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Faszination Sonnenuhr

Faszination Sonnenuhr - Europa-Lehrmittel · 2021. 3. 7. · SONNENUHR. Arnold Zenkert. Mit einem Beitrag von Dr. Jürgen Hamel über. tragbare Sonnenuhren. Arnold Zenkert, Studienrat

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Faszination Sonnenuhr

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Die Zeit auf einer Sonnenuhrerkennt man an der Schattenspur

Meinen Eltern in Dankbarkeit

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FASZINATIONSONNENUHR

Arnold Zenkert

Mit einem Beitrag von Dr. Jürgen Hamel übertragbare Sonnenuhren.

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Arnold Zenkert, Studienrat i.R., geb. 1923 in Steinschönau (Nordböhmen), 1946 Neulehrer in Mecklenburg-Vorpommern, Studium der Geographie und Pädagogik in Potsdam. Später Leitung der Ausbildung von Astronomielehrern.

20 Jahre Leiter des Planetariums Potsdam, Pensionierung 1988. Referent und Verfasser populärwissenschaftlicher und methodischer Beiträge in einschlägigen Zeitschriften.

Viele Jahre Vorsitzender im Arbeitskreis Sonnenuhren in der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie.

Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der Vervielfältigung des Buches und der CD-ROM – oder von Teilen daraus – sind vorbehalten.

Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autor und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.

5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2005

© Wissenschaftlicher Verlag Harri Deutsch GmbH, Frankfurt am Main, 2005

Druck: fgb · freiburger graphische betriebe GmbH, Freiburg <www.fgb.de>

ISBN 3-8171-1752-3

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Inhalt

Zum Geleit ......................................3

1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren .............................5

1.1. Schatten und Schattenstab........................... 5

1.2. Frühzeit der Sonnenuhren ........................... 6

1.3. Sonnenuhren in der Antike .......................... 7

1.4. Gnomonik der Araber............................... 12

1.5. Mittelalterliche Sonnenuhren...................... 14

1.6. Einführung des Polstabes........................... 19

1.7. Tragbare Sonnenuhren der Blütezeit des Sonnenuhrenbaues ................................... 21

1.7.1. Klappsonnenuhren.................................... 241.7.2. Astronomische Kompendien und

Büchsensonnenuhren ................................ 271.7.3. Äquatorialsonnenuhren............................. 281.7.4. Horizontalsonnenuhren ............................. 321.7.5. Ringsonnenuhren und Sonnenringe ........... 341.7.6. Zylindersonnenuhren ................................ 361.7.7. Besondere Objekte ................................... 38

1.8. Die kunstvolle Sonnenuhr .......................... 41

1.9. Sonnenuhren heute................................... 44

2. Kleiner mathematisch-astronomischer Kurs.......................47

2.1. Scheinbare Himmelskugel ......................... 47

2.2. Astronomische Koordinatensysteme ........... 48

2.3. Bewegung im Tagesverlauf........................ 50

2.4. Bewegung im Jahresverlauf ....................... 51

2.5. Einfluß der geographischen Breite.............. 54

2.6. Mittagshöhe der Sonne ............................. 55

2.7. Wahre Ortszeit ......................................... 56

2.8. Mittlere Ortszeit und Zeitgleichung............. 57

2.9. Mitteleuropäische Zeit ............................... 58

2.10. Mitteleuropäische Sommerzeit ................... 60

3. Berechnung und Konstruktionvon Sonnenuhren...........................61

3.1. Überblick über die wichtigsten Sonnenuhrenarten .................................... 61

3.2. Äquatoriale Sonnenuhr ............................. 633.2.1. Äquatorialuhr mit ebenem Zifferblatt.......... 633.2.2. Äquatorialuhr mit ringförmigem

Zifferblatt ................................................. 64

3.3. Horizontale Sonnenuhr.............................. 673.3.1. Geneigte (inklinierte) Horizontaluhr............ 70

3.4. Vertikale Sonnenuhren .............................. 713.4.1. Vertikale Süduhr ....................................... 723.4.2. Vertikale Norduhr ..................................... 743.4.3. Abweichende Vertikaluhr ........................... 763.4.4. Bestimmung der Wandabweichung α......... 783.4.5. Berechnung und Konstruktion der

Stundenlinienwinkel .................................. 823.4.6. Befestigung des Schattenwerfers ................ 843.4.7. Die inklinierte vertikale Süd- und Norduhr .. 883.4.8. Die inklinierte und deklinierte Vertikaluhr ... 89

3.5. Polare Sonnenuhren.................................. 903.5.1. Polare Süduhr........................................... 903.5.2. Polare Ost- bzw. Westuhr .......................... 923.5.3. Polare Sonnenuhren mit geringer

Wandabweichung..................................... 93

3.6. Analemmatische Sonnenuhr ...................... 953.6.1. Sonnenuhrenspinne................................. 103

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Inhalt

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3.7. Sonnenuhren auf gekrümmten Flächen .... 1033.7.1. Kugelsonnenuhr...................................... 1033.7.2. Hohlkugelsonnenuhr ............................... 1053.7.3. Zylindersonnenuhr .................................. 107

3.8. Wanderstab-Sonnenuhr........................... 110

3.9. Quadrantsonnenuhr ............................... 111

3.10. Universales Uhrentäfelchen ..................... 113

3.11. Ringsonnenuhr........................................ 114

3.12. Der Sonnenring ...................................... 115

3.13. Sonnenuhren auf geometrischen Körpern.................................................. 116

3.14. Sonnenuhren auf anderen geographischen Breiten........................... 117

4. Anzeige der Tageszeit ..................121

4.1. Ortszeitkorrektur ..................................... 121

4.2. Zeitgleichungskorrektur ........................... 123

4.3. Weltzeitzifferblatt..................................... 128

4.4. Genauigkeit von Sonnenuhren................. 130

5. Anzeige des Datums.....................133

5.1. Datums- oder Tierkreislinien .................... 133

5.2. Einfallswinkel des Mittagsschattens........... 134

5.3. Konstruktion der Datumslinien ................. 1355.3.1. Datumslinien auf Äquatorialuhren............ 1365.3.2. Datumslinien auf Horizontaluhren............ 1365.3.3. Datumslinien auf vertikalen Süduhren ...... 1375.3.4. Datumslinien auf abweichenden

Vertikaluhren .......................................... 1395.3.5. Datumslinien auf polaren Sonnenuhren.... 140

5.4. Berechnung der Datumslinien .................. 1415.4.1. Zur Gültigkeitsdauer von Sonnenuhren..... 144

5.5. Babylonische, italische Stunden und Planetenstunden...................................... 145

5.6. Datums-Sonnenuhr ................................. 146

5.7. Der Mittagskalender................................ 147

6. Praktische Hinweise zum Selbstbau von Sonnenuhren .........149

6.1. Anfertigung des Zifferblattes .................... 1496.1.1. Der Diaprojektor als Hilfsmittel ................ 1496.1.2. Die Uhr als Hilfsmittel.............................. 151

