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Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Festschrift

Zu den

700-Jahrfeiern

In Vorderweidenthal und

Oberschlettenbach

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© 2013

Herausgeber:

Ortsgemeinde Vorderweidenthal und Oberschlettenbach

Gesamtredaktion:

Lothar Wagner, Dr. Jannpeter Zopfs

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Vorwort

Jannpeter Zopfs, Lothar Wagner

700-Jahre-Jubilaum für zwei Nachbargemeinden - was feiern wir da? Bei Licht

besehen eigentlich nur, dass es unsere Ortschaften unter bestimmten Namen gibt und

den Zufall, dass diese Namen - Widental und Slethenbach - vor gerade 700 Jahren

schon einmal aufgeschrieben wurden, mehr nicht.

Wenn zwei oder mehr Leute von einem nicht Anwesenden sprechen, müssen sie

sicher sein, dass sie denselben meinen. So wurde er dann seit je mit einem Namen

benannt und zur näheren Unterscheidung wurde bei gleichem Namen für mehrere

Leute noch die Herkunft hinzugefügt. Herkunft bedeutete zunächst einmal die

Abstammung. Noch heute nehmen deshalb die Isländer einfach den (Vor-)Namen

ihres Vaters und setzen dahinter „Sohn“oder „Tochter“: August Ludwikson, Anja

Ludwiksdottir. In allen nordischen Ländern, häufig auch in Norddeutschland findet

man in vielen Familiennamen darum die Nachsilbe „sen“oder „son“(z. B.

Detleffsen). Herkunft konnte aber auch besonders in Adelsnamen gemeint sein als

die Wohnstatt (Friedrich Vordemberge) oder der jeweilige Wohnort (Markward von

Annweiler). Natürlich setzt ein solcher Sprachgebrauch voraus, dass zumindest die

Beteiligung und deren Umgebung diese Wohnstatt oder diesen Wohnort kennen.

Zwangsläufig ergibt sich daraus, dass der Name eines bestimmten Ortes immer erst

lange nach der Gründung dieses Ortes so allgemein sieh eingebürgert hat, dass man

diesen Ortsnamen als Herkunfts - und Unterscheidungsmerkmai verwenden kann.

Damit steht fest, dass die die erstmalige urkundliche Erwähnung eines Ortes immer

voraussetzt, dass es diesen Ort unter diesem Namen anerkanntermaßen schon lange

gab. „Slethenbach“ und „Widental“sind demgemäß deutlich mehr als 700 Jahre alt.

Weiter und vor allem ist zu bedenken, dass der Anlass für eine urkundliche

Erwähnung in jedem Einzellfall ebenso zufällig sich ergeben hat wie der Umstand,

dass ausgerechnt diese Urkunde über all die Jahre aufbewahrt und erhalten worden

ist. Meistens lag das daran, dass mit der Urkunde eine besondere Berechtigung

nachgewiesen werden sollte - im Fall unserer Ortschaften das verhasste sogenannte

„Besthauptrecht“ des Klosters. Oder es sollte ein Rechtsgeschäft wie Kauf,

Verpachtung Vererbung, Belohnung unangreifbar gemacht werden: Wer schreibt,

der bleibt! Aber wer konnte damals schon schreiben? Die meisten Mensehen nicht,

nicht einmal im Kloster. Das änderte sich sehr langsam. Je näher man an die heutige

Zeit kommt, umso zahlreicher werden die auffindbaren Schriftstücke. Und im Fall

unserer Dörfer kommt der glückliche Umstand hinzu, dass die Burg Lindelbrunn -

die wir mit dieser Festschrift auch und besonders und zu Recht feiern - schon etwa

100 Jahre vor 1313 gebaut wurde.

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Jedenfalls ist eine mehrhundertjährige Wiederkehr eine gute Gelegenheit nicht nur

zu feiern, sondern über die vergangenen vielen hundert Jahre ebenso nachzudenken

wie über das, was wir aus ihnen gelernt oder auch nicht gelernt haben. So ist die

vorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig

von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

und Nach-Denkens.

Meistens wird beim Ortsjubiläum versucht, mehr oder minder genau und ausführlich

über die Entwicklung des Ortes, über die Ortsgeschichte und -vereine zu berichten

unter Gesichtspunkten „bekannte Ereignisse oder Personen“, „wirtschaftliche

Veränderungen“, „Kirchen- und Schulhistorie“, „Vereinsleben und

Ortsbräuche“usw. usw. Weil nun aber für unsere beiden Ortschaften die

maßgeblichen Vereine, der Sportverein „Blau Weiß „Vorderweidenthal und der

Männergesangsverein Oberschlettenbach in den letzten Jahren aus dem Anlass

großer Vereinsjubiläen eigene umfangreiche Festschriften herausgegeben haben,

soll hier nur auf diese Vereinschroniken verwiesen werden.

Es soll mit dieser Festschrift versucht werden, einen umfassenden Gang durch die

häufig gleichläufige Geschichte unserer Ortschaften zu gehen. Daneben behandeln

einzelne besondere Geschichten Merkwürdigkeiten, die sich gewissermaßen

beispielhaft zugetragen haben und so das Alltagsleben damals kenntlich machen

können. Im Vordergrund sollen nicht die Leistungen, Erfolg und Errungenschaften

unserer Gemeinden stehen. Eher gilt es, immer wieder hervorzuheben, aus welchen

zufälligen Ursachen gerade diese beschriebenen Menschen und ihre Umstände sich

für uns in irgendwelchen Schriftstücken so erhalten haben, dass wir von ihnen

berichten können. Vielleicht sehen wir dann, dass ein großartiges Denkmal oder eine

bewundernde Beschreibung im Gedieht oder in der Chronik weniger Eigenständiges

oder Beispielhaftes zeigen kann als ein Alltagsbild.

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Autorenverzeichnis

Dr. Martin Armgart, Speyer Richard Kalkofen †, Oberschlettenbach

Alwin Becker, Vorderweidenthal Kurt Seegmüller

Martin Buse, Oberschlettenbach Rolf Übel M. A., Landau

Monika Cämmerer †. Karlsruhe Siegfried Vater, Billigheim- Ingenheim

Friedhelm Hans, Landau Lothar Wagner. Vorderweidenthal

Artur Helfer. Vorderweidenthal Dr. Dietmar Wittenberg,

Oberschlettenbach

Walter Hunsicker, Oberschlettenbach Heinz R. Wittner. Großfischlingen

Gero Kaleschke. Speyer Dr. Jannpeter Zopfs, Oberschlettenbach

Für den Inhalt der Beiträge sind die Verfasser verantwortlich.

Die ausgeber bedanken sich bei allen Leihgebern für die überlassenen Fotos und

bildlichen Darstellung.

Bildnachweis:

Becker, Alwin S. 292, 294, 295

Berthold. Johannes S. 161, 163, 175

Franck H. U.: S. 51, 220

Hans Friedhelm S. 96, 105, 125, 126, 130, 137, 139, 143,

144, 147, 149, 150, 152, 153, 154, 157,

172, 173, 174, 176, 179, 187, 188

Hauptstaatsarchiv München S. 17

Hüther, Hans- Günter S. 53, 61, 68, 70. 75. 76, 79, 82, 84, 85, 88,

194, 197-198, 205, 208-211, 255, 278, 299

Kaleschke, Gero S, 183

Kunstdenkmäler der Pfalz S. 119

Landesarchiv Speyer S.63, 228, 250

National Arches, Washington (DC) S.91

Pfalzatlas S, 99

Stadtarchiv Landau S. 253

Übel Rolf S. 30, 32-34, 37

Institut für Pfälzische Geschichte

Und Volkskunde, Kaiserslautern S. 21,24, 27. 35, 38

Van Schie, Paul S.255

Vater, Siegfried S,302,303,

Wagner, Lothar S.74,83, 145, 156, 192.270,348

Weber, Otmar S. 269

Wittenberg, Ditmar S. 341-345

Zeitgenössische Darstellung S.55

Zentralarchiv Speyer S.94

Zopfs, Jannpeter S.275

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Grußwort

700 Jahre Oberschlettenbach und Vorderweidenthal

700 Jahre ist es nun her, dass die Existenz von Oberschlettenbach und

Vorderweidenthal schriftlich belegt ist. Beide Gemeinden werden in ein und

derselben Urkunde erstmals erwähnt und können deshalb 2013 gemeinsam ihr

Jubiläum feiern. Im Namen der Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Südliche

Weinstraße gratuliere ich beiden Ortsgemeinden ganz herzlich zu diesem runden

Geburtstag.

Auch im weiteren Verlauf ihrer Geschichte hatten beide Gemeinden vieles gemein.

In der schönen Festschrift, die Sie gerade in den Händen halten, können Sie sich über

die wichtigsten Stationen dieser gemeinsam erlebten Vergangenheit informieren.

Sehr schnell werden Sie dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass es eine „gute alte

Zeit“nie gegeben hat. Jahrhundertelang war das Leben der Menschen in

Oberschlettenbach und Vorderweidenthal von Härte und Mühsal geprägt. Die

idyllische Lage beider Dörfer darf darüber nicht hinweg täuschen. Viel Armut

herrschte in jenen Waldgemeinden. Was es noch vor einhundert Jahren bedeutete,

dort Landwirtschaft zu treiben, können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen.

Es gehört aber auch zu den Gemeinsamkeiten der Bewohner dieser zwei Gemeinden,

dass sie schon immer ihr Schicksal in die eigene Hand genommen haben. Manche

wanderten aus, um ihr Glück in der Ferne zu finden, die meisten aber blieben und

versuchten die Verhältnisse vor Ort zu verbessern. Mit welchem Ergebnis ihnen dies

gelungen ist, davon kann sich jeder überzeugen, der heute mit offenen Augen durch

Oberschlettenbach und Vorderweidenthal geht. Er sieht zwei schöne Dörfer, deren

Bewohner zu Recht stolz darauf sein können, was sie und ihre Vorfahren erreicht

haben.

Mit dem Buch haben sich beide Gemeinden ein sehr nachhaltiges Geschenk selbst

bereitet. Noch in vielen Jahren wird die Festschrift „das“Geschichtsbuch

Oberschlettenbachs und Vorderweidenthals sein. Ich wünsche dem Werk die gute

Aufnahme, die es verdient und kann Ihnen nur raten: Lesen sie die Chronik von

vorne bis hinten - Sie werden es nicht bereuen.

Mit freundlichen Grüßen

Theresia Riedmaier

Landrätin

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Grußwort

700 Jahre Oberschlettenbach und Vorderweidenthal

Ortsjubiläen zu feiern hat in der Südpfalz Tradition. Dass aber zwei Dörfer

zusammen das 700-jährige Jubiläum ihrer ersten Erwähnung in einer Urkunde

begehen können, ist ungewöhnlich. Und dass die beiden Gemeinden auch noch

gemeinsam ein Buch zum Ortsjubiläum auflegen, kann man mit Fug und Recht als

Novität bezeichnen.

Begründet ist dies allemal: Vorderweidenthal und Oberschlettenbach werden beide

in einer Urkunde aus dem Jahre 1313 erstmalig genannt. Und sie haben über

Jahrhunderte eine fast gemeinsam zu nennende Geschichte, gehörten sie doch bis

zur Französischen Revolution zu den Dörfern des leiningisch - hardenburgischen

Amtes Lindelbrunn und bildeten auch zeitweise eine gemeinsame Schultheißerei.

Auch nach der Revolution, in der beide Dörfer selbstständig wurden, rissen die

Gemeinsamkeiten nicht ab - auch unter bayerischer Verwaltung ab 1816 blieb eine

gemeinsame Verwaltung zumindest zeitweise bestehen, die gerade in unserer

Verbandsgemeinde Bad Bergzabern ihren Ausdruck findet.

Bei so vielen historischen Gemeinsamkeiten bot es sich regelrecht an, auch die

Geschichte der beiden Dörfer in einer gemeinsamen Publikation zu den Dorfjubiläen

aufzuarbeiten - dies geschah hiermit zum ersten Mal. Die Ortsgemeinden feiern wohl

getrennt, aber das hier vorliegende Buch ist Ausdruck ihrer Verbundenheit über viele

Generationen - und auch Ausdruck des gemeinsamen Erinnerns an die Jahrhunderte

gemeinsam erlebter und auch erlittener Geschichte, von Freud und von Leid, Aufbau

und Zerstörung. Und hierzu sollen ja Ortsjubiläen auch dienen, zur gemeinsamen

Rückschau auf eine oft gemeinsame Geschichte. Vorderweidenthal und

Oberschlettenbach haben hier einen neuen Weg beschritten, einen gangbaren und

guten Weg. Ich wünsche dem gemeinsamen Jubiläumsbuch der beiden Orte eine

gute Aufnahme und den beiden Festwochenenden vom 14. bis 16. Juni bzw. vom

16. bis 18. August den wohlverdienten Erfolg.

Die 700- Jahrfeiern von Oberschlettenbach und Vorderweidenthal mögen den

Bürgerinnen und Bürgern Anlass sein, auf das Geleistete mit Stolz zurückzublicken.

Das festliche Jubiläum sei ihnen aber auch Ansporn, den gemeinsamen Weg weiter

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zu beschreiten, zum Wohle nicht nur ihrer Gemeinden, sondern auch der gesamten

Heimatregion.

Im Namen von Rat und Verwaltung unserer Verbandsgemeinde Bad Bergzabern und

auch persönlich überbringe ich den Jubiläumsgemeinden Oberschlettenbach und

Vorderweidenthal meine besten Wünsche für eine glückliche Zukunft. Den

Bürgerinnen und Bürgern wünsche ich viel Freude an ihrer neuen Ortschronik und

einen guten, fröhlichen Verlauf des Jubiläums 700 Jahre in Oberschlettenbach und

Vorderweidenthal.

Ihr

Hermann Bohrer,

Bürgermeister Verbandsgemeinde Bad Bergzabern

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Grußwort

700 Jahre erste urkundliche Erwähnung von

Vorderweidenthal. Das ist ein Anlass für mich, allen Bürgerinnen und Bürgern der

Ortsgemeinde meine herzlichsten Grüße und Glückwünsche zu übermitteln.

Mit der Jahreszahl 1313 tritt das Dorf Vorderweidenthal in die niedergeschriebene

Geschichte ein. Die 700 Jahre spiegeln Leid und Lebenswerk vieler Generationen

wieder, die alle Höhen und Tiefen unserer geschichtsträchtigen Südpfalz miterlebt

haben. Anfangs regiert von den Herren von Lindelbrunn, den Grafen von Leiningen,

wurde die Bevölkerung im 30-jährigen Krieg fast völlig ausgelöscht. Nach der

französischen Revolution Frankreich einverleibt, regierten uns hernach die Könige

von Bayern. Im 3. Reich in der „Roten Zone“des Westwalls gelegen, mussten die

Bürger zu Beginn des Krieges ihr Dorf in Richtung Oberfranken verlassen. Um einer

weiteren Evakuierung zu entgehen, erwarteten die Menschen das Kriegsende im

Stollen unterm Rappenfelsen, einem halb fertigen Lazarettbunker des Westwalls.

Alle diese Themen und die weitere Geschichte sowohl unseres Dorfes als auch jene

von Oberschlettenbach behandelt das Buch, das Sie gerade zu lesen beginnen. Sie

werden sehen, es lohnt sich, mehr über unsere beiden Dörfer zu erfahren. In

mühevoller Kleinarbeit haben unser 1. Beigeordneter Lothar Wagner und Dr.

Jannpeter Zopfs aus Oberschlettenbach aus verschiedenen Archiven das Material

über unsere Dörfer zusammengetragen. Beiden gilt mein besonderer Dank sowie

auch allen anderen Autoren. Dem gelungenen Werk wünsche ich eine gute

Aufnahme und eine rege Nachfrage.

Danken möchte ich allen, die sich im Festjahr in vielfältiger Weise engagieren, damit

wir am Ende auf ein gelungenes Jahr zurückblicken können.

Den Gästen, die anlässlich des Jubiläums zu uns nach Vorderweidenthal kommen,

wünsche ich einen angenehmen Aufenthalt und allen Veranstaltungen einschließlich

des Festumzuges guten Verlauf.

Artur Helfer

Ortsbürgermeister

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Grußwort

Zum 700-jährigen Bestehen entbiete ich unserer Gemeinde

Oberschlettenbach auch im Namen des Gemeinderates und persönlich herzliche

Grüße und Glückwünsche.

Unser Ortsjubiläum soll für alle Bürgerinnen und Bürger Anlass sein, sich mit der

wechselvollen Geschichte unserer Heimat zu beschäftigen. Wir sollten dabei auch

der beispielhaften Leistungen unserer Generationen gedenken, die auf den

Trümmern des letzten Krieges und der Naziherrschaft wieder einen demokratisch

und wirtschaftlich gesunden Staat aufgebaut haben.

In den 700 Jahren hat sich eine starke und unverwechselbare Lebensgemeinschaft

geformt. Heimat wurde als tragendes Fundament des dörflichen Lebens in der heute

knapp 150 Einwohner zählenden Gemeinde erfahren und dank Fleiß und Bürgersinn

zum wichtigsten Faktor für die ausgezeichnete Lebens-und Wohnqualität in

Oberschlettenbach entwickelt.

Nicht vergessen darf ich an dieser Stelle unseren 1881 gegründeten Männerchor der

mit der Geschichte unserer Gemeinde eng verbunden ist. Als tragende Säule des

örtlichen Kulturlebens hat er auch im kommunalen Bereich seinen

gemeinschaftsförderten Beitrag geleistet.

Ganz besonders freut es mich, dass wir in diesem Jahr die 700. Wiederkehr der ersten

urkundlichen Nennung im Jahre 1313 gebührend feiern dürfen. Ich darf Sie deshalb

herzlich einladen, beim Dorfjubiläum in Oberschlettenbach dabei zu sein. Freuen

Sie sich mit mir auf ein erlebnisreiches und sicherlich unvergessliches

Festwochenende vom 14. - 16. Juni 2013.

Ihr

Karl Walter

Ortsbürgermeister

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Inhaltsverzeichnis Seite

TEIL l: Geschichte

Erste urkundliche Erwähnung 1313 ............................................................ 13

Burg Lindelbrunn ........................................................................................ 21

Lindelbrunn (Gedicht) .................................................................................. 42

Ein Gang durch die Geschichte ................................................................... 43

Protestantische Kirchengemeinde Vorderweidenthal .................................. 95

Ereignisse im 19. Jahrhundert .......................................................... 113

Zwischen den Zeiten (nach dem Ersten Weltkrieg) ......................... 136

Von der Konsolidierung der Nachkriegszeit bis zum Ende

des 20. Jahrhunderts ........................................................................ 146

Die gotische Glocke von Vorderweidenthal und ihre Geschwister ... 168

Die Orgel(n) der protestantischen Kirche in Vorderweidenthal ................ 180

Tabellarischer Überblick zur jüngeren Geschichte (1991 bis 2013) ........... 189

Vorderweidenthal nach dem 2. Weltkrieg .................................................. 193

Oberschlettenbach nach dem 2. Weltkrieg ................................................ 208

Bürgermeister von Vorderweidenthal und Oberschlettenbach .................. 214

TEIL 2: Geschichten

Das „Amt“Lindelbrunn und der 30jährige Krieg ...................................... 215

Lindelbrunn und ein alter Schlettenbacher Name ..................................... 224

Unter französischer Fahne .......................................................................... 233

Todesstrafe für Meuchelmörder .................................................................. 246

Vom Wässern und Streiten in früheren Zeiten............................................ 254

Jüdisches Leben in Vorderweidenthal ....................................................... 259

Der gute Tod der Blümel Levie ................................................................. 271

Schlettenbachs Kampf um die Post ........................................................... 274

Vorderweidenthals Schicksalstage in den Jahren 1944/45 ........................ 280

TEIL 3: Dorfbilder

Stollenanlage Vorderweidenthal ............................................................... 289

Das Forsthaus Lindelbrunn ....................................................................... 297

Vum Roulschde un Brounerdsegg ............................................................. 300

Als das elektrische Licht nach Oberschlettenbach kam ............................ 333

Städter ziehen ins Dorf .............................................................................. 339

Die alten Gesichter der Langwiese (Eine Porttraitserie) ........................... 341

De Pingschdequack - ein alter Brauch in Oberschlettenbach .................... 346

Die Sage vom Lindenmütterlein ............................................................... 350

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Erste urkundliche Erwähnung - Wernherus de Slethenbach und andere Vorderweidenthaler bezeugen 1313 Klingenmünsters Recht auf Besthaupt, Bestkleid und Bannwein

Martin Armgart

„Item de Widental Crutwinus, Conzelinus filius Rudolfi, dictus Hetzel, Hertwicus,

Anshelmus, Waltherus et Wernherus de Slethenbach“. Vor 700 Jahren machte sich

eine Gruppe Vorderweidenthaler auf nach Speyer. Darunter war ein Mann, dessen

Herkunftsname nach Oberschlettenbach verweist.

Sicherlich geschah dieses häufiger. War doch Speyer im Mittelalter die weitaus

größte Stadt der Region, der Sitz des Bischofs (und Standort eines mächtigen Doms)

und ein zentraler Handelsplatz. Doch 1313 wurde die Anwesenheit beurkundet. Die

Urkunde hat sich bis heute erhalten: ein Pergamentblatt von etwa 40 x 28 cm. An

Pergamentstreifen sind Siegel angehängt. Ein auch optisch schöner Anblick ist sie,

die älteste urkundliche Erwähnung des Ortes.1 Seit diesem Jahr lässt sich die

Geschichte des Ortes anhand von schriftlichen Dokumenten nachverfolgen, wenn

auch zunächst in geringer Zahl: Nächste Nennungen 2 geschehen in einer Urkunde

von I386, die sich heute in einem westfälischen Adelsarchiv befindet3, und einer

Urkunde von 1428 im Landesarchiv Speyer. Beide sind ebenfalls im Original

erhalten.

Die sieben Vorderweidenthaler waren „iurati“, geschworene Vertreter des Dorfes.

Und nicht nur aus dem heutigen Vorderweidenthal, auch aus neun weiteren Dörfern

der Umgebung gingen Vertreter nach Speyer, insgesamt 35 „iurati“. Mit aufgemacht

hatte sich der Abt des Klosters Klingenmünster, Initiator der Aktion.

Uralte bislang in der örtlichen Tradition überlieferte Rechte sollten dort schriftlich

und in bester Form fixiert werden. Klingenmünster4 gehört zu den ältesten Klöstern

unserer Region. Ob es im 7. oder erst im frühen 8. Jahrhundert entstand - dieser

Forschungsstreit 5 braucht uns hier nicht zu berühren. Und auch darüber, wann die

Dörfer entstanden, aus denen Vertreter nach Speyer gingen, soll nicht spekuliert

werden. Ein festes Datum haben wir immerhin dank der Urkunde: im Jahre 1313 „in

die beati Galli confessoris“, am Festtag des heiligen Gallus, nach heutigem Kalender

am 16. Oktober, waren all diese Dorfvertreter in Speyer.

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Zwei Optionen, eine Beurkundung allgemeiner Glaubwürdigkeit zu erlangen, gab es

in dieser Stadt. Die beiden höchsten Geistlichen, der Bischof und der Dompropst

(gleichzeitig Archidiakon für den linksrheinischen Teil der damaligen Speyerer

Diözese), hatten zunächst selbst Gericht gehalten und geurkundet. Im späten 13.

Jahrhundert wurden Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit delegiert: die Richter des

bischöflichen Hofgerichtes (iudices curie Spirensis) bzw. der Offizial des

Dompropstes fungierten als Urkundenaussteller.6 Eine Steigerung war die (relativ

seltene) gemeinsame Gerichtssitzung beider Einrichtungen. Eine derartige

Gelegenheit nutzte nun der Klingenmünsterer Abt.

Der Urkundentext teilt nur das Datum der Gerichtssitzung mit: „in nostra

praesencia“- in Gegenwart der Richter gaben die Vertreter der zehn Dörfer ihre

einmütige Auskunft, was altes Recht war. Doch dürfte naheliegen, dass die

schriftliche Bestätigung, der uns heute vorliegende Urkundentext, sehr bald danach

ausgefertigt wurde. Von den 1313 angebrachten Siegeln der beiden Gerichte hängt

noch das des Oftmals. Es zeigt Christus als Weltenrichter mit Kreuznimbus und zwei

Schwertern über dem Mund. Das Siegel des geistlichen Gerichts ist hier zerbrochen,

aber aus vielen anderen Belegen bekannt: Abgebildet wird eine Gerichtszene: Auf

einer Bank sitzt ein Richter, auf Kopf ein Barett, in der ausgestreckten Rechten eine

Waage. Die linke Hand hat er auf die Brust gelegt.7

Welche alten Rechte waren dem Abt diesen Aufwand wert: Die in den zehn Dörfern

lebenden Eigenleute des Klosters (persona sancti Michahelis in Clingenmuenster)

nutzten Eigentum des Klosters (bonis sancti Michaelis). Im Laufe der Zeit war eine

Weitergabe des Nutzungsrechtes an die Erben üblich geworden. Als Gegenleistung

dafür (und zugleich als Erinnerung der Eigentumsrechte Klingenmünsters) musste

dem Abt bzw. dessen Nachfolger aus dem Nachlass das beste Stück Vieh gegeben

werden. Eingebaut war ein Schutz vor bäuerlichem Existenzverlust: War nur (noch)

ein Stück Vieh im Stall, wurde von der Abgabe abgesehen. Beim Tod einer dem

Kloster gehörigen Frau hatte der Abt ähnliche Rechte. Hier mussten die Erben das

beste Kleid abgeben. War nichts vorhanden, mussten die Erben einen Geldbetrag

zahlen, ein Schilling Heller (Münzen nach der Art von Schwäbisch-Hall). Durch

diese Besthaupt bzw. Bestkleid benannte Todfall - Abgabe wurde die persönliche

Abhängigkeit denkbar deutlich manifestiert: bäuerliche Existenz ist nur „geliehen“,

gebunden an den Abt als ihrem Oberherrn.

Ein zweites herrschaftliches Recht ließ sich der Abt bestätigen. Es wurde hierfür

gleich der deutsche Begriff angeführt, „rulgariter dicuntur banwin“. Das

Bannweinrecht8 erlaubte dem Herrn, zu bestimmten Zeiten allein zum

Weinausschank berechtigt zu sein. Klingenmünster besaß es zweimal im Jahr für

jeweils zwei Wochen (quindena, eigentlich 15 Tage): Zuerst genannt wird die Zeit

ab dem Fest des Klosterheiligen St. Michael - wenn besonders viele Besucher zur

Kirchweih nach Klingenmünster reisten. Der Termin, der 29. September, lag ebenso

in der Herbstzeit wie das zweite genannte Fest, Kreuzauffindung (exaltatio crucis)

am 14. September. De facto erhielt das Kloster in einer für den Weinverkauf

besonders attraktiven Zeit im Herbst das Schankmonopol in den Dörfern.

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Beide Rechte wurden von mittelalterlichen Menschen als so drückend empfunden,

dass in Speyer die Abschaffung der Todfall - Abgabe und des Bannweins 1111 als

wichtiger Schritt zur Etablierung einer privilegierten, persönlich freien städtischen

Bürgergemeinschaft angesehen wurde - und in goldenen Lettern über dem

Domportal angebracht wurde.9 Doch ehrlicherweise: heute mag mancher froh sein,

wäre seine „Erbschaftssteuer“ durch Weggabe des besten Kleidungsstückes aus dem

Nachlass erfüllt.

Die geschworenen Vertreter der Klosterdörfer (iurati sui villarum) haben diese

Rechte unter Eid vor den Speyerer Gerichtspersonen bestätigt. Die zehn Dörfer

bildeten offensichtlich einen „Klosterbezirk“, ähnlich der weit besser

dokumentierten Weißenburger Mundat. Der hier, 1313 greifbar werdende

Klingenmünsterer Klosterbezirk schließt sich offenbar direkt nördlich an den

Weißenburger an. Als Grenzen erschienen Kaiserbach und Erlenbach, im Westen

die Wasserscheide zu Queich und Wieslauter.10 Neben dem Klosterdorf

Klingenmünster gehörten dazu: Göcklingen, Gleiszellen, Pleisweiler, Bergzabern,

das untergegangene, nördlich von Niederhorbach lokalisierbare Dorf Weiler,

Münchweiler am Klingbach, Gossersweiler, Vorderweidenthal und Schwanheim.

Die Zahl der entsandten Geschworenen ist unterschiedlich, möglicherweise

abhängig von der Einwohnerzahl: Vorderweidenthal stellte dabei mit sieben

Geschworenen die größte Vertretung. Das Klosterdorf Klingenmünster entsandte

sechs Geschworene. Gleiszellen folgten mit vier Abgesandten, vier Dörfer mit je

drei, drei Dörfer mit zwei Vertretern. Bergzabern mag nur zum Teil dem Kloster

unterstanden haben.

Auch wegen des besonders großen Archivalienverlustes beim Kloster

Klingenmünster ist nichts Früheres über diesen Klosterbezirk belegt. Das zeigt sich

an den relativ späten Ersterwähnungen der Dörfer: Für Vorderweidenthal ist die

Nennung des Ortes 1313 die älteste urkundlich Erwähnung. Auch für

Oberschlettenbach, Silz und Stein, die als Herkunftsnamen von Geschworenen

erscheinen, bildet die Urkunde von l313 die älteste Nennung.

Das l313 in Speyer niedergeschriebene große Pergamentblatt mit den beiden Siegeln

der Richter wurde dann dem Klingenmünsterer Abt übergeben. 1457 ließ

Klingenmünster durch den Nachbarabt Diemar von Selz eine beglaubigte Abschrift

(Vidimus) anfertigen; ein zweites fertigte 1483 der Offizial des Speyerer

Dompropropstes.11 Das Kloster verwahrte das Pergament, solange es bestand. Und

auch sein Rechtsnachfolger, die kurpfälzische geistliche Güteradministration, hielt

es für aufhebenswert. In Heidelberg, dem Sitz der Administration, befand sich das

Stück, als um l800 eine neue Zeit die jahrhundertealten staatlichen Rechtstitel durch

neue Verwaltungsprinzipien ersetzte. Nicht mehr gerichtsverwertbares Dokument,

sondern Quelle der Geschichte war das Pergamentblatt seitdem. Die rechtsrheinische

Kurpfalz, Heidelberg, das Archivgebäude und das Pergamentblatt von 1313 wurden

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Eigentum des badischen Staats. Mit einer Zwischenstation in Mannheim wurden die

alten Archivalien nach Karlsruhe verbracht, in das dortige großherzogliche

Generallandesarchiv.

Nach 1860 vereinbarte Bayern, der neue Landesherr über die linksrheinische Pfalz

mit Baden einen Archivalienaustausch nach den neuen Grenzen. Doch ideal für

Forscher aus der Pfalz war diese Vereinbarung nicht. Die ältesten Quellen, bis zum

Stichjahr 1400, wurden für ganz Bayern in der Landeshauptstadt zentralisiert. So

machte sich auch die Ersterwähnungsurkunde auf ihre weiteste und bislang letzte

Reise, nach München. Im dortigen Bayerischen Hauptstaatsarchiv liegen sie

seitdem, im Sammelbestand „Rheinpfälzer Urkunden“. Und als Kuriosum erhielt die

Urkunde aus dem Jahre 1313 dort die Signatur „Rheinpfälzer Urkunden Nr. 1313“.

Die Urkunde fand auch überregionale Aufmerksamkeit als frühes Beispiel eines

„Bezirksweistums“. Als „Weistümer“bezeichnen Rechtshistoriker Texte, in denen

Vertreter einer dörflichen Gemeinschaft auf Ansuchen einer Obrigkeit Auskunft

(Rechtsweisung) über alten Rechtsbrauch geben. Das Editionsprojekt „Pfälzische

Weistümer“erfasst derzeit pfalzweit diese Quellen. Als Informationsquelle für sehr

alte Bräuche wurde bereits in der Romantik mit der Sammlung von Weistümern

begonnen. Dem Initiator Jakob Grimm waren sie ähnlich archaisch und wichtig wie

seine berühmte Sammlung von Volksmärchen. Im fünften Band seiner

Weistümersammlung ist ein Auszug der Urkunde von 1313 aufgenommen -

weggelassen sind die dem verallgemeinernden Rechtshistoriker nicht

interessierendem Namen der Geschworenen.12 Einen vollständigen Textabdruck

nahm der Karlsruher Archivar Franz Josef Mone in seiner „Zeitschrift für die

Geschichte des Oberrheins“vor.13 Kurz danach gab das Karlsruher Archiv die

Urkunde nach München weiter. Den Abdruck Mones übernahm Ingrid Bürgy -de

Ruijter in ihrer Chronik von Gossersweiler Stein.14 Nachfolgend wird der Text nach

dem Original abgedruckt.15

Der Text der urkundlichen Ersterwähnung:

1313 Oktober 16. Die geistlichen Richter und der Offizial des Dompropstes zu

Speyer beurkunden auf Ersuchen Abt Heinrichs von Klingenmünster die von

Geschworenen aus zehn Dörfern gewiesenen Rechte des Klosters auf Besthaupt,

Bestkleid und Bannwein. - Original Pergament Bayerisches Hauptstaatsarchiv

München, Rheinpfälzer Urkunden Nr. 1313.

Nos iudices curie Spirensis necnon officialis domini prepositi ecclesie ibidem ad

universorum noticiam tam presencium quam futurorum volumus pervenire, quod

sub anno domini millesimo trecentesimo tercio decimo in die beati Galli confessoris

constituti in nostra presencia honorabilis vir dominus Heinricus dei gracia abbas

Clingensis monasterii necnon iurati sui villarum infrascriptarum.

Page 18: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Text der Originalurkunde von 1313 aus dem Hauptstaatsarchiv München

(Nennung der beiden Orte unterstrichen).

[1.] primo videlicet de Clingenmünster [= Klingenmünster] Nicolaus dictus

Hulwecke, Fritzo dictus Arzat, Heinricus dictus Ganeister, Conradus

sutor, Dytherus dictus Wige et Ulmannus in der Steingasse,

[2.] item de Geckelingen [= Göcklingen] Conradus textor, Heinricus dictus

Zeberlinger et Eberhardus,

[3.] item de Glisenzelle [= Gleiszellen] Wolframus dictus Schatman, Otdo,

Heinricns dictus Huchelheimer et Conradus dictus Gotzman,

[4.] item de Bliswilre [= Pleisweiler] Wernherus dictus Hocheimer, Jacobus

frater eins dictus Happhelman et Hartliebus,

[5.] item de Zabern [= Bergzabern] dictus Winter, Heinzelmannus, Conzelinus

cerdo,

[6.] item de Wilre [= Weiler nördl. Niederhorbach] Fridericus dictus Hekeber

et Burkardus dictus Kirsemant,

[7.] item de Menchenwilre [= Münchweiler am Klingbach] Wernherus et

Syfridus,

[8.] item de Gozprehtzwilre [= Gossersweiler] dictus Apel et dictus Schade de

Steine [= aus Stein] necnon Reinherus de Sulzen [= aus Silz],

[9.] item de Widental [= Vorderweidenthal] Crutwinus, Conzelinus filius

Rudolfi, dictus Hetzel, Hertwicus, Anshelmus, Waltherus et Wernherus de

Slethenbach [= aus Oberschlettenbach],

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[10.] item de Swandin [= Schwanheim] Heinricus dictus Wollesleher et

Wernherus dictus Vero.

Dominus abbas omnes et singulos per iuramentum requisivit, quod de iuribus suis

sibi dicerent et ab aliis requirerent et super eisdem per iuramenta ipsorum diffinite

pronunciarent. Iurati autem antedicti deliberato animo et unanimi consensu omnium

et singulorum de villis supradictis dixerunt et retulerunt nec non per iuramenta

ipsorum diffinite pronunciaverunt, quod, quicunque vel qualiscunque persona,

cuiuscumque dignitatis esse videatur, decederet seu decederent super bonis sancti

Michahelis Clingensis monasterii, quod meliorem pecus, quod in morte relinqueret,

preter unum, domino .. abbati predicto seu successoribus suis, qui pro tempore

forent, cedere deberet, seu meliorem vestem, si pecora non haberet. Et si de ambobus

videlicet de pecoribus et vestibus in morte nichil relinqueret, ab aliis relictis solidum

Hallensium recipere debet. Si autem propria est persona sancti Michahelis in

Clingenmuenster predicti, meliorem pecus seu vestem, quod in morte relinqueret,

domino abbati memorato seu successoribus suis, qui pro tempore forent, cedere

deberet, contradictione quorumlibet non obstante.

Item dixerunt et per iuramenta ipsorum diffinite pronunciaverunt, quod dominus

abbas antedictus seu successores sui, qui pro tempore forent, haberet et habere

deberet perpetuo singulis annis duo iura in anno, que vulgariter dicuntur banwin,

videlicet quindenam a festo Michahelis et a festo invencionis sancte crucis

conputandam, nulla eciam contradictione obstante.

In quorum omnium et singulorum testimonium atque firmitatem nos iudices curie

Spirensis nec non officialis predicti sigilla nostra domino .. abbati predicto seu

successoribus suis universis ad preces personarum suprascriptarum presentibus

duximus concedenda.

Page 20: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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1. Das Original befindet sich heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München.

Rheinpfälzer Urkunde Nr. 1313. Ein Abdruck des Urkundentextes erfolgt am.

Schluss des Beitrages.

2. Eine Auflistung der ersten Erwähnungen geben als Grundlage ihrer Erklärung des

Ortsnamens Oberschlettenbach Dolch. Martin / Greule, Albrecht: Historisches

Siedlungsnamensbuch der Pfalz (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft

zur Förderung der Wissenschaffen 81). Speyer 1991. S. 352.

3. Die Urkunde, heute in Fürstlich Salm-Salm ´schen Archiv in Anholt im Kreis

Bocholt, stammt ans dem dort verwahrten Archiv der Wild- und Rheingrafen; Regest

bei Schmitz- Kallenberg, Ludwig (Bearbeitet): Urkunden des fürstlich Salm-

Horstmar’schen Archives in Coesfeld und der herzoglich Croy’schen

Domänenadministration in Dülmen (Inventare der nichtstaatlichen Archive

Westfalens, Reg.-Bez. Münster, Beiheft 2). Minister 1904, S. 23* Nr. 119.

4. Zu Klingenmünster insgesamt die Festschrift Emmering, Egon W. (Red.):

Monasterium Clinga jubilans. Festschrift zur Einweihung des restaurierten

Ostflügels der ehemaligen Benediktinerabtei Klingenmünster:,Klingenmünster

1995, der Kunstführer von Jöckle, Clemens: Stiftskirche und ehemaliges

Benediktinerkloster Klingenmünster (Kleine Kunstführer 2649), Regensburg 2007

und die Artikel von Fell, Hans, Klingenmünster, in: Jürgensmeier, Friedhelm

(Hrsg.): Die Männer- und Frauenklöster der Benediktiner in Rheinland-Pfalz

(Germania Benedictina 9). München und Maria Laach 1999, S. 230-259 und Engels,

Renate: Der Landdekanat Herxheim (Palatia Sacra. Kirchen- und Pfründe-

beschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit = Quellen und Abhandlungen zur

mittelrheinischen Kirchengeschichte 61.3). Mainz 1988, S. 115-130.

5. Zu dieser Kontroverse zuletzt Unger. Thorsten: Klingenmünster und die Kurpfalz

im 15. Und 16. Jahrhundert (Abhandlungen zur Geschichte der Pfalz 10), Neustadt

an der Weinstraße 2009, S. 21-40.

6. Über diese Entwicklung nun Wanke, Helen: Zwischen geistlichem Gericht und

Stadtrat. Urkunde, Personen und Orte der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Straßburg.

Speyer und Worms im 13. und 14. Jahrhundert (Quellen und Abhandlungen zur

mittelrheinischen Kirchengeschichte 119), Mainz 2007.

7. Beide Siegel sind beschrieben bei Armgart, Martin (Bearbeitet): Reuerinnen- und

Dominikanerinnen-Kloster Sankt Maria Magdalena überm Hasenpfuhl vor Speyer.

Teil l: Urkunden und Regesten (Pfälzische Geschichtsquellen 1.1), Neustadt an der

Weinstraße 1995. ,S 120 bzw. S. 94 (drittes, von 1308 bis 1326 verwendetes Typar

des geistlichen Gerichts)

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8. Zu diesen Rechtsbegriffen mit ihren Belegen Deutsches Rechtswörterbuch. Band l,

Weimar 1914-1932. Sp. 199-201 bzw. 127f.

9. Nach ebd. war der Speyerer Beleg 1111 der bei weitem älteste des Wortes „banwin“;

auch die Urkunde von 1313 erscheint in der Belegliste des Rechtswörterbuchs. Der

Jahrestag wurde 2011 in Speyer eingehend gewürdigt; zum Inhalt Andermann, Kurt:

Die Speyerer Privilegien von 1111, in: Die Salier: Macht im Wandel, Band l

(Essays), München 2011, S. 76-179 und andere Beiträge dieses Ausstellungsbandes

sowie Hattenhauer, Hans: Der Speyerer Freiheitsbrief vom 7./14. August 1111, in:

Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 63 (2011), S. 39-66.

10. Deutlich dazu die Kartenskizze bei Hehr, Erich: Agrargeographische Studien in der

Gemarkung Klingenmünster / Südpfalz (Veröffentlichungen der Pfälzischen

Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 45), Speyer 1964, Abb. 12 (nach S.

48) mit mutmaßlicher Grenzziehung des Klosterbezirks. Zur Kritik Engels, 1988, S.

121f. Anm. 46.

11. Heute Landesarchiv Speyer. D 29 Nr. 159.

12. Grimm, Jacob: Weisthümer. Fünfter Teil. unter Oberleitung von Georg Ludwig

von Maurer hrsg. von Richard Schroeder, Göttingen 1866. S. 543 f.

13. Mone, [Franz Josef]: Weisthümer vom 13.-16. Jahrh. aus der Schweiz. Baden.

Elsaß , Bayern und Rheinpreußen, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins

17 (1865), S. 129-186. hier S. 167-169 Nr. 14.

14. Bürgy-de Rujter: Ingrid: Ein Blick zurück. Die Chronik von Gossersweiler - Stein,

Annweiler 1998, S. 8 f. (mit dortiger Kartenskizze der zehn Dörfer).

15. Herangezogen wurde die im Landesarchiv Speyer. Bestand X 55, verwahrte

Fotokopie. Zu den kleineren Abweichungen gegenüber Mone gehört die Lesung

des ersten Vordenweidenthalers statt ,,Trutvinus“.

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Luftaufnahme der Burg aus sem Jahre 2004

Burg Lindelbrunn

Rolf Übel

Geschichte

Wir bei dem weitaus größten Teil der Burgen ist das genaue Erbauungsdatum der

Burg Lindelbrunn nicht feststellbar. Archäologische Funde aus der Römerzeit wie

Ziegel und Münzen1 sowie der nachgewiesene Verlauf von Altstraßen lassen eine

frühe Erbauung der Burg möglich erscheinen, ohne allerdings den Beweis hierfür

führen zu können.2

Die erste urkundliche Nennung erfolgt erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts. In der

Baugeschichtlichen Literatur wird sie allerdings aufgrund der Stilmerkmale ein

halbes Jahrhundert älter geschätzt, erbaut gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Auch

die Schriftquellen, vor allem aber die Herkunft des ersten nachgewiesenen

burggesessenen Geschlechts, lassen hier begründete Hypothesen zu. Die erste

Erwähnung datiert Thon auf vor 12523, in ihr ist ein „Diethericus miles dictus de

Lindelbolle“erwähnt. Er wird der Familie von Hausen zugeordnet, die sich nach der

Burg in (Rhein)Hausen bei Mannheim benannte. Die Familie von Lindelboll wird

der Reichsministerialität zugesprochen und auf den berühmten Truchseß Markward

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von Annweiler zurückgeführt4. Meinrab Schaab sah in Dieter von Lindelboll den

Enkel des bedeutenden Ministerialen.5 Tatsächlich nennt Dieter in einer Urkunde

den Truchsessen Markward als seinen Großvater.6 Obwohl nicht eindeutig zu

beweisen, liegt die Annahme nahe, dass es sich um Markward von Annweiler

handelt. Schaab bringt den Bau/Ausbau der Burg mit Markward in Verbindung: „In

jedem Falle war sie eine recht bedeutende Anlage, die man zusammen mit der

Tatsache, dass sie eine Reichsburg war, ihren Ursprung mindestens in der Zeit um

1200 vermuten dürfen. Der Aufwand für ihren Ausbau kann kaum der schon im

Niedergang befindlichen späteren Familie von Husen- Lindelbrunn zugeschrieben

werden. Viel eher wäre doch zu vermuten, dass die finanzielle Basis für solchen

Ausbau noch aus dem im Reichsdienst erworbenen Vermögen Markwards von

Annweiler stammte. Außerdem hätte dieser mit Lindelboll einen standesgemäßen

Sitz und nicht, wie es in der älteren Literatur gerne heißt, nur einen Hof in

Annweiler“.7 Die baugeschichtliche Bedeutung wird von Peter Pohlit im Jahre 1997

ebenfalls herausgestellt, ohne dass die Verbindung zum Markward gezogen wurde.8

Thon stellte diese 20029 und 2011 her.10 Allerdings sind weitere Tendenzen einer

Gebietsarrondierung resp. Burgenbauten in der Pfalz durch Markward nicht zu

belegen. Thon kommentiert: „Zwar lässt sich der Bau der pfälzischen Lindelbrunn

noch in einen einigermaßen konkreten Zusammenhang mit Markward oder seinem

Enkel Dietrich, der sich auch nach ihr benannte, bringen, doch fehlen weitere

eindeutige Anzeichen für eine Umsetzung seines gestiegenen gesellschaftlichen

Ansehens und seines sicherlich großen finanziellen Potentials in seiner pfälzischen

Heimat völlig. Die Familie von Hausen jedenfalls fiel nach ihrem berühmtesten

Abkömmling umgehend wieder in die Bedeutungslosigkeit zurück.“ 11 So gehörte

auch die Familie von Lindelboll nicht zu den herausragenden Vertretern der

Reichsministerialität.

1268 wird Dieter von Lindelbolls gleichnamiger Sohn, Dieter d. J., erwähnt.12 Er

übergibt dem Kloster Eußerthal mehrere Weinberge. In dem Kloster war seine Frau,

Agnes von Greifenstein, beerdigt worden. Die Reichsburg blieb auch in den Wirren

des Interregnums in den Händen der Familie von Lindelboll. 1274 taucht Merkelin

von Lindelboll auf, wohl ein Bruder Dieter d. J. König Rudolf von Habsburg

übertrug das Reichslehen, wohl mit der Burg, obwohl diese nicht ausdrücklich

genannt wird, an die Brüder Emich IV. und Friedrich III. von Leiningen, aber nur

für den Fall, dass der schwächliche gleichnamige Sohn Merkelins (Dieter d. J. war

wohl kinderlos) vor Erreichung der Volljährigkeit sterben würde. 13 Der Inhalt der

Urkunde wurde aber mindestes 18 Jahre nicht umgesetzt, da Merkelin im Jahre 1292

noch am Leben war. Zu diesem Zeitpunkt war die von Emich IV. begründete Linie

Leiningen – Landeck schon wieder erloschen, so dass sich die Burg letztlich nach

dem Tod Merkelins, dessen Datum nicht bekannt ist, nur in den Händen der

Hauptlinie von Friedrich III, befunden haben konnte. Erst 25 Jahre später ist die

Burg bei der bekannten Teilung von 1317/18 wirklich im Leiningischen Besitz

nachgewiesen - „Lindelboll mit Walde und Weide und mit allem Recht, wie sie

gelegen und herkommen seint“. 14 Der Zeitpunkt und die genauen Umstände des

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Übergangs lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Die Burg fiel in das Los Jofrieds,

des Begründers der Linie Leiningen -Hardenburg. Nach dessen Sohn 1343 erbten

seine Söhne den Besitz und teilten ihn auf. Der Status als Reichslehen blieb de jure

unangetastet; was durch die Bestätigung der Belehnung König Rudolfs von

Habsburg durch durch König Karl IV. im Jahre 1352 bestätigt wird. 15 Allerdings

sieht Ingo Toussaint eine weitgehende Entfremdung des Reichsguts: „Das Lehen

muss in der Tat dem Reich ledig geworden sein: Vom Jahre 1317 an bis zur

Französischen Revolution finden wie Burg Lindelbrunn mit Zubehör anteilig beim

Hause Leiningen, wenn auch im Spätmittelalter zumeist an Niederadelige

verpfändet“. 16 In der Urkunde wird erwähnt, dass Emich V. die Burg schon „vor

zeiten“erhalten hatte. 17 Die Burg war nun vierzig Jahre lang in Alleinbesitz der

neubegründeten Linie Leiningen -Hardenburg, wenn sie auch in innerfamiliäre

Besitzstreitereien miteinbezogen war.

1358 tauchen die Grafen von Zweibrücken - Bitsch als Anteilseigner auf der „vesten

Lindelbull“ auf.18 Auch hier sind Zeitpunkt und Umstände des Erwerbs des

Burganteils nicht genau zu bestimmen. Die Grafen Hanemann und Simon Wecker

von Bitsch öffneten in diesem Jahr ihren Teil der Burg Lindelbrunn für Kurpfalz,

was sie 1367 besTätigten.19 Nun beginnt die Zeit der Lindelbrunn als Ganerbenburg.

Die Grafen von Zweibrücken- Bitsch und Leiningen - Hardenburg blieben

Hauptbesitzer, nahmen aber im Laufe der Zeit immer mehr Ganerben auf. Die Burg

wurde verliehen oder verpfändet, verkam immer mehr zum finanziellen

Spekulationsobjekt. Schon 1375 sind Verwandte der Leininger, die Raugräfin Agnes

von Neuenbaumburg und ihre Kinder, als Ganerben bezeugt, 1377 auch Friedrich

von Beilstein und Georg von Wachenheim. Die Grafen von Zweibrücken -Bitsch

verloren in einer Fehde mit den Lützelsteiner kurzzeitig ihren Anteil an der Burg,

konnten ihn kurz darauf (vor 1382) wieder zurückerlangen. 1382 verzichtete Graf

Heinrich von Zweibrücken -Bitsch zugunsten seiner älteren Brüder auf alle

Erbansprüche. Somit war der Bitscher Teil wieder in der Hand der Familie.

„Wie die Grafen von Zweibrücken -Bitsch nutzte auch Emich (VI.) von Leiningen -

Hardenburg die Burg vermehrt als Pfandobjekt, so dass der Kreis der Gemeiner

einem kontinuierliche Wandel unterzogen war“. 20 Beide Teile vereinbarten aber,

dass die jeweiligen Pfandinhaber auch mit dem anderem Burgbesitzer den

Burgfrieden besiegeln mussten. Die Zahl der Verpfändungen und der Mitbesitzer

nahm nun stetig zu. So finden sich z.B. Hans, Reinhard und Heinrich von Rietburg

(1385) und Bertsch von Lauterburg(1398).

Leiningen -Hardenburg und Zweibrücken -Bitsch schienen die Burg jeweils zur

Hälfte im Kondominat besessen zu haben. De Jure war die Burg noch eine

Reichsburg, faktisch hatte dieser Umstand allerdings kaum noch eine Bedeutung -

die beiden Hauptbesitzer behandelten sie wie Allodialbesitz.

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24

Aquarell von

F. Bamberger 1864

1402 wird die Burgkapelle erwähnt, die aber schon vorher bestanden haben muss.21

In diesem Jahr wurde eine Kaplanei von Graf Emich VI. von Leiningen und den

Grafen Friedrich und Hanemann von Zweibrücken -Bitsch eingerichtet. Der Kaplan

hatte vier Messen in der Woche zu lesen, musste auf der Burg wohnen und durfte

keine weiteren Pfründe annehmen.22

Die Besitzverhältnisse auf der Ganerbenburg komplizierten sich immer mehr. Die

genauen Abläufe sollen hier nicht interessieren. „Im 15. Jahrhundert stieg der

Geldbedarf in den Häusern Leiningen -Hardenburg und Zweibrücken -Bitsch

merklich. Schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts begegnen uns eine Vielzahl neuer

Gemeiner auf Lindelbrunn, die überwiegend auf dem Wege der Pfandschaft in den

Besitz von Rechten in der Anlage gelangt waren.“ 23

Natürlich machten die spezifischen Verhältnisse auf der Burg deren Nutzung und

Verwaltung für die Hauptbesitzer wie für die Ganerben kompliziert.

Burgfriedensverträge wurden besiegelt, um das Zusammenleben der Bewohner zu

regeln. Dies konnten Verträge innerhalb einer Familie sein, wie zwischen den

Zweibrücken-Bitscher Grafen Hanemann und Friedrich 24, aber auch zwischen den

Familien, so zwischen Graf Emich VI. von Leiningen -Hardenburg und Hanemann

II. von Zweibrücken -Bitsch im Jahre 1407. 25 In diesem Vertrag wurde

festgeschrieben, dass die Burg im Hauptbesitz der beiden Geschlechter bleiben

müsse, wenn eine der beiden Familien im Mannesstamm erlöschen sollte, dann sollte

der Besitz an die erbberechtigten Töchter fallen. Verpfändungen bedurften der

Genehmigung der Mitbesitzer. Der Burgbezirk wurde festgelegt „off der festen, yn

der festen und umb die festen lyndelboln umb und umb als ferre ein armbrost in drin

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schussen nach ein ander geschießen und gereichen mag, daz ein man mit eynem bein

gespannen mag“.

Weitere Punkte des Burgfriedens waren:

In dem Friedensbezirk darf niemand einen anderen „beleidigen oder beschädigen“.

Wer den Burgfrieden übertritt, wird bestraft.

Es soll kein Feind einer Partei in die Burg eingelassen werden.

Die Erben einer Partei dürfen nur in die Burg aufgenommen werden, nachdem sie

den Burgfrieden beschworen haben.

In Kriegszeiten können Verbündete aufgenommen werden gegen bestimmte Taxen

- für einen Fürsten 50 Gulden und zwei Armbrüste, für einen Grafen 25 Gulden und

eine Armbrust, für einen Ritter oder Edelmann 10 Gulden und eine Armbrust,

welches Geld entweder zum Anschaffen von Geschützen oder zum

gemeinschaftlichen Bauen verwendet werden sollte.26’

1428 versuchte man die verwirrenden Besitzverhältnisse durch eine „Konferenz“ auf

der Burg zu ordnen, zu der alle Gemeinen eingeladen wurden. Die Anwesenden

verabschiedeten eine Burgsatzung und setzten einen Burgvogt ein: Simon von

Mühlhofen, einen der Ganerben. Er sollte die Burg bewahren und verwalten sowie

den Fortgang schon begonnener Ausbauarbeiten überwachen. Lehmann schreibt

über den Vertrag: „... zum gemeinschaftlichen Burggrafen ward Simon von

Mühlhofen erwählt, um das Schloss, seinem Eide gemäß, im Namen aller

teilhabenden Ganerben zu besorgen und zu bewahren, wozu er zwei besondere

Knechte, einen als Pförtner und den anderen als Thurmknecht, die auch nachtens

wachen und huten sollen, auf seine Kosten und in seinem Lohne halten musste;

diesem Simon wurde daselbst ein Jahresgehalt von 60 Gulden ausgeworfen, wozu

jeder Gemeiner jährlich 5 Gulden beizutragen verbunden war, wer sich aber in

Bezahlung dieses Beitrages säumig erweise, der sollte auf so lange seines Burgrechts

verlustig sein und von den anderen nicht für einen Gemeinsherren gehalten werden,

bis er bezahle, wobei man dem Burggrafen, um zu seiner Bezahlung gelangen zu

können, zugleich die Befugnis einräumte, die Säumigen und ihre Güter anzugreifen

und in die Veste zu führen, ohne aber dadurch den Ansprüchen des Burgfriedens

zuwider zu handeln; die gleiche Strafe soll auch diejenigen Ganerben treffen, welche

bisher andere in dem Schloss enthalten, aber die Kosten dafür an Geld und

Armbrüsten in Monatsfrist noch nicht abgetragen hätten ... er solle von allem

denjenigen, was ihm überantwortet und eingegeben werde, es sei an Geld, Büchsen,

Armbrüsten, Pulver. Pfeilen und anderes, sämtlichen Ganerben. oder wenigstens

drei aus ihnen, jährlich gewissenhafte Rechnung abzulegen“.27

In einer Urkunde aus demselben Jahr 1428 wurde auch Vorderweidenthal und

Oberschlettenbach als Zugehörde zur Burg genannt. Emich VI. von Leiningen

verkündet den Schultheißen, Schöffen und Gemeinden von Vorderweidenthal

(Wydentail), Oberschlettenbach, Dimbach und Darstein, die zu seinem Teil am

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Schloss Lindelbrunn gehören („in unserem deyle zu lindelbolle gesazt“), dass er

seine Söhne Emich und Schafried in diese Teile eingesetzt hat.28

Durch die hohe Anzahl der Gemeiner wurden immer wieder neue Burgfrieden

beschlossen, „mit uffgehalten henden liplich gott und den heyligen gesworen“. wie

es 1437 in einem Burgfriedensvertrag zwischen Emich. Schaffried und Bernhard von

Leiningen und Graf Friedrich von Zweibrücken-Bitsch lautet.

