Falk Gastro-Kolleg Darm - · PDF filezum Ausschluss einer Zöliakie, wenn eine Histologie Marsh III und eine negative Sero - logie unter glutenhaltiger Ernährung vorliegt,

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    1Punkt

    Titelbild: Zliakie mit Zottenatrophie (links) und Normalbefund (rechts)

    Prof. Dr. Irmtraud KoopKlinik fr Allgemeine Innere Medizin und GastroenterologieEv. Amalie Sieveking-Krankenhaus gGmbHHaselkamp 22 Hamburg

    Zliakie ein UpdateZusammenfassung

    Die Zliakie ist eine durch einen exogenen Stimulus (Gluten und verwandte Prolamine) vermittelte systemische Autoimmunerkrankung, die bei Menschen mit genetischem Hintergrund auftritt. Das herausragende Merkmal sind lymphozytre Infiltrationen in der Dnndarmmukosa (Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten) mit Verminderung der Zotten-Krypten-Relation bis hin zur Zottenatrophie. Die daraus resultierenden pathophysiologischen nderungen resorptiver Vorgnge fhren zu Beschwerden sehr unterschiedlicher Ausprgung. Darber hinaus knnen sich in nahezu allen Organsyste-men Zliakie-assoziierte Beeintrchtigungen ergeben, deren Pathogenese im Einzelnen nicht geklrt ist.

    Schlsselwrter

    Zliakie | Glutenunvertrglichkeit | glutenfreie Ernhrung | Antikrper gegen Gewebetransglutamine | Zottenatrophie

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    Zliakie ein Update

    Einleitung und Definition

    Die Zliakie ist eine durch einen exogenen Stimulus (Gluten und verwandte Prolamine) vermittelte systemische Autoimmunerkrankung, die bei Menschen mit genetischem Hintergrund auftritt. Das herausragende Merkmal sind lymphozytre Infiltrationen in der Dnndarmmukosa (Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten) mit Verminderung der Zotten-Krypten-Relation bis hin zur Zottenatrophie. Die daraus resultierenden patho-physiologischen nderungen resorptiver Vorgnge fhren zu Beschwerden sehr unter-schiedlicher Ausprgung. Darber hinaus knnen sich in nahezu allen Organsystemen Zliakie-assoziierte Beeintrchtigungen ergeben, deren Pathogenese im Einzelnen nicht geklrt ist.

    Durch Gluten induzierte Beschwerden knnen Folge unterschiedlicher pathophysiolo-gischer Ablufe sein. Neben der rein allergischen Reaktion auf Gluten in Weizen, die IgE-vermittelt ist (z. B. Bckerasthma, orale/intestinale Weizenallergie), wird zwischen einer nicht-autoimmun-/nicht-allergisch-vermittelten Glutensensitivitt und der autoim-mun vermittelten Glutensensitivitt (Zliakie) unterschieden [1]. Aufgrund klinischer Beschwerden knnen beide Entitten hufig nicht voneinander unterschieden werden. Whrend die Zliakie durch serologische und histologische Kriterien definiert ist, fehlen diese fr die nicht-autoimmun-/nicht-allergisch-vermittelten Glutensensitivitt. Diese Diagnose ist somit eine Ausschlussdiagnose mit individueller Entscheidung bezglich eines Therapieversuchs [1].

    Die Zliakie kann in jedem Lebensalter auftreten. Bei Kleinkindern stehen Durchflle, Bauchschmerzen, Gedeih- und Wachstumsstrungen im Vordergrund der Symptomatik. Erwachsene prsentieren sich sehr viel seltener mit den klassischen Symptomen der Malabsorption. Hufiger sind mono- und oligosymptomatische Verlufe, die vor allem auch im fortgeschrittenen Alter noch beginnen knnen [2].

    Die Zliakie ist eine hufige Erkrankung. In Europa und den USA zeigen Screeningdaten eine Prvalenz um 1% (0,31,3%) mit steigender Tendenz. Durch die Umstellung traditio-neller Kost in asiatischen Lndern hin zu Getreideprodukten ist eine Zunahme der Zli-akie auch in diesen Lndern zu erwarten [1, 3, 4]. Durch klinische Symptomatik werden nur 2030% der Patienten diagnostiziert [5] und dies weiterhin mit hufig jahrelanger Latenz.