6.2. Gestaltung des Schattenwerfers................ 151

6.3. Bastelvorschläge ..................................... 153

6.4. Gnomonik in der pädagogischen Arbeit ... 156

6.5. Besonnungsdauer vertikaler Sonnenuhren .......................................... 158

6.6. Der Sonnenwarner .................................. 161

7. SENTENTIAE SOLARIS – „Weisheiten“ der Sonnenuhren .....165

7.1. Chronogramme auf Sonnenuhren............ 169

8. Brevier der gnomonischen Praxis ..........................................171

9. Kleines gnomonisches Lexikon......175

10. Tafeln .........................................181

Literaturverzeichnis.......................195

Namensverzeichnis ......................199

Sachwörterverzeichnis ..................201

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Zum Geleit

Blind ist, wer die Sonne nicht sieht,töricht ist, wer sie nicht kennt,armselig, wer ihr nicht dankt.Sie ist das Licht, sie ist das Gute, sie ist das Heil.Aus ihr strahlt, aus ihr wirkt,aus ihr sendet der Herr der Sinne,der Vater des Seins, der Lebenswirker. (Giordano Bruno)

Wirken die „Schönwetter-Zeitanzeiger“ im Jahrhundert derAtom- und Quarzuhren, der Computer und der hochpräzisenZeitangaben nicht ein wenig anachronistisch? Um ihre Ge-nauigkeit ist es oft nicht weit her; ein prüfender Blick auf dieArmbanduhr bestätigt mitunter nicht unerhebliche Differen-zen gegenüber der Normalzeit. Andererseits gibt es Sonnen-uhren, deren Genauigkeit uns überrascht. Stumm und oftkaum beachtet künden sie an Wänden – oft ohne Schatten-stab – von einer vergangenen Zeit, als die Menschen noch al-lein auf Sonnenuhren angewiesen waren und mit ihnen sogardie mechanischen Räderuhren kontrollierten.

Historische, aber auch reich verzierte, farbenfrohe undkunstvoll gestaltete Objekte werden heute als wertvolle Do-kumente der Zeitmeßkunst geschätzt und gepflegt. In unsererZeit der hochentwickelten Technik haben manche Gegen-stände und Errungenschaften vergangener menschlicher Kul-turen keinen Gebrauchswert mehr, wir sind auf sie nichtmehr angewiesen. Hat es aber Sinn, immer nach dem prakti-schen Nutzen zu fragen? Als technisches Denkmal hat dieSonnenuhr auch heute noch ihre Daseinsberechtigung undgeht von ihr nicht ein Hauch von Altertümlichkeit, eine ge-wisse Faszination aus?

Erfreulicherweise besteht in der Gegenwart ein recht gro-ßes Interesse am Bau von Sonnenuhren. Ein weites Feld bie-tet sich hier dem Steinmetz, Bildhauer, Maler oder Kunst-schmied, der die Sonnenuhr als Schmuck- und Gestaltungs-element in das moderne Baugeschehen einbeziehen undmannigfaltig gestalten kann. Namentlich die großen Freiflä-chen und ausgedehnten Fassaden der Neubaugebiete bieten

viele Möglichkeiten, dekorative und moderne Sonnenuhrenzu schaffen. Mancher, der ein Haus, ein Wochenendgrund-stück oder einen Garten besitzt, möchte mit Hilfe des wan-dernden Schattens die Zeit messen. Selbst kleine, selbstgeba-stelte Sonnenuhren in der Nähe des Fensters oder auf demBalkon haben ihre Reize und sind durchaus brauchbare Zeit-anzeiger.

Die fachgerechte Herstellung von Sonnenuhren ist ohneZuhilfenahme der höheren Mathematik erlernbar und ohnegroße Schwierigkeiten zu bewältigen. Natürlich kommt mannicht ganz ohne einige mathematische und astronomischeGrundkenntnisse aus. Ein Stab, der einfach in die Wand oderin die Erde gesteckt wird, um die Stundenlinien nach derUhrzeit zu markieren, ist noch längst keine Sonnenuhr. Aufkomplizierte mathematische Ableitungen wird im Buch ver-zichtet; die anschauliche und allgemein verständliche Wis-sensvermittlung hat hier den Vorrang. Die nicht vermeidba-ren Berechnungsformeln und Konstruktionsanweisungenbilden das notwendige „Handwerkszeug“ für die Herstellungvon Sonnenuhren. Die den Formeln folgenden Rechenbei-spiele sollen der Selbstkontrolle dienen. Der Verfasser, derüber drei Jahrzehnte in der astronomischen Volksbildungsar-beit und in der Lehrerbildung tätig war, kennt aus ErfahrungMöglichkeiten und Grenzen der Thematik. Aus diesemGrunde wird auf seltene Arten von Sonnenuhren verzichtet,die komplizierte Berechnungen und Konstruktionen erfor-dern.

Das Buch hat hauptsächlich zwei Anliegen: Zum einenwill es die kulturgeschichtliche Entwicklung verschiedener

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Zum Geleit

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Arten von Sonnenuhren aufzeigen und zum anderen Anlei-tung und Hilfe für den Selbstbau geben. Darüber hinaus sol-len Denkmalpfleger, Heimatforscher und Museologen befä-higt werden, Sonnenuhren nach den Gesichtspunkten derGnomonik zu beurteilen. Ihnen obliegt vorrangig die Aufga-be, die wertvollen Dokumente der Zeitmeßkunst der Nach-welt zu erhalten und zu pflegen.

Die Tätigkeit im Arbeitskreis Sonnenuhren der DeutschenGesellschaft für Chronometrie (DGC) sowie im österreichi-schen Arbeitskreis (GSA) hat dem Autor vielfältige Anre-gungen und Unterstützung gegeben. Diese Gremien haben essich zur Aufgabe gestellt, Sonnenuhren zu bewahren und zupflegen sowie bei der Herstellung von Sonnenuhren zu bera-ten. Als ein beachtenswertes Ergebnis jahrelanger For-schungsarbeit sind die Sonnenuhren-Kataloge von Deutsch-land, der Schweiz und Österreich mit über 15000 ortsfestenSonnuhrenstandorten hervorzuheben.

Für Anregungen und Überlassung von Materialien danktder Autor den Herren Dr. J. Hamel, Berlin, W. Hanke (†),Dresden, W. Lübstorf (†), Burg Stargard, Dr. Ph. Orth, Land-au i.Pf., H. Rau, Berlin, J. Schardin (†), Dresden, Dr.H. Vilkner (†), Greifswald. Besonderer Dank gebührt HerrnHofrat K. Schwarzinger, Sistrans bei Innsbruck, für seinehilfreichen Hinweise sowie den kritischen Lesern, von denenich Bemerkungen erhalten und berücksichtigt habe.

