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G. Schneider „EyeTracking“ Darstellung und Analyse der Daten Die Wahl der Darstellungsform für die Daten der Augenbewegungen aus dem EyeTracking Experiment richtet sich in der Regel nach dem Einsatzgebiet. Generell sind z.B. für die Registrierung von Augenbewegungen z.B. aus der Werbung, der neurologischen Medizin bzw. Arbeitsmedizin, andere Darstellungen angebracht als für die Registrierung der genauen Blickrichtung beim Lesen. In der neurologischen Medizin bzw. Psychologie spielen die: Konvergenzbewegungen Augenfolgebewegungen Rollbewegungen Drift und Mikrosakkaden Nystagmus physiologischer Nystagmus eine Rolle, wobei abgeleitete Parameter hinzukommen, die die Veränderung der: Pupillengröße (Durchmesser oder Fläche) Lidschlüssen (Anzahl/Zeiteinheit) in Abhängigkeit der Emotion analysieren. Die Parameter der Augenbewegungen können als: Zeitreihenanalyse (Ereignis als Funktion der Zeit) oder als statistische Auswertung der Häufigkeiten (Histogramm) graphisch oder numerisch dargestellt werden. Im Allgemeinen wird dabei eine Korrelation zwischen einem Ereignis und der physiologischen Reaktion –Augenbewegung- als Messgröße und vereinfachte Zusammenfassung komplexer physiologischer und mentaler Abläufe hergestellt. Die Parameter der Augenbewegungen, die in der Leseforschung analysiert werden, begrenzen sich im Wesentlichen auf die: Fixationen als ein Verweilen der Blickrichtung (ca. 100ms-400ms) Sakkaden (schnelle Blicksprünge bis 600°/s) Dabei sind insbesondere bei schlecht lesenden Kindern noch folgende Größen interessant: Größe der Sakkaden Anzahl und Dauer der Fixationen und Sakkaden Anzahl der rückwärtsgerichteten Sakkaden (Regressive Sakkaden) EyeTrackerDarstellung.doc

EyeTracker- Darstellung und Analyse der Daten · G. Schneider „EyeTracking“ Darstellung und Analyse der Daten Die Wahl der Darstellungsform für die Daten der Augenbewegungen

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G. Schneider

„EyeTracking“ Darstellung und Analyse der Daten

Die Wahl der Darstellungsform für die Daten der Augenbewegungen aus dem EyeTracking Experiment richtet sich in der Regel nach dem Einsatzgebiet. Generell sind z.B. für die Registrierung von Augenbewegungen z.B. aus der Werbung, der neurologischen Medizin bzw. Arbeitsmedizin, andere Darstellungen angebracht als für die Registrierung der genauen Blickrichtung beim Lesen. In der neurologischen Medizin bzw. Psychologie spielen die:

• Konvergenzbewegungen • Augenfolgebewegungen • Rollbewegungen • Drift und Mikrosakkaden • Nystagmus • physiologischer Nystagmus •

eine Rolle, wobei abgeleitete Parameter hinzukommen, die die Veränderung der:

• Pupillengröße (Durchmesser oder Fläche) • Lidschlüssen (Anzahl/Zeiteinheit) •

in Abhängigkeit der Emotion analysieren. Die Parameter der Augenbewegungen können als:

Zeitreihenanalyse (Ereignis als Funktion der Zeit) oder als statistische Auswertung der Häufigkeiten (Histogramm)

graphisch oder numerisch dargestellt werden. Im Allgemeinen wird dabei eine Korrelation zwischen einem Ereignis und der physiologischen Reaktion –Augenbewegung- als Messgröße und vereinfachte Zusammenfassung komplexer physiologischer und mentaler Abläufe hergestellt. Die Parameter der Augenbewegungen, die in der Leseforschung analysiert werden, begrenzen sich im Wesentlichen auf die:

• Fixationen als ein Verweilen der Blickrichtung (ca. 100ms-400ms) • Sakkaden (schnelle Blicksprünge bis 600°/s) •

Dabei sind insbesondere bei schlecht lesenden Kindern noch folgende Größen interessant:

• Größe der Sakkaden • Anzahl und Dauer der Fixationen und Sakkaden • Anzahl der rückwärtsgerichteten Sakkaden (Regressive Sakkaden)

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• Frequenzcharakteristik der Sakkaden. (zur Analyse der Unsicherheiten der Blickrichtung)

