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KARIN HOFER / NZZ Sonderbeilage 16. April 2014 Das neue Selbstbewusstsein CH-8021 Zürich Telefon +41 44 258 11 11 www.nzz.ch Neue Zürcher Zeitung AARGAU

NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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Sonderausgabe

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Page 1: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

KARI

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/NZZ

Sonderbeilage 16. April 2014

Das neue Selbstbewusstsein

CH-8021 Zürich » Telefon +41 44 258 11 11 » www.nzz.ch

Neue Zürcher Zeitung

AARGAU

Page 2: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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Für den Kunsthistoriker Dr. phil.Rudolf Velhagen ist im Alten dasNeue und im Neuen das Alte.Als Leiter der Historischen Samm-lung Museum Aargau reicht seineSpannbreite von der Geschichteder Habsburger bis zum Indust-rial Design; er betreut unzähligeObjekte, die unter anderem aufden Schlössern Lenzburg, Habsburg, Wildegg undHallwyl zu bestaunen sind. Als Leiter der Galerie imGluri Suter Huus und des Museums Eduard Spörriin Wettingen präsentiert er zeitgenössisches Kunst-schaffen.Auf zahlreichen Venedig-Reisen hat Rudolf Vel-hagen eine Vorliebe für die Serenissima entwickelt:«Venedig ist und bleibt eine Stadt, in der Kunst undLeben zu einer einmaligen Einheit gelangen.»

mit Ruedi Velhagen

4.–9. NovemberDie diesjährige Reise widmet sich mit Giovanni Bellini undAndrea Palladio der Malerei und Architektur der Renais-sance in Venedig. Mit einem Besuch der Architekturbiennalefindet auch hier ein Sprung in die Gegenwart statt.Bestellen Sie das Detailprogramm und verlangen Siegleich auch den Katalog der Reisehochschule mit Studien-reisen weltweit.

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AARGAU 3Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

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IMPRESSUM: Chefredaktion: Markus Spillmann. Verantwortlich für diese Beilage: Erich Aschwanden, Paul Schneeberger. Art-Direction: Besiana Bandilli. Bildredaktion: Katharina Grieder.Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Postfach, 8021 Zürich.

Bilder: Karin Hofer / NZZ – Titelbild: Blick auf Baden

Erfolg schafft IdentitätErich Aschwanden ^ Wer sich im Ge-spräch mit Nicht-Aargauern als Aargau-Korrespondent zu erkennen gibt, löst eingemischtes Echo aus. Oft werden die Kli-schees vom Autobahn-, Atom- und Ag-glo-Kanton oder – besonders übel – vonden weissen Socken aus der Mottenkistegeholt. Doch dieses Bild stimmt nicht(mehr) mit der Wirklichkeit überein. AlsBeobachter nimmt man den Aargau alsdynamischen, modernen Kanton wahr,der sich in einem rasanten Wandel befin-det. Aus dem von Napoleon Bonaparte1803 zwischen den historisch gewachse-nen Regionen geschaffenen «Restgebil-de» ist eine Lokomotive für die Schweizgeworden. Bereits jetzt ist der Aargauhinter Zürich der am schnellsten wach-sende Kanton. Glaubt man dem Bundes-amt für Statistik, wird er dabei in dennächsten Jahren sogar in den ersten Rangvorrücken.

Für den städtischen, im Aufbruch be-griffenen Aargau steht Baden (Seite 8/9).In unmittelbarer Nähe zu Zürich lässt sichhier in den letzten Jahren verfolgen, wiedie Siedlungsentwicklung in einem dyna-mischen Raum abläuft. Innere Verdich-tung ist hier kein Schlagwort, sondernwird tagtäglich in verschiedensten For-men umgesetzt. Nicht überall im Kantonbesteht wie in der traditionsbewussten

Stadt Baden dieser Hang zur Selbstinsze-nierung. Viele Aargauer scheinen garnoch nicht realisiert zu haben, dass sienicht mehr die verschupften Kellerkindersind, die von der halben Schweiz belächeltwerden.

An der politischen Führung liegt esnicht, dass das neue Selbstbewusstseinnoch nicht in alle Regionen des vielfälti-gen Kantons vorgedrungen ist. Stärker alsandere Kantonsregierungen versteht derRegierungsrat seine Rolle nämlich strate-gisch und gibt klar den Takt für die künf-tige Entwicklung an. Damit der Industrie-kanton zum international kompetitivenHightech-Standort werden kann, ist manbereit, einiges zu investieren (Seite 13).Der wirtschaftliche Erfolg schafft in demKanton ohne richtiges Zentrum eine neueIdentität, wie der Coop-Verwaltungsrats-präsident und Ur-Aargauer HansueliLoosli in unserem Interview (Seite 4/5)feststellt.

Trotz der Dynamik, die weite Teile desKantons erfasst hat, besteht der Aargauweiterhin aus unterschiedlich ausgerich-teten Regionen. Diese Vielfalt erlaubt jenach Landstrich Entwicklungen mit ver-schiedenen Geschwindigkeiten. Am posi-tiven Aargauer Spirit, der sich in den letz-ten Jahren herausgebildet hat, könntensich andere Kantone ein Beispiel nehmen.

Inhalt

UR-AARGAUER UND ZUZÜGERIN

Hansueli Loosli und KatjaGentinetta über den Aargau.Seite 4, 5

WACHSTUM

Wie der Aargauseinen Boom verkraftet.Seite 7

STADT BADEN

Wo sich echte Urbanitätin einer Kleinstadt entwickelt.Seite 8, 9

LOGISTIK

Im Schnittpunktder grossen Verkehrswege.Seite 10

RHEINFELDEN

Das «weisse Gold» istein ganz besonderer Schatz.Seite 10

STAUSEE KLINGNAU

Umgeben von Industrie istein Vogelparadies entstanden.Seite 11

ENERGIE

Ein Besuch im Stammlandder Nuklearfreunde.Seite 13

WIRTSCHAFTSSTANDORT

Der Aargau auf demWeg zum Hightech-Kanton.Seite 13

ARBEITSWELT

Der Aargau will das Potenzialder älteren Arbeiter nutzen.Seite 14

KULTURKANTON

Die heimliche Nationalgalerieder Schweiz steht in Aarau.Seite 15

Page 3: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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ÖffnungszeitenDI – FR 12.00 – 17.00SA / SO 10.00 – 17.00Ostertage 10.00 – 17.00Marktstrasse 45630 Muri AGwww.museum-kloster-muri.ch

4 AARGAU Sonderbeilage ^ 16. April 2014Neuö Zürcör Zäitung

«Die grosseOffenheit isteine Qualitätdes Aargaus»Im Gespräch mit Coop- und Swisscom-Verwaltungsratspräsident Hansueli Loosliaus Würenlos und der LenzburgerPhilosophin Katja Gentinetta

Hansueli Loosli (58) und Katja Genti-netta (45) verkörpern zwei Facetten desKantons Aargau: jene der gebürtigenAargauer und jene der Zugezogenen.Der heutige Verwaltungsratspräsidentvon Coop und Swisscom arbeitet seitüber zwanzig Jahren für Coop. Er ist inSpreitenbach aufgewachsen und wohntheute in Würenlos im Limmattal. Diefreischaffende Philosophin Gentinettaleitete von 1996 bis 1999 das ForumSchlossplatz in Aarau. Sie war verant-wortlich für den Auftritt des Aargaus ander Expo 02. Gentinetta ist in Brig auf-gewachsen und wohnt in Lenzburg.Dennoch treffen wir uns zu unseremGespräch über den Aargau über denDächern von Zürich.

Herr Loosli, Frau Gentinetta, wir treffenuns in Zürich für ein Gespräch über denAargau. Typisch für einen Kanton ohnerichtiges Zentrum, nicht?Loosli (lacht): Es liegt sicher nicht dar-an, dass der Aargau nicht zentral ge-legen wäre. Das haben wir doch nur derNZZ wegen so arrangiert. Im Ernst: Ichhabe heute hier, in Bern und in Baselnoch weitere Termine.Gentinetta: Ich habe anschliessendebenfalls noch Termine hier. Zürich istfür meine Arbeit zentral und deshalbideal als Treffpunkt. Von Lenzburg, woich wohne und auch mein Büro habe,sind es zwanzig Minuten nach Zürich.

Herr Loosli, Sie sind im Aargau aufge-wachsen und auch heute noch dortwohnhaft. Was hat Sie, der Sie immerauswärts tätig waren, dort gehalten?Loosli: Es stimmt, der Aargau ist meinWohn- und Lebensort geblieben. Hierist es mir wohl. Ich bin da aufgewachsenund habe die Schulen besucht. Zudemist zum einen auch meine Frau eine Aar-gauerin – eine Badenerin, um präzise zusein. Zum anderen ist das Limmattalschon sehr zentral. Man ist schnell über-all, in Zürich, in anderen Städten undauch am Flughafen. Mein Wohnort Wü-renlos liegt ja an der Grenze zum Kan-ton Zürich. Mir ist es wohl im Aargau.

Und Sie, Frau Gentinetta, wie sind Sie zueiner Wahl-Aargauerin geworden?Gentinetta: Man hört mir immer nochan, dass ich im Wallis aufgewachsen bin.Ich kam für das Studium nach Zürich,und es war klar, dass ich nicht mehr insWallis zurückkehre. Nach Lenzburg binich meinem Mann gefolgt. Ich sagte: Bisdorthin, aber keinen Schritt weiter.Dann hatte ich das Glück, währendzehn Jahren erst für die Stadt Aarau undanschliessend für den Kanton tätig zusein. Ich schätze die schöne Altstadt vonLenzburg und die guten Bahn- undStrassenverbindungen.

Sie beide schätzen die guten Verkehrsver-bindungen. Was sonst noch?Gentinetta: Eine Qualität ist die grosseOffenheit des Aargaus. Ich kam als Aus-wärtige in diesen Kanton und konnteauf der Stelle das Forum Schlossplatz inAarau leiten und dann den Kanton andie Expo 02 führen. Es war nicht selbst-verständlich, dass man mir diese Aufga-ben übertragen hat.

Loosli: Der Aargau ist ein sehr vielfälti-ger Kanton. Wir haben sehr verschie-dene Gebiete, die immer wieder durchHügelzüge getrennt sind. Alle Regio-nen sind nach aussen orientiert, dasFricktal Richtung Basel, die Limmat-taler Richtung Zürich, Muri und Um-gebung eher Richtung Luzern. Trotzdieser Vielfalt haben wir es geschafft,eine Einheit hinzubringen. Wir sindauch ein Kanton mit vielen Grenzen,eine davon ist jene mit der EU. Schonwährend meiner Jugendzeit gab es beider BBC viele Grenzgänger, die jedenTag zur Arbeit in die Schweiz gefahrensind.Gentinetta: Die Grenzen sind berei-chernd. Der Aargau betreibt als Kantoneine aktive Aussenpolitik und pflegtsehr intensive Beziehungen mit demsüddeutschen Raum.

Gibt es denn angesichts dieser Vielfalt soetwas wie eine Aargauer Identität, einspezifisches Selbstbewusstsein für diesenKanton?Loosli: Der wirtschaftliche Erfolg inden letzten Jahren hat sicher eine identi-

tätsstiftende Wirkung. Dort, wo inves-tiert wird, gibt es so etwas wie ein ge-meinsames Verständnis. Erfolg schafftgewissermassen Identität.Gentinetta: Die Dynamik, die der Kan-ton unter der Führung der Regierungseit einigen Jahren an den Tag legt, ist inder Tat beeindruckend. Wie stark dieseIdentität ist, ist mir jedoch unklar. Vongrösserer Bedeutung aber ist ohnehindie Offenheit, die die Aargauerinnenund Aargauer an den Tag legen. Viel-leicht gilt: Je geringer die Identität einesKantons ist, desto grösser ist seineOffenheit.

