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Fall yon Durehschneidu~ig des Supraorbitalnerven uud sonstige Ergebnisse llber die lleilwirkung dieser Operation. Von Dr. A. v. Graefe. |m ersten Bande dieses Archivs (Abtheil. 1. pag. 440) babe ich die Geschichte eines Patienten mitgetheilt, wel- cher an inveterirtem, allen Arzr~eiversuchen trotzenden Lidkampf litt, und dutch die Durchschneidung des Su- praorbitalnerven, welche ich damals aus Rombergs Rath unternahm, geheih wurde. Bei jenem Patienten batten sich, yon dem Blepharospasmus ausgehend, all- m~ihlig Krampferscheinungen in ausgedehnten Nerven- bahnen, schliesslich epileptiforme Anf~ille ausgebildet; dies Alles wurde durch die Operation beseitigt uad blieb bi~ heute beseitigt, wie aus dem miindlichen Berichte eines, ld]rzlich hier durchreisenden Verwandten des Patien- ten ergeht. Jetzt will ich einen ~ihnlichen Fall mitthei- len, in welchem das Leiden noch ~ilter, abet die Secun- d~irerscheimmgen weniger ausgepr~igt waren und hieran meine bisherigen Ergebnisse fiber die Wirkung der Operation im allgemeinea knfipfen.

Fall von Durchschneidung des Supraorbitalnerven und sonstige Ergebnisse über die Ileilwirkung dieser Operation

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Fall yon Durehschneidu~ig des Supraorbitalnerven uud sonstige Ergebnisse llber die lleilwirkung dieser

Operation. Von

Dr. A. v. Graefe.

|m ersten Bande dieses Archivs (Abtheil. 1. pag. 440) babe ich die Geschichte eines Patienten mitgetheilt, wel- cher an inveterirtem, allen Arzr~eiversuchen trotzenden Lidkampf litt, und dutch die Durchschneidung des Su- praorbitalnerven, welche ich damals aus Rombergs Rath unternahm, geheih wurde. Bei jenem Patienten batten sich, yon dem Blepharospasmus ausgehend, all- m~ihlig Krampferscheinungen in ausgedehnten Nerven- bahnen, schliesslich epileptiforme Anf~ille ausgebildet; dies Alles wurde durch die Operation beseitigt uad blieb bi~ heute beseitigt, wie aus dem miindlichen Berichte eines, ld]rzlich hier durchreisenden Verwandten des Patien- ten ergeht. Jetzt will ich einen ~ihnlichen Fall mitthei- len, in welchem das Leiden noch ~ilter, abet die Secun- d~irerscheimmgen weniger ausgepr~igt waren und hieran meine bisherigen Ergebnisse fiber die Wirkung der Operation im allgemeinea knfipfen.

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J o h a n n M a t t h a e u s 55 Jahr alt, Landmann aus Sorau stellte sich am 2. Januar 1858 in meiner Klinik vet. Derselbe war [)is zum Miirz 1856 mit Ausnahmc voriibergehender cardialgischer Beschwerden gesund ge- wesen; zu jener Zeit bekam er einmal beirn Ausgehen ,,einen Windstoss" gegen das linke Auge, auf welchem er sofort stechenden Schmerz und am n~ichsten Tage R(ithung verspiirte. In der Vermuthung, dass ein frem- der Kiirper eingedrungen sei, legte Patient, der Sitte seiner Vorfahren folgend, einen Krebsstein cin. Dieser steigerte die Beizung ,rod fiel T~gs darauf aus dem Auge. Es blieb hiel'auf eine EatziJndullg des Auges ,nit driickenden Schmerzen und m~issigem schleimigen Secret zurlick. Patient war hierbei wohl etwas empfindlieh gegen Lieht, yon eigeutliehem Lidkrampf iedoch noch nichts vorhanden; auch achtete er, wie Landleute es zu thun pflegen, auf das Uebel nicht vicl, his Anfangs Mai, also 6 bis 8 Wochen nach dessen Entstehung, Hitze, RSthe, Sc}fleimabsondertmg nhne neue Gelegen- heitsursachen zunahmen, und ,'r eines Morgens beim Erwachen zuerst das unwillkiirliche Schliessen des link- seitigen Augenlides bcmerkte. In dell n~ichsten Wochen trat nun dcr Lidkrampf periodisch auf, die freien Zwischen,'~iume wurden abet immer kSrzer, irn Monat Juni dehnte sich derselbe aurh auf die rechtseitigen Augenlider aus, so dass Patieut jetzt zu iedweder BeschM- tigung unf'~ihig wurde. Seit MoKmt August 1856 konute das linke Auge gar nicht, seit dem Januar 1857 aueh das rechte Auge nieht mehr ge/iffnet werden. I)er Patient musste seit dieser Zeit, wie cin vollkommen Blinder ge- f'dhrt werden. Die Aff,,('tion nahm trolz aller angewand- ten Mittcl (Vesicatore um das Auge, hinters Ohr, Ca- taplasmen mit Zusatz narkotischer Kr~iutor, innerli('h Chinin und die gat~ze Reihc der als Nervenmittel be- kannten Metalle) coatilmirliqh zu, wobei Patient stets

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fiihlte, dass die linkseitigen Contractionen gewaltsamer und s~hmerzhafter waren, als die rechtseitigen. Spiiter hatten sieh in Stirn- und Wangengegend das GeFdhl eines fortw~ihrenden Kitzelns, Brennens und Stechens, ferner Zuckungen in den Gesiehtsmnskeln, ein convul- sivisches Wackeln des Kopfes, Beklemmung der Re- spiration und endlich in den letzten sechs Wochen vor der Vorstellung Harnverhaltnng eingeiunden.