Die das Buch begleitende CD-ROM enthält eine Kollekti-on von über 250 kommentierten Farbbildern schöner und in-teressanter Sonnenuhren sowie das Netz einer Würfel-Son-nenuhr, das ausgedruckt und auf Karton geklebt werdenkann. Für Benutzer von Windows-Computern befindet sichauf der CD-ROM ein Programm zur Berechnung von Son-nenuhren, für dessen Bereitstellung Herrn Harald Wislaug,Potsdam, herzlichst gedankt sei. Mit diesem Programm ist esmöglich, verschiedene Arten von Sonnenuhren zu berechnenund grafisch darzustellen. Zwar sind die Berechnungen nachden Formeln des Buches auch gut mit einem handelsüblichenTaschenrechner zu bewältigen, insbesondere für die Bearbei-tung abweichender Sonnenuhren mit Datumslinien dürftedas Programm aber eine große Hilfe sein. Dennoch sollteman es erst dann anwenden, wenn die Thematik und derenmannigfaltige Zusammenhänge verstanden worden sind.

Die Sonnenuhr ist Zeitanzeiger und Schmuck zugleich. Siemacht uns aber auch das schwer vorstellbare Phänomen Zeitbewußt, die Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftigesverbindet. Der sich über die Zifferblattfläche bewegende

Schatten, der den Sonnenstand gleichsam in die Geometrieder Zifferblattfläche überträgt, stellt damit einen Zusammen-hang zwischen Mensch und Kosmos dar.

Sonnenuhren gehören zwar nicht zu den lebensnotwendi-gen Dingen, doch können sie dazu beitragen, die uns umge-bende Welt ein wenig schöner und kulturvoller zu gestalten –und auch über die Zeit nachzudenken, die uns hier auf Erdenunter der Sonne gegeben ist. Nutzen wir sie deshalb zu unse-rem und aller Wohle!

Verlag und Verfasser wünschen allen Sonnenuhrenfreun-den ein erfolgreiches und frohes Wandern durch das „Zau-bergärtlein der Gnomonik“, wie es in einem alten Sonnenuh-renbuch heißt – und vor allem recht viel Sonnenschein!

ARNOLD ZENKERT, POTSDAM IM APRIL 2005

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1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren

„Aber die alten Sonnenuhren richten die Erde zum Weltall aus,für die Zeit in das himmlische Haus durch die zwölf, die Tierkreisfiguren, und der Sonne mittägliche Reifelegt um das Jahr die unendliche Schleife.“ (Walter Überwasser)

1.1. Schatten und Schattenstab

ANDREAS SCHÖNER begann sein 1561 in Nürnberg erschie-nenes Büchlein „Gnomonike mechanike“ mit einer Wid-mung an den „ehrwirdigen Herren Moritzen Weißhaubt/Dechant zu S. Gangolff inn Bamberg/meinem gütigstenHerrn“ mit folgenden Worten:

„Es ist nie kein Volck so grob unnd viehisch gewest/wel-ches nicht ein gewise ordnung der zeyt gehabt. Denn Gotthat ordnung der zeyt unnd zalen/ in die vernünfftigeCreaturn/eingepflantzet/weyl er selbst ordnung in allecreaturen liebet/hat auch die schöne/herrliche Liechterdes himels/Sonn/Mon und Sternen/zu unterschied der zeyterschaffen. Unnd zwar darff es nicht viel wort/der löbli-chen edlen kunst Astronomie/welche solche ordnung leh-ret...“

Für den Menschen wären Raum und Zeit leere Begriffe,hätten sie nicht durch das Messen Wesen und Gestalt bekom-men. Den alten Kulturvölkern dienten die Gestirne zum Ein-teilen der Zeit: Die Sonne mit ihrem Wechsel von Tag undNacht als Folge der Erdrotation. Der Jahreslauf der Sonnemit den wechselnden Bögen und Höhen als Widerspiegelungder Erdrevolution und der Achsenneigung unseres Planeten.Ferner der Mond, dessen Umlauf um die Erde das Zeitmaßfür den Monat schuf und nicht zuletzt die Woche, die auf dieastral-mythologische Verehrung der sieben Himmelskörperzurückgeht, die als „wandernde Gestirne“ vor dem Sternhim-

mel ihre Positionen verändern: Sonne, Mond, Merkur, Ve-nus, Mars, Jupiter und Saturn.

Bis in unsere Zeit hat sich daran eigentlich nichts geändert,und die große Weltenuhr geht ihren genauen Gang seit Anbe-ginn. Dieser beständige Kreislauf des Kosmos war den Men-schen Grundlage für die Zeitmessung, dies konnte man se-hen, erleben und verstehen.

Der beständige Wechsel zwischen Tag und Nacht, die Ver-änderung des Sonnenstandes während des Tages und imWechsel der Jahreszeiten waren gewiß die ersten Naturer-scheinungen, welche die Menschen bewußt wahrgenommenund über die sie sich schon frühzeitig Gedanken gemachthatten. Von einer Zeiteinteilung im heutigen Sinne konntedamals noch keine Rede sein, eine Grobeinteilung des Tages(Morgen, Mittag, Abend) genügte den damaligen Ansprü-chen vollauf. Nach PLINIUS war selbst noch im alten Rom bisum die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. der Tag nur in diezwei Zeitspannen Morgen und Abend eingeteilt.

Für frühgeschichtliche Naturbeobachtungen sprechenauch einige Steinsetzungen, wie die bekannte Anlage vonStonehenge im südlichen England aus der Zeit zwischen2200 bis 1400 v. Chr. Mittels einer aus großen Steinen gebil-deten Visierlinie bestimmte man die Zeit der Sonnenwenden,d. h. den größten und den kleinsten Tagbogen der Sonne.Wenngleich es sich dabei keineswegs um einen exakten Ka-lender oder gar um eine Sonnenuhr handelt, so zeigt diesdoch, daß bereits die Menschen der Vorzeit einfache astrono-mische Zusammenhänge und die Grundlagen der Zeit- undKalenderberechnung erkannt hatten.

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1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren

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Die kultische Verehrung der Sonne sowie Jenseitsvorstel-lungen veranlaßten die Menschen im Megalithikum, den täg-lichen Sonnenlauf und die Veränderungen im Jahresverlaufzu beobachten und dies bei ihren Bauten und Gräbern zu be-rücksichtigen.

Eine alte Art der Zeitbestimmung, die sogar bis in die Neu-zeit praktiziert wurde, war die direkte Beobachtung der Son-ne. Von einem bestimmten Standort aus wurde die Sonnen-richtung über markanten Landschaftspunkten in Beziehungzur Tageszeit gesetzt. Darauf verweisen heute noch in denGebirgsgegenden Bezeichnungen, wie z. B. Elferkogel oderMittagsberg (Mittagsloch).