Aber die Menschen in den verschiedenenRegionen leben doch Rücken an Rü-cken. Was hat jemand aus Baden mit je-mandem aus Zofingen gemeinsam?Gentinetta: Dass man nicht dauerndaufeinander fixiert ist, ist gut und hatauch mit der Grösse des Kantons zu tun.Aus der tatsächlichen und bewusstseins-mässigen Distanz ergibt sich ausserdemder Vorteil, dass man voneinander ler-nen kann, dass es verschiedene Wegegibt, um an Probleme heranzugehen.

Der Aargau bildet auch das geografischeScharnier zwischen Zürich, Basel undBern.Loosli: Ja, und er nimmt nach meinerWahrnehmung als Kanton der Agglo-merationen auch eine Vermittlerfunk-tion zwischen den immer wieder be-schworenen Polen Stadt und Land wahr.Gentinetta: Ich würde weiter gehen undsagen, der Aargau hat eine Schritt-macherfunktion. Nehmen Sie die Artund Weise, wie hier Politik gemachtwird. Während in vielen Kantonen im-mer noch departementale Sichtweisenbestimmend sind, dominiert im Aargaueine Gesamtperspektive. Dieser Ansatzist übrigens ein «Exportartikel». An-dere Kantone, unter anderem St. Gal-len, nehmen sich ein Beispiel am Aar-gau. Ausserdem verfügt er über eine derschlanksten Verwaltungen in derSchweiz.

Der Aargau gehört zu den am stärkstenwachsenden Kantonen in der Schweiz.Ist das nicht bloss die Folge davon, dassin den Zentren Zürich und Basel keinPlatz mehr ist?

Loosli: Das ist sicher mit ein Grund,hinzu kommen die zentrale Lage unddadurch die gute Verkehrsanbindung.Wesentlich ist aber die geschickte Stra-tegie, einerseits von den nahen Zentrenzu profitieren, anderseits aber auf eige-nen Beinen zu stehen. Wirtschaft undPolitik sind im Aargau keine Gegen-sätze, im Gegenteil. Die Regierung unddie schlanke Verwaltung leisten aktiveHilfe, wenn sich ein Unternehmen hieransiedeln und entwickeln will. BeiCoop haben wir das bei der Planungund Umsetzung unseres neuen Produk-tions- und Verteilzentrums in Schafis-heim erfahren. Immerhin das momen-tan grösste private Bauprojekt in derSchweiz.

Ist der Aargau also das neue Zug?Loosli: Nein. Der Aargau ist im Gegen-satz zu anderen Kantonen keineswegsdeindustrialisiert. Denn auch Gewerbe,KMU und Dienstleister spielen einewichtige Rolle.Gentinetta: Ich staune immer wieder,wie innovativ und international ausge-richtet die im Aargau ansässigen KMU

Gebürtiger Aargauer: Hansueli Loosli

Page 4: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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AARGAU 5Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

sind. Der richtige Mix aus langfristigemDenken, strategisch ausgerichteterPolitik und aus praktikabler Wirt-schaftsfreundlichkeit: Ich meine, das istdas Rezept für das ErfolgsmodellAargau.

Aber der Preis für den wirtschaftlichenErfolg und das Bevölkerungswachstumist doch eine anhaltende Zersiedelung.Gentinetta: Ich sehe den Aargau dies-bezüglich nicht als Negativbeispiel. Inentsprechenden Ratings schneidet ergut ab. Man hat sich sehr früh Gedan-ken gemacht, wie sich in diesem grossenKanton mit seinen kleinen Zentren derBoden effizient nutzen lässt. Nach dendamals festgelegten Kriterien wird nunauch gehandelt.Loosli: Es ist keine Frage, dass dasgrosse Wachstum auch dazu führt, dassder Kanton grössere Lasten tragenmuss. Der Korridor vom Limmattal biszum Bözberg hat längst nicht mehr denländlich-kleinstädtischen Charaktervon einst. Zudem steigen die Infrastruk-turkosten; das ist wirklich eine Heraus-forderung für die Gemeinden.

Inwiefern spielt für die Dynamik desAargaus die Konkurrenz der traditionel-len Kleinstädte eine Rolle?Gentinetta: Es gibt im Aargau sichernicht dieses Gefälle zwischen Haupt-stadt und Hinterland wie in anderenKantonen, und das führt auch zu einerVielfalt der Ideen.Loosli: Als Mann der Wirtschaft kannich dazu nur sagen, dass dezentral ge-führte Unternehmen erfolgreiche Un-ternehmen sind. So ist wohl auch beieinem Kanton richtig, dass nicht alles aneinem Ort entschieden wird.

Wer hat im Aargau eigentlich politischdas Sagen?Gentinetta: Die Regierung hat einestarke Funktion als Taktgeber. Sie istparteipolitisch und regional ausgewo-gen zusammengesetzt. Zudem richtetsich das Gremium strategisch aus undkann dadurch den Kanton stark prägen.

Ist diese Ausgewogenheit innerhalb desKantons gewollt?Loosli: Das Bewusstsein, dass alle Re-gionen in der Regierung vertreten sein

sollten, ist schon lange da. Es ist für dieBadener und die Umgebung wichtig,dass sie in Aarau durch einen eigenenVertreter in der Exekutive repräsentiertwerden. Dieser Konsens ist nicht er-zwungen, er ist organisch gewachsen.

Immer wieder ist von der Vision dieRede, Aarau und Baden samt ihren Vor-orten zu zwei 80 000 bis 100 000 Ein-wohner zählenden Städten zu machen.Würde das den Aargau stärken?Gentinetta: Eine stärkere Stimme derStädte wäre für die Schweiz sehr gut.Und wenn dort die Aargauer Städtemitwirken, umso besser. Umgekehrt hatder Aargau als Kanton bereits heuteeine starke Stimme.Loosli: Wir haben bereits jetzt gute mit-telgrosse Städte wie Aarau und Baden,die attraktiv und erfolgreich sind. Dochder Druck auf die Gemeinden ausser-halb dieser Städte wird in den nächstenJahren bestimmt nicht kleiner werden.Sie müssen investieren in Schulen, Kin-derbetreuung und Erschliessungen.Hier kann nicht mehr einfach eingezontwerden ohne Blick auf die Folgen. Zu-

oberst auf der Prioritätenliste stehenFusionen für die Stadtregierungen je-doch nicht.Gentinetta: Problematisch ist eher, dassdie geplante Gemeindereform geschei-tert ist. Sie hätte vieles erleichtert.

Doch trotz allen Erfolgsmeldungen wirdder Aargau häufig auf die alten Klischeesreduziert. Vor allem in Zürich . . .Gentinetta: Das ist ein Problem derZürcher.Loosli: Wir müssen das sportlich neh-men. Das ist Wettbewerb. Wenn sienicht über uns sprechen würden, wärenwir niemand.

Aber zumindest von aussen betrachtet,gilt der Aargau doch immer noch eherals bünzlig denn als weltläufig.Gentinetta: Wie gesagt: Es ist die Be-trachtung von aussen. Im übrigen woh-nen mittlerweile so viele Zürcher undBasler im Aargau . . . Auch die immerwieder bemühten Rüebli sind längstnicht mehr das Symbol des Aargaus.Und seit der Expo 02 weiss man, dasswir auch zu Selbstironie fähig sind.

Aber so gross scheint die Offenheit desKantons doch nicht zu sein. Auch derAargau hat die Masseneinwanderungs-initiative der SVP angenommen.Gentinetta: Auch im Kanton Aargauhaben hier die konservativen Kräfte dieOberhand gewonnen. In solchen Fragenwird deutlich, dass dem Kanton einegrosse Stadt fehlt, die – wie in Zürich –die ländlichen Stimmen relativierenkann. Die Bezirke Aarau und Badenhaben die Initiative abgelehnt.Loosli: Für mich spielt der Aargau dieRolle, die die Schweiz in Europa spielenkönnte. Er hat die Funktion einer Dreh-scheibe und eines Leuchtturms. Obwohler eigentlich offen ist, verträgt er dasKonservative gut. Wenn wir dies auf diegesamte Schweiz übertragen könnten,würde dies unser Land sicher stärkermachen.

Geht es darum, sich zu vermarkten, be-müht der Aargau gerne das Selbstbildeines Kulturkantons. Zu Recht? Diegrossen und renommierten Kulturinstitu-tionen finden sich ja vor allem in dengrossen Städten.Gentinetta: Das hat historische Wur-zeln. Ich denke da weniger an die Bur-gen und Schlösser als an die Rolle, dieder Aargau bei der Gründung des Bun-desstaates gespielt hat. Oder die Zeitder Helvetik, als die temporäre Haupt-stadt Aarau kurzzeitig zu den attrak-tivsten Städten der Schweiz gehörte. Indiesem grossen Kanton gibt es ein Netzvon Kulturinstitutionen und Kultur-schaffenden, die viel zur Identität bei-tragen.Loosli: Man kann auch auf die jüngsteVergangenheit Bezug nehmen. Aarauvor zwanzig Jahren und heute: Das istkein Vergleich, da ist viel mehr los, unddas hat nicht nur mit dem Kunsthaus zutun. An dieser Entwicklung sind vieleandere Institutionen beteiligt.

Immer wieder ist von den kulturellenLeuchttürmen des Kantons die Rede, dieeine nationale Ausstrahlung erreichensollen.Gentinetta: Mit dem neuen Kultur-gesetz hat der Aargau klare Kriteriendefiniert für kulturelle Institutionen mitüberregionaler Bedeutung, die vomKanton Betriebsbeiträge erhalten. Die-se Haltung wird vom Volk auch mitge-tragen. Damit hat man in der Kultur-politik wieder einmal einen Pflock ein-geschlagen.

Bisweilen hat man den Eindruck, dieAbsenz ganz grosser Einrichtungen för-dere auch die Experimentierfreude. ZumBeispiel Konzerte in der Umweltarena inSpreitenbach.Loosli: Ja, die Umweltarena ist eingutes Stichwort. Sie zeigt, dass aucheine grosse Offenheit für private Initia-tiven da ist. Während man in Zürichimmer wieder darüber diskutiert, obman nicht einen der kulturellen Leucht-türme aus dem Stadtzentrum ins Lim-mattal verlegen soll, ist in Spreitenbachein massentauglicher Schwerpunkt ent-standen.

Interview: Erich Aschwanden,Paul Schneeberger

«Für mich spielt der Aargau die Rolle,welche die Schweiz in Europa spielen könnte.

Er hat die Funktion einer Drehscheibeund eines Leuchtturms.»

Hansueli Loosli

«Die Dynamik, die der Kanton unterder Führung der Regierung

seit einigen Jahren an den Tag legt,ist in der Tat beeindruckend.»

Katja Gentinetta

Zugezogene Aargauerin: Katja Gentinetta

Page 5: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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AARGAU 7Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

Das WachstumkanalisierenDer Wandel als Konstante im Aargau und wieder Kanton heute damit umgehen will

Paul Schneeberger

Als Agglomerationskanton gehört derAargau zu jenen Ständen der Schweiz,deren Bevölkerung am stärkstenwächst. Zwischen 2010 und 2012 hat ermit einem Plus von 2,6 Prozent bei derständigen Wohnbevölkerung im Ver-gleich mit seinen Nachbarn zusammenmit Zürich hinter Zug den Platz 2 be-legt. Gemäss Prognose des Bundesamtsfür Statistik wird der Aargau in diesemVergleich zwischen 2013 und 2035 aufPlatz 1 vorrücken. Um knapp 50 000Personen oder 7,8 Prozent soll der Kan-ton, der mit heute 636 000 Einwohnernder viertgrösste ist, bis dann wachsen.Grund ist unter anderem das Schwindendes Baulandes in Zentrumskantonen.

