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Fachreihe Bildung, Migration und Vielfalt Wiener Neustadt, 2012-12-12 Bildungsbeteiligung & Bildungsübergänge August Gächter Zentrum für Soziale Innovation

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Fachreihe

Bildung, Migration und Vielfalt

Wiener Neustadt, 2012-12-12

Bildungsbeteiligung & Bildungsübergänge

August GächterZentrum für Soziale Innovation

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Vorwurf der Bildungsverweigerung

• Kommt in AT zu vier traditionellen Vorverurteilungen dazu:– Überfremdung– Verdrängung– Sozialschmarotzer– Kriminalität

• Immer: Die Minderheit ist durch ihr Ver-halten selbst schuld an ihrer nachteiligen Stellung & am Verhalten der Mehrheit

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„Bildungsverweigerung“

• Trat in dem Moment auf, als eine „Erklärung“ für die nachteilige Stellung der Jugendlichen aus eingewanderten Familien im Bildungswesen und am Arbeitsmarkt gebraucht wurde– Seit etwa 2005

• Immer schon Vorwurf an die Armen

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„Eine Informationsquelle über die Ursachen einer Abneigung gegen eine Minderheit kann, wie mir scheint, ganz generell unbeachtet bleiben. Es handelt sich um die Erklärungen, die Angehörige einer Mehrheit für ihre Abneigung gegen Mitglieder einer Minderheit geben. Solche Erklärungen entsprechen eher Rechtfertigungen als Gründen …“ (LaPiere 1936:232, meine Übersetzung).LaPiere, Richard T. (1936) Type-Rationalizations of Group Antipathy; Social Forces 15/2:232-237.

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Rechtfertigung versus Ursache

• Eine Rechtfertigung ist etwas Nachträgliches, also das genaue Gegenteil einer Ursache

• Rechtfertigung und Ursache sind für Menschen nur mit erheblicher Mühe unterscheidbar

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Bedarf an Rechtfertigung

• „Zunächst möchte ich zu bedenken geben, dass es nicht einen Rassismus gibt, sondern viele Rassismen: so viele, wie es Gruppen gibt, die eine Rechtfertigung dafür brauchen, dass sie existieren, wie sie existieren, denn das ist die unabänderliche Funktion von Rassismus“ (Bourdieu 1993:252).

Bourdieu, Pierre (1993) Soziologische Fragen; Suhrkamp.

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Beobachtete Bildungsbeteiligung der 15-19 Jährigennach Geburtsstaat der Eltern, Durchschnitt 2008-2011wahrer Wert mit 95% Wahrscheinlichkeit im farbigen Bereich

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

AT EU15EFTA

OSO BA SC+MK TR Sonst

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Mythos 1: Schulabbrecher

• Rund 9.500 15-29 Jährige ohne HS-Abschluss & nicht in Ausbildung– 3.800 mindestens 15 bei Einreise– 2.500 mindestens ein Elternteil im Ausland

geboren– 3.200 kein Elternteil im Ausland geboren

• 59.500 ab 30 Jährige; davon– 39.000 mindestens 15 bei Einreise

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Mythos 2: Früher Schulabgangzynisch & falsch mit „Schulabbrecher“ übersetzt

• Rund 144.000 15-29 Jährige mit HS-Abschluss & nicht in Ausbildung– 30.800 bei Einreise mitgebracht– 48.300 mind. ein E-teil im Ausland geboren– 64.900 kein Elternteil im Ausland geboren

• 1.328.000 ab 30 Jährige; davon– 217.000 mind. 15 bei Einreise– 102.000 mind. ein E-teil im Ausland geboren

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Zwei (noch) wenig bekannte Erkenntnisse

1. Bei der Bildung über Pflichtschule hinaus steht die Jugend aus eingewanderten Familien auf halbem Weg zwischen Elterngeneration und Gleichaltrigen