Die Mitte des 15. Jahrhunderts war geprägt von militärischen Auseinandersetzungen

um die Burg - verursacht durch Burggemeiner, die in die Gemeinschaft der Ganerben

aufgenommen worden waren - der adelige Speyerer Bürger Heinrich Steinhausen

und der Ritter Heinrich Holzapfel von Hexheim. Brauner nennt die beiden

Raubritter.29

1441 kam es zur ersten Belagerung der Burg. Emich VI. von Leiningen - Hardenburg

hatte sich von Heinrich Steinhausen Geld geliehen und ihm dafür einen Anteil von

Lindelbrunn verpfändet. Heinrich Steinhausen wurde in eine Fehde mit dem

Pfalzgrafen Otto von Mosbach und Bischof Reinhard von Speyer verwickelt. Er

„fügte deswegen, mit seinen Hülfsgenossen, sowohl den pfälzischen, als auch den

Besitzungen des Bischofs von Speyer, der sich mit Kurpfalz auf engste verbunden

hatte, aus unserer Burg vielfältig bedeutenden Schaden und Nachtheil an Gütern und

Leuten zu. Der Kurfürst konnte und wollte diesem Unfuge nicht mehr länger zusehen

und beschloss also, den Steinhauser auf Lindelbol zu überfallen, ihn gefangen zu

nehmen und für seine Frevel zu züchtigen“.30 Ein Heer beider Fürsten zog vor die

Burg und belagerte sie sieben Wochen lang. Die Hauptbesitzer versuchten den Streit

zu schlichten, auch um Schäden durch die Belagerung zu minimieren und erreichten

auch einen Ausgleich. Steinhausen sollte Urfehde schwören, und er sollte fernerhin

seine Fehde erst wieder aufnehmen, wenn die Leininger den Anteil wieder ausgelöst

hätten - somit wäre jegliche Veranlassung eines weiteren Vorgehens gegen den

Speyerer hinfällig. Am 7. August 1441 wurde ein Vertrag aufgesetzt. Die

Burgherren verzichteten auf einen Schadenersatz und übergaben die Anlage, mit der

Auflage des baulichen Erhalts, an den Vogt von Heidelberg, Eberhard von

Sickingen, der die Burg im Dezember 1441 den Gemeinern wieder einräumte.31

1448 bis 1450 führte Heinrich Holzapfel von Herxheim eine Fehde gegen die Stadt

Landau und den Bischof von Speyer. Holzapfel war von Simon Mauchenheimer von

Zweibrücken ohne Einwilligung der anderen Gemeiner in die Burg aufgenommen

worden. Mauchenheimers Vater oder Bruder Kunz taucht 1420 erstmalig als

Gemeinsmann auf.

Der Bischof von Speyer war Pfandherr der Reichsstadt Landau und sein Bruder Hans

von Helmstadt als bischöflicher Amtmann von Lauterburg in die Fehde verwickelt;

er wurde von Heinrich Holzapfel gefangen gesetzt und auf die Burg Lindelbrunn

gebracht,

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27

Kolorierte

Zeichnung:

N. N. 1833

nachdem vorher schon „viele kleine Gefechte, Beschädigungen und Neckereien

vorgefallen“waren.32 Ein gemeinsames Landauer und Speyerer Aufgebot zog vor die

Burg.33 Nach kurzer Belagerung ließen Mauchenheimer und Holzapfel den Speyrer

Amtmann gegen Versprechen eines Lösegeldes frei. Fehdehelfer des Bischofs

(Pallas Schlieder von Lachen und zwei Verwandte des Gefangenen) verbürgten sich

für das Lösegeld in Höhe von 3500 fl. Dies war so hoch festgesetzt, da Hanns von

Helmstatt nicht die Fehde gegen Holzapfel angesagt hatte, seine Kriegshandlung

gegen diesen also illegal waren. Diese Praxis des Handelns außerhalb des

Fehderechts wurde fortgesetzt: Hans von Helmstat erschien nicht zu dem

Übergabetermin und auch der Bischof hielt sich nicht an die Abmachung, vielmehr

konnte er auch noch die Grafen Friedrich von Zweibrücken-Bitsch und Bernhard

von Leiningen-Hardenburg als Fehdehelfer gewinnen, die nun quasi auszogen, ihre

eigene Burg, aus der sie ausgesperrt waren, von aus dem Ruder gelaufenen Ganerben

zurückzuerobern. Mauchenheimer wollte nachgeben, wurde aber von Holzapfel in

einem Turm der Burg gefangen gesetzt.

Letztendlich nahmen die rechtmäßigen Burgherren die Feste Ende Juli 1450 ein. Am

30. Juli 1450 schlossen die Gemeiner einen Vertrag wegen der notwendigen durch

die Belagerung verursachten Baumaßnahmen. Auf 10 Jahre sollten jährlich

wechselnde Baumeister eingesetzt werden, die das von den Gemeinern zu

entrichtende Baugeld verwalten und die Maßnahmen auf der Burg leiten sollten. Am

11. August sollte unter Pfalzgraf Friedrich I., gen. der Siegreiche, eine Versammlung

in Weißenburg stattfinden, um die Parteien zu versöhnen.

Auf dem Rittertag von Weißenburg am 11. August 1450 kam man zu keiner

Einigung. In der Fehde der Konfliktparteien spielte die Burg dann bis zu deren Ende

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28

im Jahre 1455 keine Rolle mehr.34 Heinrich Holzapfel von Herxheim war spätestens

1451 als Gemeiner auf Lindelbronn ausgeschieden.

1460/61 war die Burg in die Auseinandersetzung zwischen Pfalzgraf Friedrich I. und

Herzog Ludwig den Schwarzen von Pfalz-Zweibrücken und den Leiningern

betroffen. Leider ist die Bemerkung Artzts, die Leininger „thetten dem pfalzgrafen

großen schaden auß den egenannten schlossen mit leuth vahen und namen“, nur auf

die Burgen Grävenstein, Lindelbrunn, Guttenburg und Falkenburg zu beziehen,

nicht aber auf eine einzelne der Genannten.35

Welche Zerstörungen die verschiedenen Kriegshandlungen an der Burg hinterließen,

lässt sich nicht feststellen. Möglicherweise entstanden in dieser Zeit die dem

Spätmittelalter zuzuschreibenden Teile der Burg.

1483 fielen nach einer Erbteilung im Haus Zweibrücken-Bitsch deren Anteil an die

Linie Zweibrücken-Bitsch-Lichtenberg.

Das Ende der Burg kam im Bauernkrieg: Am 30. April 1525 erstiegen die Bauern

des Kleeburger Kolbenhaufen die Burg. Der zeitgenössische Chronist Peter Harer

schreibt: „... von dannen dem wolgebornen Grave Emichen von Leiningen dem

eltern für 2 heuser, Grevenstein und Lindelbronn, gezogen, die sie bevd erobert und

ausgebrent haben“.36 Die Burg wurde nicht wieder aufgebaut und blieb Ruine.

Baubeschreibung:

Lindelbrunn gehört zum Typus der Gipfelburg, sie liegt auf einem 473 Meter hohen,

frei stehenden, ehemals unbewaldetem Berggipfel 200 Meter über der Talsohle mit

freier Rundumsicht. Die Burg hat einen fast dreieckigen Grundriss mit 60 bis 70

Metern Seitenlängen und verfügt über keine Schildmauer. Die Existenz eines

Bergfrieds ist, obwohl in der Literatur öfters angenommen, nicht mit Sicherheit

belegbar. Alle Gebäude gruppierten sich um einen Burghof und waren randständig

mit teilweise erheblicher Mauerstärke an die Felskante gesetzt. Die Außenmauern

der Gebäude ersetzten somit eine Ringmauer. Der Platz für eine Unterburg unterhalb

des Gipfelfelsens war sehr beengt. Sie wird im Südwesten vermutet und könnte mit

einer Ringmauer umgeben gewesen sein.

Die Baugeschichte geht davon aus, dass die Oberburg innerhalb kurzer Zeit nach

einheitlichem Muster im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert erbaut wurde. Die

Kernanlage wurde wohl im 14. und 15. Jh. durch eine Unterburg und einen

abgesetzten Turm erweitert und auch im Inneren um- und ausgebaut.

l. Der Burgweg

Der Burgweg beginnt am ehemaligen Lindelbrunner Hof, der auch als

mittelalterlicher Wirtschaftshof der Burg angesprochen wird, 37 und umrundet den

gesamten Berg. Hinweise auf ein äußeres Tor in der Verlängerung der

Südwestecke38 konnten 2012 nicht verifiziert werden. Hier folgt der Burgweg in

südöstlicher Richtung dem Burgfelsen, an dem Glättungen festzustellen sind und auf

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dem das Mauerwerk des großen Saalbaus aufsitzt. In diesem Bereich ist die

Unterburg zu vermuten. Aufgehendes Mauerwerk fehlt, allerdings liegt vor der

Felswand einiges an Schutt, wohl bei Aufräumungsarbeiten in den 1970er Jahren

von der Oberburg herab geworfen. In dem Bereich der vermuteten Vorburg findet

sich der Burgbrunnen, außerhalb der Kernburg gelegen und heute weitgehend

verschüttet. Für den Anbau eines Brunnenhauses an den Fels oder gar die

Hochführung eines Brunnenschachtes bis zur Oberburg wie bei der Burg

Scharfenberg fehlen entsprechende Hinweise. Wie die überlebensnotwendige

Wasserversorgung geschützt und zugänglich war, entzieht sich der Erkenntnis. Hier

gilt aber zu bemerken, dass die Glättung des Felsens sowie der Rücksprung der

Felswand, der wohl ausgehauen ist, doch auf einen, wenn wohl hölzernen Anbau

schließen lässt.

Südöstlich des Brunnens unterhalb des südlichen, jüngeren Wohnbaus befinden sich

Abarbeitungen im Fels, die schräg nach oben führen. Ein Teil des heute getreppten

Aufgangs könnte natürlich und später zu einer Mine erweitert worden sein. Diese

mögliche Angriffsmine wird mit den Belagerungen des 15. Jh. in Zusammenhang.

Sie ist allerdings unvollendet, da nicht in das Burginnere durchgebrochen.

Allerdings wäre es für einen angenommenen Angreifer nur noch ein kurzes Stück

Fels, da ein Felsriss im Boden des aufsitzenden Gebäudes schon erreicht war. Pohlit

sieht einen Zusammenhang mit der Belagerung von 144l.39

Vom Burgweg führt ein schmaler, südöstlich wegziehender Pfad zu einem in den

Hang Burgberges hinein kragenden Felsen, der aus dem Bergkegel vorspringt.

Abarbeitungsspuren auf der geglätteten Felsoberfläche lassen auf einen Überbau,

möglicherweise einen Turm schließen, der den Burgweg deckte. Aufgehendes

Mauerwerk fehlt vollständig, so dass nicht festgestellt werden kann, ob der Fels mit

seinen Aufbauten in die Unterburg integriert war oder separiert stand. Nicht ganz

ausgeschlossen ist, dass die beiden breiten in den Fels geschlagenen Nuten auf der

geglätteten Felsfläche auf den Standort einer Blide hinweisen. Die Literatur schweigt

bislang zu diesem Felsen.

Unter einem Felsüberhang im Süden der Oberburg, der sich durch interessante

Wabenverwitterung auszeichnet, biegt der Burgweg in nördliche Richtung um. An

der östlichen Hangkante ist eine Mauer zu vermuten, die diesem Bereich bis zum

zweiten Tor im Norden einen zwingerähnlichen Charakter verliehen haben könnte.

In der Hälfte dieses Wegstücks ist linker Hand eine hochgelegene, aus dem Fels

geschlagene:Treppe in einem getunnelten Aufgang zu sehen, die in das Burginnere

führte. Der Zugang war nach Ausweis der Balkenlöcher durch einen hölzernen,

abreißbaren Anbau geschützt, so dass er recht einfach in einen hochgelegenen

Eingang verwandelt werden konnte. Wahrscheinlich handelt es sich um den ältesten

Eingang zur Burg. Er weist im Inneren noch einen Türanschlagfalz und Falzen für

die Balkenverriegelung der Tür auf. Die Nähe zur Kapelle wird von Pohlit zu Recht

als Indiz für einen alten Burgeingang angesprochen.40 Eine spätere Nutzung als

Wachtlokal oder Ausfallpoterne

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Burgweg

in den Zwinger liegt nahe. Bernges vermutet eine Nutzung als Kellerraum41. Eine

Funktion als Gefängnis, wie auch gemutmaßt wurde, ist aufgrund der Lage und der

Verriegelungsvorrichtung im Inneren sehr unwahrscheinlich ist.42

An der Nordspitze kehrt der Weg nach Süden um. An dieser Stelle stand ausweislich

der Bearbeitungsspuren das (zweite) Burgtor. Weiter führt der Burgweg rampenartig

ansteigend in einem ca. 6 Meter breiten Torzwinger nach 15 Metern zu dem inneren,

dritten Burgtor. Hangseitig war die Rampe mit Mauerwerk gestützt, Rinnen durch

die Benutzung von eisernen Wagenrädern sind im Felsboden zu erkennen. Drei

Treppenstufen sind im Fels den Burgweg traversierend zu erkennen. Wahrscheinlich

sollten sie den Männern, die die Karren über den steilen Burgweg schieben oder die

Zugtiere unterstützen mussten. Halt für die Füße geben.

Erhalten hat sich eine Schwelle, Balkenlöchern und Verriegelungsnuten. 1935

wurde das Tor beschrieben: „Vom südlichen, inneren Burgtor dagegen stehen noch

die Pfeiler in etwa l Meter Höhe; sie sind nach außen kräftig geschrägt, nach innen

einmal gestuft; der Torbogen dürfte spitzbogig gewesen sein“.43 Hiervon ist heute

nichts mehr zu sehen. Ob die Tore durch spezielle Torbauten gesichert waren, lässt

sich anhand des Baubefundes nicht mit der notwendigen Sicherheit erschließen.

Man erreicht nun den Burghof.

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Anschlagfalz und

Verriegelungsloch des

inneren Burgtores

2. Der Burghof

Der heute recht weitläufig wirkende Burghof entstand wohl schon in der ersten

Bauphase der Burg, dürfte aber im Originalbefund mit Gebäuden bestanden gewesen

sein, von denen die meisten, vor allem, soweit sie aus Fachwerk waren, sich heute

ohne archäologische Sondagen nicht mehr nachvollziehen lassen. Vor allem über

den Nordteil, der heute noch unter Schutt liegt, lassen sich keine Aussagen machen.

Der Hof wurde in den 1970er Jahren frei geräumt. Hierbei wurden auch die

Fundamente der randständig um den Hof gruppierten Gebäude verändert. Im

Uhrzeigersinn schließen sich an die Torreste an:

• Die Burgkapelle an der Ostmauer,

• ein Nebengebäude,

• ein möglicherweise turmähnliches Gebäude mit Felsenkeller an der

Südspitze des Burgfelsens,

• ein Wohnbau mit anhängendem Kapellenraum an der Südspitze,

• der Saalbau mit Keller im Osten,

• ein weiterer Wohnbau mit Nebengebäuden im Nordosten.

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Im Süden des Hofbereiches ist auch noch eine Zisterne angeblich über Zulaufrinnen

lachgewiesen nachgewiesen und auch in Pläne eingezeichnet44. Nach dem heutigen

Baubefund (2012) muss diese Frage offen bleiben.

Generell ist davon auszugehen, dass der Hofraum überbaut und nicht so großzügig

und weit war, wie er sich dem heutigen Besucher zeigt.

3. Die Kapelle

Die Kapelle wurde nach Befunden der Ausgrabungen der 1970er Jahre wieder in

ihren Fundamenten rekonstruiert. Sie hat einen quadratischen Grundriss von 8

Metern, nach Osten schließ t sie mit einer rechteckigen Apsis von 1,5 auf 3 Metern

ab. Die Gliederung des Sockels und die Ausgestaltung der Lisenen mit Wulst und

Kehle, die heute den gesamten Bau umziehen, fanden sich an der Apsis noch in situ

und wurden zum Vorbild für die Rekonstruktion. Der Eingang ist ebenfalls noch ein

Originalbefund. Die Kapelle stand frei, ähnlich wie bei der Madenburg, der

Falkenburg oder der Lemberg. Dieser Umstand wird in der Literatur als Beleg für

eine frühe Datierung der erst 1402 erstmalig erwähnten Kapelle herangezogen.

Zwischen der Kapelle und dem Wohnbau I befand sich ein Gebäude, das auf

geglättetem Fels errichtet worden war. Die Umrisse können an der Felsplatte noch

erahnt werden. Weiteres kann über dieses Gebäude aber nicht gesagt werden.

Rekonstruierte Außenmauer der Burgkapelle

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4. Wohnbau I.

Von dem südöstlich-nordwestlich ziehenden Wohnbau haben sich an der Hangseite

Reste der dreigeschossigen Außenmauer erhalten, an der die Konsolsteine zweier

Aborterker an den Außenseiten noch zu sehen sind. Das Gebäude war unterkellert45

und von Osten zugänglich. Die westliche Schmalseite des Gebäudes ist weitgehend

verschwunden, die östliche ist noch zwei Stockwerke hoch erhalten. An dieser

finden sich Fenster- und Türöffnungen und die Reste einer Heizungsanlage, die als

von außen befeuerte Kanalheizung für mindestens zwei Stockwerke angesprochen

werden kann. Ein Kamin in Mauerdicke führt durch die Geschosse und hat

Öffnungen, die einen Austritt der Warmluft in die anschließenden Räume möglich

machen. „Auf jeden Fall haben wir auf Lindelbrunn ein schon recht frühes Zeugnis

von Ofenheizung vor uns“, meint Peter Pohlit.46

Der westlich anschließende, kleinere Raum wird als Kapellenraum angesprochen.

Hinweis hierfür ist eine attische Säulenbasen an der Nordwand, auf der eine Säule

für ein den Raum überspannendes Gewölbe geruht haben könnte. Die Säulenbase ist

noch in situ zu sehen. Die zu Beginn des 20. Jh. im Schutt gefundenen Säulenbasen

könnten auch diesem Raum zuzuordnen sein.47

Über die Datierung dieses „Kapellenraums“gehen die Meinungen auseinander.

Ordnet man das Untergeschoss des Gesamtgebäudes wegen der Buckelquader der

Südwand der Erbauungsphase zu, so scheint die Hypothese eines Vorgängerbaus der

Reste des Wohnbau l.

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Säulenbase in der vermuteten, älteren Burgkapelle

Nikolauskapelle plausibel. Auch die Säulenbasen stützen die These. Dies schließt

aber eine spätere Nutzung als Hauskapelle nach der Errichtung der Burgkapelle

keineswegs aus.

Die aufwändige Heizanlage dürfte aber nicht in der Frühzeit der Burg entstanden

sein, so dass eine mehrphasige Entstehung des Gebäudes denkbar ist.

Auf der Südspitze der Anlage vor dem Wohnbau befindet sich ein runder

ausgehauener Keller, eingetieft in eine Felsplattform, die überkragt und den

Burgweg dominiert. An der Felskante weisen Pfostenlöcher auf eine

Holzüberbauung hin, die später in Stein ersetzt wurde, wie im Westen noch zu sehen

ist. Der Eingang in den Keller erfolgte von Norden, die ehemals spitzbogige Tür

wurde aus dem Fels gearbeitet. Bearbeitungsspuren deuten auf eine Einteilung des

Kellers hin. Eine Nische ist in Ostwand zu erkennen, eine zweite in der Südwand,

die über einen Ausbruch verfügt. Ob der Keller in zeitlichem oder funktionalem

Zusammenhang mit dem anschließenden Gebäude stand, ob es sich um den ältesten

Teil der Burg in Holzbauweise oder um einen den Burgweg schützenden Rundturm

handelte, wie Lehmann vermutete41 - darüber können abschließende Aussagen nicht

getroffen werden.

In der neueren Literatur wird ein „rodellartiger Turm“vermutet.49

Geschützkammern, die Pohlit angibt, sind in dem Keller nicht zu finden. Die

Öffnungen sind so unspezifisch, dass sie keinem Waffentypus zugeordnet werden

können.50 Die These, es habe sich um einen Batterieturm gehandelt, ist abzulehnen,

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wie auch die von Hotz, der einen runden Bergfried vermutete. Über den

fortifikatorischen Nutzen des Kellers schreibt E. Braun: „Keine Fundamentierung

für schwere Kaliber, heute sind auch keine Scharten für Haken und Arkebusen mehr

zu entdecken“. Nach Braun sollen allerdings kleine eiserne Kanonenkugeln bei

Raubgrabungen auf der Burg gefunden worden sein.51

In der älteren Literatur wird eine Wachtstube vermutet.52

Der Palas und Wohnbau II.

Der heute noch imponierendste Bauteil der Burg ist der Palas an der Südwestseite.

Dieser besteht aus ein 30 Meter langen Bau im Westen und einem 22 Meter langem

im Norden, der in einen Anbau mit geringerer Wandstärke übergeht. Die Stärke der

Außenmauer von 2,5 Metern, die Verwendung von Buckelquadern und die

Durchfensterung legen nahe, dass es sich zumindest im Ursprung um ein Gebäude

gehandelt halte, dass aber durch Umbauten in der Ganerbenzeit aufgeteilt wurde, um

Wohnmöglichkeiten für die jeweiligen Verwalter zu schaffen.

Dur Südwestbau kann als repräsentativer Palas angesprochen werden. Die

Außenseite des Gebäudes ist aus akkurat bearbeiteten und gesetzten Buckelquadern

gemauert. Der Bau verfügt über drei gedoppelte Fenster, eines weist noch über einer

eingesetzten Platte spätromanische Spitzbögen auf, die auch sicherlich bei den

anderen beiden zu finden waren. Die Mittelsäulen fehlen, die Fenster sitzen in

Stichbögen,

Buckelquaderaußenwand

des Palas der Oberburg

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verfügen über Sitzbänke an den Seiten und waren verschließbar. In der

Entstehungszeit waren die Fenster möglicherweise unverglast. In die Bögen des

mittleren, am besten erhaltenen Fensters sind Anschlagfalzen für einen Verschluss

durch Holzbohlen eingehauen, auch die Verschlusskanäle sind noch zu erkennen. In

späterer Zeit wurde eine Verschlussmöglichkeit der gesamten Nischen eingebaut.

Auch hier haben sich die Verschlussbalkenlöcher und -kanäle noch erhalten.

Die Buckelquaderverblendung und die Fenster erinnern stark an Spolien des ersten

staufischen Palas des Trifels, wie sie auf dieser Burg ausgestellt sind. Auch dies

bestärkt die These, dass zwischen den beiden Burgen in der Person des Markward

von Annweiler eine direkte Verbindung bestand und auch Bauleute vom Trifels bei

der Errichtung der Lindelbrunn zum Einsatz kamen.

Im Inneren des Gebäudes fällt zuerst ein Kamin ins Auge, der zu den zahlreichen

willkürlichen und stilwidrigen Veränderungen an der Burg bei der Über-

Restaurierung der 1970er Jahre gerechnet wird. Der Keller ist original, der

Kellerzugang bis auf die Treppenstufen und die Reste Tür nicht. Von der Tür sind

die Pfosten noch aus der Nutzungszeit erhalten.

Das Untergeschoss hat drei kleine Rundbogenfenster, die zuerst als Lichtöffnungen

anzusprechen sind. Die östlichen sind v- förmig, auf Kragsteinen ruht ein gerader

Sturz. Obwohl als Lichtschlitze angesehen, könnten sie auch als Schießscharte für

Bogenschützen aus der Frühzeit der Burg angesprochen werden. Allerdings hätten

die Schützen nur einen schmalen Bestreichungswinkel.

Die Aufmauerung des hofseitigen Abschlusses muss als willkürlich bezeichnet

werden.

Das Innere der Außenwand wird durch ein Gesims mit Wulst, Platte und Kehle

gegliedert, das Gesims diente wohl als Stockwerksauflage für das Obergeschoss, das

Kellergeschoss wurde durch auf gerundeten Konsolsteinen aufliegenden Balken

gebildet. Diese Konsolsteine haben sich noch fast vollständig erhalten. Der Palas

hatte somit kein Gewölbe, sondern eine flache Holzdecke.

Der heute zu sehende Kamin ist möglicherweise doch in seiner Originalgröße

rekonstruiert. Zumindest ist die obere rechte Wange noch original, auch der Verlauf

der Konsolsteine, die rechtwinkelig nach unten geführt werden und dann in die

Kaminabdeckung übergehen, weist in diese Richtung. Einer dieser Konsolstein ist

als Original anzusprechen. Allerdings sind die meisten keine Originale. Gegen die

Rekonstruktion in Originalgröße widerspricht der Teil einer Kaminwange, der jetzt

in der Rückwand sitzt.

Es ist aber auch möglich, dass der Kamin in der Nutzungsphase des Gebäudes

vergrößert wurde. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum die störenden

Wangen des älteren Vorgängers nicht gänzlich abgeschlagen wurden. Letztlich lässt

sich das wahre Aussehen des Kamins wegen der „unkompetenten Eingriffe“in die

Bausubstanz nicht mehr rekonstruieren.

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Rekonstruierter Kamin im Saalbau

Links und rechts des Kamins findet sich jeweils eine Blindnische, die wohl als

Wandschränke angesprochen werden können.

Das Gebäude hatte außer dem Keller mindestens zwei weitere Stockwerke mit

mindesten 260 qm. Fläche.

An den Repräsentationsbau stieß ein 22 Meter langer Wohnbau, der fünf Meter breit

und mindestens zweigeschossig war. Auch dieses Gebäude ist stark überformt. Als

Originalteil anzusprechen ist ein Aborterker an der Außenseite, der nicht

aufgerundeten Konsolsteinen ruht, sondern auf „zwei maß werkartig geschaffenen

Konsolen in der Art frühgotischer Kleeblattbögen“. Der fast vollständig erhaltenen

Erker, der sogar noch über die Nut für das Sitzbrett verfügt, ist einzigartig in unserem

Raum.

Weitere Originalteile sind Fenstergewände und Sitzbänke in den Fensternischen. Bei

den Fenstern dürfte es sich um Vierstockfenster aus einer Ausbauphase des 15. Jh.

handeln. Die Krampen zum Einsetzen der Butzenglasfenster haben sich noch

erhalten. Von den Sitzbänken könnte die rechte des östlichen Fensters, mit Wulst

und Kehlen profiliert, noch aus der Bauphase der Burg stammen.

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Aborterker an der Außenseite des Wohnbaus.

Der sich anschließende Bau, von dem nur noch die Außenmauer steht, wird als

Wirtschaftsgebäude oder Stall angesprochen, Ein noch vorhandener Wandschrank

lässt aber auch eine Nutzung von Teilen des Gebäudes als Wohnraum schließen.

Der Nordteil der Burg ist von Schutt bedeckt. Darunter wurde, auf Beschreibungen

des 19. und 20. Jh. rekurrierend, ein Bergfried vermutet. Hier kann aber nur die

Burgenarchäologie Klarheit schaffen. Ein Turm ist 1448 erwähnt (in den thorn zu

Lindelborn), der zu diesem Zeitpunkt auch als Gefängnisturm genutzt wurde. Über

sein Aussehen und seine Lage ist allerdings nichts bekannt.53

Peter Pohlit hat die bis heute fundierteste Datierung der einzelnen Burgteile geliefert:

„Bauphase I: Die Grundmauern des südwestlichen Wohnbaus mit dem

„sakralen“Raum können aufgrund der Säulenbasen - unter Vorbehalten - eine grobe

Datierung ins 12. Jahrhundert zulassen.

Bauphase II: In den Jahrzehnten um 1200 dürfte ein umfassender Ausbau der Burg

mit Kapelle und Saal- und Wohnbau erfolgt sein. Die - nach Fundstücken -

rekonstruierbare Fassade der Kapelle mit „lombardischen“Lisenen und die

Doppelfenster mit sehr schwach ausgeprägten Spitzbogenöffnungen und

Rundbogenfassungen lassen eine Datierung im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts

möglich erscheinen.

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Bauphase III: Spätestens im 14. Jahrhundert wurde das südwestliche Wohngebäude

weitgehend neu errichtet. In diese Zeit dürfte auch spätestens der Brunnen in der

Unterburg eingeordnet werden, da die Burg 1398 als Lindelbrunn bezeichnet wird.54

Lindelbrunn ist eine Burg, auf der größeren Wert auf Wohnkomfort als auf die

fortifikatorischen Einrichtungen gelegt wurde. Die imposante Lage mag hier

tatsächlich als Machtdemonstration gelten, die Burg tatsächlich „Symbol der

Macht“sein. Auch die herausragende Steinmetz- und Maurerarbeit am Palas und an

den aufgefundenen und teilweise verlorenen Architekturteilen stützen diese These.

Eindeutig ist sie dem des Trifels zuzuordnen und steht auch in direktem historischem

Zusammenhang mit diesem. Nach ihrer Zerstörung war ein Wiederaufbau auch wohl

deswegen nicht geboten, da das Gipfelplateau keinen Raum für unbedingt

notwendige Ausbauten nach Einführung der Feuerwaffen bot und im Berghang

keine Möglichkeit bestand, die Burg durch Vorwerke zu erweitern und zu

verstärken. Letztlich wurde der Grund ihrer Erbauung, Wohnkomfort und

Repräsentation, ihr 300 Jahre später zum Verhängnis.

______ 1. Sprater, Friedrich: Die Pfalz: in der Römerzeit, 2 Bde. Speyer 1929/30. Bd. 1., S. 95: Häberle,

Daniel: Von der Burg Lindelbol und dem Lindelbrunnerhof, Ein Beitrag zur Heimatkunde der

Südpfalz, Neustadt 1933, S. 3.

2. August Brauner: Burg Lindelbrunn, Bad Bergzabern 1981, S. 4: Bürgy-de Ruijter, Ingrid: Ein Blick zurück. Die Chronik von Gossersweiler-Stein, Annweiler 1998. S. 34-35.

3. Keddigkeit, Jürgen; Burkhart, Ulrich; Übel. Rolf (Hg.): Pfälzisches Burgenlexikon. Band 3,

I-N (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, herausgegeben vom Institut für pfälzische

Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern, Bd. 12.3) Eintrag: Lindelbrunn von A. Thon, U.

Burkhart, P. Pohlit und D. Barz, Kaiserslautern 2005, S. 430-448, S. 432; nach GLA KA

67/l304, in der älteren Literatur wird sie auf 1268 datiert (Lehmann, Johann Georg:

Urkundliche Geschichte der Burgen und Bergschlösser der bayerischen Pfalz, 5 Bde.

Neustadt 1857-1866, unveränderter Nachdruck in 3 Bde., Pirmasens 1969, S. 193; Pohlit.

Peter: Die Burg der vornehmen Lebensart, in: Heimatjahrbuch 1997 des Landkreises

Südliche Weinstraße, Otterberg 1996. S. 139; Die Kunstdenkmäler des Bezirksamtes

Bergzabern (Die Kunstdenkmäler von Bayern, Regierungsbezirk Pfalz, Bd. 4) bearbeitet von

Anton Eckardt, München 1935, S. 302: Brauner, August: Burg Lindelbrunn. Feriengebiet

Südliche Weinstraße. Geschichte, Baubeschreibung. Rundblick, Sage, Lindelbrunnerhof. Bad

Bergzabern 1981, S. 5: Übel. Rolf: Truwe und Veste, Burgen im Landkreis Südliche Weinstraße, Landau 1992. S. 39.)

4. Thon, Alexander: Markward von Annweiler (um 1140-1202). Reichsministeriale,

Reichstruchsess, Herzog, Markgraf, Graf, in: Rothenberger/Scherer/Staab/Keddigkeit

(Hrsg.): Pfälzische Geschichte, Band l (Beiträge zur pfälzischen Geschichte, hrsg. vom

Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Bd. 18.1), Kaiserslautern 20113, S. 232-

234.

5. Saab, Meinrad: Die Ministerialität der Kirchen, des Pfalzgrafen, des Reiches und des Adels

am unteren Neckar und im Kraichgau, in: Ministerialität im Pfälzer Raum, Referate und

Aussprachen der Arbeitstagung vom 12. bis 15. Oktober 1972 in Kaiserslautern (Hg. von Friedrich Ludwig Wagner), Speyer 1975. S. 95-116, S. 112-115.

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40

6. Huillard- Breholes, J.L.A.: Historica Diplomatica Frederici Secundi, Paris 1852, S. 96.

7. Schaab, S. 114/115

8. Pohlit. 1997, S. 139-145

9. Thon, Alexander: „... und die Gewalt von Aufrührern wies er energisch sowohl durch Waffen

als auch durch Klugheit zurück“. Pfälzische Reichsministerialen im Umfeld von Burg Trifels

zur Zeit der staufischen Könige und Kaiser, in: Trifelsverein Annweiler (Hg.): Stauferkaiser,

Reichsinsignien. Ministerialität (Beiträge zur Geschichte des Trifels und des Mittelalters, Bd.

2), Annweiler 2002, S. 142-162.

10. Thon. 2011, S. 232-234: auch in den Wikipedia-Eintrag zur Lindelbrunn ist die Vermutung

aufgenommen.

11. Thon. 2011. S. 233f.

12. Würdtwein. Stefan: Novo subsidia diplomatica ad selecta iuris ecclesiastica Germainae et

historiarum capita, 14 Bde., Heidelberg, Bd. 12, Nr. 89, S. 198f.

13. Böhmen. Johann Friedrich (Hg.): Die Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf, Adolf,

Albrecht, Heinrich Vll, 1273-1313. Innsbruck 1898. Nr. 158, S. 50), FLA Amorbach. Urk.

Leiningen, sub dato 10. Mai 1274.

14. LA Sp F l, Nr. 186, bl.1, auch LA Speyer C 28, Nr. 47.

15. Diestelkamp, Bernhard (Hg.): Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und

Hofgerichts bis 1451 (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich,

Sonderreihe) 6, Köln 1995, Nr. 379, S. 225.

16. Toussaint, Ingo: Die Grafen von Leiningen. Studien zur leiningischen Genealogie und

Territorialgeschichte bis zur Teilung 1317/18, Sigmaringen 1982, S. 146.

17. Lehmann. Bd. l, S. 194.

18. GLA KA 67/800, fol. l4v.

19. HStMü, Kurpfz Urk., Nr. 1487.

20. Pfälzer Burgenlexikon. Bd. 3, S. 434.

21. Lehmann, Bd. l, S. 197; Glasschröder, Franz Xaver: Neue Urkunden zur Pfälzischen

Kirchengeschichte im Mittelalter (Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur

Förderung der Wissenschaften. Nr. 14). Speyer 1930, S. 41-43, Nr. 71.

22. Palatia sacra, Kirchen- und Pfründebeschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit. hrsg.

von L. Anton Doll. Teil I, Bistum Speyer. Band 3. Der Landdekanat Herxheim, bearbeitet von

Renate Engels, Mainz 1988, S. 199.

23. Pfalz. Burgenlexikon, Bd. 3, S. 434.

24. Lichtenberger Urkunden. Regesten zu den Urkundenbständen und Kopiaren des Archivs der

Grafen und Herren von Lichtenberg in Darmstadt, Karlsruhe, München. Speyer, Straßburg,

Stuttgart und Ludwigsburg 1163-1500 (Repertorien des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt

2), bearbeitet von Friedrich Gattenberg unter Mitarbeit von Bernhard Metz. 5 Bde., Darmstadt

1994-1996. Nr. 1731, S. 110.

25. LA Speyer C 19, Nr. 222. pag. 3.

26. Lehmann, Bd. l, S. 199.

27. Lehmann, Bd. l. S. 202 f.

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28. LA Speyer. C 25, Nr. 18.

29. Brauner, S. 11.

30. Lehmann, Bd. l, S. 204-205.

31. Friedrich Toepfer (Hg.): Urkundenbuch für die Geschichte des graeflichen und freiherrlichen

Hauses der Voegte von Hunolstein, 3 Bde., Nürnberg 1866-72. Bd. 2. Nr. 280, S. 229.

32. Lehmann, Bd. l, S. 207.

33. Hofmann, Conrad (Hg.): Quellen zur Geschichte Friedrich’s des Siegreichen. Erster Band:

Mathias von Kemnat und Eikhart Arzt, München 1862 (Neudruck Aalen 1969). S. 200-202.

34. Angelika Zangl: Weißenburg und die Familie Holzapfel von Herxheim, in: L’outre-forêt, (III

2011), S. 29-31.

35. Artzt (1862/1969), S. 187

36. Harer, Peter: Wahrhaftige und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs, hrsg. Von Günther

Franz, Kaiserslautern 1936, S. 47.

37. Obwohl sich diese Annahme einige Male in der Literatur findet, ist ein urkundlicher Nachweis

für diese Annahme bis heute noch nicht erbracht.

38. Pohlit, Pfälz. Burgenlexikon, Bd. 3, S.440 und Karte S. 447. Die ältere Literatur nennt dieses

Tor nicht.

39. Pohlit. .S. 141. Er verweist auf die Minen bei Löwenstein und Wasselheim, die Mine hei Alt-

Windstein und die vermutete Mine auf dem Berwartstein wären hier hinzuzufügen.

40. Pohlit, Burg. S. 142. Burgeingänge konnten auch mit Madonnennischen versehen sein (z.B.

Altdahn oder Neuscharfeneck).

41. Bernges, Rüdiger: Felsenburgen im Wasgau, Untersuchungen eines speziellen Burgentyps im

südlichen Pfälzer Wald und in den Nordvogesen, Ahrweiler 1992, S. 270.

42. Die Baudenkmale in der Pfalz, ges. und hersg. v. d. Pfälzischen Kreisgesellschaft des

bayerischen Architecten- und Ingenieurs-Vereins, 5 Bde. Ludwigshafen am Rhein 1884-1898.

Band 2, S. 241.

43. Kunstdenkmäler. 1935, S. 304.

44. Kunstdenkmäler. 1935, S. 30S. Pohlit. Pfalz. Burgenlexikon, Bd. 3, S. 447 et.al.

45. In dem Kellerraum befindet sich der Felsspalt, der von der Mine aus zu sehen ist.

46. Pohlit Burg, S. 143.

47. Kunstdenkmäler, S. 307.

48. Lehmann, Bd. l, S. 191.

49. Thon, Alexander/Pohlit, Peter/Reither Hans: „... wie eine gebannte, unnahbare Zauberburg“.

Burgen in der Pfalz, ein Führer, Regensburg 2003, S. 94.

50. Pohlit, Burg, S. 141.

51. Braun, Eckhard: Pfälzische Burgen und Feuerwaffen, phil. Diss., Hauenstein 1997. S 1094.

52. Kunstdenkmäler(1935), S. 308.

53. Eikhart Artzt (1862/1969). S. 202

54. Pohlit. Pfälz. Burgenlexikon. Bd. 3, S. 447

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Von Kurt Seegmüller

Lehrer in Oberschlettenbach in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, überliefert

durch seine Schülerin Hermine Christmann, verheiratete Hunsicker geb. 1924.

Lindelbrunn

Die Wolken huschen um den Lindelbrunn,

‘s ist Herbst, sie treibt ein frostger Wind,

in der Ruine Mauern horsten Eulen,

die sie um Mitternacht umkreisen.

Sieh, durch die Trümmer irrt die alte Frau,

die einst die stolze Burg verdarb.

Und Bauernhorden lagern rings im Wald

und sinnen Raub und Mord und Überfall.

Was war, das wird in dunklen Nächten wieder

und es beginnt ein Kampf um Lindelbrunn.

Die Zinnen stürzen und die Mauern fallen

und übrig bleiben Schutt und Moder nur.

Am Morgen blinket die Ruine öd ins Land.

Aus dunklen Fenstern grinst noch das Entsetzen,

das fünfzehnhundertfünfundzwanzig dort geboren.

Es stirbt nie und es wird nie alt.

Nur wenn im Mai die Büsche wieder blühen,

die Nachtigall in ihnen wieder singt,

wenn rings die Weite schallt von Lust und Freude,

dann segnet Lindenmütterlein das alte Schloss.

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Vorderweidenthal und Oberschlettenbach

Ein Gang durch die Geschichte

Lothar Wagner

Frühe Siedlungsspuren

In unserer Gegend finden sich frühe Spuren menschlichen Lebens bereits in der

Steinzeit. In Oberschlettenbach im Zimmertal wurde ein ungelochter Faustkeil

(befindet im Landesmuseum in Speyer) und am Fuß des Lindelbrunn ein

geschliffenes Steinbeil aus der jüngeren Steinzeit (bis etwa 2000 v. Chr.) gefunden.

Aus der Zeitspanne zwischen 30000 und 7000 Jahren vor Chr. stammen auch Funde

in einer Sandsteihöle im Weidental bei Wilgartswiesen, die ca. 8000 Jahre alt sind.

Aus keltischer Zeit ist uns eine kleine Siedlung auf dem Maimont an der deutsch -

elsässischen Grenze bekannt, in der auch Kulthandlungen vorgenommen wurden. In

römischer Zeit lebten bei uns neben den keltischen Mediomatrikern die

germanischen Nemeter und die Römer. An der Westspitze eines Felsriffes zwischen

Tannenwaln und Langenwald oberhalb des Bärenbrunner Hofes befindet sich eine

56 cm lange erhaltene Inschrift mit etwa 10 cm hohen Buchstaben: Vosegus

Silvan(o) (dem Gott Vosegus Silvanus). An dieser Stätte in freier Natur riefen die

Kelten ihren Gott des Waldes an, den Vosegus, von dem Vogesen und Wasgenwald

ihren Namen haben. Mit dieser Inschrift wird der einheimische Gott Vosegus mit

dem römischen Waldgott Silvanus gleichgesetzt (er wird latinisiert). Nahebei im

Wald bei Oberschlettenbach fanden sich römische Siedlungsspuren. Aus römischer

Zeit stammen auch Ziegeln und Münzen, die man an der Handelsstraße gefunden

hat, die nördlich von der Burg Lindelbrunn vorbeiführte.

Dieser alte Höhenweg kam von Leinsweiler und zog über Gossersweiler nach

Südwesten. Mit ihm vereinigte sich ein anderer Straßenzug, der von Johanniskreuz,

der Falkenburger Steige, Hauenstein, Schwanheim und Darstein kam. Bis zur

Erschließung der Täler wurden die Straßenzüge in Nord- Süd- und Ostrichtung

benutzt.

Lehen des Klosters Klingenmünster - die erste urkundliche Erwähnung am

16. Oktober 1313

Das Kloster Klingenmünster hatte für die Besiedlung, Kultivierung und kirchliche

Organisation unserer Gegend eine große Bedeutung. Es wird 782 als Kloster

Blidenfeld erstmals urkundlich erwähnt. Etwa um 800 nahmen die Mönche die

Benediktinerregel an. Der Patron des Klosters war St. Michael. Daher werden die

Ordensleute als „Michaelsleute“bezeichnet. Das Kerngebiet des Klosters lag südlich

von Klingenmünster und westlich im Wasgau zwischen Erlenbach und Kaiserbach.

Hier betrieb das Kloster seine Rodungstätigkeit, den Klingbach hinauf. Die hier

liegenden Dörfer verdanken also dem Kloster ihre Entstehung, so auch

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Vorderweidenthal und Oberschlettenbach. Wann genau unsere Dörfer entstanden

sind, wissen wir nicht. Ob im 12. Jahrhundert oder erst im 13. ist uns nicht bekannt.

Den ersten eindeutigen Hinweis gibt uns die Urkunde vom 16. Oktober 1313. Darin

werden 10 Ortschaften genannt, die dem Abt des Klosters ein Bezirksweistum

ausstellen, u.a. auch Widental (Vorderweidenthal) und Slethenbach

(Oberschlettenbach).

Die aus den Dörfern in Speyer Anwesenden werden „jurati sui villarum“ bezeichnet,

was man mit „Berechtigte seiner (des Abtes) Weiler“ bezeichnen könnte. Gemeint

sind Schöffen oder Schultheißen aus den 10 Dörfern. Aus Vorderweidenthal sind

dies: Trutwinus, Conzelinus, der Sohn des Rudolf, ... genannt Hetzel, Hertwicus und

Anshelmus, aus Slethenbach Waltherus und Wernherus.

Ausgestellt wird das Bezirksweistum über das Besthaupt und den Bannwein.

Das Besthaupt oder Todfall war im Mittelalter eine Abgabe vom Nachlass eines

Hörigen, Unfreien oder Leibeigenen, die häufig im besten Stück Vieh oder besten

Gewand oder überhaupt des besten Stücks bestand. Der Bannwein ist das Recht des

Herrn, auf Grund seines Bannrechts zu bestimmten Zeiten den Weinausschank zu

verbieten und allein auszuüben. In unserer Urkunde wird der Zeitpunkt festgesetzt.

Der Abt hat „duo jura in anno“, zweimal im Jahr das Recht, 15 Tage vom

Michaelisfest und vom Fest der Heiligkreuzerhöhung an gerechnet, den

Weinausschank zu verbieten und selbst auszuüben. Aus diesen beiden Rechten kann

geschlossen werden, dass das Kloster Grundherr in den in der Urkunde genannten

Orten war. Hier die Übersetzung der Urkunde vom 16. Oktober 1313, die im

Original in lateinischer Sprache abgefasst ist und sich im Hauptstaatsarchiv in

München befindet. Ein Abdruck ist in der Zeitschrift für die Geschichte des

Oberrheins, Band 17, S. 167 bis 169 nachzulesen.

Hier der deutsche Text:

Text Seiten 167, 168 und 169:

Wir, die Gerichtspersonen des Hofgerichtes von Speyer und auch die

Officialen der Kirche daselbst wollen allen Gegenwärtigen und Zukünftigen

zur Kenntnis bringen, was wir im Jahre des Herrn 1313, am Tag des seligen

Bekenners Gallus, in Gegenwart des ehrwürdigen Heini Heinrich, von Gottes

Gnaden Abt des Klosters Klingen, beschlossen haben, wir und auch ihre

Geschworenen der unten erwähnten Dörfer. Zuerst natürlich aus

Klingenmünster: Nicolaus, genannt Hulwecke, dann Fritzo, gen. Arzat,

Heinricus, gen. Ganeister, der Schuster Conradus, Dytherus, gen. Wige, und

Ulmannus in der Steingasse. Ebenso aus Göcklingen: der Weber Conradus,

Heinricus, gen. Zeberlinger und Eberhardus. Ebenso aus Gleiszellen:

Wolframus, gen. Schatman, Otdo.Heinricus, gen. Huchelheimer, und

Conradus, gen. Gotzman. Ebenso aus Pleisweiler: Werherus, gen. Hocheimer,

sein Bruder Jacobus, gen. Happhelman und Hartliebus. Ferner aus Bergzabern

-, gen. Winter, Heinzelmannus und der Lohnmann Conzelinus. Ebenso vom

Wirschweilerhof Fridericus, gen. Hetkebz und Burkardus, gen. Kirsemant.

Ebenso aus Münchweiler: Wernherus und Sifridus. Ebenso von

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Gossersweiler: ,gen. Apel und ,gen. Schade de Steine, und auch Reinherus de

Sulzen. Ebenso: Aus Vorderweidenthal: Trutvinus, Conzelinus, der Sohn des

Rudolf,...., gen Hetzel, Hertwicus, Anshelmus, Waltherus und Wernherus aus

Slethenbach. Ebenso aus Schwanheim: Heinricus, gen. Wollesheher (lies:

Wollesleher), und Wernherus, gen. Vero.

Herr, der Abt, forschte alle einzeln an Eides Statt aus, was sie über ihre

Rechtsverhältnisse sich selbst gegenüber äußern und von den andern zu

erfahren suchen und eben über diese durch eigene eidliche Aussagen mit

Sicherheit aussagen können. Die oben erwähnten Geschworenen aber machten

mit Entschiedenheit und Einstimmigkeit aller und einiger der oben genannten

Dörfer ihre Aussagen und äußerten sich auch durch eidesstattliche

Erklärungen in aller Eindeutigkeit, dass jeder, welcher Stellung er auch sei, als

Person angemessener Glaubwürdigkeit gilt. Jeder, bzw. alle, die auf den

Gütern des heiligen Michael vom Kloster Klingenmünster stürbe, müsse

entweder sein bestes Vieh, das er hinterlässt, außer einem, dem oben

erwähnten Herrn Abt, bzw. seinen jeweiligen Nachfolgern abtreten, oder, falls

er kein Vieh haben sollte, das beste Kleidungsstück. Und wenn er von beiden,

also Vieh und Kleidung, nichts hinterließe, soll er (der Abt) von den anderen

Resten eine Goldmünze erhalten.

Wenn es sich aber um einen Klostermann von dem oben erwähnten St.

Michael in Klingenmünster handelt, soll auch er sein bestes Stück Vieh oder

Kleidungsstück aus seinem Nachlass dem oben erwähnten Abt. bzw. seinen

jeweiligen Nachfolgern abtreten, wobei ein Einspruch, von wem auch immer,

nichts daran ändern soll.

Ebenso machten sie ihre Aussagen und erklärten durch eigene eidesstattliche

Aussagen in aller Entschiedenheit, dass der oben erwähnte Abt, bzw. seine

jeweiligen Nachfolger zeitlich ununterbrochen jährlich zwei Rechtsame haben

soll, die der Volksmund Bannwein nennt, nämlich je fünfzehn an der Zahl am

Michaelstag und am Fest der Kreuzauffindung. Auch soll dies kein Einspruch

verhindern. Zur Bestätigung und Bekräftigung jedes einzelnen haben wir als

die Gerichtspersonen des Hofgerichtes von Speyer und auch die oben

genannten Officialen unsere Verträge dem oben genannten Herrn Abt sowie

all seinen Nachfolgern auf Bitten der oben genannten Personen persönlich zur

Genehmigung vorgelegt.

In den Jahren 1457 und 1483 werden durch den Abt Diemar von Selz und den

Offizial des Speyerer Dompropstes Abschriften erstellt. Das bedeutet, dass der Abt

von Klingenmünster immer wieder um seine Rechte kämpfen musste. Als die

Bauern in der Pfalz sich im Jahr 1525 in einem Aufstand erhoben und in 12 Artikeln

ihre Forderungen formulierten, schrieben sie in Artikel 11:

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„Zum eilften wellen wir den Brauch, genannt den Todfall ganz und gar abtun

haben, den nimmer leiden noch gestatten, dass man Witwen, Waisen das ihr

wider Gott und Ehren also schendlich nehmen, berauben soll, wie es an viel

Orten (mennigerlei Gestalt) geschehen ist, und von den, so sie beschitzen und

beschirmen sollten; hant sie uns geschunden und geschaben, und wann sie

wenig Fug hettent gehabt, hettent sies gar genommen, das Gott nit mehr leiden

will, sunder soll ganz absein, kein Mensch hichts hinfiro schuldig sein zu

geben, weder wenig noch viel.“

Die 12 Artikel hat auch der Kolbenhaufe gekannt und übernommen, der im Frühjahr

1525 Lindelbrunn besetzte und zerstörte. Ein Beweis dafür, wie sehr das Besthaupt

(der Todfall) die Menschen bedrückte und belastete.

Der Fronhof des Klosters Klingenmünster in Vorderweidenthal

Im Mittelalter besaß das Kloster Klingenmünster einen durch Schenkungen und

Gütervererbungen entstandenen größeren Besitzkomplex. Es besaß Fronhöfe in

Göcklingen, Gossersweiler, Gleiszellen, Pleisweiler, Schwanheim,

Vorderweidenthal, Heuchelheim, Wollmesheim und Insheim. Der Fronhof von

Vorderweidenthal wird im Jahr 1485 erstmals urkundlich erwähnt. Da verkauft der

Abt Eucharius und sein Convent „dem strengen Ritter und pfälzischen Marschalle

Hans von Drot Für 500 gute rheinische Gulden... einen Frei und Fronhof neben der

Kirchenmauer, nebst anderen Berechtigungen“(Lehmann, Urkundliche Geschichte

der Burgen und Bergschlösser im ehemaligen Speyergaue, S. 191-216). Wann unser

Fronhof entstanden ist, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall war er die Urzelle unseres

Dorfes. Durch ihn wurde das umliegende Land urbar gemacht und bewirtschaftet.

Weitere Gehöfte kamen im Lauf der Zeit dazu und langsam entstand ein Dorf. Wir

hatten also einen zentralen Fronhof mit von ihm abhängige Bauernhufen. Als Hufe,

mansus, galt eine vom Fronhof abhängige, aber selbstständige Bauernstelle mit

Hofstatt und Ackerland. Die Arbeitsleistungen der Bauern für den Fronhof

bestanden in Fronden und den großen und kleinen Zehnten.

Eine Fronhofverfassung (von ahd. fro = Herr) bedeutet also, dass es einen

Eigenbetrieb des Grundherrn (Fronhof) gibt, dem selbstständig betriebene

Bauernwirtschaften (Hufen) zugeordnet sind.

Auf dem Fronhof saß ein Schultheiß, der die Klosterhörigen beaufsichtigte. Er hatte

freien Wohnsitz und bewirtschaftete die zum Hof gehörigen Felder und Wiesen. Die

Rechte der Abtei Klingenmünster in Vorderweidenthal und Oberschlettenbach sind

in einem Weistum wiedergegeben, welches vor 1485 entstanden sein muss, da es

immer von einem Abt spricht, das Kloster aber 1490 in ein weltliches Kollegiatstift

umgewandelt wurde und ab da keinen Abt mehr hatte.