In der Mitte des MittellandesEinmal mehr ist der Aargau ein Über-laufbecken. Dazu profitiert er zuneh-mend auch von seiner Lage in der Mittedes Mittellandes. Als Ausgangspunktder Entwicklung, für die mechanisch be-schleunigte Verkehrsmittel eine Voraus-setzung waren, darf die Ansiedlung deselektrotechnischen UnternehmensBBC 1891 in der Kurstadt Baden zwi-schen Zürich und Basel gelten. Sie warauch der Grundstein für die Entwick-lung des Aargaus zum schweizerischenEnergiekanton par excellence. Mehrund mehr gelang es dem heterogenenStaatsgebilde, aus seiner Funktion alsHinterland eigene Wirtschaftskraft zu

schöpfen. Das äussert sich unter ande-rem darin, dass die Pendlerströme zwi-schen dem Aargau und seinen Nachbar-kantonen gemäss den Zahlen des Bun-des zwar zu den grössten des Landes ge-hören, aber längst nicht mehr nur ineine Richtung fliessen. Insgesamt weistder Mittellandkanton mit einem Über-schuss von über 15 Prozent auswärtsArbeitenden allerdings immer noch ei-nen negativen Pendlersaldo aus.

Die Meilensteine, welche die Attrak-tivität des Aargaus als zentral gelegeneAlternative mit einer vernünftigenSteuerpolitik in wirtschaftlicher Hin-sicht deutlich machen, reichen vomeinstigen Zuzug von Teilen der Basler

Chemie vor 50 Jahren ins Fricktal bis zurbevorstehenden Zentralisierung derLogistik von Coop in Schafisheim.

Seine Attraktivität als Wohnkantonschöpfte der Aargau nicht nur aus derTatsache, dass es hier lange einfacherund günstiger war, den Traum von deneigenen vier Wänden auf eigenemGrund und Boden zu realisieren. Mitseiner traditionell geringeren Rege-lungsdichte bot er auch Raum für Expe-rimente. Zum Beispiel in Spreitenbach.Getrieben von einigen wenigen privatenAkteuren, wurde das Dorf zwischen den1950er und den 1970er Jahren zu einemPionier in Sachen konzentrierte vor-städtische Siedlungen und Einkaufszen-

tren. Dass mit der stürmischen Entwick-lung des Grenzdorfes im Limmattal einZuzug von jungen Paaren aus Züricheinherging, wo das Konkubinat verbo-ten war, macht deutlich, dass auch ge-sellschaftliche Freiheiten im Hinterlandhin und wieder grösser sein können.

Stadt des 21. Jahrhunderts?Die heutige Entwicklung stellt den de-zentralen, heterogenen und mittlerweilenicht nur auf Zürich und Basel, sondernauch auf Zug ausgerichteten Aargauvor Herausforderungen. Heute wächstdie Zahl der Einwohner stärker als jeneder Arbeitsplätze. Hier gehe es darum,wieder ein Gleichgewicht herzustellen,sagt der kantonale Baudirektor StephanAttiger, der eine kohärente Siedlungs-und Verkehrspolitik formulieren muss.«Für uns gilt mehr als anderswo, was dieRaumplanung für die Schweiz postu-liert», sagt Attiger: «Wir können nichtmehr in jeder Gemeinde alles machen.»

Künftig würden die Regionen als Ge-meinschaften an Bedeutung gewinnen,die in sich möglichst alle Funktionenvom Wohnen über die Freizeit und denökologischen Ausgleich bis zum Arbei-ten erfüllen sollen. Wachsen soll derKanton vor allem dort, wo er verkehrs-technisch gut erschlossen ist, insbeson-dere entlang der Eisenbahnachsen. Ob-wohl der Aargau im nationalen Indexzur Zersiedelung des Teams um denGeografen Christoph Schwick denzweiten Platz einnimmt, sagt Attiger,

man sei raumplanerisch auf Kurs. Basie-rend auf dem revidierten eidgenössi-schen Gesetz müsse man Bauzonennicht reduzieren, aber umgruppieren.Noch dieses Jahr soll die Revision desRichtplans an das Kantonsparlamentgehen. Absehbar ist, dass die Definitiondes künftigen Siedlungsgebiets zu Aus-einandersetzungen zwischen Gemein-den und Regionen führen wird.

Wie im Siedlungsgebiet soll auch beiden Verkehrswegen das Wachstum ka-nalisiert werden. Strasse und Schienesollen punktuell und wo nötig auch par-allel ausgebaut werden. Koordinationund bessere Verknüpfung der Verkehrs-träger, lautet das Motto. Bei Ausbau-vorhaben soll das Verhältnis von Preis,Leistung und Wirkung genau abgeklärtwerden. Ein prominentes Opfer hateine solche Analyse 2013 bereits gefor-dert: Die Regierung verzichtet darauf,einen Umfahrungstunnel für Badenweiter zu verfolgen, da der dort erwar-tete Verkehr nicht zügig auf die Auto-bahn abfliessen könnte. Nun werdengrossräumigere Lösungen geprüft.

Wohin wird dieses präzisere Ma-nagement von Siedlung und Verkehrführen? Wird der Aargau zu einer Artdezentraler Stadt des 21. Jahrhunderts?Attiger möchte diesen Begriff vermei-den: «Wir werden baulich ein Kantonmit Regionen von unterschiedlichemCharakter bleiben. Und oberstes Zielwird es bleiben, die Qualität zu erhal-ten, dass man von jedem Haus aus zuFuss in zehn Minuten im Grünen ist.»

Die Aare und ihr Gau: Flussläufe, viel Grün, aber auch zerstreute Siedlungen und Kraftwerke prägen den Mittellandkanton, hier bei Klingnau.

Page 6: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

8 AARGAU Sonderbeilage ^ 16. April 2014Neuö Zürcör Zäitung

SonderfallAus topografischen Gründeneine Kleinstadt geblieben –das, was echte Urbanität ausmacht:Weltoffenheit und kreatives

Badener Perspektiven(von links oben): Musseauf dem Schlossbergplatz,Langsamverkehr aufder Holzbrücke . . .

. . . Berufsschüler imehemaligen BBC-Gemein-schaftshaus, Nachwuchsunterwegs im altenFriedhof.

Page 7: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

AARGAU 9Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

Sonderfall BadenGründen ist Baden

– doch es hatausmacht:

eatives Flair.

Dorothee Vögeli

Vor den Fenstern des Schnellzugs zie-hen schemenhaft die Ansammlungenvon Lagerhallen und Wohnblöcken desLimmattals vorbei, ab und zu glitzertder Fluss – und schon ist das Ziel er-reicht; nur gerade eine Viertelstundedauert heute die Fahrt auf der ältestenEisenbahnstrecke der Schweiz von Zü-rich nach Baden. Erhalten geblieben istdas ländliche Bahnhofsgebäude von1847. Sonst wirkt hier Baden städtisch.Auf den von Bürogebäuden flankiertenBusstationen beidseits der Gleiseherrscht reges Treiben, im unterirdi-schen Metro-Shop drängen sich dieMenschen in Richtung Fussgängerzoneoder auf dem Weg von der Arbeit nachHause in die Aussenquartiere undNachbargemeinden. Denn der einstigeIndustriestandort mit seinen 18 500Einwohnern bietet 26 000 Arbeitsplät-ze – das sind weit mehr als in Zeiten derBrown Boveri & Co. (BBC).

Baden liegt ziemlich genau zwischenZürich und Aarau – ist aber wedertypisch zürcherisch noch aargauisch:Trotz seiner über 2000-jährigen Ge-schichte, während deren es auch auf dempolitischen Parkett immer wieder einewichtige Rolle spielte, trotz seiner Welt-offenheit, seinem reichen Kulturangebotund seiner erstaunlichen Dichte an guterArchitektur ist Baden im Unterschied zuZürich eine überschaubare Kleinstadtgeblieben. Gleichzeitig schwimmt Ba-den bei kantonalen Abstimmungen oftgegen den Strom, und im Vergleich zuden anderen Aargauer Gemeindenweist es am wenigsten Autos pro Ein-wohner auf. Baden hat die einzige Stadt-regierung im Kanton mit einer links-grü-nen Mehrheit und stellt mit NationalratGeri Müller den ersten grünen Stadt-ammann. Die Zusammenarbeit mit denbürgerlichen Kollegen funktioniert gut –ebenso mit dem bürgerlichen Einwoh-nerrat, der gegen ideologische Graben-kämpfe weitgehend immun ist.

Wald in FussdistanzBaden ist eine Stadt mit einem Hang zurSelbstinszenierung und zur grossenGeste – nicht zuletzt auch aus topografi-schen Gründen. So geht der Bahnhofs-platz in eine Aussichtsplattform über,von der aus sich die spektakuläre Lagebestens erschliesst. In den felsigen, vonder Ruine Stein überragten Steilwändender Klus thront die mittelalterliche Alt-stadt. Flussabwärts befinden sich die be-reits von den Römern genutzten Ther-malquellen, die der Stadt ihren Namengaben und sie später zu einem mondä-nen Treffpunkt für Badegäste aus ganzEuropa machten. Nach jahrzehntelan-gem Dämmerzustand soll hier ein vonMario Botta projektiertes Bad eineWende einläuten – das Projekt harrtallerdings noch der Verwirklichung, für

Sand im Getriebe sorgt der damit ver-knüpfte Umbau des Hotels Verenahof.

Auf der anderen Seite der Limmatziehen sich Wettingen und Ennetbadendie mit Reben und Wäldern bewachse-nen Hänge hinauf, auch in Baden reichtder Wald weit ins Siedlungsgebiet hin-ein; er bedeckt über die Hälfte des Ge-meindegebiets – und ist vom Zentruminnert Kürze zu Fuss erreichbar. Es ver-wundert deshalb nicht, dass mancheBadener auf die Frage nach ihrem Lieb-lingsort den Wald samt seinen vielenAussichtspunkten nennen. Eine Inspi-rationsquelle war er auch für den Natur-forscher und LSD-Entdecker AlbertHofmann (1906–2008), der seinem Ge-burtsort Baden stets verbunden blieb.An einem Maimorgen auf dem Martins-berg habe er «in einem Augenblick dieganze Herrlichkeit dieser Welt erlebt»,notierte er in seinen Erinnerungen andie Jugendzeit.

Von der Terrasse über der Limmataus gäbe es nun verschiedene interes-sante Wege einzuschlagen: etwa mitdem Lift hinunter an den Fluss; oderdurch die erste Fussgängerzone derSchweiz, durch die sich bis in die 1960erJahre der Verkehr von Zürich nachBasel zwängte, mitten ins Herz des eins-tigen Tagsatzungsorts. Doch wir wen-den uns in Richtung Baden Nord. Derheutige Standort der StromkonzerneABB, Alstom und Axpo war die Wiegedes einst weltumspannenden Unterneh-mens BBC. Nahe beim Bahnhof war dasmit einer Barriere versehene Hauptpor-tal der «Verbotenen Stadt», durch dasmorgens und abends die Arbeitermas-sen strömten. Heute erstreckt sich hierein mit Autos verstellter Platz, denBadens wichtigster Trafo, das ehemaligeHochspannungslabor, markiert. Derturmartige Eckbau des BBC-Hausar-chitekten Roland Rohn bildet die Hülledes 2002 eingeweihten Stadtsaals. Zuverdanken haben ihn die Badener einerfinanztechnisch glücklichen Fügung:Weil die Stadtcasino AG eine A-Lizenzerhielt, expandierte sie mit dem Spiel-betrieb in ihrem Kursaal von 1875. AlsGegenleistung übernahm sie Investi-tionsbeiträge an den Umbau des Hoch-spannungslabors zum hochmodernenStadtsaal. Dessen Eingang erschliesstgleichzeitig einen Neubau mit neon-farbenen Leuchtkasten – Badens Multi-plexkino. Das Ensemble soll künftig Be-standteil eines Tagungs- und Kongress-zentrums für gegen 3000 Gäste sein:Momentan werden die angrenzendenBauten aufgestockt und zu einem einzi-gen Gebäuderiegel, bestehend aus Ver-anstaltungshallen, einem Hotel sowieWohnungen umgebaut.