Patient wurde mir in einem wahrhaft .j~immerlichen Zustande vorgefiihrt: den Kopf nach vorn gebeugt und, wie zuweilen bei Nystagmus, um die verticale Axe pendelnd, die Augenlider fest geschlossen, dabei in stetem Vibriren und Zusammenkneifen, Zuckungen in den Corrugatores und Frontales, dann und whnn in beinahe s~immtlichen Gesichtsmuskeln, besonders links; die Respiration be- sehleunigt and beklommen, die Sprache etwas m[ihsam, h~iufig unterbrochen, der KSrper stark abgemagert, die G esichtszilge mit dem Ausdruck eines ersch~pfenden Ner- venleidens. Endlieh war derselbe ausser Stande spontan sein Wasser zu lassen, so dass ihm der Catheter t~glich ein-bis zweimal eingeFdhrt werden musste.

W~ihrend alle sonstigen Erscheinungen sich durch die Fortpfianzung der Nervenreizung fiber die Bahn des Facialis und der ihm benachbarten Hirnnerven erkl~iren liessen, war mir das Erseheinen yon Ischdurie einiger- reassert riithselhaft und forderte ein genaueres Eingehen. Es ergab sich hierbei folgendes: Patient hatte vor ge- raumer Zeit an Urcthroblennorrhoe gelitten, welehe leichte Strieturen gegen das hintere Ende der pars cavernosa zurilckgelassen; seit jener Zeit hatte or freilieh Ham- verhaltung in dem Grade, um eino kiinstliehe Entlee- rung des Urins zu erheisehen, nie gehabt~ wohl aber naeh kalten Fiissen und besouders nach Gemfithsaffecten einige Miihe bei der vollst~indigen Entleerung der Blase gespiirt. Es war somit wahrseheinlich in Folge der un- vollkommenen Eatleerung der Blase ein gewisser Grad yon Blasenparese entstanden, deren Symptome, flit ge-

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wShnlich unbedeutend, sich bei gewisscn Gelegenheits- ursachen steigerten. Was war natiirlicher, als dass bei dem gesunkenen Kr~iftezustandc und bcider cxccssivea Spannung, in der sich das gcsammte Nervensystem des Patienten befand, die Harnvcrhaltung ciacn erhebIichcren Grad erreicht hatte. Sehea wit doch dieselhe unter ~ihnlichen disponirenden Ursachen zuweilen bei cinem einmaligen Schreck, oder sonstigen Gemiithsbewegun- gen sich einstcllen.

Die genauere Untersuchung des Blepharospasmus zeigte ganz ~hnliche Charactere wie bei dem oben citirten Kranken; die Beriihrtmg und leichte Verschiebung der Haut war nirgends empfindlicb, das Ann~ihern der Lider mit dem aufgelegten Finger war dem Patienten sogar lindernd, noch mehr die Compression des Supraorbital- nerven, welche sogar ein momentanes Oeffnen des Lides his zu einer schmalen Spaite erm;3gli('hte. Das Voneinander-Zerren der Lider war dagegen so pein- lich, dass yon einer genauen Untersuchung des Auges ohne Chloroform-Narcose keine Rede seia konnte. Bei dieser sollte zun~ichst der Zustand der Augen und ferner ibstgestellt werden, ob etwa ein fremder KSrper in dem Conjunctivalsack befindlich sei. In der That land sich unter dem linkseitigen oberen Lid nahe dcm ";iusseren Winkel ein steckaadelknopf grosses Conglomerat weisser Kiirnchen, offenbar ein Rest yon der Kruste des Krebs- steins, abet dessen Gegenwart schien yon keinem wesent- lichen Einfluss zu sein, da die Entfernung auf die Symptome nicht influirte; die Augen selbst waren ge- riithet, sonst gesund. Mit Nachlassen der Chloroform- Wirkung fingen die unterbrochenen Contractionen bald wieder an, doch vergingen einige Minuten, w~ihrend welcher Patient schon wieder halbes Bewusstsein er- langt und die Freude hatte, mit halbge;3ffnetem Auge naeh so langer Zeit yon der Aussenwelt wieder etwas zu sehen. ~ Es wurden nun einige Wochen hindurch

