3

Click here to load reader

Fallbericht Meningokokken-C-Sepsis – nicht immer ist der ... · PDF file94 2 / 2005 ImpfDialog Meningokokken-C-Sepsis Infektionen ist, dass sie oft mit un-spezifischen Erkrankungszeichen

  • Upload
    buitram

  • View
    213

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Fallbericht Meningokokken-C-Sepsis – nicht immer ist der ... · PDF file94 2 / 2005 ImpfDialog Meningokokken-C-Sepsis Infektionen ist, dass sie oft mit un-spezifischen Erkrankungszeichen

94 2 / 2005 ImpfDialog

Meningokokken-C-Sepsis

Infektionen ist, dass sie oft mit un-spezifischen Erkrankungszeichenbeginnen. Vor allem bei Säuglin-gen und jungen Kindern könnendie spezifischen Erkrankungszei-chen ganz fehlen. Häufig erschei-nen sie apathisch, schläfrig, trink-schwach und reizbar. So kann biszur Diagnosestellung wichtigeZeit verstreichen, denn gerade beiMeningokokken-Infektionen giltganz besonders: Je früher die Dia-gnose gestellt wird und die Thera-pie beginnt, umso besser ist diePrognose für den Krankheitsver-lauf.

Es gibt bisher 13 verschiedene Me-ningokokken-Serogruppen, dieüber die Antigen-Eigenschaftender Polysaccharide der Bakterien-

Invasive Meningokokken-Infektio-nen stellen auch heute noch, trotzmodernster Therapiemöglichkeiten,einen medizinischen Notfall dar. Et-wa 50% der Erkrankungen verlaufenunter dem klinischen Bild einer Me-ningitis und je ein Viertel als Sepsisbzw. als Mischform. In 10 bis 15% derFälle verläuft die Sepsis perakut alsWaterhouse-Friderichsen-Syndrom.Kennzeichnend dafür ist neben derSchock- und Gerinnungsproblema-tik die Erregerausbreitung in zahlrei-chen Organen mit einer Letalität vonüber 85%. Auch bei vorher völlig ge-sunden Personen kann die Erkran-kung tödlich enden.

Unspezifische Erkrankungs-zeichen sind typisch

Das Tückische an Meningokokken-

Fallbericht

Meningokokken-C-Sepsis – nicht immer ist derKrankheitsverlauf so günstigAstrid Waskowiak

kapsel unterschieden werden. Kli-nisch bedeutsam sind fünf von ih-nen: A, B, C, W135 und Y, wobei inDeutschland mehr als 90% aller in-vasiven Meningokokken-Infektio-nen durch die Serogruppen B undC verursacht werden. Obwohl B-Meningokokken für ca. zwei Drittelaller Erkrankungen verantwortlichsind, sollte den Meningokokkender Serogruppe C aus verschiede-nen Gründen besondere Aufmerk-samkeit entgegengebracht wer-den.

In früheren Jahren betrug der An-teil der Serogruppe C an allen inva-siven Meningokokken-Erkrankun-gen ca. 20%. Im Jahr 2002 ist dieserAnteil erstmals signifikant auf über30% gestiegen und liegt seitdem

Abb.1: Letalität invasiverMeningokokken-Erkran-kungen nach Alter undSerogruppe im Zeitraum2001-2003.Die Zahlenüber den Balken stellendie Gesamtzahl der Er-krankungen in der jeweili-gen Alters- und Serogrup-pe dar (N = 1515).Estraten zusätzlich 14 Sero-gruppe-A- und 1 Sero-gruppe-X-Erkrankungenohne Todesfälle auf.41der 691 (5,9%) Fälle ohneAngabe der Serogruppestarben sowie 3 der 64(4,7%) Fälle nicht sero-gruppierbarer Isolate.Insgesamt traten in die-sem Zeitraum 187 Todes-fälle bei insgesamt 2285Erkrankungen auf [Quel-le: Epidem.Bull.27/2004].

45

40

35

30

25

20

15

10

5

0

Alter

Let

alit

ät in

%

75 357

5

147

525

10

242

90

3

7

15881

7

8281

113

12 1

13338

3 2

Serogruppe B: 8,5 %Serogruppe C: 12,0 %Serogruppe W135: 5,4 %Serogruppe Y: 12,1 %

Gesamtletalität 2001-2003:

0 1–4 Jahre 5–14 Jahre 15–19 Jahre 20–49 Jahre > 49 Jahre

Serogruppe B Serogruppe C Serogruppe W135 Serogruppe Y

Page 2: Fallbericht Meningokokken-C-Sepsis – nicht immer ist der ... · PDF file94 2 / 2005 ImpfDialog Meningokokken-C-Sepsis Infektionen ist, dass sie oft mit un-spezifischen Erkrankungszeichen