Page 48: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Rechte der Abtei Klingenmünster zu

Vorderweidenthal

§ 1. Zu Weidenthale, daselbst hat der stift einen hof, gelegen neben der

kirchenmauer, und heisset ein fronhofe, der aller menglich frei ist vor

bekummern dem gericht und ander sachen, und soll der hofe mit zeinen

behebe sein und ein haus und scheuer darin sein. § 2. Auch hat ein abt daselbst

recht zu allen zehenden zweier theile im dorfe und marke, uszgescheiden die

lehen, und ein selegereder des closters von des chores wegen ein drittig theile,

oder ein parher zu Gosserszweiler von iren wegen. § 3. Auch hat ein abt

jerlichen in dem gericht fallenden von den huben uf s. Marteins dage

schezehenhalbe achtel korngeldes und achtzehenhalbe achtel habergeldes, das

die gemeinde sammentlichen verrechen sollen uf den nesten dinstag nach dem

gerichts dage, der do ist nach sant marteins dage. § 4. Und sollen dasz

verrechen einem schultes, der (l. den) dan ein abt dar setzet und gesatzt hat. §

5. Auch wan ein abt einen man dar stellet, der da ein biderman ist, zu einem

schultes, da sall das gericht mit begnuege; weisze aber das gericht icht uf

denselben, dasz er nit gut darzu ist, soe soll er einen andern dar stellen, als

lange bis das gericht begnueget. Und wann dan das gericht begnuegt, mit

welchem das were, der soll einem abt geloben und darnach im und dem gericht

schweren, beiden ir recht zu halten. § 6. Auch gibt ein abt von den

vorgeschriben zinsen und zehenden einem Pfarher jerlichen eilfe suemem

korns und eim selegereder von des chores wegen sehs summern; und seint im

auch nit mere da schuldig, wan die kirche daselbes ein capellanie ist geweszen

und ist gemacht zu einer pfarren umb des kirchegangs willen, der da gehorte

gein Gossersweiler, das da die heübtpfarre ist, und man auch den sent da

besitzet. § 7. Auch wan man jares die egeschriben zinse da gemeinlichen

rechent und bezalt, soe gibt man den hubern in fruentschaft ein viertel weins

zu gezeügnis der rechnung. § 8. Auch soll ein schultes zu Schlettenbach die

zinse verrechen und empfahen und eim abt in seinen sag antworten, wan

dasselbe dorfe auch in das gericht gehoret, an der walthabem von dem Langen

walde und Uffels walde und den deheim, das ein furster sammeln und

entpfahen salle und einem apt antworten in sinen sack. § 9. Auch salle ein

schultes, der in dem fronhofe sitzet und das fronguet bauet, alle jare den

krisam der kirchen und den schotze der gemeinde bezalen. § 10. Ouch sal man

der gemeinde zu irm fihe halden in dem fronhofe einen farren, ein eber, einen

wider, einen halben wagen, ein gruendel mit schare und seche, und ein bloche

oder ein pare ringe, und dammb hat der hofe recht zu zweien deilen des kleinen

zehenden. § 11 Auch haben wir ein stuck wiszen kauft daselbes, gelegen an

des stifts bruel, do warent vile erber luede bei diesem kaufe und beredueng.

Page 49: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Der Fronhof besaß Immunität. Er war frei von öffentlichen Gerichten und von dem

Zutritt der öffentlichen Beamten. Sogar die in den Fronhof geflüchteten Missetäter

fanden dort sicheres Asyl. Der Fronhof war ein Immunitätsgebiet. Man nannte einen

Fronhof auch einen Freihof. Er sollte mit einem Zaun umschlossen sein. 2/3 des

großen Zehnten (Getreide und Großvieh) standen dem Kloster Klingenmünster zu,

1/3 dem Mann (selegereder), welcher für die gestifteten Anniversarien

(Totengedächtnisfeiern) sorgte. Aus den Zehnteinkünften besoldete der Abt den

Pfarrer von Vorderweidenthal. 2/3 des kleinen Zehnten (Küchenkräuter, Obst,

Gemüse und Kleinvieh) bezog der Schultheiß im Fronhof, der dafür das heilige Öl

(krisam) und den Schütz bezahlte. Auch war er verpflichtet im Fronhof einen Farren,

einen Eber, einen Widder, einen Pflug mit Schar, einen Fußblock und Fesseln bereit

zu halten. Hielt das Gericht einen Schultheiß nicht für geeignet, musste der Abt des

Klosters einen anderen suchen, mit dem das Gericht einverstanden war.

Oberschlettenbach

§ 1. Zu Schlettenbach, daselbes hat ein abt zehen achtel habergeldes jerlichen

fallende uf sant Marteins dag von allen huben die in der marg da seint gelegen,

die ein gemeinde desselben dorfes einem schultes zu Weidendale verrechen

sollent, und 7 virntzel korns. § 2. Und ist zu wissen, dasz ein iglicher abt des

closters Clingenmunster einen furster zu ensetzten und zu entsetzen hat uber

den Langen wald und Uffels wald, der im schweren und geloben solle, alle

die zu ruegen und vore zu bringen, die ander holze uf den welden nehmen

und hawen, dan ligende faule holze und unschadeber holz, er hette es dan

erleybtnus. Und darumb soll ein abt demselben furster ein jare geben einen

groen rock uf s. Marteins dag. § 3. Auch were zu Schlettenbach sitzet und

z’acker get mit dem pfluge. der gibt ein clein achtel haberns uf s. Marteins

dag, und das seint sehs summem habern, und ein hawer ein virnzel haberns;

und darumb so sollent sie recht han uf den vorgeschriben welden zu holen

ligende fule holze. $ 4. Und wan die vorgenanten welde eckern hant, soe

mogent die armen Leude desselben dorfes ir schweine daruf schlagen und von

iglichem schweine zwen pfenning geben einem abt, die im der furster soll uf

s. Endres dag der (l.nach der) zaie der schweine bei seinem eide. § 5. Auch

were seinen waldhabern nit gebe uf den dag, als in dan der furster stellet oder

soe man die andern zinse gebe, der hette sein recht des waldes verloren, und

soll es der furster einem apt vorbringen. § 6. Und ist zu wissen, were zu

Schlettenbach sitzen weit oder da sesze und ein schewer oder hausze bawen

welt, der soll einem abt holze heischen zu einem ringe, das seint mit namen

acht holzer, dasz man nit versagen soll, und soll sie hawen, dasz der furster

des waldes dabei sei, und nit mere. (Grimm, Jakob: Weistümer V, S. 544f.,)

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1554 und 1567 wird der vom Stift Klingenmünster herrührende Lehensbesitz an

Zehnten und Gefällen zu Vorderweidenthal, Oberschlettenbach, Darstein und

Bärenbronn an die Erben des Hans von Dratt (Hans Trapp) verlehnt. Aus dem Jahr

1613 ist ein Inventarverzeichnis des Fronhofs überliefert, das ihn als Besitz des

Junkers Wolf Philipp von Fleckenstein ausweist. Ein Mannlehenbrief des Stifts-

Dechants von Klingenmünster aus dem Jahr 1612 legt fest, dass „nach unbeerbtem

Abgange des fleckensteiner Mannesstammes“das Lehen an das Stift zurückfällt. Das

tritt am 6. November 1637 ein, als Wolf Philipp stirbt und damit die Fleckensteiner

röderscher Linie aussterben.

Da die Dörfer und Ländereien des Stifts seit 1567 von der Kurpfalz verwaltet werden

(das Kloster wurde im Zuge der Reformation aufgehoben), dürfte der

Klingenmünsterer Lehensbesitz in Vorderweidenthal. Darstein und

Oberschlettenbach unter kurpfälzische Verwaltung gekommen sein. Auf jeden Fall

erhebt die kurpfälzische Kellerei Birkenhördt jedes Jahr eine Thomas-Gült (Steuer,

Abgabe) in der leiningischen Herrschaft Lindelbrunn, die aus 14 Malter und 4

Simmern Korn und 41 Malter, 6 Simmern und 41 June Hafer besteht. Das galt bis

1792, bis zur französischen Besetzung.

Als die linksrheinische Pfalz französisches Staatsgebiet wurde, haben die Franzosen

nach 1793 den Feudal- und Kirchenbesitz eingezogen und als Nationalgut

versteigert. In Vorderweidenthal gab es „un bien National dit Pfalzschützengut

provenant de l’Electeur Palatin et situé dans la banlieue de la commune de

Vorderweidenthal“(ein Nationalgut genannt Pfalzschützengut, herstammend vom

Kurfürsten von der Pfalz und im Umland von Vorderweidenthal gelegen). Es

bestand aus 0.92 ha Wiese, 0,08 ha Platz und 19,61 ha Acker. Angeboten wird es für

5560 franz. Franken. Dreimal wird es angeboten und schließlich am 15.11.1809 für

5075 Franken von August Roemer aus Alzey ersteigert. Er dürfte die Grundstücke

im Lauf der Jahre an Einzelerwerber verkauft haben. Die Bayern machten, nachdem

die Pfalz ab 1816 zu Bayern gekommen war, diese Landkäufe nicht mehr

rückgängig.

Oberschlettenbach und Vorderweidenthal als Zubehör der Burg Lindelbrunn

Im Archiv in Münster befindet sich eine Urkunde aus dem Jahr 1386, die unsere

Dörfer als Zubehör der Burg Lindelbrunn ausweist. Hier wird die

Zusammengehörigkeit von Darstein, Vorderweidenthal, Dimbach,

Oberschlettenbach deutlich. Da die Leininger nicht selbst auf der Burg wohnten,

sondern sich von einem Vogt oder Amtmann vertreten ließen und immer Geld

brauchten, „verpfändet Emiche Graf zu Lyningen seinem Schwager Gerhard,

Wildgraf zu Kirberg, die Dörfer samt Leuten, Gericht usw.: Darsteine, Widendail,

Dynnebach und Slettinbach für 150 Gulden, 4 Wochen vor St. Georgin“.

Die Burg Lindelbrunn war eine Reichsburg und ist vom Kaiser an Rittergeschlechter

verlehnt worden. So kam die Familie von Lindelbolle, die vermutlich von dem

Reichsministerialen Markward von Annweiler abstammte, in den Besitz der Burg.

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Im Jahr 1274 überträgt König Rudolf I. an die Brüder Emich IV. und Friedrich II.,

Grafen von Leiningen, das Lehen derer von Lindelbolle. Die Leininger waren

Cousins des Königs. Ihre Mutter war die Schwester der Mutter von König Rudolf I.

Immer wieder vergab aber auch das Kloster Klingenmünster ihm gehörende

Ortschaften als Lehen an Adlige, so auch 1346 Vorderweidenthal an die Grafen von

Leiningen.

1402 verleiht Emich von Leiningen zusammen mit seinen Vettern Friedrich und

Hamman von Zweibücken eine Pfründe auf den St. Nikolausaltar auf Burg

Lindelbrunn. Zur Ausstattung der Pfründe gibt Graf Emich von Leiningen seine

Mühle mit „Mülstaden“. Wassergang und sonstiger Zubehör zu Widendal, die

Grafen von Zweibrücken ihre Mühle mit „Mülstaden’1, Wassergang und sonstige

Zubehör zu Lug. Ab 1317 war die Burg Lindelbrunn gemeinschaftlicher Besitz der

Leiningen -Hardenburger und der Zweibrücker-Bitscher Grafen und blieb es bis zum

Jahr 1570, als die katholischen Grafen von Zweibrücken- Bitsch ausstarben. Seitdem

waren die Leininger Alleinherrn. Sie führten 1570 in unseren Dörfern die

Reformation ein. Die Schultheißerei Lindelbrunn blieb, obwohl die Burg 1525 im

Bauernkrieg zerstört worden war, bis zum Frieden von Lunéville 1801 im Besitz der

später gefürsteten Leininger.

Dreißigjähriger Krieg, Reunionskammern und Pfälzischer Erbfolgekrieg

In der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) scheint das Leben

in unseren Dörfern „verhältnismäßig in geordneten Bahnen“(Heinz R. Wittner)

verlaufen zu sein.

Im Jahr 1630 entschloss sich der Schwedenkönig Gustav Adolf zum militärischen

Eingreifen in die innerdeutschen Angelegenheiten. Die Schweden eroberten von

Norden her Deutschland und besetzten Speyer, Landau und Weißenburg. In der

Gemarkung Birkenhördt gibt es heute noch den Flurnamen „Schwedischhunger“,

der wohl aus dieser Zeit stammt. Im Jahr 1634 wurden die Schweden in der Schlacht

bei Nördlingen entscheidend von den kaiserlichen Truppen geschlagen. Die

linksrheinischen Gebiete wurden 1635 von ihnen mit spanischer Unterstützung

zurückerobert. Bei der Verfolgung schwedischer Verbände fiel der kaiserliche

General Callas mit seinen aus Kroaten bestehenden Truppen auch in unsere

Wasgaudörfer ein und brannte sie nieder. Frankreich trat schließlich in den Krieg ein

und die Pfalz wurde fast gänzlich zerstört. Es war die schrecklichste und schlimmste

Zeit des Krieges für unsere Dörfer. Durchziehende Söldner brachten

Brandschatzungen, Plünderungen und Seuchen in unsere Waldtäler. Viele Menschen

erlagen, wenn nicht gemordet, Typhus und Pest oder einfach dem Hunger. Der

Bevölkerungsverlust Betrug bis zu 80%. Hierzu schreibt Heinz R. Wittner über das

Amt Lindelbrunn:

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Zeitgenössische Darstellung der Greul des Dreißigjährigen Krieges

„Es kann als Glücksfall bezeichnet werden, dass sich vom 23. März 1631 eine

Huldigungsliste erhalten hat. Sie weist für Vorderweidenthal 20

Haushaltsvorstände auf, das entspricht 80 Einwohnern. Für Oberschlettenbach

sind 8 Bürger verzeichnet, was etwa einer Einwohnerzahl von 35 Personen

entspricht. Dimbach hatte bei 8 Haushaltungen etwa 30 Einwohner und für

Darstein huldigten 6 Männer, was in etwa 22 Bewohnern entspricht. Für das

Amt Lindelbrunn ergibt das um die 167 Einwohner.“

Bis zum Frühjahr 1635 verlief hier das Leben den Kriegsverhältnissen

entsprechend weitgehend normal. Ein düsteres Bild zeichnet die Kellerei-

Rechnung 1637/38: Keine Einnahmen aus beständige Beth, weil die

Untertanen mehrenteils gestorben und verdorben. Ähnlich düster sah es in den

folgenden Jahren aus. Bis 1650/51 schweigen die Rechnungen. Aus der

Kellereirechnung für 1651/52 kann man sehen, dass die Abgaben acht Jahre

zuvor (also vor dem Kroatensturm) 15 Mal so hoch waren. Bis etwa 1656

tauchen in allen Gefällverzeichnissen und Fronlisten immer nur (für alle vier

Orte zusammen) die gleichen 14 Männer auf. Daraus kann man erschließen,

Page 53: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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dass die Gesamteinwohnerzahl sicherlich nicht höher als 50 war, was etwa

29% der Einwohnerzahl von 1631 entspricht. ... Erst für 1740 liegt wieder eine

Huldigungsliste vor. Sie vermerkt 93 Männer, darunter die hohe Zahl von 17

Hintersassen, was Rückschlüsse auf die Wirtschaftslage des Amtes zulässt,

sowie 3 Juden. Dies lässt auf eine Gesamt-Einwohnerzahl von etwa 380

Personen schließen.“

(Heinz R. Wittner, Schweizer Einwanderer in der Vorder- und Südpfalz, S. 28) Der

grausamste aller Kriege in der Pfalz erschöpfte sich schließlich an den Zerstörungen,

die er selbst geschaffen hatte. Nach dem Frieden von Münster und Osnabrück (1648)

siedelten sich langsam wieder Menschen bei uns an und begannen mit dem

Wiederaufbau.

Wenig mehr als 30 Jahre später am 2. Januar 1680 lud die Reunionskammer in

Breisach den Inhaber des Amtes Lindelbrunn vor, damit er sich vor ihr verantworte,

weil er die in der Landvogtei Hagenau, die seit dem Westfälischen Frieden der Krone

von Frankreich zugehörte, gelegene Herrschaft Lindelbrunn den Franzosen

vorenthalten hatte. Die Franzosen versuchten im 17. Jahrhundert bis an den Rhein

zu expandieren. Um dies zu erreichen, richtete man sogenannte Reunionskammern

ein, um Länder zu besetzten, die in irgendeiner Weise mit den Gebieten, die man

beim Westfälischen Frieden zugesprochen bekommen hatte, verbunden waren. „Aus

dieser... ungerechten Vorladung kann man einen Schluss auf dasjenige machen, was

dieses Amt von jenen Wütherichen und Mordbrennern, während der Reunionen,

hauptsächlich aber in dem sogenannten orlean’schen Krieg 1689 mag erduldet

haben!“ (Lehmann, Burgen, S. 216) Im Pfälzischen Erbfolgekrieg, in dem der

französische König das Erbe seiner Schwägerin Liselotte von der Pfalz

beanspruchte, marschierten Soldaten des Sonnenkönigs in die Pfalz ein und

zerstörten Speyer und Heidelberg.

„Brûlez le Palatinat“war die ausgegebene Devise. „Verbrennt die Pfalz“hieß es, und

das wurde grundlegend getan. Durchimärsche und Zerstörungen kamen wieder über

die Menschen. In diesem Krieg ist unsere Kirche und wahrscheinlich nicht nur sie

abgebrannt. 1695 ist sie, wie auf einem Balken noch zu erkennen ist, wieder

aufgebaut worden. Nach dem Frieden von Rijswijk (1697) kehrten die geflohenen

Bewohner wieder in ihre Dörfer zurück. Und Familien aus Schweiz, meistens aus

dem „Berner Gebiet“, siedelten sich bei uns an. Die Häuser und das zerstörte Land

wurden wieder aufgebaut. Viel Zeit und Kraft brauchte das Land, um sich von den

Verlusten und Wunden der Kriege zu erholen. Es kam zu einer neuen Phase des

Landesausbaus. Die Bodenbearbeitung erhielt neue Impulse durch die Einführung

neuer Früchte wie Kartoffeln, Klee oder Flachs für die Textilherstellung. Das Leben

verlief aus heutiger Sicht sehr bescheiden und beschwerlich. So war die Säuglings

und Kindersterblichkeit sehr hoch und die überlebenden Kinder wurden schon sehr

früh in den Arbeitsprozess, z.B. Viehhüten oder Hilfe bei der Ernte, eingegliedert.

Weit verbreitet war die dörfliche Armut. Jedoch wurden zu Beginn des 18.

Jahrhunderts Schulen eingerichtet, Lehrer begannen ihren Dienst, so 1710 in

Vorderweidenthal.

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Der Schultheiß für die für die vier Lindelbrunndörfer saß in Oberschlettenbach, der

Amtmann der Leininger auf der Falkenburg. Im Jahr 1777 hatte Vorderweidenthal

einen Pfarrer und einen Lehrer, je ein Schullehrer saß in Oberschlettenbach und

Dimbach und in der ganzen Schultheißerei lebten 120 Untertanen, 14 Hintersaßen

und 3 Juden. Das waren ungefähr 550 Einwohner.

Der Bethof

Der 30-jährige Krieg hatte unsere Dörfer mit den Weilern Bethof, Lindelbrunn und

Bärenbrunnerhof schwer getroffen. Die Kellereirechnungen für das Amt

Lindelbrunn weisen für die Jahre 1650/51 nur 13 steuerpflichtige Bewohner aus.

Unsere Gegend wurde erst langsam wieder besiedelt, indem Auswärtige zuzogen.

Da die Quellenlage für die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg sehr dürftig ist, können

Aussagen zur Zuwanderung nur sehr vage sein. Wann und wie die Siedlung Bethof

entstanden ist, lässt sich heute nicht mehr sagen. Die Kirchenbücher weisen für das

18. Jahrhundert Folgende Personen auf dem Bethof aus:

Paulus Kromer, Kuhhirte auf dem Bethof, geboren in Au/Bayern; er heiratet am

13.1.1720 in Vorderweidenthal Anna Marg. Frudecker aus Gossersweiler; Johannes

Bernhard, Strumpfstricker auf dem Bethof, ab 1750 Feldschütz in

Oberschlettenbach;

Das Naturfreundehaus wird aufgebaut.

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Julius Klein, Hofmann (Pächter) auf dem Bethof;

Johannes Jacob Müller, Hofmann auf dem Bethof, reformierten Bekenntnisses, geb.

1656 in Bützberg, Berner Gebiet, gestorben auf dem Bethof am 7. 8. 1728;

Johann Jacob Müller (Sohn von Johannes Jacob Müller) Hofmann a. d.

herrschaftlichen Bethof, 1735/36 Tagelöhner auf dem Bärenbrunnerhof,

reformierten Bekenntnisses, geb. 1698 in Bützberg, Berner Gebiet, gestorben am

1.11. 1738 in Darstein an Epilepsie;

Ludewig Müller (Sohn von Johannes Jacob Müller), Hofmann auf dem

herrschaftlichen Bethof; er heiratet am 22. 5. 1731 in Vorderweidenthal Anna Egler

aus Schwanden, Berner Gebiet;

Johann Andreas Pfeiffer, Schuhmacher auf dem Bethof um 1729;

Jacob Schafpuch, Maurermeister; er heiratet am 18. 2. 1738 Anna Barbara Hut;

Johannes Schmitt, Hirte auf dem Bethof, geboren 1673 und gestorben 1728;

Georg Michael Steinbrenner, fremder Weber, um 1740 auf dem Bethof.

In einer leiningischen Urkunde aus dem Jahr 1733 wird „Der oberste Beetwoog...

andererseits der Beethof erwähnt und in einem Leininger Salbuch ist von einem

„Beethof Weyher“die Rede. Wahrscheinlich haben wir es hier mit einem Hof zu tun,

der an den Grundherrn, die Leininger, eine Abgabe abzuliefern hatte, denn bete

bedeutet im Mittelhochdeutschen Bitte, Abgabe, Aufforderung. Im Status der kath.

Pfarrei Gossersweiler aus dem Jahr 1747 heißt es: „Der Bethof ist eingegangen,

abgerissen und von den Vorderweidenthalern in Besitz genommen“worden: In den

20er Jahren des 20. Jahrhunderts erbauten die Naturfreunde dort ein

Naturfreundehaus, das von den Nationalsozialisten 1933 geschlossen wurde. Heute

befinden sich dort das 1957 in Dienst gestellte Gasthaus der Naturfreunde mit

Übernachtungsmöglichkeit, ein Campingplatz und ein Wochenendhausgebiet.

Oberschlettenbach und Vorderweidenthal in der französischen Revolution

Im Jahr 1789 war die Pfalz ein Flickenteppich von 44 Herrschaften. Die mächtigsten

waren die Kurpfalz, das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken und das Bistum Speyer.

Auch die Leininger spielten eine nicht unmaßgebliche Rolle.

Alle diese Herrscher waren Vertreter des Absolutismus mit den negativen

Begleiterscheinungen wie Ämterkauf, Günstlingswirtschaft, Willkür und

Prunksucht.

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Hatte der Frieden von Rijswijk die Wiederherstellung der durch die Reunionen

annektierten Gebiete in diesen Herrschaften gebracht, so dehnte doch Frankreich

faktisch seine Macht in diesen Gebieten immer stärker aus. Schließlich hatten die

Kleinstaaten südlich der Queich sich mit der Realität der Macht Frankreichs

arrangiert. Man zog zwar den Zehnten und andere Abgaben ein und übte die

Patrimonialgerichtsbarkeit aus. Der eigentliche Souverän jedoch war Frankreich,

weshalb man diese Gebiete auch „Souveränitätslande“ nennt. Dazu gehörten u.a.

Pfalz-Zweibrücken mit den Ämtern Annweiler, Kleeburg und Neukastel; das Bistum

Speyer mit dem Amt Dahn, Hanau-Lichtenberg mit dem Amt Lemberg, die Herren

von Waldenburg mit dem Amt Berwartstein und die Herren von Dürkheim mit dem

Amt Busenberg.

Als nun am 14. Juli 1789 die Französische Revolution ausbrach, griffen die

revolutionären Ereignisse bald auf die Provinzen über. Ein revolutionäres Zentrum

im Elsass war Straßburg. Dort versagte man dem Magistrat den Gehorsam ebenso

wie im französisch besetzten Landau. Viele Untertanen auf dem Land gingen gegen

ihre Obrigkeiten vor. So sprangen die Ereignisse auch auf die

„Souveränitätslande“über. Anschläge, Flugblätter und mündliche Propaganda

verbreiteten das „Gift der Revolution“. Ein Zentrum der Unruhen waren Fischbach

bei Dahn, ebenso die Gegend um Schweix und Hilst, die man heute noch die

„Hackmesserseite“nennt in Anspielung auf die Guillotine als Symbol der

Revolution. Gleichzeitig erhoben sich die Erlenbacher und Lauterschwaner, jagten

den auf dem Bärbelsteiner Hof wohnenden

Wie auf dieser zeitgenössischen Darstellung, könnte sich auch die Errichtung des

Freiheitsbaumes in Vorderweidenthal zugetragen haben.

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Hofbeständer davon und nahmen die herrschaftlichen Wälder in Besitz. Den

Waldenburger Untertanen folgten die der Herren von Dürkheim im Dorf Busenberg.

Auch sie vertrieben die Feudalherren und forderten die „französische Freiheit“für

sich. Hier ereignete sich nun etwas, worüber das „Journal von und für

Deutschland“aus dem Jahr 1789 berichtet:

„Wirkungen der französischen Anarchie auf Deutschein Reichsboden“.

Im Anfange des Monats Oktobers des Jahres 1789 wagte es die Gemeinde des von

Türkheimischen unter französischer Hoheit im unten Elsaß gelegenen Dorfes

Busenberg, nachdem sie die beyden zur Fürstlich-Leiningschen Schultheißerei

gehörigen Gemeinden Oberschlettenbach und Weidenthal auf die Gränze fruchtlos

vorladen lassen, mit gewaffneter Hand in den Oberschlettenbacher Bann einzufallen,

einige sehr alte Gränzsteine zu zerschlagen, einen großen District von mehreren

hundert Morgen als ihr Eigenthum an sich zu reißen, und zur vermeintlichen

Besitzergreifung desselben mehrere Bäume mit ihrer Waldaxt zu bezeichnen, ihr

Dorfzeichen in Felsen einzuhauen, und Pfähle mit diesen Dorfzeichen hin und

wieder einzuschlagen.

Hierauf ließ die Fürstlich Leiningische Regierung ein Commando vom fürstlichen

Militär nach Oberschlettenbach und Weidenthal marschieren und ermahnte die

Gemeinde Bussenberg und ihre Beamten, alle fernere Thätlichkeiten zu vermeiden,

und ihre etwaige vorgebliche Ansprüche im Wege Rechtens zu verfechten. Auch

ließ man unter dem Schutze des besagten und noch eines Kurpfälzischen Commando

in Gegenwart eines Notarius und Zeugen die von der Gemeinde Bussenberg

eingeschlagene Gränzmerkmale vertilgen, und statt deren andere setzen, worauf sich

die Bussenberger einige Zeit ruhig verhielten.

Zu Anfang des Decembers aber fielen sie von neuem in die Lindelbrunner

Schultheißerei ein, hieben im Walde, die Eselshaut genannt. Bäume nieder, trieben

dieß auch fort, bis endlich von der Gemeinde Oberschlettenbach Theobald Korn,

welcher mit anderen einen ähnlichen Einfall gewagt, sammt Wagen und Ochsen

arretirt wurde.

Bald hierauf entwich dieser Th. Korn aus seinem Arreste, und die Gemeinde

Bussenberg wand sich an die Provinzialversammlung der Provinz Elsaß , und

erwirkte von derselben unter dem Vorgeben, der besagte Wald gehöre ihr zu, und

die Gemeinde Oberschlettenbach habe durch Arrestirung des Th. Korn die

französische Hoheitsrechte verletzt, ein Requisitions- und Bedrohungsschreiben an

die Fürstlich-Leiningische Regierung. Man ließ nun den Wagen und das Vieh des

Th. Korn an die Gemeinde Bussenberg verabfolgen, und erließ von Seite der

Leiningischen Regierung ein Schreiben an die Provinzialversammlung, worin man

bat, die Gemeinde Bussenberg von fernem Thätlichkeiten abzuhalten, die von

besagter Gemeinde verübte Verletzung genau zu untersuchen, und alsdann die

Frevler zum Ersatz des Schadens und der Kosten anzuhalten.

Zugleich ließ der Fürst v. Leiningen wieder ein Militärkommando einmarschieren,

und durch seinen Gesandten der Oberrheinischen Kreisversammlung vorstellen, ob

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es nicht rathsam sey, von Kreises wegen diese Sache an Kaiser und Reich zu

berichten, und zu bitten, durch Vermittlung des französischen Gesandten Freyherrn

von Groschlag es dahin zu bringen, daß der Gemeinde Bussenberg alle fernern

Einfälle und Verletzung bey hoher Strafe untersagt würden.“

Der Oberrheinische Kreisausschuss wird angerufen, der empfiehlt die Sache seiner

„Kaiserlichen Majestät“vorzutragen, damit diese eingreife und dem Adel (den

Leiningern) den ihm „erforderlichen Schutz und Beystand angedeihen zu lassen“.

Beim Kaiser wird die Sache auf die sogenannte „lange Bank“geschoben. Der Kaiser

dankte schließlich 1806 ab. Da die linksrheinische Pfalz seit 1797 zu Frankreich

gehörte, anerkannten die Franzosen die Busenberger Forderungen, die später als die

Pfalz zu

Bayern kam nicht mehr revidiert wurden.

Im September 1789 bricht in Bergzabern eine erste Rebellion aus, die schließlich zur

ersten Republik auf deutschem Boden, zur „Bergzaberner Republik“führt. Im

November 1792 erheben sich die Bergzaberner Bürger wieder gegen ihren

Landesherrn in Zweibrücken. Wenige Tage vorher erklärten sich mehrere

Gemeinden in der Südpfalz für die Freiheit. Am 25. Oktober 1792 errichtete man

einen Freiheitsbaum in Ingenheim, am 2. November folgte Mühlhofen, Bergzabern

erklärte sich am 6. November für frei. Am 9. November wartet ein Trupp von 350

Mann in Vorderweidenthal darauf, in Bergzabern einzugreifen. Von hier aus

versuchte der vom Herzog von Zweibrücken entsandte Regierungsrat Colson mit der

Bürgerschaft zu verhandeln und mit dem „lärmenden Freiheitsschwindel“ein Ende

zu machen. Der Commisär Hoffmann bringt jedoch nach Vorderweidenthal die

Nachricht, dass die Bergzaberner durch keine gütliche Einigung zur Ordnung

zurückgebracht werden können. So wollte Colson von Vorderweidenthal aus das

Zweibrücker Militär um Mitternacht aufbrechen lassen, um die aufrührerischen

Bürger von Bergzabern zu überrumpeln. Nachdem die Bergzaberner vom

benachbarten Amt Barbelroth jedoch Unterstützung bekamen, von französischen

Dörfern und auch von Weißenburg Hilfe zugesagt wurde, gebot er der Truppe Halt.

Auch kam der Schultheiß von Ilbesheim nach Vorderweidenthal, um Rat und Hilfe

gegen die Aufständischen in Ilbesheim zu erbitten. Auch die „Ilbesheimer

Tumultanten“wollten sich nicht fügen. So kam der Regierungsrat Colson zu der

Ansicht, die in Vorderweidenthal stehenden Truppen „auf schickliche

Weise“zurückzuziehen. Am 17. November 1792 bitten die Bürger von Bergzabern

Schließlich um Aufnahme in den französischen Staatsverband.

Im August 1791 hatten sich Preußen und Österreicher auf Schloss Pillnitz in Sachsen

gegen Frankreich verbündet. Daraufhin erklärten die Franzosen dem Kaiser von

Österreich den Krieg. Ein Koalitionsheer aus Preußen und Österreichern marschierte

in Lothringen ein. Es kam zur „Kanonade von Valmy“am 20. September 1792.

Die Preußen und Österreicher zogen sich daraufhin zurück. Nun stoßen die

Franzosen im Elsass vor und gehen zum Angriff in die pfälzischen Gebiete links des

Rheins über. Im September 1793 stehen Österreicher und Preußen bei

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Vorderweidenthal, Bundenthal und Nothweiler. Der Oberbefehlshaber der

Moselarmee, der französische General Schaumbourg, lässt am 14. September

gleichzeitig Pirmasens und bei Nothweiler bzw. Bundenthal den österreichischen

General Pejachevich angreifen. Der katholische Pfarrer von Bundenthal schreibt

damals in sein Pfarrbuch: „Am 14. September desselben Monats (September) und

Jahres belagerten die Franzosen mit einem 20 000 Mann starken Heere das Heer der

Verbündeten auf dem genannten Felde (auf dem Beißenberg bei Bundenthal und

dem Mäuerle bei Nothweiler). Nach einer fast vier Stunden langen Schlacht musste

endlich das Heer der Verbündeten bestehend aus 3500 Mann in Ordnung abziehen,

nach dem ungefähr 1000 Mann meistenteils auf dem Gipfel des Mäuerle als

verwundet und tot gefunden wurden. Die Franzosen ließen 6000 Mann als

Verwundete und Tote auf dem Schlachtfeld zurück.“ (Siehe: Karl Unold. Die

Schlacht von Bundenthal, 1980). Darüber heißt es in den „Jahrbücher(n) für die

deutsche Armee und Marine“aus dem Jahr 1889, S. 253: „Das Corps setzte sich mit

Ordnung in Marsch und da es der Feind unter beständiger Kanonade und

Kleingewehrfeuer verfolgte, so wurde in Vorderweidenthal Halt gemacht, wo beide

Teile einander kanonierten. Der Feind zog hierauf ab und das Corps marschierte in

der Nacht bis Annweiler. Der Verlust soll auf beiden Seiten beträchtlich gewesen

sein.“ General Pejachevich zog sich also zurück. Im Winter 1793/94 gelang es den

Koalitionstruppen nicht mehr nach Vorderweidenthal vorzudringen, auch wenn die

Österreicher und Preußen noch eine Rückeroberung planten. Vorderweidenthal und

Oberschlettenbach waren nun faktisch französisch. Es kam zum Plünderwinter

1793/94 als die schlecht ausgerüsteten französischen Soldaten alles mitnahmen, was

sie kriegen konnten: Vieh, Textilien, Bargeld, Lebensmittel. Die „Commissaires de

grippe“ beschlagnahmten alles was sie brauchen konnten. 1795 schloss Preußen mit

den Franzosen den Frieden von Basel und schied aus dem Koalitionskrieg mit

Österreich aus, um sich einen möglichst großen Anteil Land bei der 3. Polnischen

Teilung im Osten zu sichern. 1796 wichen die Österreicher endgültig auf das rechte

Rheinufer aus und traten 1797 im Frieden von Campio Formio das linke Rheinufer

an Frankreich ab, was im Frieden von Lunéville 1801 staatsrechtlich bestätigt wurde.

Die Feudalrechte der alten Mächte wurden abgeschafft. Die linksrheinische Pfalz

kam größtenteils zum Departement Donnersberg. Vorderweidenthal und

Oberschlettenbach gehörten darin zum Kanton Annweiler. Das Bürgermeisteramt

(mairie) für die Dörfer Darstein, Dimbach und Vorderweidenthal war in

Oberschlettenbach. Jeder Kanton erhielt einen Friedensrichter. Dieser legte den

Bürgern zwei Bogen Papier vor, „eines für die Namen derjenigen, die den

Freiheitsbaum wünschten, eines für diejenigen, die ihn nicht haben wollten“.

Vorderweidenthal und Glashütte werden für ihre Entscheidung für den

Freiheitsbaum besonders hervorgehoben. Die Bewohner von Vorderweidenthal und

Glashütte seien treue Republikaner schreibt der Kantonsrichter, (siehe: Max

Springer, Die Franzosenherrschaft in der Pfalz, S. 152 ff.,)

Am 15. April 1798 erklären die Bürger von Vorderweidenthal einmütig und am 21.

April 1798 27 von 32 Bürgern von Oberschlettenbach ihren Wunsch nach

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Vereinigung mit der französischen Republik: „Wir unterschriebenen Bürger...

erklären durch gegenwärtiges, dass wir endlich durch die Vereinigung mit der

französischen Republik unseren sehnlichen Wunsch erfüllt zu sehen wünschen.“

Stimmberechtigt waren nur steuerzahlende Bürger.

(Quellen zur Geschichte des Rheinlandes im Zeitalter der Revolution 1780-

1801:1797-1811)

Man muss die Reunionsadressen unter dem Aspekt lesen, dass die Franzosen die

Macht im Land hatten und es natürlich gern sahen, wenn man sich für sie entschied.

Auch wurde ein neues Justizsystem eingeführt. Eine Zwischeninstanz zwischen

Departement und Kanton war das Arrondissement. In der Arrondissementhauptstadt

wurden Zivil- und Strafgerichte geschaffen. Die Verfahren waren öffentlich und

mündlich. Die Schwurgerichte wurden mit Geschworenen besetzt. Geschworene am

Assissengericht in Zweibrücken waren später Alexander Blum und Valentin Puster

aus Vorderweidenthal. Die Pfälzer erhielten ein klares und verständliches Recht, den

Code civil und ein neues Strafgesetzbuch, den Code pénal. Eine neue

Gewerbeordnung beseitigte das Zunftwesen und stellte Gewerbefreiheit her. Die

Gesetze zur Verstaatlichung von Kirchengut und zum Verkauf von Nationalgütern

hatten Auswirkungen auf die Besitzverhältnisse in Vorderweidenthal. Das

„Pfalzschützengut“in Vorderweidenthal wurde verstaatlicht und am 19.11.1809

versteigert. Mit dem Wehrgesetz vom 8. März 1800 wurde die allgemeine

Wehrpflicht eingeführt. Junge Männer aus unseren Dörfern wurden nun zum

Wehrdienst eingezogen.

Nach der Machtübernahme durch Napoleon und der Einführung der Wehrpflicht am

8. März 1800 mussten auch junge Männer aus unseren Dörfern mit in den Krieg nach

Spanien und Russland ziehen. An der Völkerschlacht bei Leipzig haben sie auf der

Seite Napoleons teilnehmen müssen. Als diese für die Franzosen verloren ging,

stießen die Preußen und die Österreicher Anfang 1814 in das linksrheinische Gebiet

vor und eroberten es.

Die bayerische Zeit in unseren Dörfern - ein Überblick

Mit dem Scheitern des Russlandfeldzuges und der Niederlage in der Völkerschlacht

bei Leipzig (16. - 19. Oktober 1813) war Napoleons Schicksal in Europa besiegelt.

Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch Preußen und Österreich

wurde das Generalgouvernement Mittelrhein gegründet. Eine aus Österreichischen

und preußischen Kommissären zusammengesetzte Landesadministration wurde

errichtet. Von Juni 1814 bis Mai 1816 leitete diese Administration die

Zivilverwaltung der ehemals französischen Gebiete. Nach langen Verhandlungen

einigten sich beide Länder im Münchener Vertrag vom April 1816 auf einen Tausch:

Bayern übernahm das Gebiet der Pfalz. Österreich bekam dafür die Stadt Salzburg,

das Hausruck- und Innviertel und Teile Tirols. Am l. Mai 1816 übernahm der

Bayernkönig Max Josef die Herrschaft in der linksrheinischen Pfalz, Die früher

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durch französische Gesetze abgeschafften Zehnten und Feudalrechte blieben

abgeschafft. Es wurden zwölf Landcommissariate geschaffen, die ihrerseits aus

mehreren Kantonen bestanden. Das Landcommissariat Bergzabern (später ab 1862

Bezirksamt, dann 1938 Landratsamt) wurde von den Kantonen Annweiler und

Bergzabern gebildet. Oberschlettenbach und Vorderweidenthal lagen im Kanton

Annweiler und unterstanden also dem Landcommissariat Bergzabern.

Regierungssitz des Rheinkreises war Speyer. Der code civil und code pénal aus der

Franzosenzeit wurden beibehalten. Trotz der Verschiedenheit der Regierungsformen

hielt man an den sogenannten „Institutionen“fest. August Becker schreibt: „Wenn

nicht gerade jeder Pfälzer Bauer seinen Code Napoleon in der Tasche nachführt, so

ist doch jeder mit dessen Bestimmungen vertraut und hält ihn hoch und wert als

kostbares Gut.“

König Maximilian I. Josef kannte seine Pfälzer und wusste, was man ihnen einmal

an Freiheiten gewährt hatte, konnte man ihnen schlecht wieder nehmen. So blieb es

bei der Unabhängigkeit der Gerichte, der Mündlichkeit und Öffentlichkeit der

Gerichtsverfahren und der Einrichtung von Geschworenengerichten, aber auch bei

der Todesstrafe, vollstreckt mittels Guillotine auf dem Marktplatz in Zweibrücken.

So ist auch die Begeisterung und Anhänglichkeit der Pfälzer für Maximilian I. Josef,

der ja Pfälzer war, zu verstehen, als er am 16. Februar 1824 sein 25-jähriges

Thronjubiläum beging. Die Art und Weise wie die Gemeinden im Rheinkreis das

Jubiläum begingen, blieb ihnen freigestellt. In Vorderweidenthal hat man im Ort eine

Linde gepflanzt und zugleich einen Pflanzgarten, eine Baumschule, für die Jugend

angelegt. Das Wissen hinsichtlich des Anlasses für die Pflanzung der Dorflinde war

im Lauf der Jahre verloren gegangen. So schreibt Bürgermeister Schmitt am 23.

März 1946 anlässlich der Pflanzung der heutigen Dorflinde: „Am 23. März 1946

wurde die jetzige Dorflinde gesetzt, genau ein Jahr nachdem die Amerikaner in

Vorderweidenthal einzogen. Die alte am gleichen Platz gestandene, war abgängig

und hatte durch Beschuss gelitten. In welcher Zeit sie gesetzt wurde ist nicht

aufgezeichnet.“ Und er fügt den Wunsch hinzu: „Ich möchte wünschen und hoffen,

dass sie wieder in eine bessere Zukunft hinein wachsen möge.“ (Archiv der VG Bad

Bergzabern)

Das Schulhaus

Die Gemeinde kaufte das alte Schulhaus von dem Bürger Karl Simon, der es 1801

erbauen ließ. An dem Platz des alten verkauften Schulhauses, das zwischen dem

heutigen Schulgebäude und der Kirche stand und abgerissen wurde, erbaute man ein

neues Haus. Der erste Lehrer kam aber schon 1710 nach Vorderweidenthal.

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Dorfmitte mit Schulhaus vor dem Krieg

Der Viehmarkt

Am 20. Juli 1823 genehmigt die königliche Regierung des Rheinkreises, Kammer

des Innern, die Einführung von drei Viehmärkten jährlich, und zwar so wie vom

Gemeinderat beantragt: „zumalen da die jährlich daselbst eingeführten Jahrmärkte

einen ganz vorzüglich starken und noch immer zunehmenden stärkeren Besuch von

hier und Ausländern haben und erhalten, es daher keinem Zweifel unterworfen ist,

dass mehrere ordnungsmäßig eingerichtete Viehmärkte einigen zahlreichen

Zuspruch erhalten werden.“

So werden Viehmärkte erlaubt am Montag nach dem Sonntag Lätare, am Montag

nach dem Sonntag vor dem Johannistag oder wenn Johannis auf einen Sonntag fällt

„wo der Jahrmarkt zugleich stattfindet, so der Viehmarkt den Tag nach Johannis

gehalten“und am Montag „welcher auf Sonntag nach Gallus fällt“.

Später wurde das abgeändert und Viehmärkte am 2. und 4. Mittwoch von Februar

bis Mai abgehalten. Es wurden Pferde, Ochsen, Stiere, Kühe und Rinder gehandelt.

Durch die Viehmärkte kam es zu einem verstärkten Zuzug von Handelsjuden. Am

2. Juni 1830 wohnen in Vorderweidenthal 579 Protestanten, 6 Katholiken und 62

Juden. Jedoch wird schon 1857 über „die geringen Einnahmen des hiesigen

Viehmarkts“geklagt. Im Jahr 1890 findet der Viehmarkt von Vorderweidenthal im

bayerischen Landwirtschaftskalender keine Erwähnung mehr.

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Die Erbengüter

Besitzverhältnisse, die man sonst selten antrifft, bestanden in früheren Zeiten im

gebirgigen Teil der Südpfalz. Da gab es die sogenannten Erbengüter; Land, das die

alteingesessenen Bürger gemeinsam besaßen, während später Zugezogene keinen

Anteil daran hatten.

Wie diese Erbengüter entstanden sind, kann heute nicht mehr festgestellt werden.

„Es ist möglich, dass dieser Rechtszustand sich erst nach dem Dreißigjährigen Krieg

bildete, denn nirgends findet man Beweise der gänzlichen Entvölkerung durch

diesen Krieg so häufig, als im Westrich, in der Gegenden um Dahn, Hanau-

Lichtenberg und der Herrschaft Sickingen. In diesem Falle wäre erklärlich, dass die

neuen Ansiedler sich als Eigentümer nicht bloß der ihnen zugeteilten urbaren

Gründe, sondern auch des ungeteilten Landes betrachteten, den neu

hinzugekommenen keinen Anteil mehr gestatteten, und auf diese Weise dieses

Eigentumsrecht der ungeteilten Gründe nach den ursprünglichen Losen auf ihre

Erben übertragen haben.“ (Intelligenzblatt des Rheinkreises, Nr. 20, 23. Jan. 1824).

Die Erbengüter bestanden meist aus Hochwäldern, Rodungen(Ödungen) und

Wilderungen (Rottbüschen) und zu einem geringen Teil aus Äckern und Wiesen. In

Vorderweidenthal nannten 60 Erben 40 ha Rindenschläge und 300 ha Ödungen ihr

Eigen. Außer diesen Erbengütern befand sich in der Gemeinde noch Wilderungsland

von 200 Morgen, welches die Gemeinde von der ehemaligen Leiningischen

Herrschaft im Jahr 1742 erwarb. Alle acht bis zehn Jahre wurden Teile der Ödungen

unter die Erben neu verteilt; sobald die Umackerung geschehen war, wurde

Sommerraps, im folgenden Jahr Korn, dann Kartoffeln, endlich Hafer angebaut,

worauf das Land wieder zum Weiden liegen blieb.

Das Wilderungsland wurde ebenso ausgefruchtet. Die Rindenschläge wurden, wenn

junge Eichen den Baumbestand bildeten, alle zwölf bis fünfzehn Jahre im Monat

Mai, wenn der Saft stieg, abgehackt. Von den Eichenstämmchen wurde die Rinde

abgeschält und zur Lederzubereitung verkauft.

In Oberschlettenbach besaßen 36 Erbenfamilien 50 ha Rindenschläge und 200 ha

Ödungen. In den Jahren nach 1824 war man zu der Einsicht gekommen, dass es

besser sei, wenn der Besitz in einer Hand blieb. Man verteilte die Erben-Güter unter

die einzelnen Erben zu deren dauerndem und alleinigen Besitz unter Umschreibung

auf ihre Namen. Die Verteilung hatte eine bessere Ausnützung des Bodens zur

Folge, weil er besser gehegt und gepflegt wurde.

Auswanderung

Im Jahresbericht des Prot. Pfarramts Vorderweidenthal heißt es über das Jahr 1837:

„Auch in diesem Jahr verlor die Kirchengemeinde wieder eine beträchtliche Zahl

ihrer Mitglieder durch Auswanderung nach Nordamerika. Es waren von

Auswanderern diesmal vierundzwanzig.“

Zu Beginn der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Lage der

Menschen in unserer Gegend durch schlechtes Wetter, Missernten und Teuerungen.

Hinzu kamen der nicht sehr ertragreiche Boden, die Überbevölkerung und das

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Erbrecht, das Realteilung vorschrieb. Im Annweilerer Wirtschaftsjahresbericht 1836

wird die wirtschaftliche Lage so beschrieben: „Die Bewohner des hiesigen Cantons

sind meistens arme Leute, die was sie aus ihren Berggrundstücken produzieren,

meistens zu ihrer eigenen Existenz nöthig haben, und was sie sonsten davon abgeben

ist nur Notverkauf, um die dringendsten Abgaben für Grundzinsen, Steuern und was

sie für sich und ihre Familien als erstes Lebensbedürfnis haben zu bestreiten...,“(GA

Annweiler I, 46a) Obwohl man in einem Walddorf lebte, zwang manche Bewohner

Holznot dazu, sich zu „versorgen“. Die Haushaltspläne der 1820er Jahre weisen

immer wieder Einnahmen aus Strafen für begangenen Waldfrevel aus. so z.B. für

das Jahr 1820 20,53 Gulden. Oft musste man aus der Gemeindekasse Saatkartoffeln

für die Armen kaufen oder es heiß „zahlte an 4 Gulden an Schreinerei Leonhard

Schneider für die Anfertigung einer Todtenlade zur Beerdigung des Leichnams

von...“

In Massen verließen damals Pfälzer auch aus unseren Gemeinden ihre Heimat, um

in Nordamerika ein besseres Leben zu finden. So sucht, er sei hier exemplarisch

erwähnt, Philipp Veiock aus Vorderweidenthal am 20. Februar 1837 beim

Gemeinderat um die Erlaubnis zur Auswanderung nach, „da er dort besser als

diesseits sein Glück zu machen gedenke. In Erwägung, dass der Bittsteller in

diesseitiger Gemeinde nur mit äußerster Not ein schlechtes Auskommen findet, dass

sich ihm der Gedanke aufdringe, als könne er jenseits des Wassers ein besseres

Leben erwerben.“ (VG Bad Bergzabern, Protokollbuch der Gemeinde

Vorderweidenthal)

Neue Friedhöfe

Im in Jahr 1839 bekamen die Gemeinden Darstein, Oberschlettenbach und

Vorderweidenthal jeweils einen eigenen Friedhof. Bisher wurden die Toten aus

diesen Gemeinden auf dem Gottesacker um die Kirche in Vorderweidenthal

beerdigt, er musste wegen Überfüllung geschlossen werden.

Im Jahre 1804 in

Busenberg gefertigter,

französischsprachiger Plan

der Erweiterung des

Friedhofes in

Vorderweidenthal

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Im badisch-pfälzischen Aufstand

Im badisch-pfälzischen Aufstand ermächtigt der Gemeinderat von

Vorderweidenthal am 22. Mai 1849 „in Anbetracht der gegenwärtig vielseitigen

Bedürfnisse“die Bürger und Gemeinderäte Alexander Blum, Marx Christmann und

Michael Schütz für 200 Gulden Waffen für die Sicherheitswache von

Vorderweidenthal anzuschaffen.

Es kommt zur Errichtung einer Provisorischen Regierung, die sich von Bayern

lossagt. In der Festung Landau desertieren viele Soldaten. Als der Handelsmann

Bernhard Siegel aus Dahn dort den Soldaten Michael Hof aus Vorderweidenthal

trifft, rät er ihm, sich nicht verführen zu lassen und bei der Truppe zu bleiben. Am

13 Juni 1849 marschiert ein 20 000 Mann starkes Interventionsheer in die Pfalz ein.

In der Schlacht bei Rinnthal am 17. Juni 1849 unterliegen die Aufständischen den

Preußen. Die Toten werden auf dem Friedhof in Annweiler beerdigt, die anderen

Unterlegenen setzen sich nach Baden ab. Marx Christmann aus Vorderweidenthal

wird als Geschworener an das außergewöhnliche Assissengericht in Zweibrücken

berufen, das 1850/51 die Hochverratsprozesse gegen die Aufständischen

durchführen soll. Er erscheint jedoch nicht zum Prozess am 24. Juni 1851 und lässt

sich durch ein ärztliches Zeugnis entschuldigen.

Abschaffung des Schulgeldes

Schon im Jahr 1710 hatte das Dorf seinen ersten Lehrer, Christian Friedrich Stöckel,

fest angestellt. In Oberschlettenbach wurde 100 Jahre später der Schulbetrieb

aufgenommen. 1818 begann dort Ludwig Herberth seinen Dienst.

Die Eltern mussten für ihre Kinder Schulgeld bezahlen. Das Gehalt des Lehrers

betrug im Jahr 1820 in Vorderweidenthal 246 Gulden, in Oberschlettenbach

verdiente er 121 Gulden. Am 19. Februar 1850 fällt der Gemeinderat von

Vorderweidenthal folgenden Beschluss: „Nachdem der Gemeinderat von der

Ansicht ausgeht, dass die Bildung der Schuljugend keine Privatsache sein kann,

indem derselbe die Kultur der ganzen politischen Gemeinde für die Zukunft im Auge

hat; dass die Vernachlässigung einzelner Gemeindeglieder in dieser Beziehung für

die ganze Gemeinde nachteilige Folgen hat; und es höchst unbillig erscheine, die

gering bemittelte Einwohnerklasse, welche die Schule am meisten bevölkert,

verhältnismäßig ungleich mit den Unterhaltskosten einer solchen Anstalt zu

belasten: hat er beschlossen, die Bezahlung des Schulgeldes aufzuheben und die

ganze Besoldung des Schullehrers aus der Gemeindekasse zu übernehmen.“

Die Stundenzahl betrug täglich 6 Stunden, der Unterricht wurde als

Abteilungsunterricht gehalten wegen der großen Zahl der Schüler; im Durchschnitt

besuchten 80 bis 90 Schüler/innen die Schule. So kam jede Klasse täglich auf eine

wirkliche Unterrichtsstunde. Von einem geordneten Schulbetrieb konnte keine Rede

sein. So schreibt der damalige Pfarrer in seinem Jahresbericht von 1853: „... denn

viele Glieder der Gemeinde, besonders vom weiblichen Geschlechte, können weder

lesen noch schreiben, in vielen Wohnungen fehlt die Schrift.“ Es müsse „hier

genannt werden, die große Armut vieler Familien... und endlich das während des

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Sommers hier übliche Austreiben des Viehs, wodurch die Jugend einen großen Theil

des Jahres“der Schule und dem Kirchgang entzogen sei. Die Situation an der

Volksschule Vorderweidenthal änderte sich erst, als im August 1920 die 2.

Lehrerstelle errichtet und mit dem Hilfslehrer Drumm besetzt wurde.

Die Erbauung einer neuen Kirche

Im Jahresbericht des Pfarramts Vorderweidenthal für das Jahr 1848 heißt es: „Zur

Aufbringung der Mittel zur Erbauung einer neuen Kirche im Pfarrort wurde von der

Gemeinde Vorderweidenthal ein außerordentlicher Holzhieb in dem Gemeindewald

veranstaltet. Auch in den folgenden Jahren soll damit fortgefahren werden, bis die

nöthige Summe zum Kirchenneubau aufgebracht sein wird.“

Die alte Kirche war „zu klein, baufällig, höchst ungesund und feucht“.

Zwischenzeitlich war sie baupolizeilich geschlossen worden. Am 12. September

1862 wurde in einer gemeinsamen Sitzung von Presbyterium und Gemeinderat der

Neubau „definitiv“beschlossen. Die Baukosten wurden auf 11738 Gulden

veranschlagt. Am 23. Mai 1864 wurde die alte Kirche abgerissen. Nur die unteren

beiden Stockwerke des Turmes blieben stehen. Bis zur Fertigstellung der neuen

Kirche mussten die Gottesdienste in den Schulhäusern von Oberschlettenbach und

Vorderweidenthal gehalten werden. Am 12. Juni 1864 erfolgte die

Grundsteinlegung, am 2. Advent 1865 (10. Dezember) wurde die neue Kirche

eingeweiht. Man hatte sie erheblich vergrößert und den Boden rund 80 cm höher

gelegt. An den Baukosten mussten sich die Gemeinden Darstein und

Oberschlettenbach je nach ihrem Steueraufkommen beteiligen. Auf dem alten

Kirchturm hatten zwei Glocken gehangen, die Reformationsglocke von 1594 und

eine kleine Glocke, die gesprungen war. Sie wurde neu ausgegossen und eine dritte

Glocke angeschafft. Diese beiden Bronzeglocken wurden 1917 vom Militärfiskus

enteignet und mussten für Kriegszwecke abgeliefert werden. 1922 schaffte der

Gemeinderat erneut zwei Glocken an, die 1942 wiederum abgegeben werden

mussten. Die beiden Glocken, die heute neben der alten von 1594 hängen, wurden

1949 auf den Turm gehängt.

Die Rinderpest in Vorderweidenthal

Am 28. August 1867 berichtet der Amtstierarzt Homer von Bergzabern, dass er am

gleichen Tag von dem Ackerer Jakob Wagner in Vorderweidenthal zur tierärztlichen

Hilfestellung gerufen wurde. Er diagnostiziert bei einer jungen Kuh und einem

einjährigen Rind eine der Rinderpest ähnliche Krankheit, oder aber die Rinderpest

selbst. Am 29. August wird die königliche Regierung davon benachrichtigt. Nach

Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen wird eindeutig die Rinderpest

festgestellt und die Tötung der übrigen Viehstücke im Stall vollzogen. Es wird

vermutet, dass Viehhändler von Vorderweidenthal, die ihre Firmen in Bergzabern

haben, die Tiere infiziert haben. Die Viehhändler waren mit pestkrankem Vieh, das

aus Niederösterreich eingeführt wurde, in Kontakt gekommen. Glücklicherweise ist

die Seuche nur in einem Stall aufgetreten, bricht aber zur gleichen Zeit in Rumbach

und Fischbach aus.