Den Menschen wurde bald bewußt, daß bei Sonnenscheindie Gegenstände Schatten warfen, der seine Richtung undLänge im Laufe des Tages veränderte. Sie erkannten, daßzwischen dem Stand der Sonne und der Beschaffenheit desSchattens Zusammenhänge bestehen. Vorerst genügte ihnendie Feststellung, daß der Schatten eines senkrechten Stabesin den Morgen- und Abendstunden länger war als währendder Mittagszeit.

Dennoch haben wir es hier mit den Anfängen der Gnomo-nik, der Wissenschaft von den Sonnenuhren, zu tun. Die Be-zeichnung für den Schattenstab, den Gnomon, geht auf dasgriechische Wort „gnomon“ zurück. Übersetzt bedeutet dasKenner, Beurteiler, also Erkenner der Zeit. Der Gnomon, alsder erste „Uhrzeiger“, gehört somit zu den ältesten und ein-fachsten astronomischen Beobachtungsinstrumenten.

1.2. Frühzeit der Sonnenuhren

Die Sonnenuhr ist keineswegs das Ergebnis eines genialenErfinders, auch ist ihre Entstehung nicht auf einen bestimm-ten Kulturkreis beschränkt. Die Gnomonik führt uns in dieWissenschafts- und Kulturgeschichte mehrerer Völker.

Zeugnisse über die Herstellung einfacher Sonnenuhren sinduns aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr. in China bekanntgeworden, als in einigen Städten auf der Grundlage von Son-nenuhren Wächter die Zeit ausriefen. So waren um 1100v. Chr. Schattenstäbe allgemein verbreitet, die auch astrono-mischen Messungen dienten. Von besonderer Bedeutung wardamals und auch später zur Zeit der Griechen der mathemati-sche Zusammenhang zwischen Schattenlänge und Mittags-schatten. Aus dem kürzesten und längsten Mittagsschatten be-stimmten sie die Schiefe der Ekliptik zu 23° 54' (genauerWert: 50') und die Dauer des Jahres zu 365 1/4 Tagen. DieSonnenuhr hatte im alten China jedoch vorrangig astrologi-sche Funktionen, die Zeitbestimmung war von zweitrangigerBedeutung. Es war für die Menschen wichtig zu wissen, ob essich um eine „gute“ oder „schlechte“ Stunde handle.

Der Zusammenhang zwischen Schattenlänge und Tages-zeit war auch bereits den alten Ägyptern bekannt. Sie benutz-ten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. einfachetragbare Sonnenuhren, bei denen ein senkrechtes Brett alsSchattenwerfer diente.

Auf einer etwa 30 cm langen, vierkantigen Leiste mit Mar-kierungen befand sich am Ende eine senkrechte Leiste, dieden Schatten erzeugte. Die Tageszeit konnte auf der horizon-talen, ost-westlich liegenden Leiste abgelesen werden. Umdie Mittagszeit, wenn der Schattenwurf verschwand, musstedie Vorrichtung um 180° gedreht werden. Das Zeitmaß konn-te wegen der wechselnden Sonnenhöhe im Jahr nicht gleich-bleibend sein, so dass die jeweilige Zeitangabe mit Hilfe vonTabellen ermittelt wurde. Das Bild 1.1. zeigt die vereinfachteDarstellung einer ägyptischen Ellensonnenuhr.

Auch gab es Stufen- oder Treppensonnenuhren, die eben-falls zu den Streiflicht-Sonnenuhren zu zählen sind. Bei hö-her steigender Sonne wanderte der Schatten von Stufe zuStufe hinunter, bis er zur Mittagszeit unten angelangt war.Bei sinkender Sonne steigt der Schatten wieder aufwärts. ImAlten Testament (II Könige, XX, 8-11) finden wir einen Hin-weis auf eine ähnliche Sonnenuhr, wenn Jesaja sagte: „Du1.1. Ägyptische Ellensonnenuhr

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1.3. Sonnenuhren in der Antike

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hast die Wahl: Soll der Schatten auf der Treppe zehn Stufenvorrücken oder zehn Stufen zurückgehen?“ Diese „Sonnen-uhr des Achaz“ Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. wird oft zi-tiert, doch ist deren Beschaffenheit nicht eindeutig geklärt(Bild 1.2.).

Auf öffentlichen Plätzen gab es schon um 1800 v. Chr. gro-ße Sonnensäulen (Obeliske), deren Schattenwurf der Zeitbe-stimmung diente. Verglichen mit den heutigen Sonnenuhrenwar die Ablesung der Zeit infolge der wechselnden Sonnen-höhe jedoch komplizierter. Bei Einbeziehung des Datumskonnten recht genaue Ergebnisse erreicht werden.

Aus der Zeit des Königs Menephtha (1323 bis 1302v. Chr.) wurde 1902 in Palästina eine Sonnenuhr mit einersenkrechten Anzeigefläche gefunden. Es handelt sich um ei-ne halbkreisförmige Elfenbeinplatte, deren Rückseite einGötterschiff mit einer Anbetungsszene vor dem MondgottThot zeigt.

Erwähnt werden muß auch, daß es bereits sogenannte Was-seruhren gab, deren Bau eine hohe technische Perfektion er-reichte. Der ägyptische König Amenophis III. (1415 bis 1380v. Chr.) besaß eine derartige Uhr, welche die Form eines ab-gestumpften Kegels hatte.

1.3. Sonnenuhren in der Antike

Aus der Antike kennen wir Beispiele dafür, daß auch derSchatten des eigenen Körpers die Funktion eines Gnomonsübernehmen und damit als Zeitanzeiger dienen kann. DieSchattenlänge wurde dabei mit den Füßen ermittelt. Da dieFußlänge zur Körperlänge im Verhältnis von etwa 1:7 steht,ist die Methode zur Bestimmung der Schattenlänge und da-mit der Zeit auch von verschieden großen Menschen durch-führbar. War z. B. jemand größer, so wurde sein Schattenauch mit einem größeren Fuß gemessen.

Die antike Literatur berichtet in mehreren, oft erheiterndenBeispielen über diese etwas seltsame Art der Zeitbestim-mung:

In einem Brief schreibt ein gewisser Theodorus an Theo-philus: „Du mußt also die Stunden bezeichnen, indem du dei-nen eigenen Schatten mit deinen Füßen abmißt, den einenvor den andern setzend bis zu dem Orte, wohin bei aufrechter

Stellung durch den Schatten der oberste Punkt deines Kopfestraf.“

In den Ekklesiazusen, die um 392 v. Chr. von Aristophanesverfaßt wurden, sagt Praxagora zu ihrem Manne: „Du küm-merst dich nur darum, gesalbt zum Essen zu gehen, wenn dasstoicheion 10 Fuß lang ist.“ Im Griechischen bedeutetsteicho in Reih und Glied oder in einer langen Reihe einher-gehen, einherschreiten.