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manigfache Curversuche gcmacht. Die Anwendung des kalten Wassers in verschiedenen Formen, ebenso unterbrochener galvanischer Str6me steigerten die Lei- den, am behaglichsten befand sieh Patient noch bet warmen Cataplasmen, die auf die Lider gelegt wurden, brachte es abet auch hier hie dazu die Augen einiger- massen zu ;Jffnen. Es wurde ferner linkerseits ein kleines Vesicator in der Gegend des Facialis-Austritts gelegt und mitschwefelsauremlAtropinin steigenderDose van ~z Gran his ~ Gran verbunden. Diese endermatische Anwendungs- weise des Atropins, welche mir bet spastischen Facialis- neurosen gute, freilich in der Regal nur vorfibergehende, Dienste geleistet, war auch bet diesem Patienten nicht ganz wirkungslos ; der Effect zeigte sichauch hier erst als allgemeine Zeichen van Belladonnanarcose eintreten.*)

In der jedesmaligen Narcose und selbst einige Tage darauf war Patient ab und zu f/ihig die Lider ein we- nig zu /Sffnen, so dass eine schmal geschlitzte Lidspalte entstand; hatte dies abet einige Augenblicke gedauert, so traten desto schmerzhaftere Contractionen ein, weshalb es Patient lieber vermied. Auch die Gesichts- muskeln, Respiration und Sprache waren, nachdem das Mittel in narcotisirender Dose eine Zait fortgesetzt, ein Weniges freier. Dennoch war es klar, dass aus dieser Besserung keine Heilung warden wfirde; Patient be- land sich einen um den andern Tag im Belladonnatau- reel und doeh blieb die Saehe bald auf unver~inderlicher H/~he. Eine Fortsetzung dieser Gaben w/ire bet dam herabgekommenen Kr~il'tezustand, aueh fi)r l~ingere Zeit kaum zul~issig gewesen.

*) Die Symptome, auf wolche man die Kranken van vornherein aufmorksam machen muss, bestehen bekanntllch in Trockenheit im Halse rasp. Dysphagie, in Taumot und sohr concreten Hal[ucinationen (in der Regal lebonsgrosso Scheinflguren im Zimmer, auf dem Bert). Sic entstehen ~--2 Stundea nach dem Verbande, dauern jo nach dar Dosis einiga Sttmdea und dariiber.

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Mein urspr~inglicher Plan, zu dessen Ausfiihrung ich reich jetzt wandte, war aut" die Durchschneidung des Supraorbitalnerven gerici~tet. Gestiitzt besonders ant den oben citirten Fall und sodann auf etliche andere, die ich nachher er~v~ihnen werde, glaubte ich hier voile In- dicationen zur Operation zu finden nnd des Erfolges ziem- Itch sicher zu sein. In dieser Weise stellte ich auch den Patienten gleich bet seiner Aufnahme in meinev Klinik vet. Aus dem Alter und dem Grade der Affection vermuthete ich bereits die Unwirksamkeit der iibrigen Mittel, allein ich hatte mich vor tier Operation direct hiervon fiberzeugen gewollt. Unmittelbar vor der Operation sah auch R o m b e r g den Fall, was leider Unwohlseins wegen nicht frliher hatte geschehen kiinnen.

Die Durchschneidung des Supraorbitalnerven wurde linkerseits in gewohnter Weise subcutan verrichtet. Die Anaesthesie betraf nur eine schmale, circa ~" breite, 1ti" hohe Stelle fiber der Ineisur und war nicht einmal voll- kommen; da ich jedoch sicher war den in der incisura supraorbitalis liegenden Statures viillig getrennt zu ha- ben, so hielt ich weitere Manocvus fiir unnfitz. Nach dem Aufh~iren der Chloroformnarcose konnte Patient das rechte Auge beinah vollst/indig und fiir l~ingere Zeit 5ffnen. Der linkseitige Lidschlag war noch dutch eine leichte Zuckung im oberen Lid und eine st~rkere im un- teren Lid behindert. Tags darauf war beides bereits gemindert, das rechte Auge vollkommen fret und yon nun an gingen alle Erscheinungen gleichmiissig zuriick. Der Kept des Kranken bekam bald seine natiirliche Haltung, yon dem Zittern desselben waren nach 14 Ta- gen noch Spuren, nach 4 Wochen nichts mehr vorhan- den. Der Einfall hellen Lichtes brachte in den ersten 4 Wochen noch erhebliche Nictitation hervor, nach 6 Wochen konnte Patient ohne Besehwerden im hellsten Sonnenlicht gehen, die R~)de war vollkommen unbehin-

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dart, ebenso die Respiration. Das Lesen wollte zu- erst nicht in befi'iedigender Weise gehen, Patient konnte zwar die Buchstaben gut erkennen, abet die l~ngere Distinction war ihm schmerzhaft, auch dies ver- lor sich jedoch bald, so dass er nach 2 Monaten die Augen zu jeder Th~itigkeit beautzte. Seit der Operation hat Patient den Catheter nicht mehr gebraucht. (Ich mache hieraus keinen andcrn Schluss, als dass sein Kr'~ftezustand und die Euergie seines Nervensystems im Allgemeinen gewonnen hat; siehe oben). Derselbe stellte sich kiirzlich bier aufs Neue vor und war kaum wieder zu erkennen, so hatte sein Aussehen und sein KSrper- volumen sich vortheilhaft ver~indert.- Dass der 20 Monate anhaltende, excessive Lidkampf hier durch Druck auch tempor~ir dem Sehvermggen so wenig geschadet, mag wohl darin liegen, dass Patient yon Natur tiefliegende Augen hatte, welche durch den Schwund des Orbital- fettzellgewebes bei zunehmender Macies sich noch mehr vertieft hatten. Auch eine Ver~inderung der Accomo- dation schien gegen friiher nicht eingetreten zu sein.

