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Es fängt mit Lesen an. Medienempfehlungen der Stiftung Lesen Familie ist Vielfalt

Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

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Page 1: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

Es fängt mit Lesen an.

Medienempfehlungen der Stiftung LesenFamilie ist Vielfalt

Page 2: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

Nur mit gut gemachten Geschichten, witzigen Illustra-tionen und glaubhaften Heldinnen und Helden können wir Kinder und Jugendliche für das Lesen gewinnen. Ab sofort möchten wir daher Ihnen, liebe Eltern, Journalis-ten, Fachkräfte und Ehrenamtliche, monatlich abwechs-lungsreiche Leseempfehlungen präsentieren. Die Bücher, Apps, E-Books und Hörbücher bieten für jeden Geschmack etwas: Sie werden sich an saisonalen An-lässen ebenso orientieren wie an gesellschaftlichen Debatten. Las-sen Sie sich inspirieren - ganz egal ob sie kleine Zuhörer be-geistern, leidenschaftliche Leser überraschen oder „Lesemuffel“ überzeugen möchten.

In dieser Ausgabe unserer Leseempfehlungen widmen wir uns der Vielfalt moderner Familien- und Rollenbilder. Ob klassische Kernfamilien, alleinerziehende Eltern, gleichgeschlechtliche Partner-schaften mit Nachwuchs oder Patchwork-Haushalte: Die Palette des Zusammenlebens ist bunt und oft selbstver-ständlich gelebter Alltag. Auf den folgenden Seiten stel-len wir Ihnen Titel vor, die die Lebensumstände aller Kinder zeigen und ernst nehmen.

Editorial

Ulrike Annick Weber Christine Kranz

Viel Freude beim Entdecken, Lesen und Überraschtwerden!

Ihre

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Roy und Silo sind zwei bildschöne Zoo-pinguine in den besten Jahren und so-

zusagen von Ei an die dicksten Freunde. Anders als andere männliche Pinguine

haben sie allerdings keinen Blick für die hübschen Pinguinmädels - sie interes-

sieren sich ausschließlich füreinander. Nun ja, warum auch nicht? Da gibt es

nur ein Problem: Um Nachwuchs zu pro-duzieren, ist diese Konstellation weniger

geeignet. Alle Versuche des Zooperso-nals, die beiden zu trennen, führen zu geradezu lebensgefährlichem Kummer

und werden daher abgebrochen. Als Roy und Silo dann aber anfangen, mangels

eigenen Eiern gesammelte Steine auszu-brüten, kommt ein findiger Mitarbeiter

auf eine geniale Idee. Und nur wenig später gibt es im Zoo eine Pinguin-Fami-

lie der besonderen Art.

Die wahre Geschichte der beiden Pin-guinpapas im New Yorker Zoo hat ein

wunderbares Happy-End gefunden. Und führt auch schon den Kleinsten vor

Augen, dass es bei Familien vor allem darum geht: Zuneigung, Beständigkeit

und die Übernahme von Verantwortung. Die liebevollen Bilder und der knappe

Text nehmen sich des Themas mit wun-derbarer Selbstverständlichkeit an und verzichten vollständig auf Erklärungen

oder Wertungen. Die braucht schließlich kein Pinguin!

Edith Schreiber-Wicke/Carola Holland (Ill.)Zwei Papas für TangoThienemann VerlagISBN 978-3-522-45847-432 S., € 12.99Neuaufl. 2017

Ab ca. 3 Jahren

Zwei Papas für Tango

Edith Schreiber-Wicke, Carola Holland (Illustrationen)

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Papa ist nichtaufzuhalten

Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär ... dann gäbe es auch dieses vergnügliche Papa-Bilderbuch nicht. Denn der kann jede, aber auch wirklich jede Möglichkeit ausschließen, warum er es nicht schaffen sollte, den kleinen Max abends wieder vom Kindergarten abzuholen. Und wenn das Auto nicht anspringt, dann wird eben der Traktor genommen. Oder gleich auf Mäxchens liebstem Kuscheltier geritten. Oder mit einem Boot auf dem Fluss aus Nachbars Gartenschlauch an‘s Ziel gekom-men. Oder gar ein fliegender Drache einge-spannt. Eins steht für den Papa jedenfalls fest:

„Dann bin ich schneller als der Wind – weil ich mich freue auf mein Kind!“

Im Retro-Stil und mit viel Schwung und Witz illustriert, erzählt diese gereimte Papa-Sohn-Geschichte von grenzenloser Fantasie und ebensolchem Vertrauen. Und davon, dass Rollenbilder nicht nur im Bilderbuch jederzeit neu definiert werden können.