Die Verdichtung und Umgestaltungwird hier – wie auch an anderen Stellenvon Baden Nord (Artikel unten) – wei-tergehen: Die Behörden möchten denPlatz beim Stadtsaal zu Badens zentra-lem Begegnungs- und Veranstaltungs-

ort unter freiem Himmel umwandeln.Das Projekt ist aber noch nicht unterDach und Fach. Auch das ausgesteckteBürohochhaus von Alstom, das diesesbereits stark verdichtete Gebiet prägenwird, ist noch nicht bewilligt; Einspra-chen sind hängig. Stadtammann GeriMüller ist aber optimistisch: «Wir wer-den bestimmt eine Lösung finden.»

Viele EigeninitiativenWie seine bürgerlichen Vorgänger ar-beitet Müller am Wirtschaftsstandortweiter. Froh ist er, dass die kriselndeElektrobranche nicht nur in BadenNord, sondern auch in den aufstreben-den Aussenquartieren wie Dättwil neueGeschäftsfelder entwickelt. Badens Fi-nanzlage ist deshalb nach wie vor sehrkomfortabel, der Steuerertrag pro Per-son liegt bei über 5000 Franken. ImHinblick auf sinkende Erträge budge-tiert die Stadt jedoch vorsichtiger. «Mankann den Rucksack nicht unendlich fül-len, sondern muss fragen, was wirklichnötig ist», sagt Müller. Grosse Investi-tionen stehen in der Schulraumplanungund bei den Verkehrsinfrastrukturen an– auch im Hinblick auf die Wachstums-ziele sind solche unabdingbar: Badenrechnet bis 2035 mit 4000 zusätzlichenEinwohnern. Langfristig will der Bade-ner Stadtammann auf eine Fusion mitden Gemeinden im Ostaargau hin ar-beiten: «Mit weniger Grenzen habenwir viel mehr Freiheit und Mitbestim-mungsmöglichkeiten, um die Siedlungs-und Verkehrsentwicklung zu steuern.»Gleichzeitig will er «in die Bevölkerunginvestieren», in partizipative Quartier-entwicklungen an den Rändern derStadt. Seine Vision ist, dass es dereinstüberhaupt keine Aussenquartiere mehrgibt, sondern nur noch ein verdichtetesZentrum mit vielfältigen Freiräumen.

Baden ist diese integrative Kraft zu-zutrauen. Denn zum oft genannten Ba-dener Geist gehört Toleranz gegenüberanderen Lebensentwürfen, Vorliebenund Bedürfnissen. Auch Minoritäten-programme haben Platz, und weil dar-über ein unausgesprochener Konsensherrscht, sind Eigeninitiativen aus derBevölkerung zahlreich – und sie führenhäufig zum Ziel. So hat Baden schonlange eine Tagesschule, und es leistetsich auserlesene Kulturangebote, diesonst nur in Grossstädten zu findensind. Genauso begeistert schöpft dieBevölkerung aus dem traditionellenFundus; in den Vereinen ist jedermannwillkommen. Insofern erstaunt nicht,dass Baden trotz einem Ausländeranteilvon 26 Prozent und vielen englischspre-chenden Fachkräften aus aller Welt keinExpat-Problem hat. Der augenfälligsteBeweis ist die «Badenfahrt», das mitAbstand grösste Volksfest im Kanton.Die Bewohner gestalten es weitgehendselber – und nutzen das hier geballtetechnische und kreative Wissen.

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«Chance Baden Nord» – Vision und WirklichkeitDorothee Vögeli ^ Sie waren zwei tech-nikversessene Jungunternehmer, derEngländer Charles Brown und der Deut-sche Walter Boveri. 1891 gründeten siedie BBC. Innert Kürze entstanden aufdem 22 Hektaren grossen Haselfeld zwi-schen Altstadt und Bäderquartier dieersten Industriehallen (Trafos), in denenGas- und Dampfturbinen, Lokomotivenund elektrische Schaltanlagen produ-ziert wurden. Die rasant wachsendeFabrikstadt bescherte Baden auch in denKriegsjahren Wohlstand. In den 1960erJahren legte die BBC nochmals kräftigzu, das für Fremdarbeiter errichteteBarackendorf im Quartier Brisgi wurdedurch eine «Gastarbeiter-City» mitHochhäusern, Bocciabahnen und Ein-kaufsmöglichkeiten ersetzt. Mit derzweiten Ölkrise von 1978 wendete sichdas Blatt. Neun Jahre später gab derKonzern die Fusion mit der schwedi-schen Asea zur ABB bekannt.

Für die Stadt Baden war damit dasSchreckensszenario bröckelnder Indus-triehallen und wirtschaftlichen Nieder-gangs verbunden. Doch es kam anders:Edwin Somm, damaliger CEO von ABBSchweiz, ergriff die Initiative für dasKonzept «Chance Baden Nord 2005».Zusammen mit den Stadtbehörden, allenvoran der bis 2005 amtierende Stadt-ammann Josef Bürge, entwickelte er die

Vision einer «wirtschaftlichen Ökostadt»mit Bildungsangeboten, hochwertigenArbeitsplätzen und Wohnungen. 1994verabschiedete das Parlament einen ent-sprechenden Entwicklungsrichtplan(ERP). Kurze Zeit später war dieser je-doch bereits Makulatur: ABB entschied,Baden weiter als Engineering-Standortzu nutzen, und meldete zusätzlichenRaumbedarf an. Die Behörden nahmenden Ball auf, schufen im ERP Möglich-keiten für neue Arbeitsplätze in derMitte des Areals und verschoben dieWohnungen an die Ränder, wie RolfWegmann, Leiter der städtischen Ent-wicklungsplanung, ausführt. In BadenNord kam es zu einem Schub, Hallenwurden abgebrochen, einige Gebäudestehen unter Schutz und sind umgenutzt.

Aufgrund der Bedürfnisse vor allemvon Alstom folgten 2009 die dritte ERP-Überarbeitung sowie eine Teilrevisionder Bau- und Nutzungsordnung. Ermög-licht wurde so eine weitere Nachverdich-tung, die auch Bürohochhäuser umfasst.– Trotz dem Wandel zur Dienstleistungs-stadt ist Somms Vision wenigstens imnördlichen Teil des BBC-Areals Wirk-lichkeit geworden. Am Fuss des Martins-bergs ist die ganze Bandbreite gesell-schaftlichen Lebens präsent: Hier wirdgearbeitet und gelernt, das Nachtlebengenossen und bald auch gewohnt. Hier

produziert die ABB Turbo Systems AGAbgasturbolader für Schiffe und Kraft-werke. An der benachbarten Berufsfach-schule lassen sich über 2000 Lernende zuAutomechanikern, Coiffeusen oder Elek-tronikern ausbilden. Gleich um die Eckeliegen das Veranstaltungslokal Nordpor-tal und die als Jugendlokal vorgesehenealte Schmiede – oben, in Hanglage, sindzwei 12-stöckige Wohntürme im Bau.

Zu verdanken ist diese Mischung demMut und der Grosszügigkeit der öffent-lichen Hand: Ohne Wimpernzucken be-willigte das Stimmvolk den für einJugendlokal stolzen Kredit von 6,8 Mil-lionen Franken. Auch die 110 MillionenFranken zur Vorfinanzierung der Berufs-fachschule BBB waren unumstritten.Damit war die Bahn frei für das 2006 ein-geweihte «modernste Schulhaus Euro-pas» und die Umnutzung des BBC-Ge-meinschaftshauses. Dieses liessen die Fa-brikherren 1952/53 für die Geselligkeitihrer über 10 000 Arbeiter bauen. Dasauf 10 Meter hohen Betonstützen thro-nende Gebäude konzipierte Armin Mei-li, einer von vielen Architekten, die hierSpuren hinterliessen. In diese Reihe fügtsich Karl Moser ein, der Erbauer vonSidney und Jenny Browns Villa, heutedas Museum Langmatt. Dessen Impres-sionistensammlung zeugt von den kultu-rellen Prägungen der BBC-Gründer.

Page 8: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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Birr

NZZ-INFOGRAFIK / efl.20 Kilometer

Transitachsen

10 AARGAU Sonderbeilage ^ 16. April 2014Neuö Zürcör Zäitung

Logistik-Hirn im GrünenDer Aargau ist im Logistikgeschäft nicht nur eine physische Drehscheibe, sondernauch Sitz von Unternehmen mit Vordenkerfunktion – ein Beispiel aus dem Seetal.

Paul Schneeberger

Die Schweiz liegt mitten in Europa undder Aargau mitten im Schweizer Mittel-land. Was Wunder, dass der Kanton ander Schnittstelle der internationalenNord-Süd-Achse und der nationalenOst-West-Achse von seiner Verkehrs-gunst profitiert. Unter anderem deswe-gen verlegte in den 1930er Jahren Möbel-Pfister den Verteilzentrum-Hauptsitzvon Basel nach Suhr. Und unter ande-rem deshalb wurde der Aargau seit demAufkommen der Strasse als Hauptver-kehrsträger zusammen mit dem Nach-barkanton Solothurn zum dezentralenLogistik-Hub im Schweizer Mittelland.

Huckepack-ErfinderEs ist daher nicht zufällig, dass der lau-teste unter den Aargauer Bundesparla-mentariern der TransportunternehmerUlrich Giezendanner ist. Und nicht er-staunlich ist es, dass drei von sieben Ter-minals, in die Züge des kombiniertenImportverkehrs in der Schweiz münden,auf Aargauer Boden liegen: in derHauptstadt Aarau, in Rekingen amRhein und in Birr. Als Schnittstelle zwi-schen Schiene und Strasse verkehrs-technisch am besten gelegen ist der Ter-minal in Birr: Er liegt an der Nord-Süd-Güterachse der Bahn und nicht vielmehr als einen Steinwurf von der Ost-West-Autobahn 1 entfernt.

Errichtet hatte ihn 1979 die BertschiAG, jenes Transportunternehmen ausdem Aargauer Seetal, das sich innertzwei Generationen von einem lokalenAllrounder zu einem auf Chemietrans-porte spezialisierten Global Playermauserte. Doch der Reihe nach: 1956gründete Hans Bertschi in Dürrenäsch,dem Dorf auf der Wasserscheide zwi-schen dem See- und dem Wynental, einTransportunternehmen. Schon sein Va-ter und Grossvater hatten nicht nurihren Bauernbetrieb bewirtschaftet,sondern waren auch Camionneure.

Hans Bertschi hatte eine gute Nase,wie sein Sohn Hans-Jörg, der heutigePatron, in seinem schlichten Büro amunprätentiösen Firmensitz erzählt. InKleindöttingen entdeckte er die Nische,die das Startup-Unternehmen von annodazumal gross machen sollte. Dort liesssich die Firma Novopan für die Produk-tion von Spanplatten Leim in flüssigerForm anliefern. Bertschi senior witterteseine Chance und empfahl sich dem Lie-feranten dieses Stoffs, der deutschenChemiefirma BASF. Sein Werben warerfolgreich, und ab 1959 war er miteinem ersten Lastenzug im Geschäft.

Mittlerweile ist aus dem Zwei-Perso-nen-Betrieb von anno dazumal ein glo-bal tätiges Unternehmen geworden, dasin 27 Ländern von den USA bis nachChina 20 000 Container verschiebt,

2200 Personen beschäftigt und pro Jahrüber 600 Millionen Franken umsetzt.Rund 500 Bertschi-Mitarbeiter sind imAargau tätig, die meisten davon in Dür-renäsch. Das 1200-Seelen-Dorf im Grü-nen ist nicht nur Sitz von Unterneh-mensleitung und IT-Entwicklung, son-dern auch operativer «Kopf» des welt-weiten Netzwerks, von der Dispositionder Sendungen bis zur Fakturierung.