Der Grieche Philoxenes mußte sich aus dem Munde seinesArztes wenig erfreuliche Worte gefallen lassen: „Wenn dunoch irgend eine Anordnung zu treffen hast, dann geh' ohneAufschub daran, denn du wirst binnen sieben Fuß sterben.“

Ein verliebter Jüngling hat damals seine Angebetete mög-licherweise mit folgenden Worten zum Stelldichein geladen:„Wenn dein Schatten 16 Fuß lang ist, dann, geliebte Bereni-ke, erwarte ich dich hinter dem großen Stein am Oliven-hain.“ Ebenso bestand im alten Griechenland die Sitte, je-mand zum Essen auf eine bestimmte Fußlänge einzuladen.Von einer Stundenangabe konnte dabei gewiß nicht die Redesein, es handelte sich mehr um einen bestimmten Zeitpunkt.Außerdem mußte man auch wissen, ob sich die Angabe derSchattenlänge auf die Vormittags- oder Nachmittagsstundenbezog.

Dieses an sich einfache Verfahren wurde auch außerhalbdes antiken Kulturkreises praktiziert, worauf MARCO POLO

im 13. Jahrhundert in einem Bericht über die Bewohner derProvinz Maabar in Vorderindien verwies.

1.2. Treppen- oder Stufensonnenuhr

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1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren

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Aus dieser Praxis entwickelten sich die ersten Tabellen, dienur für eine bestimmte geographische Breite (Polhöhe) gül-tig waren. PALLADIUS verfaßte im 4. Jahrhundert n. Chr. einWerk über die Landwirtschaft und gab darin für jeden Monatdie Schattenlänge des menschlichen Körpers zu den einzel-nen Tagesstunden an.

Abschließend sei erwähnt, daß diese Methode auch nochim ganzen Mittelalter bekannt war. Auch ANDREAS SCHÖ-NER veröffentlichte für jede Woche solche Stundentafeln,wobei die Größe des menschlichen Körpers mit 7 Fuß gleich-gesetzt wurde. Kleineren Leuten wurde empfohlen, durchAnheben der Arme auf diese Höhe zu kommen. Infolge derinzwischen schon erreichten Genauigkeit der Sonnenuhrenhatten diese Tafeln aber keine große praktische Bedeutungmehr.

Mögen wir heute über diese Praktiken zur Zeitbestimmungauch ein wenig lächeln und uns über die unzureichenden Ge-nauigkeiten wundern, so sollten wir aber nicht vergessen,daß das Leben in der Antike und auch noch im Mittelalter inganz anderen Zeitvorstellungen verlief als heute.

Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. bestimmte PYTHEAS dasVerhältnis der Gnomonlänge zur Schattenlänge für Massilia(Marseille) zur Tagundnachtgleiche sowie zu den Sonnen-wenden. Daraus berechnete er ebenfalls die Schiefe der Ek-liptik sowie die geographische Breite dieses Ortes.

Kaiser AUGUSTUS ließ einen Obelisken als Großgnomon,der aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. stammte und in Heliopolisunweit des heutigen Kairo stand, nach Rom bringen und imnördlichen Teil des Marsfeldes aufstellen. Die Tageszeitkonnte mit Hilfe von Stundenmarkierungen abgelesen wer-den, die zu ebener Erde angebracht waren. Auf der Meridian-linie befanden sich außerdem Markierungen, die den Wech-sel der Sonne in ein anderes Tierkreiszeichen anzeigten. PLI-NIUS beschreibt diesen gigantischen Schattenwerfer, denVorläufer unserer Normaluhr, wie folgt:

„Dem Obelisken, der auf dem Campus Martius steht, gabder vergöttlichte Augustus eine wunderbare Verwendung.Um die Schatten der Sonne und folglich die Länge der Tageund Nächte erfassen zu können, schuf er einen mit Stein-platten belegten Platz entsprechend der Größe des Obelis-ken. Am Tage der Vollendung der Wintersonnenwende zursechsten Stunde (d. h. zum wahren Mittag; d. Verf.) sollteder Schatten der Größe des Obelisken gleich werden, unddann allmählich, wie es die eingetragenen Bronzelinien an-

zeigten, von Tag zu Tag abnehmen und schließlich wiederzunehmen: eine bemerkenswerte Erfindung, die dem Geniedes Mathematikers FACUNDUS NOVIUS zu danken war.“

In einem späteren Abschnitt werden wir noch die Proble-matik eines senkrechten Schattenwerfers untersuchen.

Von den Indern wird berichtet, daß sie die Mittagslinie ausgleichen Schattenlängen bestimmten, indem sie um den Fuß-punkt des Gnomons konzentrische Kreise zogen. Diese soge-nannten indischen Kreise wurden bereits von VITRUVIUS be-schrieben und stellen eine einfache Methode zur Bestim-mung der Nord-Süd-Linie dar, wie sie noch heute vielfachgehandhabt wird.

Eine gnomonische Großanlage ist in der indischen StadtJaypur bei Delhi erhalten geblieben. 16 große Instrumentezeugen hier von der jahrtausendelangen Entwicklung der in-dischen Zeitmeßkunst und Astronomie. Die prachtvollenBauwerke sind allerdings zeitlich nicht dem Altertum zuzu-ordnen, sie wurden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundertsunter dem naturwissenschaftlich interessierten Maharadschavon Jaipur Sawei Jai Singh II. erbaut.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Technik wuch-sen auch die Anforderungen an die Genauigkeit der Zeitan-zeige. Für die Messung kleinerer Zeitspannen beispielsweisewar die Anzeige eines Gnomons nicht geeignet. Wollte mandie Redezeit oder die Dauer einer Audienz bemessen, so be-durfte es anderer Zeitmesser, die auch beweglich sein muß-ten. Diese Forderungen erfüllten Wasseruhren, deren Bau inder Antike eine hohe technische Perfektion erreichte.

Der weitgereiste griechische Forscher HERODOT bezeich-net den chaldäischen Mathematiker und Astronomen BERO-SOS (7. Jh. v. Chr.) als Erfinder der Sonnenuhr. Von dessenzahlreichen astronomischen Werken sind leider nur noch Tei-le erhalten geblieben. BEROSSOS errichtete auf der griechi-schen Insel Kos eine Schule, von der aus die Griechen dieSonnenuhr kennenlernten. Der Einfluß der geographischenBreite auf die Konstruktion einer Hohlkugelsonnenuhr dürfteBerosos schon bekannt gewesen sein. Es ist auch anzuneh-men, daß seine Vorstellung von der Gestalt der Erde bereitsder Wahrheit nahe kam.

Zum Verständnis der Sonnenuhren des Altertums muß vor-ausgeschickt werden, daß sie sich in ihrer Mehrzahl von denSonnenuhren der Neuzeit grundsätzlich unterscheiden. DieserUnterschied hängt mit dem Grundproblem der Gnomonik zu-sammen. Im Gegensatz zur gleichförmigen scheinbaren Be-

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1.3. Sonnenuhren in der Antike

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wegung der Sonne bewegt sich der Schattenendpunkt auf ebe-nen Auffangflächen ungleichförmig. Dabei spielt es keineRolle, ob die Fläche vertikal oder horizontal ist. Aus diesemGrunde wählte man in der Antike meist sphärische Auffang-flächen, auf denen sich der Schattenendpunkt gleichförmigbewegt. So ist auch die Bevorzugung der sogenannten Skaphe(im Griechischen wurde jeder ausgehöhlte Körper so bezeich-net) verständlich, die ebenfalls auf Berosos zurückgeht.