Nadine Brun-Cosme, Aurélie Guillerey (Illustrationen), Bernd Penners (Übersetzung)

Nadine Brun-Cosme, Aurélie Guillerey (Ill.),Bernd Penners (Übers.)Papa ist nicht aufzuhaltenRavensburger VerlagISBN 978-3-473-44687-232 S., € 12.992017

Ab ca. 3 Jahren

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Das abschließende Bild aus dem ersten Band der Kla-ra-Gluck-Abenteuer hat dem Betrachter die bunteste Familie vor Augen geführt, die die – nur vorübergehend verhinderte –Hühnermama sich nur wünschen konnte: Aus all den Eiern, die sie auf ihren Reisen über die höchs-ten Berge, in die größten Städte, durch die tiefsten Höhlen und in die Tiefen des Meeres gesammelt hat, sind die unterschiedlichsten Tiere geschlüpft: vom Straußen-kind über die kleine Schlange bis zum Minikrokodil oder dem Nachwuchspfau. Die wollen nun in Band 2, unter heftiger Belas-tung der Hühnermamanerven, alle versorgt und begluckt werden – zumindest so lange, bis Klara ihren Nachwuchs hinaus in ein eigenständiges Leben begleitet.

Familie ist, was man draus macht! Und das lebt das liebenswerteste

aller Bilderbuchhühner so nachvollziehbar, komisch und wahrhaftig vor, dass nicht nur Kinder ihren Spaß daran haben werden. Mehr Vielfalt als in der gluckigen Patchworkfa-milie geht nicht – und mehr vergnügliches Chaos ebenso wenig. Die Gestaltung leistet sich dabei mindestens ebenso schöne Kapriolen wie die Handlung, es gibt viel zu lachen, einiges zum Nachdenken und ganz besonders viel, was man an kreativen oder informativen An-schlussaktionen anbieten könnte.

Klara Gluck undihre Kinder

Emma Levey

Ab ca. 4 Jahren

Emma LeveyKlara Gluck und ihre KinderOrell FüssliISBN 978-3-280-03523-832 S., € 13.952016

Page 6: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

Eine Prinzessin, ein Ritter und ein Drache: Da liegt die dazugehörige Mär ja wohl auf der Hand! Die holde Prinzessin, vom fiesen Drachen entführt und vom edlen Ritter gerettet. Gääähn!Naja, nicht ganz. In der kunterbunten Variante von Axel Scheffler und Julia Donaldson, die hemmungslos Ele-mente aus Märchen und eigenen Bilderbuchklassikern verwurstet, wird aus den traditionellen Zutaten eine sehr neue und sehr schräge Geschichte. Prinzessin Per-le, Ritter und Drache sind als fliegendes Ambulanzteam unterwegs und lindern allerlei Wehwechen – vom Son-nenbrand der Meerjungfrau über den Löwenschnupfen bis zum Zweihornleiden des Einhorns. So weit, so neu-zeitlich, so erfolgreich. Bis sie im Schloss des Prinzessin-nenonkels landen, der die patente Perle gewaltsam zum Krone-Tragen, Sticken und Stricken verpflichten will. Zumindest bis er selbst in medizinische Nöte gerät.

Was kümmert mich das Märchen von gestern?! Prinzessin Perle macht vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande neu definieren kann. Die herr-lich fiesen und witzigen Illustrationen korrespon-dieren prächtig mit den hemmungslosen Reimen und garantieren den Vor-leseerfolg bei kleinen und größeren Kindern. Auch zur Kombination mit Mär-chenklassikern wärmstens zu empfehlen!

