, freundlich wirken, überzeugen, Aufmerksamkeit erzeugen Gruppenzugehörigkeit oder Distanz signalisieren und vieles mehr…
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Das „Phänomen der dritten Art“• Sprachzustände sind keine Endzustände von
Prozessen, • sondern transitorische Episoden in einem
potentiell unendlichen Prozess kultureller Evolution…
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Die Wortbedeutungen ändern sich durch Veränderung der
Gebrauchsregeln– Beim Bedeutungswandel verändern die Sprecher die
Gebrauchsregeln eines Wortes (durch Wirken der unsichtbaren Hand) dadurch, dass die Sprecher einen zunächst okkasitionellen Sinn so häufig erzeugen, dass in der Sprachgemeinschaft mit der Zeit ein Umlernen erfolgt.
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Morphologischer Wandel entsteht in der Regel durch
Regelverletzungen, Bedeutungswandel als Sinnspezifizierung durch regelkonforme Spezialverwendung unter Wirken der „unsichtbaren Hand“.
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“◦ Von den Zeitgenossen wird SPRACHWANDEL
normalerweise nicht als Wandel, sondern als SPRACHVERFALL wahrgenommen.
◦ Sprache = komplexes System konventioneller Regeln
◦ Jede Veränderung beginnt mit der Übertretung der Regel
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Theoretische Betrachtungen des Sprachwandels
• Rudi Keller und die Theorie der „unsichtbaren Hand“– Beispiele aus dem Deutschen
–schrauben – schrob – geschroben• Falsch?• …früher die einzig korrekte Form…
–schrauben – *schraubte – *geschraubt• …war falsch• der Beginn des Sprachwandels wird zuächst immer als
REGELVERLETZUNG wahrgenommen
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