Hans-Jörg Bertschi strahlt nichts vonder Grobschlächtigkeit aus, die man mitder Transport- und Logistikbranche inVerbindung bringt. Im Gegenteil: Erwirkt äusserst agil, seinem aufmerksa-men Blick entgeht nichts, und er sprichtleise. Der 56-Jährige ist Ökonom undschloss seine Studien an der UniversitätSt. Gallen mit einer Dissertation zumalpenquerenden Verkehr ab, in der erden volkswirtschaftlichen Nutzen einersinnvollen Arbeitsteilung zwischenSchiene und Strasse quantifizierte. Die-ses Thema war nicht zufällig gewählt.1964 hatte sein Vater die SBB dazu ge-

bracht, ihr Njet gegenüber der Idee auf-zugeben, Lastwagen per Bahn über denGotthard zu transportieren: Der kombi-nierte Verkehr war geboren. Anstossdafür hatten die gesperrten Passstrassenim Winterhalbjahr gegeben.

Mit der Konzentration auf komplexeTransporte und kombinierten Verkehrzwischen Schiene und Strasse war dieVoraussetzung dafür geschaffen, dasssich die zu Hause mit vergleichsweisehohen Kosten operierende Bertschi AGinternational etablieren und ihre Exis-tenz sichern konnte. Im blossen Stras-sentransport gewöhnlicher Güter wäreihre Existenz früher oder später aufdem Spiel gestanden. Längst haben hierin einem Wettbewerb, der internationalüber die Löhne der Chauffeure ausge-tragen wird, Unternehmen die Nasevorn, die von Osteuropa aus operieren.

Bei der Bertschi AG stehen die Zei-chen weiter auf Expansion: Die Wirt-schaftskrise 2008 hatte sie bewogen,nach Asien zu expandieren. Im Gegen-satz zu Europa wachse der Transportvon Chemikalien im fernen Osten wei-

ter. Bertschi geht davon aus, dass bis insechs Jahren 70 Prozent aller neuenChemiefabriken in Asien gebaut wer-den. Westeuropa belegt in dieser Rang-liste mit 1 Prozent den letzten Platz.

Attraktiver als RotterdamAus dem Engagement von Hans Bert-schi für den kombinierten Verkehr ging1967 die Gründung der Hupac AG mitSitz an der Schnittstelle der KulturenNord- und Südeuropas in Chiasso her-vor. Dieses Unternehmen im Besitz vonmehreren Transporteuren und Bahnenwird von Hans-Jörg Bertschi präsidiert.Die Hupac ist Marktführer im alpen-querenden kombinierten Verkehr undhält seit 2010 ein Viertel der Anteile ander SBB Cargo International. Bis heuteist sie strategische und operative Schritt-macherin bei der Umsetzung der seitden 1990er Jahren ökologisch unter-mauerten schweizerischen Verlage-rungspolitik. Die Hupac realisiert nichtnur Terminals in Norditalien, sondernengagiert sich auch stark für den Aus-bau der Bahnzufahrten dorthin.

Und der Aargau? Welche Bedeutunghat der Kanton, in dem Bertschis unddie Bertschi AG ihre Wurzeln haben,heute noch für das Unternehmen? Ent-scheidend sei die Konkurrenzfähigkeit,sagt Hans-Jörg Bertschi. Eben ist hierein Erweiterungsbau fertig geworden;im Asiengeschäft vermochte sich Dür-renäsch als Backoffice gegen Rotterdamdurchzusetzen, wo das Unternehmeneine Firma übernommen hatte. Dieinterkulturelle Kompetenz existierehier wie dort, aber die auf unserem dua-len System basierende Qualifikationvieler Angestellter sei ein klarer Trumpfder Schweiz, bilanziert der Patron.

Auch ein innerkantonaler Umzugdes Hauptsitzes, wie darüber vor Jahrendiskutiert wurde, ist kein Thema mehr.Und das, obwohl Dürrenäsch anders alsdas damals evaluierte Birrfeld fern derAutobahn liegt. Dieser Vorteil sei mitt-lerweile der vielen Staus wegen auch einNachteil, sagt Bertschi. Und so wohnenjene, die Sendungen von Dallas bisSchanghai disponieren und Rechnun-gen dafür ausstellen, in einem Halbkreiszwischen Langenthal und Vororten vonLuzern und Zürich. Antizyklisch pen-deln sie von der (Vor-)Stadt aufs Land.Hans-Jörg Bertschi ist auch privat Dür-renäsch treu geblieben. Beim Abschiederzählt er von Steuerberatern, die ihmeinen Umzug hätten schmackhaft ma-chen wollen. Er ist ihrem Rat nicht ge-folgt. Er sei hier gross geworden undsehe keinen Sinn darin, sein Domizilallein Steuervorteilen wegen aufzuge-ben, sagt er. Und so bleibt das Dorf mit-ten im Aargau, mitten in der Schweiznicht nur Standort der Bertschi AG,sondern auch Wohnsitz ihres Patrons.

Salz auf der HautDas «weisse Gold» hat Rheinfelden Reichtum gebracht.Heute ist das «Sole Uno» ein beliebtes Freizeitvergnügen.

Daniel Gerny

Zum Durchbruch kam es am 30. Mai1836 in Muttenz, einem kleinen Basel-bieter Dorf in der Nähe von Rheinfel-den. An diesem Tag stiess ChristianFriedrich Glenck, ein Jurist und Bohr-spezialist aus Schwäbisch Hall, aufeinen Bodenschatz von unermesslichemWert: Salz. Salz galt während Jahrhun-derten als Kostbarkeit erster Güte, alsSymbol für Wohlstand, Leben und Ge-sundheit. Bis heute ist es deshalbBrauch, den Bewohnern beim Einzug inein neues Haus mit Brot und Salz Glückund Erfolg zu wünschen. Auch fürRheinfelden begann mit der Entde-ckung der 200 Millionen Jahre altenSalzvorkommen tief im Boden ein wirt-schaftlicher Aufschwung und eine Epo-che voller Wohlstand und internationa-lem Ruhm als Kur- und Bäderstadt.Man sprach vom «weissen Gold».

Wie im Toten MeerAn einem Abend 178 Jahre nachGlencks Entdeckung liegt das Feier-abend-Publikum aus der Nordwest-schweiz im Salzbad, genauer: in einerMischung aus unterirdisch via Pipelineangelieferter Natursole aus dem Rhein-felder Gestein und aus Trinkwasser.Zwölf Prozent Salz (Mittelmeer: dreiProzent) enthält die Lösung, so dass dieGäste in der fast mystisch anmutendenund in rotes Licht getauchten unterirdi-schen Betonhalle entspannt auf demwarmen Wasser schweben wie im TotenMeer. Unterirdisch werden leise sphäri-sche Klänge eingespielt, die zusätzlichzur Beruhigung beitragen. Das Intensiv-Solbecken gehört zu den Highlights derBäder- und Wellness-Landschaft «SoleUno», in welcher die traditionelle Heil-wirkung des Salzes geschickt mit zeit-gemässem Wellness-Feeling kombiniertwird. Eine halbe Millionen Besucherverzeichnet das «Sole Uno» pro Jahr,wie Geschäftsführer Thomas Kirchho-fer erklärt.

Die Kunde von Glencks Salzfund inder Mitte des vorletzten Jahrhundertsschlug in halb Europa ein wie eineBombe und machte aus dem kleinenZähringer Städtchen Rheinfelden inden folgenden Jahrzehnten ein Mekkafür Kurgäste mit Rheuma-, Nerven- undanderen Leiden. Die Rheinfelder wuss-ten ihren Bodenschatz zu nutzen undmachten eifrig Werbung. Die noble Ge-sellschaft aus den grossen Städten derWelt reiste zur Jahrhundertwende derGesundheit (und dem allgemeinenWohlergehen) zuliebe gerne nachRheinfelden, um im pittoresk amRheinufer gelegenen Grand Hotel desSalines au Parc zu kuren. Zeitweise be-stand gar eine direkte Zugverbindungzwischen Rheinfelden und Paris – ohne

Halt in Basel, wie Kirchhofer nicht ohneStolz anmerkt. Mit Wellness als Ge-meinschaftserlebnis hatte die damaligeBäderkultur allerdings weniger zu tun.Stattdessen zogen es die Gäste vor, sichihre Sole direkt in die Badewanne derluxuriösen Hotelzimmer einzulassen.

Warmes Wasser dank SalzHeute steht für die meisten Besuchernicht mehr die Heilkraft der Sole imVordergrund, wenngleich medizinischeLeistungen noch immer fast einen Drit-tel des Umsatzes der Parkresort Rhein-felden Holding AG ausmachen, zu derdas «Sole Uno» gehört. Dafür hat dasBedürfnis nach Entspannung vom All-tagsstress Rheinfelden als Bäderstadtwieder ins Bewusstsein gerückt. In denletzten 15 Jahren wurde das «Sole Uno»von Grund auf neu konzipiert und ge-baut. Nun finden sich dort neben demklassischen Solbad eine Auswahl anSaunen, Dampf- und Sprudelbädern,Duschen, Hamam-Einrichtungen. DieKundschaft ist heterogen: Jugendliche,die sich vor der Party Entspannung gön-nen, Familien beim Sonntagsvergnügen,Patienten, die nach einer Operation aufeine Kur im klassischen Sinn angewie-sen sind, und Senioren beim Vormit-tags-Bad: Es ist das ganze Spektrumvertreten. Man schätzt das besondereGefühl von Salz auf der Haut.

Wie weitreichend seine Entdeckungwar, konnte Glenck indessen kaum ab-schätzen, als er 1836 über seine Ent-

deckung in Jubel ausbrach. Die Bäder-kultur war nur eine Folge seines Fundes.In Schweizerhalle (dessen Name «Hal-le» auf einen alten Begriff für Saline zu-rückzuführen ist) wuchs nicht zuletztdank den Salzvorkommen ein neuarti-ger Wirtschaftszweig heran – die chemi-sche Industrie. Und die charakteristi-schen Salz-Bohrtürme aus Holz stehenbis heute für die Bedeutung Rheinfel-dens für die Salzversorgung des Landes.Selbst wo es nicht zu vermuten wäre,spielt Salz in Rheinfelden eine Rolle:Die angenehmen 30 bis 35 Grad, auf diedie Bäder im «Sole Uno» aufgeheiztsind, sind auf Salz zurückzuführen: aufdie Abwärme, die entsteht, wenn ausSole Streusalz hergestellt wird.

«Es gab eine direkteZugverbindung

zwischen Rheinfeldenund Paris.»

Page 9: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

Stausee

Klingnau

NZZ-INFOGRAFIK / cke.1,5 Kilometer

DEUTSCHLAND

KernkraftwerkLeibstadt

KernkraftwerkBeznau

KraftwerkKlingnau

Koblenz

Klingnau

Kleindöttingen

BöttsteinAare

Rhein

DöttingenDöttingen

AARGAU 11Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

KünstlichesVogelreich

Der Klingnauer Stausee liegtmitten in einer AargauerIndustrielandschaft. Trotzdemhat er sich zu einem einzigarti-gen Biotop entwickelt.

Markus Hofmann

Leicht vergisst man, wo man sich eigent-lich befindet. Zum Beispiel dann, wennman zwischen Silberweiden hindurcheinen Weiher vor sich schimmern sieht,von dem sich gerade fünf Graureihermit langsamen Flügelschlägen erhebenund kreisend über den Baumwipfeln ab-ziehen. Irgendwo auf einem von Efeuumrankten Baum wiederholt die Sing-drossel ihre Strophen, eine Sumpfmeiseschimpft im vorfrühlingshaften undnoch wenig begrünten Gehölz, und ner-vös flattern zwei Schwanzmeisen vonAst zu Ast. Neben ihnen pickt ein Klei-ber auf und ab kletternd die Baumrindenach Fressbarem ab. Dann hohe Pfiffe:Ein Eisvogel schnellt wie aus demNichts hervor und fliegt pfeilgeradeknapp über der Wasseroberfläche ansgegenüberliegende Ufer. Von einemSonnenstrahl beschienen, blitzt seinknallblauer Rücken über dem schlam-migen Tümpel auf.