Zogg und dieRetter der Lüfte

Julia Donaldson, Axel Scheffler (Ilustrationen), Salah Naoura (Übersetzung)

Julia Donaldson,Axel Scheffler (Ill.),

Salah Naoura (Übers.)Zogg und die Retter der Lüfte

Beltz & GelbergISBN 978-3-407-82181-2

32 S., € 12.952016

Ab ca. 4 Jahren

Page 7: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

Der Löwe, der – zumindest früher – nicht schreiben konnte und die kluge Löwin an-

schmachtete, ist inzwischen ein halbwegs be-lesener Löwenehemann geworden. Und der liebt es, sich in Ruhe in schwierige Buchsta-

ben zu vertiefen. Diese Idylle wird allerdings von seiner Frau recht gnadenlos gestört, als sie kurzerhand übers Wochenende zu ihrer Schwester fährt und drei kleine Äffchen in

der Obhut des Löwen zurücklässt. „Spielt mal schön!“ erweist sich nicht wirklich als erfolgreich, da die bevorzugten Spiele z.B.

„Beißen und Brüllen“, „Ungeduld und Eifer-sucht“ oder gar „Kanonen oder Granaten“ heißen. Da muss sich der Löwenpädagoge

wider Willen schnellstens was einfallen lassen. Und die Lösung heißt: Ins Bett bringen! An sich kein schlechter Ansatz – aber die drei Äffchen sind auch da ganz schön anspruchsvoll.

„Ich kann nichts von dem, was eine gute Löwin kann ...“ Mit dieser Aus-rede kommt der Löwe erwartungsgemäß nicht weit. Wie er die Situation

dann bilderbuchmäßig rettet, wird mit hinterhältiger Komik und reichlich Bezug auf die Vorgeschichten so schön erzählt, dass am Ende sowohl

Äffchen als auch Leser bzw. Zuhörer restlos erheitert und zufrieden sind. Für Neupapas, Nervensägen jeden Alters, Geschichtenerzähler, die noch üben müssen, Bananentrickser und Löwenfans der ersten, zweiten oder

dritten Stunde ...

Martin BaltscheitLöwenväter singen nicht

Beltz & GelbergISBN 978-3-407-74759-4

48 S., € 8.952017

Löwenväter singen nicht

Martin Baltscheit

Zum Vorlesen ab ca. 6 Jahren, zum Selberlesen ab 7 bis 8 Jahren

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Es soll ja Leute geben, die glauben, dass Zebras nur Gras fressen – und kein Nutella. Aber die wissen sicher auch nicht, dass Zebras klettern können. Und das kann das Exemplar namens Bräuninger, das sich eines Tages unter Hannas Bett einfindet, offen-sichtlich sehr gut. Wie hätte es sonst durch Hannas Fenster hereinkommen sollen? Wer sich hier schon wundert, wird über das folgende Abenteuer der eher schüchternen Hanna und ihres höchst selbstbewussten ge-streiften Freundes fraglos genauso erstaunt sein wie ihre beiden „homosensationellen“ Papas Paul und Konrad. Denn Bräuninger mischt nicht nur Hannas Klasse und den vorschriftenfanatischen Schuldirektor gehö-rig auf.

Frei nach Bräuninger: Ein bisschen Hilfestel-lung kann jeder brauchen! Und wenn sie so wunderbar schräg und unbekümmert daher-kommt wie diese Freundschaftsgeschichte der etwas bunteren ... äh … schwarz-weiße-ren Art, wird sie sicher begeistert angenom-men. Kerstin Meyer verleiht den liebenswer-ten Figuren noch mehr (witziges) Format – und das Zebraabenteuer lässt sich genauso gut vor- wie selberlesen. Einfach schön!

Markus Orths/Kerstin Meyer (Ill.)Das Zebra unterm Bett

Moritz VerlagISBN 978-3-89565-310-0

72 S., € 9.952015

Das ZebrauntermBett

Markus Orths, Kerstin Meyer (Illustrationen)

Zum Vorlesen ab 6 Jahren, zum Selberlesen ab ca. 7 Jahren

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Am Anfang war ... ein Plan! Aber dass der ziemlich schlecht ist, weiß Hani eigentlich selbst. Schon bevor sie von der Polizei eingesammelt wird, weil sie mit einem Tomatenmesser in der Hand eine Bank überfallen wollte. Okay, die Leute haben eigentlich eher gelacht, als sich gefürchtet. Das findet Hani aber ziemlich unpassend, denn ihr Leben ist alles andere als lustig, seit Mama weg ist. Im Salon Salami, dem Friseursalon ihres restlos überforderten Vaters, gibt es reichlich Kundschaft, aber wenig Geld. Onkel Ibo dreht irgendwelche krummen Dinger, Hanis kleiner Bruder Moma macht wieder ins Bett und alles scheint irgendwie mit Mamas Verschwinden zu tun zu haben. Mit Hilfe von Mira, die beim Jugendamt arbeitet, aber mit dem Chefzombie dort echt nichts gemeinsam hat, dröselt Hani nach und nach die Verwicklungen auf. Und steht am Ende mit besseren Plänen da.

Die Ich-Erzählerin Hani wächst einem sofort ans Herz. Nicht nur wegen ihrer selbst geschnittenen Haare oder den genialen Vorher-Nachher-Fotos, mit denen sie das Schaufenster des chaotischen Salons zupflastert. Sie lässt sich einfach nicht entmutigen! Nicht von Moma und seinen Problemen im Kindergarten, nicht von Papa, der scheinbar aufge-geben hat, nicht von ihrem Onkel, der glaubt, sie einsperren zu können, nicht von den Rückschlägen und ziemlich bedenklichen Entdeckungen, die sie verdauen muss. Das wird mit lakoni-schem Witz erzählt, in kurzen Kapiteln, liebevoll illustriert und lesefreundlich gesetzt. Ein feiner, kleiner Kinderroman mit großen Themen, der sein Happy End verdient hat!

Benjamin TientiSalon Salami – Einer ist immer besondersDresslerISBN 978-3-7915-0047-8160 S., € 12.992017

Salon Salami – Einer ist immer besonders

Ab ca. 10 Jahren

Benjamin Tienti

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Die Illustration auf der Rückseite ver-deutlicht wunderbar, um was es in

diesem ungewöhnlichen Kinderroman geht: Gemeinsam mühen sich Toon, sein

großer Bruder Jan und seine Eltern ab, die Familienkarre anzuschieben. Das Familienleben normal am Laufen zu

halten, ist nämlich gar nicht so einfach! Dabei können die Brüder weder getrennt

lebende Eltern noch finanzielle Sorgen ins Feld führen. Vielmehr ist ihre Familie

sozusagen ständig im Fluss: Die Eltern nehmen immer wieder kurzzeitig Kinder

aus schwierigen Verhältnissen auf, die dann nach einigen Wochen oder Mona-ten wieder gehen: den dicken, Gedichte schreibenden Rufus, den Dauerquassler

Milo, die hartnäckig schweigende Abigael oder Jirre, der einfach irgendwann ver-

schwindet. Der Ich-Erzähler Toon bemüht sich – anders als Jan, der gegen die fami-

lieninterne Konkurrenz rebelliert – mit den Übergangsgeschwistern zurecht zu

kommen und lernt dabei sowohl die an-deren als auch sich selbst besser kennen.

Es müssen nicht immer kaputte Fami-lien sein, die Stoff für nachdenkliche Geschichten

liefern. Auch Kinder, die laut Mamas Aussage „alles“ haben, können gezwungen sein, um ihren Platz, ihre

Wünsche und so etwas wie Normalität im Alltag zu kämpfen. Wie das aussehen kann, davon wird hier in

kurzen Kapiteln, mit Humor, aber ganz ohne platte Lösungsansätze erzählt.

Martha Heesen/Maja Bohn (Ill.)Mein Bruder, die Neuen und ichGerstenberg VerlagISBN 978-3-8369-5903-2120 S., € 12.952017

Mein Bruder,die Neuen und ich

Ab ca. 10 Jahren

Martha Heesen, Maja Bohn (Illustrationen)

Page 11: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

Ein Mädchen, das aus sich aus einem Schlafsack heraus-schält? Ein Schmetterling, der seinen engen Kokon abstreift? Schon die Coverillustration wirft Fragen auf, die das Mädchen Viola und auch die Leser/innen bewegen. Denn schließlich reicht das Spektrum in Violas Alter von Episoden wie „Mit Pickeln zur Party?“ bis zum zögerlich staunenden „Nichts ...“. In zwölf Bilderkapiteln wird in freiem Wechsel von Comic- und Textelementen aus dem wirklich wahren Leben erzählt: vom Vater, der gegangen ist, der Mutter, der Stiefmutter und (!) dem Stiefvater, vom kleinen Bruder, der

unablässig nervt, von der Coolness, die auch von nicht gemachten Hausaufga-ben abhängen kann. Von der Bedeutung böser und guter Farben, von der ewigen Besserwisserei der Erwachsenen, von den Genen, die man angeblich erbt. Aber auch vom Zitronenfalter, der Viola wie ein letzter Gruß des geliebten Groß-vaters vorkommt, an dessen selbstge-bauten, fantasievollen Tischen am Ende alle zum Feiern zusammenkommen.

Hier greifen Form und Inhalt perfekt ineinander! Violas Welt wird durch die originellen Comicpassagen, aber auch durch die so sprunghaften wie tief-gründigen Gedanken der Ich-Erzählerin lebendig. Alles kommt anders, als man denkt und manchmal, als man es sich wünscht – aber alles ist möglich! Sehr lesenswert – nicht nur für die eigentli-che Zielgruppe!

Annette Herzog/Katrine Clante (Ill.)

Pssst!Peter Hammer Verlag

ISBN 978-3-7795-0556-396 S., € 14.00

2017

Pssst!

Ab ca. 10 Jahren

Annette Herzog, Katrine Clante (Illustrationen)

Page 12: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

„Neukölln für starke Nerven!“ Das ist nicht etwa der Titel eines neuen Trash TV-Formats, sondern Thema einer Stadtteilführung, die die Freunde Pia, Jonas, Nesrin, Kasim, Finn-Ole, Mustafa und Rifat für neugierige Touristen anbieten. Ein Geschäftsmodell, das die eingeschworene Clique ganz schön fordert: Die fingierten Raubüberfäl-le, die Abrichtung des eher gutmütigen Kampf-hundes Braun oder vermeintlich blutige Rituale im Hinterzimmer bedürfen gründlicher Vorbe-reitung aller Akteure – und gehen dann doch daneben! Unter anderem wegen der fiesen Frau Weber von C.G. Weber Home Development, der natürlich der Marktwert des Viertels am Herzen

Anne C. VoorhoeveWir 7 vom ReuterkiezFISCHER Sauerländer

ISBN 978-3-7373-5379-3256 S., € 12.99

2017

Wir 7 vom Reuterkiez

Ab ca. 10 Jahren

Anne C. Voorhoeve

liegt. Stress ohne Ende – und dabei haben Pia und Jonas mit den Problemen ihrer „Kinderwoh-nung“ und den getrennt lebenden Eltern samt neuem Anhang wahrlich genug am Hals.

Welchen Herausforderungen müssten sich Erich Kästners Helden wohl heute stellen? Verlust des Zuhauses durch Gentrifizierung, multikulturelle Gesellschaft, Patchworkfamilien: Die klassi-sche Kinderbande muss ihr Aktionsspektrum definitiv ausweiten! In diesem unterhaltsamen Großstadtroman gelingt es der Autorin, viel-fältige Themen mit Witz, Spannung und einem durchaus bekömmlichen Schuss positiver Grundhaltung aufzubereiten. Die bunt gemisch-ten Identifikationsfiguren und das gut rüberge-brachte Lokalkolorit machen die Abenteuer der Reuterkiez-Helden zu einem wirklich lohnenden Lesevergnügen, auch jenseits der Berliner Stadt-grenzen.