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Damals wohnten in Vorderweidenthal 477 Protestanten, 23 Juden und 11

Katholiken. Sie lebten von Ackerbau, Viehzucht, Viehhandel, Holzhandel und

Brandweinbrennerei. Die Zahl der Gehöfte war 90, in denen vor der Pest 294 Stück

Rindvieh, 50 Schafe und 12 Ziegen standen.

Im Deutsch-französischen Krieg 1870/71

Als Napoleon III. am 19 Juli 1870 dem Königreich Preußen den Krieg erklärte, trat

Bayern an seiner Seite in den Krieg ein. Unsere Region wurde zum Aufmarschgebiet

von bayerischem Militär. Die Bewohner des Grenzlandes waren froh darüber, hatten

sie doch befürchtet, dass die Franzosen die Grenze überschreiten und in ihre Dörfer

eindringen würden.

Ab dem 23. Juli 1870 waren in und bei Vorderweidenthal stationiert: vom 5.

Jägerbataillon die 2. Kompanie unter Hauptmann Bach; vom 5. Jägerbataillon die 4.

Kompanie unter Hauptmann Ney und vom 5. Chevauleger-Regiment Prinz Otto das

II. Escadron von der 4. Division unter Oberleutnant Graf Pückler. Die Soldaten

mussten versorgt werden, so dass allein für die beiden Jägerkompanien 1402

Mundportionen anfielen (mittags 309, abends 309, morgens 351). Das Chevaulegers

Escadron verzehrte 348 Portionen täglich.

In der Gemeinderechnung von 1871 sind im Kapitel 12, Militärische Zwecke, für

Fouragelieferungen, Vorspann- und Verpflegungskosten beispielsweise aufgelistet:

131,46 Gulden für einen fetten Stier und Heu an Böller Michael, 59 Gulden für Hafer

an Helfer Thomas, 165 Gulden für Hafer und Heu an Valentin Puster II, 190 Gulden

für einen fetten Stier an Stöbener Michael, 26,80 Gulden für Stroh an Helfer Adam

von Oberschlettenbach, 199,53 Gulden für einen fetten Ochsen an Jakob Christmann

usw. Die Gesamtsumme, die die Gemeinde ausgeben musste, betrug 1586 Gulden

und 54 Kreuzer.

Dieser Betrag wurde vom Königreich Bayern wieder erstattet.

Aus der Gemeinde Oberschlettenbach, die auch sehr stark durch das Militär belastet

war, ist folgendes Schreiben an das Königliche Bezirksamt Bergzabern vom 5.

September 1870 überliefert:

„Vorschussleistungen für Verpflegungskosten bayerische Truppen pro 1870 betr.,

nach der im Anschluße beiliegenden Kostenrechnung hat die Gemeinde

Oberschlettenbach für Verpflegungs-, Vorspann- und Quartierleistungen an

bayerische Truppen 1509,52 Gulden zu bezahlen, eine Summe, welche bemißt, daß

die kleine Gemeinde auch ziemlich mit Einquartierung belastet war, und da dieselbe

ohne Gemeindevermögen ist und alle Ausgaben durch Umlagen decken muß , so

dürfte sich eine vorschußweise Bezahlung der Verpflegungskosten wohl empfehlen.

Gehorsamstes Bürgermeisteramt

Wagner“

Pfarrer Jockers schreibt in seinem Heft „l00 Jahre neue protestantische Kirche

Vorderweidenthal“aus dem Jahr 1966: „In den Morgenstunden des 4. August trat

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das Bataillon vor der neuen Kirche im Karree an. Der Bataillonskommandeur verlas

die Kriegsartikel. Dann marschierte das Bataillon nach Weißenburg und nahm an

der Schlacht am Geißberg teil’’ im Rahmen der III. bayerischen Armee.

Nach der Niederlage Frankreichs wurde am Sonntag, dem 12. März 1871 in

Vorderweidenthal ein Dankgottesdienst abgehalten und für den erhaltenen Frieden

gedankt. Die Kinder bekamen Brezeln geschenkt und zur „Erhöhung“der

Feierlichkeit wurden Freudenschüsse abgegeben. Auch sollte am Schulhaus eine

Friedenslinde gesetzt werden. Darüber liegt im Gemeindearchiv von

Vorderweidenthal ein Bericht unter der Reg.-Nr. K 9 49:

„Beschreibung der Friedensfeier in der Gemeinde Vorderweidenthal.

Schon als man in der Gemeinde Vorderweidenthal am 3ten März 1871 die

erste Friedensnachricht erhielt, wurde die Freudenbotschaft durch

Glockengeläute und Freudenschüsse der ganzen Gemeinde kund gemacht.

Abends wurde alsdann auf dem Budelstein ein Freudenfeuer angezündet und

dazu wieder mit den Glocken geläutet. Alle denen, welche sich dabei

beteiligten wurde hierauf auf Kosten der Gemeinde ein Ohm Bier verabreicht.

Die Hauptfeier wurde aber am 12ten März, an welchem sonntags auch ein

Dankgottesdienst stattfand, abgehalten. Schon am Vorabend dieses Tages

waren die Ortsstraßen mit Tannenbäumen geziert und die meisten Häuser mit

Fahnen und Kränzen geschmückt. Der eigentliche Festtag wurde mit allen

Glocken in der Frühe um ½ 7 Uhr eingeläutet und durch Freudenschüsse im

ganzen Ort bis zum Beginn des Gottesdienstes weiter angekündigt. Um ½ 10

Uhr begann der Gottesdienst und die Festgäste hatten sich so zahlreich

eingefunden, daß die Kirche gedrückt voll war. Nach beendigtem

Gottesdienste versammelte sich die ganze Festgemeinde an der Linde, an der

die Schuljugend zuerst das Lied sang: „Die Wacht am Rhein“. Hierauf hielt

der Lehrer eine kurze Ansprache und schloß mit einem Hoch auf unseren

geliebten König Ludwig II. Die ganze Versammlung stimmte begeistert ein in

dieses Hoch und zuletzt wurden an die Schuljugend und selbst an die kleinsten

Kinder Festbrezeln vertheilt. Während dieses geschah setzte der Gemeinderat

am Schulhof eine Friedenslinde. Zum Schluße sangen die Schüler noch das

Lied „Ich habe mich ergeben“und mit einem Hoch auf den deutschen Kaiser

Wilhelm I., den Siegreichen, trennte sich die Versammlung. Nachmittags

wurde die Friedenslinde von den Jünglingen mit Gesang und Trinken

eingeweiht und die Festlichkeit dauerte bei Alt und Jung bis tief in die Nacht

hinein. Zur Bestreitung der Kosten hat der Gemeinderat unterm 8ten März

einen Credit von 60 Gulden bewilligt,

Gefertigt im April 1871 für die Gemeinderegistratur.

Das Bürgermeisteramt

Puster“

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Der Gemeinderat beschloss am 14. Mai 1897 anlässlich des hundertjährigen

Geburtstages „Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm I“wiederum an die Jugend Brezeln

verschenken zu lassen und stellt hierfür 20 Mark zur Verfügung. Das Annweiler

Tageblatt machte am 10. Mai 1932 folgende Mitteilung: „Vorderweidenthal, 8. Mai.

Der älteste Krieger von 1870-71 im Bezirk und der letzte aus unserem Dorfe, der 86

Jahre alte Jakob Mogel, ist dieser Tage gestorben“.

Straßenbeleuchtung in Vorderweidenthal

Der Gemeinderat beschließt in seiner Sitzung am l. Mai 1898 die Anschaffung einer

Straßenbeleuchtung und beauftragt das Bürgermeisteramt mit der Anschaffung einer

nichtgenannten Anzahl von Straßenlaternen und eröffnet hierfür Kredit.

Postomnibusverbindung

Annweiler - Schwanheim - Vorderweidenthal - Erlenbach

Der Gemeinderat gibt am 15. Juli 1900 „dem Ansuchen des Besitzers der Burg

Berwartstein, Hauptmann a. D. Hoffmann, bezüglich der Verlängerung der Route

Annweiler - Schwanheim - Vorderweidenthal seine vollste Zustimmung und kann

die Verlängerung nur mit Freuden begrüßen“. Ab dem 15. Mai 1901 wird eine

täglich einmalige Postomnibusverbindung von Annweiler über Schwanheim und

Vorderweidenthal nach Erlenbach und zurück genehmigt. Die täglich einmalige

Kariolpostverbindung

Kraftpostwagen in Vorderweidenthal in den 20er Jahren

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(einspänniger Gepäckwagen, auf dem wenige Personen mitfahren konnten) von

Annweiler nach Schwanheim und zurück wird mit Ablauf des 14. Mai 1901

eingestellt.

Fahrplan der Pferdepostlinie Annweiler - Erlenbach

3.55 Uhr Annweiler 9.15 Uhr

5.05 Uhr Schwanheim 8.10 Uhr

5.50 Uhr Vorderweidenthal 7.25 Uhr

6. 15 Uhr Erlenbach 7.00 Uhr

Die Gemeindeverwaltung von Oberschlettenbach und die Bürger bitten am

13.12.1913 darum, die Posthilfsstelle und den Haltepunkt der Fahrpost vom

Hahnenhof nach Oberschlettenbach zu verlegen, was jedoch nicht genehmigt wird.

Wasserleitung

Am 14. Juli 1901 wird vom Gemeinderat die Anlage einer allgemeinen

Wasserversorgung mit Hydrantenanlage und Hausanschlüssen beschlossen. Die

Arbeiten werden von der Fa. Heinrich Koch aus Pirmasens für 16412 Mark

ausgeführt. Am 18. März 1905 wird bekannt gegeben, dass „demjenigen, welcher

sich einer missbräuchlichen Verwendung des Wassers aus der Wasserleitung

schuldig macht, das Wasser auf 3 Tage“entzogen wird“.

Vereinsgründungen

Am 27. Dez. 1854 entsteht ein St. Johannis-Lokalzweigverein, der sich die

Unterstützung der Armen durch Arbeit, Geld und Naturalien auf die Fahnen

geschrieben hat, um sie „aus einer augenblicklichen Not zu reißen“.

Am 17. Januar 1893 erteilt das Bezirksamt Bergzabern die Erlaubnis zur Gründung

eines Gesangvereins. Der weiter 1907 gegründete Männergesangverein stellt 1937

seine Tätigkeit mangels Sängern ein; die Wiedergründung erfolgt am 24. 3. 1947.

Der Sportverein Blau- Weiß Vorderweidenthal wird im Jahr 1927 ins Leben gerufen.

Wann der Kriegerverein entstanden ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen, auf

jeden Fall vor dem l. Weltkrieg.

Im Jahr 1881 wird in Oberschlettenbach durch Lehrer Jakob Germann ein

Männergesangverein gegründet, der inzwischen zum gemischten Chor geworden

noch immer die Menschen mit seinen Liedern erfreut.

Elektrischer Strom kommt in unsere Dörfer

Der Gemeinderat entschließt sich am 22. September 1920 Vorderweidenthal an das

elektrische Stromnetz anzuschließen und das Ortsnetz auf eigene Kosten bauen zu

lassen. Er bewilligt hierzu eine veranschlagte Summe von 100689 Mark und

ermächtigt den Bürgermeister zum Abschluss eines Stromlieferungsvertrages mit

den Pfalzwerken. Das Ortsnetz wird von der Fa. Siemens- Schuckert aus Mannheim

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gebaut. Oberschlettenbach bekommt im Jahr 1927 elektrischen Strom, die gesamte

Anlage wird mit 14 500 Mark veranschlagt. Der Ausbau des Ortsnetzes wird einer

Saarbrücker Firma übertragen, die Installation führt die Fa. Karl Funk aus

Vorderweidenthal aus.

Eine Gendarmeriestation kommt nach Vorderweidenthal

Im Südpfälzischen Wochenblatt wird am Samstag, dem 18. August 1900 über

folgenden Vorfall berichtet: „Vom Lindelbrunn, 15. Aug. In der Gemeinde

Vorderweidenthal wird zurzeit eine gerichtliche Untersuchung geführt, die einen

ganz ungewöhnlichen Vorgang betrifft. Auf verflossenen Sonntag, so wird dem

„LA.“ (Landauer Anzeiger) berichtet, war die Abhaltung des Gesangvereinsballes

in Vorderweidenthal festgesetzt. Eine Anzahl dortiger Burschen, die dem Vereine

feindselig gegenüber stehen, sollen beschlossen haben, die Abhaltung des Balles zu

stören, oder, wenn möglich, zu vereiteln. Thatsächlich drangen sie kurz nach Beginn

des Festes in den Saal. Als die Eindringlinge zur Rede gestellt und aus dem Saale

gewiesen wurden, zogen sie sich zu einem Haufen zusammen und feuerten mit

Revolvern in die Reihen der Gegner. Es wurde dabei eine Anzahl junger Leute

verwundet. Ein Bursche erhielt einen Schuß quer durch den Mund, sodaß der

Oberkiefer bedenklich verletzt wurde. Eine tötliche Verletzung kam zum Glück

nicht vor. Der Zweck die Festlichkeit zu vereiteln, wurde wirklich erreicht, da nach

einem solchen Ereignis die Lust zum Tanzen dahin war. Da alle Beteiligten leugnen,

hat die Untersuchung einen schweren Stand.“

Gendarmeriestation

Vorderweidenthal in den

50er Jahren

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Das königl. Bezirksamt fragt beim Bürgermeister nach, wo denn bei dem Vorfall der

Polizeidiener war. Dazu nimmt der Gemeinderat am 23. September 1900 Stellung:

„Er muß konstatieren, daß der Polizeidiener seine Schuldigkeit vollständig erfüllt

hat. Bei der stattgehabten Affaire war er zufällig zum Nachtessen nachhause

gegangen. - Dem kgl. Bezirksamt mag vielleicht in dieser Hinsicht zu schwarz

berichtet worden sein. Der Gemeinderat sieht sich aber veranlaßt, den Polizeidiener

aufs Schärfste (zu ermahnen), seinen Verpflichtungen bei Ansammlungen von

Menschen in den Wirtshäusern sowie auf der Straße unnachsichtig nachzukommen.“

Ob die „Affaire“eine Rolle gespielt hat bei der Entscheidung, in Vorderweidenthal

eine Gendarmeriestation zu errichten, ist heute nicht mehr zu klären. Ohne Einfluss

wird sie nicht geblieben sein. Über die Gendarmeriestation Vorderweidenthal lesen

wir in der „Geschichte der Polizeistation Bad Bergzabern“aus dem Jahr 2004: „Die

Nachrichten über die Gendarmeriestation sind recht dürftig. Am l. Oktober 1902

wird eine Gendarmeriestation mit 2 Gendarmen errichtet. Die gleiche Anzahl ist

auch 1907 und 1913 genannt. Vor dem zweiten Weltkrieg befindet sie sich in der

Ortsmitte bei der Linde (Haus-Nr. 64), zuletzt Tankstelle Zeller. (Es war das Hans

nebenan von Jakob Becher.) Zuständig ist sie für die Orte Darstein, Dimbach,

Erlenbach mit Lauterschwan, Gossersweiler, Münchweiler, Silz, Stein und

Vorderweidenthal. Das Stations-Gebäude brennt jedoch im Krieg ab, sodass die

Station vorübergehend nach Gossersweiler verlegt werden muss.

Am l. 3. 1950 wird berichtet, dass die Gendarmeriestation Gossersweiler aufgelöst

und nach Vorderweidenthal zurück verlegt wird. Dort werden die Räumlichkeiten in

dem stattlichen Gebäude des Gastwirts Adam Schmitt in der Kirchstraße 14

angemietet. Die Jahresmiete beträgt 480,- DM. Das Dienstzimmer befindet sich auf

der Gebäuderückseite im Erdgeschoss. Wie bei den obengenannten Stationen ist es

mit der Dienstwohnung gekoppelt. 1954 wird Schwanheim dem Dienstbezirk

einverleibt, Gossersweiler nach Annweiler ausgegliedert.

In der Kirchstraße verbleibt die Gendarmerie - Station bis zu ihrer Auflösung im

Jahre 1962.

Der erste Weltkrieg

Am l. August 1914 begann der l. Weltkrieg. Der Kriegsausbruch wurde mit

Optimismus aufgenommen. Die ersten Wochen waren geprägt von

Jubelpatriotismus, Blumen und Bewunderung für die ausrückenden Soldaten.

„Spätestens wenn die Blätter fallen“seien sie wieder siegreich zu Hause, hatte der

Kaiser“gesagt - also in wenigen Wochen. Die meisten Pfälzer kämpften in der

„Pfälzer Division“, das war die 3. Division, die in Landau und Zweibrücken

stationiert war, wegen der Herkunft der Soldaten „Pfälzer Division“genannt. Die

Völker Europas wurden ins „Menschenschlachthaus“geführt, wie der

sozialdemokratische Lehrer Wilhelm Lamszus in einem 1912 erschienen

Zukunftsroman den heraufziehenden Weltenbrand nannte. Was die Soldaten in den

Schützengräben erleben sollten, übersteigt jede Vorstellungskraft. Die begeisterte

Stimmung legte sich also bald, vor allem als die ersten Todesnachrichten eintrafen.

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Der Gemeinderat stellte am 9. August 1914 ein Hilfskomitee auf, „daß die von ihren

Ernährern verlassenen Familien vor Not bewahrt werden...Die Aktion wird durch

Sammlung freiwilliger Gaben und vorläufige Geldunterstützung aus der

Gemeindekasse eingeleitet.“ Am 16. August 1914 spendet die Gemeinde 500 Mark

für das Rote Kreuz. An Weihnachten 1914 werden 46 Pakete an die Truppe

bewilligt. Der Inhalt war: „50 Stück Cigarren, l Flasche Likör, Tabak, Kautabak“.

Am 3. Oktober 1915 wird für die Kriegsgefangenen in Russland gespendet und an

Weihnachten 1915 eine „Weihnachtsgabe für die zum Heeresdienst eingerückten

hiesigen Mannschaften in Höhe von 600 Mark abgeschickt“. Immer wieder werden

Pakete und Geldspenden bewilligt vom Gemeinderat. Außerdem zeichnet der

Gemeinderat Kriegsanleihen - so am 7. 4. 1918 in Höhe von 10000 Mark.

Hindenburg- und Ludendorf spenden werden getätigt. 1917 beschlagnahmt der

Militärfiskus zwei Kirchenglocken für Kriegszwecke. Und immer wieder treffen

Todesnachrichten von gefallenen Söhnen, Brüdern, Ehemännern und Vätern ein. So

seien hier diejenigen genannt, deren Tod später im Sterberegister unserer beiden

Gemeinden beurkundet wurde, nämlich:

der Ackerer Adam Becker, 27 Jahre alt. Ersatzreservist, in Tourcoing im

Feldlazarett Nr. 5 am 27. Dez. 1914 infolge einer im Kriege gegen Frankreich

erlittenen Verwundung gestorben;

der Ackerer Marx Schmitt, 25 Jahre alt, Ersatzreservist, zu Comines im Feldlazarett

Nr. 10 am 18. Nor. 1914 infolge einer im Gefechte bei Hollebeke (Belgien) erlittenen

Verwundung gestorben;

der Dienstknecht Johannes Dutt, 23 Jahre alt, Infanterist, in den Kämpfen bei

Hollebeke (Belgien) am 14. März 1915 gefallen;

der Ackerer Jakob Becker, 29 Jahre alt, Infanterist, im Priesterwalde bei Pont à

Mousson am 21. Juni 1915 gefallen;

der Dienstknecht Friedrich Steidler, 26 Jahre alt, Ersatzreservist, bei Teratyn

(Russland) am 30 Juli 1915 gefallen;

der Fabrikarbeiter Wilhelm Helfer, 22 Jahre alt, Infanterist, im Walde von

Maloncourt, Frankreich, am 22. März 1916 durch Bauchschuss gefallen;

der Fabrikschuster Adam Hoff, 23 Jahre alt, Ersatzreservist, im Gefechte bei Haisnes

bei Bassec (Pas de Calais) infolge Sprengung am 30. Juni 1916 gefallen;

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der Fabrikschuster Friedrich Helfer, 22 Jahre alt, Infanterist, im Gefecht bei

Maurepas nördlich Peronne am 12. August 1916 gefallen;

der Fabrikschuster Gustav Becker, Ersatzreservist, durch Granatsplitter auf die Brust

am 21. August 1916 gefallen;

der Ackerer Heinrich Hoff, 38 Jahre alt, Infanterist, auf der Lyponia- Höhe,

Ostgalizien, am 4. September 1916 durch Kopfschuss gefallen;

der Ackerer Jakob Berger, 20 Jahre alt, Infanterist, am 19. Dezember 1916 durch

Brustschuss gefallen;

der Handlungsgehilfe Gustav Samuel, Gefreiter, bei Armentieres in franz. Flandern

am 27. Februar 1917 durch Verschüttung gefallen;

der Maurer Ludwig Feldner, 29 Jahre alt, Gefreiter, am 23. August 1918 durch

Artillerie-Geschoss in den Kopf bei Achief le petit gefallen.

Warum die weiter Gefallenen und Vermissten von 1914 bis 1918 aus

Vorderweidenthal nicht im Sterberegister beurkundet wurden, ist nicht bekannt:

Konrad Feldner, Karl Hoff, Friedrich Berger, Jakob Becker, Ludwig Becker, Simon

Müller, Ordon Müller, Richard Michaelis, Gustav Helfer, Karl Samuel.

Aus Oberschlettenbach

der Gemeindeschreibergehilfe Adam Christmann der Zweite, 23 Jahre alt.

Ersatzreservist, zu Carvin im Feldlazarett Nr. 11 am 30 November 1915 infolge einer

im Kriege erlittenen Verwundung gestorben;

der Tagelöhner Friedrich Berger, 37 Jahre alt, Landsturmmann, zu Köln in der

städtischen Krankenanstalt Lindenberg am 13. Juli 1916 infolge einer bei Albert

erlittenen Verwundung gestorben;

der Bauer Valentin Stöbener, 20 Jahre alt, Infanterist, im Gefechte bei Orvillers am

12. Juli 1916 gefallen;

der Ackerer Jakob Höchst, 33 Jahre alt, Gefreiter, in Landau im Reservelazarett Nr.

6 infolge Erkrankung am 7. Mai 1917 verstorben;

der Ackerer Georg Heft, 38 Jahre alt. Landsturmmann, am 3. September 1917 am

großen Jägel bei Riga durch Infanterieschuss gefallen;

der Ackerer und Schmied Adam Stoffel, 19 Jahre alt, Infanterist, am 24. Juli 1918

infolge Kopfschuss 500 m westlich Vrigny gefallen.

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Nicht beurkundet sind folgende Gefallene und Vermisste von 1914 bis 1918 aus

Oberschlettenbach: Albert Eitel, Georg Ladenberger, Jakob Scherer, Wilhelm

Stöbener, Jakob Stoffel.

Mancher der aus dem Krieg nach Hause kam, war an Leib und Seele geschädigt. So

heißt es im Sterberegister des Pfarramtes Vorderweidenthal über den am 24.

Dezember 1927 verstorbenen Adam Wagner: „Starb nach langem Siechtum an den

Folgen einer schweren Gasvergiftung, während des Krieges.“

Adam Wagner als Soldat im

königlich bayerischen Reserve -

Ersatzregiment 5 im Jahr 1915

Am l. Oktober 1918 erklärte General Ludendorf: „Die oberste Heeresleitung und das

deutsche Heer sind am Ende. Der Krieg ist nicht mehr zu gewinnen, vielmehr steht

die endgültige Niederlage unmittelbar bevor. Ich stehe nunmehr auf dem

Standpunkt, dass schnellstens Schluß gemacht werden muß ...“Ersichtlich ging es

den Spitzenmilitärs darum, die Verantwortung auf die zivile Regierung abzuwälzen.

Der Zivilist Matthias Erzberger musste mit den Alliierten den

Waffenstillstandsvertrag aushandeln. Im Waffenstillstandsvertrag vom November

1918 wurde festgelegt, dass das gesamte linksrheinische Gebiet Deutschlands von

alliierten Truppen besetzt werden sollte. In die damals noch bayerische Pfalz rückte

ab dem l. Dezember die 8. französische Armee unter General Gerard als Besatzung

ein. Die Besatzung brachte für die Pfälzer erhebliche Einschränkungen mit sich, Post

und Warenverkehr ins Rechtsrheinische wurden weitgehend eingeschränkt, auch die

Freizügigkeit und die bürgerlichen Grundrechte. Die Presse unterlag der Zensur.

Gemeinderatssitzungen mussten drei Tage vor der Sitzung bei dem französischen

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Kontrollamt gemeldet werden. Die Bürger mussten oft in ihre Häuser französische

Soldaten zur Einquartierung aufnehmen und in die Ställe ihre Pferde. Hauptlehrer

Treber aus Vorderweidenthal schreibt am 7. Juli 1926: „Die hiesige Gemeinde hatte

von April 1925 bis Juni 1926 9 mal Einquartierungen von Besatzungssoldaten.“ So

war am 12. Mai 1927 beispielsweise das 171. Infanterieregiment, 2. und 3. Bataillon,

in und um Vorderweidenthal in Quartier. Das waren 873 Mannschaften, l

Stabsoffizier, 16 sonstige Offiziere, 27 Unteroffiziere und 68 Pferde. Gebraucht

wurde Raum für eine Wachstube, 6 Geschäftszimmer und zwei Feldküchen.

(Liquidation im Archiv der VG Bad Bergzabern unter Vorderweidenthal).

Französische Einquartierung im Jahre 1922

Das Miteinander zwischen Besatzern und der Pfälzischen Bevölkerung war gespannt

und von Hass und Misstrauen geprägt. So kam es am 16. März 1927 in

Vorderweidenthal zu folgendem Vorfall: „Abends gegen 9 Uhr geht eine Gruppe

von 5 einquartierten französischen Soldaten durch die Ortschaft Vorderweidenthal

und misshandelt ihr entgegenkommende Personen, nämlich den Adam Eickert, die

Hermine Stöbener, den August Feldner, Heinrich Hussong, Hoffmann, Becker,

Zeller, die Lina Schütz und den Taubstummen Jakob Schehl.“ (Die Pfalz unter

französischer Besatzung von 1918 bis 1930, 3. Aufl., Koblenz 1996, S. 315).

Das Straßennetz in der Pfalz wuchs in dieser Zeit und auch in Vorderweidenthal gab

es die ersten Autos. Am 19. September 1928 meldet der Gastwirt Jakob Hoff eine

Tankstelle der Deutsch-amerikanischen Petroleumgesellschaft an, ihm folgt am 8.

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Die OLEX- Tankstelle neben der Polizeistation

Oktober 1928 der Bäckermeister Karl Zeller, der eine Tankstelle der Olex Deutsche

Petroleumsverkaufsgesellschaft eröffnet.

Die Besatzungszeit endete am 30. Juni 1930. Überall auf den Bergen des

Haardtgebirges wurden Freudenteuer entzündet und in vielen Dörfern und Städten

Befreiungsfeiern abgehalten.

Vorderweidenthal und Oberschlettenbach im Dritten Reich-Versuch einer

Annäherung

Wir kommen nun zu den Jahren, die gerne in den Ortschroniken unterschlagen und

verdrängt werden. Diese Zeit kommt in ihnen nicht vor und wenn ja nur als eine

Randnotiz. Erst in den Chroniken der letzten Jahre nimmt man sich dieser Zeit an,

versucht eine objektive Aufarbeitung dieser Zeit, auch um der Nachgeborenen

willen. Es muss jedoch gesagt werden, dass die Quellenlage für unsere Dörfer über

diese Zeit schlecht ist, was eine Darstellung erschwert.

Am 30. Januar wurde Hitler nach 14 Jahren heftiger Agitation gegen die junge

Demokratie von Weimar zum Reichskanzler eben dieser Republik ernannt. Die

Prinzipien einer parlamentarischen Demokratie waren zu diesem Zeitpunkt längst

nicht mehr in Anwendung. Seit 1930 wurde in Deutschland nur mit

Präsidialregierungen regiert. Hitler wurde Chef einer Regierung, die auf durch den

Artikel 48 der Reichsverfassung vom Reichspräsidenten eingeräumten Vollmachten

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beruhte. Die Mehrheit des deutschen Volkes hatte sich keineswegs für Hitler

entschieden. Die NSDAP erreichte im Juli 1932 37,4 % (Pfalz 43,7%) und im

November 1932 33,1 % (Pfalz 42,6%) der abgegebenen Stimmen. Das waren jeweils

ein Drittel der deutschen Wähler. Franz von Papen (Reichskanzler vom l. Juni 1932

bis zum 2. Dezember 1932) hatte Hitler die Vizekanzlerschaft zwar angeboten, doch

Hitler lehnte ab. „Ich will nur die Macht. Wenn wir einmal die Macht bekommen,

dann werden wir sie, so wahr mir Gott helfe, behalten. Wegnehmen lassen wir sie

uns dann nicht mehr.“ (Rede Hitlers am 17. Oktober 1932 in Königsberg) Hitler

wollte die Kanzlerschaft, was Reichspräsident Hindenburg bisher immer verweigert

hatte. Doch waren maßgebliche Eliten in Wirtschaft und Politik fest entschlossen,

der Republik ein Ende zu bereiten. Dafür brauchten sie die Unterstützung der

Nationalsozialisten. In den Hinterzimmern der Macht wurde verhandelt, intrigiert

und geplant. Ende Januar 1933 erfuhr die Öffentlichkeit: Hitler sollte Reichskanzler

werden und Franz von Papen sein Stellvertreter. Hitler hatte die Macht angestrebt

und sie wurde ihm mit Hilfe der deutsch - nationalen rechtskonservativen Kräfte

übertragen. Außer Hitler gehörten der neuen Regierung, die sich ansonsten aus

Parteilosen oder Vertretern der rechtskonservativen DNVP zusammensetzte, zwei

Nationalsozialisten an. Hitler hatte nach seiner Ernennung zum Reichskanzler auf

erneuten Reichstagswahlen bestanden, um seine Regierung plebiszitär abzusichern.

Vor den höchsten Generalen der Reichswehr verkündete er vier Tage nach seiner

Ernennung sein politisches Programm:’’ Völlige Umkehrung der gegenwärtigen

innenpolitischen Zustände in Deutschland. Ausrottung des Marxismus mit Stumpf

und Stiel. Beseitigung des Krebsschadens der Demokratie!“

„Ab 1930 schossen in den protestantischen Dörfern die Ortsgruppen wie die Pilze

aus dem Boden, während in den katholischen Gemeinden, vor allem den kleinen, die

NSDAP- Ortsgruppen bis zur Machtübernahme selten waren...“(Vgl. Rothenberger,

Karl-Heinz: Die nationalsozialistische Machtübernahme in der Südpfalz, in ZGO

132, S.305 bis 342) Im protestantischen Staatsverständnis gab es die Sehnsucht nach

dem starken Staat. Er konnte das Allgemeinwohl bewahren. Eine NSDAP-

Ortsgruppe wurde bereits am l. August 1931 in Darstein gegründet, der die später

entstandenen Ortszellen Oberschlettenbach und Vorderweidenthal zugeordnet

waren. Die Hauptursache für den Aufstieg der NSDAP war in erster Linie die

wirtschaftliche Krise, die die Pfalz von Anfang an stärker belastete als die anderen

Gebiete im Reich. Die französische Besetzung der Pfalz von 1918 bis 1930 und die

Präsenz der Besatzungsmacht verdeutlichten den Pfälzern die Niederlage im Krieg

besonders. Nationalistische Ressentiments wurden dadurch gefördert. Ab 1927

setzte eine Agrarkrise ein, durch die die Weltwirtschaftskrise von 1929 noch einmal

verstärkt wurde. Die Holz-und Getreidepreise stürzten ab. Die Zahl der

Fürsorgeempfänger nahm zu, die Bauern hatten zwar keinen Hunger zu leiden, aber

kein Bargeld. Viele Menschen auch in unseren Dörfern waren ohne Arbeit. Durch

die ausgeprägte antikapitalistische Einstellung der Pfälzischen Nationalsozialisten

wurden viele Menschen angesprochen. Für den Fall der Machtübernahme wurde den

Landwirten die vollkommene Entschuldung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes

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versprochen, was die Nationalsozialisten auch einhielten. So war am 25. Juli 1933

gegen den Kolonialwarenhändler HL. aus Oberschlettenbach ein

Zwangsversteigerungsverfahren wegen eines nicht bezahlten Betrages in Höhe von

46,96 RM eingeleitet worden. Sein gesamter Grundbesitz sollte versteigert werden.

Das Verfahren wurde am 17. August 1933 auf Grund der Verordnung über den

landwirtschaftlichen Vollstreckungsschutz eingestellt. (LA Speyer J11 Nr. 1595) „Je

kleiner das Dorf, umso stärker war der Druck der vorherrschenden Meinung auf die

Andersgesinnten. (Rothenberger 1984, S. 312) „Wer weltanschaulich fest

eingebunden war wie der katholische Bevölkerungsteil oder die sozialdemokratisch

oder kommunistisch organisierten Arbeiter stand der Massenanziehungskraft der

voll aufmarschierten NSDAP mit mehr Festigkeit gegenüber als die übrige

Bevölkerung. Die Milieus des politischen Katholizismus und der Linken wurden

vom Sog der braunen Bataillone in geringeren Maßen erfasst als diejenigen, aus

denen sich zu Beginn der Weimarer Republik Konservative wie Liberale ihre Wähler

geholt hatten. Auch dafür ist Darstein ein gutes Beispiel. Die meisten Wähler hatten

dort 1924 ein liberales Votum abgegeben. „(Fenske, Hans: Der Aufstieg der

Pfälzischen NSDAP, in: Gerhard Nestler u. a., Vom Scheitern der Demokratie,

Leinfelden -Echterdingen 2010)

Vorderweidenthal und Oberschlettenbach waren landwirtschaftlich strukturierte

Gemeinden, wobei es in Vorderweidenthal auch schon eine nicht unwesentliche Zahl

von Fabrikarbeitern gab. Ein SPD-Ortsverein hat in Vorderweidenthal mindestens

seit Mitte der 1920iger bestanden. Bei der Reichstagswahl am 20. 5. 1928 wurde

hier mehrheitlich SPD gewählt, in Oberschlettenbach die DVP, eine bürgerlich –

nationale Partei, die aus den Nationalliberalen hervorgegangen war.

Im Februar 1933 versuchte die NSDAP-Ortsgruppe von Vorderweidenthal in

Zusammenarbeit mit dem Kreisleiter Meyer in Bergzabern den am 8. Dezember

1929 demokratisch gewählten Gemeinderat unter Bürgermeister Schmitt durch

vorgezogene Neuwahlen aus dem Amt zu drängen. Dazu wurde ein Volksentscheid

initiiert, der über Neuwahlen entscheiden sollte. Das notwendige Quorum wurde

jedoch nicht erreicht. Im Landauer Anzeiger vom 4. Februar 1933 ist zu lesen:

„Vorderweidenthal, 13. Februar. Es bleibt beim Alten. Der gestern durchgeführte

Volksentscheid fand keine Mehrheit. - Es beteiligten sich 300 Personen, von denen

163 für die Neuwahl, 134 dagegen stimmten; drei Stimmen waren ungültig. Zur

erforderlichen Durchführung des Volksentscheids wären 178 Stimmen notwendig

gewesen.“

Hier die Ergebnisse der Reichstagswahlen vom 20. 5. 1928 bis zum 5. 3. 1933.

Reichstagswahl am 20. 5. 1928:

Vorderweidenthal: SPD 92, DNP 19, Zentrum/B VP 2, DVP 48, KPD l, NSDAP 17

Oberschlettenbach: SPD l, DNP 7, Zentrum/B VP -, DVP 48, KPD -, NSDAP -

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Reichstagswahl am 14. 9. 1930:

Vorderweidenthal: SPD 42, DNP -, Zentrum/B VP 3, DVP 3, KPD 3, NSDAP 137

Oberschlettenbach: SPD -, DNP -, Zentrum/B VP -, DVP 6, KPD -, NSDAP 94

Reichstagswahl am 31. 7. 1932:

Vorderweidenthal: SPD 51, DNP l, Zentrum/B VP 7, DVP 3, KPD -, NSDAP 269

Oberschlettenbach: SPD -, DNP -, Zentrum/B VP -, DVP -, KPD -, NSDAP 131

Reichstagswahl am 6. 11. 1932:

Vorderweidenthal: SPD 53, DNP 3, Zentrum/BVP 4, DVP -, KPD l, NSDAP 260

Oberschlettenbach: SPD -. DNP -, Zentrum/BVP -, DVP -. KPD -, NSDAP 130

Reichsstagswahl am 5. 3. 1933:

Vorderweidenthal. SPD 34, DNP 5, Zentrum/BVP -, DVP l, KPD 2, NSDAP 283

Oberschlettenbach: SPD -, DNP -, Zentrum/BVP -, DVP -, KPD -, NSDAP 135

(Wahlergebnisse nach: Bauer, Gustav: Entwicklung und Form des

Nationalsozialismus im Kreise Bergzabern unter besonderer Berücksichtigung der

Presse, Kaiserslautern 1967)

Die Reichstagswahl vom 5. 3. 1933 stand unter dem Eindruck, dass Hitler seit dem

31. Januar 1933 Reichskanzler war, trotzdem brachte sie über den Regierungsbonus

hinaus keinen besonderen Gewinn für die NSDAP. Die SPD hatte sich in

Vorderweidenthal einen Kernbestand bewahrt. Nach den Reichstagswahlen wurde

eine Landesregierung nach der anderen aus dem Amt gedrängt. Am 9. März 1933

wurde in Bayern der ehemalige Freikorpsgeneral Franz Xaver Ritter von Epp zum

Reichskommissar ernannt. Nun hatte die NSDAP in Bayern die Macht, die

Landesregierung galt als abgesetzt.

Jakob Schmitt, Bürgermeister

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Das Annweiler Tageblatt berichtet am 27. März 1933 über die Auflösung der

Ortsgruppe der SPD von Vorderweidenthal, deren Vorsitzender Anton Schuhmacher

von 1925 an bis zur Auflösung war. Dem Gemeinderat, am 8. Dezember 1929

gewählt, gehörten vor der Machtübernahme an: Bürgermeister Jakob Schmitt,

Beigeordneter Wilhelm Hoff sowie die Gemeinderäte Jakob Becker, Georg Feldner,

Marx Becker, Marx Hoff, Müller, Böller, Hornberger, Berger, Marx Feldner, Puster,

Hertle und Schuhmacher. In Oberschlettenbach war am 8. Dezember 1929 Jakob

Funck mit 108 von 118 Stimmen wieder gewählt worden. Die Gemeinderäte blieben

dieselben. Nach der Reichstagswahl vom 5. März. 1933 wurden missliebige

Bürgermeister abgesetzt und die politische Säuberung der Gemeinden und

Gemeindeverwaltungen begann. Mit dem Gesetz zur Gleichschaltung der

Gemeinden und Gemeindeverbände wurde das Reichstagswahlergebnis auf die

kommunalen Parlamente übertragen. Am 31. März. 1933 wurden die Gemeinderäte

aufgelöst und nach dem Wahlergebnis vom 5. März 1933 neu zusammengestellt. Die

NSDAP hatte in Vorderweidenthal 283 Stimmen bekommen. Der Wahlausschuss

legte am 22. April 1933 fest, „daß auf folgende Parteien und Wählergruppen die

angegebene Zahl von Sitzen entfallen ist: Nationalsozialistische Deutsche

Arbeiterpartei 8 Sitze“, andere Parteien keine. Neuer Bürgermeister wurde Robert

Zeller, Beigeordneter Jakob Jung. Über Oberschlettenbach heißt es im Annweiler

Tageblatt vom 30. Juni 1933: „Oberschlettenbach 29 Juni. Als l. Bürgermeister

wurde jetzt der Amtswalter der NSDAP Landwirt Heinrich Ladenberger bestimmt

und vom Bezirksamt bestätigt. Bürgermeister Ladenberger hat seine Tätigkeit

bereits aufgenommen.“ Bürgermeister, Beigeordneter und die weiteren

Ratsmitglieder der Zeit vor 1933 hatten ihre Mandate verloren und wurden durch

Parteimitglieder ersetzt. Die neuen Bürgermeister bestellte man zur

propagandistischen Vereidigung im November 1933 nach München ein. Der neue

Gemeinderat bewilligte hierfür Bürgermeister Robert Zeller 50 RM aus der

Gemeindekasse. Die Bürgermeister und Gemeinderäte mussten 1935 erklären „dass

ihnen trotz sorgfältiger Prüfung keine Umstände bekannt sind, dass drei oder vier

Großelternteile der Rasse nach volljüdisch sind oder der jüdischen

Religionsgemeinschaft angehören.“ Nach der neuen Gemeindeordnung lief die

Amtszeit der Bürgermeister und Beigeordneten am 4. März 1937 aus. Dann sollte

auf Vorschlag des Beauftragten der NSDAP neue Bürgermeister und Beigeordnete

bestimmt werden. Neuer Bürgermeister ist am 5. März 1937 in Vorderweidenthal

Ludwig Berger, erster Beigeordneter wird Valentin Schmitt und zweiter

Beigeordneter Emil Heft. In Oberschlettenbach bleibt Heinrich Ladenberger

Bürgermeister, Beigeordneter wird Ludwig Helfer. Bürgermeister Ladenberger hat

noch das Amt des Ortsbauernführers und des Zellenleiters inne. Zellenleiter in

Vorderweidenthal war Adolf Eitel, die Mitgliederzahl der Ortszelle betrug 28.

Am 22. Juni 1933 wurde die SPD verboten, im Juli lösen sich BVP und das Zentrum

auf. In wenigen Monaten wälzten die Nationalsozialisten die politische Ordnung in

Deutschland grundlegend um. Mit geschickter Mischung aus Drohung und

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Verlockung gelang es ihnen, die Demokratie zu beseitigen - und dafür die

Zustimmung eines großen Teils der Bevölkerung zu erhalten. So wurde im

September 1933 der Feldweg, der vom Forsthaus Lindelbrunn auf die Landstraße

nach Vorderweidenthal führt, von Erwerbslosen aus Vorderweidenthal zur festen

Straße ausgebaut. Den Landwirten konnten vermittelt durch den Ortsbürgermeister

Landhilfen zugeteilt werden. Mit den „Rheinhard-Programmen“und dem „Siebert-

Programm“flössen Millionen von Reichsmark in die Pfalz zur Beseitigung der

Arbeitslosigkeit, den Bau von Straßen und Siedlungshäusern. Der sogenannte „rote

Gauleiter“Josef Bürckel initiierte einen „Sozialismus der Tat“, „eine krude

Mischung nationalistischer und sozialistischer Ideen.“ (Hannes Ziegler) Er rief die

„Volkssozialistische Selbsthilfe Rheinpfalz“ins Leben. Der Gemeinderat von

Vorderweidenthal beschloss am 15. Oktober 1933 den Beitritt zur

„Volkssozialistischen Gemeinschaft“. Es sollen künftig keine Veranstaltungen mehr

stattfinden, „ohne daß für jeden Teilnehmer der sogenannte Volkshilfegroschen

abgeliefert wurde.“ Mit den Geldern finanzierte Bürckel

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, den Bau von Siedlungsheimen und einen

Hilfsfonds für Bedürftige. Gleichzeitig wurde das Naturfreundehaus Bethof

geschlossen, wie das Annweiler Tageblatt am 29. April 1933 berichtet:

„Vorderweidenthal 28. April. Das zwischen Vorderweidenthal und Lauterschwan

durch den Touristenverein die Naturfreunde vor einigen Jahren erbaute Waldhaus

wurde geschlossen, nachdem der Verein infolge seiner marxistischen Einstellung

durch die Staatsregierung verboten und aufgelöst wurde.“ Am 3. Mai 1933 werden

in Gossersweiler elf Personen verhaftet und von der Polizei Annweiler und

Vorderweidenthal sowie SA - Hilfspolizisten ins Gefängnis nach Landau gebracht,

weil sie die Öffentlich aufgezogene Hakenkreuzfahne in der Nacht verbrannt haben.

Am 15. Mai 1933 war im Annweiler Tageblatt zu lesen, „dass der im Elsass

beschäftigt gewesene Valentin Orth verhaftet und ins Gefängnis nach Landau

gebracht wurde. Er steht im Verdacht kommunistischer Umtriebe.“ Der SA - Sturm

von Vorderweidenthal unternimmt häufig Propagandamärsche in die umliegenden

Ortschaften und in Vorderweidenthal selbst. Bei Kindtaufen von Kindern von SA-

Männern steht die gesamte SA vor der Kirche Spalier. Laut mündlicher Quelle wird

das auf dem Rödelstein angebrachte, weithin sichtbare Hakenkreuz von SPDlern aus

Pirmasens abgesägt und herunter geworfen, worauf die Ortszelle ein neues

anfertigen lässt und auf dem Fels aufstellt. Einem der Zentrumspartei

nahestehendem Beamten wird zur Kenntnis gebracht, dass man mit der SA vor

seinem Haus aufmarschieren werde, sollte er noch einmal die Gastwirtschaft des aus

dem Amt gedrängten Bürgermeisters Schmitt betreten. Am 25. August 1933 wurden

„im Wege der Gleichschaltung die beiden hiesigen Gesangvereine miteinander

verschmolzen“. Der Männergesangverein „Waldeslust“ tritt dem länger bestehenden

Männergesangverein bei. Als Vereinsleiter werden bestimmt: Adolf Eitel als l.

Vorsitzender, Lehrer Karl Tröster als Chorleiter, Adam Heinrich Funck als 2.

Vorsitzender, Adolf Becker als Schriftführer und Rechner. „Die übrigen

Ausschussmitglieder werden vom politischen Leiter der NSDAP bestimmt:“

(Annweiler Tageblatt vom 26. 8. 1933) Auch die ehemaligen politischen Gegner

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hatte man nicht vergessen. Am 14 Juni 1938 berichtet die Gendarmeriestation

Vorderweidenthal der Geheimen Staatspolizei in Neustadt über das politische

Verhalten des ehemaligen SPD - Vorsitzenden Anton Schuhmacher: „Als maß

gebender SPD – Funktionär dürfte Schuhmacher nicht anzusehen sein. Vorstehender

Bericht wurde nur gemacht, weil Schuhmacher seinerzeit als SPD-Funktionär

gemeldet worden war.“ (LA Speyer H 91, Nr. 1197)

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) Kindergarten im Jahre 1938

In den Jahren zwischen 1938 und 1940 entstand entlang der deutschen Westgrenze

ein rund 630 km langes Verteidigungssystem mit 15 000 Bunkern, Gräbern und

Panzersperren. Der Alltag in unseren Grenzdörfern veränderte sich. Tausende

Arbeiter der Reichsarbeitsdienstes, der Organisation Todt und privater Baufirmen

kamen in die strukturschwachen Grenzlandgemeinden. Bei Erlenbach entstand ein

Arbeitsdienstlager. In dieser Zeit wurde auch der Stollen an der Lindelbrunner

Straße gebaut, in dem im Hinterland der sogenannten „Roten Zone“ein Lazarett

untergebracht werden sollte. In der Stollenanlage sollten auf ca. 1000 qm ein OP-

Bereich, Sanitätsstationen und eine Zahnstation eingerichtet werden. Zahlreiche

Männer aus Vorderweidenthal und Oberschlettenbach fanden bei den Baufirmen

Arbeit. Was sie nicht wussten, war, dass jeder einzelne von der Gestapo

„spionagepolizeilich“und in politischer Hinsicht überprüft wurde. Als am l.

September 1939 mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite

Weltkrieg begann, war das für unsere Gegend wegen der besonderen Nähe zu

Frankreich ein besonders einschneidendes Ereignis. Frankreich hatte einen

Beistandsvertrag mit Polen und erklärte nun Deutschland den Krieg. Der Ernstfall

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trat in der Nacht vom 31. August auf den l. September 1939 ein. Die Pläne zur

„Freimachung“der „Roten Zone“, die bereits in der Schublade lagerten, traten nun

in Kraft. Vorderweidenthal lag noch in der „Roten Zone“, Oberschlettenbach nicht

mehr, es gehörte zur „Grünen Zone“. Die „Rote Zone“war bei Kriegsbeginn zu

räumen, die „Grüne Zone“erst beim Einmarsch feindlicher Truppen. „Am l.

September 1939 kam die Räumung, nachts wurde ich aus dem Bett geholt und

musste das Vieh, Getreide, Wäsche und Möbel, nachdem die Einwohner fort waren,

bergen und habe es den Flüchtlingen nachgesandt“, so schreibt der frühere

Ortsbauernführer Heinrich Hussong später. (LA Speyer R 18, Nr. A 23586)

Vorderweidenthal wurde geräumt. Zwanzig Männer blieben zurück. Sie sollten das

im Dorf aufgestapelte Getreide dreschen. An Großvieh mussten drei Stück zurück

gelassen werden, außerdem 25 Schweine, 150 Ztr. Getreide und 50 Ztr. Mehl. Die

Vorderweidenthaler kamen nach Oberfranken und fanden Aufnahme in

Großbirkach, Kleinbirkach. Lichtenfels, Staffelstein und Reichmannsdorf. Die

Oberschlettenbacher wären im Ernstfall nach Oberlindach und Weisendorf, Kreis

Höchstadt a. d. Aisch, evakuiert worden. Die Freimachung war nicht genügend

vorbereitet und erfolgte unter teils chaotischen Umständen. Danach durfte die „Rote

Zone“von Zivilpersonen nur noch mit Sondererlaubnis betreten werden, in den

Häusern tummelten sich Wehrmachtssoldaten, plünderten und zerstörten Häuser.

Am 18. August 1940 kamen die Vorderweidenthaler mit den Leuten aus Birkenhördt

und Blankenborn mit dem Zug zurück. Viele Wohnungen waren verwüstet, manches

Haus beschädigt oder zerstört.

Die. Evakuierten von Vorderweidenthal kamen u.a. in Reichmannsdorf

(Oberfranken) unter

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Vorderweidenthal ist evakuiert 1939/40

Ortsbauernführer Hussong und Bürgermeister Berger mit Militärpersonen im

Winter 1939/40

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Die im Ort zum Dreschen verbliebene Mannschaft vor dem Dreschschuppen

Die Rückkehr nach der Evakuierung im August 1940. Links im Bild mit Rücksack

Fritz Kolb

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Eigene Möbel befanden sich in anderen Wohnungen, manches war gestohlen.Karl

Helfer schreibt am 13. Januar 1941: „Ich bin Rückgeführter. Während meiner

Abwesenheit von Vorderweidenthal wurde mein Wohnhaus durch das Militär so

beschädigt, daß es niedergerissen werden muss und neu aufgebaut werden soll.“ (LA

Speyer J 11, Nr. 1566) Viele Bekanntschaften und Freundschaften waren im

„Bergungsraum“in Oberfranken entstanden. Manche hielt noch lange Jahre nach

dem Krieg bis in die 70iger Jahre.

Zu Beginn des Krieges tat Georg Schneider aus Oberschlettenbach auf der Straße

seine Meinung über den Krieg offen kund, indem er sagte: „Ich war 4mal verwundet

und habe die Füße erfroren gehabt, ich habe genug vom Krieg.“ (LA Speyer R 18,

A 23675) Das hatte eine Anzeige bei der Gauleitung in Neustadt zur Folge. Wenige

Tage später erschien die Gestapo bei ihm und verhörte ihn. Er wurde zur Gestapo-

Dienststelle nach Neustadt geladen, dort wurde ihm mit „dem Keller“gedroht. Auch

hat man an sein Haus den Goebbelsspruch „Volk steh auf anbringen lassen. Am 15.

Dezember 1940 beschweren sich Eltern aus Schwanheim und Darstein über den

Lehrer Wenzel aus Oberschlettenbach, der sowohl in Oberschlettenbach als auch in

Schwanheim Unterricht erteilte. Er soll im Unterricht gesagt haben: „Es gibt keinen

Gott, keinen Himmel und keine Hölle, keine Ewigkeit... Der Heiland war ein

stinkiger Jud...“ Das Christentum sei eine „artfremde jüdische Lehre“. Er sprach vom

Judentum selbst, stellte Juden als „Verbrecher“dar. Anschließend wies er auf „das

Christentum hin als aus solchen Judenhirnen entstandene Lehre“. Dagegen erhoben

Eltern aus Schwanheim und Darstein mutigen Protest (die Darsteiner Kinder wurden

damals in Schwanheim unterrichtet). Zahlreiche Eltern aus Schwanheim

beschwerten sich bei Schulleiter Weis in Lug. Aus Darstein unterschrieben die

Mütter Lina Christmann, Luise Eickert, Frieda Keller sowie Frau Böhles und die

Eheleute Wetzel. Lehrer Wenzel beschwerte sich bei der Gestapo darüber, dass zwei

evangelische Schüler aus Darstein, die die Schule in Schwanheim besuchten, „statt

zu ihm in die Schule zu kommen, es vorziehen, zum Konfirmandenunterricht nach

Vorderweidenthal zu gehen“. Er ist darüber empört und erklärt den Kindern, „dass

es besser wäre, wenn sie von dieser artfremden jüdischen Lehre nichts hören würden.

Das wäre für deutsche Kinder viel besser“. Wenzel klagt auch über Pfarrer

Esselborn, der in Oberschlettenbach „in meiner Schule“die Kinder vor den

Weihnachtsferien fragte, an wen sie an Weihnachten denken. Als ein Schüler der 3.

Klasse antwortet: „An den Führer“, schreibt Wenzel „das war mein Erfolg!!“ (LA

Speyer H 91, Nr. 2484) Lehrer Wenzel hatte den Nationalsozialismus verstanden.

Zwischen Christentum und Nationalsozialismus gab es keine Gemeinsamkeit. Eine

Ideologie der Unbarmherzigkeit, der Überhöhung der eigenen Rasse und der

Verachtung anderen Menschen gegenüber, besonders den Juden und den slawischen

Völkern, war mit dem christlichen Glauben unvereinbar.

Die rassistische Diskriminierung verschonte aber auch die germanischen

Brudervölker nicht (Holländer, Franzosen, Norweger). Beziehungen zwischen

Deutschen und Kriegsgefangenen aus diesen Ländern waren unerwünscht. Wer sich

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als Deutsche mit Nichtdeutschen einließ, machte sich verdächtig, zeigte mangelnde

völkische Gesinnung, beging „Rassenschande“. Ein solcher Fall ist uns aus

Impflingen bekannt. Dort flirtete Frau K. D geb. am 17. 4. 1895 in

Oberschlettenbach beim Dreschen mit französischen Kriegsgefangenen. Anwesende

Deutsche, die durch Familienstreitigkeiten mit ihr verfeindet waren, denunzierten

sie. Sie wurde am 11. Oktober 1942 vom Amtsgericht Landau „wegen einer

Übertretung der Verordnung zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes zur

Haftstrafe von sechs Wochen und zu den Kosten verurteilt.“. Schlimmer erging es

dem polnischen Zivilarbeiter Wassyl Pawlyk. Er wurde wegen einer Beziehung, die

eine Frau aus Bundenthal mit ihm eingegangen war, am 31. März 1943 im

Gemeindewald südlich von Bundenthal erhängt. Am 23. April 1942 wurde auf der

Straße Darstein - Vorderweidenthal der „russische Fremdarbeiter“ Michael Gulak

aus der Ukraine festgenommen und an die Gestapo nach Neustadt überstellt. Beim

Verhör gab er an: „Vom Arbeitsamt in Stanislau wurde ich anfangs März zum

Arbeitseinsatz nach Deutschland verpflichtet. Bei meiner Verpflichtung wurde mir

weder ein Arbeitsvertrag noch sonst etwas bekannt gegeben. Ich kam von zu Hause

direkt zu dem Landwirt H E. in Rodalberhof bei Pirmasens als Landhelfer. Als Lohn

habe ich bis heute noch nichts erhalten, nur ein altes Arbeitsgewand. Das Essen war

gut, jedoch die Arbeitszeit zu lange, ich musste aufstehen wenn es noch dunkel war

und kam gegen 21 Uhr zu Bett. Sonntags mußte ich nur das Vieh füttern.“ Er gibt

an, dass er von der Arbeit davongelaufen ist, weil ihm „die Arbeit zu schwer und zu

lang war“. Er wird auf das Schärfste verwarnt und an seine Arbeitsstelle

zurückgebracht. Im deutschen Reich lebten auf dem Höhepunkt des Krieges

siebeneinhalb Millionen „Fremdarbeiter“, die in der Kriegsproduktion oder in der

Landwirtschaft Tätig waren, Die Ukrainer aus der Sowjetunion waren meistens

verschleppt oder unter mehr oder weniger Zwang nach Deutschland gekommen.

Man nannte sie auch „Ostarbeiter“. Das waren billige Arbeitskräfte, die die in den

Krieg eingezogenen Männer ersetzen sollten. Bei geringem oder gar keinem Lohn

waren sie der Willkür ihrer „Herren“ ausgesetzt. Im Sauckel - Erlass (Fritz Sauckel

war der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz) heißt es dazu. „Alle diese

Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, daß sie bei

denkbar sparsamstem Einsatz die größtmögliche Leistung erbringen.“ (Klaus

Wisotzky: Der Ruhrbergbau im Dritten Reich, S. 121)

Wie löchrig die deutsche Luftverteidigung war, beweisen Flugblätter, die von

englischen Flugzeugen in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar 1942 am

Lindelbrunn abgeworfen wurden. Wie sehr sich Hitler mit seinem „Blitzkrieg“gegen

Russland geirrt hatte, darauf wurde auf diesen Flugblättern wahrheitsgemäß

hingewiesen. Der Angriff hatte sich im Dezember 1941 vor Moskau festgefahren.

Den Soldaten fehlte die Winterausrüstung. Darüber klärte das Flugblatt die

Bevölkerung auf. Natürlich durfte darüber nicht gesprochen werden.

In der Pfalz prägte sich das Dröhnen der Flugzeuge, die nachts über sie hinweg

zogen, tief in das Gedächtnis der Bevölkerung ein. Am 6. September 1943 stürzte

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bei Schwanheim ein viermotoriger Short Stirling-Bomber der britischen Air Force

ab. Vier Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben, die anderen wurden

gefangen genommen. Wieder wurden die Kirchenglocken abgehängt, weil man

Bronze für den Krieg brauchte. Die meisten Männer waren als Soldaten eingezogen.

Es gab die unbequeme Verdunkelung, nachts manchmal Fliegeralarm. Der Krieg

dauerte immer länger, die Gefallenenanzeigen in den Zeitungen wurden immer

häufiger, der Krieg kam immer näher. Deswegen sollten die Leute zum Schanzen

gehen. Sie sollten Panzergräben

Amerikanische Luftbildaufnahme Ende 1944

ausheben, um die amerikanischen Panzer aufzuhalten. Anfangs September wurden

Schanzkommandos zusammengestellt. Die Befehlsgewalt lag bei der Partei. Die

Panzergräben waren 5 m breit und 3 m tief auszuheben. Das meiste musste von Hand

erledigt werden. Seit Ende September 1944 kamen auch Frauen zum Einsatz. Ihnen

fiel das sehr schwer, weil sie zu Hause oft ihre Kinder und die Landwirtschaft zu

versorgen hatten, da die Männern im Krieg oder gefallen waren. Ortrud Walter aus

Oberschlettenbach sagte später darüber: „Ich habe mich 3 bis 4 mal bei den

Schanzarbeiten beteiligt. Im Hause hatte ich noch zwei Kinder im Alter von ein und

zweieinhalb Jahren. Mein Ehemann war bei den Soldaten. Es war mir nicht möglich

länger zu schanzen, denn auch die Landwirtschaft war zu versorgen. Zudem waren

in jener Zeit die Tiefflieger stark, davor haben sich selbst die Männer gefürchtet. Mir

wurde wegen meines Fernbleibens von den Schanzarbeiten ein Strafbefehl von 20

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RM zugestellt. Es war nicht recht, dass man Frauen zu Schanzarbeiten herangezogen

hat. Es war auch nicht nötig gewesen.“ (LA Speyer R 18, Nr. 23675) Am 16.

Dezember 1944 standen die Amerikaner in Weißenburg. Die 45. Infanterie-Division

besetzte Bobenthal, stieß auf Niederschlettenbach und Bundenthal vor. Kurz vor

Weihnachten 1944 trafen ältere Männer aus Darstein beim Christbaumholen am

Kochelstein auf einen amerikanischen Spähtrupp. Am 16. Dezember 1944 begann

die Ardennenoffensive, dadurch kam es an der hiesigen Front zur Ruhe. Das war der

Tag, an dem die Bevölkerung von Vorderweidenthal in den Stollen ging. Die Leute

waren trotz des Beschusses und der baldigen Ankunft der Amerikaner nicht bereit,

ihren Besitz zu verlassen und dem 2. Evakuierungsbefehl Folge zu leisten. Hier

spielten die bei der ersten Evakuierung gemachten Erfahrungen eine Rolle.

Altbürgermeister Schmitt, Forstverwalter Hoffelder, Bürgermeister Berger und

Jakob Puster kamen zu dem Entschluss, die Bevölkerung in dem 1938 bis 1940

gebauten Sanitätsstollen unterzubringen. Ein einzigartiges Dokument, verfasst von

Jakob Puster, gibt uns über die letzten Tage und Wochen des Krieges in

Vorderweidenthal Aufschluss. Er hat es zu seiner Verteidigung vor der von den

Franzosen nach dem Krieg eingerichteten Spruchkammer geschrieben:

„Beilage zum Fragebogen von Jakob Puster

Über meine Tätigkeit als stellvertretender Zellenleiter vom August 44 bis März 45

will ich kurz folgendes vermerken. Zur Übernahme wurde ich einfach bestimmt. Auf

meinen Einspruch ich habe keine Zeit, ich kann es nicht machen bekam ich von

Kreisleiter Ochsner den Bescheid entweder machen oder in kurzer Zeit zur

Wehrmacht. Im Oktober 1944 bekam ich von Altbürgermeister Schmitt und Herrn

Forstverwalter Hoffelder mit denen ich gut Freund war, den Bescheid zu ihnen zu

kommen. (Schmitt wurde 1933 als Bürgermeister von den Nazis abgesetzt.)

Bürgermeister Berger war anwesend. Altbürgermeister Schmitt machte uns seinen

Plan bekannt, (In der Nähe des Dorfes war ein Stollen von 1939 - 40 vom Pi-Stab

erbaut aber der Eingang war vermauert, der Stollen lag im Forstbezirk von Herrn

Hoffelder.) den Stollen zu öffnen, den Feldwebel des Pi-Stabes der die Aufsicht hatte

über die Bauten zu gewinnen damit er die Genehmigung erteilt dazu, was auch

gelang. Dann wollten wir gemeinsam das ganze Dorf den Stollen herrichten. Damit

wir im Falle eines Falles gemeinsam im Stollen Unterkunft finden können. Ich und

Bürgermeister Berger stellten uns sofort zur Verfügung obwohl wir wussten dass der

Räumungsbefehl bereits vorlag, falls der Krieg näher kommen sollte. Das Dorf mit

Leut und Vieh mit Fuhrwerk in 3 Tagen in die Gegend von Speyer dann über den

Rhein. Der Stollen wurde dann geöffnet, hergerichtet und mit Türen versehen.

Liegestätte erstellt. Nahrungsmittel und Brand hineingeschafft, unter Mitwirkung

fast des ganzen Dorfes. Ende November bekam ich dann den Auftrag wieviel

Personen sofort evakuiert werden können nur männliche Personen von 16-60 Jahre

ausgenommen, weibliche von 16-45 ebenfalls. Anfangs Dezember verlangte die

Kreisleitung die Meldung wieviel Pferdefuhrwerke zur Verfügung stehen für Leute

die kein Kuhfuhrwerk haben abzufahren. Und wieviel Kuhgespanne im Dorf sind

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zum Abtransport falls Auto keine zur Verfügung stehen. Ich zog die Meldung hinaus

bis ich gemahnt wurde war es zu spät, da die Beschießung einsetzte und die ganze

Gemeinde in den Stollen ging. Ein Teil vom Vieh blieb im Dorf unter Obhut von

Bürgermeister Berger und einigen Männern die im Keller blieben. Altbürgermeister

Schmitt, Hoffelder und ich hatten die Aufsicht über etwa 500 Leute im Stollen und

das übrige Vieh, das wir im Wald in der Nähe des Stollens unterbrachten so gut es

ging. Als wir einige Tage im Stollen waren kamen Postomnibusse an den Stollen

gefahren um die Leute wegzufahren. Wir verweigerten die Mitfahrt. Dann sollte das

Vieh abgetrieben werden. Was ebenfalls verweigert wurde. Einige Stück Vieh waren

schon verwundet, teils leicht teils schwer. Ich schlachtete dann sofort eine Kuh als

Fleischbeschauer hatte ich soviel Kenntnisse, nahm die Beschau vor. Das Fleisch

wurde gemeinschaftlich verwendet und die Besitzer von dem Vieh entschädigt. Es

wurde dann auch eine Anzeige gemacht gegen Forstverwalter Hoffelder und mich.

Wir beide sollten Äußerungen gemacht haben, die an Landesverrat grenzen sollten.

Am l. Januar 1945 kam die Gestapo in den Stollen. Wir stellten alles in Abrede. Nach

einigen Tagen kam die Gestapo wieder mit demselben Erfolg. Ende Januar als wir

aus dem Stollen ins Dorf zurückkehrten, hatten wir noch unser Vieh und Fuhrwerk

zur Bewirtschaftung unserer Äcker und Ernährung unseres Dorfes. Was an

beweglichen Sachen im Stollen untergebracht war blieb im Stollen unter Verschluß

zurück. Die Sache ging dann gut bis anfangs März kam ein Schreiben von der

Kreisleitung, daß Zellenleiter die ihre Pflicht nicht erfüllen an einen Ort kommen wo

sie nationalsozialistisch erzogen werden. Am 13. März oder 14. bekam ich vom

Wehrmeldeamt die Aufforderung, den Wehrpaß sofort einzusenden, was am 16.

März geschah. Worüber Einlieferungsschein beiliegt. Am 16. und 17. März mit

Einsetzen des Beschusses ging dann die Gemeinde wieder in den Stollen genau wie

vorher. Am 19. März kam die letzte Post. Bekam ich ein Schreiben mich sofort auf

der Kreisleitung zu melden, was ich jedoch nicht tat. Falls an der Wahrheit meines

Schreibens Zweifel bestehen, bitte ich Herrn Forstverwalter Hoffelder zu

vernehmen. Altbürgermeister Schmitt ist leider in diesem Jahr gestorben. Studienrat

Esselborn als Pfarrer bei uns in dieser Zeit übersande mir ein Gutachten über meine

Tätigkeit.

Für die Richtigkeit des Schreibens

Jakob Puster“

Hinzu kommt, dass auf dem Weg von Vorderweidenthal zum Stollen die 14-jährige

Ema Knorr am 17. Dezember 1944 durch Artilleriebeschuss ihr Leben verlor.

Aufgrund der Ardennenoffensive ließ in unserem Frontabschnitt der Druck nach.

Die Amerikaner zogen Kräfte ab, um der deutschen Offensive in den Ardennen

Einhalt zu bieten. Am 21. Dezember konnte sogar eine Bunkergruppe nördlich

Weißenburg zurückerobert werden. Am 22. Dezember war Niederschlettenbach

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wieder in deutschem Besitz. Die Front war eingefroren. Bobenthal, Nothweiler und

Schönau blieben amerikanisch besetzt. So feierten die Vorderweidenthaler in

bescheidensten Verhältnissen im Stollen Weihnachten und Silvester. Die

Weihnachts- und Silvestergottesdienste hielt Pfarrer Esselborn am Stollen. Anfang

Januar hatte sich die Lage so weit beruhigt, dass die Leute am 10. Januar 1945 ins

Dorf zurückkehren konnten. Als am 16./17. März der Beschuss des Dorfes einsetzte,

zogen die Leute wieder in den Stollen. In diesen Tagen hatte man einen schwer

verwundeten deutschen Soldaten am Stolleneingang abgelegt, der später dort

verstarb. Er wurde unterhalb des Stollens neben der Straße zum Lindelbrunn von

Pfarrer Esselborn unter Beisein der ganzen Stollengemeinde beerdigt. Die

Amerikaner hatten mit ihrer „Operation Undertone“ begonnen. General Walkers 10.

amerikanische Panzerdivision war über Johanniskreuz durchs Wellbachtal zur B 10

vorgedrungen und hatte sie abgesperrt. Nun war ein Rückzug der Wehrmacht durchs

Queichtal unmöglich geworden. Es blieben nur die engen Talwege durchs Dahner

Tal über Vorderweidenthal Richtung Klingbachtal und in Richtung Bergzabern. „So

füllten sich nun auch die engen Talstraßen der Südpfalz mit Wracks und Leichen.

Unbeschreibliche Zustände herrschten insbesondere an der Kreuzung

Vorderweidenthal - Erlenbach...“(Nosbüsch Johannes: Damit es nicht vergessen

wird..., 8. Auflage, Landau 1993, S.319) Klaus Backes gibt im Heimat - Jahrbuch

2006, hg. vom Landkreis Südliche Weinstraße, ein

Auswertung einer

Luftaufnahme des

Bombenangriffes der 9.

USAAF auf Erlenbach

vom 19. März 1945. Elf

Erlenbacher fanden

dabei den Tod und in

Vorderweidenthal

wurden Häuserzerstört

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Gespräch mit Agnes Fröhlich und Karl Hoffelder wieder, die den chaotischen

Rückzug der Wehrmacht auf dem Lindelbrunn erlebten. Agnes Fröhlich: „Wenn es

Nacht wurde, hat man nichts gesehen als Himmel und Soldaten. Die haben ihre

Waffen abgelegt und wollten in Gefangenschaft.“ Ihr Bruder fährt fort: „Das heutige

Restaurant lag voll mit Verwundeten, in Reih und Glied auf dem Boden. Auch alle

Flure lagen voll und im Obergeschoss die Betten. Es waren mindestens 30.“ Agnes

Fröhlich: „Die Sanitäter waren fort. alles, was noch hat laufen können, ebenfalls.

Wir haben den Verwundeten Suppe gekocht, Milch und Kaffee gebracht. Ein

Sanitäts- LKW, der in der Nähe stand, war voll mit Medikamenten. Wir haben

daraus Schmerztabletten geholt und den Soldaten gegeben. Die Verbände waren

vereitert, die Maden krabbelten heraus. Die Toten haben wir ins Freie gelegt.“ Das

Gelände um das Forsthaus wurde zum Fahrzeug-Abstellplatz einer geschlagenen

Armee. Agnes Fröhlich: „Die Waldwege waren verstopft mit Fuhrwerken,

Feldküchen und Geschützen.“ Ihr Bruder fügt hinzu: „Gegenüber dem Forsthaus

standen sechs Halbkettenfahrzeuge mit angehängten 15-Zentimeter-Geschützen.

Die Besatzungen haben sie abgestellt und sind geflüchtet. Auf den Feldern verstreut

lagen die Briefe eines Postwagens. Und überall Leichen. Du hast dich nicht

erschrocken. Die hast du ohne Zögern umgedreht.“ Schließlich besetzte ein etwa 200

Mann starker Trupp Amerikaner Lindelbrunn. Wie werden Jugendliche mit solch

traumatischen Erlebnissen fertigt? Agnes Fröhlich überlegt, dann sagt sie: „Ich habe

einfach geholfen, der Schock kam danach.“ Am 23. März 1945 zogen die

Amerikaner in Vorderweidenthal und Oberschlettenbach ein. Damit war der Zweite

Weltkrieg für unsere Dörfer vorüber. Die Bewohner von Vorderweidenthal durften

am 26. März in ihr Dorf zurückkehren. Am schlimmsten von den beiden Dörfern

hatten die Zerstörungen Vorderweidenthal getroffen, wo fast 70% der Gebäude

zerstört oder beschädigt waren. In Oberschlettenbach waren nur wenige Gebäude

beschädigt, die meisten Geschosse gingen über das Dorf hinweg in den Heßler-Berg,

der an verschiedenen Stellen brannte. Die Menschen hatten in den Kellern der

Häuser Schutz gesucht. Fünf tote Soldaten hat man am Ende des Krieges in und um

Oberschlettenbach gefunden, sie wurden zunächst in einem Granatloch beerdigt,

später dann auf den Friedhof umgebettet. An den Straßen und Wegen, in den

Wäldern und Wiesen lagen zerstörte Wagen und Geschütze, ausgebrannte Panzer,

Kadaver von Pferden und Rindern, zerstörtes Kriegsgerät aller Art. Noch nach

Wochen wurden im Wald an der Straße nach Silz hinter dem Sportplatz zwei tote

Soldaten gefunden.

Mit dem Ende der Kampfhandlungen begann die Besatzungszeit. Die Amerikaner

blieben nur kurze Zeit in der Pfalz, schon im April überließen sie den Landkreis

Bergzabern den Franzosen. Die ganze Pfalz übernahmen diese am 10. Juli 1945. Viel

schwerer als die materielle Not wog der Verlust der Angehörigen. Der Mann, der

Vater, der Bruder kam nicht mehr zurück, war gefallen oder vermisst. An dieser

Stelle seien die Gefallenen und Vermissten unserer beiden Gemeinden besonders

erwähnt. Aus Vorderweidenthal kamen ums Leben: Heinrich Becker, Adolf Berger,

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Max Hoff, Waldemar Hoffmann, Adam Eickert, Gustav Burghard, Oskar

Hornberger, Ludwig Kost, Edwin Stoffel, Edmund Berger, Viktor Klose. Karl Hoff,

Melitta Herder, Willi Stöbener, Helmut Schuhmacher, Christian Kolb, Hermann

Kolb, Heinrich Fitting, Erna Knorr, Hermann Wagner, Otto Berger, Robert Zeller,

Herbert Stöbener, Herrmann Feldner, Jakob Feldner, Konrad Feldner, Heinrich

Hoff, August Feldner, Hubertus Hoffelder, Walter Hoffelder, Erich Siegel, Heinrich

Jung, Rudolf Funk, Edmund Hoff, Roman Buchner, Karl Berger, Heinrich Berger,

Willi Schuhmacher, Willi Hoff, Edwin Hoff, Konrad Bernhardy, Karl Bernhardy,

Adolf Funk, Willi Hertle, Robert Bischoff, Rudolf Hoff, Gustav Schwarz, Karl Funk.

Aus Oberschlettenbach kamen ums Leben: Edmund Gerhardstein, Otto

Gerhardstein, Alfred Christmann, Robert Berger, Josef Bosch, Julius Bredefeld,

Heinz Funk, Heinrich Höchst, Ernst Jung, Karl Jung, Arthur Kurkewitz, Karl Heft,

Albert Stoffel, Helmut Stoffel, Irene Stoffel, Oskar Veiock, Edwin Wagner, Karl

Weber, Eugen Weber, Hermann Weber.

Am 10. Juni 1945 wurde in Vorderweidenthal noch einmal Jakob Schmitt zum

Bürgermeister eingesetzt. Erster Beigeordneter wurde Jakob Helfer, zweiter

Beigeordneter Adam Becker. Die Bildung von Gemeinderäten war verboten. Am 10.

Dezember 1945 bestellte der Bürgermeister zusammen mit den beiden

Beigeordneten Karl Silbernagel, Jakob Hornberger, Christian Metz und Adam

Wagner zu Mitgliedern eines Bürgerkomitees. Das Bürgerkomitee war dem

Bürgermeister zugeordnet. Es hatte die gemeindlichen Belange wahren zu helfen

und auftretende Fragen (Wohnungsfragen, Beschäftigungs- und Ernährungsfragen,

Winterbrand) einer Lösung zuzuführen. Es konnte den Mitgliedern des

Bürgerkomitees gewisse Aufgaben der Öffentlichen Verwaltung übertragen werden.

Vor allem ging es um den Wiederaufbau der zerstörten Häuser, Ställe und Schuppen.

Am 28. März 1946 schreibt der „Commissaire de la Sûrete“ (Sicherheitspolizei):

„Vous êtes autorisé de tenir une reunion du SPD, le 31. Mars 1946 à 13h30, dans

votre commune.“ Es wird erlaubt, am 31. März 1946 eine Versammlung der SPD in

der Gemeinde abzuhalten. Es kommt zur Wiedergründung der im Nazireich

verbotenen SPD in Vorderweidenthal. 26 Mitglieder finden sich in der SPD

zusammen. Als Ausschussmitglieder werden gewählt: Heinrich Becker (Vorstand).

Adam Stöbener (Schriftführer), Wilhelm Schuhmacher (Ausschussmitglied), Georg

Rihm (Ausschussmitglied) und Karl Burkhard (Kassenführer).

Bei der Gemeinderatswahl am 15. September 1946 kandidieren eine Liste

unabhängiger Bewerber und die SPD. Die Unabhängigen bekommen 171 Stimmen

und die SPD 106 Stimmen. Gewählt sind für die Liste der unabhängigen Bewerber

Adam Wagner, Adam Becker, Karl Silbernagel, Karl Christmann, Jakob

Hornberger, Oskar Funck, Siegfried Scherer und Jakob Hoff. Die SPD zieht mit

Adam Hertle, Karl Müller, Adam Stöbener und Karl Burkhard in den Rat ein.

Bürgermeister wird Adam Wagner, Beigeordneter Jakob Hornberger. Am 14.

Februar 1947 findet sich ein Wiederaufbaurat zusammen, um den Wiederaufbau des

zu 70% zerstörten Dorfes in die Wege zu leiten. Ihm gehören an Adam Wagner

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(Bürgermeister), Ernst Hoffund Jakob Helfer (Vertreter der baulich

Schwergeschädigten), Adolf Becker (Bauunternehmer) und Valentin Schuster

(Vertreter der Bauarbeiter). Und am 15. Mai 1947 lädt die SPD Vorderweidenthal

zu einer Öffentlichen politischen Versammlung mit Willibald Gänger aus

Bergzabern ein. Thema: „Warum kämpfen wir für den Aufbau?“

Wie können wir die Frage heute beantworten?

Vorderweidenthal 1945/46. Die Trümmer werden beiseite geräumt, langsam

beginnt der Wiederaufbau.

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Geschichte der Protestantischen Kirchengemeinde Vorderweidenthal

Friedhelm Hans

„Vorderweidenthal vertritt heute noch die Gemeinschaft der vier

Lindelbrunndörfer.“ 1 Burg Lindelbrunn gab der über Jahrhunderte unter den

Leininger Grafen stehenden Herrschaft ihren Namen. Die Ortschaft unterhalb der

Burg war und ist der kirchliche Verwaltungssitz, heute das Protestantische Pfarramt

Vorderweidenthal. Pfarrer Karl Jockers erinnert in seiner eingangs zitierten

Jubiläumsschrift daran, dass noch Bärenbrunn, der heutige Bärenbrunnerhof, samt

sieben Höfen als fünftes Dorf neben Darstein, Dimbach und Oberschlettenbach zur

Herrschaft Lindelbrunn gehört hat. Im Dreißigjährigen Krieg ging dieser Ort samt

einer mittelalterlichen Kapelle unter. Erst seit 1957 gehören die Protestanten vom

Bärenbrunnerhof samt Schindhard und Busenberg zur protestantischen

Kirchengemeinde Dann.2

a. Nachrichten zur Kirche und Nikolauskapelle der Burg Lindelbrunn

aus dem Mittelalter

Die Kirche: Wenn auch die Zahl der überkommenen Zeugnisse gering ist und sich

die alte Bausubstanz auf Teile des Kirchtunns beschränkt, lässt sich für das

ausgehende Mittelalter dennoch ein übersichtliches Bild vom Kirchenwesen des

Ortes entwerfen. Nach der kirchlichen Einteilung gehörte die Herrschaft

Lindelbrunn innerhalb des Bistums Speyer zum Landdekanat Herxheim. Das Gebiet

war zuerst ein Teil der Pfarrei Gossersweiler. In Vorderweidenthal stand jedoch eine

Kapelle, also ein Gotteshaus, das dem auswärtigen Pfarrer unterstellt war. Schon vor

1454 erhielt Vorderweidenthal aber einen eigenen Pfarrer. Die bisherige Kapelle

wurde zur eigenen Pfarrkirche erhoben, zuständig für Vorderweidenthal, Darstein,

Oberschlettenbach und Lindelbrunn. Das „kirspel“ (Kirchspiel) zu

Vorderweidenthal hatte sich demnach zwischen den Jahren 1346 und 1454

herausgebildet. In Vorderweidenthal wohnte nunmehr ein Pleban, wie der

Gemeindepfarrer oder Weltpriester im Unterschied zum Klostergeistlichen hieß.3

Der mittelalterliche Kirchenpatron (Heilige), dem die Kirche geweiht und nach ihm

benannt war, ist nicht überliefert. Aus dem Mittelalter ist von der Kirche ein

gotischer Chor im Untergeschoß des Turmes erhalten, der 1489 eine Änderung

erfahren hat. An der Nordseite des Chors befindet sich eine mit einem

schmiedeeisernen Gitter verschließbare Nische. Hier, an der Evangelienseite des

Altars, wurde nach mittelalterlichem Gebrauch das Altarsakrament aufbewahrt. Im

Unterschied zu den freistehenden Sakramentshäuschen der Gotik (Bad Doberan,

Ulm, Lübeck) sollten wir zutreffender von einer Sakramentsnische sprechen. Sie

stammt aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts.4

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Sakramentsnische

Die Geschichte der kirchlichen Rechte (Güterverwaltung, Besetzungsrecht) verweist

über Gossersweiler weiter zurück auf das Kloster Klingenmünster. Etwa 1485

gelangten sie mit anderen Gefällen und Rechten in Vorderweidenthal,

Oberschlettenbach, Darstein und Bärenbronn an den bekannten Ritter Hans von

Dratt5 und nach dem Tode seines Sohnes Christoph in den Jahren 1554 und 1569 an

dessen Erben, die Herren von Fleckenstein. Als Lehen und sind jedenfalls 1613 im

Besitz des Wolf Philipp von Fleckenstein.6 1613 ist der gesamte Zehnt in

Vorderweidenthal, (Ober-) Schlettenbach, Darstein und Lindelbronn, der

ursprünglich mit Klingenmünster und zeitweilig mit Gossersweiler verbunden war,

im Besitz des Wolf Philipp von Flekkenstein.7

Kapelle Lindelbrunn: Eine „capellen uf der burge zu Lindelbollen“ist für das Jahr

1402 bezeugt.8 Die bereits 1737 als gänzlich verfallen9 überlieferte Kaplanei war

ursprünglich von den Gemeinsherren der Burg, dem Grafen Emich I. von Leiningen

und den Grafen Friedrich u. Hamann von Zweibrücken-Bitsch gestiftet worden. Eine

ewige Messe und eine Priesterpfründe (Einkommen des Priesters) sollten „zu ihres

und ihrer Voreltern Seelenheil“dienen. Dompropst Gerhard von Katzenelnbogen10

hatte die Kapelle am 3. November 1402 kanonisch bestätigt. Der Inhaber der

Kaplanei hatte vier Wochenmessen zu lesen, sollte Residenz halten und keine

weitere Pfründe annehmen. Ein Kaplaneihaus war zumindest geplant. August

Brauner lokalisierte die Kapelle auf dem Lindelbrunn, wofür die Formulierung

„capellen uf der Burge“spricht. Die Erwähnung eines zugehörigen Weinbergs

verstärkte Karl Jockers in der Ansicht, die Kapelle sei am Nordhang gelegen

gewesen und mit der Darsteiner Kapelle gleichzusetzen. Für seine Annahme sprach,

dass Nikolauskapelle bei Burg Landeck auch unterhalb der Burg liegt.

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Ausgrabungen von 1979/81 wiesen der Kapelle wieder einen Platz auf der Burg zu.

Ihr wird als Besonderheit zugeschrieben, dass sie ein freistehendes Gebäude auf der

Burg gebildet hat.11

Das Verleihungsrecht zur Besetzung der Kaplanei sollte zwischen den beiden

gräflichen Familien wechseln. Als es darüber zwischen Graf Emich VIII. von

Leiningen und seinen Brüdern Friedrich, Siegebot und Hesse einerseits und ihren

Vettern, den Brüdern Simon Wecker und Friedrich von Zweibrücken-Bitsch, zum

Streit kam, wurde dieser von Bischof Ludwig von Helmstadt am 11. Juli 1498 dahin

beigelegt, „daß nach zweimaliger Vergabe durch die Grafen von Zweibrücken das

Präsentationsrecht gemäß Konfirmationsbrief zwischen beiden Streitteilen u. ihren

Erben weiterhin wechseln solle.12

Zum Stiftungsgut der Kapelle gehörte eine Hofstatt zu Lindelbol zwischen dem

Turm und Graf Emichs Stall (daz man der ewigen messen ein priesterlichen seß und

ein huß daruf sol machen), zwei Gärten inwendig der Burg, zwei Mühlen zu

Weidenthal und Lug sowie Gülten zu Waldhambach, Oberschlettenbach,

Völkersweiler u. Gossersweiler.3 Die Zehntverhältnisse waren dieselben wie in

Vorderweidenthal2. Als Kapläne wirkten hier bis 1432 Johann Phuseback,13 1432

Konrad Gengisen, 1498 Caspars Sohn.

b. Reformation

Mit der Kirche in Vorderweidenthal als Pfarrkirche waren alle geistlichen Rechte

und Verpflichtungen für die gesamte Herrschaft Lindelbrunn verbunden. Erst 1767

richtete man im Obergeschoß des Dimbacher Schulhauses einen Betsaal und damit

eine Kirche ein, bis das Schulhaus dort 1904 abgerissen und an gleicher Stelle die

bestehende Kirche gebaut wurde.141346 hatten die Leininger Grafen mit dem Erwerb

der Herrschaft Lindelbrunn die aus dem Kloster Blidenfeld15 hervorgegangene

Kirche samt Friedhof in Vorderweidenthal übernommen.16 Rund 450 Jahre lang

teilte die Kirche der Lindelbrunndörfer mit ihren Bewohnern die Geschichte der

Grafen von Leiningen (-Hardenburg). Die reformatorische Durchdringung der

Gemeinden hat Theodor Kaul bezüglich Leiningen-Hardenburg untersucht. Über

alle Teilungen der gräflichen Linien17 hinweg blieb das evangelisch-lutherische

Bekenntnis das vorherrschende, sowohl in der Einführungsphase der Reformation

und am Ende der Feudalherrschaft bis zum Vordringen der Französischen

Revolution; die Proklamation der Toleranz im 18. Jahrhundert gewährte den

evangelisch-reformierten in den Leininger Gebieten ebenfalls die freie

Religionsausübung.

Graf Emich IX. von Leiningen-Dagsburg starb 1541 als Katholik. Bis 1560 standen

seine unmündigen Söhne Johann Philipp (1538-1562) und Emich X. (1540-1593)

unter Vormundschaft. Nachweislich finden sich schon vor dem offiziellen Übergang

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der Leininger zur Reformation im Jahre 1560 Anhänger der Reformation in den

Ortschaften des zersplitterten Territoriums. Die Einflüsse der größeren Städte und

benachbarten Territorien, für Vorderweidenthal insbesondere Landau und das damit

verbündete Straßburg, sind nicht zu übersehen. Im Leiningischen Kerngebiet der

Mittel- und Unterhaardt ist der Einfluss des Wormser Predigers Jakob Kautz

anzuführen. Kautz predigte 1524 in Worms evangelisch und besaß in seinem

leiningischen Heimatort Großbockenheim viele Anhänger. Als sich Kautz den

Wiedertäufern näherte, musste er mit seiner Familie Worms verlassen und „ins

Elend“gehen. Die Täufer verfügten im Anschluss an die der reformatorische

Bewegung am Oberrhein anfangs über einen beachtlichen Zulauf, der dann

abgenommen und erst wieder nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die Ansiedlung

aus der Schweiz (Mennoniten) Verstärkung erhalten hat. Die meisten Mennoniten

wanderten im 18. und 19. Jahrhundert wieder aus oder sind im 19. Jahrhundert in

der protestantischen Kirche aufgegangen.18

Aus einzelnen Ortschaften der Leininger Grafschaften besitzen wir Nachrichten von

Anhängern der Reformation Martin Luthers. Zwar wurden in der Grafschaft nach

1550 formell noch katholische Pfarrer angestellt, die aber nach 1560 zum Luthertum

übergetreten sind.19 Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 brachte endgültig

die Wende. Die gräfliche Regierung beförderte fortan nur noch lutherische Pfarrer

ins Amt. 1570 ging die Herrschaft aus dem Mitbesitz des Grafen Jakob von

Zweibrücken-Bitsch in den Alleinbesitz der Leininger über.20

Die in den leiningischen Territorien gültige Kirchenordnung schloss sich an die

kurpfälzische von Kurfürst Ottheinrich bzw. der zweibrückischen von Herzog

Wolfgang aus dem Jahre 1557 an. Sie wurde unter Emich XI. dem Jüngeren 1584

erlassen. Auf die Pflicht zum Gottesdienstbesuch wies ferner 1587 ein eigenes

Mandat hin. In Leiningen-Hardenburg 1593 erschien eine eigene Kirchenordnung -

wir dürfen sie als Grundlage für die anderen leiningischen Teilterritorien und damit

auch die Herrschaft Lindelbrunn voraussetzen. 1597 und 1609 wurden auf dieser

Grundlage zwei Visitationsordnungen erarbeitet, deren Protokolle für Leiningen-

Hardenburg erhalten sind. Sie enthalten einen Fragenkatalog nach dem Dienst des

Pfarrers, des Lehrers und der weiteren Amtsträger bis zum Glöckner, berühren den

sittlichen Wandel und den (Schul-) Unterricht, orientieren sich an den Zehn Geboten,

berühren die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kirche und nicht zuletzt das

Glaubenswissen der Gemeindeglieder anhand des Katechismus.21 Durch

Gottesdienst und Unterricht und nicht zuletzt das Visitationswesen ist das

reformatorische Anliegen tief in die Gemeinden eingedrungen.

Johann Philipps Witwe Anna von Mansfeld war eine Anhängerin der Reformation.

Ihr Schwager Emich X. als Vormund für seinen Neffen Emich XI. begann sogleich

1560 mit der Einführung der Reformation und unterzeichnete 1580 die lutherische

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Konkordienformel.22 Bis zur Vereinigung der Lutheraner und Reformierten in der

Pfalz im Jahre 1818 (Pfälzische Kirchenunion) galt in der Herrschaft das lutherische

Bekenntnis, wiewohl das Leininger Grafenhaus im Jahre 1717 die Religionsfreiheit

für alle reichsrechtlich anerkannten Konfessionen ausgerufen hatte. So konnten sich

im Leininger Gebiet Reformierte bleiben oder niederlassen und die zugewanderten

Katholiken nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg und den Reunionen Ludwigs XIV.

bleiben. Die Toleranz war der Nähe der in den Reichsfürstenstand erhobenen

Leininger zur Residenz der kurpfälzischen Wittelsbacher in Mannheim geschuldet,

gewiss nicht nur der erst im Entstehen begriffenen Aufklärung. Die in der Herrschaft

Lindelbrunn ansässigen Reformierten - 1802 hatte Vorderweidenthal 612

Einwohner, davon waren 378 lutherisch und 134 reformiert (4 katholisch und 91

Juden) - waren

Karte der Leininger Gebiete von 1789 aus dem Pfalzatlas Nr. 68.

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den reformierten Pfarreien der Nachbarschaft zugewiesen, d. h. den zweibrückischen

reformierten Kirchen in Annweiler oder Bergzabern oder im kurpfälzischen

Klingenmünster. Faktisch versorgten aber die lutherischen Pfarrer die in der

Grafschaft verstreut lebenden Reformierten bei Amtshandlungen wie Beerdigungen

und dies auf ausdrückliche Veranlassung der leiningischen Beamten, so sehr die

beiden reformatorischen Konfessionen sich voneinander auch abgegrenzt haben.23

Gottesdienst, Unterricht und überhaupt das gesamter Kirchenwesen gründeten sich

in der Leininger Grafschaft auf die Bibel, die in der Übersetzung Martin Luthers im

Gebrauch war. Es galten nach der Konkordienformel die altkirchlichen Bekenntnisse

wie das Apostolikum oder das Nikäno-Konstantinopolitanum sowie das lutherische

Augsburger Bekenntnis von 1530 aus der Feder Philipp Melanchthons. In den

Kirchen genügte der aus dem Mittelalter überkommene Hauptaltar, die Nebenaltäre

verschwanden mit der Zeit bis Spätestens 1609. Die Gesangbücher kamen aus

Württemberg oder im 18. Jahrhundert aus Marburg.24 Die Feiertage wurden auf die

Christus- und wenige Kirchenfeste reduziert.

In den Wirren der Französischen Revolution, als der Ortpfarrer geflohen war und

auf der rechten Rheinseite Schutz gesucht hatte, kamen die Pfarrer von Annweiler

zu den Amtshandlungen nach Vorderweidenthal.25

Die Gottesdienststätten

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestand die Pfarrkirche in Vorderweidenthal als

ausschließliches Eigentum der Protestanten von Vorderweidenthal,

Oberschlettenbach und Darstein.26 Nach Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg

kam es 1695 zum Wiederaufbau. Bald nach 1830 wurde ein Neubau erwogen. Ein

erstes Kollektengesuch des Pfarrverwesers Scholler vom 18.3.1834 wurde beim

Konsistorium in Speyer nur zögerlich aufgenommen.27 Zu diesem Zeitpunkt war die

Nikolauskapelle auf Burg Lindelbrunn längst verschwunden.

Die Kapelle in Bärenbrunn, der Maria geweiht, stand im 18. Jahrhundert offenbar

zerfallen und wurde protestantischerseits nicht mehr benötigt. Doch wird 1745 noch

von Schwanheim aus die Existenz von zwei Nebenaltären berichtet.28 Im Zuge der

Gegenreformation könnte eine Wiederaufnahme der Marienwallfahrt

möglicherweise erwogen worden sein.

Der im Jahre 1767 eingerichtete Betsaal in der Schule zu Dimbach wurde in den

Jahren 1904/05 durch den Bau einer Kirche von Distriktbaumeister Johann

Kullmann aus Annweiler ersetzt. Die Kirche wird als „neoromanische

Rechteckanlage mit Dachreiter“beschrieben.29

Für Darstein wird 1599 eine als verfallen beschriebene Kapelle genannt. Die

Forschung nimmt an, dass sie mit der Nikolauskapelle von Lindelbrunn identisch

ist.30 In Oberschlettenbach stand mitten im Ort eine mittelalterliche Kapelle, die der

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Maria geweiht war. In der Reformationszeit wurde sie lutherisch, zerfiel aber nach

den Dreißigjährigen Krieg. Sie wurde zunächst wieder instandgesetzt und noch 1747

als ehemalige muttergottes capell erwähnt, um dann endgültig zu zerfallen und

schließlich abgerissen zu werden.31

Im Jahre 1898 umfasste die Pfarrei außerdem die Orte Busenberg, Erlenbach,

Lauterschwan und Silz, 32 in denen bis heute keine eigenen protestantischen

Gottesdienststätten bestehen.

d. Nachrichten von Pfarrern bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

Im Bereich der Pfarrei Vorderweidenthal sind für das ausgehende Mittelalter nur die

bereits genannten Geistlichen der Kapelle von Lindelbrunn bekannt. Die Namen der

ersten reformatorischen Prediger sind nicht bekannt. Möglicherweise versahen

lutherische Pfarrer aus Annweiler, Gossersweiler und anderen Orten die Pfarrdienste

in der Herrschaft Lindelbrunn. Erst die Hinwendung der pfalz-zweibrückischen und

kurpfälzischen Pfarreien zur reformierten Konfession im letzten Drittel des 16.

Jahrhunderts erforderte eine ständige Besetzung mit eigenen lutherischen Pfarrern,

wie dies etwa bis zur Rekatholisierung 1603 in Dahn oder Birkenhördt der Fall war.

Die Liste der Pfarrer von Vorderweidenthal ist für das 16. und 17. Jahrhundert

lückenhaft. Sie beginnt auch nicht mit dem ersten lutherischen Pfarrer; die Literatur

nennt zunächst einen weiter nicht bekannten Philippus Würgel, der hier 1583

Pfarrer gewesen sein soll, nach ihm als unsicher notiert ein Christopherus Motz

und Jacob Resch, Roesch oder Rosch.33

Der bisher älteste bezeugte lutherische Pfarrer im Ort ist Johannes Heinsinus.34

Dieser stammte aus Württemberg und war im Jahre 1598 bereits eineinhalb Jahre

lang lutherischer Pfarrer in Vorderweidenthal. Wir kennen ihn aus einer

vergeblichen Bewerbung um St. Johann bei Albersweiler.

Mag. Georg Pflüger stammte aus der Gegend von Ulm. Nach Studium in Straßburg,

und ab dem 20.6.1575 in Tübingen mit Magisterabschluss 1585, kam

möglicherweise nach Vorderweidenthal. Er ist nachgewiesen bis 1603 in Lembach

(Elsaß) und 1603/11 in Dörrenbach († 17.12.161l).35 Ein Hermann Rump ist ein

möglicher Nachfolger.

Ägidius Krafft36 wirkte bis 1601 (1603?) als lutherischer Pfarrer in

Vorderweidenthal und von 1603 bis 1622 Pfarrer in Lembach (Elsaß). Er ist dort im

November 1622 gestorben.

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Johann Konrad Merkius (Merck, Merkheimer)37 war 1580/82 lutherischer

Schulmeister in Wörth (Elsaß ), 1582 bis 1601 Pfarrer in Morsbronn (Elsaß ), 1601

bis 1605 in Vorderweidenthal und von 1605 bis zu seinem Tode am 3.1.1619 in

Thaleischweiler. Ein möglicher Nachfolger war Johannes Lupulus oder

Wölfelin.38

Christoph Ziegler39 stammte aus Heidenheim (Markgrafschaft Ansbach, Bayern).

Er war vom 21.1.1592 bis 1599 lutherischer Kaplan in Hechlingen. Ziegler gab sein

Amt am 22.2.1599 auf, um nach Straßburg zu ziehen. Die damals in Straßburg

herrschende lutherische Orthodoxie, vertreten durch den Theologieprofessor D.

Johannes Pappus (1549-1610), hatte für Lutheraner eine große Attraktivität; das galt

auch für unseren Raum mit der lutherisch geprägten Stadt Landau und den

angrenzenden lutherischen Kleinterritorien. 1614 wurde Ziegler lutherischer Pfarrer

in Vorderweidenthal. Er starb am 18.12.1618 als Pfarrer in St. Johann bei

Albersweiler. Dort war er der Nachfolger eines ebenfalls orthodoxen lutherischen

Pfarrers geworden, der Landauer Matthäus Bader, der den Professor Pappus um die

Vornahme seiner Ordination gebeten hatte.40 Weitere bekannte Namen der

lutherischen Orthodoxie sind Johann Gottfried Dannhauser (1603-1666), der großen

Wert auf die Seelsorge und Pädagogik gelegt hatte, und sein Schüler Philipp Jakob

Spener (1635-1705), der 1675 mit seinem Hauptwerk Pia Desideria eine Grundlage

für die neue geistliche Richtung des Pietismus geschaffen hat. Wir dürfen davon

ausgehen, dass die Straßburger Theologie bis ins 18. Jahrhundert hinein die in

Vorderweidenthal wirkenden Pfarrer beeinflusst hat.

Nachfolger war ein Schlemp41 mit unbekanntem Vornamen, zuvor Pfarrer in

Schweigen (?), um 1611/1621 als lutherischer Pfarrer in Birkenhördt und

Vorderweidenthal Tätig.42

Ulrich Koch43, fungierte bis 1633 als lutherischer Pfarrer in Vorderweidenthal. Von

hier aus wechselte er bis 1638 nach Biedesheim und war in den Jahren ab 1638

Pfarrer Colgenstein, das wie Vorderweidenthal den Grafen von Leinigen-

Heidesheim gehört hat.

Ein Sohn des genannten Pfarrers Schemp, Mag. Georg Schlemp jun., wurde in

Schweigen geboren. Am 12.4.1631 schrieb er sich zum Studium an der Universität

Straßburg ein. 1634 meldete er sich erfolglos nach Kandel und wurde stattdessen

von 1634/37 luth. Pfarrer im Amt Lindelbrunn (Vorderweidenthal). 1637/40

begegnet er als Pfarrer in Haßenhausen bei Marburg und 1640/47 Beuern bei Gießen.

Am Ende des Dreißigjährigen Krieges floh Schlemp nach Landau und wurde

schließlich doch noch von 1647 bis 1675 (†) lutherischer Pfarrer in Kandel.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg war hier 1657 möglicherweise ein Philipp Jacob

Vogler hier Pfarrer (Sitz Birkenhördt?). 44 Die kurpfälzischen Orte Birkenhördt und

dessen Nachbarorte sind in den Reunionen Ludwigs XIV. rekatholisiert worden.45

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Joachim Georg Gerhard(t),46 geboren in Göttingen am 31.3.1636, besuchte ab

Oktober 1656 die Universität Gießen, an der damals (bis 1688) wie in Straßburg die

lutherische Orthodoxie vorherrschend war.47. Wie nicht wenige seiner Vorgänger

studierte er anschließend in Straßburg. In den Jahren 1657/59 begegnet er als Vikar

des Hofpredigers Philipp Böhm48 († 1563) zu Hanau. Seine erste Pfarrstelle fand

Gerhard(t) von 1569 bis 1664 in Vorderweidenthal. Danach war er bis 1670 Pfarrer

in Langensulzbach (Elsaß ), war 1670/71 ohne Amt und schließlich bis zu seinem

Tode jeweils einige Jahre Pfarrer in den Ortschaften der Grafschaft Hanau-

Lichtenberg Sand (Baden), Hangenbieten (Elsaß ) und Gundershofen (Elsaß ). Dort

wurde er am 21.9.1685 begraben. Erstmals finden wir Nachrichten über seine

Ehefrau. In der Zeit in Vorderweidenthal heiratete Gerhard(t) am 4.6.1661 in

Annweiler die Müllerstochter Johannetta Mühlmichel (* Annweiler 13.2.1642),

nach deren Tode in Hangenbieten am 30.11.1683 in zweiter Ehe Catharina Stahl.

Eine Tochter Anna Dorothea (* 1663, begraben Gundershofen 27.2.1727), heiratete

in Gundershofen am 5.2.1686 Wigand Stumpf, Amtsnachfolger ihres Vaters in

Gundershofen.

Der erste Pfarrer des 18. Jahrhunderts hieß Christian Moritz Pörner.49 Der im

elsässischen Roppenheim am 6.10.1673 geborene Pörner war ein Sohn des Pfarrers

Christian P. u. der Jakobea Ulrici. Wiederum war der Studienort dieses Pfarrers

Straßburg (ab 1.5.1694). Vorderweidenthal war von 1699 bis 1702 seine erste

Pfarrstelle, 1703 ging er als Diakon nach Bischweiler. Von 1714 bis 1716 war er

Pfarrer in Dürstel im Krummen Elsaß und wirkte bis zu seinem Lebensende am

8.12.1748 als Hauslehrer in Straßburg. Er war seit 4.11.1699 verheiratet mit Anna

Francisca Matthiot, deren Vater Schulmeister in Mömpelgard (1670-1750). Die

Namen der in Vorderweidenthal geborenen ersten Kinder sind bekannt: Christian

Joachim * 17. l. 1701 und Catharina Dorothea * 26.4.1702. - Zu seinem

akademischen Lehrer D. Johannes Joachim Zentgraf 50 hatte Pörner ein enges

Vertrauensverhältnis.

Ihm folgte Johann Nikolaus Müntz aus Butzbach (Grafschaft Hessen-Darm-

stadt).51 Der Sohn eines Kantors schrieb sich am 17.5.1696 als Student an der

(reformierten) Hohen Schule zu Herborn ein, wechselte aber 1698 nach Gießen, der

damaligen hessen-darmstädtischen Landesuniversität, an der auf Speners

Empfehlung Johann Heinrich May 1688 den Pietismus als beherrschende

theologische Richtung durchgesetzt hatte.52 Nach einigen Jahren in Höchst am Main

wurde Müntz 1703/04 lutherischer Provisor an der Lateinschule in Speyer, kam von

da aus 1704 nach Vorderweidenthal und verblieb hier bis zu seinem Tode 1718. In

der Weißenburger Stadtkirche St. Johann heiratete er am 26.2.1704 Christina

Rosina, Tochter des Johann Jacob Scherer, Ratsmitglied zu Weißenburg. Beiden

wurden fünf Kinder geboren. 1709 wird als Pate „Herr Johann Michael Henrich

Müntz, Musicant in Bergzabern“genannt (möglicherweise ein Neffe).

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Johann Balthasar Lauckhard 53, im hessischen Echzell am 18.6.1676 geboren -

Vater und Großvater waren die Gerichtsschreiber Johann Philipp Lauckhard. Die

Mutter Anna Felicitas war Tochter des Hofschreiners und Bildschnitzers Andreas

Schaurer. Lauckhard wandte sich nach Studium ab 1698 in Marburg und ab 1700 in

Gießen (er nennt u. a. einen seinen akademischen Lehrer Bartholomäus Rüdiger) ab

1710 als Konrektor nach Kin, eine Entlastung für die verwitwete Mutter, deren vier

Söhne gleichzeitig studiert haben. Lauckhard wanderte als Schulmeister und Diakon

über Monsheim nach Neustadt an der Haardt54 und Colgenstein mit Mühlheim an

der Eis. Dort wurde er zum Pfarrer ernannt und von der Gräfin Johanna Magdalena

zu Leinigen-Heidesheim gefördert. Graf Emil Reinhard berief ihn 1718 nach

Vorderweidenthal; dort starb er am 5.9.1735. Es müssen unruhige Zeiten in

Vorderweidenthal gewesen sein, denn Lauckard berichtet von drei Einbrüchen im

Jahre 1728.55 Er notiert zwei Erdbeben in den Jahren 1729 und 1733 und von

Kriegsereignissen im Jahre 1733 (Polnischer Erbfolgekrieg 1733-1738; Frankreich

im Krieg mit dem Deutschen Kaiser Karl VI. und Rußland; die Truppenbewegungen

finden hauptsächlich am Oberrhein statt, was die Bevölkerung nicht wenig belastet

hat). Lauckhards Sammlung angehängt ist ein „Titularbüchlein“mit Ratschlägen zur

ständischen Etikette. Weiter hat er Bemerkungen über seine Dienstorte und dortigen

Pfarrstelleninhaber beigefügt. Weiter berichtet er über Sehenswürdigkeiten im

Pfälzer Raum und über Grundsteinlegungen von Kirchen, darunter Zweibrücken

(Karlskirche, 1708), Pfeddersheim (1710) und Edenkoben (1732); Mitteilungen über

Hinrichtungen, Bauernregeln und seine Dienstmägde samt ihrer Bezahlung: Wir

haben es bei Lauckhard mit einem Chronisten zu tun.

Seine Ehefrau, Tochter des verstorbenen Pfarrers Christoph Friederich Rüdiger aus

Schlitz, Anna Marie, hatte er am 19.8.1710 in Monsheim an der Pfrimm geheiratet.

Sie verheiratete sich am 27.4.1747 als Witwe wieder mit Johannes Eichelmann,

Schulmeister u. Witwer in Vorderweidenthal daselbst. Ihr Sohn Johann Andreas,

geboren 12.1.1714 und am 25.1. getauft durch Pfarrer Schröder in Neustadt56, ging

bei einem Scheider in Annweiler in die Lehre und wanderte in diesem Handwerk

weiter durch Hessen. Zwei Söhne kamen in Dienste der leiningischen Verwaltung,

Sohn Karl Christian Eberhard Lauckhard, geboren am 5.7.1723 in

Vorderweidenthal, wurde 1742 Informator57 auf dem herrschaftlichen Hof

Lindelbrunn.

Lauckards Nachfolger war Ludwig Heinrich Schade58 aus Hamburg. Der Sohn

eines Ingenieurs war von 1735 bis 1777 lutherischer Pfarrer in Vorderweidenthal.

Er wurde in Annweiler am 13.6.1777 im Alter von 82 Jahren begraben. Der

Amtmann von Falkenburg habe Schade, so die Pfarrbeschreibungen von

Vorderweidenthal, viel Verdruss bereitet. Schade unternahm in seiner Zeit eine

Kirchenreparatur.

Johann Wilhelm Leonhardt59 war der letzte einer Reihe von Pfarrern, die aus

hessischen Gegenden stammten. Er wurde am 20.4.1730 in Okarben (Wetterau) als

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Sohn eines Gastwirts geboren, studierte im nun von der Aufklärung beseelten Halle

und bestand am 12.8.1756 sein Examen vor dem lutherischen Kirchenrat in

Heidelberg, Nach seinem Einsatz 1757/62 als lutherischer Pfarrer in Otterberg wurde

Leonhardt 1762/67 bei einer Leininger Seitenlinie in der Residenz Guntersblum

Hofprediger, wechselte 1767/77 nach Assenheim (heute Hochdorf-Assenheim) und

kam schließlich von 1777 bis 1783 nach Vorderweidenthal. Er wurde vorzeitig

pensioniert, da gemütskrank. Leonhardt starb in Annweiler am 16.4.1789.

Johann Georg Reitz60 wurde im leiningischen Kallstadt am 24.11.1754 als Sohn

des Schulmeisters Johann Christoph Reiz und Anna Elisabeth Münch geboren. Nach

der Lateinschule Dürkheim besuchte er für zwei Jahre Gymnasium Idstein (noch

einmal eine Berührung mit Hessen!), studierte wie sein Vorgänger in Halle. Er legte

sein Examen in Dürkheim ab und wurde 1780 in den kirchlichen Dienst

aufgenommen. In Nachfolge seines erkrankten Vorgängers blieb er 1783/84 als

Pfarrer Vorderweidenthal, ehe er vom 15.8.1784 bis 1817 in Weisenheim am Berg

und danach bis zu seinem Tode am 13.10.1825 in Haßloch II amtierte. Reitz war mit

Friederike Katharina Nikol aus Kallstadt verheiratet.

Westseite des alten Pfarrhauses aus der Barockzeit mit zweiläufiger Treppe und

Kellerabgang, Dachgiebel und Krüppelwalmdach

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Johann Philipp Jakob Höpfner61 wurde als Sohn des Pfarrers Johann Georg

Höpfner am l .6.1759 in Battenberg geboren. Wie sein Vorgänger besuchte er ab

1774 die Lateinschule in Dürkheim und studierte 1780/82 in Halle. In seiner Zeit

wurde das Pfarrhaus von den Leininger Fürsten erbaut. Ein Vorgängerbau stand im

Garten und war im gleichen Jahr wie das neue 1788 abgebrochen worden. Erst

Granatwerferbeschuss beschädigte es im Zweiten Weltkrieg. Das heutige Pfarrhaus

wurde bis 1949 wieder aufgebaut und 1952 repariert.62 - Höpfner, 1784 in den

Kirchendienst übernommen, wurde am 14. September 1782 Pfarrer in

Vorderweidenthal. Als die französischen Revolutionstruppen das linke Rheinufer

besetzten, floh er über den Rhein nach Mannheim. 1795 bis 1822 war er Pfarrer in

Herschberg, ab 1722 bis zu seinem Tode am 12.5.1838 in Nünschweiler. Verheiratet

war Höpfner seit dem 10.9.1792 mit Marie Theresia Stoffel (*1.3.1772, aus

Oberschlettenbach, † Nünschweiler 18.10.1858, Tochter des Johann Adam Stoffel,

Förster u. Oberschultheiß zu Oberschlettenbach; ihr Grabstein in Nünschweiler. Die

Tochter Karoline Kath. H. († Annweiler 18.11.1827) hatte den Papierfabrikanten

Jakob Lorch in Sarnstall geheiratet.