Ieh habe die Durchschneidung des Supraorbital- nerven bei verschiedenen Formen yon Blepharospasmus ietzt fiber 20 Mal gemacht. Die F~ille selbst geh~irten in 5 Categorien:

1) Kranke, bei denen nach Eindringen fremder KSrper in den Conjunetivalsack ein continuirlicher ex- cessiver Blepharospasmus entstanden war.

2) F'~ll~ wo nach langwieriger Neuralgie im Be- reich des Supraorbitalis sich periodisch wiederkehrender Blepharospasmus ausgebildet hatte.

3) F~ille, wo nach langdauernder Ceratitis sich Lid- krampf entwickelt hatte, weleher nicht wie gewShnlich mit Riickbihhm~ des Hornhautleidens vergangen, son*

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dern allen Mitteln trotzend, als selbsst~ndig'es Leiden, zuriiekgeblieben war.

4) F~lle, wo auf der H;Jhe yon Hornhautentziindun- gen ein so heftiger Blepharospasmus entstand, dass dieser, als der Behandlung hinderliehe, eine besehleu- nigte Heilung erforderte, welehe dureh andere Mittel nieht gelang.

5) Fiille, wo der Blepharospasmus Theil-Ersehei- nungen einer inveterirten spastisehen faeialis-Neurose war.

In die e r s t e Categoric geh(h't der hier und frSher in diesem Archiv beschriebene Fall. Die Heilungen waren beide so vollst~indig und in ihrem Gange iiber- einstimmend, dass ich nicht anstehe die Operation als das sicherste und rascheste Heilmittel anzuempfehlen.

Aus der zwe i t en Categorie habe ieh nut einen Fall operirt. Es war ein Mann, weleher lange an Neu- ralgic im Gebiete des Supraorbitalnerven gelitten hatte. An diese Neuralgic schloss sich, besonders am Ende ieden Anfalls, ein lebhafter abet doeh unterbrochener Blepharosl)asmus. Die Affection, welche einen ziemlich regelm~ssig interrnittirenden Typus einhiel b in den Mor- genstunden kam und in den Nachmittagsstunden ver- sehwand, war wie gewShnlich dem Chinin unterthan, kam aber bald wieder, so wie das Chinin ausgesetzt war; da nun Patient sffirkere Dosen (4 real t~iglich 3 Gran) brauchen musste, um seine Beschwerden los zu werden und das Mittel ausserdem der Verdauung schadete, da ferner der Druck auf den Supra- orbitalnerven siehtlieh giinstig wirkte, so machte ich die Neurotomie. Ich bemerke, dass in den letzten Mona- ten vor der Operation die eigentliehen neuralgisehen Beschwerden bei .iedenl Anfalle geringer, aber die Be- setlwerden des Blepharospasmns erheblicher geworden waren. Der Erfolg der Operation war ein vollkommner, nut hatte Patient etwas l/istige, kribbelnde Empfindun-

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dungen an der Grenze der unempfindliehen Stirnpartie, welche yon 4 Woehen nach der Operation bis 8 Wochen nach derselben sieh ab und zu wieder einstellten. Ich glaube, dass sieh gegen die Operation unter ~ihnliehen Umstilnden nichts einwenden l'/isst, vermuthe aber, dass die Indieationen sieh doeh verh~Itnissm';issig sehr selten finden wevden, da die unendliche Mehrzahl soleher typiseher Neurosen dut'eh andere Mittel heil- bar ist.

Aus der d r i t t en Categorie babe ieh 12 operirt und in allen F'iillen, einen ausgenommen, befriedigende Hei- hmgen erhalten. Aeht Individuen waren Kinder zwisehen 1 und 5 Jahren, welche naeh biisehelFdrmiger Ceratitis oder umsehviebenen, stark gebl~ihten ttornhautinfiltraten einen solehen Grad yon Blepharospasmus zuriiekbehal- ten hatten, dass sie die Augen entweder gar nicht, oder nur selten 6ffneten. I)a w o e s sich naehweisen liess, yon welehem der beiden Augen die pathologische Nerven- reizung ausgegangen war, wurde, wenn aueh beide gleich afiieirt sehienen, nut auf diesev einen SeRe die Neuro- tornie verriehtet; es trat dann immer eine doppelseitige Heihmg ein, der Gang aber der Ileilung war versehie- den, meist liessen die Contraetionen zuerst in dem ope- rirten Auge naeh, einmal abet zuerst die indueirten Contraetionen auf der nieht operirten Seite (also wie in de m oben besehriebenen Falle). Immer wurde aui" dem operirten Auge das obere Lid fi'iiher ruhiger, als da~ untere, ein Umstand, der neben anderen Ffir eine isolirte Innervation der oberen resl), unteren Ovbi- eularish~ltte sl)rieht. Auch in einigen F~illen, wo nicht ermlttelt xwwden konnte, yon welchem Auge die Reizung ausging, wurde auf Grund irgend einer Pr/isumption, z. B. auf Grund st~irkerer Reste eines Hornhautleidens, die Neurotomie nut einerseits vollfiihrt; in einem solehen Falle tvat heiderseits Heilung ein und es war deshalb