ImpfDialog 2 / 2005 95

Meningokokken-C-Sepsis

weiterhin auf deutlich erhöhtemNiveau. Eine kritische Entwicklung,berücksichtigt man, dass Meningo-kokken-C-Erkrankungen mit 12%im Vergleich zu Infektionen durchMeningokokken B mit 8,5% einedeutlich höhere Letalität aufweisen(Abb. 1). Auch die Anzahl an dauer-haften Folgeschäden liegt bei Sero-gruppe-C-Erkrankungen mit ca.20% deutlich über denen der Sero-gruppe B mit gut 3%. Zahlen, dienachdenklich stimmen angesichtsder Tatsache, dass eine Impfprophy-laxe gegen Meningokokken der Se-rogruppe C möglich ist. Seit einigenJahren gibt es in Deutschland ei-nen ausgezeichnet verträglichenKonjugatimpfstoff, mit dem auchSäuglinge ab einem Alter von zweiMonaten dauerhaft geschützt wer-den. Ein Impfstoff gegen die Sero-gruppe B befindet sich in der Ent-wicklung.

Im folgenden Bericht wird der klini-sche Verlauf einer Meningokokken-C-Sepsis bei einer Schülerin vorge-stellt:

Fallbericht

Die 15-jährige Patientin mit seitzwei Jahren rezidivierenden Infek-ten der oberen Luftwege kollabier-te am frühen Morgen des 9. März2004 mit hohem Fieber, welchesnach Ibuprofengabe zurückging.Am gleichen Tag traten Einblutun-gen an den Extremitäten auf. Dieum 14:00 Uhr alarmierte Hausärztinveranlasste nach Verabreichungvon Flüssigkeit und Roxithromycindie stationäre Einweisung in eineKinderklinik.

Untersuchungsbefund am Auf-nahmetag: reduzierter Allgemein-zustand,Temperatur 37,4°C, Herz-frequenz 130/min, Blutdruck70/40 mmHg, Kreislaufinstabilität,Extremitäten kalt, Pulmo frei, Abdo-

men unauffällig,Trommelfelle reiz-frei. Kernig-/Brudzinsky-Zeichen ne-gativ, keine Nackensteifigkeit. Pete-chiale Einblutungen am Gaumen-bogen sowie an beiden Beinen undFußsohlen, Sugillationen am rech-ten Knie.

Labor: Leukozytose (bis zu 15 G/lam 10.03.) mit deutlicher Linksver-schiebung des Differenzialblutbil-des, Hb 11,9 g/dl,Thrombozyten100 G/l, Quick 42%, PTT 53 sec, CRP187 mg/l, BZ 128 mg/dl, alle ande-ren Laborparameter waren unauf-fällig. Blutkultur (09.03.): Neisseriameningitidis Gruppe C positiv, imAntibiogramm sensibel auf Penicil-lin und Cephalosporin. Liquor(10.03.): kein Bakterienwachstum,aber Nachweis von Neisseria menin-gitidis Gruppe C Antigen, 5 Leuko-zyten/µl, Eiweiß 25 mg/dl. RöntgenThorax: Verdacht auf Lungenödem.Sonographie: geringe Pleuraergüs-se beidseits, fraglich geringgradigeNebenniereneinblutungen beid-seits. Echokardiographie: Normal-befund. EKG: Normalbefund. Haut:bis zu 4 cm große Nekrosen, teil-weise bis zur Muskelfaszie rei-chend. Abstrich Nekrosen: keinBakterienwachstum.

Therapie: Nach Anlage eines zen-tralen Venenkathethers erfolgte die

antibiotische Terapie mit Penicillinund Claforan i. v. über 11 Tage. AufGrund der Verbrauchskoagulopa-thie wurden mehrmalige FFP-Ga-ben notwendig. Chirurgische Abtra-gung der Nekrosen.

Verlauf: Eingeschränkte Nieren-funktion ab dem 2. Behandlungstag(Krea 1,78 mg/dl), am 3.Tag weitereVerschlechterung des Gerinnungs-status (Thrombozyten 60 G/l, D-Di-mere 3,6 µg/ml, Hb 10,3 g/dl, CRP319 mg/l). Anschließend langsameStabilisierung. Nach 17 Tagen mitAusnahme noch erhöhter Entzün-dungsparameter weitgehende Nor-malisierung der Laborwerte. Die Pa-tientin überstand die Erkrankung,soweit bekannt, ohne schwerwie-gende Folgeschäden.

Kontaktpersonen erhielten pro-phylaktisch Rifampicin p.o.