    Wichtigste rztliche Manahme: an die Mglichkeit einer Zliakie denken

    Die wichtigste rztliche Manahme liegt in der differenzialdiagnostischen berlegung einer Zliakie. Dies betrifft nicht nur Gastroenterologen und Pdiater, sondern insbeson-dere Allgemeinrzte, Internisten, Dermatologen, aber auch Orthopden, Endokrinologen, Gynkologen, Neurologen und Zahnrzte. Die klassische Symptomatik mit Durchfall, Gewichtsverlust, Malabsorptionssyndrom ist selten geworden. Vielmehr entwickelt sich eine Zliakie als mono- oder oligosymptomatische Erkrankung. Erwachsene werden am hufigsten durch Eisenmangelanmie, Durchfall, Osteoporose auffllig [1, 4, 6]. Bei Kindern stellen Durchfall, Gedeih- und Wachstumsstrung die Hauptsymptomatik dar. In Tabelle 1 sind Symptome, klinische Befunde und Risikokonstellationen, die an eine Zliakie denken lassen, aufgefhrt.

    Wer sollte auf das Vorliegen einer Zliakie getestet werden?

    Die Empfehlungen, wer auf das Vorliegen einer Zliakie getestet werden soll, basieren auf Konsensusentscheidungen. Ein generelles Screening verschiedener Altersgruppen wird nicht empfohlen. Die wichtigsten Symptome und Risikokonstellationen sind in Ta-belle 1 aufgefhrt. Dabei ist immer der individuelle Verlauf der Beschwerden zu berck-sichtigen. Wenn z. B. eine Osteoporose mit Spontanfrakturen bei einem Mann im 6. Le-bensjahrzehnt auftritt, sollte dringend eine Ursachenabklrung erfolgen inklusive IgA-Anti-TTG-Antikrper.

    P Wer soll auf Zliakie getestet werden? (s. Tab. 1) Kinder und Erwachsene mit Symptomen und Befunden, die auf das Vorhandensein einer Zliakie hindeuten Menschen mit erhhtem genetischen Risiko Menschen mit prdisponierenden Komorbiditten

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    Gibt es einen Standard fr die Diagnosestellung?

    Bisheriger Standard in der Diagnosestellung ist der gleichzeitig positive Nachweis eines Zliakie-assoziierten Antikrpers plus des histologischen Nachweises einer Zottenatrophie Marsh III. Insbesondere histologisch gibt es Vorformen (Marsh I und II) sowie Gesamtkon-stellationen mit/ohne Antikrpernachweis, die auf eine potenzielle oder silente Zliakie hinweisen. Die krzlich berarbeiteten ESPGHAN-Leitlinien [7] ermglichen bei sympto-matischen Kindern mit klar definierter Antikrperkonstellation und Nachweis eines Z-liakie-typischen HLA-Antigens die Diagnose Zliakie auch ohne Histologie. Daher wird das Vorgehen bei Erwachsenen und bei Kindern/Jugendlichen getrennt errtert.

    Zliakie-assoziierte Antikrper

    Erwachsene: Bei Verdacht auf Zliakie sollte die Bestimmung von IgA-Antikrpern gegen TTG (Tissue-Transglutaminase 2) im Blut erfolgen. Gewebetransglutaminase ist das Au-toantigen der Zliakie, das sich im Endomysium und zahlreichen anderen Geweben nachweisen lsst. Da ca. 24% der Zliakie-Kranken einen IgA-Mangel aufweisen, sollte bei negativem Ausfall die Bestimmung von IgA erfolgen. Die Sensitivitt und Spezifitt der IgA-TTG-Antikrper-Tests betragen 9598% [69]. Bestimmungen von IgA-TTG-Anti-krper in Speichel oder Stuhl sowie POCT-Bestimmungen sind derzeit nicht ausreichend validiert und sollten nicht zum Einsatz kommen [6].Alternativ und mindestens gleichwertig kann die Bestimmung der EMA (endomysiale Antikrper) gelten. Da die Bestimmung jedoch auf einer Immunfluoreszenzmethode unter Verwendung von Nabelschnurmaterial beruht und damit sehr material- und un-tersucheraufwendig ist, wird dieser Test nur in sehr wenigen Labors angeboten. Bei ne-gativem IgA-Anti-TTG, aber vorhandenem IgA und starkem klinischen Verdacht ist die Bestimmung von IgA-Anti-DGP (Anti-Deamidiertes Gliadin-Peptid) mit einer Sensitivitt und Spezifitt von 89 und 95% mglich [68].