Die Hohlkugel bildete den Grundkörper für eine Reihe vonSonnenuhrenarten in Griechenland und im RömischenReich. Die Spitze des Gnomons befand sich im Kugelmittel-punkt und markierte mit ihrem Schatten den jeweiligen Tag-bogen der Sonne auf der Innenfläche der Hohlkugel. DieTagbögen der Sonne wurden in Auswahl konstruiert und bil-deten gemeinsam mit den Stundenlinien ein Liniensystem,bei dem sowohl die Zeit als auch das Datum ablesbar waren.Wir können die Skaphe als ein verkleinertes Negativbild derHimmelshalbkugel bezeichnen.

Unter Kaiser Augustus befaßte sich der Baumeister undKriegsingenieur VITRUVIUS unter anderem auch mit Fragender Zeitmeßkunst. In seinem Werk „De architectura“ („Überdie Architektur“) beschrieb er nicht weniger als 13 Arten vonSonnenuhren. Damit dokumentierte er den hohen Stand derGnomonik jener Zeit. Das von ihm beschriebene Hemicycli-um in Velletri ist eine Hohlkugelsonnenuhr, die sich in einemabgeschrägten würfelförmigen Block befindet (Bild 1.3.).Sie besaß den Vorteil, daß die Zeit auch aus einer größerenEntfernung abgelesen werden konnte. Das halbkugelförmigeHeliotropium hatte im Gegensatz dazu den Nachteil, daßman aus geringer Entfernung hineinschauen mußte. Von denGriechen wird berichtet, daß ARISTARCH von Samos um250 v. Chr. derartige Sonnenuhren anfertigte.

Eine Anzahl antiker Sonnenuhren wurde im 18. Jahrhun-dert ausgegraben. Sie sind durchweg aus widerstandsfähi-gem Stein (Marmor, Travertin u. dgl.) gefertigt und zeugenebenfalls vom hohen Stand der Sonnenuhrenfertigung in derdamaligen Zeit. Beliebt waren im Altertum auch kegelförmi-ge Sonnenuhren, deren Uhrfläche ein hohler Kegelmanteldarstellte. Nach VITRUVIUS handelt es sich um eine Erfin-dung des DIONYSIODOROS.

Der Anwendungsbereich der Skaphe erstreckt sich nichtnur auf die Zeitbestimmung, mit ihnen wurden auch Sonnen-höhen gemessen sowie Polhöhen und Polhöhenunterschiedebestimmt. Beispielsweise ermittelte ERATOSTHENES (276 bis195 v. Chr.) die Polhöhendifferenz zwischen Alexandria und

Syene mit einer für die damalige Zeit hervorragenden Ge-nauigkeit, um damit die Größe der Erde zu bestimmen.

Hierzu muß bemerkt werden, daß die kugelförmige Gestaltder Erde bereits vor rund 2000 Jahren bekannt war. Man wuß-te auch, daß sich bei einem Ortswechsel die Gestirnshöhenveränderten und bei einer Reise nach Süden im nördlichenHimmelsbereich zunehmend Sterne verschwanden, währendim südlichen Bereich immer mehr Sterne emporstiegen.

Von großer praktischer Bedeutung waren auch schon in derdamaligen Zeit Sonnenuhren mit ebenen Flächen. Der Astro-nom und Mathematiker EUDOXUS war möglicherweise dererste, der im 4. Jahrhundert v. Chr. eine solche Sonnenuhrmit eingezeichneten Tierkreislinien herstellte. CLAUDIUS

PTOLEMÄUS (um 90 bis 160 n. Chr.) beschrieb diese Art derZeitmessung auf eine etwas umständliche Weise:

Bei bekannter geographischer Breite, Deklination und Ta-gesstunde konnte durch Zeichnung oder durch Berechnung

1.3. In Velletri ausgegrabenes Hemicyclium mit einem horizonta-len Gnomon. Die Schattenlänge kennzeichnet den Jahres-lauf der Sonne, der hier nur in die beiden Wendekreise sowiein den Himmelsäquator unterteilt wird. Bei hochstehenderSonne im Sommer zieht das Schattenende den unteren, beitiefstehender im Winter den oberen Bogen.

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1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren

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der Ort des Schattenendpunktes gefunden werden. PTOLE-MÄUS, der durch seine Darstellung eines geozentrischenWeltsystems bekannt ist, hat das gnomonische Wissen seinerZeit gesammelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

An dem bekannten achteckigen Turm der Winde in Athen,der aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. stammt, wurden späterinsgesamt acht Sonnenuhren angebracht. Sie befanden sichunter den geflügelten Windgöttern. Wegen ihrer unterschied-lichen Lage zu den Himmelsrichtungen handelte es sich umverschiedene Arten von abweichenden sphärischen und ver-tikalen Uhren mit horizontalen Gnomonen.

Eine horizontale Sonnenuhr befindet sich auf einer im Jah-re 1814 an der Via Appia gefundenen quadratischen Mar-morplatte (Bild 1.4.). Der die Uhr umgebende Kreisring ent-hält die griechischen Bezeichnungen der zwölfteiligenWindrose sowie einen Hinweis auf das Herkunftsland. Das„Zifferblatt“ wird durch die gekrümmten Linien der Sonnen-wendtage begrenzt. Die dem Fußpunkt des senkrechtenSchattenwerfers nächste Linie kennzeichnet die Sommerson-nenwende. Die geschwungene Form des Zifferblattes wirdals Pelekine (griech.: Axt, Beil) bezeichnet.

Die Stundenpunkte sind untereinander durch gerade Lini-en verbunden; die Linie für den Frühlings- und Herbstbeginnverläuft ebenfalls als Gerade. Das Fehlen von Stundenbe-zeichnungen darf nicht verwundern, da man auf den antikenUhren die Stunden in den meisten Fällen einfach abzählte:

Das Bild 1.5. zeigt ein Antiboreum, eine besondere Formeiner antiken Hohlsonnenuhr. Der in den Jahreszeiten unter-schiedliche Lichteinfall geschieht durch eine Lochblende.