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wahrseheinlich die Pr~isumption richtig gewesen, in einem andern h~rte die Affection nut auf dem operirten Auge, und selbst bier unvollst~ndig, auf und es war deshalb wahrseheinlich die Pr~isumption falseh gewesen; als ich dann nachtr~iglich auf der zweiten Seite operirte, trat vollst~indige Heilung ein. In allen F~illen, wo die Angaben der Patienten zu benutzen waren, hatte vor der Neurotomie die Compression des Supraorbitalnerven Erleichterung verschafft. - - Die gefiirchteten RiickFdlle habe ieh aueh hier nur einmal gesehen, und zwar in mil- derer Form; auch hatte bei diesem Kinde {iberhaupt eine unvollstiindige Beseitigung des Kramt)fes stattgefunden, vermuthlieh war der Nerv nicht g~inzlich durchschnitten. Alle iibrigen Patienten, die ich zum griissten Theil mehre Jahre verfolgt, um etwas Sicheres berichten zu k(innen, blieben yon ihrem Leiden f r e i . - Ich vermuthe demnaeh, dass die vielfach ausgesproehene Befiirchtung einer nnr voriibergehenden Heilwirkung in einer Divergenz der In- dicationen ihren Grund ha t . - - Soil ich nun auf meineF/ille einen Rath begriinden, so ist es nieht etwa der, bei je- dem hartniiekigen Blepharospasmus, der nach einer Ce- ratitis zur{iekbleibt, die Neurotomie zu verriehten; ea hiesse dies wahrlieh eine sehr voreilige und nieht zn reehffertigende Praxis. Wenn ieh daran erinnere, dass sich die obigen zwtil[" Fiille ungef/ihr aui" eine Gesammtzahl yon 30,000" Augenkranken beziehen, unter welehe circa 8000:mit Ophthalmien und zum grossen Theil mit Ble- pharospasmus behaftete Kinder zu z/ihlen sind, so er- giebt es sich, dass es nur seltene Ausnahmsfiille waren, in denen ieh zur Neurotomie fliiehtete. Der Lidkrampf, welcher selbst Monate nach abgelaufener Ceratitis zu- riickbleibt, wird in der Regel dureh andere Mittel (unter denen das methodisehe Untertauehen des Gesichts un- ter kaltes Wasser meiner Meinung naeh oben an steht) geheilt oder er heilt bei einiger Geduld yon selbst.

Archiv flir Ophthalmologie. IV. 2, 13

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Wenn aueh der vaseul~ire Reizzustand l~ingst abge- lauf'en, so ist der Terrain, yon welehem ab wir ein in der Verdichtung begriffenes Hornhautinfiltrat als resi- duum, als ,,Hornhautfleek" bezeichnen, ira Grunde will- kiihrlieh, auch die mehrj~ihrigen Hornhautfieeke sind, be- sonders an ihren Randtheilen, noeh yon ehronisehen reizlosen Infiltrationen beglei!et (und deshalb zum Theil der Aufhellung f~ihig). Diese Vorg~inge k6nnen nun sehr wohl, selbst nachdem das Bild der zu Grunde lie- genden Ophthalmie abgelaufen ist, den pathologisehen Nervenreiz bedingen, der auf refleetorisehem Wege den Blepharospasmus hervorruft. Letzterer schwindet naeh- tdiglich mit Ablauf des Infiltrationsprozesses.

Wenn nun die Erfahrung dies zur Geniige beweist, so fr~igt es sich, welche Indicationen wir ilberhaupt iiir die Neurotomie haben. Ich denke, dass besonders der Grad und die Dauer der Affection hier in die Wag- schaale fallen. Sind mehrere Monate nach vSlligem Abschluss derjenigen Hornhautprozesse vergangen, welehe wir a l s direete Ursaehen refieetorischer Reizung ansehen, d. h. geb l~ ih te r I n f i l t r a t e und U l e e r a t i o - hen m i t u n g e n i l g e n d b e d e c k t e m G r u n d e undis t dennoch der Blepharospasmus so stark, dass die Augen kaum geiiffnet werden und dabei mit einer Kontraction der nachbarlichen Muskeln verknilpi~: - - so haben wir sicher keine rasche Heilung auf anderem Wege als durch Neurotomie zu erwarten. Da nun solche Formen yon klonischem Blepharospasmus, wobei ein starker Druck auf den Bulbus ausgeilbt wird, iiir den Sehact durchaus nicht indifferent sind, so ist es nicht gleich- gfhig, dieselben auf unbestimmte Zeit fortbestehen zu ]assen. Ich habe bereits frllher einen Fall citirt, in wel- chem sich nach Beseitigung des Blepharospasmus eine ziemlich vollkommene Erblindung nachwies, die erst im Laufe yon Monaten zuriickging. Ich klinnte einen an- deren Fall hinzui~figen, in welchem auf ~ihnliche Weise eine Schwachsichtigkeit entstandefi war, die i'reilich schon