• Konstanz der Fixationen (Drift auf den Blickpunkt) Neben diesen dynamischen Parametern ist in der Leseforschung jedoch die Korrelation zwischen dem angeschauten Wort und der physiologischen Reaktion –Augenbewegung- und dem ausgesprochenen oder gehörten Wort als Messgröße wichtig. Es ist zwar eine sehr vereinfachte Zusammenfassung komplexer physiologischer und mentaler Abläufe, die jedoch Rückschluss auf Leseschwierigkeiten zulassen. Aus diesem Grund sind neben den oben dargestellten dynamischen Parametern der Augenbewegung die Orte der Fixation und damit die Blickrichtung wesentlich, mit:

• Lokalisierung am Wort und Buchstaben • Ort der regressiven Sakkaden • Treffsicherheit der Sakkaden • dynamisches Blickverhalten am Wort

„Lesen ist ein vielseitiges, denkendes Inbeziehungsetzen mit:

• Angleichungen einzelner Wörter an bekannte Sprachmuster oder Sprech- Schreibmuster,

• Ausgliederung und gleichzeitig Kombination von Wortsegmenten, • Verwertung von Vorinformationen zu raschen Wortidentifikationen, • vorauseilendes Dekodieren mit Rückgriffen • Ausbauen einer Satzgestalt nach einem Satzleitbild, • Konstruktionen von Sinnschritten, • Kombinationen des Bedeutungsgehaltes der Sinnschritte zu einer

Bedeutungsstruktur“ [Grissemann 96] Diese mehr blickrichtungsbezogenen Anforderungen treffen sich mit den gewünschten Kennwerten der Werbung, Design und Arbeitsgestaltung, die im Wesentlichen:

• das Gesamtverweildauer in einem Areal des Bildes oder Plakates (Area of Interest) • die Anzahl Blickkontakte in diesem Areal • die Zeit des ersten Kontaktes von diesem Areal •

untersuchen. Hierdurch kann die Leseforschung durch das größere Interesse an EyeTracking-Techniken profitieren, die die teilweise sehr teuren Messgeräte erschwinglicher macht. Jedoch müssen die Anforderungen an die Genauigkeit und zeitliche Auflösung der Messgrößen beachtet werden, da die „Area of Interest“ der Werbung im Allgemeinen wesentlich größer definiert werden, als die Auflösung in Buchstabengröße der Leseforschung.

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Abb.1 Erste Darstellungen eines Experiments von 1972 mit EyeTracking Technik zeigen die prinzipiellen Orte der gehäuften Fixationen […]

Abb.2 Darstellung der Orte der Fixationen und Fixationsdauer (kodiert über Kreisgröße) [Tiobii]

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Der Vergleich mit einer Darstellung von 2004 [Tobii] ist zwar komfortabler und möglicherweise genauer, führt aber doch zu ähnlichen Ergebnissen. In der Darstellung kann an der Größe der blauen Kreise die Fixationszeit oder die Anzahl wiederholter Fixationen abgelesen werden. Zum Vergleich sind in Abb.3 der Ort und die Häufigkeit der Fixationen am Ort nur über die farbliche Stärke abzuschätzen.

Abb.3 Bereiche der Fixationen bei einem Fahr- und Flugtrainer […] Da bei der Analyse und der Optimierung von Web-Seiten folgende Parameter von Interesse:

• Blickort • Unterscheiden zwischen Lesen oder Suchen • Relative Aufmerksamkeit bestimmen • Spezielle Items im Interesse • Suchmuster vergleichen •

sind, kann mit diesen Darstellungen die Fragestellung beantwortet werde, welche Stelle auf der Seite der:

• Eye-Catcher ist, wie der • typische Blickverlauf war (Nummerierung) und welche • Betrachtungszeit und –häufigkeit vorlag (Größe des Kreises)

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Abb.4 Darstellung der Orte der Fixationen und Reihenfolge der Fixationen [Tobii] Somit wird angenommen, dass zwischen spontanem Schauen, gedankten bezogenem Schauen und aufgaben bezogenem Schauen sowie

• dem lesen • der visueller Suche • der Szenenwahrnehmung

in der Werbepsychologie unterschieden werden kann. Über eine Definition von Gebiete des Interesses kann auf einem Bild oder der WEB-Seite auch die Häufigkeitsverteilung der Blickgebiete definiert und über ein Histogramm dargestellt werden.