2. …

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Anteil mit höchstens 9 SchulstufenElterngeneration und JugendgenerationEG: 45-59 Jahre, JG: 15-29 Jahre, Durchschnitt 2008-2011wahrer Wert mit 95% Wahrscheinlichkeit im farbigen Bereich

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

EG JG EG JG EG JG EG JG EG JG EG JG

AT undEU15/EFTA

EU neuKroatien

Bosnien Serbien Türkei Sonst

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Zwei (noch) wenig bekannte Erkenntnisse

1. …

2. 15-19 Jährige, Eltern eingewandert oder nicht, haben unter gleichen Umständen fast die gleiche Wahrscheinlichkeit, in Bildung oder Ausbildung zu sein

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Projekt PerspektivenBildung: Das Selbstbild der „Zweiten Generation“

• Auftrag des BMUKK

• Teils finanziert vom Europäischen Sozialfonds (ESF)

• Koordiniert vom bfi Tirol

• Mit Zentrum für Migrant/innen in Tirol (ZeMiT), Hafelekar GmbH Paul Schober, Uni Innsbruck Inst. f. Erziehungswiss.

www.perspektivenbildung.at

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Je mehr Umstände berücksichtigt werden, desto ähnlicher ist die Bildungsbeteiligung der 15-19 Jährigennach dem Geburtsstaat der Eltern

0

10

20

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50

60

70

80

90

100

Geburtsstaat derEltern

plus 5 Merkmaleder Jugendlichen

plus 6 Merkmaleder Eltern

plus 15 Merkmdes Haushalts

plus 9 MerkmaleRegion, Zeit

AT

EU15/EFTA

OSO

BA

SC+MK

TR

Sonst

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Was hat Einfluss?

1. Merkmale der Eltern (89)

2. Soziale & wirtschaftliche Lage des Haushalts (81)

3. Eigene Merkmale (75)

4. Zeitpunkt (67)

5. Zusammensetzung des Haushalts (40)

6. Regionale Merkmale (40)

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Anteil 15-19 Jährige in Ausbildung, die AHS/BHS besuchennach Geburtsstaat der Eltern, Durchschnitt 2008-2011wahrer Wert mit 95% Wahrscheinlichkeit im farbigen Bereich

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

AT EU15EFTA

OSO BA SC+MK TR Sonst

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Wahrscheinlichkeit der 15-19 Jährigen in Ausbildung, eine AHS oder BHS zu besuchennach dem Geburtsstaat der Eltern

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Geburtsstaat derEltern

plus 5 Merkmaleder Jugendlichen

plus 6 Merkmaleder Eltern

plus 15 Merkmdes Haushalts

plus 9 MerkmaleRegion, Zeit

AT EU15/EFTAOSO BASC+MK TRSonst

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Was hat Einfluss?

1. Merkmale der Eltern (151)

2. Soziale & wirtschaftliche Lage des Haushalts (124)

3. Eigene Merkmale (121)

4. Zusammensetzung des Haushalts (73)

5. Regionale Merkmale (61)

6. Zeitpunkt (44)

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Was muss man ändern?

Erstens und vor allem: Die Reaktion des Bildungswesens auf die Merkmale der Eltern muss sich ändern

Unsachliches Vorgehen der Lehrkräfte ist unprofessionell: zu viel Fachdidaktik, zu wenig soziale Kompetenz

Kein (kritisches) Feedback aus späteren Schulstufen: viel zu großes Vertrauen in die eigene Prognosefähigkeit

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Die Benachteiligung am Arbeitsmarkt wird ignoriert

• Bei gleicher Bildung– auffällige Unterschiede bei den

Beschäftigungschancen– auffällige Unterschiede beim Risiko, in

Hilfs- und Anlerntätigkeiten beschäftigt zu sein

• Geschlecht: Männer etwas mehr beschäftigt, häufiger als Frauen unter der Qualifikation

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August Gächter

Zentrum für Soziale InnovationLinke Wienzeile 246

1150 Wien

Tel. ++43.1.4950442-74Fax. ++43.1.4950442-40

email: [email protected]://www.zsi.at

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit