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Das Segel - Jahr 2016

Nach 3 Tagen und 3 Nächten durch die berüchtigte Beaufort See erreichen wir eine gegen alle Winde geschützte Bucht umgeben von sanften grünen Hügeln: Herschel Island. Wunderschön!

Herschel Island Wir haben gerade den Anker fallen gelassen, da werden wir schon am Funk von den Officials willkommen geheißen. Wir sind nun in Kanada, nur wenige Meilen östlich der Grenze zu Alaska. Im arktischen Meer. Noch vor wenigen Jahren war es für uns völlig unvorstellbar, so hoch im Norden mit unserem Segelschiff den Weg vom pazifischen zum atlantischen Ozean zu suchen. Per Satellitentelefon klarieren wir ins Land ein, eine der ersten Fragen gilt den Waffen. Während man sonst immer und überall keine dabei haben sollte, um Schwierigkeiten zu vermeiden, muss man in der Arktis bewaffnet sein. Hier ist bear country! Das ist keine Überraschung für uns, denn schon seit mehreren Monaten in Alaska sind wir es gewohnt, nie ohne Flinte und bear spray an Land zu gehen.

mein Gewehr

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Danach werden wir auf deutsch zu einem Kaffee eingeladen. Mehrere Mädels und Jungs des Alfred Wegener Instituts Potsdam betreiben hier Polarforschung, sammeln meist im Rahmen einer Doktorarbeit Daten und Proben über Permafrost, Geländeneigungen und Wasserfließgeschwindigkeit, Menge und Wasserqualität kleiner Bächlein, die sie teilweise in einem mitgebrachten Labor auswerten, teilweise mit nach Deutschland nehmen. Sie haben ein GPS Gerät dabei, das 40 000 Euro kostet – unser GPS an Bord kostet ca 500. Die Wissenschaft stellt eben andere Anforderungen an die Genauigkeit. Außerdem ist noch eine Gruppe englischer Biologen da, die mithilfe von irre teueren Drohnen Biomasse messen. Wie geht das wohl? Wir wunderten uns, wieso neben dem alten riesigen Ofen in dem kleinen Herschelmuseum das Anzündholz so ordentlich und gleichmäßig in Papiertütchen verpackt herumhängt, bis John uns aufklärte, dass die Trocknung der Steckelchen für die Biomassenbestimmung erfolgt.

’Anzündholz’’ Starker Ostwind hinderte uns – zum Glück – ein paar Tage lang an der Weiterfahrt. So konnten wir mit den Wissenschaftler ins Feld gehen, im Labor zusehen oder einfach bei einem Kaffee quatschen. Als ich einmal allein ins Lager zurücklief, kam ein Karibou angerannt, ziemlich nahe, bis es merkte, dass ich nicht von seiner Sorte bin und abdrehte.

Wissenschaftler im Feld Karibou

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Wir sahen außerdem einen Moschusochsen und einen Grizzly. Der Ochse spazierte eines Nachmittags auf die Siedlung zu und versperrte ein paar zurückkehrenden Wissenschaftlern den Weg. Per Funk berichteten sie von ihrer Lage. Wir fuhren mit unserem Dinghy zu ihnen an den gegenüber liegenden Strand und brachten sie über den Seeweg zurück. Die Idee mit der NWP setzte sich erstmals in unsere Köpfe am entgegen gesetzten Ende der Welt. Als wir 2012 Kap Hoorn und Patagonien segelten, sprachen wir mit Wolf Kloss darüber. Er war die NWP mit seiner Santa Maria Australis 2011 von Ost nach West durchgesegelt, und war damit das erste deutsche Segelschiff überhaupt, das den gesamten amerikanischen Doppelkontinent innerhalb eines Jahres umsegelte. 2014 lagen wir vor Panama City und dem Panamakanal vor Anker. Der Platz, das Land, das Klima, nichts gefiel uns. Auch nicht die Aussicht, durch den Kanal zu fahren. Eine irre Bürokratie, Schiffsvermessung, wobei wir mit unseren 20 m Länge genau an einer Grenze liegen, (darüber fallen viel höhere Kosten an und es gelten zusätzliche Auflagen), Lotsen an Bord nehmen, Linehandler etc. Sollten wir doch versuchen, oben herum in den Atlantik zu gelangen?? Alaska ist allemal eine Reise wert, also los. Über Costa Rica, Hawaii und British Columbia ging es nach Alaska. Das habe ich im letzten Bericht beschrieben. Caledonia überwinterte 2015/16 in Hoonah, im Norden der Inside Passage, Southeast Alaska. Wir selbst verbrachten den Winter in Deutschland und der Schweiz, lasen Bücher, Karten, Internetseiten über die Passage. Als wir im März aufs Boot kamen, war sooo viel zu reparieren und zu erneuern. Und wir mussten zeitig aufbrechen, um überhaupt zu Beginn des Sommers am ’Start’ zu sein. Prince William Sound (wo 1989 der Tanker Exxon Valdez auf Grund lief), Seward, Kodiak, Alaska Peninsula, Aleuten bis Nome durchfuhren wir im Schnelldurchlauf.

Geographic Harbor, Alaska Peninsula

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Grizzly am Ufer in Geopgraphic Harbor Grizzly-Tatzen

Captains Harbor, Alaska Peninsula Weißkopfadler

Marina False Pass, Aleuten

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1804 nautische Meilen hatten wir von Anfang Mai bis Ende Juni zurückgelegt. Nome ist der letzte Hafen, das letzte Mal, wo wir an einem Steg anlegen können, die letzte Tankstelle. Und ein wilder, rauer Ort mit netten Leuten. In diesem Jahr sind wir das erste Segelschiff im Hafen.

Caledonia im Hafen Nome inmitten von Goldsuchern Gold waschen

Gold waschen

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Rathaus St Joseph

urige Kneipe mit Livemusik Ab Nome müssen wir uns nicht nur mit dem Wetter, also vor allem dem Wind, beschäftigen, sondern auch mit den Eiskarten. Da wir unterwegs kein Internet haben, übernimmt mein Vater diese Aufgabe, schreibt uns per sailmail was er aus den bunten Bildern an Eisbedeckung für die uns betreffenden Gebiete herausliest. Wir fühlen uns mit dem Stahlschiff zwar sicherer als mit einem aus Plastik, eine Eisberührung dürfte vermutlich nur Kratzer hinterlassen, doch uns durch 4/10 oder mehr Bedeckung zu wagen kann aussichtslos und gefährlich sein. Eisplatten können unter das Schiff gelangen, es teilweise anheben, kippen, (zer-)drücken, und den Propeller beschädigen. Eis bewegt sich mit Strömung und Wind, kann ein Schiff an Land pressen, so dass es aufgegeben werden muss. Durch die flache Beringsee (oft nur 10 – 20 m, was bei Wind extrem unangenehme Wellen bewirkt) fahren wir am westlichsten Punkt der Reise vorbei, bei den Diomeden Inseln. Russland liegt nur ein paar Kilometer westlich.unseres Kurses. Am 14.Juli um 17:54 UTC überqueren wir den nördlichen Polarkreis. Position 66°30’ N und 167°59’ W. Als wir in Nome auslaufen, sehen die Eiskarten günstig aus. Vor allem Grönland und Baffin öffneten sich dieses Jahr früh, doch auch östlich von Herschel trieben nur wenige Eisfelder. Doch in Cape Hope wurden wir von einem Kabelleger gewarnt: Wainwright und Barrow würden wieder von Eis blockiert, der Nordwestwind treibt das Packeis dorthin. Von unserem Standort bis Barrow gibt es keinen einzigen Ankerplatz, umdrehen und die schwer erkämpften Meilen wieder zurückfahren, kam nicht in Frage. Weiter.

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Einen Tag später stehen wir vor der Eiswand. Sehen Walrösser auf Schollen treiben. 4 Tage und 3 Nächte (die keine Nächte sind, denn 24 Stunden herrscht Tageslicht) üben wir uns in Geduld, kreisen langsam segelnd – wir wollen nichts von dem kostbaren Diesel vergeuden – vor dem Eis. Einmal kommt das Treibeis ziemlich plötzlich dichter heran und treibt schneller als wir dachten, unter voller Motorkraft düsen wir nach Südwest, weg vom Eis.

erste Eisschollen südlich von Wainwright Mitternachtssonne und Eiswand am Horizont

Eisfeld rückt näher Kurslinie in schwarz beim Warten bis das Eis wegtreibt In Patagonien hatten wir es nur mit Eisschollen, die von Gletschern abgebrochen waren, zu tun. Das ist etwas völlig anderes als Packeis, mit dem wir keine Erfahrung besitzen. Der kanadische Eisbrecher Sir Wilfried Laurier kommt von Süden, fährt nach Barrow und teilt uns am Funk mit, dass wir es nun auch bald schaffen können. Endlich in Barrow, der Nordwestspitze Alaskas!!! Einen richtigen Ankerplatz gibt es nicht, man ankert vor dem Ort wenn die Konditionen geeignet sind. Eisschollen kommen an, wir müssen aufpassen, dass sie sich nicht auf die Ankerkette legen und den Schiffsbug nach unten drücken.

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Barrow Jürgen mit Locals Wanda und Rich

Barch mit gelbem Schulbus Jürgen tauscht die Filter des Perkins. Danach springt er nicht mehr an. Mittlere Panik kommt auf. Wir ankern an einem völlig ungeschützten Platz, müssen flüchten, falls Wind oder Eis kommen. Und überhaupt, wie und wann würden Ersatzteile an diesem entlegenen Ort eintreffen? Müssen wir das Abenteuer NWP hier beenden? Nach 3 Stunden lief der Perkins wieder, die Dieselpumpe war verstopft. Den ganzen Tag sitzt uns der Schreck in den Gliedern. Wenn jetzt ein vitaler technischer Defekt auftritt, ist es aus. Später, in der Nordwestpassage werden wir vollständig auf uns allein gestellt sein. Die Sorge um die Technik begleitet Jürgen den ganzen Weg. Denn überwintern in der Arktis können wir uns überhaupt nicht vorstellen: es gibt nur sehr wenige sichere Plätze in der Nähe einer Siedlung. Wie friert man ein Schiff ’richtig’ ein? Und dann die gesamte Logistik, also Nahrungsmittel, Diesel, Wasser. Monatelang würden wir kein Tageslicht sehen bei Tiefsttemperaturen. Unvorstellbar für uns! Nach 4 Tagen flüchten die Transport- und Arbeitsboote östlich hinter die Landspitze im Norden. Auflandiger Wind beginnt und bringt schon wieder das Eis zurück. Wir sind froh, ein paar kundige Nachbarn zu haben, sprechen mehrmals am Tag über VHF die neusten Infos durch.

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Am 1. August segeln wir endlich von Barrow los, in die NWP. Barrow fühlt sich für uns als Startpunkt in die Passage an.

unser Weg in rot durch die NWP: Start im Mai in Hoonah, Southeast Alaska, 1. August Lossegeln in Barrow, im NW Alaskas, Tankstopp in Cambridge Bay, vorbei an Prince William Island, durch die Bellot Strait, Beechey Island, Pond Inlet, Baffin und Labrador bis Halifax, und schließlich Ende November zu den Bermudas Bis wir am anderen Ende, in Pond Inlet auf Baffin Island herauskommen, wird gut ein Monat vergehen. Ein schöner Monat. Bei meist schwachem Wind und sommerlichen Temperaturen fahren wir im arktischen Inselgewirr, ankern öfter in Buchten, die an Mondlandschaften erinnern. Leider liegt großer Zeitdruck auf uns. Wir müssen ständig Meilen machen, um nicht auf halbem Wege vom neuen Eis eingeschlossen zu werden. Alles in allem ist 2016 segeltechnisch ein gutes Jahr mit einer genügend langen eisfreien Periode. Leider ein ziemlich klares Zeichen des Klimawandels, der sich in der Nähe des Nordpols am stärksten bemerkbar macht. Das heißt nicht, dass es jedes Jahr einfacher wird, durch die NWP zu segeln. Es gibt immer noch sehr schwierige Jahre, in denen das Eis ein Durchkommen fast unmöglich macht. 2014 wurde den bei Baffin Island wartenden Seglern empfohlen, umzukehren. Wir lasen einen Erlebnisbericht einer österreichischen Yacht, die 2013 von Ost nach West durchfuhr, mit vielen eisbedingten Strapazen und großer Unsicherheit, ob sie es schaffen würden oder mittendrin den Winter im Eis verbringen müssten. Aber nun wieder zurück nach Herschel, dem Beginn meiner Erzählung. Bald nach Herschel begegnen wir in Bernard Harbor einer Inuitfamilie aus dem gut 100 Meilen entfernten Ort Kugluktuk, die dort ’Urlaub’ macht. Das 11 jährige Mädchen hat am Vortag ein Karibou erlegt und wir essen von dem gegrillten Fleisch und dazu frisch gebackenes Brot auf der ehemaligen Landepiste der DEW Line aus dem Kalten Krieg.

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Inuit Großfamilie: Kariboufleisch steckt auf dem Stecken in der jeweiligen Bildmitte Alle 3 Generationen erzählen aus ihrem Leben. Es gibt große Unterschiede wie ihr Leben vor 40, 50, 60 Jahren war und wie es heute ist. Wie überall in Nordamerika wurde die ursprüngliche Bevölkerung bis ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts unterdrückt, vertrieben, bestenfalls ignoriert, schlimmstenfalls ermordet. Erst seit den 1990 ern unterstützt und fördert der kanadische Staat die Inuit. Trotzdem sehen sich viel chancenlos, die Selbstmordrate ist hoch, ebenso der Drogenmissbrauch, vor allem Alkohol und Klebstoffschnüffeln. In den Siedlungen sieht man dies in vielen Gesichtern. Und sie leben nun auch in der Konsumwelt, die alten Strukturen und (Über-)Lebensformen sind nicht mehr intakt und oft vergessen. Auch ’unsere’ Inuitfamilie zückt ihr iphone, um ein Foto zu schiessen. Cambridge Bay ist ungefähr die Hälfte der Strecke. Dort gibt es die einzige Pier der ganzen NWP, an der man festmachen und einen Tanklastwagen bestellen kann. Zwei Tage sind wir mit Tanken beschäftigt, der Tankstutzen ist für Großschiffe oder Flugzeuge ausgelegt, passt nicht in unsere Tanköffnung, und wir müssen das Diesel quasi via Trichter hineintröpfeln. Etwas mehr als 2500 l, eine Qual für uns und den Tankwart. An der Pier hat noch ein weiteres Schiff Platz: das Forschungsschiff ’Bergmann’. In Cambridge Bay treffen wir ein paar Entgegenkommer. Ein französischer Schweizer, ein deutsches Schiff und mehrere Franzosen. Wir wissen inzwischen, dass in unsere Richtung noch das Schweizer Schiff Pachamama, ein Israeli und ein Chinese unterwegs sind. Und diverse Kreuzfahrtschiffe, erstmalig in der Geschichte eines mit über 1000 Passagieren. Dazu mehrere Forschungsschiffe, Eisbrecher, Coast Guard. Am 19. August fahren wir westlich King William Island die Victoria Strait hoch. Noch 2 Tage vorher war dieser Weg vom Eis versperrt. Man muss dann östlich King William fahren, an Goja Haven vorbei. Das sind 150 Meilen mehr. Dieses Seegebiet erlangte Berühmtheit durch die gescheiterte Franklin Expedition 1845 – 1848. Ohne es zu wissen, haben Franklin und seine Seeleute den Weg durch das arktische Insellabyrinth fast gefunden. Nach einer Überwinterung in Beechey Island fuhren die beiden Schiffe der Expedition den Peel Sound nach Süd. Die Schiffe wurden vom Eis zerdrückt, die Mannschaft verhungerte. Eine Sensation war im Jahr 2014 der Fundort der ’Erebus’, viele Meilen südlicher als die Wissenschaft bis dato vermutete. Und dieses Jahr, 2016, wenige Tage nachdem wir King William passierten, fand die ’Bergmann’, unser Nachbar in Cambridge Bay, die ’Terror’. Lesetipp: “Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny. Eine Biographie Franklins