Der Pfarrerssohn Karl Christian Theodor Simon,’63 geboren in Altleiningen am

18.6.1777, kam um 1800 als Sekretär der kantonalen Verwaltung nach Annweiler

und hat sich mit einer Anna Maria Pfanner aus Vorderweidenthal verheiratet. Das

Beispiel widerspiegelt einen nicht seltenen Vorgang, dass sich Angehörige des

vorrevolutionären herrschaftlichen Beamtenmilieus aus Not oder mangels einer

Alternative in den neuen französischen Verwaltungsapparat eingetreten sind. Ein

bekanntes Beispiel ist der Pfarrer Philipp Jacob Roemmich (1766-1813)64, der in

Lauterecken seine Karriere als „fonctionair“in der kantonalen Verwaltung beendet

hat. Bei der erforderlichen Öffnung für die französische Gesetzgebung - zu

verweisen ist auf den Code Civile (Bürgerliches Gesetzbuch) und die Organischen

Artikel Napoleons von 1802, die das Staat-Kirche-Verhältnis betrafen - ist eine

gewisse Kontinuität in der Amtsführung der örtlichen Verwaltung vermuten.

Abkürzungen:

Biundo Georg Biundo, Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der

Reformation, Neustadt an der Aisch 1968

BPfKG Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde

MEKR Monatshefte für Evangelischen Kirchengeschichte des Rheinlandes

NPB Neues Pfälzer Pfarrerbuch (NPB): VVPfKG 14 (1989)

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TRE Theologische Realenzyklopädie

VVPfKG Veröffentlichungen des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte

ZASP Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Speyer

________

1. Karl Jockers, 700 Jahre Herrschaft Lindelbrunn, o. 0., o. J. [1974], 7.

2. Jockers (wie Anni. l).

3. Die mittelalterlichen kirchlichen Quellen hat zuletzt auf den Forschungsstand gebracht:

Renate Engels, Palatia Sacra I Bd. 3, Der Landdekanat Herxheim. Quellen und

Abhandlungen der mittelrheinischen Kirchengeschichte Bd. 61.3, Mainz 1988. Nachweis für

die Angaben in diesem Abschnitt bei Engels, 265 f: „Mannlehenrevers des Gf Emich. V. von

Leiningen für Abt u. Konvent des Kl. Klingenmünster über Gosperswiler u. Wydental u. was

in dieselben kirspel gehört, ausgenommen des Kl. zu Münster Schultheißenämter, Zehnten u.

Hauptrechte in den gen. kirspeln, v. J. 1346, Transsumpt des geistl. Ger. zu Sp. v. 23. Mai

1454 (LeinA Amorbach). ... Spätestens bei Ausfertigung des Transsumpts 1454 muss V.

jedenfalls KSpiel gewesen sein.“

4. Abgebildet bei Armin Eckardt. Die Kunstdenkmäler der Pfalz. Bd. IV Bezirksamt Bergzabern,

München 1935 Nachdr. München-Berlin 1976, 457.

5. Neuere Literatur zu Hans von Trotha: Otto Böcher, Hans von Trotha an Papst Alexander VI.,

BPfKG 50 (1983), 178-187:, Kurt Andermann. Hans von Dratt (Trotha) (um 1445/50-1503):

Hartmut Harthausen (Hg.), Pfälzer Lebensbilder 4 (Veröffentlichungen der Pfälzischen

Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 80), Speyer 1987, 61-83. Hans von Trotha

ruht in der Annakapelle bei Niederschlettenbach. 1967 hat der Familienverband von Trotha

zum Gedenken an Ritter Hans eine Tafel anbringen lassen. Nach dem Tod von Christoph im

Jahre 1545 ging der Besitz des Berwartsteins auf Christophs Schwiegersohn Friedrich von

Fleckenstein über.

6. Inventar des Wolf Philipp von Fleckenstein 1613, Abschr. in LA SP Nr. 23 Bl. 25: Der pfarr

zu Niederweydenthal gehört junckher Wolff Philipps von Fleckensteyn zu verleyhen (aus fol.

103 des Orig.).

7. Inventar 1613. wie Anm. 9 Bl. 85: Die zehenden zu Niederweydenthal Oberschlettenbach u.

Darstein gehört junckher Wolff Phlippßen von Fleckensteyn allein zu: Zehnt zu

Oberschlettenbach u. Darstein dgl. (Bl. 29). Zehnt zu Lindelbronn dgl. (Bl. 29’).

8. In einer Urkunde, vom 21. Juni 1381 HStA M Rhpf. Uu Nr. 1323) ist ein Wingert erwähnt,

den man nynet den Lindelboller und gelegen ist by sante Nyclaus cappel, doch ist damit wohl

ein zu Burg Lindelbol gehöriger Weinberg an der Nikolauskapelle in Klingenmünster

gemeint, vgl. A. Decker: Pfalz. Heimat l, 1950, 24.

9. PfAkten Gossersweiler in LA SP D 2 Nr. 364a, bes. 364a II Bl. llff (l731); das

Kapellenvermögen wurde noch im 18. Jh. je zur Hälfte von leiningischen u. kurpf. Pflegern

verwaltet (ebda mit Uu zur Verwaltung des Kapellenvermögens 1582 v 1697/1699).

10. Gerhard von Katzenelnbogen war vermutlich ein nachgeborener Sohn aus dem

gleichnamigen Grafenhaus, der im kirchlichen Dienst Verwendung fand. Die Grafschaft

Katzenelnbogen war eine reichsunmittelbare Grafschaft zwischen 1095 und 1479 am

Mittelrhein. Seit 1479 trugen die Landgrafen von Hessen diesen Grafentitel. Der Titel „Graf

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zu Katzenelnbogen „ist heute noch Bestandteil des Familiennamens im Haus Hessen. Weitere

Träger des Titels sind der Großherzog von Luxemburg und der König der Niederlande.

Stammsitz war die gleichnamige. Burg in der heutigen Stadt Katzeneinbogen: Karl E.

Demandt: Geschichte des Landes Hessen, Kassel u. a. 21972. 207-216.

11. Jürgen Keddigkeit (Hg.), Ulrich Burkhart. Rolf Übel: Pfälzisches Burgenlexikon. Band 3: I-

N. Kaiserslautern 2005, 430-448, bes. 440. 442 (Alexander Thon u.a.).

12. Sämtliche Hinweise dieses Abschnitts bei Engels (wie Anm. 3), 199: s. auch August Brauner,

Burg Lindelbrunn. Bad Bergzabern 1975. 5-8.

13. Investitur des dompröpstl. Offizials (gerichtet an den Landdechanten in Rohrbach) für den

Wormser Konrad Girgisen auf die vicaria perpetua s. Nicolai in Lindelbolle, deren Kollator

Gf Emich von Leiningen ist u. auf Johann Phuseback freiw. verzichtet hat (Orig. Perg. vom

14. Juni 1432 im LeinA Amborbach); z. n. Engels (wie Anm. 3), 199.

14. Jockers (wie Anm. l), 14.

15. Gemeint ist das benediktinische Reichskloster Klingenmünster, entstanden im frühen 7.

Jahrhundert. Nach innerem Zerfall, als nur noch vier Mönche vorhanden waren. 1490 in ein

weltliches Chorherrenstift umgewandelt. Thorsten Unger, Klingenmünster und die Kurpfalz

im 15. und 16. Jahrhundert: Stiftung zur Förderung der Pfälzischen Geschichtsforschung,

Reihe B. Abhandlungen zur Geschichte der Pfalz, 10 (2009), 487-494.

16. Jockers (wie Anm. l), 25.

17. Literatur zum Haus Leiningen und ihre Herrschaft: Eva Kell. Das Fürstentum Leiningen.

Beiträge zur Pfälzischen Geschichte Bd. 5. Kaiserslautern 1993, 20: Theodor Kaul, Die

Einführung der Reformation in der Grafschaft Leiningen-Hartenburg und die Entwicklung

der religiösen Verhältnisse bis zum Dreißigjährigen Kriege (VVPfKG 3), 1942: zur

Genealogie u.a.: Ingo Toussaint, Die Grafschaften Leiningen im Mittelalter (1237-1467). Die

Grafschaften Leiningen in der Neuzeit: Pfalzatlas II H. 27 (1977), 1056-1080 – Karten 114

c-d. Thomas Gehrlein: Das Haus Leiningen. 900 Jahre Gesamtgeschichte mit Stammfolgen.

Werl 2011. - Die Auffassung in der Pfarrbeschreibung von 1843, dass die Linie Leiningen-

Heidesheim bei der Teilung der Linie Leiningen Dagsburg-Hardenburg 1658 die Herrschaft

Lindelbrunn erhalten habe: ZASP Abt. 44 Nr. 11. Pfarrbeschreibung 1843, ist bei der

verzweigten Geschichte des Hauses Leiningen zu erläutern: 1560 erfolgte eine Teilung in die

Linien Leiningen-Dagsburg-Hardenburg und Leiningen-Dagsburg-Falkenburg (bis 1658).

Die Linie Leiningen-Dagsburg-Hardenburg geriet unter die Hoheit Frankreichs und verlegte

ihren Sitz 1725 nach Dürkheim. Ihre Nachkommen erlangten 1779 den Reichsfürstenstand.

Diese fürstliche Linie zu Leiningen ist die letzte bis heute existierende Linie des Gesamthauses

Leiningen. - Die gräfliche Linie Leiningen-Dagsburg-Falkenburg spaltete sich 1658 in die

Linien Leiningen-Dagsburg († 1706), Leiningen-Heidesheim († 1766) und Leiningen-

Guntersblum (bis 1774), dann als Leiningen-Dagsburg-Hardenburg wieder vereinigt, auf

Klagen beim Reichshofrat 1782. 1783 und 1784 kam es am 17. Januar 1787 zwischen

Nachkommen des Grafen Johann Ludwig von Leiningen-Falkenburg und den Fürsten von

Leiningen-Dagsburg-Hardenburg zu einem Vergleich, durch den diese Souveräne der beiden

Leiningen-Falkenburgischen Ämter Guntersblum und Heidesheim mit den dort befindlichen

Schlössern der ausgestorbenen Linie wurden. Den Rest des Leiningen-Falkenburgischen

Besitzes verblieb bei den Fürsten zu Leiningen-Dagsburg-Hardenburg, so die Herrschaft

Lindelbrunn.

18. Übersicht zuletzt Friedhelm Hans, Kirchengeschichte Erpolzheim, dort weitere Literatur,

Täufermandat v. 18. März 1609 als „Nebeninstruction, die Wiedertäuffer betreffendt“:

Thomas Bergholz (Bearbeitet), Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts.

Page 110: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Bd. 19: Rheinland-Pfalz II, l. Teilband, Tübingen 2008, 299 ff.; Heidemarie Wünsch. Agnes

von Mansfeld: MEKR 47/48 (1998/1999), 247-258: Kaul (wie Anm. 17), 12-17.

19. Kaul (wie Anm. 17). 11.

20. ZASP 851. Jahresbericht v. 1954.

21. Bergholz (wie Anm. 18), 284-319.

22. Bergholz (wie Anm. 18), 217: Wünsch (wie Anm. 18).

23. Kaul (wie Anm. 17). 23-27.

24. Kaul (wie Anm. 17), 47-50.

25. ZASP Abt. 44 Nr. 11. Pfarrbeschreibung von 1843, 11.

26. ZASP Abt. 44 Nr. 11, Pfarrbeschreibung von 1843, 15.

27. Balkeninschrift, vgl. Karl Jockers, 100 Jahre neue protestantische Kirche in

Vorderweidenthal, Bergzabern 1966. 8; ZASP.Abt. 44 Nr. 9.

28. Engels (wie Anm. 3), l3f.

29. Eckardt, Kunstdenkmäler (wie Anm. 4), 161.

30. Engels 42 (wie Anm. 3), so auch Jockers.

31. Eckardt, Kunstdenkmäler (wie Anm. 4), 316: Engels (wie Anm. 3), 218.

32. ZASP Abt. 44 Nr. 11, Pfarrbeschreibung von 1843, Nachtrag.

33. Alfred Hans Kuby, Pfarrerlisten der Leiningen-hardenburgischen Pfarreien in der

Rheinpfalz: BPfKG 65 (1998), 117-134. hier 128, ohne weitere Quellenangabe.

34. Biundo l994b, identisch mit 199 a, BPfKG 49; Karl Hamm. Die kirchlichen Verhältnisse im

löwensteinischen Amte Scharfeneck - Kanskirchen, Albersweiler-Nordhälfte. Dernbach und

Ramberg - von der Reformation bis 1803: BPfKG 34 (1967), 231-255: Friedhelm Hans,

Protestanten in Ramberg - eine lange. Geschichte: Ortsgeschichte Ramberg (Arbeitstitel),

2013.

35. Kuby (wie obige Anm.) u. Biundo 4026, BPfKG 55.

36. Biundo 2861.

37. Biundo 3436.

38. Kuby (wie Anm. 33); Lupulus, Kuby hat ihm die Nr. nach Biundo gegeben: 3247a, Wölfelin

Biundo (nach Kuby) 6014a, möglichemeise identisch mit Hopff (Biundo 2311).

39. Biundo 6086: Hamm, Kirchliche Verhältnisse, 237.

40. Friedhelm Hans, Protestanten im Ramberg (wie Anm. 34); zu Pappus: Bernard Vogler, Art.

Straßburg: TRE 32 (2001), 233-241, hier 236f. Kuby (wie Anm. 33), i 28, nennt einen Brocht

oder Brucht, Philipp Jakob, als Nachfolger Zieglers.

41. Biundo 4718.

42. Friedhelm Hans, Protestanten in Böllendorf-Reisdorf: Egon Bade. Böllenborn-Reisdorf

1345-1995, Landau-Wollmesheim 1995, 313-316.

43. Biundo 2775.

44. Kuby (wie vorige Anm.), 129.

45. Friedhelm Hans, Böllenborn-Reisdorf (wie Anm. 42), 314.

46. Biundo 1540, BPfKG 48 (1981).

47. Hans Georg Gundel, Art. Gießen, Universität: TRE 13 (1984), 261-266, hier 262.

48. Wilhelm Bach, Kurzgefasste Geschichte der kurhessischen Kirchenverfassung. Marburg

1832.

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110

49. Biundo 4088a, BPfKG 55 (1988), s. BPfKG 1977. 99.

50. Johann Joachim Zentgraf war ein Vertreter der lutherischen Orthodoxie, s. Paul Tschackert,

Art. Zentgraf, Johann Joachim: Allgemeine Deutsche Biographie 45 (1900), 66f. Zentgraf

studierte in Wittenberg 1667 bei Abraham Calov. 1676 erfolgte die Promotion in Straßburg,

1695 wurde er zum Professor der Theologie berufen, 1702 Präsident des lutherischen

Kirchenkonvents und Dekan des Kollegiatstiftes St. Thomas. Im Blick auf die

Naturrechtslehre halte er eine literarische Auseinandersetzung mit Samuel von Pufendorf, †

1707 in Straßburg.

51. Biundo 3687, BPfKG 53 (1986) Johann Nikolaus Müntz.

52. Gundel (wie Anm. 47), 262.

53. Johann Balthasar Lauckhard: Biundo 3043, BPfKG 52 (1985); L. verfasste eine

Familienchronik: Wilhelm Diehl. Familienchronik des Vorderweidenthaler Pfarrers Johann

Balthasar Lauckhard: Hessische Chronik 22 (l 935), 65-83. Ein Bruder der Frau war Michael

Christian Rüdiger. 1691-1726 Pfarrer in Colgenstein und Mühlheim an der Eis (Biundo 4508

„Rüdinger“), Eheschließung am 19.8.1710 durch jüngsten Bruder der Frau. Gangolf

Rüdinger.

54. Der gräfliche Rath Joh. Joachim Pfeil in Grünstadt hat ihm das Leben in Monsheim schwer

gemacht; vermutlich Sein Bruder war Quirin Heinrich von Pfeil, 1680-1722, dieser Vater des

Liederdichters herrnhutischer Frömmigkeit Christoph Ludwig Freiherr von Pfeil.

Staatsmann, später u.a. in württembergischen und preußischen Diensten, geb. 20. Jan. 1712

zu Grünstadt, gest. 14. Febr. 1784 auf Gut Deusstetten im Ansbachschen.

55. Diehl (wie vorige Anm.), 67. Angaben über Lauckhard Person bei Diehl samt Nachkommen

76-83.

56. Johann Christoph Schröder, 1693/96 luth. Pfarrer Kleinfischlingen. 1696-1728/32 Neustadt

an der Haardt; ∞ Queichheim 12.2.1698 Marie Sibylle Sonderhausen, Witwe des Anton S.;

Biundo 4927.

57. Pfarrbeschreibung ZASP 44, Vorderweidenthal, 11: „Hauslehrer“.

58. Biundo 4603. Der bei Biundo aufgeführte Johann Balthasar Nagel. Biundo 3768a. BPfKG 54

(1987), 1728 luth. Diaconus u. Praeceptor der Schule zu Vorderweidenthal, ist eher nicht in

den Pfarrerlisten zu führen.

59. Biundo 3099, BPfKG 52 (1985).

60. Biundo 4257.

61. Biundo 2230. BPfKG 49 (1982). Sohn von Biundo 2229. Tochter Ottilie Theresia ∞ Pfarrer

Friedrich Julius Matthias (1805-1890), Pfarrer in Elmstein, Nünschweiler und

Oberotterbach. Der Enkel August Wilhelm Hermann Matthias war 1857 Verweser in

Albersweiler, Vikar in Siebeldingen und Zweibrücken, 1859 Pfarrer in Siebeldingen, †

15.1.1885.

62. Pfarrbeschreibung ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal). Nr. 26; ZASP 850 Pfarrbeschreibung

1904, ZASP 851 Pfarrbeschreibung 1954.

63. Sohn des Pfarrers Johann Daniel Simon, Biundo 5104. Vater * Niederwiesen ...l 745, Sohn

von Biundo 5101, 1765/91 luth. Pfarrer Altleiningen, 1791/98 (†) Ebertsheim. ∞ II.

A1tleiningen 1772 Karoline Christine Kolb aus Zweibrücken. Bruder des Karl Christian

Simon: Johann Daniel S., aus Altleiningen, am 2.9.1779 luth. Colloquium Heidelberg zur

Aufnahme in den kurpfälzischen Kirchendienst.

64. Karl Baumgart, Philipp Jacob Roemmich (l 766-1813): VVPfKG 21 (1999).

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e. Das Kirchenbuch der lutherischen Pfarrei Vorderweidenthal

von 1684 bis 1815

Anton Müller hat schon 1925 in seinem beschreibenden Verzeichnis der

Kirchenbücher der bayerischen Pfalz darauf aufmerksam gemacht, dass das älteste

Kirchenbuch von Vorderweidenthal unter anderem Kasualeinträge von Katholiken

enthält. Alfred Hans Kuby hat sich die Mühe gemacht, die Ehepaare aus dem

Taufregister und die Sterbeeinträge von Katholiken aus diesem Kirchenbuch zu

ermitteln (Alfred Hans Kuby, Das lutherische Kirchenbuch von Vorderweidenthal

als Tauf- und Sterberegister der Katholiken: Pfälzische Familien- u. Wappenkunde

19, 1970).

Das Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz (Abt. Kirchenbücher) verwahrt das

Kirchenbuch heute. Allerdings handelt es sich bei diesem Register bis zum Jahre

1737 um eine Abschrift. Sie umfasst Vorgänge, die folgende Ortschaften betreffen

(in der dortigen Schreibweise): Bährenbrunnerhof, Bährenbrunner Mühle, Bethof;

Darstein, Dimbach, Hirschberg, Lauterschwan, Lindelbrunner Hof, Nothweiler,

Sägermühle, ferner Oberschlettenbach und natürlich Vorderweidenthal.

Der älteste Eintrag datiert vom 14. März 1684, die Taufe einer Anna Ursula, Tochter

von Johann Valentin, Dreher, und seiner Frau Anna Ursula; Gevattern (Paten) waren

Johann Jacob Stoffel, Anna Catharina Bohin und Anna Maria Burkhard. Am

22.7.1689 tritt als Pate ein Johann Jacob Bullinger von Busenberg auf.

Die Familiennamen, die in den genannten Ortschaften heute noch vorhanden sind,

weisen auf die Anwesenheit von Familien mit alter pfälzischer bzw. schweizerischer

Herkunft hin, wobei der Name Bullinger einem bis heute überwiegend katholischen

Familienverband zuzuweisen ist.

In der raschen Durchsicht konnten nur wenige bemerkenswerte Beispiele gefunden

werden. Ich wähle die Taufe eines Kindes von Augustus Christian Bohrer und Anna

Catarina. Gevatter war der Ortspfarrer Ludwig Heinrich Schade aus

Vorderweidenthal, dessen Vater Ingenieur der Hanse-Stadt Hamburg gewesen ist.

Das Kind hieß Louisa Catarina Margareta, geboren am 10. April 1752. getauft am

13. April 1752. Der auswärtige Täufer hieß Bolchert (?) Augustus Christian, dazu

der Vermerk aus der Feder Schades: Est Studiosus et Candidatus Theologiae, cujus

Pater est Parochus in Preusdorf, Parochia Lutheranorum in dominatu Lichtenberg.

Der Taufende war also ein Pfarrerssohn aus der Grafschaft Lichtenberg im Elsaß,

einer ebenfalls lutherischen Herrschaft. Man vergleiche die Herkunft der

Vorderweidenthaler Pfarrer aus den verschiedensten lutherischen

Herrschaftsgebieten.

Wir erfahren weiter, dass die Konfirmationen (überliefert ab 1719) am Palmsonntag

stattgefunden haben, 1792 ausnahmsweise am Charfreitag, weil in den turbulenten

Page 113: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Revolutionszeiten kein Pfarrer im Ort war. Am 24.4.1795 nahm Pfarrer Weyrich,

Pfarrer in Annweiler, die Konfirmation vor. Zu seiner Person - die Herkunft ist für

die Wanderungsgeschichte der Pfälzischen Pfarrerschaft bezeichnend: Geboren in

Niederbrombach bei Birkenfeld 22.1.1770, Sohn des Pfarrer Christian Daniel

Weyrich (* Lötzbeuren 17.12.1733, † Wirschweiler 1809) und (∞ Niederbrombach

19.6.1764) Marie Christine Loch (Tochter des Pfarrers Joh. Peter Loch in Oberstein),

Enkel des Pfarrers Johann .Justus Weyrich (- Wolf 3.4.1696, † Lötzbeuren

12.12.1752) und (∞ 25.9.1725) Anna Elis. Storck (Tochter des Winninger Vogts K.

O. Storck und Klara Katharina Hargart).

Weyrich studierte 1786/89 in Halle und Jena, bestand 1790 das Examen in

Zweibrücken, war ab dem 5.8.1790 Gehilfe bei Superintendent Tatsch1 in

Zweibrücken, ab 1.2.1792 Vikar in Zweibrücken, ab 1.12.1793 Pfarrvertreter für den

gegangenen Oberkirchenrat Kämpf2 in Zweibrücken, 1794/95 Vikar in Bundenbach,

Battweiler und Hornbach, ab 4.3.95 Verwalter in Annweiler, ab 21.1.1795 (-

vermutlich aufgrund des Konfirmationseintrags erst einige Monate später l. Pfarrer

in Obermoschel, ab 15.4.1799/1827 Pfarrer in Dielkirchen, ab 24.6.1827/33

Mimbach. † 22.6.1833; ∞ Katharina Weibel (Angaben nach Biundo 5917).3

______

1. Johann Christian Tatsch, 1720-1798, Biundo 5389.

2. 1748-1798, Biundo 2508 † Erg., BPfKG 51 (1984).

3. Ergänzender Aktenfund zur Konfessionslage und Kollektenpraxis in der Herrschaft

Lindelbrunn bzw. Leiningen für die Tochtergemeinde: Heidesheim, 12. Juni 1765:

Kollektenpatent: Direktor und Räte der Regierungskanzlei des Grafen Christian

Carl Reinhard zu Leiningen und Dagsburg erteilen der evangelischen, teil

lutherischen, teils reformierten Gemeinde des Dorfes Dimbach, Schultheißerei

Lindelbrunn im Amt Falkenburg die Genehmigung zur Erhebung einer Kollekte

zwecks Errichtung eines Gebäudes für Gottesdienst und Schule. ZASP Abt. 44,

300.0066.

Page 114: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

113

Ereignisse im 19. Jahrhundert

Die Person des Pfarrers Georg Jakob Schweppenhäuser1 markiert den

Zeitenwandel zwischen der Französischen Revolution und der Staatskirche im

Königreich Bayern. Bevor wir auf Schweppenhäuser näher eingehen, erinnern wir

an die kirchenpolitischen Veränderungen jener Zeit.

Mit der Niederlage des alten Deutschen Reiches in den Koalitionskriegen gegenüber

den französischen Revolutionsheeren waren die zersplitterten Pfälzischen

Herrschaftsgebiete, darunter das Fürstentum Leiningen, in den revolutionären

Staatsverband der Republik Frankreich aufgenommen worden. Preußen hatte der

Abtretung des linken Rheinufers bereits im Frieden von Basel 1795 zugestimmt,

Österreich und das vor seinem Ende stehende alte deutsche Kaisertum musste der

Neuordnung der

Landkarte im Frieden von Campo Formio im Jahre 1797 zustimmen. Die Folgen der

Französischen Revolution waren für die Kirche erheblich, doch ist die Revolution

auch in kirchlicher Hinsicht schließlich an ihrer Radikalität gescheitert. Vor allem

die Abschaffung des Sonntags erwies sich als undurchführbar.2 Erst Napoleon, auf

den die Auffassung zurückgeht, ein Pfarrer ersetze zehn Gendarmen, brachte das

Verhältnis von Staat und Kirche in den Organischen Artikeln von 1802 auf eine neue

Grundlage: Im Ausgleich für die enteigneten Kirchengüter übernahm der Staat die

Besoldung der Pfarrer und jüdischen Geistlichen. Fortan galt auch in der Pfalz eine

gestaffelte Besoldungsordnung, der auch die bayerische Staatskirche gefolgt ist. Bis

heute gehen die sog. Staatsleistungen zur Besoldung der Pfarrerschaft in der Pfalz

auf Napoleons Organische Artikel zurück. Die Staatsleistungen stellen eine

Entschädigung für in der Säkularisation eingezogene Kirchengüter dar. Im

benachbarten Elsaß und Lothringen gelten die Organischen Artikel bis auf den

heutigen Tag. Sie sind Teil der Sonderrechte Elsaß -Lothringens innerhalb

Frankreichs seit 1918.

Nach dem Übergangsstadium einer gemeinsam bayerischen-österreichischen

Verwaltung ab 1816 bildete die Pfalz innerhalb des Königreichs Bayern einen

eigenen Regierungskreis mit Sitz in Speyer. In der Bayern nächstgelegenen

pfälzischen Stadt erhielt das Konsistorium als Kirchenleitung seinen Sitz. Eine erste

große Aufgabe ergab sich durch die an einigen Orten bereits vollzogene Vereinigung

der beiden protestantischen Konfessionen ausreformierten und Lutheranern. Im

Schwung der Reformationsfeier 1817 zum Andenken an Luthers Thesenanschlag in

Wittenberg dreihundert Jahre zuvor wurde die Pfälzische Kirchenunion im Jahre

1818 im gesamten „Rheinkreis“vollzogen.

In diesen Jahren war der genannte Pfarrerssohn Georg Jakob Schweppenhäuser

Ortspfarrer in den Dörfern am Lindelbrunn. Er war der um zwei Jahre ältere Bruder

der Marie Salome Schweppenhäuser (1751-1833), die seit 1773 mit einem Sekretär

Page 115: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

114

des mächtigen Grafen Brühl in Warschau, Johann Friedrich Michael Hauke (1737-

1810), verheiratet war. Marie Salome wurde Ahnherrin europäischer Königshäuser,

denn ihre Enkelin Julia Hauke wurde 1851 als Gräfin von Battenberg geadelt (der

britische Prinzgemahl Philip Mountbatten, Duke of Edinburgh, geboren 1921

entstammt dem Haus Battenberg, das sich seit 1917 Mountbatten nennt).3 Pfarrer

Schweppenhäuser, am 26.6.1749 geboren, wuchs in Rechtenbach und Sesenheim

auf. 1760/1766 bezog er das Gymnasium Zweibrücken, studierte in Halle und kam

nach seinem 1769 in Bergzabern abgelegten Examen im Jahre 1772 als lutherischer

Pfarrer nach Lohr (Elsaß). 1787/93 ließ er sich nach Sesenheim versetzen (sein Vater

Heinrich Wilhelm Schweppenhäuser4 war dort 1760 gestorben). 1793 emigrierte er

vor den Franzosen über den Rhein. Nach Beruhigung des Kriegsgeschehens begab

sich Schweppenhäuser auf einen Abstecher auf linksrheinisches Gebiet. In einem

Wirtshaus zu Klingenmünster soll ihn ein Bürger von Vorderweidenthal

aufgefordert haben nach Vorderweidenthal zu gehen. Tatsächlich war

Schweppenhäuser von 1795 bis 1826 Pfarrer in Vorderweidenthal. Als er nach dem

Tode seiner Ehefrau Karoline geb. Siffert (1755-1824) erblindete, stellte er Wilhelm

Ludwig Pixis als Vikar ein. Pixis heiratete schließlich die Pfarrerstochter Christine

Luise Philippine (geboren am 17.1.1801 in Vorderweidenthal). Der Vater blieb im

Haushalt von Tochter und Schwiegersohn und zog 1832 nach dessen Ernennung zum

Dekan mit nach Marnheim. Dort starb er am 17.4.1836.

Karoline Schweppenhäuser, eine Schwester des Pfarrers von Vorderweidenthal,

heiratete um 1805 Johann Philipp Christian Aulenbach, den Dichterpfarrer in

Annweiler. Ihr Sohn Karl floh 1848 nach Ohio, um dort seinerseits als Pfarrer und

Dichter zu wirken.5

Wilhelm Ludwig Pixis6 war Vikar bei Schweppenhäuser. Am 21.7.1798 als Sohn

eines Pfarrers in Katzweiler geboren, kam er nach Studium in Marburg 1821 in den

Pfälzischen Kirchendienst. Pixis amtierte in Vorderweidenthal als Nachfolger seines

erblindeten Schwiegervaters von 1826 bis 1832. Nach seiner Dienstzeit in Marnheim

zog er 1858 nach Bischheim und starb dort am 30.8.1863.

In der Kirchengeschichte der Pfarrei Vorderweidenthal gilt es für das 19.

Jahrhundert drei besondere Vorgänge festzuhalten:

1.. Die Kirchenunion von 1818 als Folge der kirchlichen Neuordnung nach

der Französischen Revolution

2.. Der Neubau der Kirche in Vorderweidenthal im Jahre 1865

3.. Die Auswirkungen des Pfälzischen Gesangbuchstreites um 1861 in der

Gemeinde.

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115

Die Vereinigung der beiden reformatorischen Kirchen ging in Vorderweidenthal

geräuschlos vonstatten. Die Lutheraner hatten in der Pfalz etwa ein Drittel der

Protestanten ausgemacht, in Vorderweidenthal waren sie seit der Reformation aber

die bestimmende Konfession. So kamen lediglich reformierte Einzelpersonen zur

nunmehr vereinigten protestantischen Pfarrei, die bislang ohnehin die Dienste des

lutherischen Ortspfarrers in Anspruch genommen hatten. Dieser Pfarrer war jetzt der

erste unierte Pfarrer in Vorderweidenthal.

Die vereinigte Pfälzische Kirche (Vereinigte Protestantisch-Evangelisch Christliche

Kirche der Pfalz) verabschiedete 1818 ihre Unionsurkunde, auf die sich die heutige

vangelische Kirche der Pfalz mit ihrer Kirchenverfassung von 1920 stützt. Zu den

Hauptaufgaben der jungen Kirche gehörte die Herausgabe eines neuen Gesangbuchs

und eines eigenen Katechismus. Beide Bücher waren vom Geist des theologischen

Rationalismus geprägt, eines späten Ausläufers der Aufklärung. Die Vernunft und

der Fortschritt der Bildung zählten zu den Hauptbegriffen dieser Richtung. Das

Unionsgesangbuch von 1823 stand damit in einer in Deutschland verbreiteten

Tradition und passte die alte Lieddichtung unbekümmert an den Zeitgeschmack an.

Ein Beispiel hierfür ist die Umdichtung des Paul Gerhardt-Liedes „Nun ruhen alle

Wälder, Vieh, Menschen, Stadt und Felder, es schläft die ganze Welt“. Die

Rationalisten ersetzten den letzteil Vers durch „es schläft die halbe Welt“, weil die

Vernunft besagt, dass immer nur ein Teil der Menschheit schläft, während der andere

Teil auf dem sonnenbeschienenen Erdenrund wacht.

Ein weiteres Beispiel aus dem Pfälzischen Unionsgesangbuch ist das Lied Nr. 373

von Konsistorialrat Philipp David Müller; darin wandelt sich der christliche Glauben

in bürgerliche Moral:

Ihr Bürger eines Staates, Brüder, vereinigt euch zum Lobgesang!

Bringt unserm Vater frohe Lieder, sagt ihm für seine Gnade Dank,

ihm, welcher uns mit weiser Hand vereinigt hat im Vaterland!

2. Der Mensch kann nicht allein sich bilden, nur Menschenumgang bildet ihn;

Vergebens irrt er auf Gefilden, die ihm allein entgegen blüh’n;

Nur Menschen lindem seinen Schmerz und Gießen Freuden in sein Herz.7

Doch gegen den rationalistischen Katechismus von 1823 erhob sich in

Vorderweidenthal ein Protest: Die Eltern sprachen sich gegen die Einführung des

Unionskatechismus im Unterricht aus. Dabei trafen sie exakt den Schwachpunkt des

neuen Lehrbuchs der Pfälzischen Kirche. Sie hielten den Unionskatechismus für

pädagogisch ungeeignet und geistlich unangemessen bzw. dürftig. Pfarrer

Schweppenhäuser leitete den Protest ans Dekanat weiter. Dekan Walther reagierte

auf die Verweigerung der Eltern, „derselbe sei unverhältnismäßig und enthalte

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116

weltliche Dinge“, mit einer schroffen Ablehnung. Dekan Karl Friedrich Walther

meinte, das Dorf erhebe sich über das Werk gelehrter Männer und über die Synode,

die den Katechismus verabschiedet hat. In Vorderweidenthal handle es sich seiner

Meinung nach um eine „höchst strafbare Widersetzlichkeit“, man habe sich „frech

aufgestellt“. Der Dekan vermied eine inhaltliche Auseinandersetzung, wie man sie

heute erwarten dürfte. Vielmehr bezog er einen autoritären Standpunkt, der ganz

dem restaurativen Obrigkeitsdenken jener Jahre entsprochen hat. Abschließend

empfahl Walther, das Pfarramt solle die kursierenden alten Katechismen einziehen.8

Der Gemeinde Vorderweidenthal blieb nichts anderes übrig als den Katechismus

anzunehmen.

Doch von einer herzlichen Annahme kann in der gesamten Pfalz kaum die Rede sein.

Dies belegt nicht nur der Ingenheimer Pfarrer Friedrich Theodor Frantz in seiner

„Morgenröthe“von 1846: Der Katechismus des sonst wegen seiner Verdienste im

Schulwesen hochverdienten Verfassers Johann Friedrich Butenschön wird von

Frantz „außer anderen Ausstellungen schon um seiner abstrakten Sprache willen

unpopulär und unkindlich genannt“.9 Eine literarische Beurteilung fand der

Katechismus in der „Nonnensusel“des Klingenmünsterer Schriftstellers August

Becker. Darin beeindruckt die Konfirmandin Susanne Groß bei ihrer Prüfung die

versammelte Gemeinde mit dem Aufsagen der verschraubten Katechismusfrage:

Und nun fragte der Geistliche, sich an Susel wendend: „Und warum, Susanne Groß,

heißt unsere Kirche protestantisch?“

Das Mädchen atmete tief auf, ihr Herz pochte; allein sie war sich des feierlichen

Augenblicks völlig bewusst und durfte keine Schwäche über ihr junges Herz

kommen lassen. So begann sie denn ihre Antwort, langsam, ausdrucksvoll, bald

selbst ergriffen und gehoben von den Worten, die ihr nie so verständlich geklungen

waren wie jetzt, wo sie in ihrem Munde zum Verständnis der ganzen Gemeinde

gelangten, so dass in tiefer Stille schon von Anfang alles der schönen, vollen

Mädchenstimme lauschte und jedermann, selbst der würdige Geistliche, mit

Innigkeit ihrem Vortrag folgte (,da sie also sprach): „Weil unsere Kirche das edelste

Recht des vernünftigen Menschen, frei und redlich in der wohlgeprüften Wahrheit

fortzuschreiten mit christlichem Mut, in Anspruch nimmt, gegen alle

Geistesknechtschaft wie gegen allen Gewissenszwang ewigen Widerspruch einlegt

und dabei ungestörte innere Glaubensfreiheit behauptet.“

Man hatte diese Ausführung des damaligen Katechismus schon öfter gehört, aber

noch niemals war dieser, für Kinder und einfache Landleute allerdings schwere und

verwickelte Satz so ergreifend zum Verständnis der Gemeinde gedrungen wie

diesmal.10

Page 118: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

117

b. Auf dem Weg zum Kirchenbau

Nach dem Weggang von Pfarrer Pixis versah Karl Friedrich Scholler (1807-1863)

1832 als Vikar seinen Dienst in Vorderweidenthal. Nach weiteren Stationen als

Vikar in Frankenthal und seit 1833 als Pfarrer in Ruchheim wurde Scholler 1844 im

Alter von 37 Jahren Dekan in Homburg. 1847 kam er als Dekan nach Landau, ehe

er von 1856 bis zu seinem Tode am 8.8.1863 seine Laufbahn als Prodekan

(Dekanstellvertreter) in Minfeld abschloss. Seine Nähe zum konservativen

Konsistorium mit Konsistorialrat Rust hat er in seiner Landauer Zeit bestätigt.“ Sie

erklärt ihrerseits seine frühe Berufung zum Dekan. Scholler hatte 1836 in

Frankweiler die Pfarrerstochter Johanna Magdalena Reichhold geheiratet.12

In Schollers Zeit fallen die ersten Überlegungen zum Neubau der Kirche. Am

l7.8.1832 wandte sich das Landkommissariat als vorgeordnete Baubehörde an das

Pfarramt Vorderweidenthal. Der Gemeinderat wollte den Bauunternehmer Wagner

beauftragen anstelle des vom Presbyterium bevorzugten Unternehmers Hatzer. Das

Landkommissariat empfahl, mit der Reparatur der Orgel zu warten, bis die Reparatur

der anderen Gebäudeteile vollendet sei.13 Vermutlich handelt es sich um die letzten

größeren Reparaturen an der mittelalterlichen Kirche. Laut Bericht vom 23.8.1832

wurden ausgegeben für den Maurer 42 fl 30, den Schreiner 96 fl 40. Die

Orgelreparatur und Stimmung kostete 44 fl 40 (1836 ausgeführt), zusammen wurden

veranschlagt 183 fl 10. Während der Reparaturen wurde der Vertrag mit Leonhard

Schneider aufgelöst, der das benötigte Holz nicht beschaffen konnte.14 Über den

Weg zum Kirchenbau vgl. die Angaben bei Pfarrer Heintz.

Ernst Christian Herche15 stammte aus dem elsässischen Weitersweiler und wurde

dort am 21.10.1803 geboren. Der Sohn eines Pfarrers besuchte zuerst das

Gymnasium Zweibrücken, bevor er ans College Buchsweiler wechselte. 1820 ging

er ans theologische Seminar in Straßburg, studierte dort an der Fakultät und später

in Erlangen und München. 1827 in den pfälzischen Kirchendienst aufgenommen,

war er zwischen 1830 und 1833 Vikar in Zweibrücken. Am 19.4.1833 begann sein

Dienst als Pfarrer in Vorderweidenthal. Am 24.10.1843 wechselte er nach

Barbelroth, am 1.1.1856 nach Winden und am l.10.1861 nach Rinnthal. Dort starb

er am 17.6.1879. Seit 1839 war er mit Juliane Graßmück von Birkweiler verheiratet.

Im Jahresbericht von 1837 hält Herche Auswanderungen nach Nordamerika fest.

Diese sollten über das gesamte 19. Jahrhundert andauern. Wegen seiner Erkrankung

wurde in diesem Jahr die Konfirmation statt am Palmsonntag am Karfreitag gefeiert.

Eine derartige Abweichung war damals noch möglich, heute wäre eine

Vertretungsregelung zu treffen. Herche lobt die Sittlichkeit, den Glauben und den

frommen Sinn und Wandel der Glaubensgenossen. Doch hat er auch Anlass zur

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Kritik: „Eine Veranlassung zu vielem Unfug und zu vielen Schlechtigkeiten sind ...

die vielen Freinächte. Das Pfarramt weiß nun zwar nicht, dass von der Distrikts-

Polizei-Behörde die Zahl der Nächte beschränkt worden ist, aber kann, wie es hier

der Fall ist, außer an den Freinächten, von der Kirchweihe drei volle Nächte hindurch

getanzt werden; wenn es erwiesen ist, daß alle Arten von Unfug besonders in diesen

Nächten verübt werden, so kann es gewiß nicht anders als höchst wünschenswert

erscheinen, dass die sog. Freinächte als mit der Natur in Widerspruch cf. Plagarium

(?) der Unsittlichkeit und Freistätte des Lasters ursprünglich fernerhin gar nicht mehr

geduldet würden.16 Bei den Freinächten stoßen wir auf eine Volkssitte, die zu

bestimmten Zeiten eine gewisse Zügellosigkeit vermutlich für die jüngeren

Zeitgenossen erlaubt hat. Ein Rest hat sich in der verschiedentlich anzutreffenden

„Hexennacht“am 30. April erhalten.

Herche registriert 1836 die Teilnahme der Silzer Protestanten am Abendmahl in

Klingenmünster und befürwortet sie wegen des kürzeren Weges. Er schlägt deshalb

vor, dass die Orte Gossersweiler und Schwanheim von der Pfarrei Annweiler nach

Vorderweidenthal eingepfarrt werden, wie dies heute der Fall ist. Von Ökumene war

noch keine Rede: Der Jahresbericht 1839 vermerkt: Der katholischer Pfarrer von

Schwanheim habe einen protestantischen Bräutigam aus der Pfarrei nicht

proklamiert.17

Bedeutsam ist die Gründung des Lokal-Bibelvereins im Jahre 1836, auf Anordnung

des Konsistoriums. Im Gründungsjahr 1838 zählte dieser Verein 37 Mitglieder, die

7 Gulden und 16 Kreuzer aufbrachten (1840: 30 Mitglieder 5 fl. 28). Der Verein hält

stets eine Bibel zum günstigen Verkauf vorrätig. Jedoch muss im Jahresbericht 1868

mit Erschrecken festgestellt werden, dass jemand ein Neues Testament für

Branntwein verkauft hat.18

Der nächste Pfarrer in Vorderweidenthal, Karl Ludwig Theodor Heintz, stammte

aus Zweibrücken. Dort wurde er am 3.5.1815 als Sohn des Sattlers Paul Heintz und

der Sophie Bauer geboren. Nach Studium ab 1833 in Erlangen und Utrecht kam er

1837 in den Pfälzischen Kirchendienst. Nach einem Vikariat in Waldmohr war er

vom 26.3.1844 bis 1849 Pfarrer in Vorderweidenthal. Er ging am 10.5.1849 nach

Rohrbach bei Landau und starb dort am 20.11.1883. Heintz war mit Friederike

Elisabeth Schließ aus Bergzabern verheiratet. Er galt wird als leutselig und

freundlich.19 Sein Wechsel im Jahre 1849 lässt vermuten, dass Herche aus einer

Umgebung entfernt wurde, die im Zusammenhang mit der Revolution von 1848/49

stand. Die Revolution hatte vor den Pfarrhäusern nicht halt gemacht. Es kam zur

Absetzung und Strafversetzung von Pfarrern. In den Ortschaften nahe der

Französischen Grenze kam es zur Fluchthilfe für Revolutionsanhänger.

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119

c. Von der Kirchenschließung zum Kirchenbau

Zuerst einige formelle Beobachtungen: Zur Pfarrei Vorderweidenthal gehörten 1843

außer den Parochialorten Dimbach, Darstein, Oberschlettenbach noch Erlenbach,

Busenberg, Schindhard und Bärenbrunnerhof. In Schreiben vom 8.6.1846 und 1849

hielt es das Konsistorium als unzumutbar für den Pfarrer, zu Fuß zu regelmäßigen

Gottesdiensten nach Dimbach zu gehen.20 Aber in Dimbach scheint man nicht

lockergelassen zu haben. Am 29.7.1849 hieß es aus Speyer, der Pfarrer könne,

„wenn er Lust hat, alle 3 Wochen in Dimbach Gottesdienst“abhalten. Im Jahre 1905

trug der Filialort für den Zusatzdienst jährlich 18 Mark zur Pfarrbesoldung bei. Seit

1950 werden in Dimbach alle 14 Tage Gottesdienste gehalten. Zur Pfarrbesoldung

gehörte laut Sachreiben vom 7.3.1848 der Holzbezug aus Oberschlettenbach.21 Nach

dem Jahresbericht von 1844 gehörten 1205 Personen zur Pfarrei.

Die Kirche wurde am 28.1.1846 und wiederum am 23.4.1847 für baufällig erklärt

und baupolizeilich geschlossen. Die Gottesdienste fanden im Schulhaus statt.22 Doch

wurde sofort an einen Neubau gedacht. Die Regierung genehmigte am 21.8.1846

den Einschlag von Eichen im Gemeindewald von Darstein. Am 15.5.1847 reagierte

das Dekanat auf einen Bauantrag des Pfarramtes vom 16.2.1847. Vorhandene

Kapitalien im Umfang von 50 Gulden wurden zu 3% Zinsen angelegt.23 Nach dem

Jahresbericht von 1848 verlief die Sammlung über mehrere Jahre. Inzwischen

leisteten nach dem Weggang von Pfarrer Diethmann die Vikare Caselmann und

Lyncker24 Dienst in Vorderweidenthal. Tatsächlich hatten die revolutionären

Ereignisse den Kirchenbau aufgehalten. Da der „Zusammensturz“einer Seite des

Langhauses befürchtet wurde, entschloss man sich am 23.5.1864 zum kompletten

Abriss. Von der alten Kirche blieb im Turm ein Stein mit der Jahreszahl 1489

erhalten.

Grundriss der Kirche von 1865 ans den Kunstdenkmalen Bergzabern. Der Plan lässt mit

gestrichelter Linie die Lage des Vorgängerbaus erkennen. Der um 80 cm angehobene

Kirchenbau hatte dennoch mit der aufsteigenden Feuchtigkeit zu kämpfen.

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Am 12.6.1864 wurde der Grundstein zur heutigen Kirche gelegt. Konsistorialrat

König, Pfarrer Dr. Philipp Schwarz als Dekan und Senior Herche zu Rinnthal (der

frühere Ortspfarrer) nahmen am 10.12.1865 die Einweihung vor.25 Pfarrer Liborius

Matthäus Diethmann hielt während seiner gesamten Dienstzeit seine Gottesdienste

in Vorderweidenthal im Provisorium Schulhaus.

Diethmann stammte aus Unterfranken (geboren in Oberlauringen am 18.9.1816) und

war ein Sohn des Knechtes Valtin(!) Seufert und der Johanna Catharina Diethmann,

Müllerstochter, später Handarbeitslehrerin. Nach Besuch des Gymnasiums in

Schweinfurt und Studium 1840/44 in Erlangen leistete er nach dem 1844 abgelegten

Examen 1845/49 Dienste als ständiger Vikar in Quirnbach, 1849 in derselben

Funktion in Queichheim, ehe der Aufsteiger das Vertrauen des Konsistoriums fand

und ab 5.1.1850 bis 1857 als Pfarrer in Vorderweidenthal fungierte. 1857 bis 1860

war er Pfarrer in Heuchelheim bei Landau, ging 1860 nach Rechtenbach und starb

dort am 23.7.1879. 1850 heiratete er Anna Babette Cunigunda Batz, Tochter eines

Zollwarts in Gräfenberg (Mittelfranken, sie starb 1908). Diethmann, ein Schüler der

lutherischen Theologen Harleß, Thomasius und Thiersch in Erlangen, legte Wert auf

eine umfassende Teilnahme der Gemeinde am kirchlichen Geschehen und sah das

gelegentliche Durchziehen von Vaganten und Musikanten kritisch, da für die

Sittlichkeit verderblich. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern war er theologisch

konservativ eingestellt.26

Mit Georg Zimmermann aus Fußgönheim, am 1.10.1823 geboren, Sohn des

Lehrers Jakob Zimmermann und der Juliane K∞b kam erneut ein theologisch

liberaler und als Vikar sogar politisch aktiver Mann als Pfarrer nach

Vorderweidenthal. Nach Studium von 1843 und 1847 hauptsächlich in Erlangen und

dem Vikariat in Lachen, Wolfstein und Neuhäusel wurde Zimmermann wegen seiner

Beteiligung an der revolutionären Bewegung am 22.9.1849 in Neuhäusel entlassen.

Erst 1856/58 begegnet er wieder als ständiger Vikar in Neuhofen und wurde am

14.5.1858 Pfarrer in Vorderweidenthal. Er erlebte den Kirchenbau und blieb hier bis

zum Jahre 1867. Zimmermann ging am 21.4.1867 nach Gönnheim und wurde nach

seinem Tode dort am 7.4.1877 begraben. Geheiratet hatte er am 8.5.1860 in

Albersweiler Elisabeth Culmann aus Albersweiler 27.3.1886).27

e. Im Pfälzischen Gesangbuchstreit von 1861

In Zimmermanns Zeit fallen die Auseinandersetzungen um ein neues pfälzisches

Gesangbuch. Sie tobten im Dekanatsort Bergzabern ausgesprochen heftig und

fanden auch in Vorderweidenthal ihren Niederschlag. Die politisch wie kirchlich

liberale Opposition nahm das von der Pfälzischen Generalsynode beschlossene und

nun einzuführende neue Pfälzische Gesangbuch zum Vorwand, um den wenig

beliebten Konsistorialrat August Ebrard (1853-1861 )28 in Speyer anzugreifen und

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letztlich abzulösen. Das Gesangbuch selbst darf nicht nur aus heutiger Sicht in

seinem Entwurf als gelungen bezeichnet werden. Es sollte das alte rationalistische

Gesangbuch mit seinen Umdichtungen und Venünfteleien ersetzen. Im Sinne der bei

Ernst Moritz Arndt in seiner Schrift „Vom Wort und dem Kirchenliede“favorisierten

Rückbesinnung auf die Originale der Liederdichter entstand ein Werk auf der Höhe

der Zeit. Doch haben sich die Bearbeiter bei der Vorbereitung so gut gefallen, dass

der Umfang mit über tausend Nummern viel zu groß ausfiel. Den Liberalen

missfielen einige Lieder aufgrund ihrer bibelnahen Sprache, sodass sie gegen die

Einführung des Gesangbuchs polemisierten. Erst 1905 sollte ein neues pfälzisches

Gesangbuch das rationalistische Unionsgesangbuch von 1823 ersetzen. - Das

Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz verwahrt folgenden

Aktenvorgang:29

„Die gehorsamst unterzeichneten Bewohner der protest. Gemeinde

Vorderweidenthal sehen sich veranlaßt an das kgl. Prot. Consistorium zu Speyer die

unterthänigste Bitte zu stellen, Hochdasselbe wolle wohlgefälligst um weiteren

Unruhen in der Gemeinde und um der Störung des kirchlichen Friedens vorzubeugen

genehmigen, daß auch hier wie in noch gar vielen Gemeinden bereits geschehen, das

alte Gesangbuch wieder in Kirche und Schule bis zur definitiven Einführung des

neuen Gesangbuchs in sämmtlichen protest. Gemeinden (der Pfalz) eingeführt

werden dürfe und das kgl. Protest Pfarramt dahier mit der Wiedereinführung

desselben zu beauftragen. In der Hoffnung einer gütigen Willfahrung der

gehorsamsten Bitte verharren mit vollkommenster Hochachtung die gehorsamsten

Bittsteller ...“Es folgen die Unterschriften von etwa 50 Gemeindegliedern, ähnliche

Listen sind im gleichen Konvolut aus Oberschlettenbach und Darstein überliefert.

Aufgrund der Eingabe forderte Börsch30 das Dekanat am 13.5.1861 „zur genauen

Prüfung der thatsächlichen Verhältnisse“auf und erinnerte an den Beschluss der

Generalsynode zum neuen Gesangbuch. Doch in der Gemeinde waren die Fronten

verhärtet. Am 17.5.1861 beschlossen die drei Presbyterien in Oberschlettenbach

gemeinsam die Wiedereinführung des alten Gesangbuchs am zweiten Sonntag nach

Trinitatis. Das Pfarramt meldet unterdessen am 20.5.1861 ans Dekanat, am 11.

Januar und am 21. Februar wäre das neue Gesangbuch nach Kundwerden eines

Regierungserlasses vom 12.12.1860 in Schule und Kirche zunächst ohne Widerstand

eingeführt worden. Doch dann hätten sich durch den Einfluss von außen die

Oppositionskräfte geregt. Gegen das Gesangbuch gab es offenen Widerstand, indem

sich die Kinder weigerten, das neue Gesangbuch in die Schule mitzunehmen. Die

Eltern hatten es ihnen verboten. Eine Opposition „von außen her“hätte sich ab

Februar „mit aller Macht und Verführung“betätigt. Listen zum Unterzeichnen gegen

das neue Gesangbuch kursierten; sie wurden dem Vernehmen nach von beinahe allen

Gemeindegliedern unterzeichnet, schrieb Pfarrer Zimmermann. Die Außeninitiative

sei von Tag zu Tag gewachsen. Sie habe „Blätter“ins Dorf hereingespült“und damit

auf das Presbyterium Druck ausgeübt:

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„Das unterzeichnete Pfarramt belehrte es [das Presbyterium] erneut. Vergeblich! Die

Kirchengemeinde trat, gestützt auf die allerhöchste Entschließung vom 19. April d.

J., jetzt mit allem Trotze und begünstigtem Selfgovernment in kirchlichen Fragen

auf und brachte mit Ausnahme eines einzigen Mädchens das neue Gesangbuch vom

Sonntage Cantate an nicht mehr zur Kirche. Es sangen von da an nur noch Pfarrer

und Lehrer! Anstatt den Entschluss der Gemeinde dem unterzeichneten Pfarramt

bekannt zu geben, ging die Gemeinde unbekümmert an jede kirchliche Vertretung

und Staat selbsthätig voran. ...“„Eine Vermittlung ist also nicht mehr möglich, aber

dem unterzeichneten Pfarramt ist es nicht möglich, die Hohe Kirchenbehörde um

Willfahrung der Bitte der Protestanten zu bitten.“ Zimmermann teilt diesen

Presbyterbeschluss vom 26.5.1861 mit, den er zu seinem Schutze nicht mit seiner

eigenen Unterschrift, sondern nur von den Presbytern unterschrieben weitergeleitet.

Das Verhalten Zimmermanns erweist sich als klug, andernorts in der Pfalz kam es

zu Versetzungen und sogar zur Entfernung aus dem Kirchendienst. Der

Gesangbuchstreit ist vielerorts untersucht worden. Er hat den Protestantenverein zur

starken und selbstbewussten Kirchenrichtung in der Pfalz gemacht.31

Bis zum Ersten Weltkrieg verlief das kirchliche Leben in Vorderweidenthal wieder

in ruhigeren Bahnen. Pfarrer Ludwig Mettel wurde am 25.8.1837 in Lauterecken

geboren. Der Sohn des Bäckers und Wirtes Jakob Mettel und der Wilhelmine

Schneider studierte in Erlangen, Heidelberg und Utrecht. Er war Vikar in Mittelbach,

Landstuhl und Neuhofen, war Vikar bei dem alten Pfarrer Esch in Bischheim und

heiratete Ella Rettig vor seiner Versetzung nach Vorderweidenthal. Am 6.11.1867

kam er nach Vorderweidenthal, wurde Pfarrer, wechselte aber schon 1871 nach

Annweiler II und 1879 Annweiler I, bevor er am 16.9.1886 Dekan in Homburg

wurde und dort am 22.3.1894 starb. Verheiratet war er mit Anna Charlotte Salome

Wolf. 1868 hielt Mettel am Sonntag Okuli einen Gedenkgottesdienst auf den Tod

des abgedankten Königs Ludwig I. - unter großer Teilnahme der Bevölkerung. 1870

vermerkt der Visitationsbericht, Mettel lese von Meyer das Neue Testament und die

Homiletik oder Apologetik Baurs, Werke von Luthardt und Riggenbach.32 Mettel

war schriftstellerisch Tätig. Seine Vorträge tragen einen deutschnationalen Unterton.