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Nikolaus nennt sich selbst lieber Niko. Wer möchte noch zusätzlich mit seinem Namen aufgezogen werden, wenn er schon aussieht wie ein junges Walross! Bei einem solchen Körperumfang nützt auch Kleidung in Tarnfarben nichts. Und wenn man in einer verstaubten Wohnung bei seiner Oma leben muss, ist das auch nicht wirklich hilfreich. Niko gibt das geborene Opfer ab für bösartige Sprüche, hinterhältige Streiche und Verletzungen aller Art. Allein das Mädchen Sera weiß nicht so recht, ob sie in dieselbe Kerbe schlagen soll wie alle anderen. Ist sie die einzige, die bemerkt, was hinter Nikos dickem Panzer steckt? Als der Rädelsführer Marko sich rücksichtslos an Sera heran-macht, passiert etwas Unerwartetes.

Anderssein zu akzeptieren, fällt nicht nur denen schwer, die auf der vermeintlich sicheren Seite sind. Auch der, der sich aufgrund seines Aussehens, seines Ver-haltens oder seiner Familiengeschichte von allen anderen abhebt, muss lernen, sich so und nicht anders anzunehmen. Die ungewöhnliche Freundschaftsgeschichte wird im Wechsel aus der Perspektive von Sera und Niko erzählt und lässt den Leser erst nach und nach alle Puzzlestücke zusammensetzen. Und da es Dinge wie den Zeitanhalter, den Wahrheitsabsauger oder den Erinnerungslöscher auch für einen erfinderischen Geist wie Niko nicht gibt, ist das Ende auch eher ein Anfang. Sensibel beobachtet, sprachlich schön, trotz der schweren Thematik leicht lesbar – sehr lohnend!

Stefanie HöflerTanz der TiefseequalleBeltz & GelbergISBN 978-3-407-82215-4192 S., € 12.952017

Tanz der Tiefseequalle

Ab ca. 12 Jahren

Stefanie Höfler

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Ein Weihnachtsabend, eine Frau in einem grünen Mantel, mit einem Koffer in der

Hand, die sich nicht umdreht. Das ist die Erinnerung des Mädchens Apple an ihre Mutter, die vor vielen Jahren einfach ge-

gangen und nicht wiedergekommen ist. Seitdem lebt die inzwischen 14-jährige Apple

bei ihrer Großmutter Nana und sehnt sich nach einem Leben, wie es hätte sein können.

Zumindest in ihrer Vorstellung. Denn eines Tages steht ihre Mutter vor der Tür, mit Rain,

der kleinen Überraschungsschwester, vielen hochfahrenden Plänen von einer Karriere

als Schauspielerin und der Möglichkeit für Apple, ihren vermeintlich tristen Alltag

hinter sich zu lassen. Allerdings entwickelt sich dann alles ganz anders, als Apple es sich

erträumt hat – das wirklich wahre Leben kommt schlicht dazwischen. Ob der neue

Nachbarsjunge Del und die eigenen Gedichte, die Apple im Englisch-Unterricht nie vorzule-

sen wagt, dabei helfen können, einen neuen Weg zu finden?

Familienbande, Verletzungen, Sehnsüchte, Freundschaft, erste Liebe und die Macht der Lyrik – reichlich Stoff für einen anrührenden Jugendroman. Trotz ihrer schnell offensichtlichen Fehlent-scheidungen folgt man der sympathischen Hauptfigur voller Verständnis auf ihrem verschlunge-

nen Weg zu einem Ziel, das sie lange gar nicht sieht. Die Sprache ist einfach, der Stil schnörkellos, und die Autorin findet wunderbare Bilder für Gefühle, auch über die eingestreuten Gedichte der

Heldin. Liebe, die nach Schweinebraten mit Apfelsoße schmeckt und nach dem schrappenden Geräusch einer Bleistiftmine auf Papier klingt: Das vermittelt völlig ohne Pathos die Essenz dessen,

worum es bei dieser Suche nach Identität, Familie und Zuhause wirklich geht.

Sarah Crossan/Birgit Niehaus (Übers.)