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innerhalb acht Tagen zurlickging. Die Indication zu einer Beschleunigung der Heihmg ist um so begriinde- ter, wenn die Bulbi prominent sind, well dann die nach- theilige Wirkung auf die Netzhaut mehr in Betracht Hillt. In Summa hat fSr diese Kategorie yon F~illen die Durchschneidung des Supraorbitalnerven jedenfalls einen hohen Werth, weil man dadurch Patienten hcilt, deren Wiederherstellung zum Theil problematisch, zum Theil langwierig und nieht ohne Bedenken f~ir den Sehact ist.

Aus der v i e r t e n Kategorie yon F~illen babe ich drei anzuf'fihren. Es waren Kinder, welche eine rasch um sich greifende Hornhautabseedirung resp. Hornhaut- ulceration und hierbei so hefiigen Blepharospasmus hat- ten, dass dadureh die Erhaltung des Auges in Frage gestellt war. Nachdem Blutentlecrungen, kalte und laue Umsehl'Sge, belladonnisirte Salbe, Eintdiufelungen yon htropin, Untertauchen des Gesiehtes unter kaltes Was- ser sich als unzureichend erwiesen hatten, schritt ich zur Neurotomie. In einem Falle h6rte hiernach der Lidkrampf g/inzlich auf, in den zwei anderen wurde er auf" einen m/issigen Grad reducirt; in allen drei ging alsdann die Behandlung gut yon Statten.

Dass, wie bei jedcr Entziindung, so aueh bei Horn- hautentziindungen, die l~uhe der afticirten Theile ein Haupteribrderniss ist, wird wohl Niemand leugnen; deshalb h~iufig die Nothwendigkeit die Lider, set es dutch Pflasterstreifen oder durch Druckverbiinde, ge- schlossen zu erhalten. Es ist sogar zu verwundern, dass die meisten Hornhautentziindm~gen trotz des immer wiederkehrenden lteizes, welehen der Lidschlag abgiebt, doeh heilen. Die Pflasterverb~inde immobilisiren die Lider nut unvollkommen, der Druckverband, so treff- liehe Ilesultate er h,iufig ohne alle Nebenhfilie liefert, ist, wie iiberhaupt der Druek bet Entziindungsproeessen, nur mit einem gewissen Grade des lleizzustandes ver- tdiglieh; ienseits dessen wirkt er selbst als Reiz und steigel't nicht allein die Entziindung, sondern ver-

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schlechtert deu Charac ter der Iafiltratiom wei[ er bet dem vermehr ten Cireulationsbedih'fifisse der entzl lndeten

Theile die Blu tzuthhr herabsetzt . Bet s tarker Hyperse- cretioa YON Thr~inen ha t er ausserdem den uuleugbaren

Nachthe i | diese zurfiekzuhalteu. Es giebt demnaeh zu- wei len kein Mittel die Lider zu immobilisiren und fflr solche F~iile kanu in rein symptomaf ischer Indicat ion die Neurotomie zul~isslg erseheinen. Dass der die Oph- thahnien beglei tende Blepharospasmus als eine, vou den

Gef 'dhlsncrven und nieht veto Opticus ausgehende

Neurose zu bet rachten | s t , s t eh t f'dr reich lest ,*) die

*) Einige werfen hiergegea den Umstaad eia, dass sich der Ble- pharospasmus im Licht vermehre, im Dunklen vermindere urid beaut- zen dies, den Blepharospasmus als eine yon den Optic| ausgehendo Reflexneurose zu erklaren (photophobie). Hierauf |st zu erwidern: l) dass der Blepharospasmus zwar h~tufig im Dunkien abnimmt, aber selbst im absolut Dunk[en nicht verschwindet, 2) (lass dutch die pa- thologische Reizung, die yon den Gefiihlsnerven ausgeht und auf den Facialis reflectirt wird, ilberhaupt die Reizbarkeit dieses [etzterea ge- gen die normalen Refleximpu[se sich steigert; zu diesen gehiiren die Liehteindriicke u n d e s wird sore|t, auch wenn die Affection yon den Quintusllsten ausging, ein gewisser Grad yon wahrer Photophobie stattfinden. In analoger Weise, aber in umgekehrter Richtung verh~ilt sieh die Sache bet Hypcr~isthesie der Netzhaut; hier |st die Nietitation resp. der Blepharospasmus als eine, vom Opticus ausgehende Reflex- neurose zu betrachten und doch sind solehe Augen auch gegen Ge- filhlsimpulse, als Luflzug, Beriihrung der Lider, Conjunctivalreize al- [er Art, weir empfindlieher, diese Impulse steigern den Blepharospas- mus wegen des erhShten Erregungszustaades, den der Facilis auf reflectorischem Wege erhalten hat. 3) Zeigt sich zwischen den iirtli- ehen Prozessen auf der Cornea und dem Blepharospasmus durchschnitt- itch ein so eonstantes Verh~iitniss, dass wit die Gegenwart und selbst den Grad des letzteren aus der Wiirdigung der ersteren voraussagen klinnen ; bet einer biischelf'0rmigen Ceratitis sehwindet der Lidkrampf in der Regel, so wie das an der Spitze des Biischels befindiiehe Infl[- trat aufhlirt sich zu bl~hen und in das Niveau der Hornhaut zuriickgeht, bet Hornhautgeschwiiren geschieht dasselbe, so wie sir in die eigent- liche Regenerationsperiode eintreten, d. h. vom Rande aus sich mit ei- ner Epithelialdecke bekleiden. Wir heben auch den Blepharospasmus mit experimenteller Sicherheit, wenn wir die betreffenden Vorg~nge in der Hornhaut rasch zu reduciren im Stande stud, z. B. wenn wit die Gef~.sse bet progressiver biisehelfiirmiger Ceratitis durchsehneiden, einen fremden KSrper yon der Cornea wegnehmen. Es muss demnaeh