In der Idylle des Auenwaldes beiKoblenz wähnt man sich fernab allerSiedlungen. Bis man nach Osten blickt.Die Dampfsäule des AKW Leibstadtwuchtet sich in den Himmel, und nur einpaar wenige Kilometer Aare-aufwärtsbefindet sich das AKW Beznau. Drehtman dem Wald den Rücken zu, schautman auf einen Wasserfall, der sich auseinem gestauten See in die Aare er-giesst. Die Schleusen und Gebäude desKraftwerks Klingnau versperren denHorizont in Richtung Süden. Dann ver-nimmt man wieder das Brummen desnahen Strassenverkehrs, das vom Ge-schrei der Lach- und Mittelmeermöwendurchbrochen wird.

Zwischenlandung der ZugvögelDas Vogelparadies des KlingnauerStausees, das Ornithologen über dieLandesgrenze hinaus ein Begriff ist, be-findet sich mitten in einer Industrie-landschaft. Eingriffe des Menschenprägten seinen heutigen Charakter. Frü-her lag hier eine Auenlandschaft mitKiesbänken, die den Launen einer mä-andrierenden Aare unterworfen waren.Kleine Teile der ursprünglichen Land-schaft hat man wieder aufleben lassen.Und vielleicht wird die Natur in dennächsten Jahren noch weitere Gebietezurückerobern dürfen.

Im 19. Jahrhundert begann die Um-gestaltung des Gebiets zwischen Döttin-gen und Koblenz. Damals trat im unte-ren Aaretal der Fluss immer wiederüber die Ufer, ertränkte Land undErnte der Bauern und spülte Schlammin die Keller der Siedlungen. Der Grundfür die Überschwemmungen lag in denEinzugsgebieten der Aare. Weil dortder Wald grossflächig abgeholzt worden

war, wurde das Wasser bei Gewitternnicht mehr zurückgehalten und strömtekaum gehindert hinab ins Mittelland. Inden 1870er Jahren hatten die Aargauergenug. Ihr Regierungsrat beschloss, denFluss bei Klingnau in die Schranken zuweisen. Zwischen 1886 und 1906 wurdemit Unterstützung des Bundes die Aarebegradigt und kanalisiert. Der Fluss warberuhigt, und die Bauern gewannenneues Land.

Bald warf man einen begierigenBlick auf die Kräfte des Wassers, das un-genutzt vorbeiströmte. 1929 wurde des-halb die Gesellschaft Aarewerk AG ge-gründet, und 1931 begannen die Bau-arbeiten an der Staumauer und amKraftwerk, das vier Jahre später den Be-trieb aufnahm. Naturschützer hatten zu-vor Kritik an der Stauung des Flussesgeübt. Sie sahen eine artenreiche Land-schaft in den Wassermassen unter-gehen. Ihre Befürchtungen trafen zu.Die Schweiz verlor eine weitere Auen-landschaft (zwischen 1850 und heute istdie Schweiz 70 Prozent ihrer Auen ver-lustig gegangen). Doch der künstlicheSee entwickelte sich zu einem ausser-

gewöhnlichen Biotop. Im intensiv ge-nutzten Mittelland bietet er insbeson-dere vielen Zugvögeln einen willkom-menen Rastplatz. Bereits im Winter1938 überwinterten über 6000 Enten amStausee. 1988 wurde ein Schutzdekreterlassen, und 1991 wurden Teile des Ge-biets zum Wasser- und Zugvogelreser-vat von internationaler und nationalerBedeutung erhoben. Die Auen-Resterund um den Stausee gehören zudemzum kantonalen Auenschutzpark, dendie Aargauer 1993 in der Kantonsver-fassung verankerten.

Der Klingnauer Stausee hat sich zueinem der besten Orte für die Vogel-beobachtung in der Schweiz gemausert.Eine Exkursion während der Zeiten desVogelzugs im Frühling oder Herbst ent-lang des Seeufers gehört zum Pro-gramm vieler «Birder». Insgesamt wur-den hier über 310 verschiedene Vogel-arten gezählt. Im Internet werden dietäglichen Beobachtungen akkurat auf-gelistet (www.klingnauerstausee.ch).

Da der See mit den Jahren zuneh-mend verlandet, haben sich Schlickflä-chen gebildet, die Watvögel anziehen.

Und das Schilf konnte sich so ausbrei-ten, wie dies in der Schweiz anderswokaum mehr möglich ist. Das Röhrichtbietet dem Rohrschwirl, der Rohrdom-mel, dem Drosselrohrsänger und ande-ren Schilfbewohnern Unterschlupf.Auch andere Tiere fühlen sich wohl –wie zum Beispiel die Biber. Mit ihrendreckigen Pfoten hinterlassen sie Spu-ren auf dem asphaltierten Gehweg, derum den Stausee führt. Angenagte undgefällte Bäume säumen das Ufer.

Umstrittene MassnahmenIn den kommenden Monaten stehennun wichtige Weichenstellungen für denKlingnauer Stausee und seinen Natur-reichtum an. Das Wasserkraftwerk wirdneu konzessioniert, und damit werdendie ökologischen Ausgleichsmassnah-men zum Thema. Kathrin Hochuli, Ge-schäftsführerin von Birdlife Aargau,dem Verband der aargauischen Natur-und Vogelschutzvereine, steht auf demBeobachtungsturm am linken Ufer desStausees und blickt auf die kreisförmi-gen Schilfflächen in der Mitte des Ge-

wässers. «Entscheidend ist, dass auch inZukunft die gegenwärtige Vielfalt er-halten bleibt», sagt sie. Überliesse manden Stausee seinem Schicksal, würdewegen der Auflandung und der Sukzes-sion mit der Zeit ein Auenwald grosseTeile des Sees einnehmen. In den letz-ten 80 Jahren hat sich bereits ein kleinerWald entwickelt. «Dieser Auenwald sollbestehen bleiben, sich aber nicht weiterin die wertvollen Schilfgebiete ausbrei-ten», sagt Hochuli.

Derzeit fehlt es im Stausee an Dyna-mik des Wassers, was unbedingt verbes-sert werden soll. Auch den Flachwasser-zonen und Schlickbereichen müsse Sor-ge getragen werden, damit Wasservögel,die dort nach Futter suchten, ihrenLebensraum behielten, sagt Hochuli.Auf den Feldern, die an den Stauseegrenzen, wird intensive Landwirtschaftbetrieben. Jetzt besteht die Idee, Teiledavon durch Extensivierung und «Ver-nässung» in eine Pufferzone und zusätz-lichen Lebensraum für die Vögel umzu-wandeln. Dies stösst bei betroffenenGemeinden aber auf Widerstand. Eben-so ist ein weiteres Projekt umstritten.Ein schmaler Bach, der parallel zumStausee auf der rechten Uferseite ver-läuft, soll zu einem Umgehungsgewäs-ser ausgebaut werden, damit Fische undandere Wassertiere schadlos das Kraft-werk passieren können. Die neuen Kon-zessionäre, die AEW und Axpo, wolltensich zu den laufenden Planungsarbeitennicht äussern.

Im seichten Wasser stochern geradeGrosse Brachvögel mit ihren langenSchnäbeln nach Nahrung. Reiherententauchen ab und wühlen den schlammi-gen Seeboden auf. Ein Silberreiher trittaus dem Schatten des Schilfgürtels. Undüber allem thront der weisse Dampf desAKW Leibstadt und erinnert daran, wiesich hier Natur und menschliche Gestal-tungskraft ineinander verschränken.

Unterschlupf für viele Vogelarten: Schilf, das sich im Klingnauer Stausee ausgebreitet hat. KARIN HOFER / NZZ

Fühlt sich am Klingnauer Stausee wohl: der Eisvogel.

Gut versteckt im Schilf: die Rohrdommel. Häufig anzutreffen: Schönheiten wie die Spiessente. Brütet in den Auenwäldern: der Pirol. BILDER RENE BERNER

Page 10: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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AARGAU 13Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

Auf dem Weg zumHightech-KantonViele Aargauer Firmen sind führend in Sachen Hochtechnologie.Der Kanton will diese Stärke besser bekanntmachen und nutzen.

Erich Aschwanden

Die Jakob Müller AG in Frick ist keinUnternehmen, das man auf Anhieb mitdem Attribut Hightech in Verbindungbringen würde. Seit mehr als 125 Jahrenproduziert sie Maschinen für die Textil-industrie. Doch seit einiger Zeit ist dieFirma Teil des Hightech-ProgrammsAargau. Zusammen mit Mitarbeiterndes Nanotech Service Lab der Universi-tät Basel versucht man herauszufinden,warum es immer wieder zu Brüchen beiden Blattfedern kommt. Der Entwick-lungschef Bernhard Engesser ist positivüberrascht, wie praxisnah die Vertreterder Wissenschaft das Problem angehenund wie umfassend die Beratung ist.

Aussendarstellung verbessernAuf die Idee, die Kooperation mit einerHochschule zu suchen, wären die Ver-antwortlichen des Traditionsunterneh-mens selber nicht gekommen. Es wardas Hightech-Zentrum Aargau inBrugg, das den ersten Kontakt zur For-schung vermittelte und die Machbar-keitsstudie für die Blattfedern grössten-teils finanziert. «Viele Unternehmersind sich gar nicht bewusst, dass sie inhoch innovativen Branchen tätig sindund täglich mit Hightech zu tun haben»,sagt Geschäftsleiter Martin A. Bopp.

Das Zentrum ist einer der Pfeiler deskantonalen Programms Hightech Aar-gau. Mit 38 Millionen Franken will derKanton dafür sorgen, dass im Aargaudurch hohe Wertschöpfung bei tiefemRessourcenverbrauch in den nächstenJahren ein qualitatives Wirtschafts-wachstum stattfinden kann. Der Aargaunimmt damit im schweizweiten Ver-

gleich viel Geld in die Hand, um seineStandortattraktivität für innovative Un-ternehmen zu stärken. «Wir wollen da-mit die vorhandene Schlagkraft derAargauer Wirtschaft gegen aussen bes-ser zeigen», erklärt Volkswirtschafts-direktor Urs Hofmann.

Neben dem Beratungszentrum fürkleine und mittlere Unternehmen ist dieArealentwicklung ein weiteres wichtigesStandbein dieser Initiative. Industrie-brachen und unternutzte Areale sollennutzbar gemacht werden für die Ansied-lung von innovativen Unternehmenoder für bereits ansässige Betriebe, diesich vergrössern wollen. So wird dasSisslerfeld im Fricktal, mit rund 20 Hekt-aren eine der grössten unüberbautenFlächen in der Nordwestschweiz, nungezielt entwickelt. Statt eines Sammel-suriums von Tankstellenshops, Detail-händlern und Gewerbebetrieben sollenlaut Hofmann hochkarätige Firmen ausdem Bereich Life-Science hier idealeBedingungen für ihre weitere Entwick-lungen erhalten. Auch Kooperationenim Hightech-Bereich werden durch dieöffentliche Hand besonders gefördert.

Gewissermassen das Prunkstück die-ser Strategie ist die Forschung am Paul-Scherrer-Institut (PSI) in Villigen/Wü-renlingen, wo zurzeit ein Freie-Elektro-nen-Röntgenlaser (SwissFEL) gebautwird. Mit dieser neuen Forschungs-anlage können komplexe molekulareStrukturen bestimmt und schnelle Vor-gänge auf atomarer Ebene im Film fest-gehalten werden. Für dieses Grosspro-jekt hat die Regierung 2010 einen Kre-dit in der Höhe von 30 Millionen Fran-ken gesprochen.