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Die erste erfolgreiche Passage gelang Roald Amundsen von 1903 – 1906. Er überwinterte damals u.a. in Goja Haven. Arved Fuchs fuhr mit seiner Dagmar Aaen 1991 – 1993 durch und noch einmal 2003 – 2004 in umgekehrter Richtung. Das Arctic Institut der englischen Uni Cambridge sammelt Daten aller NWP Schiffe. Seit der ersten erfolgreichen Durchfahrt, die 1903 begann, ist die Caledonia Nr 243. Mitgerechnet werden alle Arten von Schiffe, in beide Richtungen und wenn ein Eisbrecher jedes Jahr durchfährt, bekommt er jedes Mal eine Nummer. Rechnet man nur die Segelschiffe, die seit 1903 von West nach Ost durchkamen, sind wir Nummer 39! Deutsche Segelschiffe gibt es insgesamt nur 6, nach Arved Fuchs (der zweimal zählt, da er zwei Durchfahrten unternahm) sind wir das zweite deutsche Schiff von West nach Ost! In diesem Jahr stehen insgesamt 17 Schiffe in der Liste derjenigen, die es geschafft haben. Nun wieder zurück zu unserer Route. Auf der bisherigen Strecke gab es mit der Ausnahme King William westlich oder östlich nur einen Weg durch die Arktis. Ab Victoria Srait führen 3 Wasserstraßen nach Nord zum Lancaster Sound. Segelschiffe nehmen entweder den Peel Sound oder fahren durch die enge und stark strömende Bellot Strait und den Prince Regent Inlet. Mit fast 14 kn schiebt es uns durch Bellot. Wir schaffen es nicht, rechtzeitig nach rechts abzubiegen, um auf kürzestem Wege zu unserem angepeilten Ankerplatz zu gelangen. Die Strömung treibt uns einfach weiter. Nach der nächsten Insel führt auch ein Weg nach Brands Island Anchorage, den wir nehmen können. Ein so wunderschöner Ankerplatz, an den wir uns sehr gern erinnern.

Seekarte Bellot Strait Ankerplatz Brands Island Östlich der Bellot Strait stehen 2 Häuser der ehemaligen Handelsniederlassung Hudson Bay Company. Eines zerfällt, das andere wird als Schutzhütte instand gehalten. Besucher schälen die Holzbretter, die als Schutz vor Bären dienen, eines nach dem anderen nach oben heraus, um an die Eingangstür zu gelangen.

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Schutzhütte In der Hütte gibt es alles, was man zum Überleben braucht, Lebensmittel, Wasser, Brennstoff, Matratzen, Kochgeschirr und Bücher und Karten. Ferner ein Gästebuch, in das wir uns eintragen. Und wie es die Tradition sagt, lassen wir eine Konserve da.

die beiden Hudson Bay Hütten Ankerplatz und Dinghy-Anlandeplatz Unser nördlichster Punkt der Reise, mehr noch: unseres ganzen Lebens, ist Beechey Island (74°43,4 N und 091°49,4 W), die Bucht, in der die Franklin Expedition 1845/46 überwintert hat. Drei Seeleute verstarben dort, ihre Gräber ragen einsam aus dem feinen Schotter, aus dem die Insel besteht.

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Gräber auf Beechey Island Ein paar Überreste eines Gebäudes von damals und diverse Cairns (kleine Gedenkmonumente) erinnern an die Vergangenheit.