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einschl~igige Wirkung der Neurotomie ist um so be- merkenswerther, als die Kette des Reflexes dureh dieselbe nirgends unterbroehen wird.

W a s endl ich die f l i n f t e K a t e g o r i e yon F~illen an-

betrifft, n~imlich die inveter i r ten S p a s m e n im Fac i a l i s ,

so k a n n ich reich a u f drei F~ille aus me ine r e ignen

P rax i s , fe rner a u f drei F~ille aus Gehe imra th R o m -

b e r g ' s P r a x i s beziehen, in welchen ieh a u f dessen Auf-

f o r d e r u n g die Opera t ion verr ichtete .

Fiir die hierher gehfrigen F~ille l~isst sieh von vorn herein nieht viel Gl~nzendes erwarten, wir greifen often- bar das Uebel sehr indirekt an. Dennoch kSnnte dureh gewisse, lediglich auf den Orbicularis beziigliche Ver- ~iuderungen eine Verbesserung des Blepharospasmus trotz der fortbestehenden Ursache eingeleitet werden. Es k~Jnnte, wenn wir die sensiblen (reeurrirenden) Aeste, welche in den Muskel gehen, ihrer Leitung berauben, mit der e intretenden Muskelan~isthesie die allgemeine Erregbarkeit des Muskels sinken; der Stand dieser letz- teren h~ingt ja zum Theil yon der Summe aller den Muskel treftenden Reize ab. Bet geringerer Erregbar- keit wiirden daml die veto Facialis kommendeu (direeten) pathologisehen Bewegungsimpulse nur noch geringere Kon- traetionen als friiher hervorruten. Ferner sind unsere Kenntnisse yon dem Gesichtskrampf noch keineswegs er- sch6pl~nd, es ist m~Jglich, dass h~iufiger, als vermuthet, refiectorische Ursachen zu C~runde liegen. Vollends mo- tiviren liesse sieh der Eingriff in den Quintus, wenn wit auf H e n k e ' s * ) Angabe ibssen, dass der Tarsal-

die krankhafte Reizung der Hornhautnerven bet gewissen Schwellun- geD des Parenchyms und die Entbllissung derseiben in Geschwliren den Quell der fragliehen Reflexneurose abgeben. Die Begrlindung des Blepharospasmus direct auf serophulSse Dyskrasie finder meines Eraehiens in dot Erfahrung keine Unterstiitzung. Die Coineidenz beider kommt in der That hiiufig vor, hat aber ihr erklKrendes Mitten glied darin, dass die 5rtlichen, den Blepharospasmus bedingenden Hornhautveranderungen sich an serophulSsen Individuen htiufig vor- linden.

*) Henke beruft sich hierbei zum Theil auf eine frisehe in Marburg gemachte Preparation, zum Thei[ auf die Angaben ande- rer hnatomen, besonders Rosenmi i l l o r ' s .

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theil des Orbicularis vom n. trigeminus innervirt wird. Endlich ist yon allen Uebelst~inden bei dem Gesichts- krampf gerade der Blepharospasmus meist am stll- rendsten, soi~rn die Patienten dureh das unwillkiihrliche Schliessen der Augen in ihren Gesch~iften hfiufig unter- broehen resp. zu ihrem Berufe untauglich gemacht werdenl

- - So welt die Vermuthungen, mit welehen ieh beim in- veterirten Gesichtskrampf reich zur Durchschneidung des Supraorbitalis anschickte.