    Tab. 1Symptome, klinische Befunde, Risikokonstellationen,

    die auf das Vorliegen einer Zliakie hindeuten knnen

    Zliakieverdacht > 2-fach (gegenber Normalbevl-

    kerung)

    Zliakie verdacht mglich

    Komorbiditten (% gleichzeitig Zliakie)

    Genetisches Risiko

    Durchfall (> 46 Wochen)

    Dyspepsie Dermatitis herpeti formis (100%) Verwandte 1. Grades (1015%)

    Gewichtsverlust (ungewollt)

    Obstipation Mikroskopische Kolitis (ca. 20%) Turner-Syndrom (3%)

    Durchfall + Bauchschmerzen

    Irritables Darmsyndrom

    Typ-1-Diabetes mellitus (68%) Down-Syndrom (5%)

    Blhungen + Bauchschmerzen

    Fatigue Autoimmunhepatitis (6%) IgA-Mangel (9%)

    Eisenmangelanmie Amenorrhoe PBC (4%)

    Transaminasenerhhung Infertilitt (Mann/Frau)

    Autoimmunthyreoiditis (6%)

    Osteoporose (vorzeitig, ausgeprgt), Spontanfrakturen

    Neurologische Symptomatik: Ataxie, Epilepsie

    Sjgren-Syndrom (5%)

    Gedeih- und Wachstumsstrung

    Periphere Neuropathie

    Mundaphthen

    Zahnschmelznderungen

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    Liegt ein IgA-Mangel vor, sollten IgG-Anti-TTG-Antikrper bestimmt werden (ggf. zustz-lich IgG-Anti-DGP) [6, 7]. Die Bestimmung von Anti-Gliadin-Antikrpern spielt bei Erwachsenen keine Rolle, bei Kindern wird die Bestimmung zur Diagnosestellung nicht empfohlen [7].

    Grundstzlich ist darauf zu achten, dass die Antikrperbestimmung whrend der Einnah-me glutenhaltiger Nahrung erfolgt. Eine kurze klinische Anamnese bzw. eine bereits Tage und Wochen eingehaltene glutenfreie Ernhrung kann zu negativem Antikrpertest fhren. Sollte sich ein Patient bereits glutenfrei ernhren, klinisch jedoch trotzdem der Verdacht auf Zliakie bestehen bzw. histologische Hinweise vorliegen, sollte eine gene-tische Untersuchung erfolgen (s. u.).Bei Patienten in Remission unter glutenfreier Ernhrung fhrt eine Re-Exposition mit > 3 g Gluten/Tag in 14(28)Tagen zu einem Anstieg der Zliakie-assoziierten Antikrper und der Entwicklung Zliakie-typischer histologischer Vernderungen [10].

    Da es (selten) falsch-positive Anti-TTG-Antikrper gibt, da vor allem aber serologisch negative Zliakie-Flle beschrieben sind, ist der alleinige Nachweis eines Antikrpertiters fr die Diagnose und damit Therapieindikation zur glutenfreien Ernhrung nicht ausrei-chend. Bei Erwachsenen sollte bei positivem Antikrpernachweis bzw. bei negativem Ausfall und starkem klinischen Verdacht als nchster Schritt die sophagogastroduo-denoskopie mit Entnahme von Duodenalbiopsien erfolgen (s. u.).

    Kinder: Abweichend zum Vorgehen bei Erwachsenen wird in der krzlich publizierten europischen (ESPGHAN)-Leitlinie zur Diagnostik der Zliakie bei Kindern d