Jugendliche von 15 bis 19Jahren gehören zur Risiko-gruppe

Der hier beschriebene Fall verdeut-licht den für eine invasive Meningo-kokken-Infektion typischen Krank-heitsverlauf: plötzlicher Beginn mithäufig uncharakteristischen Symp-tomen und primär gutem Anspre-chen des Fiebers auf die erste Anti-pyretikagabe. Eine schnelle Diagno-

Abb. 2:Hautblutungen beiperakuter Meningo-kokken-Sepsis [Foto: H. J. Cremer]

Page 3: Fallbericht Meningokokken-C-Sepsis – nicht immer ist der ... · PDF file94 2 / 2005 ImpfDialog Meningokokken-C-Sepsis Infektionen ist, dass sie oft mit un-spezifischen Erkrankungszeichen

96 2 / 2005 ImpfDialog

Meningokokken-C-Sepsis

se und die Einweisung in eine Klinikkönnen für die Prognose entschei-dend sein. Die 15-jährige Patientingehört zu einer der Risikogruppenfür Meningokokken-Erkrankungen,denn neben Kindern unter 5 Jahrensind Jugendliche im Alter von 15bis 19 Jahren die am meisten be-troffene Altersgruppe. Mehr als90% aller Meningokokken-Erkran-kungen treten allerdings spora-disch auf, sodass es jeden jederzeitund überall treffen kann.

Im oben beschriebenen Fall han-delte es sich um eine durch Sero-gruppe C verursachte Erkrankung.Sie wäre durch eine Impfpräven-tion vermeidbar gewesen.

In Deutschland treten jährlich 700bis 800 invasive Meningokokken-Erkrankungen auf, von denen alleinüber 200 Fälle durch die impfprä-ventable Serogruppe C verursachtwerden. Betrachtet man weiterhindie mit Serogruppe C assoziierteLetalität und die Anzahl der Folge-schäden, so könnten durch Menin-gokokken-C-Impfung jedes Jahrmehr als 20 Todesfälle und fastdoppelt so viele dauerhafte Folge-schäden vermieden werden.

Impfung ist trotz fehlenderSTIKO-Empfehlung möglich

Die Ständige Impfkommission (STI-KO) am Robert Koch-Institut emp-fiehlt die Impfung gegen Meningo-kokken bislang nur für spezielle Ri-sikogruppen, wie z.B. Personen mitImmundefekten, Laborpersonalund Reisende in Länder mit erhöh-ter Ansteckungsgefahr. Gleichzeitigfindet sich in den STIKO-Empfeh-lungen aber folgender Hinweis:„Neben den von der STIKO empfoh-lenen Impfungen sind auf der Basisder existierenden Impfstoff-Zulas-sungen weitere Impfindikationenmöglich, die für den Einzelnen inseiner individuellen (gesundheit-lichen) Situation entsprechendsinnvoll sein können. Es liegt in derVerantwortung des Arztes, seinePatienten auf diese weiterenSchutzmöglichkeiten hinzuwei-sen. Insofern hindert auch eine feh-lende STIKO-Empfehlung den Arztnicht an einer begründeten Imp-fung.“ Über diese erweiterte Emp-fehlung hat jeder der Arzt die Mög-lichkeit, eine Meningokokken-C-Impfung auch außerhalb der vonder STIKO genannten gefährdetenPersonengruppen anzuwenden. Ei-

ne jüngere Umfrage unter nieder-gelassenen deutschen Pädiaternzeigt aber, dass von dieser zusätz-lichen Impfmöglichkeit nur selten(21% der antwortenden Kinderärz-te) Gebrauch gemacht wird.Viel-mehr wünschen sich die Kinderärz-te eine Ausweitung der Meningo-kokken-Impfempfehlungen und dieAufnahme der Impfung gegen Me-ningokokken C in den Standard-impfkalender (ÄP Pädiatrie 6/2004).

Die behandelnde Ärztin zog ausdiesem Fall die Konsequenz undempfiehlt seitdem allen in ihrer Pra-xis betreuten Jugendlichen eineImpfung gegen Meningokokkender Serogruppe C.

Dr. med. Astrid WaskowiakWeißdornweg 335041 Marburg

Abb. 3: Hautblutungen bei Meningo-kokken-Meningitis: zackige Ränder,häufig livide Verfärbung des Zentrums derBlutung [Foto: Dr. Noack, Helios-Klinikum]

Hinweise für die Praxis● Die unspezifischen Erkrankungs-

zeichen zu Beginn von Meningo-kokken-Infektionen können zueiner verspäteten Diagnose füh-ren.

● Frühestmögliche Diagnosestel-lung und frühzeitige Therapiekönnen bei Meningokokken-Er-krankungen lebensrettend sein.

● 30% der in Deutschland gemel-deten invasiven Meningokok-ken-Erkrankungen werdendurch die impfpräventable Se-rogruppe C verursacht.

● Konjugierte Meningokokken-C-Impfstoffe können bereits nachVollendung des 2. Lebensmo-nats eingesetzt werden und bie-ten damit für die Jahre mit denhöchsten Erkrankungsraten ei-nen sicheren Schutz vor C-Me-ningokokkenerkrankungen.