In seiner Komödie „Boeotia“ läßt der römische DichterPLAUTUS alle Sonnenuhren in Rom durch einen gefräßigenNichtstuer verfluchen: „Einst war es sein Magen, der ihm die

1.5. Antiboreum

1.4. Zifferblatt einer römischen Horizontaluhr 1.6. Ein römischer Sklave „holt” die Zeit

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1.3. Sonnenuhren in der Antike

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Essenszeiten anzeigte, heute dagegen müsse er sich nach denSonnenuhren richten und oft lange warten, und die Stadt seivoll von solchen Zeitanzeigern.“ PLAUTUS hat hier zweifel-los stark übertrieben. Die Anzahl der Sonnenuhren in Romwar damals nicht sehr groß. Erst 293 v. Chr. wurde die ersteSonnenuhr aufgestellt, rund viereinhalb Jahrhunderte nachder Gründung der Stadt. Es handelte sich dabei um eine Ska-phe. Über drei Jahrzehnte später gelangte eine weitere Son-nenuhr nach Rom, die der Konsul Valerius Messala alsKriegsbeute aus Catania auf Sizilien mitbrachte. Die unter-schiedliche geographische Breite zwischen Catania und Rombedingte zwar eine fehlerhafte Zeitanzeige, die jedoch nichterheblich gewesen sein mag. Die Römer begnügten sich 99Jahre mit diesen beiden Sonnenuhren. Erst MARCIUS PHILIP-PUS ließ 164 v. Chr. eine für die Breite von Rom berechneteSonnenuhr daneben aufstellen.

In diese Zeit fällt der Bau zahlreicher Sonnenuhren. Vor-nehme Römer ließen diese Errungenschaft der Zeitmeßkunstin ihren Gärten aufstellen. In zunehmendem Maße wurdenSonnenuhren auch auf öffentlichen Plätzen aufgestellt, undwer sich keine eigene leisten konnte, mußte die Zeit von dort„holen“ (Bild 1.6.).

Neben derartigen Groß-Sonnenuhren, die für die Öffent-lichkeit bestimmt waren, verwendete man auch „Taschen-Sonnenuhren“ im Kleinformat. Da der Magnetkompaß nochnicht bekannt war (er wird in Europa erst im 12. Jahrhunderterwähnt), war eine Ausrichtung nach dem Kompaß damalsnicht möglich. Die Zeitbestimmung basierte deshalb auf demMessen der Sonnenhöhe und unterschied sich daher grund-sätzlich von den späteren Polstabsonnenuhren. Bild 1.7. zeigteine dosenähnliche Sonnenuhr mit sieben strahlenförmigenLinien, die nur 5 cm groß ist. Nach dem Prinzip des Sonnen-ringes wird die Uhr so an der Öse gehalten, daß das Sonnen-licht durch die kleine Öffnung fallen kann. Das kleine dreh-bare Lineal im Mittelpunkt wird auf das entsprechende Da-tum gestellt. Auf dem Lineal bildet sich der Lichtfleck abund zeigt an, durch welchen Stundenpunkt des betreffendenDatums der Sonnenstrahl verläuft.

Bei Ausgrabungen des durch den Vesuv verschütteten Por-tici wurde 1755 ein eigenartiger Fund gemacht, der mehr anein Amulett als an eine Sonnenuhr erinnert. Diese, wegen ih-rer Form als schinkenförmig bezeichnete Sonnenuhr ist aneinem Ring so aufhängbar, daß der Schattenendpunkt deskleinen dornartigen Gnomons auf die betreffende Monatsli-nie der Einteilung fällt (Bild 1.8.).

1.7. Kleine römische Taschensonnenuhr

1.8. „Schinkenförmige” römische Sonnenuhr

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1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren

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Die bisher beschriebenen Reiseuhren bzw. Hängeuhren(viatoria, pensilia) waren nur für eine bestimmte geographi-sche Breite verwendbar. VITRUVIUS erwähnte auch Sonnen-uhren, die für alle Breiten verwendet werden konnten. Sie äh-nelten in ihrem Aufbau dem Universalring, einer kleinenäquatorialen Ringkugeluhr mit Hängevorrichtung und ver-stellbarer Polhöhe.

Die auf der Höhenmessung der Sonne basierenden Son-nenuhren unterscheiden nicht zwischen den Vormittags- undNachmittagsstunden. In Zweifelsfällen mußte man warten,ob sich der Schatten in Richtung Mittagslinie bewegt odervon ihr weg.

Ein entscheidender Unterschied bestand bei der Stunden-teilung der antiken Sonnenuhren gegenüber den heute ge-bräuchlichen: Die uns vertraute, von der Jahreszeit unabhän-gige Stundenlänge war damals nicht bekannt. Statt dessenunterteilte man die Zeitspanne des lichten Tages zwischenSonnenaufgang und -untergang in 12 gleiche Temporalstun-den, die in Abhängigkeit von der Tageslänge je nach Jahres-zeit unterschiedlich lang ausfallen mußten. Dieser Unter-schied ist auf der Abb. 1.3 gut zu erkennen.

Für die geographische Breite von Athen (38° n. Br.) ergabsich im Winter eine Tageslänge von 9 h 22 min, d. h. eineStundenlänge von 47 min. Im Sommer lag die Tageslänge da-gegen bei 14 h 38 min, die Stundenlänge demzufolge bei 73min. Der Tag - und damit auch jede antike Stunde - war imSommer somit um den Faktor 1,6 länger als im Winter. Nurzum Frühlings- und Herbstbeginn waren die Stunden je 60min lang. In unseren geographischen Breiten sind die Unter-schiede zwischen Sommer und Winter größer, der Faktor liegtbei 2 bis 2,4. Diese sogenannten Temporalstunden waren nochbis ins Mittelalter im Gebrauch, jedoch haben sie sich infolgeihrer unterschiedlichen Längen bei den mechanischen Räder-uhren nicht mehr bewährt. Die von der Jahreszeit unabhängi-gen und gleich langen Äquinoktialstunden, wie wir sie heutekennen, erwiesen sich als weitaus praktischer.

1.4. Gnomonik der Araber

In astronomiegeschichtlichen Abhandlungen wird in vielenFällen nicht oder nur in geringem Maße auf die wissenschaft-

lichen Leistungen der Araber eingegangen. Es kann daherleicht der Eindruck entstehen, als gäbe es zwischen der Blüte-zeit der griechischen Astronomie, von Ptolemäus im 2. Jahr-hundert bis Copernicus im 16. Jahrhundert, eine große „Pau-se“ von beinahe eineinhalb Jahrtausenden. Dabei waren es ge-rade die Araber, die das Erbe der Antike durch ihre Überset-zungen wissenschaftlicher Werke weiterverbreitet und damiterhalten haben. Sie schlugen so die Brücke von der Wissen-schaft der Antike zur Wissenschaft des abendländischen Mit-telalters und vermittelten bereits mehreren vorcopernicani-schen Wissenschaftlern Anregungen, sich mit dem Gedanken-gut der Antike zu beschäftigen. Dazu gehört das grundlegendeWerk, das „Große Astronomische System“ („megale synta-xis“, auch „matematika syntaxis“) des Ptolemäus (160n. Chr.), das 827 unter dem Titel „Kitab al magesti“ ins Arabi-sche und im 12. Jahrhundert ins Lateinische übersetzt wurdeund heute allgemein unter „Almagest“ bekannt ist.