Die Resultate fielen verschieden, im Allgemeinen eher negativ aus. Unter den drei Patienten aus mei- ner Praxis erfuhr der eine nicht die geringste Besse- rung, bei dem zweiten trat eine tempor~ire Besserung ein, die sich sp~iter vollkommen verlor, bei dem dritten hielt sieh einige Besserung,wenigstens in dem Umfange, dass Patient seinen BerfusgeschMten, Fdr welche er frfi- her untauglieh gewesen war, wieder nachgehen konnte. Unter den F~illen aus Geheimrath R o m b e r g ' s Praxis blieb der eine vollst~indig unver~indert, bei dem anderen (einer Frau aus der Umgebung Berlins) war ein halbes Jahr nach der Operation Besserung nachweisbar, w~ihrend kurz nach derselben eine solche kaum constatirt werden konnte; der Blepharospasmus war jedoch aur jetzt bei Weitem nicht beseitigt, die Kontractionen folgten sich aber weniger rasch und schienen besonders derPatienfin ,,nicht mehr so l~istig". Von dem Verlauf des dritten Falles habe ich nichts geh;Jrt. - - Die Unvollkommenheit und Unbest~indigkeit der Erfolge l~isst uns hier deutlieh flih- len, dass wir den Gang der pathologischen Nervenrei- zung nicht unterbrechen - - dies im schlagenden Gegen- satz zn den friiher besprochenen Krankheitsreihen. Allein es w~ire zu friih abgeurtheilt, wolhen wir schon jetzt die Operation g~inzlich verwerfen bei einer Affection, die einmal eingebiirgert in der Regel s~immtliehen Mit- teln widersteht und bei derjede Erleichterung yon den] Kranken dankbar begrilsst wird. Man mag, bis die Zukunft (dureh Sichtung der zum Gesichtskrampf gehS-

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rigen Einzelkrankheiten, Naehweisung der Ursachen etc.) entschieden hat, in der Durehschneidung des Supra- orbitalnerven einen unsicheren Versuch zur Erleiehte- terung erblieken, wie in den vielen anderen zum Theil weit bedenklicheren Mitteln, die man bei vera]tetem Ge- sichtskrampf anwendet.

Ueber die sehr einfache Operation selbst habe ich nichts neues beizubringen. Chloroform ist unentbehrlich, namentlieh an Kindern; man kann sonst den Augen- brauenbogen nicht in der Weise emporziehen, wie es zum sicheren Erfolg n;Sthig ist. Nach tier Operation lege ich stets einen festen Druckverband an, um der subqutanen Ecchymosirung vorzubeugen. Irgend einen biisen Zufall w~ihrend der Heilung babe ich hie geseheu, yon einem naehtheiligen Einfluss auf das Sehverm(igen kann fliglich heute nicht mehr die Rede sein. Die Patienten k;Snnen in einigen Tagen das Zimmer ver- lassen. - - Die An~isthesie auf der Stirn verh~lt sich in der Regel so, wie ich sie fi'iiher angegeben; zuweilen, wie in dem oben beschriebenen Fall, ist deren Bereich bei weitem geringer. Nicht selten habe ich beobachtet, dass kurz naeh der Operation die An~isthesie welt we- niger hervortrat, als am Abend des Tags oder Tags darauf, so dass ich reich jetzt mit einer gewissen Stumpf- heir des Gefiihls oberhaib der Ineisur unmittelbar nach tier Operation zufrieden stelle, wenn ieh anders sieher bin, dieselbe richtig ausgefShrt zu haben. Die An~sthe- sie genirt die Mehrzahl der Patienten gar nieht, manehe klagen naeh ein, zwei, drei Monaten iiber kribbelnde Empfindungen. Dies land besonders dann start, wenn sehr ausgedehnte An~isthesie sich eingestellt hatte; eigent- lich l~stig wurden die erw~ihnten Empfindungen nut in 3 F~illen, verloren sieh aber vollst~indig. Die Wiederkehr der Empfindlichkeit dauert, wie schon fr[iher hervorgeho-

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ben, lange, eine irgendwie consr Zeit s derea Vervollst~ndigung habe ich nicht ermitteln kiinnen. Nach 3 bis 4 Monaten war bei 2 Patienten noch ein erheblicher Unterschied, bei einem Dritten auch noch nach einem Jahr ein geringer Unterschied gegen die gesunde Seite nachweisbar.

Ueber die Modalit/it der Wirkung kann man sich noch sehr verschiedenen Vermuthungen hingeben. Grade da, wo die Operation am constantesten Heilung herbeiffhrt, n~imlich bei Reflexneurosen, die yon Reizung der Hornhaut- (und Conjunetival-) Nerven ausgehen, sind wir noch immer nicht im Stande mit Sicherheit eine physiologische Theorie zu geben. Die Kette des Reflexes wird nicht unterbrochen, da die Cornea, Con- junctiva, so wie (]as obere Augenlid ihre normale Em- pfindlichkeit behalten. Ich denke mir daher immer noch, dass zur Unterhaltung des Blepharospasmus die Muskel- empfindlichkeit selbst ein wesentliches Moment abgiebt, und (]ass durch Muskel-Anaesthesie die Erregbarkeit des Orbieularis abgestumpft wird. Dass nach Durchschnei- dung des Supraorbitalnerven der Orbicularis, wenig- stens in seiner oberen H~ilfte, unempfindlich wird, scheint mir aus der Sehmerzlosigkeit hervorzu~ehen, mit der man das obere Lid emporzerren kann, selbst da, wo dasselbe kurz zuvor ausserordentlich 'schmerzhaft war. M(iglieh aueh, dass die Innervation der Tarsalpartie des Muskels durch den Trigeminus ( H e n k e ) fiir die Erkl~i- rung des Heileffectes in die Wagschaale ffillt.