Northumberland House Franklin Cairn Bei Sonne pur und 20 Grad erklimmen wir ein 200 m hohes Plateau. Alte Fässer stehen herum, vermutlich Reservetreibstoff für Flugverkehr.

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Aufstieg Fässer auf dem Plateau

Blick auf die Beechey Bucht mit Caledonia Am Nachmittag läuft die ’Bremen’ ein, ein Kreuzfahrer mit ca 150 Passagieren. Helle Aufregung! Gerade ist eine Eisbärmama mit 2 Jungen an Land geschwommen und läuft nun am Strand längs. Wir setzten uns ins Dinghy, nähern uns vorsichtig. Doch sie nimmt uns oder das Außenbordergeräusch bald wahr und alle 3 traben davon. Da wir nach Barrow kaum noch Eis hatten, sahen wir auch keine Eisbären, da sie oft auf Schollen erspäht werden können.

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Eisbärfamilie

Ausrüstung für einen Landgang: Bärspray, Moskitospray, Fernglas, mobile Funkgeräte, Sonnenbrillen, Magnesiumtabletten, Patronen ……..und natürlich die Gewehre Der deutsche Kapitän erkundigt sich, ob bei uns technisch und gesundheitlich alles ok ist, ob er etwas für uns tun könne. “Alle bestens“ können wir antworten. Was Frisches wäre vielleicht ganz schön. Und wenig später steht eine Kiste mit Salat, Tomaten, Ananas und Bananen an Deck. In der Arktis steht dem anderen helfen noch ganz oben! Ab dem Lancaster Sound gibt es mehr Wind und die ersten Gletscher beginnen.

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Gletscher

In den Fjorden ist es nun manchmal zu tief zum Ankern. Glücklich und eisfrei erreichen wir Pond Inlet, den Ausgang der NWP. Geschafft!!!!!!!! Doch noch liegen 2236 Meilen vor uns. Und nicht irgendwelche, sondern in der Baffin- und Labradorsee, bei Neufundland und Nova Scotia. Im September und Oktober, wo die Herbststürme wüten. Zu einem Zeitpunkt, zu dem man eigentlich mehr als genug vom Schiff fahren hat. Auf einem Meer, auf dem Eisberge, wie die Titanic sie rammte, in großer Zahl nach Süden treiben. Nun haben wir nicht mehr 24 Stunden Tageslicht, müssen nachts ständig vor dem Radarbildschirm sitzen, dabei den Messbereich des Radars immer wieder von kurzer auf weite Entfernung umstellen, um möglichst auch die flachen Schollen zu erkennen. Eisberg-Slalom! Eine zusätzliche Anstrengung.

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Eisberge Wir machen das Beste daraus, hatten noch ein paar herrliche Stopps in diesem herrlichen Landstrich mit den nettesten Leuten, die man sich vorstellen kann.

Hawke Harbor ehemalige Walverarbeitungsanlage und Blümchen

Museumsdorf Battle Harbor, Labrador

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Red Bay, Labrador bordwalk trail auf einen Aussichtspunkt

Fort in Louisburg, Nova Scotia Am 13. Oktober erreichen wir Halifax. 6940 nautische Meilen, das sind knapp 14000 km, liegen hinter uns seit Mai. Jürgen war mit der Caledonia 2006/07 schon mal da und sie haben somit den amerikanischen Doppelkontinent im Uhrzeigersinn umrundet. Halifax gefällt uns ausgezeichnet, wir fühlen uns sofort wohl. Und bleiben viiiiel länger als geplant.

Northwest Arm Halifax Gran Parade Platz und Rathaus mit Turm

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Ende November segelte Jürgen ungemütliche 750 Meilen zu den Bermudas, ich nahm den Flieger. Auch die Bermudas lieben wir, wenn nur nicht so oft so viel Wind wehen würde, dass man das Schiff nicht verlassen kann. Bald geht es in die Karibik. Nix größeres mehr, sonnen, baden, Rentnersegeln.

das 405 Jahre alte St. George’s im Osten von Bermuda

Tobacco Bay Fort St. Catherine

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Mangrove Bay

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