Startphase braucht ZeitEtwas mehr als ein Jahr nach dem Startdes Hightech-Zentrums Aargau stelltBopp fest, dass der Name bei gewissenFirmen eine Art Schwellenangst aus-lösen kann. Durch die Anstellung vonPersonen, die über langjährige Industrie-erfahrung verfügen, sei es gelungen, dieKontakte zu den Unternehmen herzu-stellen. Dies zeigt das Beispiel der JakobMüller AG. «Wir wollen uns auf Augen-höhe mit den Praktikern bewegen undihnen die benötigten Kontakte zu den

Hochschulen vermitteln», so der Zen-trumsleiter. Im vergangenen Jahr habendie 5 Mitarbeitenden 43 Firmenprojektebetreut, 13 Firmenprojekte wurden ab-geschlossen. Schwerpunkte sind dieNano- und die Energietechnologie.

Eine erste Zwischenbilanz bei derAargauer Industrie- und Handelskam-mer (AIHK) fällt vorsichtig positiv aus.Für Geschäftsleiter Peter Lüscher istwichtig, dass die Politik die Wichtigkeitvon Innovationen erkannt hat und einepositive Stimmung schafft. «Erst lang-fristig wird sich jedoch zeigen, ob derStaat fähig ist, zu erkennen, welcheKompetenzen in diesem Bereich not-wendig sind», erklärt Lüscher. Zusam-men mit der Fachhochschule Nordwest-schweiz ist die AIHK im Rahmen derTechnologieberatung Forschung, Inno-vation und Technologietransfer (FITT)ebenfalls in diesem Bereich tätig. Lü-scher ist denn auch nicht überrascht, dassdas Hightech-Zentrum als Newcomer imersten Jahr noch relativ wenig Projektemit Unternehmen aufgleisen konnte.

Regierungsrat Hofmann bezeichnetes als «Mission impossible», bereits

nach einem Jahr Strahlkraft über dieKantonsgrenzen hinaus zu entwickeln.Er ist mit dem Start zufrieden. Im End-ausbau will das Hightech-Zentrum Aar-gau mit rund 15 Mitarbeitern jährlich200 Projekte betreuen.

In vielen Fällen braucht es gar keinedirekte staatliche Unterstützung, uminnovative Ideen zu fördern. Eines vonzahlreichen Beispielen ist die SymotechAG, die vor kurzem in Kleindöttingenein neues Rechenzentrum eröffnet hat.Rund zwei Millionen Franken hat derIT-Outsourcer investiert und schafft sodie Infrastruktur, dass KMU und Gross-unternehmen Teilbereiche ihrer IT-Dienstleistungen aus der Cloud bezie-hen können. Ausserdem vermietet dieFirma mit 21 Mitarbeitenden Datacen-ter-Fläche an Betriebe, die ihre Serverund Speicher in eine professionell ver-waltete Umgebung ausgliedern.

Vom Holz zum ServerBei der Symotech handelt es sich ge-wissermassen um natürlich gewachseneHightech, ist sie doch aus dem früherenHolzproduzenten Hiag hervorgegan-gen, der heute vorwiegend im Immobi-lienmarkt tätig ist. Wie CEO ThomasWolf erklärt, war die Entwicklung vominternen IT-Dienstleister zum überre-gionalen Anbieter nicht zuletzt dankder Unterstützung der Behörden mög-lich. Man habe sich immer wieder dieFrage gestellt, ob der Standort richtigsei. «Wir haben es nie bereut, dass wirim Zurzibiet geblieben sind. Das inno-vationsfreundliche Umfeld im Aargauund die unbürokratische Haltung derGemeinde sind für uns ideal», so Tho-mas Wolf.

Für AKW-Unfälle gibt’seinen OrdnerIm schönen Zurzibiet finden sich drei Atomreaktoren,das nationale Zwischenlager für Atommüll undPläne für ein Endlager. Doch das allesnimmt man hier locker.

Davide Scruzzi

Nach dem Spaziergang unter den wun-derbar blühenden Obstbäumen schme-cken die Fischknusperli im GasthausSchützen besonders gut. Doch seien wirehrlich: Eine liebliche Landschaft siehtanders aus – unter uns rauscht derRhein durch ein Wasserkraftwerk, einpaar hundert Meter weiter flussaufwärtsragt die Dampfsäule des Atomkraft-werks Leibstadt weit in den Himmel.

Zwar finden sich auch im solothurni-schen Gösgen und nahe bei Bern (Müh-leberg) Atomkraftwerke. Doch das Zen-trum der Schweizer Kernspaltung liegthier, zwischen Baden und Koblenz. DasAKW Leibstadt ist nur das sichtbarsteFanal. Auf einer Insel mitten auf derAare, von einem dichten Wald umgeben,steht ein paar Kilometer von hier ent-fernt mit dem AKW Beznau das ältestenoch in Betrieb stehende Atomkraft-werk der Welt. Unweit davon liegt dasnationale Zwischenlager für radioaktiveAbfälle Würenlingen. Ebenfalls nichtweit ist es zum Paul-Scherrer-Institut;einem Forschungszentrum, dessen An-fänge in der Nuklearforschung liegen.

Ein Hauch von ReichtumDie Nuklear-Einnahmen sind allein hierin Leibstadt beachtlich. Die AKW-Be-triebsgesellschaft zahlt Steuern vonrund 1 Million Franken an die Gemein-de, die dadurch einen der tiefsten Steu-ersätze des Kantons bietet. Weitere300 000 Franken jährlich zahlen dieKraftwerkbetreiber in die Stiftung ProLeibstadt, die Kultur, Sport und sozialeEinrichtungen fördert. Zudem profitie-ren die Leibstadter von einem verbillig-ten Strompreis. Die Infrastrukturen sinddadurch für eine 1300-Einwohner-Ge-meinde ungewöhnlich: Auffällig ist etwadie mit grosszügigen Aussenanlagenversehene Mehrzweckhalle, die künftigvermehrt für überregionale Anlässe ge-nutzt werden soll.

Doch mit solchen Vorzügen habeman bisher kaum geworben, erklärt derLeibstadter Gemeindepräsident Chris-tian Burger. Das soll nun anders wer-den. Denn die Bevölkerungszahl sta-gniert, ja sinkt bisweilen. Die über 500Arbeitsplätze, die mit dem 1984 in Be-trieb genommenen grössten AKW derSchweiz in der Gemeinde entstanden,haben kaum eine Bevölkerungszunah-me verursacht. Wegen des Images derNukleartechnik? Burger verneint diesund verweist auf die ungünstige geogra-fische Lage. Es gebe zwar «attraktiveFreizeitmöglichkeiten», aber zumnächsten Bahnhof, nach Döttingen, ge-langt man erst nach einer längeren Post-autofahrt. Die Strassen über die Anhö-hen sind zwar für Auto- und Motorrad-

fahrer reizvoll, ein tägliches Pendeln istaber mühsam. Ähnliches vernimmt manvon Jeannette Knecht. Sie hängt an die-sem schönen Frühlingstag vor ihremHaus die Wäsche auf. In ihrem kleinenLaden nebenan verkauft sie «Geschen-ke und Dekoartikel aller Art». Seit 22Jahren wohnt sie hier. Angst vor demAKW sei kein Thema Die Anlagewerde ja ständig überprüft. Das Pro-blem hier sei die Lage. Vor allem jungeLeute, die auf den öffentlichen Verkehrangewiesen seien, wollten nichts wieweg von hier, erzählt Jeannette Knechtund verweist auf ihre mittlerweile er-wachsenen Kinder. Doch für jungeFamilien könne das ruhige Dorf sehrattraktiv sein, sagt Knecht und erwähntden tiefen Ausländeranteil an den Schu-

len. – Just Beispiele für den Zuzug jun-ger Familien finden sich am östlichenRand des Ortskerns, wo neue Einfami-lienhäuser entstehen. Die Angst vor derKernenergie scheint auch hier, einigehundert Meter vom AKW entfernt, keinThema. Oder doch? Beim Entscheidhierherzuziehen habe sie sich schon Ge-danken rund um allfällige Gesundheits-risiken gemacht, sagt eine Mutter, dieein zweites Kind erwartet, auf der Ter-rasse ihres neuen Hauses.

Die wirtschaftliche Bedeutung derAargauer Nuklearanlagen ist nur eineErklärung für die fehlende Opposition.Vor allem glückt den Betreibern hier,was national oft scheitert: Man betreibterfolgreich Öffentlichkeitsarbeit. «DieBürgerinnen und Bürger vertrauen denKraftwerksbetreibern und schätzen de-ren Offenheit», sagt denn ChristianBurger. Nach dem Fukushima-Unglückveranstaltete etwa Axpo eine umfang-reiche Informationsveranstaltung. DieGemeinde pflege einen direkten Kon-takt zur Geschäftsleitung, und es werdeauch kritisch diskutiert. Aufgrund der«umfassenden Aufklärung» seien aberAKW-Kritiker hier selten, so Burger.

Wunsch nach neuem ReaktorAuch in Döttingen, Standortgemeindeder AKW Beznau I und II, stammt dergrösste Teil der Steuereinnahmen ausder Strombranche, zumal hier auch wei-te Teile der Axpo-Konzerngewinne ver-steuert werden. Jüngst waren dies 2,5Millionen Franken. Vor einigen Jahren,unter ganz anderen Strommarkt-Bedin-gungen, versteuerte Axpo indes nochüber 7 Millionen Franken in Döttingen.

Der Ort hat über 3600 Einwohnerund für die Gegend Zentrumscharakter.Die Bahn sorgt für eine gute Anbindungnach Baden oder auch nach Zürich. DieBevölkerungsentwicklung zeigte in denletzten 10 Jahren nach oben. Der Steu-erfuss ist auch hier tief. Die Hanglagenladen zu aussichtsreichem Wohnen ein.

Doch das revidierte Raumplanungs-gesetz verhindere weiteres Wachstumzurzeit, beklagt Gemeindepräsident Pe-ter Hirt.

Nach der Abschaltung des AKWMühleberg 2019 werden die Reaktorenauf Döttinger Boden wohl im kommen-den Jahrzehnt als nächste ausser Be-trieb gehen. Angesichts der Stromnetz-anbindung drängt sich ein Ersatz auf,etwa mit Gaskombikraftwerken. Hirtwürde wegen des CO2-Ausstosses undzur Vermeidung der Auslandsabhängig-keit den Bau eines neuen AKW bevor-zugen. Punkto Arbeitsplätze könnte dieRealisierung des Innovationsparks«Park innovAare» beim Paul-Scherrer-Institut eine Alternative zur Entwick-lung der Region bieten. Obwohl derPark nicht mehr auf Döttinger Gemein-degebiet gelegen wäre, würde sich auchPeter Hirt wünschen, dass einer dieserneuen nationalen Hubs für Forschungs-und Entwicklungsabteilungen interna-tionaler Firmen ins Zurzibiet zu liegenkäme. Zudem ist die Region als Stand-ort für ein Tiefenlager für nukleare Ab-fälle im Gespräch. Auch dieses stössthier auf eine gewisse Akzeptanz – «so-fern sich der Bözberg tatsächlich alssicherster Ort der Schweiz herausstellt».

Die Risiken der Nukleartechnik sindHirt, der auch Kommandant der regio-nalen Zivilschutzorganisation ist, aberdurchaus bekannt. Regionales Füh-rungsorgan und Zivilschutz seien in dieWeiterentwicklung der Notfallplänenach dem Fukushima-Unglück invol-viert. Die Unterstützung bei einer Eva-kuierung der Bevölkerung, das Bereit-stellen von Unterkünften für Helfer ander Unglücksstelle sowie der Betriebvon Dekontaminations-Stellen – daswären im Katastrophenfall möglicheAufgaben des Zivilschutzes, so Hirt.Und wenn jetzt ein Alarm losgehenwürde, sei in einem Ordner festgehal-ten, was zu tun sei. Der Ordner stehe da,sagt Hirt und zeigt auf das kleine Ge-stell seines Büros im Gemeindehaus.