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Abb.5 Häufigkeitsverteilung der Blickgebiete über ein Histogramm Eine Vielzahl von Dienstleister mit EyeTracking-Techniken bietet die Analyse von WEB-Seiten an.

Abb. 6 Prinzipdarstellung einer demografischen Umfrage mit Hilfe des Blickverhaltens [eyetools]

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So wurde in einer größeren Studie festgestellt, dass bei der Suchmaschine Google der obere linke Bereich gehäuft angeschaut wurde. Für diese Aussage reicht eine farbliche Hinterlegung entsprechend Ab.6 aus.

Abb.7 Häufigkeitsverteilung des Blickes auf einer Internetseite – kodiert über Farben In der Abb. 7 wird die Anzahl der Fixationen, die zeitliche Reihenfolge und die Zeitdauer für die gesamtheit der Fixationen in einer vordefinierten Flache (Area of Interest) über die Größe der Kreise dargestellt und kodiert.

Abb. 8 Fahrverhalten in einem Fahrsimulator

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Anforderungen an eine Darstellung für die Analyse des Lesens Lesen ist kein kontinuierlicher Prozess einer fortschreitenden Blickrichtung, sondern ein Wechsel zwischen Blicksprüngen (Sakkaden) und dem Verweilen (Fixationen) zur Sinnentnahme mit gelegentlichen Rücksprüngen. Der Grund für diese Mobilität des Auges liegt an dem nur relativ kleinen Blickbereich, der scharf gesehen wird. Dabei wird im Gegensatz zu dem Betrachten eines Bildes die Blickrichtung durch die Zeilen des Textes geführt. Bei einer zeitabhängigen Darstellung des Lesens einer Zeile Abb.9 sind eine Vielzahl von Fixationen und Sakkaden zu erkennen. Interessant für eine Analyse sind:

• Größe der Sakkaden (Sprungweite des Blickes von einem Wort zum nächsten) • Anzahl und Dauer der Fixationen und Sakkaden • Anzahl der rückwärtsgerichteten Sakkaden (Regressive Sakkaden) • Frequenzcharakteristik der Sakkaden. (zur Analyse der Unsicherheiten der

Blickrichtung) • Konstanz der Fixationen (Drift auf den Blickpunkt)

Für einen kompetenten Leser ergeben sich durchschnittliche Werte für Sakkadenweite und Fixationsdauer, die abhängig vom Inhalt und der eigenen Motivation sind. [Schneider, Kurt] und für die Fixation bei 200ms und für die Sakkadenweite bei 8-12 Buchstaben liegen. Jedoch ist die individuelle Streuung sehr groß, so dass diese Mittelwertangabe das Lesen wenig charakterisiert.

Zeit [sec]

Blic

k au

f der

Zei

le

Fixation

Sakkade

Abb. 9 Blickrichtung beim Lesen - zeitabhängig dargestellt

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Häufigkeitsverteilung der Sakkadenweiten und Fixationszeiten beim Lesen Die Verteilung der Häufigkeiten der Sakkadenweiten und Fixationszeiten unterscheidet sich von der Art des Lesens. Bei einem durch eine Frage angeregten wiederholten Lesen können im Gegensatz zu einem ersten gemurmelten Lesen gehäuft kürzere, jedoch auch einzelne sehr weite Sakkaden festgestellt werden. Die Fixationszeiten sind deutlich kürzer. Beim sofortigen inhaltlichen Verarbeiten, wie dies bei dem Lesen einer Frage zu beobachten ist, treten sehr kurze, aber vereinzelt auch sehr lange Fixationszeiten auf.

a) Verteilung der Sakkadenweiten und Fixationszeiten beim ersten lauten (gemurmelten)

Lesen (negativer Wert der Sakkadenweite entspricht der Rücksprungweite beim wiederholten Lesen)

b) Verteilung der Sakkadenweiten und Fixationszeiten beim ersten lauten (gemurmelten) Lesen einer Fragestellung

c) Verteilung der Sakkadenweiten und Fixationszeiten beim suchenden (2-4.Mal gelesen) Lesen Abb.10 Histogramm der Sakkadenweiten und Fixationszeiten zum Lesetext aus den Untersuchungen von einem kompetenten Leser Ende der 5.Klasse; Es ist festzustellen, dass zwar in Abhängigkeit der Aufgabenstellung für das Lesen die Sakkadenweiten und Fixationszeiten sich verändern, jedoch zur Charakterisierung des Leseverhaltens bei Kindern mit LRS diese Parameter sehr differenziert zu betrachten sind, da bei diesen Kindern das typische Blickmuster beim Lesen kompetenter Leser sehr häufig fehlt. Wann kann von einer Sakkade gesprochen werden oder wann gleitet das Auge beim Lesen