Wann das hier abgedruckte Gedicht „Haussegen“entstanden ist, ist unbekannt:

Haussegen.

O selig Herz,

Das Er, der Herr, zur Wohnung sich erwählet!

Die Welt entzweit sich, doch das merkt es nicht;

Es denkt nur Ihn, der sich ihm hat vermählet.

Es sucht nur Eins, sein Gnadenangesicht.

Geschmückt mit Maien, Gotteswonne fein,

Schließt es ja doch das höchste Kleinod ein -

Dies Herz sei Dein!“

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O sel’ger Bund,

Wenn sich im Herrn zwei solcher Seelen einen!

Wohl nennen Trübsal sie ihr irdisch Theil

Vom ersten Scheiden bis zum letzten Weinen -

Gott will es so. gewiß zu ihrem Theil

Vom ersten Scheiden bis zum letzten Weinen -

Gott will es so, gewiß zu ihrem Heil.

Denn Lieb’ in Lust, die bringet Höllenleid,

Doch Lieb1 in Gott ist Himmelseligkeit -

Gott sei mit euch!

O selig Haus,

Das Haus, das so zu Gottes Ehr’ erbauet!

Nein, wie die Herzen, rein ist Fach und Schrein;

Den Engeln ist dies Hauses Hut vertrauet,

Der Freund der Kleinen kehret segnend ein:

Kein Strom der Welt löscht seinen Segen aus,

Das Haus der Liebe ist ein ewig Haus -

Das walt’ euch Gott!

Ludwig Metter33

Die Wendung „ewig Haus“ist übrigens der Arbeitstitel des Fragments von Jochen

Klepper, „Das ewige Haus“, ein geplanter Roman des protestantischen

Liederdichters und Schriftstellers (1903-1942), davon nur das erste Kapitel unter

dem Titel „Die Flucht der Katharina von Bora“nach dem Zweiten Weltkriege

erschienen ist. Die schwerfällige bis schwülstige Dichtung Metteis (sie ähnelt der

späteren Heimatdichtung z. B. von Jakob Böshenz, 1871-1979 oder Leopold Reitz,

1889-197234) lässt lange im Ungewissen, um welches Haus es sich handelt; dass es

ums Pfarrhaus geht, wird nur für den Spezialisten erkennbar. Erfahrungen aus dem

Pfarrhausdasein sowohl in Vorderweidenthal als auch in Annweiler mögen hier

eingeflossen sein.

Die Tochter Elise Karoline Maria Mettel gen. Ella (* Vorderweidenthal 4.11.1869,

† Zweibrücken 1.3.1942) heiratete am 26.4.1892 in Homburg den Theologen Karl

Rettig. Sie war Mutter zweier Pfarrer, darunter der spätere Dekan zu Bergzabern,

Theodor Rettig (1900-1985).35, 36 Zwei Söhne Metteis (Vettern der Theologen

Rettig) wurden ebenfalls Pfarrer. Ludwig Ferdinand Mettel37 und der spätere Dekan

von Bergzabern Friedrich Ludwig Mettel.38

Karl Friedrich Wilhelm Mohr war auch kurze Zeit Pfarrer in Vorderweidenthal.

Der am 4.3.1833 in Obrigheim geborene Sohn des Lehrers Friedrich Mohr und der

Marie Heser wurde nach Studium in Erlangen, Heidelberg und Utrecht 1863 in den

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pfälzischen Kirchendienst aufgenommen. 1871 war er Verwalter in Wolfstein,

1871/72 ständiger Vikar in Dennweiler-Frohnbach und vom 14.3.1872 an Pfarrer in

Vorderweidenthal. Am 4.12.1882 wechselte er nach Tiefenthal und starb dort am

14.7.1908. Er war verheiratet mit Magdalene Schifter. Zwei ihrer Söhne wurden

Pfarrer.39) Mohr beobachtete das Vorhandensein von Hausandachten und

Abendgebet in den Familien, notiert 1877 keine unehelichen Geburten, schreibt

1876 vom guten Beispiel der Presbyter im Verein mit anderen kirchlich Gesinnten40

und hebt sich in seinen Berichten von den kulturpessimistischen Beobachtungen

seiner Kollegen vor und nach ihm ab. Mohr plädierte für die Auslagerung der

Pfarrorte Busenberg und Schindhardt nach Dahn. Nach dem Visitationsbericht von

1873 mache er sich Exzerpte aus theologischen Schriften, habe eine „ziemliche

Bibliothek“und sei Mitglied im (theologischen) Leseverein (Bergzabern).

In der Vakanz predigte Vikar Heinrich Noé (1859-1948), Sohn eines Haßlocher

Lehrers, am Reformationstag 1883 über Matthäus 15, 21 ff. anlässlich des Jubiläums

des 400. Geburtstages Martin Luthers ließ Noe an die Kinder Lutherschriften

verteilen, so dass in jedes Haus ein Exemplar kam.41 1884 feierte er hier ein

Zwinglijubiläum (Jahresbericht), wie es in der Landeskirche üblich war. Noe wurde

1886 Pfarrer in Bellheim, 1892 in Hornbach II, 1897 in seiner Heimatgemeinde

Haßloch und wurde bei seinem Eintritt in den Ruhestand 1929 zum Kirchenrat

ehrenhalber ernannt. Er starb in Neustadt a. d. W. am 27.6.1948. Er war verheiratet

mit Barbara Damian. Der fromme Noe schrieb u.a. Lebensläufe von einigen

Theologen der positiven (erweckten) Richtung.

Wilhelm Rupp - wie Noé Sohn eines Lehrers - wurde am 8.9.1857 in Callbach

geboren. Der Vater hieß Friedrich Ludwig Rupp, die Mutter Anna Marie Böhler.

Nach Studium ab 1876 in Erlangen und im Jahre 1880 in den Kirchendienst

aufgenommen, kam wurde er Vikar in Speyer, Dahn und Ludwigshafen.

Vorderweidenthal war seine erste Pfarrstelle. Hier blieb er vom 16.12.1883 bis 1887.

1887 ging er nach Barbelroth und starb dort am 11.6.1893 im Alter von nur 36

Jahren. Verheiratet war Rupp mit der Pfarrerstochter Johanna Friederike Karoline

Heim (1870-1934). Sie heiratete 1904 in zweiter Ehe den Pfarrer Karl Wilhelm

Reichhold. Der Visitationsbericht Dekan Maurers von 1887 bezieht sich bei der

Angabe der Lektüre des Pfarrers auf Rupp. Maurer notiert, Rupp lese die Dogmatik

von Frank. Gemeint war der Daniel Frank, Professor in Jena (1832-1904).42

Außerdem war er Mitglied des theologischen Lese- und Broschürenvereins

Bergzabern. Den Presbytern stellte Rupp kein gutes Zeugnis aus. Sie seien ein

schlechtes Vorbild für die Kirchlichkeit. Außer den Kunkelstuben kritisiert er das

nächtliche Umherziehen der männlichen und weiblichen Jugend bis nach

Mitternacht, der materielle Sinn sei allgemein verbreitet, der Aberglaube grassiere.

Mehrere Familien seien durch den Branntweingenuss gänzlich verkommen, sogar

am Sonntagmorgen halte man sich während des Gottesdienstes schon in

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Wirtshäusern auf.43 Rupp war ein persönlich frommer Mann. Er hielt in Barbelroth

Missionsstunden ab, hatte dort aber auch einen Konflikt mit einigen jungen Leuten,

die sich bei der Abendmahlsvermahnung persönlich angesprochen gefühlt haben.44

Die Vakanz nach Rupp vertrat Karl Theodor Schuler, 45 Lehrersohn aus Erlenbach

bei Kandel, geboren am 31.10.1863, Sohn von Adam Schuler und Luise Keßler.

Nach Studium ab 1886 in Heidelberg und Eintritt in den Kirchendienst im Jahre

1890 wurde er 1891 Vikar in Lachen, 1884 Verweser in Kerzenheim, danach in

Vorderweidenthal, 1895 ständiger Vikar in Hüffler-Wahnwegen, 1899 bis 1909

(i.R.) Pfarrer in Imsbach. Schuler starb in Kirchheimbolanden am 15.3.1912. Er war

mit Berta Wagner verheiratet.

Karl Otto Westenberger war Pfarrverweser in Vorderweidenthal. Im Jahresbericht

für 1887 beklagte er, die Sittlichkeit ließe viel zu wünschen übrig. Westenberger

stützte sich allerdings auf Stereotypen, die in den Pfarrberichten seit Jahrzehnten

wiederholt auftraten: uneheliche Geburten, geringe Frömmigkeit, Kritik der

Kunkelstuben, Branntweingenuss und mangelnde Kinderzucht der Eltern. - Der

Bauernsohn Westenberger wurde am 16.4.1862 in Odenbach am Glan geboren und

trat 1886 in den Pfälzischen Kirchendienst ein. 1888/90 war er Vikar in Callbach,

1890 Pfarrer Glan-Münchweiler, 1921 Dekan in Kusel. Dort starb er am 29.12.1930.

Am 11.10.1890 hatte er in Meisenheim Ella Schäfer (1865-1935) geheiratet.46

Eugen Friedrich Ferdinand Stepp47 war in dritter

Generation Pfarrer. Sein Vater Adolf Stepp wurde Dekan von

Obermoschel und Kaiserslautern. Die Mutter hieß Auguste

Schmidt.48 Eugen Stepp wurde in Katzweiler am 3.5.1859

geboren. Er studierte ab 1881 in Straßburg, Jena und

Heidelberg, trat 1885 in den Kirchendienst und wurde Vikar.

Am 1.11.1888 kam er als Pfarrer nach Vorderweidenthal und

zog schon 1894 weiter nach Kerzenheim. 1901 ging er nach

Minfeld, trat 1922 in den Ruhestand und starb in Bergzabern

am 11.8.1944. Stepp war seit 1892 verheiratet mit Elise

Hildebrand († Bergzabern 23.11.1946), Tochter des Seminardirektors in

Kaiserslautern Karl Hildebrandt und Marie Schwarz. Im Jahresbericht von 1889

beklagt Stepp den schwachen Besuch der Passionsgottesdienste. Bei der Visitation

gibt er im gleichen Jahre an, er lese derzeit von Honegger einen „Grundriss der

allgemeinen Cultur“.49 Der Visitationsbericht von 1891 vermerkt, der Pfarrer besitze

eine Sammlung theologischer Lehrbücher, studiere praktische theologische Literatur

und nennt besonders ein ins Deutsche übersetzte Sammelwerk des Niederländers

Daniël Chantepie de la Saussaye.50

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Pfarrer Konrad Sauter stammte aus Lachen. Dort wurde er am 8.4.1864 geboren.

Sein Bruder Ludwig (1869-1951) war ebenfalls Pfarrer.51 Nach dem Studium in

Berlin und Heidelberg wurde er 1889 Vikar in Münchweiler an der Alsenz und

Hüffler- Wahnwegen. Am 1.6.1895 wurde er Pfarrer in Vorderweidenthal, nach

vielen Pfarrerwechseln wieder einmal für eine längere Zeit. Im Visitationsbericht

von 1902 wird gerügt, dass die Orgel zu laut spiele und den Gemeindegesang

übertöne. Der Gemeindegesang war schwach, da der Gemeinde die Liedermelodien

nicht bekannt waren. Der theologische Lesestoff des Pfarrers beschränkte sich auf

praktische Literatur.52 Zum Jahreswechsel 1908/09 ging Sauter nach Lautersheim

und Ende 1914 nach Erpolzheim. Am Ende seiner Laufbahn war er müde geworden.

1929 trat er in den Ruhestand und starb in Bad Dürkheim am 31.3.1935. Verheiratet

war er mit Mathilde Schmidt (geb. 1868, † Bad Dürkheim 15.7.1955). - Die

Vakanzvertretung bis 15. Juli 1909 übernahm Pfarrverweser Reinhold Scheid (1883-

1950), 1911 Pfarrer in Jettenbach, 1913-1922 (im Ruhestand in Erlenbach bei

Kaiserslautern), † Edenkoben 15.1.1950, ledig.

Aus der Perspektive der Kirchengeschichtsschreibung der

Gegenwart von Interesse ist Pfarrer Georg Valentin

Wambsganß.53 Anders als sein Vorgänger nahm er, bis zum

Ende des Krieges ein treuer Diener der Staatskirche, die

Zeichen der Zeit wahr. Der Visitationsbericht von 1910 gibt

Aufschluss über die dienstlichen Verhältnisse der scheinbar

„guten alten Zeit“: Wambsganß urteilte über den Dorflehrer,

der zugleich Organist und bisweilen auch Kirchendiener

war, hier aber eine andere Person, „sie tun ihre

Schuldigkeit.“ Er selbst befasste sich mit Werken Houston

Stewart Chamberlains, 54 las Kant und Wernle, „Einführung

in das theologische Studium“„und hielt daneben theologische und andere

Zeitschriften. Demnach war er ein belesener Theologe ganz am Puls seiner Zeit (der

Schweizer Wernle war ein vergleichsweise junger Theologe), wenn auch der Name

Chamberlain die Verbreitung chauvinistischer Ideen anzeigt. Über die Orgel urteilt

er, sie sei „alt“. Offenbar war das Orgelwerk im Laufe der Zeit abgenutzt und

verbraucht.

Im Jahre 1911 pries Wambsganß den Prinzregenten Luitpold in einem Gottesdienst

zu dessen 90. Geburtstag einen „Vater des Vaterlandes“. Die Schulkinder erhielten

Brezeln und ein Prinzregentenbüchlein. 56 In Leinsweiler kritisierte Wambsganß den

gedankenlosen Umgang mit Lebensmitteln am Ende des Krieges, als andere hungern

mussten. In Neuhofen war er als Vertreter der Gruppe des „Bundes Religiöser

Sozialisten in der Pfalz“ in die Landessynode gewählt worden. Kein geringerer als

Kirchenpräsident Karl Heinrich Fleischmann (1867-1954) verteidigte das Rederecht

in der Landessynode auch für diese aus dem alten Schema herausspringende

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Gruppe.57 Wambsganß war Mitherausgeber der Wochenschrift „Der religiöse

Sozialist“. Geboren in Speyer am 11.5.1879, wurde Wambsganß nach seinem

Studium 1903 in den Kirchendienst aufgenommen. Vikarsdienste leistete er in

Mutterstadt, Limburgerhof und Ludwigshafen. Vom 19.5.1909 an war er Pfarrer

Vorderweidenthal. Am 1.5.1914 ging er nach Leinsweiler, am 1.3.1921 nach

Neuhofen. Von dort wurde er am l.2.1936/42 nach Dammheim versetzt und starb am

7.5.1942 in Landau. Verheiratet war Wambsganß mit Emma Margarethe geb.

Wambsganß aus Landau.

Noch ganz in die Zeit der Staatskirche hinein gehört der nachfolgende Verweser

(Verwalter) der Pfarrei Rudolf Becker,58 geboren in Eßweiler am 5.2.1891, Sohn

des Sattlers Philipp Becker und Karoline Martin. Nach Abitur im Jahre 1909 in

Kaiserslautern und Studium in Straßburg, Heidelberg, Leipzig und Gießen war er

1913 Privatvikar in Lachen. Am 16.6.1914 wurde er Verweser in Vorderweidenthal,

am 16. l. 1915 in Annweiler II, 1916 in Wallhalben und Luthersbrunn, dort ab 1919

Pfarrer, 1922 in Heimkirchen, 1932 in Colgenstein, trat zum 1.7.1957 in Ruhe und

starb in Grünstadt am 10.12.1959. Er war seit 1922 verheiratet mit Johanna Knerr

aus Kröppen (geb. 1900).

f. Der Friedhof

Abschließend zu dieser Epoche ein Wort zum 1839 eröffneten heutigen Friedhof,

damals „vor dem Dorf: Dieser wurde 1881 erweitert und war ab 1940 auch

Soldatenfriedhof. Im Zuge der aufgeklärten Hygienevorschriften forderte der

bayrische Staat im Anschluss an eine Verordnung Kaiser Josephs II. für Wien die

Verlegung der Friedhöfe aus der Ortsmitte - dort waren sie als Kirchhöfe seit dem

Mittelalter zumeist angelegt vor die Orte und Städte.59 Diese Veränderung wurde

fast Überall in Deutschland vorgenommen. Die Friedhöfe blieben nur am alten Platz,

wenn die Kirche in Ortsrandlage stand.

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Blick auf die Friedhofshalle

Blick über den Friedhof auf das Dorf mit der Kirche im Zentrum

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Denkmalkreuz oberhalb der

Kriegsgräberstätte

77 Kriegstote haben in Vorderweidenthal ihre letzte Ruhe gefunden.

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Auch einige Frauen befinden sich unter den hier begrabenen Kriegsopfern. Das

jüngste Opfer war ein Mädchen von 14 Jahren. Den Kampfhandlungen fiel ein

Mann aus Vorderweidenthal zum Opfer, der ebenfalls im Ehrenfriedhof seine letzte

Ruhe gefunden hat.

Erinnerungstafel am Straßenseitigen Zugang zur Kriegsgräberstätte. Sie wurde im

Jahre 1957 eingeweiht. Die Sandsteine der 12m langen Einfriedungsmauer wurden

1956/57 aus dem gemeindeeigenen Kirchensteinbruch gewonnen. Die im März

2013 durch einen Verkehrsunfall beschädigte Mauer musste wegen Instabilität

abgetragen werden und wird zur Zeit der Abfassung dieses Beitrags durch einen

Steinmetzbetrieb von Grund auf neu aufgezogen (Die Rheinpfalz - Ausgabe Landau

v. 4.5.2013)

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1. Biundo 5001 und Ergänzungen.

2. Ein Fallbeispiel für die. Pfalz: Karl Baumgar Philipp Jacob Roemmich (1766-1813).

VVPfKG21 (1999).

3. The Hauke Family from Wetzlar, http://www.wargs.com/royal/hauke.html (1.3.2013).

4. Biundo 5000.

5. Biundo 137, 138. Da ihre Söhne bereits 1810 und 1813 geboren wurden, war Karoline kaum

die Tochter des Vorderweidenthaler Pfarrers (gegen Biundo).

6. Biundo 4077.

7. Bernhard H. Bonkhoff u. Sonja Schnauber, Quellenbuch zur Pfälzischen Kirchenunion:

VVPfKG 18 (1993), 249-253. Weitere Beispiele zur rationalistischen Dichtung im

Unionsgesangbuch und zur Person Müllers bei Friedhelm Hans, Die kirchlichen Verhältnisse

nach der Pfälzischen Kirchenunion von 1818 bis zum Neubau der Kirche [Unterkapitel zur

Ortskirchengeschichte]: Erpolzheim. Lebensbild eines Dorfes Bd. 2, Erpolzheim 2011. 207-

226.

8. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal) Nr. 5; zu Walther s. Robert Hensel, Geschichte Bergzabern,

372ff. u.a.; die Diözesansynode vermisst alte und beliebte Lieder im Gesangbuch von 1823,

Hensel 397: Friedhelm Hans, Grundlinien evangelischer Kirchengeschichte in Barbelroth.

Germersheim 2004, 123-173; Biundo 5695.

9. Friedrich Theodor Frantz, Morgenröthe 5 (1846), 361 z. n. Bonkhoff/Schnauber 249 f.: zu

Frantz s. Biundo 1404, BPfKG 47 (1979), 48 (1980).

10. August Becker, Die Nonnensusel, überarb. Ausgabe v. Oskar Bischof. Neustadt 1962, 66: die

5. Aufl. Kaiserslautern 1919, 76, enthält den - originalen - Klammerzusatz.

11. Zu Scholler s. Biundo 4875, vgl. auch Friedhelm Hans, Der Landauer Pfarrei-Stammtisch

und seine Vorläufer im Gefüge anderer Pfarrversammlungen: BPfKG 79 (2012), 87-134, bes.

104. Scholler als Schriftsteller: Zeugnis der Wahrheit in Sachen der evangelischen Kirche der

Rheinpfalz, München 1861; Schilderung seiner Reise nach Italien (1829). 2 Bde. 1831/32:

Christian Knapp und seine literarische Leistungen, Leipzig 1839; Katechismus der

evangelisch protestantischen Kirche in der bayrischen Pfalz am Rhein, 1846: Pfälzer Briefe,

1858; Das Recht des Gewissens, 1856.

12. *J815, Tochter von Biundo 4226 (Friedrich Wilhelm Reichhold, 1779-1836; über ihn

Friedhelm Hans in Erpolzheim Bd. 2 (wie Anm. 7), 207.

13. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal), Nr. 22; ZASP Abt. 44.11 (Pfarrbuch 1843/53).

14. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal), Nr. 29.

15. Biundo 2088, Sohn von Biundo 2087; Lit.: Friedhelm Hans, Barbelroth (wie Anm. 8), 123-

173. hier 143.

16. Jahresberichte ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal). Nr. 14.

17. ZASP 44 (Vorderweidenthal). Nr. 17.

18. ZASP 44 (Vorderweidenthal), Nr. 16.

19. Biundo 2009, BPfKG 49 (1982); Dietmar Wenzel, 500 Jahre Kirche in Rohrbach, Meisenheim

o. J. [1984]. 162, nennt die acht Kinder der Eheleute Heintz, von denen fünf als Kinder

gestorben sind.

20. ZASP Abt. 44 (Vorderweidenthal), Nr. 26.

21. ZASP Abt. 44’(Vorderweidenthal), Nr. 11 Pfarrbuch für die Jahre 1843/53: Abt. 44

(Vorderweidenthal). 275.

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22. ZASP44 (Vorderweidenthal), Nr. 22 Jahresberichte..

23. ZASP 44 (Vorderweidenthal Nr. 19.

24. Hermann Wilhelm Caselmann, 1820-1902. 1847 Pfarrer Annweiler II 1852 Neustadt a. d.

Haardt III, 1857 Dietersdorf, 1861 Ansbach, 1877 (i. R.) Dekan Bayreuth, Kirchenrat, †

17.11.1902: beerdigte Richard Wagner: ∞ 3.9.1846 Julie Karoline Culmann (* Bergzabern

1829), T. v. Biundo 860; Werke: Wie Dr. Märt. Luther den rechten Grund des Glaubens

gefunden, 1846: Herausgeber des „Evang. Kirchenboten“: Biundo 737; Karl Theodor August

Wilhelm Lyncker, 1816-1895, 1840 Pfarrer Nohfelden, 1848 Annweiler I, 1853 Dekan

Bergzabern I, 1859 Dekan Speyer l, 1883 Kirchenrat, † 7.8 1895. 1849-1893 Vors. d. Basler-

Mission-Vereins: Vorbereiter des Baus der Gedächtniskirche in Speyer; ∞ 7.7.1841 Karoline

Wilhelmine Fuchs (1822-1876), h (17 Kinder): Veröff.: Erste Unterweisung aus Gottes Wort

1865; Der Katechismusstreit der evang. Kirche der Pfalz 1871: Die Entwicklung des

kirchlichen Lebens in der vereinigten Kirche der Pfalz. Speier 1860; Bausteine zur

christlichen Lehre; Presbyterialverfassung 1888; Biundo 3253.

25. Angaben nach den jeweiligen Jahresberichten. Zu den Personen: Karl Philipp Jakob König,

* Dürkheim 22.11.1804. 1832/41 Stud. Lehrer Dürkheim. 1841/48 Pfarrer Oppau, 1848/56

dritter Pfarrer Speyer, 1857/64 Pfarrer Wachenheim (Haardt). 1864 dritter Pfarrer u. zweiter

geistl. Rat Speyer. 1876 emeritiert, † Speyer 10.5.1888: Dürkheim 2.12.1832 Amalie Luise

Mühlhäuser; Werke: Botanischer Führer durch die Rheinpfalz. Hochverdient um den Pfälz.

Gustav-Adolf-Verein und den „Retscherverein“- Bildnis in der Gedächtniskirche Speyer;

Biundo 2818, BPfKG 51 (1985): Johann Philipp Schwarz, Dr. phil., * Emskirchen an der

Aaurach 8.5.1810. 1835 in München (Predigerseminar u. Spitalgeistlicher). 1837 in Tirol,

1838/39 Stud. Berlin 1839/43 Vikar Passau, 1841 Dr. phil. Erlangen. 1843/46

Religionsprofessor Lyzeum Speyer, 1846/56 Pfarrer Odernheim am Glan, 1856/61

Bergzabern II, 1861/69 Dekan Bergzabern I. † 4.2.1869; ∞ Pauline Kollenberger. Biundo

4981; Veröff.: De populorum ingenio in decursu historiae universalis conspicuo (Dissertation

Erlangen 1841); unter dem Pseudonym „Philipp von der Aaurach“: Das Heil kommt nicht

von Österreich. 1859: Schleswig-Holstein und Preußen, Mannheim 1865; Die kirchlichen

Simultanverhältnisse in der Pfalz am Rhein, Mannheim 1866: Der Luxemburger Händel und

die Französischen Rheingelüste, München 1867; Unterlagen und Vorarbeiten zu C. Menzel,

Herzog Wolfgang von Zweibrücken, Bonn 1893: Mitbegründer und 1863/69 Redakteur der

„Union“. Robert Hensel bescheinigt dem zunächst mit Vorbehalt aufgenommenen Dekan

Schwarz und seinem liberalen Kollegen Maurer in Bergzabern nach dem Gesangbuchstreit

eine konstruktive Zusammenarbeit: Hensel, Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde

Bergzabern seit der Reformation, Zweibrücken 1993, 465.

26. Biundo 952, BPfKG 45 (1978), BPfKG 54 (1987). Als uneheliches Kind einer Bürgerlichen

gelang ihm ein für die damalige Zeit erstaunlicher Aufstieg, s.a. die Angaben über ihn bei

Friedhelm Hans, Aus der Geschichte, der protestantischen Gemeinde in Schweigen: 1200

Jahre Schweigen, Germersheim 2002, 223-252, bes. 238.

27. Biundo 6101.

28. Biundo 1061 u. Ergänzungen. BPfKG 45 (1978).

29. ZASP Abt. 102, Nr. 103 v. 6.5.1861.

30. Friedrich Börsch, 1794-1880. 1820Verw. Kleinhockenheim, zugl. 1819 Stud. -Lehrer

Grünstadt, 1822 Stud. -Lehrer Dürkheim, 1829 Stud. -Lehrer Grünstadt, 1831 Pfarrer

Mußbach. 1836 Dekan Neustadt III, 1841 Kaiserslautern II, 1842 Kaiserslautern I. 1847

Konsistorialrat Speyer, infolge des Gesangbuchstreites 27.2.1863 in Ruhe, † Speyer

27.9.1880 (Grabrede u. Nekrolog von Dekan Lyncker. Kaiserslautern 1880); ∞ 1824 Susanna

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Vogeley († Speyer 27.2.1875); Veröff.: Zweifel und Glaube, 1829; Tempelbilder: 1832;

Biundo 487.

31. Friedhelm Hans, Jakob Exter (1817-1889). der erste Vorstand des Protestantischen Vereins

der Pfalz; BPfKG 76 (2009), 93-112; dort weitere Literatur.

32. Jahresberichte ZASP 8 Nr. 65; Heinrich August Wilhelm Meyer, ev.-luth. Exeget und

Theologe, 1800-1873, bekannt, als Begründer einer kritischen Kommentarreihe zum Neuen

Testament: Gustav (?) Baur, Theologieprofessor in Leipzig, 1816-1889; Christoph Ernst

Luthardt, Neutestamentler, Professor in Leipzig, 1823-1902; Christoph Johannes

Riggenbach, Schweizer ref. Theologe und Kirchenhistoriker, 1818-1890: zu Ludwig Mettel:

Biundo 3443, BPfKG 53: * Lauterecken 25.8.1837, 1861 Vikar Mittelbach. Landstuhl,

Neuhofen. 6.11.1867 Pfarrer Vorderweidenthal, 26.9.1871 Annweiler II, 1879 Annweiler I,

1886 Dekan Homburg, † 22.3.1894; ∞ Anna Charlotte Salome Wolf.

Werke: Biblische Geschichte, katechetisch bearbeitet. Annweiler 1883; Schaffet, daß ihr selig

werdet (Confirmandenbüchlein), Speyer 1869; 1870. Altes und Neues. 1873;

Trifelserinnerungen. Kaiserslautern 1888.

Lt. Tochter Ella (∞ Rettig) war M. vor seiner Versetzung als Pfarrverw. nach

Vorderweidenthal Vikar bei dem alten Pfarrer Esch (Biu. 1171) in Bischheim: Gedicht

Haussegen in ZASP 502. - 632 l. Num.: 632.

33. ZASP 502. - 632 l. Num.: 632, Pfälzisches Memorabile Teil 9 (5. Nachtragheft) 1881, 135 f.

34. Beispiele der genannten Dichter vgl. „Lustig und fidel“: Die Gedächtniskirche im Spiegel der

Protestationsfeiern von 1929: BPfKG 71 (2004), 487-495.

35. Karl Adolf Theodor Rettig, * Zweibrücken 21.1.1864, 1887 Vikar Neuburg, Wörth. Altdorf,

Oberndorf, Mittelbexbach, Verweser Niederkirchen bei Kaiserslautern, 16.1.1892 Pfarrer

Walsheim an der Blies. 11.10.1906 Mittelbach, † 12.11.1909.

36. Biundo 3443, BPfKG 53(1986); zu Johann Christian Esch s. Biundo 1171. Veröff.: Biblische

Geschichte, katechetisch bearbeitet, Annweiler 1883: Schaffet, daß ihr selig werdet

(Confirmandenbüchlein), Speyer 1869. 1870; Altes und Neues, 1873; Trifelserinnerungen.

Kaiserslautern 1888.

37. 37 Ludwig Ferdinand Mettel, Biundo 3444; * Vorderweidenthal 1.7.1871. 1896 Lehrer

Weierhof, 1898 Vikar in Freckenfeld, 1898 beurlaubt, 1899 Verweser Wiesbach. 1901 Vikar

in Edenkoben. Göcklingen. Mittelbexbach und Hochspeyer, 1903 beurlaubt, 1905 ständiger

Vikar in Lauterecken, 1908 Pfarrer Mechtersheim, 1915 Contwig, 1932 Pfarrer Göcklingen,

i. R. 1938, † Winkel 12.1.1948: ∞ 14.4.1903 Luise Theodora Petri. (*Altleiningen 28.9.1877.

† Winkel 1945), Tochter von Biundo 3983. „Die Feinde des Deutschtums“, Vortrag v. 1888.

ZASP Abt. l Nr. 105, 471; „Der schottische Reformator“von 1890 s. ZASP Abt. l, Nr. 105.

75; ,. Eine Herde und ein Hirte“: 1892, ZASP Abt. l Nr. 105, 535; „Die Behandlung der

sozialen Fragen in den vier ersten Jahrhunderten der Christlichen Kirche „, 1891. ZASP l

Abt. l Nr. 105. 699.

38. Friedrich Ludwig Mettel, Biundo 3445, * Annweiler 18.10.1881. Stud. 1902 Straßburg, 1906

in den Kirchendienst aufgenommen, 1908 ständiger Vikar Maxdorf, Ludwigshafen. 1910

Pfarrer Theisbergstegen, 1913 Lettweiler, 1919 Ebertsheim, 1925 Frankenthal II, 1933

Dekan Bergzabern II, † Heidelberg 7.8.1937: ∞ Rosa .... (t 8.7.1957).

39. Biundo 3530, BPfKG 53 (1986). Sohn Friedrich Wilhelm Mohr, Biundo 3532. *

Vorderweidenthal 26.5.1872, Stud. 1893 Straßburg, Heidelberg, Greifswald u. Zürich, 1899

Vikar, 1908 Pfarrer Gangloff. 1913 Weisenheim am Berg, 1927 Konken, 1927 Gundersweiler,

1936/39 (i. R.) Speyerdorf, † Neustadt a. d. W. 28.2.1949: ∞, Barbara Baumann (1881- 1958).

- Sohn Heinrich Jakob Mohr, Biundo 3533, * Vorderweidenthal 24.8.1876, Stud. 1894

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Greifswald, Straßburg, Halle u. Heidelberg, 1899 Hauslehrer Halle, 1899 Vikar, 1909

Pfarrer Altenkirchen, 1913 Morschheim, 1.1.40 (i. R.), † Kirchheimbolanden 9.3.1958: ∞

Frieda Rohne (* Halle/Saale 1879, † 1954).

40. Jahresbericht 1876. Visitationsbericht 1879. ZASP Abt. 8, 65. Im Jahresbericht 1875 hat er

noch die Kunkelstuben erwähnt.

41. ZASP 851 Pfarrbeschreibung 1954. Zu Noé s. Biundo 3827, BPfKG 54 (1987): veröff.: Thut

Buße - der Herr ist nahe! [Predigt z. Gedächtnis Dr. A. Henhöfers am 6. S. n. Trin. 1889,

Bellheim = 68. Gabe d. Ev. Vereins für die Pfalz]; Pfarrer Job. Schiller, Bahnbrecher der

Inneren Mission in der Pfalz. Kaiserslautern 1929: Hg. der FS zum 80jhg. Jubiläum des

Evang. Vereins f. d. Pfalz.

42. Gemeint das Werk Franks: Gesch. der prot. Theol. I, 1862 II. III. 1875: IV, aus dem Nachlass

hg. v. Georg Loesche, 1905.

43. Jahresberichte 1883, 1885 und 1886; ZASP Abt. 8, 65. Kunkelstuben, Spinnstuben: August

Becker berichtet in „Die Pfalz und die Pfälzer „Kunkelstuben seien früher weit verbreitet

gewesen. Man traf sich von November bis Anfang März - Frauen strickten, webten oder

spannen. Männer brachten ihr Werkzeug in Ordnung, man erzählte und las anheimelnde und

gruselige Geschichten und auch Märchen, wenn der Winterwind an den Fensterläden rüttelte.

Nicht selten ging es dabei hoch her.

44. Biundo 4530. Friedhelm Hans. Barbelroth (wie Anm. 8), 145 ff.; zur Ehefrau s. Biundo 4228,

zu Reichhold und Tochter Biundo 2954. Sohn Johann Wilhelm: * Barbelroth 4.12.1891,

Gymnasium Landau, Studium 1911 München, Erlangen. Heidelberg und Utrecht,

Aufnahmejahr 1915, 1915 Kriegsdienst, 1919 Stadtvikar Homburg, 1920 Pfarrer

Mackenbach, 1923 Annweiler II. 1931 Ludwigshafen, 1939 Dekan Kaiserslautern I, †

14.7.1942: ∞ Homburg 20.7.1920 Marie Magdalen(a/e) Mathilde Schlosser (*1896); Biundo

3531.

45. Biundo 4948.

46. Biundo 5903; die Tochter Katharina heiratete den Pfarrer Andreas Cassel (1890-1966),

Biundo 743.

47. Biundo 5251; Foto aus dem Jahre 1898: ZASP Abt. 154.

48. Biundo 5250.

49. Korrekter Titel: Grundsteine einer allgemeinen Kulturgeschichte der neuesten Zeit, 5 Bde (Bd

l: Die Zeit des ersten Kaiserreiches. Bd. 2: Die Zeit der Restauration. Bd. 3 u. 4: Das

Julikönigthum und die Bourgeoisie. Th. 1-2. Bd. 5: Dialektik des Culturgangs und seine

Endresultate), Leipzig 1868-1874 (sein Hauptwerk). Johann Jakob Honegger (* 1825 in

Dürnten; † 1896 in Stäfa) war ein namhafter Kulturhistoriker, nach Meyer,

Konversationslexikon, 4. Aufl. 1887. ZASP Abt. 8, 65.

50. D. Ch. de. la Saussaye, Theologe, * 1818 in Den Haag. † 1874 in Groningen. C. war seit.

1842 Pfarrer der wallonischen Gemeinde in Leeuwarden, später in Leiden und in Rotterdam,

seit 1872 Professor in Groningen. Er ist bekannt als führender Vertreter der

„ethischkonfessionellen „Richtung: Friedrich Wilhelm Bautz, Art. D. Ch. de la Suassaye:

BBKL I (1990). 982. Gesammelte Schriften, dt. Freiburg 1887-1889 in 2 Bdn.

51. Biundo 4595, Friedhelm Hans, Erpolzheim (wie Anm. 7). Bruder: 4594, dessen Sohn

Hermann 1940/62 Direktor der Landesbibliothek Speyer. ab 1962 Direktor der

Universitätsbibliothek in Mainz.

52. ZASP Abt. 8. 65, Visitationsbericht von 1902. - Zu Reinhold Scheid s. Binndo 4662.

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53. Biundo 5704. Friedhelm Hans. Die Kirchengeschichte. von Leinsweiler: Ortsgemeinde

Leinweiler (Hg.), Speyer 2006. 135-156. Biogramm im projektierten Handbuch der

Landeskirche für die Zeit des Nationalsozialismus (erscheint 2014). Foto (um 1930): ZASP.

Abt. 154. ‘

54. Visitationsbericht 1910 im ZASP Abt. 8, 65. - H. St. Chamberlain, * 9.9.1855 in Porlsmouth,

England: † 19.1.1927 in Bayreuth, Schriftsteller. Verfasser populärwissenschaftlicher Werke,

u.a. zu Richard Wagner, Immanuel Kant und Johann Wolfgang von Goethe, mit

pangermanischen und antisemitischen Einstellungen. Sein bekanntestes Werk sind die

„Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ (1899).

55. Paul Wernle (1872-1937). Schweizer Neutestamentler und Kirchenhistoriker, verfasste

„Einführung in das theol. Studium. Tübingen 1908. 21911, 3 1921. vgl. Klaus-Gunther

Wesseling, Art. Wernle. Paul: BBKL 13(1998), 873-879.

56. ZASP 851 Pfarrbeschreibung 1954.

57. Friedhelm Hans, Karl Heinrich Fleischmann (1867-1954), Konsistorialdirektor und

Kirchenpräsident 1915-1930: Pfälzische Kirchen- und Synodalpräsidenten. VVPfKG 27

(2008). 11-32.

58. Biundo 275.

59. Friedhöfe spielten eine Vorreiterrolle bei der Ausdehnung der Stadt, so in München. Stefan

Fisch, Stadtplanung im 19. Jahrhundert. Das Beispiel München bis zur Ära Theodor Fischer,

München 1988, 161.

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Zwischen den Zeiten (nach dem Ersten Weltkrieg)

Unsere Kapitelüberschrift war der Titel einer erfolgreichen Zeitschrift und geht auf

den Theologen Eduard Thurneysen (1888-1977) zurück. Die Zeitschrift erschien

zwischen 1923 und 1933 im Münchener Verlag Christian Kaiser. Sie war das Forum

der neuen „Wort-Gottes-Theologie“, deren führender Kopf Karl Barth (1886-1968)

hieß, Theologieprofessor in Göttingen und Bonn, zuletzt in Basel.

Die Kirche nach 1918 war noch von der Kaiserzeit und der liberalen Theologie

bestimmt. Mit einem von der Wissenschaft geprägten Ansatz verstand sie sich als

Teil ihrer Zeit und Kultur. Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt außerdem die

Lutherforschung einen beachtlichen Rang. Die Theologen, die von der Dialektischen

Theologie berührt wurden, kamen erst ab den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts

in den kirchlichen Dienst, spürbar aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie blieb

noch lange eine Stimme in der Minderheit. Doch Barth und Bultmann prägten die

theologische Debatte zusehends (Stichworte „Entmythologisierung“,

„Wiederbewaffnung“). Die Sorge um die Kriegsgefangenen durch Pfarrer Theodor

Friedrich in Böhl und Kirchenpräsident D. Hans Stempel in Speyer bewegte die

Gemeinden unmittelbar,1 wie die Arbeit des elsässischen Pfarrers, Kirchenmusikers

und Arztes von Lambarene, Dr. Albert Schweitzer aus dem benachbarten Elsaß , in

die Gemeinden ausgestrahlt ist. Im Frühjahr 1913 war Schweitzer nach

Äquatorialafrika ausgereist, im Ersten Weltkrieg als deutscher Staatsbürger

interniert worden und insgesamt 14mal nach Lambarene gereist. Der christliche

Versöhnungsgedanken hat das kirchliche Leben nach dem Zweiten Weltkrieg in

vielen Facetten geprägt, sichtbar geworden in der Aktion Brot für die Welt seit 1959,

im kirchlichen Wiederaufbau im In- und Ausland, im Hilfswerk und der Inneren

Mission, in der praktischen und theologischen Partnerarbeit des Gustav-Adolf-

Werkes, fortgesetzt in den Hilfstransporten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs

nach Polen, Rumänien und Kroatien, weiter in der Wiedergutmachung an den

ehemaligen Zwangsarbeitern und dem jüdischen Volk. Stark war das Engagement

der Kirche in Frauen-, Kinder- und Jugendgruppen, im Männerwerk und in der

Erwachsenenbildung und nicht zu überhören in der Kirchenmusik (Chor, Posaunen-

und Orgelmusik). Wir blicken auf eine starke volkskirchliche Epoche, die sich nach

dem Ersten Weltkrieg im demokratischen Staat reorganisiert hat. Das Dritte Reich

hat begeistert und erschüttert. Nach dem Zusammenbruch von 1945 konnte sich

kirchliches Leben wieder entfalten. Die Gegenwart sieht sich neuen

Herausforderungen gegenüber.

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Ernst Jung

Ernst Richard Wilhelm Jung2 steht als Pfarrer in Vorderweidenthal am Übergang

von der Staatskirche zur Volkskirche in der Republik, in der Pfalz beschwert durch

die unübersehbare Besatzungsmacht, geschockt vom Kriegserleben und aufgewühlt

vom Separatismus und Straßenkampf in den Industrierevieren. Jung wurde in

Maudach am 16.3.1887 als Sohn des Oberlehrers Ernst Jung und seiner Ehefrau

Elisabeth Sutter geboren. Er gelangte er nach seinem Studium in Erlangen, Berlin,

Tübingen und Straßburg und Militärdienst 1911 als Verweser nach Marienthal,

Ensheim und Germersheim. Vom 16.1.1915 bis 1931 war Jung Pfarrer in

Vorderweidenthal. 1931 wechselte er bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1955 nach

Laumersheim. Jung starb in Annweiler am 23.11.1970. Er war seit dem 16.5.1916

verheiratet mit Katharina Margarete Schloßstein (1894-1977), Tochter eines

Oberstudienrates.

Ernst Jung mit Ehefrau

und Tochter Liselotte

Die auffällige Angabe bei Georg Biundo, Pfarrer Ernst Jung sei 1945 pensioniert

worden, hat sich beim Blick in die Personalakte sofort als falsch erwiesen. Der

Irrtum hat aber dazu geführt, die Persönlichkeit Jungs näher zu betrachten. Im

Ergebnis hat sich Jung als grundsolider und gegenüber jeglicher Anfechtung,

besonders des politischen Zeitgeistes, erhabene Persönlichkeit herauskristallisiert.

Dies hat sich auch in Vorderweidenthal bestätigt, als es 1920 eine Kampagne gegen

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den Ortspfarrer gegeben hat: Am 26.4.1920 wurde ein Beschwerdeschreiben gegen

Pfarrer Jung verfasst. Demnach hätte er sich „sehr rege“an den Gemeinderatswahlen

beteiligt. Daher hätten die Eltern ihre Kinder nicht mehr in den Religionsunterricht

des Pfarrers geschickt. Als Jung von dem Beschwerdeapell erfahren habe, hätte er

die Eltern aufgefordert, sie sollten das Schriftstuck zurücknehmen, er wolle alles

wieder gut machen. Die Vorwürfe lauteten. Jung wäre von Mitgliedern der

Ackerbauern... (?) mit Butter und Milch bestochen worden und habe den früheren

Bürgermeister vor Gericht gezogen. Die Beschwerdeführer schreiben: „Ein

beschränktes Frauenzimmer das nicht einmal seinen Namen schreiben kann ... habe

aus Spaß von einer .angeblichen Misshandlung’„gesprochen, sie habe den

Strafantrag gegen den früheren Bürgermeister umgestellt, weil der Herr Pfarrer ihr

keine Ruhe gelassen habe. Es folgen etwa dreißig Unterschriften.

Am 10.5.1920 gab das vom Landeskirchenrat konsultierte Dekanat dem Pfarrer

Recht. Der ehemalige Bürgermeister Schmitt wäre der Urheber der Beschwerde. Der

Pfarrer bemerkte, dass unter den Beschwerdeführern sich zwei zwanzigjährige

Jünglinge und ein Katholik befanden. Es wäre aufgefallen, dass man nicht mehr als

vier Frauen zur Unterschrift habe auftreiben können. Pfarrer Jung verteidigte sich.

Seine „rege Beteiligung“bei Gemeinde-, Bezirks und .Kreiswahl habe lediglich in

der Stimmabgabe bestanden! Die vorgebliche Bestechung wäre nichts als ein

dummer Vorwurf. Der Kirchendiener habe nicht gewusst, was er unterschrieben hat,

die Kinder gingen weiter in den Religionsunterricht.

Im Hintergrund ergab sich, dass sich die Frau bei der Lebensmittelzuteilung

übervorteilt sah. Der Pfarrer riet ihr, gegen Schmitt gerichtlich vorzugehen. Dieser

habe der Frau gesagt: „Dem Saupfaffen möchte ich am liebsten ein paar hinter die

Ohren geben.“ Jung führt die Misere auf das Vorhandensein von Parteien zurück.

Sie hätten den Frieden im Ort schon vor seinem Hiersein gestört. Nachdem nun

Schmitts Partei unterlegen war, hätte es Tränen gegeben. Parteigänger Schmitts

hätten nach der Niederlage dem Pfarrer überbracht, er solle zu den anderen gehen

und dort darum bitten, man möge der Partei Schmitts das Amt des zweiten

Bürgermeisters überlassen. Wenn er dies tue, wäre wieder alles gut; der Brief würde

nicht abgeschickt und die Kinder gingen wieder in den Religionsunterricht.

Jung gestand ein, er habe den Fehler gemacht, die Nachricht als Vermittler zu

überbringen - ohne Erfolg übrigens. Er schloss mit der Bemerkung, er habe ein

„heiter ruhiges Gewissen“in der Sache. Die Personalakte enthält tatsächlich ein

Solidaritätsschreiben für Jung mit hundert Unterschriften vom 16.5.1920. Dekan

Philipp Friedrich Born3 meldete am 30.5.1920, dass sämtliche protestantischen

Schüler wieder den Religionsunterricht besuchen würden.

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139

Die Wogen glätteten sich, erst ein knappes Jahrzehnt darauf hegte Jung den Wunsch

zur Versetzung. Am 5.1.1929 zog er eine Bewerbung auf die Pfarrstelle Rinnthal

zurück, dafür reichte er am 8.4.1931 eine neue für Laumersheim ein, der

stattgegeben wurde. Wenn Jung auch wie die meisten anderen Pfarrer den vom

Landeskirchenrat erzwungenen Eid auf den Führer Adolf Hitler am 20.5.1938

unterschrieben hat, gegengezeichnet von Landesbischof Diehl, tat er in seinem

Pfarrdienst alles, um selbst den geringsten Anschein einer Querverbindung mit dem

Nationalsozialismus zu vermeiden. Nach dem Kriege, am 19.5.1947, schrieb er: Er

habe am 27.9.1936 im Gottesdienst für evangelische Schwesternschaft geworben. In

diesem Zusammenhang hätte er von einem Parteigenossen erfahren, dass für die

braune NS-Schwesternschaft geworben würde. Daraufhin trat Jung am 29.9.1936

aus dem Opferring4 aus, um keinerlei Verbindung mit der NSDAP oder einer ihr

nahestehenden Organisation zu besitzen.5 Auf einem Fragebogen des

Landeskirchenrates gab Jung am 17.8.1945 glaubhaft an, er sei kein Mitglied

NSDAP oder einer ihrer Gliederung gewesen und habe in seinem Dienst keine

deutschchristlichen Rituale verwendet. In Laumersheim bewältigte Jung den

Kirchenbau 1951/53.

In Vorderweidenthal vermerkte Jung als Besonderheit am 14.11.1918 die Feiern

zum hundertjährigen Jubiläum der pfälzischen Kirchenunion von 1818, die aber am

Ende des Ersten Weltkrieges in einer düsteren Lage untergingen. In den

Jahresberichten notierte Jung u.a. das am 16.6.1929 gefeierte Gustav-Adolf-Fest, bei

dem Pfarrer Georg Otto Wenz6 ausrohrbach die Festpredigt gehalten hatte. Jung und

seine Gemeinde beteiligen sich am 30.6.1930 mit einer Mitternachtsfeierstunde zur

Räumung der besetzten Zone, wie es landesweit gehalten wurde.

Mit Friedrich Gottlob Laukenmann.7 geboren am

6.7.1900 1 in Darstein, bezog ein Sohn der Pfarrei das

Pfarramt in Vorderweidenthal. Vater Gottlob

Laukenmann (* Rothenburg o. d- Tauber 28.3.1866,

† Oberhausen bei Bergzabern 7.6.1927) war Lehrer

und hatte am 21.5.1896 die in Vorderweidenthal

geborene Marie Löwenberg (Tochter eines Lehrers, *

Vorderweidenthal 25.12.1863, † Oberhausen

18.11.1926) geheiratet. 1918 wurde im Alter von 18

Jahren noch Soldat. Erst in den Jahren von 1924 bis

1927 studierte er Heidelberg und Tübingen, kam am

20.3.1928 als Aushilfsgeistlicher nach Wörth, wurde

am 16.11.1928 Verweser in Rohrbach b. Landau, am

1.5.1929 in Schmalenberg und am 1.10.1930 in

Laumersheim. In derselben Funktion trat er am 16.7.1931 in Vorderweidenthal an,

um ab dem 1.7.1932 als Pfarrer in Vorderweidenthal zu dienen. Am 16.1.1937 bezog

er die Pfarrstelle Minfeld, blieb dort fast dreißig Jahre lang und ging am 31.1.1967

in den Ruhestand. Lange Jahre hatte er den Vorsitz der Kirchenschaffnei Guttenberg

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inne, deren Einkünfte den angeschlossenen Kirchengemeinden zugutekamen.

Laukenmann starb am 27.11.1972 in Zweibrücken. Am 7.1.1921 hat er in Kapellen

die Ehe mit Elisabeth Katharina Rapp (1910-2000) geschlossen. Die 1937 geborene

Tochter Eleonore Klara Grimm geb. Laukenmann, ist mit dem Ruhestandspfarrer

und früheren Dekan von Neustadt Hans Jürgen Grimm8 (* 1928) verheiratet.

In Vorderweidenthal vermerkte Laukenmann im Jahresbericht für 1933 einen am

17.9.1933 abgehaltenen Diakoniegottesdienst und am 10.11.1933 einen Gottesdienst

als Lutherfeier mit Schwerpunkt auf dem 400jährigen Jubiläum der

Lutherübersetzung der Bibel. Der Visitationsbericht des Dekanats von 1934 hielt

fest, dass die Predigten geordnet vorlagen und sowohl die Amtsblätter der Landes-

wie der Reichskirche gebunden waren. Wichtiger aber dies: Laukenmann habe ein

gutes Verhältnis zu den Schullehrern und unterrichte mit viel Liebe. Für die Jahre

1936 bis 1939 finden sich keine Aufzeichnungen (Jahresberichte), die einen näheren

Einblick in das damalige Gemeindegeschehen erlauben.

Laukenmann wurde am 26.8.1939 zur Wehrmacht für 14 Tage eingezogen worden

„in äußerster Stellung am Westwall“, bevor er „in Ruhe“nach Landau zurückkehren

konnte, ungewiss, wie lange die Freistellung dauern würde. Das frühe Einzugsdatum

des bereits 43 Jährigen fällt auf und lässt auf nur geringe Rücksichtnahme der

staatlichen Behörden bzw. Parteistellen auf den geistlichen Berufsstand

zurückschließen. Laukenmann dankte am 10.12.1939 dem Landesbischof Ludwig

Diehl für das Büchlein „Wie soll ich dich empfangen“. Er reflektierte in seinem Brief

an Diehl, man habe sich schon in vorderster Front befunden: „Was haben wir damals

als Grenzländer körperlich und seelisch alles erlebt!“ Er sieht die Gefahren draußen

im Felde, aber die Sorge um Frau und Kind, die Haus und Hof verlassen mussten

(Rote Zone), treibe zusätzlich um. Laukenmann ist in Neustadt a. d. W. für den

Wachdienst an lebenswichtigen Objekten abgestellt. Er wohnt kostenfrei im

Casimirianum und wird von den Diakonissen versorgt. Während eines Urlaubs

wohnte er 1940 wiederum im Casimirianum. Minfeld lag in der Roten Zone und

musste geräumt werden. Die Ehefrau fand Aufnahme in Dürkheim, die Möbel

verblieben u.a. in Minfeld auf Lager.9

a. Kriegszeiten: Vertretungen, Räumung, Wiederaufbau

(Zweiter Weltkrieg und Folgezeit)

Nach Laukenmanns Weggang brach in Vorderweidenthal wieder eine

Vertretungszeit an. Ab dem 16.1.1937 wirkte hier Helmut Lambach10 „als

Pfarrverweser. Der in Freckenfeld am 13.5.1908 geborene Sohn des Landwirts Karl

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Lambach und der Anna Scheidt hatte zwischen 1930 und 1935 in Herrnhut,

Tübingen und Erlangen studiert. Lambach wurde im Mai 1935 ordiniert, ging am

1.6.1935 als Verweser nach Erlenbach bei Kandel und kam am 16.1.1937 nach

Vorderweidenthal, unterbrochen von einem Aufenthalt am Predigerseminar in

Landau. Vertretung durch Vikar Mauck (1912-1945). Aus Impflingen ersuchte

Lambach am 13.7.1937 die Erlaubnis zur Heirat mit „Fräulein, Elisabeth Meyer“,

die Oberkirchenrat Stichler11 am 22.7.1937 gewährt.

Ab dem 16.8.1937 fungierte er wieder als Verweser in Vorderweidenthal. Am

12.5.1938 unterschrieb er den Eid auf den Führer Adolf Hitler in Landau vor

Landesbischof Diehl. Daraufhin ereilte ihn ein herber Schlag: Kurz vor dem

23.6.1938 ist laut Mitteilung des Dekans Gilcher12 in Bad Bergzabern seine Frau in

Vorderweidenthal plötzlich gestorben und wird in Impflingen begraben. Im April

1939 erbat Lambach vier Wochen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen. Kollege

Mohr aus Mechtersheim vertrat ihn. Nach der Evakuierung nach Franken erhielt er

im Oktober 1939 Urlaub für Dauer eines Jahres, ab 10.10.1940 bat er um Erlaubnis

zur Fortsetzung seines Studiums, den Oberkirchenrat Roland13 genehmigt. Zur

Wehrmacht eingezogen, teilte „Schütze Helmut Lambach“am 3.8.1940 aus Posen

als neue Heimatanschrift „über Karl Meyer I. in Impflingen“mit, also die Adresse

des Schwiegervaters. Auf eigenen Antrag hin wurde Lambach am 15.10.1941 zur

Fortsetzung seiner Studien im Fach Medizin beurlaubt und ist aus dem Pfarrdienst

ausgeschieden.14

Ein fast vergessener Theologe aus Vorderweidenthal ist Rudolf Hoff.15; Am

25.5.1910 in Vorderweidenthal geboren, studierte Hoff von 1934 an in Heidelberg,

Erlangen und Tübingen. Aufgenommen in den kirchlichen Dienst im Jahre 1938,

wurde Hoff wie der etwas jüngere und nach dem Kriege in Vorderweidenthal

eingesetzte Adolf Fiedler 1938/39 beim Landeskirchenarchiv in Speyer und im

Predigerseminar beschäftigt. Am 16.10.1939 versah Hoff Aushilfsdienste in

Ramstein. 12.9.1939 gab er als Wohnort Lichtenfels an, offenbar betreute er

Gemeindeglieder aus der geräumten „Roten Zone“. Ab dem 20.9.193916 war er

Verweser in Hermersberg, bevor er zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Am

22.2.1940 hatte er für sein Motorrad einen „roten Winkel“17 beantragt. Am

25.4.1940 hatte er in Ramsen die aus Vorderweidenthal stammende Olga Paula

Zeller (* Vorderweidenthal 24.2.1914, † in Ludwigshafen 11.2.1985) geheiratet, die

später zusammen mit ihrem ledigen Bruder in einem Haushalt in Vorderweidenthal

gelebt hat. Hoff schrieb am 2. l. 1943 an Landesbischof Ludwig Diehl über die

Indifferenz vieler Soldaten, wusste aber von Militärpfarrern zu berichten, die Gottes

wundersame Führung gerade auch im Kriege predigen. Zu diesem Zeitpunkt tobte

die Vernichtungsschlacht um Stalingrad. Hoff selbst sprach mit seinen Kameraden

über den Glauben, wie er selbst schrieb, nicht ohne Erfolg. Offenbar während eines

Urlaubs bestand er die Zweite Theologische Prüfung im März 1944 in Speyer.