Page 11: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

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14 AARGAU Sonderbeilage ^ 16. April 2014Neuö Zürcör Zäitung

In der Berufswelt soll die Qualifikationzählen und nicht das AlterAls einziger Kanton hat der Aargau eine Kampagne für Stellensuchende über 50 Jahre lanciert. Die ersten Erfahrungen sindpositiv, doch es braucht noch einige Anstrengungen, um in der Wirtschaft und Öffentlichkeit ein Umdenken zu bewirken.

Erich Aschwanden

Der Aargauer VolkswirtschaftsdirektorUrs Hofmann kennt die Situation ausseinem eigenen Umfeld. Beim letztenTreffen seiner ehemaligen Bezirksschul-klasse unterhielt sich der 58-Jährige mitzwei früheren Mitschülern, die über einJahr vergeblich eine Stelle gesucht hat-ten. Obwohl bestens qualifiziert, be-kamen die Männer in der Versiche-rungsbranche und im Detailhandel zuspüren, dass sie als ältere Arbeitslosenicht mehr gefragt sind. «Eine solcheErfahrung ist für den Einzelnen belas-tend und nagt am Selbstwertgefühl»,stellt Hofmann fest.

Allgemein sind ältere Arbeitsloseviel länger auf Stellensuche als jüngere.Ende März waren im Aargau 2730 Per-sonen über 50 Jahre als arbeitslos ge-meldet, was einer Quote von 2,7 Pro-zent entspricht. Diese Leute sind häufiglangzeitarbeitslos und überdurch-schnittlich von Aussteuerungen betrof-fen. Als erster Kanton hat der Aargaunun darauf reagiert und das Projekt«Potenzial 50plus. Die Qualifikationzählt, nicht das Alter» gestartet.

Kernelement der Kampagne sindPlakate, die im ganzen Kantonsgebietaufgehängt werden. Darauf blickenRosa, 26, Hans Ulrich, 28, oder Brigitte,35, dem Betrachter optimistisch ent-gegen. Die Arbeitsuchenden, die sich so

präsentieren, sind jedoch nicht um diedreissig Jahre alt, wie die Zahl hinterihrem Namen auf den ersten Blick sug-geriert. Vielmehr handelt es sich dabeium die Angabe der Berufserfahrungbzw. Qualifikation.

Stereotype durchbrechenMit der Kampagne wollen Kanton,Wirtschaft und Gewerkschaften die Ste-reotype durchbrechen, ältere Arbeit-nehmer seien unflexibel, seien wenigerproduktiv und gingen weniger motiviertan ihre beruflichen Aufgaben heran.Solche Vorurteile seien das Hauptpro-blem, stellt Thomas Buchmann fest. Essolle eine neue, positive Grundhaltunggegenüber älteren Stellensuchenden ge-schaffen werden, erklärt der Leiter desAargauer Amts für Wirtschaft undArbeit. Dank ihrer breiten Erfahrungwürden ältere Mitarbeitende gelasseneran Probleme im Arbeitsalltag heran-gehen. Untersuchungen zeigen, dass dieProduktivität bei einem signifikantenAnteil älterer Mitarbeitender hoch ist.«Motivation und Identifikation mit demArbeitgeber nehmen zu», konstatiertBuchmann.

Wichtige Partner der Kampagne«Potenzial 50plus» sind die Arbeit-geber. So sind sowohl der AargauischeGewerbeverband wie auch die Aargaui-sche Industrie- und Handelskammer

(AIHK) mit an Bord. Die Verbändewenden sich an die Unternehmen, da-mit diese offene Stellen melden, für dieältere Arbeitnehmer infrage kommen.Aus der Sicht von AIHK-Geschäfts-führer Peter Lüscher kann es für eineFirma durchaus von Vorteil sein, wennsie auf eine gute Mischung von Lehrlin-gen, jüngeren Arbeitnehmern und Rou-tiniers zählen kann.

Einfach wird die angestrebte Verhal-tensänderung nicht zu bewerkstelligensein. Dessen sind sich die Verantwort-lichen sehr wohl bewusst. «Potenzial50plus» ist daher auf eine Dauer vonzwei Jahren angelegt. Verhaltensände-rungen und Flexibilität sind jedoch auchvon den Betroffenen gefordert. Vorallem beim Lohn müssten ältere Ar-beitslose auch einmal zu Zugeständnis-sen bereit sein, so Buchmann.

Als relativ erweise sich demgegen-über bei genauerer Betrachtung dasimmer wieder ins Feld geführte Argu-ment der hohen Lohnnebenkosten. Beieinem Lohn von 100 000 Franken be-trägt der BVG-Anteil des Arbeitgebers(bei 50-prozentiger Kostenbeteiligunginklusive überobligatorischem Anteil)für einen 46-Jährigen 5657 Franken, füreinen 58-Jährigen 6789 Franken. DieDifferenz liegt also nur bei 95 Frankenim Monat.

Neben der Sensibilisierung von Öf-fentlichkeit und Firmen unternehmen

die Regionalen Arbeitsvermittlungszen-tren (RAV) zusätzliche Anstrengungenzur Vermittlung älterer Erwerbsloser.

So werden spezielle Assessments fürLeute dieser Altersgruppe durchge-führt. Personen, die sich oft nach lang-jähriger Berufstätigkeit mit der Arbeits-losigkeit konfrontiert sehen, könneneine professionelle Standortbestim-mung vornehmen. Als erfolgreich hatsich in solchen Fällen auch ein Einzel-coaching erwiesen. Ziel ist es gemässBuchmann, die Dauer der Suche nacheiner neuen Stelle um 10 Prozent zuverkürzen.

OECD zeigt InteresseFinanziert wird die Aargauer Kampa-gne aus den Geldern, die das Staats-sekretariat für Wirtschaft für Kommuni-kationsmassnahmen auszahlt. BeimSeco verfolgt man das Pilotprojektintensiv. Auch andere Kantone habenbereits ihr Interesse bekundet, ebensoeine Delegation der OECD, die vor kur-zem im Aargau weilte. Volkswirt-schaftsdirektor Hofmann ist überzeugt,dass mit relativ bescheidenem Aufwandvermieden werden kann, dass Leuteausgesteuert werden. Vier von densechs Personen, die sich auf den Plaka-ten als Botschafter «50plus» zur Ver-fügung gestellt haben, haben inzwischeneine neue Stelle gefunden.

«Im Alter nehmendie Motivation und

die Identifikation mitdem Arbeitgeber zu.»

Page 12: NZZ Beilage: Das neue Selbstbewusstsein des Kantons Aargau

AARGAU 15Sonderbeilage ^ 16. April 2014 Neuö Zürcör Zäitung

Grosses Haus in kleiner StadtDas Aargauer Kunsthaus ist die heimliche Nationalgalerie der Schweiz und strahlt mitseiner Sammlung und seinen originellen Ausstellungen über die Landesgrenzen hinaus.

Erich Aschwanden

Wer in der Eingangshalle sitzt, hat dasGefühl, er sitze mitten in Aarau auf demAargauerplatz. Fussgänger und Verkehrschlängeln sich am 2003 eröffneten Er-weiterungsbau vorbei, der von den Ar-chitekten Herzog & de Meuron mit demKünstler Remy Zaugg entworfen wur-de. Städtebaulich ist das Haus ein inte-graler Bestandteil der Kantonshaupt-stadt. «Wir sehen uns nicht als Musen-tempel. Unser Gebäude hat keineSchwellen zum öffentlichen Raum, wasauch unserem Credo entspricht», erklärtdie Direktorin Madeleine Schuppli.

Doch das Aargauer Kunsthaus istnicht nur ein grosses Haus in einer klei-nen Stadt. In Aarau mit seinen rund20 000 Einwohnern steht nämlich dieheimliche Nationalgalerie der Eidge-nossenschaft. Der 1860 gegründete Aar-gauische Kunstverein – neben dem Kan-ton der zweite Träger – konzentriertesich von Beginn an auf den Erwerb vonSchweizer Kunst.

Kunst im CaravanTrotzdem durchweht das 1959 eröffneteMuseum keineswegs der Geist des 19.und 20. Jahrhunderts. Caspar Wolf, Jo-hann Heinrich Füssli, Ferdinand Hod-ler, Cuno Amiet und Giovanni Giaco-metti bilden zwar den Schwerpunkt derSammlung, erdrücken die jungenPflänzchen des Kulturschaffens abernicht, sondern treten in Dialog mitihnen. Die vielen Sonderausstellungenpräsentieren zeitgenössische SchweizerKunst aus überraschenden Blickwin-keln und mit überraschenden Zugän-gen. Zudem hat Schuppli, die das Hausseit Ende 2007 leitet, das Programmganz gezielt für ausländische Künstle-rinnen und Künstler geöffnet.

Da alle Wände innerhalb des Neu-baus herausnehmbar sind, wird jedeAusstellung für Macher und Besucherzu einem neuen Erlebnis. Dank der in-haltlichen Flexibilität des Kunsthausesist auch eine ungewöhnliche Ausstel-lungsreihe wie «Caravan» überhaupterst möglich. Seit sechs Jahren ziehenjeweils junge Künstler sozusagen imWohnwagen durch die Ausstellung undpräsentieren ihre neusten Werke zwi-schen den übrigen Objekten. SolcheAusstellungen mit experimentellem,spontanem Charakter wären in grösse-ren Kunstmuseen wohl kaum zu reali-sieren. Für Schuppli ist denn Aarauauch nach rund sechs Jahren ihre«Traumdestination», an der sie vonÖffentlichkeit und Politik sehr grosseUnterstützung erfährt.

Sag es mit BlumenObwohl das kleine Team bewusst nichtauf ein Mainstream-Programm setzt,konnten die Besucherzahlen in den letz-ten Jahren kontinuierlich auf rund40 000 gesteigert werden. Rund dieHälfte des Publikums, das sich stark ver-jüngt hat, kommt aus dem Kanton Aar-gau. Doch der kulturelle Leuchtturmstrahlt auch in die Deutschschweiz undin die Romandie. Schwer fällt es hin-gegen, Besucherinnen und Besucherüber den Gotthard zu locken. Publi-kumsnahe Veranstaltungen sorgen da-für, dass das Kunsthaus seinen Drahtzum breiten Publikum nicht verliert.Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung«Blumen für die Kunst», die in diesemFrühling in nur sechs Tagen über 7000Besucher anzog. Zwölf Floristinnen undFloristen aus der ganzen Schweiz kre-ierten zu je einem Werk aus der Samm-lung ein ganz besonderes Blumenarran-gement. Gespannt sein darf man auf diegrosse Retrospektive von Sophie Taeu-ber-Arp im Herbst.

Internationale AusstrahlungDank der akribisch betreuten Samm-lung, den innovativen Ausstellungenzeitgenössischer Kunst und der Nähezum Publikum hat sich das AargauerKunsthaus in den letzten Jahrzehntendas wohl schärfste Profil aller Kunst-museen in der Schweiz erarbeitet. Diesnimmt man in der Schweiz offenbarweniger zur Kenntnis als im Ausland. Soist es alles andere als ein Zufall, dassSchupplis Vorgänger Beat Wismer vorsieben Jahren zum Generaldirektor desrenommierten Museums Kunstpalast inDüsseldorf berufen wurde.

Kunst begreif- und begehbar machen: Installation «Little Planetary Harmony» von Mai-Thu Perret.

Bewusst zum Publikum hin offen: die Architektur des Aargauer Kunsthauses.