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nur über das Wort bzw. die Zeile bzw. wann treten nur Schwankungen auf dem Fixationspunkt auf? In dem hier eingesetzten Auswerteprogramm wurde das Blickverhalten zeitlich über eine Fourieranalyse in den Frequenzbereich transformiert und die Intensitäten der einzelnen Frequenzanteile der Augenbewegung zueinander ins Verhältnis gesetzt. Je nach Alterstufe der Kinder musste dieses Verhältnis angepasst werden, damit Sakkaden von Kindern der 1. als auch der 5. Klasse von Kindern mit LRS vom gleitenden Leseverhalten unterschieden werden konnte. [Schneider, Kurt 2000] Neben diesen dynamischen Parametern ist in der Leseforschung jedoch die Korrelation zwischen dem angeschauten Wort und dem ausgesprochenen oder gehörten Wort als Messgröße wichtig. Es ist zwar eine sehr vereinfachte Zusammenfassung komplexer physiologischer und mentaler Abläufe, die jedoch Rückschluss auf Leseschwierigkeiten zulassen. Aus diesem Grund sind neben den oben dargestellten dynamischen Parametern der Augenbewegung die Orte der Fixation und damit die Blickrichtung wesentlich, mit:

• Lokalisierung am Wort und Buchstaben • Ort der regressiven Sakkaden • Treffsicherheit der Sakkaden • dynamisches Blickverhalten am Wort

Mit der Darstellung in Abb.11 kann die Lokalisierung am Wort bzw. Buchstaben bestimmt werden. Jedoch sind die Orte der regressiven Sakkaden, die Treffsicherheit der Sakkaden als auch das dynamische Blickverhalten am Wort nicht zu bestimmen. Dies sind wesentliche Aussagen für die Lesegüte von Leseanfängern bzw. Kindern mit Leseschwäche.

Abb. 11 Blickrichtung beim Lesen - ortsabhängig dargestellt (15-jähriger, lernbehinderter Schüler) Erst die gleichzeitige Darstellung der Abb.9 und Abb.11 ermöglicht die Verbindung der o.g. quantitativen Analyse des Lesverhaltens mit seinem psycholinguistischen Bezug. Hierzu wurde am Institut für Rehabilitationswissenschaften ein SoftwarePaket entwickelt, bei dem cursor-gesteuert in der zeitabhägigen Darstellung (Abb.9) der zugehörigen Textbereich (Abb.11) interaktiv bestimmt werden kann und das neben der quantitativen Analyse (Sakkadenweite, Fixationsdauer, Rückwärtssakkaden und ihre statistische Verteilung) die für

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diese Untersuchungen wichtige Zuordnung zu dem gelesenen Text entsprechend Abb. 12 gestattet

Abb.12 cursor-gesteuerte Markierung des Lesens als Funktion der Zeit und des dazugehörigen Textbereiches Zeitsynchrone Darstellung zwischen dem gesprochenen Satz und dem Blickmuster Oft gestattet erst eine zeitsynchrone Darstellung zwischen dem gesprochenen Satz und dem Blickmuster beim leisen Mitlesen die Analyse, inwieweit z.B. sehr schlecht lesende Kinder durch ein oft relativ schnelles lautes Vorlesen zu einem kompetenteren Leseverhalten diszipliniert werden können.

Abb. 13 zeitsynchrone Darstellung zwischen dem gesprochenem Satz, dargestellt als Hüllkurve der Artikulation, und dem Blickmuster beim leisen Mitlesen Die Zuordnung des gesprochenen Wortes zur Hüllkurve und damit zum Zeitbezug der Blickrichtung kann an den Stellen erfolgen, an denen Plosivlaute oder deutliche artikulatorische Pausen im Wort auftreten.

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Literatur: [Grissemann] Grissemann, H., Von der Legasthenie zum gestörten Schriftspracherwerb; Verlag Hans Huber (1996) [Schneider, Kurt 2000] Schneider, G., Kurt, J. Zur Rolle der Blicksteuerung in den Rehabilitationswissenschaften; www.reha.hu-berlin.de/rehatech/eye [eyetools] http://www.eyetools.com/

http://www.prweb.com/releases/2005/3/prweb213516.htm [tobii] http://www.tobii.com

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