Apple und Raincbt

ISBN 978-3-570-16400-6320 S., € 12.99

2016

Apple und Rain

Ab ca. 12 Jahren

Sarah Crossan, Birgit Niehaus (Übersetzung)

Page 15: Familie ist Vielfalt - Fachhochschule Potsdam · vor, wie ein Mädchen mit Mut, Selbstbewusstsein und der Unterstützung guter Freunde seinen ganz eigenen Weg gehen und Familienbande

Bei Ron Robert Ranke ist zu Hause in Frank-furt/Oder häufig Strom auf der Tapete. Was bei ihm ungefähr so viel bedeutet wie sieben aufwärts auf seiner Stressuhr im Kopf. Oder wie das Gefühl kurz vor dem Aufwachen, wenn mal wieder die Wölfe hinter ihm her sind. Das liegt nicht unbedingt an Peggy, seiner verpeilten und völlig überforderten Mutter, oder an ihrem gerade aktuellen Muckimann, der sie morgens daran hindert, einkaufen zu gehen oder den Gesprächster-min in Rons Schule wahrzunehmen. Auch nicht an seinem mehr oder weniger gut funktionierenden Handel mit abgelaufenem Dosengemüse oder Klopapier, das vom Laster gefallen ist. Unter Strom steht sein Leben auch, weil er nicht weiß, wer sein Vater ist. Oder was das alte zerknitterte Foto von einem Mädchen mit Krone in der Küchen-schublade zu bedeuten hat. Oder warum das Rollstuhlmädchen Clara plötzlich Interesse an ihm zu haben scheint. Vielleicht gibt ihm das alles aber auch die nötige Energie, sich ohne Führerschein, dafür aber in einem schneewittchenweißen, protzigen Leihwagen auf die Suche nach seinem unbekannten Er-zeuger zu machen.

Wer hier gelegentlich an die beiden Helden aus „Tschick“ denken muss, liegt nicht ganz falsch. Aber die Geschichte von Ron und Clara erzählt doch in ganz eigenem Ton von dysfunktionalen Familien, der Sehnsucht nach Wurzeln, den Schmerzen des Erwachsenwerdens und einer eigentlich unmög-lichen Freundschaft. Mit bissigem Witz und liebevoll ruppig wird auch ein bisschen Oderbruch-Lo-kalkolorit mit eingeflochten, inklusive höchst skurriler Figuren, die man aber so oder so ähnlich auch in der Realität treffen könnte. Da schwankt man zwischen Lachen und Betroffenheit und entwickelt auf jeden Fall Zuneigung zum gebeutelten Helden, der trotz aller Widrigkeiten niemals aufgibt. Hoffentlich erfährt man irgendwann, wie seine Geschichte weitergeht.

Strom auf der Tapete

Ab ca. 14 Jahren

Andrea Badey, Claudia Kühn

Andrea Badey/Claudia KühnStrom auf der TapeteBeltz & GelbergISBN 978-3-407-82211-6192 S., € 12.952017

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Impressum

Stiftung LesenRömerwall 40DE - 55131 MainzTelefon: 06131 28890 - 68Telefax: 06131 28890 - [email protected]

Inhaltlich Verantwortliche gemäß § 55 Abs.2 RStV:Franziska Hedrich, Christine Kranz, Ulrike Annick Weber

Bildnachweise Titelbild © Halfpoint - FotoliaZwei Papas für Tango © Thienemann VerlagPapa ist nicht aufzuhalten © Ravensburger VerlagKlara Gluck und ihre Kinder © Orell FüssliZogg und die Retter der Lüfte © Beltz & GelbergLöwenväter singen nicht © Beltz & GelbergDas Zebra unterm Bett © Moritz VerlagSalon Salami – Einer ist immer besonders © Dressler Mein Bruder, die Neuen und ich © Gerstenberg VerlagPssst! © Peter Hammer VerlagWir 7 vom Reuterkiez © FISCHER SauerländerTanz der Tiefseequalle © Beltz & GelbergApple und Rain © cbtStrom auf der Tapete © Beltz & Gelberg

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