Auch bereicherten die Araber die Gnomonik mit einernicht unbedeutenden Anzahl eigener Werke. Im Reiche derAbassiden, die 500 Jahre regierten, kam es zu einer hohenBlüte von Wissenschaft und Kultur. Die Bedingungen fürden kulturellen und wissenschaftlichen Aufschwung warengünstig: Der hohe Stand der Landwirtschaft mit ihren oftkunstvollen Bewässerungsanlagen, das hoch entwickelteHandwerk, der Fernhandel, aber auch gewisse religiöse Be-dürfnisse förderten die Entwicklung der Naturwissenschaf-ten, vor allem der Mathematik und Astronomie.

Der gläubige Mohammedaner mußte fünfmal am Tage sei-ne Gebete mit Blickrichtung nach Mekka verrichten und warsomit gehalten, diese Richtung wenigstens annähernd zu be-stimmen. Aus dieser religiösen Vorschrift ergaben sich daherzwei mathematisch-astronomische Probleme, die mit Hilfeder Gnomonik gelöst werden konnten: Die Bestimmung derZeit und die der Gebetsrichtung. Dies wirkte sich förderndauf die Gnomonik jener Zeit aus. Hinzu kamen auch noch diegünstigen Beobachtungsverhältnisse in diesem Teil der Erde.

AL-BATTANI (Albategnius, gest. 929) erwähnt sowohl ho-rizontale als auch vertikale Sonnenuhren, die einen Stab be-sitzen, der senkrecht auf der Zifferblattebene steht. Von ihmstammt auch eine Horizontaluhr (Bazitah), bei der der Fuß-punkt des Gnomons im Mittelpunkt eines Kreises steht, sodaß die Dauer des kürzesten und die des längsten Tages er-mittelt werden konnte.

Von TABIT BEN QARRA (826 - 921) stammen mehreregrundlegende Werke der Gnomonik, wie „über die Sonnen-

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1.4. Gnomonik der Araber

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uhren“ und „über die Konstruktion der Schattenlinien desGnomons der Sonnenuhren“. Ihm war bereits bekannt, daßdie Spitze des Stabschattens täglich eine Kegelschnittkurvedurchläuft. Große Verdienste erwarben sich auch ABU-WEFA, ABU-JUNI und ABUL-HASSAN mit ihren Konstruktio-nen und Berechnungen.

Ein großer Aufschwung der Gnomonik wurde durch IBN-JUNI (gest. 1009 in Kairo) erreicht. Von ihm stammen zahl-reiche praktische Arbeiten für die bekannten HakemitischenTafeln.

HASSAN VON MAROKKO (gest. um 1270) faßte die Fülleder gnomonischen Berechnungen und Konstruktionen vonSonnenuhren zusammen. Er kann als der letzte großeGnomoniker der arabischen Wissenschaft bezeichnet wer-

den. Mit Hilfe seines graphischen Verfahrens (Hafir) konnteman die Schattenlänge für jede Stunde eines Tages sowie desJahres an einem gegebenen Ort mit einem Zirkel abgreifen.

Wie schon erwähnt, schrieb der Koran die Einhaltung derGebetsrichtung nach Mekka vor, die sogenannte Kibla (ara-bisch qibla, gesprochen iblá). Diese äußerst wichtige Vor-schrift veranlaßte schon frühzeitig arabische Astronomen,sich mit der Ermittlung der Gebetsrichtung zu befassen unddabei auch die Gnomonik mit einzubeziehen. Bei vielen Mo-scheen wurden daher Sonnenuhren angebracht, um den Ein-tritt des Schattens in die Qiblah-Richtung zu beobachten unddiesen Augenblick vom Minarett der Öffentlichkeit zu ver-künden. Ohne geodätische oder astronomische Kenntnissevermochte der Muwaqqit, der „Zeitanzeiger-Moschee-

Islamische Sonnenuhr an der Mauer der Mohammed-Ali-Festung in Kairo.1920 unserer Zeitrechnung bzw. 1298 nach der Hedschra

(Foto: A. Zenkert)

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1. Aus der Geschichte der Sonnenuhren

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Astronom“, mit Hilfe der Indischen Kreise die Kibla-Rich-tung festzulegen. War diese Richtung bekannt, brauchte derMuslim sein Gesicht nur dem Eigenschatten zuzuwenden.

Die Einhaltung der fünfmaligen täglichen Gebetszeiten er-forderte eine genaue zeitliche Festlegung. Für die Gebete vorSonnenaufgang, zur Mittagszeit, zum Sonnenuntergang so-wie nach dem Sonnenuntergang war die Festlegung nichtproblematisch. Wenn am Nachmittag die Länge des eigenenSchattens der Körpergröße entsprach, war der Beginn für dasAsr-Gebet angesagt. Daneben enthielten die Sonnenuhrenauch Markierungen für das Nachmittagsgebet.

Unter König Alfons X. (dem Weisen) von Kastilien wur-den wichtige Werke der arabischen Wissenschaft, darunterfünf über Zeitmesser, ins Kastilische übersetzt. Eine Reihevon Instrumenten wurde von den Arabern entwickelt bzw.weiterentwickelt. Eine besondere Bedeutung kommt demAstrolab, als eine Art Universalinstrument, zu. Bei dem ein-fachen Astrolab (Planisphaerium) handelt es sich als der aufeine Ebene projizierte Sternhimmel, ähnlich einer drehbarenSternkarte. Die drehbare Scheibe dient zur Ermittlung dessichtbaren Sternhimmels, der Stellung der Sterne in Azimutund Höhe und ihrer Auf- und Untergänge. Für die Positions-bestimmungen war das Astrolab für die Seefahrer unentbehr-lich. Astronomische Uhren vom 15. bis 18. Jahrhundert zei-gen das Prinzip des Astrolabs auf ihren Zifferblättern.

1.5. Mittelalterliche Sonnenuhren

Nach dem Untergang des römischen Reiches und den Wirrender Völkerwanderung war über Sonnenuhren wenig zu be-richten. Das sich ausbreitende Christentum trug dazu bei, daßman sich wieder auf die Sonnenuhren besann. Die aus Romnach England gekommenen Benediktiner missionierten seitdem 7. Jahrhundert in zunehmenden Maße auf dem Festland.In den zahlreich entstandenen Klöstern verlangte die kanoni-sche Ordensregel eine feste Tagesordnung der Gebets- undGottesdienstzeiten, wie die Prim, Terz, Sext (Mittagszeit),None, Vesper und das Completorium (Nachtgebet). In denKlöstern wurde großer Wert auf die Einhaltung dieser Folgegelegt, was sich letzthin förderlich auf die Gnomonik aus-wirkte.

Mittelalterliche Sonnenuhr an der Kirchein Großwieden (Nieders.)

Mittelalterliche Sonnenuhr an der Kirchein Redekin bei Genthin (Sachs.- Anh.)

(Foto: A. Zenkert)

(Foto: H. Rau)