Erteilte am 1.12.1944 seine Beförderung zum Fähnrich mit. Am 12.7.1944 wurde er

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aus dem Etappendienst an die Front versetzt. Frau und Kind wohnten nach einer

Mitteilung Lambachs vom 10.1.1945 in Winterlingen bei Balingen. Lambach selbst

blieb seit 1945 vermisst. Die Pfarrwitwe Hoff versah in Vorderweidenthal ab 1949

das Amt der Kirchenrechnerin.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Theophil Christian

Ludwig Blitt18 schon den Auftrag erhalten, als

Verweser in Vorderweidenthal seinen Dienst

aufzunehmen. Nominell war Blitt seit dem 16.1.1938

Pfarrer in Dörrenbach. Doch die bei Kriegsausbruch

erfolgte Räumung der länger „Roten Zone“ verschlug

ihn mit seine Gemeinde und vielen Bewohnern aus

Nachbargemeinden nach Oberfranken, wie sein

Nachbar ausrechtenbach, Eugen Sueß. Zusammen

mit Sueß konfirmierte Blitt am 22.3.1940 in Michelau

siebzig Kinder aus dem Kirchenbezirk Bergzabern.

Dazu gehörten auch die aus Vorderweidenthal nach

Bamberg und Ebrach versetzten Personen aus

Vorderweidenthal. Die Begegnung mit Blitt in

Oberfranken vertiefte sich durch Blitts Einsatz 1940/41 als Verweser in

Vorderweidenthal. Anschließend war Blitt für die drei Pfarreien Dörrenbach.

Oberotterbach und Rechtenbach und sogar noch für Klingenmünster zuständig, eine

kriegsbedingte Leistungsabforderung ersten Ranges.

Blitt, am 4.3.1904 als Sohn des Pfarrers Christian Ludwig Heinrich Blitt und seiner

Ehefrau Anna Elisabeth Kath. Karoline geb. Schmidt geboren, wurde 1935 Pfarrer

in Spesbach. 1949 bis zum Eintritt in den Ruhestand am l .8.1971 war er Pfarrer in

Gimmeldingen. Am 4.4.1982 starb Pfarrer Christian Blitt in Speyer. Sein Sohn Hans

Blitt (geb. 1939) lebt als Ruhestandspfarrer in Gimmeldingen. Die Eltern hatten in

Spesbach am 2.9.1935 geheiratet (Mutter * 25.4.1913, † 21.4.1987).

Außer Blitt war Pfarrer Karl Johann Esselborn in Vorderweidenthal eingesetzt.

Esselborn, 19 geboren am 16.5.1901 in Freckenfeld, war vom 1.12.1930 an Pfarrer in

Elmstein, vom 1.12.1935 bis 1939 in Oberotterbach, leistete 1939/40 Kriegsdienst.

Nach seiner Zeit in Vorderweidenthal von 1940-1946 war er als (Ober-)Studienrat

an der Oberrealschule in Pirmasens (naturwiss. Gymnasium) Tätig. 1976 trat

Esselborn in den Ruhestand. Er heiratete am 11.11.1930 in Pirmasens, Luise

Theysohn (1907-1977). Esselborn war als Mitglied der Pfarrbruderschaft

kirchenpolitisch und journalistisch vielseitig Tätig.

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges erlitt die Kirche Bombentreffer im nördlichen

Kirchenschiff. Die Orgel wurde beschädigt, Empore, Kanzel und Pfarrstuhl waren

zerstört. Im Laufe des Jahres 1947 konnte Pfarrer Eckstein Empore, Kanzel,

Pfarrstuhl und Fenster wiederherstellen lassen. 1948 wurde der beschädigte

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Kirchturm nach Plänen von Oberbaurat Raimund Ostermaier20 hergerichtet. 1951

wurden weitere Fenster, der Altarraum und die Orgel wieder hergestellt. 1952

erfolgte ein Innenanstrich.21

Auf Esselborn folgte Rolf Eckstein22 (geb. Edenkoben 24.2.1912, gest. in Frankfurt-

Höchst und dort am 3.3.1973 beerdigt), seit 1937 Religionslehrer Heidelberg, 1939

Pfarrvikar Bad Sachsa, 1940/45 Kriegsdienst, 1945 Verweser in Dammheim, dann

in Edenkoben, Schließlich war ab 16. l. 1947/48 Verweser Vorderweidenthal. Seine

erste Ehefrau verunglückte 1951 bei einem Verkehrsunfall am Hahnenhof bei

Oberschlettenbach. Pfarrer Eckstein und Herr Kalkofen befanden sich ebenfalls im

verunglückten Fahrzeug und überstanden den Unfall. 1953 bis 1959 war Eckstein

Pfarrer in Albisheim. 1959 wurde er Pfarrer an der Friedensgemeinde in Frankfurt

a. M. und war zuletzt Pfarrer am Städtischen Krankenhaus Frankfurt-Höchst.

Mit Hans Sachs23 leistete erstmals ein Pfarrer aus Mitteldeutschland Dienst in

Vorderweidenthal. Der am 31.5.1906 in Halle/Saale geborene Sohn des

Reichsbahnvermessungsobersekretärs Johann Sachs und der Margarethe Trümpler

hatte ab 1926 in Halle, Erlangen und Heidelberg studiert. Nach dem Eintritt in den

kirchlichen Dienst 1936 wurde 1940 Soldat und geriet in Gefangenschaft, aus der er

1948 entlassen wurde. Am 16.12.1948 kam Sachs als Verweser nach

Vorderweidenthal, ging am 1.3.1949 nach Edenkoben, wurde 1949 Stadtvikar in

Kaiserslautern, 1952 Pfarrer in Kriegsfeld. 1954 in Hüffler-Wahnwegen und 1962

in Altleiningen. Am 1.4.1967 wurde er Inhaber der Pfarrstelle Einöllen und trat am

30.6.1970 in den Ruhestand; Sachs starb am 8.3.1988. Er war seit der Hochzeit am

28.1.1953 in Mörsfeld mit Eleonore Mann verheiratet (1931-1980).

Adolf Johann Fiedler, 24 in Neustadt a. d. Haardt am

3.3.1911 geboren, Sohn des Industriekaufmanns

Adolf Friedrich Fiedler und der Katharina König,

studierte von 1930 bis 1936 in Heidelberg zuerst

Germanistik, dann Theologie). 1937 war er am

landeskirchlichen Archiv in Speyer beschäftigt. 1938

kam er ans Predigerseminar, wurde am 13.3.1940

Soldat, nahm am Frankreichfeldzug teil und freute

sich in einer Mitteilung an den Landesbischof Diehl,

dass der Weg nach Paris nun frei sei.25 Fiedler kehrte

1948 aus der Gefangenschaft zurück. Am 16.2.1948

wurde er Verweser in Dennweiler-Frohnbach und am

1.2.1949 in Vorderweidenthal. Die weiteren

Stationen als Verweser und Pfarrer waren

Niederauerbach, Grünstadt, Frankenthal, Biedesheim und Bad Dürkheim. 1957

wurde Fiedler Pfarrer in Ilbesheim bei Kirchheimbolanden und 1965 in Duchroth.

Am 31.10.1973 trat er in den Ruhestand und starb am 12.4.2002 in Ludwigshafen.

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Als letzter einer Reihe von nur vorübergehend

eingesetzten Theologen tat Dr. phil. Rudolf Otto

Molter26 in den Jahren 1949 bis 1951 Pfarrdienst in

Vorderweidenthal. Doch zeichnet sich in seiner Zeit

bereits die Wende zu einer neuen Kontinuität an. Von

Dr. Molter aufgegriffene landeskirchliche Vorschläge

zur liturgischen Ausschmückung des Gottesdienstes -

etwa wiederkehrende Altarverse nach der

Kirchenjahreszeit oder den Gesang des dreimaligen

Amen anstelle des üblichen Schlussverses - hat die

Gemeinde aber abgelehnt. Auf Dauer blieben die

neuen Glocken aus dem Jahre 1949 (siehe dazu

eigener Abschnitt). Schließlich fanden sich im

Sommer 1949 unterhalb der Burg Lindelbrunn

verschiedene Jugendlager mit Jugendlichen aus Speyer und Landau ein. Regelmäßig

erschien in der Pfarrei der Prediger Gerlich aus Annweiler.

Dr. Molter kam am 16.10.1911 in Eßweiler zur Welt. Der Sohn eines Oberleutnants

der Schutzpolizei Otto Molter und der Friedericke Wächter studierte ab 1931 in

Heidelberg, Tübingen und Erlangen Theologie, legte 1936 an der Fakultät in

Heidelberg sein Erstes Theologisches Examen ab und bezog daraufhin das

Predigerseminar in Herborn. 1936 war er Lehrvikar in Auerbach a. d. Bergstraße,

ging zum l.12.1936 ans Predigerseminar in Eisenach, wurde am 1.3.1937

Hilfsprediger in Berga a. d. Elster und wurde dort am 28.3.1937 ordiniert. 1938

Dienste in Langenschade bei Saalfeld/Saale, kam er im gleichen Jahr kurze Zeit zum

Dienst nach Eisenach. Sein 1940 und 1941 aufgenommenes Philosophiestudium in

Heidelberg schloss er am 1.3.1941 mit der Dissertation: „Die Weltanschauung

Martin Luthers, Antwort auf Arno Deutelmoser27 „Luther, Staat und Glaube“ ab. Es

folgte der Kriegsdienst vom 1.5.1941 bis 1945 Kriegsdienst. Am 16.9.1944 stand

Dr. Molter vor dem Kriegsgericht (Luftflotte III, München, Zusammenhang nicht

ermittelt). Der zwischenzeitlich aus der Kirche ausgetretene Dr. Molter kam am

1.10.1944 als Verweser nach Allmenhausen (Ebeleben/Sondershausen), 1946 nach

Schwebda a. d. Werra, 1947 nach Grebendorf a. d. Werra, wurde 1947 Kreisvikar in

Eschwege und 1948 Verweser in Rambach (mit Filiale Weißenborn), bevor er nach

Vorderweidenthal kam.

Am 1.4.1951 ging Dr. Molter nach Münsterappel - die Pfarrstelle wurde ihm 1953

übertragen. Er wechselte am 15.2.1957 nach Weisenheim am Berg und ging Ende

1965 als Religionslehrer an die Berufsschule Zweibrücken mit zusätzlichem

Seelsorgedienst am Elisabethen-Krankenhaus in Zweibrücken. Am 6.3.1968

übernahm er die Pfarrstelle Asselheim bei Grünstadt unter Mitführung der Pfarrei

Mühlheim a. d. Eis. Zusätzlich erteilte er ab 1.3.69 Religionsunterricht in Grünstadt.

Dr. Molter trat am 31.10.1976 in den Ruhestand. Er wohnte in Wachenheim und

starb am 3.3.1990 in Frankenthal. Dort hatte er am 27.2.1937 seine Ehefrau Alice

Gebhard (* 1909) geheiratet, mit der er sechs Kinder hatte.

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Aus Vorderweidenthal stammt der Ruhestandspfarrer

Lothar Ernst Wagner.28 Er wurde von Dr. Molter in

Vorderweidenthal getauft. Nach einer Ausbildung als

Industriekaufmann besuchte Wagner von 1972 bis

1975 ein Gymnasium in Landau und legte dort sein

Abitur ab. Ab 1975 studierte er an der Kirchlichen

Hochschule in Bethel, in Saarbrücken, Mainz und

Bonn. 1982 bestand er das Erste Theologische

Examen und wurde zum Vikar ernannt. Nach dem

Vikariat und dem Zwei Theologischen Examen 1984

wurde er 1984 Pfarrer im Hilfsdienst und als solcher

im Dekanat Kusel eingesetzt. Am 4.11.1984 fand

seine Ordination in Kusel statt und am 1.8.1987

wurde er zum hauptamtlichen Verwalter der

Pfarrstelle 3 Kusel ernannt. Mit Wirkung vom 16.10.1989 wurde ihm als zum Pfarrer

auf Lebenszeit die Stelle in Kusel verliehen. Mit Wirkung vom 15. Februar 1990

übernahm die Pfarrstelle Niederbexbach. Am l.7.1994 wechselte er nach

Zweibrücken und übernahm die Krankenhauspfarrstelle. Seit seinem Eintritt in den

Ruhestand am 31.12.2000 wohnt er wieder in Vorderweidenthal und ist seiner

Wohn- und Kirchengemeinde vielfältig verbunden.

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Von der Konsolidierung der Nachkriegszeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts

Die dienstlichen Verhältnisse in Vorderweidenthal konsolidierten sich weiter. Kurt

Hans Wilhelm.29 geboren in Haßloch am 8.8.1925, gest. 1991, trat im Jahre 1949 in

den pfälzischen Pfarrdienst ein. Am 16.10.1949 wurde er Stadtvikar in Germersheim

und kam am 16.4.1951 als Verweser nach Vorderweidenthal. Die Kirchenregierung

in Speyer hat Wilhelm am 1.7.1953 zum Pfarrer ernannt. Am 16.4.1959 bezog

Wilhelm die zweite Pfarrstelle der landeskirchlichen Männerarbeit in

Kaiserslautern. Wilhelm schloss am 25.10.1949 in Heidenheim am Hahnenkamm

im mittelfränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen die Ehe mit Elfriede

Renate Kolb (*1926).

Aufgrund der Schenkung eines Grundstücks am Fuß der Burg durch Marx Becker

an die Kirchengemeinde Vorderweidenthal konnte nach Beratungen im

Kirchenbezirk 1953/54 für 27.000 DM das Dekanatsjugendheim Lindelbrunn

errichtet werden. Ein angrenzendes Waldstück am Lindelbrunn wurde dazu

erworben. Zuvor waren im Kirchenbezirk Überlegungen für ein ähnliches Vorhaben

in Dörrenbach im Gespräch. Ab 1989 wurde das Heim mit einem völligen Neubau

ersetzt und am 4.7.1992 als Dekanatsjugendheim Lindelbrunn wieder eingeweiht.30

a. Exkurs 60 Jahre Lindelbrunn

Hermann Dahl schreibt in einem Gemeindebrief: „Unser „Dekanatsjugendheim

Lindelbrunn“ feiert 2014 ein tolles Jubiläum: 60 lange Jahre für unsere Jugend. 1954

wurde das Haus eingeweiht. Seitdem haben etliche CVJMler, Jugendgruppen,

Konfis und viele andere Gruppen das Haus mit jugendlichem Leben erfüllt. Und weil

uns diese ausgezeichnete Möglichkeit der effektiven Jugendarbeit so sehr am Herzen

liegt, haben wir das damals in die Jahre gekommene Haus 1992 durch einen auf die

Bedürfnisse der Jugend zugeschnittenen Neubau ersetzt. Unter der umsichtigen und

kompetenten Arbeit des „Förderkreises Dekanatsjugendheim e.V.“ wurde und wird

das Haus bis heute unter großem persönlichem Einsatz im Schuss gehalten und so

können und wollen wir 2014 ein Fest feiern, das es in sich hat. Ein Teil dieses Festes

wird eine Fotoausstellung sein. Dabei sind wir auf Ihre Mithilfe angewiesen. Und so

fragen wir: Wer hat Fotos von einer Freizeit, einem Wochenende, einem Zeltlager,

einem Kursus einem Begegnungstag usw. und das besonders aus den Jahren 1954

bis 1980? Schauen Sie doch mal in Ihren alten Fotoalben nach und stellen Sie uns

diese Bilder zur Verfügung - ... Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn zu

Händen von Hermann Dahl - Wasgaustr. 2 - 76831 Billigheim-Ingenheim e-mail:

[email protected] ...“31

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Die Fahnenträger des Fördervereins beweisen ein unerhörtes Durchhaltevermögen.

Das Engagement basiert auf eine generationen- und gemeindeübergreifende

Initiative von sechs Jahrzehnten.

Der Bau von 1954 bestand aus einem großen Schlafraum mit Platz für zwanzig

Betten, einem geräumigen Tagesraum, einer Küche und Nebenräumen. Die

Einweihung des Altbaus erfolgte am 11.7.1954. Die Nutzung war evangelischen

Jugendgruppen des Dekanats und anderen vorbehalten. Wie bei der Einweihung

1954 (und beim Neubau 1992) musste wegen Regenwetters der

Einweihungsgottesdienst in der Kirche zu Vorderweidenthal stattfinden. 1954

nahmen Jugendliche aus den Kirchenbezirken Bad Bergzabern, Landau in der Pfalz

und Pirmasens an der Feier teil. Der Leiter des evangelischen Männerwerkes der

Pfälzischen Landeskirche, Pfarrer Heinz Wilhelmy32, predigte über Psalm 19: „Die

Himmel loben die Ehre Gottes“. Der Posaunenchor Freckenfeld und Kirchenchöre

aus Ingenheim, Bergzabern und Kapellen verschönten die Feier. Maurermeister

Becker aus Vorderweidenthal dankte im Namen aller beteiligten Unternehmen. Man

gedachte des verstorbene Ehrenpresbyters und Mäzens Marx Becker. Pfarrer Kerth33

aus Klingenmünster nahm den Schlüssel als Senior des Kirchenbezirks entgegen und

verlas das Grußwort des Dekans Theodor Rettig. Dieser nahm eine Glockenweihe

im neu zum Kirchenbezirk gehörigen Minfeld vor. Mit der Losung des Kirchentages

„Seid fröhlich in Hoffnung“ schlug Kerth die Brücke nach Leipzig. Kerth reichte

den Schlüssel weiter an den Jugendobmann des Kirchenbezirks Pfarrer Leonhard34

ausrohrbach. Die Kirchenregierung vertrat Oberkirchenrat Willi Hussong35.

Hussong überbrachte die Grüße des Kirchenpräsidenten Hans Stempel.

Das Dekanatsjugendheim, Zustand im Jahre 1984

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In den 1950er und 1960er Jahren wurde das Haus durch laufende Zuschüsse per

Umlagen der Kirchengemeinden getragen. Mit Hilfe der Stadt Pforzheim und dem

Kramerhaus des Pfälzerwald-Vereins konnte die Wasserversorgung 1963

sichergestellt werden. Pfarrer Jockers stellte mit großem Einsatz die Erlangung von

öffentlichen Zuschüssen sicher (Gesamtkosten 108.000.- DM). Unter der Leitung

des Architekten Otto Hahn aus Schifferstadt kam es zum Einbau der sanitären

Anlagen zwischen 1964 und 1966. Gegen 1970 sank aber der Zuspruch aus den

Reihen der Jugendlichen und Ehrenamtlichen. Trotz der Bemühungen der

Jugendwarte Wilfried Dahl, Günter Henke und Karlheinz Landwehr, die immer

wieder Arbeitsaktionen gestartet haben, sollte das inzwischen heruntergekommene

Jugendheim 1976 verkauft werden. 1976 übernahmen daher sechs junge Menschen

ehrenamtlich die Verantwortung für das Jugendheim. Sie gründeten einen

Arbeitskreis zu dem der Dörrenbacher Pfarrer Volker Hörner36 vom Kirchenbezirk

als geborenes Mitglied entsandt wurde, und schließlich einen Verein. Immer neue

Arbeitsaktionen retteten das Haus und leiteten schließlich den Neubau ein. Gott sei

Lob und Dank: So schloss Alfred Wasner37, Dekanatsjugendpfarrer, in der

Festschrift von 1992 seinen Rückblick. Entscheidende Impulse gingen seit 1976 bis

heute vom „Arbeitskreis zur Verwaltung und Erhaltung des Jugendheims

Lindelbrunn“ und dem „Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e. V.“ 1977

kam es zur Wiedereröffnung des vorübergehend stillgelegten Heimes. Hilfreich

erwies sich die Kooperation mit dem Christlichen Jugenddorf Neustadt. 1982 wurde

ein Förderkreis gebildet. Seit 1983 setzten jährlich gefeierte Waldweihnachten

öffentlichkeitswirksame Impulse. Das Jubiläum 1984 war wiederum vom

Regenwetter überschattet, aber dennoch lauschte eine stattliche Besucherschar der

Predigt von Dekan Dr. Robert Hensel. Bald darauf wurde der Entschluss gefasst, ein

neuzeitliches Konzept anzupacken. Die Initiative Hermann Dahls für den

Förderkreis in Richtung der Landeskirche fand Bestätigung in der Reaktion des

Oberkirchenrates Ludwig Scheib: „Wenn wir etwas machen, dann machen wir was

Richtiges!“ Das weitere Konzept lag in den Händen von Dekan Alfred Keffel38,

Dekanatsjugendwart Reiner Fischer, Jugendpfleger Matthias Keller und dem

Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e.V. Im Mai 1986 stellte Architekt

Fritz Cawein aus Ingenheim die Entwürfe vor, die 1987 in revidierter Form die

Zustimmung der Landeskirche gefunden hatten. 1989 wurde das alte Haus

abgerissen. Diese Eigenleistung entsprach zunächst nicht der Vorstellung des

Nachfolgers von Oberkirchenrat Scheib, Dr. Adolf Zeitler, hinderte aber nicht, dass

am 3. Mai 1991 nach Baubeginn im November 1990 das Richtfest gefeiert werden

konnte. Die Gesamtkosten lagen bei 1.025.000.- DM Spenden kamen von

Privatpersonen. Firmen, Behörden und Kirchengemeinden sowie Geldinstituten. Die

Finanzierung sicherten die Stiftung Deutsche Jugendmarke, das Land Rheinland-

Pfalz, die Kreisverwaltung Südl. Weinstraße, der Förderkreis Dekanatsjugendheim

Lindelbrunn (40.000 DM neben den Eigenleistungen der Mitglieder), der Zuschuss

der Landeskirche und der Kirchenbezirk.

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Aus der Festschrift zur Einweihung am 4.7. 1994; die. Abb. Unten zeigt

Dekanatsjugendpfarrer Alfred Wasner mit Hermann Dahl, Vorsitzender des

Förderkreises

Abschließend zitieren wir nochmals Hermann Dahl: „Der Förderkreis

Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e.V. und davor der AVEL (Arbeitskreis zur

Verwaltung und Erhaltung des Dekanatsjugendheimes Lindelbrunn) bestehen

zusammen schon seit 1976 ... Wer ... hätte gedacht, dass sich das Jugendheim in

dieser Weise entwickeln wird. Aus einem einfachen Waldhaus, das bei der

Übernahme eine Bauruine war, wurde im Laufe der Jahre durch großen Einsatz der

GA-( Geschäftsführender Ausschuss) Mitglieder ein modernes, gut ausgestattetes

Jugendheim mit einer Grillhütte und einem Versammlungsforum.... Die

maßgebende Unterstützung erhielten wir von Detlef Schoberth (damals CVJM

Pfalz) der uns mit Rat und Tat zur Seite stand, der uns auch dazu bewegte einen

Verein zu gründen. Der Förderkreis Dekanatsjugendheim Lindelbrunn e.V. betreibt

das Jugendheim in ehrenamtlicher Tätigkeit.

Die Anfragen auf Belegung werden koordiniert und die entsprechenden

Mietverträge ausgestellt. Nach den jeweiligen Freizeiten werden das Haus, die

Einrichtungen und das Geschirr/Besteck von einem Mitglied des

Hausabnehmerteams kontrolliert. Beschädigungen werden von Vereinsmitgliedern

repariert oder an Handwerker zur Reparatur gemeldet. Fehlteile werden sofort

ersetzt. Durch diese recht aufwendige, zeitintensive Maßnahme kann gewährleistet

werden, dass das Jugendheim immer in einem guten Zustand ist. Den Gruppen wird

nach der Belegung eine Rechnung für Übernachtungen, Strom- und Gasverbrauch,

sowie für evtl. Beschädigungen geschickt. Stetig sind am Haus und am Mobiliar

Reparaturen durchzuführen. Diese werden von den Vereinsmitgliedern in

Page 151: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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ehrenamtlicher Tätigkeit koordiniert. Teilweise müssen auch Firmen beauftragt

werden wie z.B. bei der Erneuerung der Heizung oder beim Ausbau eines neuen

Waschraumes im Keller. Die Reparaturen und Anschaffungen werden vom

Förderkreis getragen. Jährlich werden im Schnitt ca. 2000 € ans Dekanat zur

Bauunterhaltsicherung abgeführt. Mit dem vom Förderkreis erwirtschafteten Mitteln

wurde ein großer Teil der neuen Grillhütte bezahlt. Der Anteil des Dekanates bei der

Sanierung der Wasserversorgung am Wohnplatz Lindelbrunn wurde vom

Förderkreis getragen. Durch die ehrenamtliche Tätigkeit der Mitglieder des

Förderkreises trägt sich das Jugendheim selbst. Es ist sogar eine jährliche finanzielle

Unterstützung des CVJM-Pfalz und der evangelischen Jugend im Dekanat Möglich.

Das Jugendheim ist wohl eines der wenigen Jugendheime, das ohne Zuschuss

auskommt. Das Jugendheim ist stark ausgelastet, nur wenige Tage im Jahr sind nicht

belegt.

Das Dekanatsjugendheim, Neubau

Das Dekanatsjugendheim kann 2014 das 60jährige Jubiläum feiern. Wir dürfen

dankbar sein, dass uns eine so großartige Möglichkeit geboten wurde durch unseren

Einsatz und durch unser Engagement der Jugendarbeit ein so tolles Haus zur

Verfügung stellen zu können. ... 1976: Das Haus war stark Beschädigt, größere

Renovierungen waren erforderlich. Es fehlte an Geld und an den Hauptamtlichen die

das Haus betreuen könnten. Das Haus sollte verkauft werden. Sechs junge Frauen

und Männer, Alfred und Gerda Weber, Hans und Hannelore Wegmann (heute

Vedder), Hermann und Ilse Dahl wollten verhindern, dass ihr Jugendheim verkauft

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wird. Sie verhandelten mit dem damaligen Dekan Dr. Hensel hinsichtlich der

Übernahme der Verantwortung für das Jugendheim. Keinem der Beteiligten war

damals klar was in den nächsten Jahren auf sie zukommen würde ... 2005

Einweihung der neu errichteten Grillhütte ... Berthold Johannes, von 1994 Jahre bis

zur Stabübergabe an Volker Janke39 2000 als Dekanatsjugendpfarrei- ...; Braune Ute,

Jugendreferentin im Dekanat ... Brunck Peter, Hausabnahme. Immer ansprechbar,

wenn es etwas zu reparieren oder zu arbeiten gibt, eine der Stützen des Vereins;

Brunck Rainer, Familienreferent im Dekanat, ... Cuntz Sabine, Hausabnahme ...

Dahl Ilse, von Anfang an, seit 1976 dabei. Seit 1991 stellvertretende Schriftführerin.

Organisation im Bereich Küche bei allen Festlichkeiten, Dahl Hermann, von Anfang

an, seit 1976 dabei, bereits im neugegründeten Arbeitskreis zum Vorsitzenden

gewählt. Seit der Vereinsgründung 1982 bis heute Erster Vorsitzender, Damerow

Victor40, Pfarrer, seit 2010 als Dekanatsjugendpfarrer, ... Mattern Günter, seit der

Vereinsgründung Rechner und stellvertretender Vorsitzender des Förderkreises,

anfangs auch noch Schriftführer. Kümmert sich um Versicherungen, juristische

Fragen, Gemeinnützigkeit, Arbeitsverträge der Putzfrauen. Zusammen mit seiner

Frau Dagmar seit Jahren ein wichtiges Element im Verein, Mattern Hans,... seit 1994

Vorsitzender der Bauausschusses. Planung von Arbeitseinsätzen, Abstimmung mit

Handwerkern und Beauftragung von Reparaturen. Arbeitet auch bei der

Hausabnahme mit. Eine der tragenden Säulen, Meyer Gerd, seit 1991

Heimverwalter, organisiert die Hausabnahme mit seinem Team und erledigt kleinere

Reparaturen am Haus selbstständig. Erstellt die Rechnungen an die Gruppen.

Ersatzbeschaffung von Geschirr, Putzmitteln usw. Zusammen mit seiner Frau Betty

zuverlässige, verantwortungsvolle Mitarbeiter. .... Wüst Christel und Gerhard, seit

1994 Belegungsplaner, bei Arbeitseinsätzen und Festlichkeiten immer zuverlässige,

verantwortungsvolle Mitarbeiter. Säulen des Vereins, Wasner Alfred, als

dienstältester Dekanatsjugendpfarrer jahrelang, auch in schweren Zeiten, kluger und

mutmachender Berater bis zur Verabschiedung in den Ruhestand 1994, wurde zum

Ehrenmitglied des Vereins ernannt, ... Die Mitgliederzahlen des Förderkreises

stiegen in den vergangenen Jahren stetig an. Besonders in der Bauphase des neuen

Hauses war ein starker Zustrom zu verzeichnen. Ein Groß teil der Mitglieder kommt

aus der evangelischen Jugendarbeit. Einige Mitglieder konnten durch die jährlich

stattfindende Waldweihnacht und durch die Familientage gewonnen werden. Viele

sind Mitglied, weil sie die Arbeit am Haus und somit die Jugendarbeit Unterstützen

wollen. Derzeit hat der Förderkreis 102 Mitglieder.“ 41

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Vergrößerte Teilaufnahme der Sakramentsnische; gotische Form mit Maßwerk,

gekrönt mit einem Kelch (?) oder Pinienzapfen auf der Spitze, links und rechts

daneben Kapitellspitzen (?)

c. Exkurs Kirchenfenster|

Das Buntglasfenster im Chor wurde 1958 vom Godramsteiner Glaskünstler

Hermann Jürgens (1914 - 1967) entworfen und von den Karlsruher Kunstwerkstätten

(Scharf)| angefertigt und eingebaut. Es zeigt das Abendmahl Jesu mit seinen

Jüngern. Im Maßwerk links oben sieht man Kelch und Ähre sowie rechts eine

herabkommende Taube| des Heiligen Geistes. Darüber gipfelt ein rotes Dreieck für

die Dreieinigkeit Gottes, darin ein Auge Gottes.

Die Beschriftungen weisen auf den Künstler und die Werkstatt sowie die

Stifterfamilie Fabrikant Hermann Diehl hin, die das Fenster zum Andenken an ihre

verstorbene Tochter gestiftet hat.

Aufnahmen des Verfassers v. 29.4.2013. - Lit.: Anke Elisabeth Sommer,

Glasmalereien der Protestantischen Landeskirche der Pfalz. Leuchtende Botschaft

christlichen Glaubens im Kontext ihrer Zeit: VVPfKG 25 (2007), 296; zum Künstler

S. 145f. und

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Kirchenfenster an der Turmseite,

gestiftet von Familie Diehl

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weitere Literatur; Karl Jockers, 100 Jahre prot. Kirche Vorderweidenthal, aus Anlass

der Wiederindienststellung 1966,11. Eine Kopie der FS wurde dem Verf.

dankenswerterweise von Frau Dr. Anke Sommer, Wörth, am 30.4.2013 überlassen.

Nach dem Jahresbericht wurde unter Pfarrer Wilhelm im Jahre 1958 die Läuteanlage

elektrifiziert. Zu Weihnachten kamen in seinerzeit Krippenspiele zur Aufrührung

(„Das Hirtenspiel der Heidenheimer Schulknaben“, 1957; „Macht hoch die Tür“,

1958). Nach einem Trauerfall stiftete ein Gemeindeglied ein Buntglasfenster für die

Kirche. Männerarbeit, Frauen-, Jungen- und Mädchengruppen bereicherten das

Gemeindeleben. 1956 wurde ein Ehrenmal eingeweiht (Christus hält einen

sterbenden Soldaten). Wilhelm kritisierte den „Götzen“ Lebensstandard sowie die

sich ausbreitenden Zerstreuungen Fußball und Kino. Besonderheiten waren die Feier

des Weltgebetstages der Frauen und weiterhin eine Kriegsgefangenenwoche.

Missionar Autenrieth aus Annweiler hielt Vorträge in Vorderweidenthal und

Dimbach. Der Jahresbericht bemerkt, dass Lehrer Richard Kalkofen der

Gemeinschaft nahestand. Frisch von der Akademie kam Lehrer Klaus Weinacht

nach Dimbach. Das Verhältnis zu den Lehrern war kollegial und produktiv. Die

Ostvertriebenen veränderten die kirchliche Sitte. Einerseits nahmen sie die ihnen

fremde Christenlehre nicht an, andererseits haben sie langfristig eine liturgische

Bereicherung eingebracht (z. B. Altarkerzen, Christvespern). Nach und nach waren

in Vorderweidenthal die Kriegsschäden ausgebessert.

Nachdem der Jahresbericht 1954 noch vermeldete, dass zwei Kinder von

Bärenbrunerhof usw. von Pfarrer Ernst Rieder42 in Dahn unterrichtet werden, kam

es nach Anläufen im 19. Jahrhundert am l.2.1957 tatsächlich zur Ausgliederung der

Pfarrorte Busenberg und Schindhard nach Dahn.43

Nach dem Weggang Wilhelms sandte der

Landeskirchenrat Rudolf Walter als Pfarrverweser.

Geboren in Mannheim am 22.5.1933, Sohn des

Ruchheimer Landwirts Ewald Walter (1901-1978) und

seiner Ehefrau Senta Kreiselmaier (1910- 1985), kam

Walter nach Studium in Tübingen, Heidelberg und Bonn

am 1.5.1959 als nach Vorderweidenthal. Nach einer Zeit

am Predigerseminar 1959/60 ging Walter am l.4.1960 als

Pfarrverweser nach Ludwigshafen-Mundenheim und ab

16.12.1960 als Vikar nach Landstuhl. Er wurde am

l.10.1963 Verweser, ab l.4.1964 Pfarrer in Katzweiler.

Vom 16.4.1974 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand

am 31.5.1995 war Rudolf Walter Pfarrer in Freinsheim.

Am 14.10.1961 schloss er in Hoheneggelsen bei Hildesheim die Ehe mit Brigitte

Hedwig Ida Kunkel, med.-techn. Assistentin und Krankenpflegehelferin (*

Neustrelitz 1937, † 7.7.2001 in Freiburg). Das Ehepaar hat zwei Söhne, einen Arzt

und einen Politologen. Über seine Monate in Vorderweidenthal schreibt Walter:

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„Pfarrer Wilhelm, der bis dahin die Pfarrstelle innehatte, war .Männerpfarrer“

geworden, wohnte noch mit seiner Familie im Pfarrhaus und fuhr jeden Tag mit dem

Auto zum Dienst nach Kaiserslautern. Ich hatte im Pfarrhaus nur das Amtszimmer

zur Verfügung und wohnte schräg gegenüber dem Pfarrhaus möbliert bei Familie

Zeller/Hoff. Frau Hoff geb. Zeller war eine Pfarrerswitwe, deren Mann im Krieg

ums Leben gekommen war. Sie lebte zusammen mit ihrem unverheirateten Bruder

der im Haus einen später so genannten ,Tante-Emma-Laden’ betrieb und mit ihrer

16jährigen Tochter Trudel. Zur Pfarrei gehörten die Parochialorte

Oberschlettenbach und Darstein, sowie noch einige andere Dörfer, in denen aber nur

einzelne protestantische Familien wohnten, und die Tochtergemeinde Dimbach.

Gottesdienste waren jeden Sonntag in Vorderweidenthal zu halten und 14tägig in

Dimbach, wo auch eine Kirche steht. In Oberschlettenbach und Darstein gab es nur

ausnahmsweise einmal einen Nachmittagsgottesdienst in einem Schulsaal. Schulen,

an denen ich Religionsunterricht zu halten hatte, gab es in jedem Dorf, allerdings

waren überall mindestens zwei Klassen gemeinsam zu unterrichten. In

Oberschlettenbach fand sogar der Unterricht aller acht Klassen gemeinsam statt.“ 44

Pfarrer Karl Friedrich Jakob Jockers45 kam am 6.3.1926 in Speyer als Sohn des

Regierungsrates Dr. Wilhelm Jockers (*1895) und der Luise Hilgert (*1900) zur

Welt. Jockers leistete 1943/45 Kriegsdienst und geriet in Gefangenschaft. Zwischen

1947 und 1951 studierte er in Heidelberg, Bethel, Marburg und Göttingen. 1952 trat

er in den Dienst der Pfälzischen Landeskirche ein, zunächst am Predigerseminar und

zeitweise als Stadtvikar in Kaiserslautern. Am 27.7.1953 wurde er als Verweser nach

Niederbexbach und am 1.1.1956 als Stadtvikar nach Frankenthal versetzt. Ab

1.9.1956 wegen Krankheit beurlaubt, kam er am 1.2.1957 als Verweser erst nach

Impflingen, drei Monate darauf nach Landau-Queichheim und am l .2.1958 nach

Olsbrücken. Dort ging er am 20.6.1959 die Ehe mit Sigrid Frenkel ein,

Studienassessorin für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde (*3.6.1925 Mölkau bei

Leipzig, Tochter des Fabrikanten Erich Frenkel und der Elfriede Scheibe).

Volle fünfundzwanzig Jahre, vom 1.11.1959 bis zum 31.12.1984, war Jockers

Pfarrer in Vorderweidenthal. Am 1.1.1985 trat er in den Ruhestand und starb am

5.8.1994 an seinem Ruhestandswohnort Oberotterbach. Die drei Töchter der

Eheleute Jockers wuchsen in Vorderweidenthal auf: Maria Christiane Jockers-

Scherübl geb. Jockers, Ärztin; Hanna Elisabeth Wiltrud Jockers, Gärtnerin; und

Gundula Friederike Jockers, Krankenschwester.

Die von Jockers verfassten pfarramtlichen Jahresberichte46 nennen einerseits die

bemerkenswerten Sachverhalte und Vorgänge in der Pfarrei: 1964 wurden die

Protestanten aus Lug, Gossersweiler-Stein und Völkersweiler der Kirchengemeinde

Dimbach zugeordnet.

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Pfarrer Jockers mit Konfirmanden 1966

1969 entschied sich das Presbyterium für eine Orgelrenovierung durch Firma Gebr.

Oberlinger in Windesheim bei Bad Kreuznach. Sie wurde am 27.6.1971 eingeweiht.

Die Kosten betrugen 29.193,- DM, erforderliche Malerarbeiten kosteten 1.556,43

DM. Die Ortsgemeinde Vorderweidenthal brachte einen Zuschuss von 5.193,- DM

auf.

Das alte Pfarrhaus sollte durch einen Neubau im Pfarrgarten ersetzt werden. 1971

wurden die Verkaufsverhandlungen mit der Oberpostdirektion in Neustadt/W, und

der Ortsgemeinde abgeschlossen. Die Bundespost erwarb den südlichen Teil des

Pfarrgartens mit 1013 qm, die Ortsgemeinde das Pfarrhaus mit einer

Grundstücksfläche von 1269 qm. Als Bauplatz für das neue Pfarrhaus verblieben

1120 qm bei der Kirchengemeinde.

Die kirchliche Genehmigung für den Neubau des Pfarrhauses wurde am 5.11.1971

erteilt. Die Architektengemeinschaft Alwin Becker aus Vorderweidenthal und Hans

Meigel aus Dahn erhielt den Auftrag zur Bauplanung und Bauleitung. Der

veranschlagte

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Oberlinger-Orgel in Vordenveidenthal

Kostenbedarf über 243.000 DM wurde aus 10.000 DM an Eigenmitteln, 3.000 DM

der Kirchengemeinde Dimbach, einer Vergütung Lindelbrunn mit 5.000 DM, den

Verkaufserlös für das Pfarrhaus mit 45.000 DM, Verkaufserlös an die Bundespost

ca. 15.000 DM, einem Zuschuss der Landeskirche über 125.000 DM und einem

landeskirchlichen Darlehen über 40.000 DM aufgebracht. Die Maurerarbeiten

wurden der Fa. Stengel in Birkenhördt übertragen, Zimmerarbeiten an Fa. F. Mehr

in Wieslautem. Der Bau erstreckte sich über das Jahr 1972. Der Neubau konnte am

22.12.1972 bezogen werden.

Im Rückblick auf das Jahr 1974 meinte Jockers, die 700-Jahrfeier habe Brücken in

der Gemeinde gebaut. In diesem Zusammenhang erschien seine Festbroschüre: „700

Jahre Herrschaft Lindelbrunn“.

In Anbetracht des zurückgehenden Kirchgangs „aus vielen Gründen“ denkt das

Presbyterium laut Jahresbericht für 1972 über die Schaffung eigener

Gemeinderäume für kleinere Kreise nach; eine Einrichtung eines derartigen Raumes

im Pfarrhaus wurde vom Landeskirchenrat nicht genehmigt. Im Jahresbericht für

1977 teilte Jockers mit, dass die Zahl der Geburten, Taufen und Trauungen

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stagnierten. Aber „ein junger Mann aus der Gemeinde studiert Theologie“. Gemeint

ist der spätere Pfarrer Lothar Wagner. Ein schwerer Verkehrsunfall erzwang im

Jahre 1980 den Ausfall des Pfarrers für sieben Monate. Prädikant Richard Kalkofen

und Missionar Walter Hennig47 überbrückten die Lücke mit ihrem Dienst.

Wiederholt wurde vermerkt, dass die umfangreiche Gemeindearbeit (Chor, Jugend)

wegen Raummangels spürbar eingeschränkt war. Abhilfe sollte der Bau eines

Gemeindehauses schaffen.

Mit ca. 11 ha Pfründewald bestand in der Pfarrei der größte zusammenhängende

Waldbesitz der Landeskirche. Kritisch vermerkte Jockers das Ärgernis, dass die

Pfründe nichts tut und die Bäume verfaulen. An einen Verkauf sei jedoch nicht

gedacht. Dazu ist zu erläutern: Mit Pfründe bezeichnet man den Grundbesitz in

verschiedenen Kirchengemeinden (Äcker, Weinberge, Wiesen und Wald), der zur

Besoldung der Pfarrstelle beiträgt. Er wird in der Regel nicht veräußert und wenn,

dann mit einem wertmäßigen Ausgleich in Form von anderweitigem Grundbesitz.

In manchen Jahren fällt aber eine Verpachtung z. B. von Wald oder Wiesen schwer,

dagegen erzielen begehrte Rebflächen bei Pachtauktionen Höchstpreise. Die

Situation bleibt schwankend. In früheren Jahrhunderten war Waldbesitz mit

Reichtum gleichzusetzen, wovon z. B. die Leininger Grafen sicherlich profitiert

haben. Heute Hängt die Wirtschaftlichkeit von Waldflächen von vielen Faktoren ab

(Zugänglichkeit und Lage, Zustand und Pflege des Bewuchses, Baumarten,

Nachfrage usw.).

Die Visitation der Pfarrei Vorderweidenthal von 1981 durch Dekan Dr. Robert

Hensel48 spart nicht mit „Lob auf den fleißigen Pfarrer“ und führt auch die Vielfalt

der Aktivitäten in den zugehörigen Gemeinden an. Sie würdigt den Einsatz von

Lehrkräften, den Dekanatsjugendwart Hermann Dahl, den Missionar Walter Hennig,

der in Völkersweiler wohnt, und Lektor Richard Kalkofen, der zum ersten

Prädikantenjahrgang der Landeskirche gehört hat und im Jahre 1972 ordiniert wurde.

Aus verschiedenen Gründen war das Verhältnis zwischen Pfarrer Jockers und Lehrer

Kalkofen gespannt. Als Pfarrer distanziert sich Jockers von der von der

Landeskirche eingeräumten Möglichkeit, dass Prädikanten den Talar tragen durften,

sofern sie es wollten. Im Jahresbericht 1972 hielt Jockers fest, dass niemand den

Prädikanten hören wolle. Vor allem kritisiert Jockers „ das parteipolitische

Engagement von Lektor Kalkofen.“ Er bezeichnet seinen Vorgänger Pfarrer

Eckstein als „ CDU-Fan“, der Kalkofen nach dem Kriege wieder in die Kirche

aufgenommen habe, was manche Gemeindeglieder nicht verstanden hätten. Der

unterschiedliche Frömmigkeitsstil hatte zur Kluft zwischen beiden Persönlichkeiten

zusätzlich beigetragen. Jockers kritische Bemerkungen führten im Übrigen dazu,

dass das Dekanat 1972 zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Der zuständige

Oberkirchenrat Otto Mehringer49 markierte einige Passagen mit rotem Randvermerk

und ließ am 9.10.1973 einen Auszug aus dem Jahresbericht für 1971 im

Landeskirchenrat kursieren. Die Abzeichnung von Kirchenpräsident Walter

Ebrecht50 ist erhalten. Mit Lehrer Kalkofen kam es einige Jahre später zur

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Aussöhnung. Jockers hatte u.a. geschrieben: „ Die Bundestagswahl 1971 hatte eine

starke Politisierung der Dorfgemeinden mit sich gebracht. ... Das lange

voraussehbare Wahlergebnis hat nun seine Folgen. Die abgeschlagenen CDU-

Ortsgruppen sehen sich in die Opposition gedrängt. So wird gerade von dieser Seite

der Wunsch nach weltanschaulicher Toleranz in die Gemeinden getragen. Dieses

Uranliegen der Demokraten und Sozialisten wirkt aber bislang im Munde der

deutschnationalen CDU wenig glaubhaft. Insbesondere die CDU-Vertreter in den

Kirchenleitungen haben jetzt sattsam Gelegenheit, ihren Willen zu politischer

Toleranz und Demokratie zu beweisen.“ Die 1972 gewählten Presbyter seiner

Gemeinde wären jedenfalls nicht bereit, sich mit den „sogenannten Konservativen

an die Klagemauer zu begeben.“ Die pointierte politische Haltung von Jockers geht

aus diesen Passagen eindeutig hervor und lässt auch seine Vorgesetzten nicht

außerhalb seiner Kritik (1979 Sturmschäden, aber die Landeskirche feiert das

Protestationsjubiläum). Der Berichterstatter versagt sich an dieser Stelle jeder

Wertung. Sachlich bleibt nur festzuhalten, dass die von Jockers beklagte Aufteilung

der Lindelbrunndörfer an zwei Landkreise und vier Verbandsgemeinden tatsächlich

eine historische Herausforderung gewesen ist. Doch erschrickt die Wortwahl im

Zuge der Verwaltungsreform und Bildung von Verbandsgemeinden aus dem Jahre

1969: An „die Stelle der Fürsten und Gauleiter“ wäre „nun die allmächtige

Großindustrie getreten“, er befürchtete eine Majorisierung durch die „ CDU-

Pfründe Hauenstein“. Vielleicht hat er an die diktatorische Stellung des Prälaten

Sommer in Hauenstein gedacht.

Die konfessionelle und historische Raumordnung blieb in der Verwaltungsreform

tatsächlich kaum berücksichtigt und konnte aus protestantischer Sicht wie aus

Kenntnis der historischen Zusammenhänge als Herabsetzung verstanden werden.

Aus dem zeitlichen Abstand wird man einerseits Verständnis für die Befürchtungen

des Pfarrers aufbringen können. Jockers zeigte sich als Anwalt der historischen

Zusammengehörigkeit der alten Herrschaft Lindelbrunn. Andererseits ergaben sich

in kirchlicher Hinsicht Chancen für ein ökumenisches Miteinander durch die damals

eingetretenen Entwicklungen. Die katholische Kirche vollzog mit dem Zweiten

Vatikanischen Konzil eine Öffnung. Die Kirchen glichen den Wortlaut des

Vaterunsers 1970 einander an. Eine gemeinsame Fassung für das Apostolische und

das Nikäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis folgten 1970/71. Das

ökumenische Miteinander hat in den Folgejahren einen großen Aufschwung

genommen.

Höchst kritisch beobachtete Jockers die Schulpolitik. 1963 fand er, es gäbe gute

Lehrer, aber die Schulen wären schlecht. Er schrieb das in Richtung der

Gemeinderäte, die seiner Auffassung nach am „Primitivschulbild“ der „gesegneten

Kaiserzeit“ hingen. 1972 stellte er der Christlichen Gemeinschaftsschule (Jockers

setzt das Wort „christlich“ in Anführungszeichen) kein gutes Zeugnis aus. In

Vorderweidenthal würde seit Jahren „ein miserabler Unterricht erteilt“, als Folge

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davon hätten Kinder aus dem Dorf in weiterführenden Schulen wenige Chancen. Die

Verteilung der Kinder auf die umgebenden katholischen Verbandsschulen und nach

Bad Bergzabern führen ihn zur Vermutung: „In wenigen Jahren ist die evangelische

Pfarrei Vorderweidenthal geschlachtet“. Eine Aushilfslehrerin sei Anthroposophin

und pädagogisch nicht qualifiziert. Klagen beim Kreisschulamt hatten keinen Erfolg.

Abschließend urteilt Jockers: „Lehrer sind dank der segensreichen Kulturpolitik der

Mainzer Regierung nicht vorhanden.“ Tatsächlich stand in dieser Zeit ein

Lehrermangel einer „ Schülerschwemme“ gegenüber.

Nach seinem 25jährigen Dienstjubiläum in der Pfarrei trat Pfarrer Karl Jockers zum

1.1.1985 in den Ruhestand. Er blieb mit der Gemeinde Vorderweidenthal verbunden.

Als er gestorben war, fand seine Trauerfeier am 10.8.1994 in der Kirche von

Vorderweidenthal statt.

b. Statistische Angaben zur Gemeindegliederzahl

aus dem Jahre 1836 / 1885: (ZASP Abt. 44 Vorderweidenthal. 6)

Zahl der Protestanten ................... 1836 ............................... 1885

Vorderweidenthal .......................... 560 ......................................... 557

Dimbach ........................................ 162 ......................................... 168

Oberschlettenbach ......................... 222 ......................................... 253

Darstein ......................................... 141 ......................................... 159

Erlenbach......................................... 17 ........................................... 17

Busenberg ........................................ 15 ........................................... 28

Lauterschwan .................................... 1 ............................................. 3

Silz .................................................... 4 ........................................... 12

Schindhard........................................... ................................... 3(1855)

Statistische Angabe nach der Visitation von 1981

Ort Protestanten Katholiken

Vorderweidenthal .......................... 564 ............................................... 112

Erlenbach bei Dahn ......................... 75 ......................................... 355

Silz .................................................. 62 ......................................... 776

Oberschlettenbach ......................... 138 ........................................... 23

Darstein ......................................... 181 ........................................... 15

Dimbach ........................................ 182 ........................................... 23

Schwanheim .................................... 29 ......................................... 627

Lug .................................................. 42 ......................................... 622

Völkersweiler .................................. 43 ......................................... 480

Gossersweiler-Stein ......................... 88 ....................................... 1260

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Angaben nach dem Jahresbericht 1984/85 (30.6.1985)

Vorderweidenthal .......................... 499 ................................... 80

Erlenbach......................................... 22 ................................. 385

Oberschlettenbach ......................... 128 ................................... 17

Silz .................................................. 80 ................................. 752

Darstein ......................................... 177 ................................... 14

Dimbach ........................................ 166 ................................... 17

Gossersweiler-Stein ....................... 120 ............................... 1117

Lug .................................................. 47 ................................. 640

Schwanheim .................................... 45 ................................. 632

Völkersweiler .................................. 46 ................................. 426

Angaben vom 31.12.2012/31.3.2013

Ort Einwohner- Protestanten Katholiken Sonstige/

zahlen konfessionslos

Vorderweidenthal ............... 620 355 165 100

Darstein .............................. 203 125 38 48

Dimbach ............................. 175 111 19 45

Oberschlettenbach .............. 137 74 17 43

Erlenbach mit

Lauterschwan ..................... 324 54 139 31

Silz ..................................... 810 132 567 111

Gossersweiler-Stein .......... 1387 173 1019 195

Schwanheim ....................... 585 86 414 84

Lug

Völkersweiler ..................... 611 90 402 119

Insgesamt

Beim Aufzug des Pfarrers Johannes Berthold waren

bereits viele Weichen für die Weiterentwicklung gestellt.

Gerhard Moser wurde bereits am 16.4.1985 als Diakon

für Jugend-, Alten- und Besuchsarbeit vorgestellt. Die

Vorstellung und Ordination von Johannes Berthold

erfolgte am 10.11.1985 in der Kirche zu

Vorderweidenthal.

Die Bestandsaufnahme sah 1985 wie folgt aus: An drei

Orten Chorarbeit, Existenz eines Krankenpflegevereins,

CVJM, Gottesdienste in Vorderweidenthal sonntags,

Page 163: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

162

14tägig in Dimbach und in Völkersweiler (ab 1980 im Pfarrsaal, ab 1982 in der

katholischen Kirche samstagszweitweise in Gossersweiler, dann in Völkersweiler),

einmal im Monat in Oberschlettenbach. Ein Gemeindebrief erschien, in drei

Schaukästen wurden kirchliche Bekanntmachungen gezeigt. Der Pfarrer erteilte

Religionsunterricht an der Sonderschule in Bad Bergzabern, nachdem der Bedarf an

evangelischem Religionsunterricht vor Ort abgedeckt war. Einen sonderlichen

Brauch fand der junge Pfarrer bei Beerdigungen vor, „dem Verstorbenen einen

Lorbeer ins Grab nachzuwerfen’’. Die Sitte des Zitronenwerfens am Grab war u.a.

in der Pfalz bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts verbreitet. Paradigmatisch

beschreibt dies Albert Weyersberg für das Bergische Land:51

Im Bergischen Land war es früher insbesondere bei „Personen der besseren Stände“

üblich, den Sargträgern eine Citrone auszuhändigen. „In Bannen erhielt sich dieser,

zu Anfang unseres Jahrhunderts (19. Jahrhundert wohl allgemeine Brauch ... etwa

bis zum Jahre 1860. ... Ihr Zweck scheint ursprünglich gewesen zu sein, dem häufig

unvermeidlichen Leichengeruch entgegenzuwirken. Als nach der Einführung der

Leichenwagen die Träger mit den Särgen weniger in Berührung kamen, wird man

den alten Brauch allmählich fallen gelassen haben. Vielleicht wurde der Citrone

zunächst aber auch eine symbolische Bedeutung beigelegt.“

Neue Aufgaben entstanden. Als im November 1989 die Berliner Mauer fiel, stand

Europa vor der Wende. Sie wurde bis in die Gemeinde spürbar. Russlanddeutsche

kamen im Feriendorf Ferienpark Eichwald (Silz) und auf dem Bethof unter. Wie

nach dem Zweiten Weltkrieg stießen erneut verschiedene Frömmigkeitsstile

aufeinander. Die Wohnungssuche gestaltete sich für die Neubürger als schwierig.

Vorbehalte trafen manchen Wendehals aus der alten DDR. Übergriffe wie in

Hoyerswerda gegenüber Fremden werden befürchtet. Umgekehrt ist die Gemeinde

mit Hilfstransporten nach Bosnien und Rumänien positiv hervorgetreten.

Das ökumenische Miteinander entfaltete sich in vieler Weise positiv. Das Gustav-

Adolf-Fest 1987 für den Kirchenbezirk Bad Bergzabern mit dem Thema

Siebenbürgen und Rumänien fand in Völkersweiler statt. Die dort wohnenden Patres

nahmen unbeschwert an der Feier teil. Gerhard Moser koordinierte einen

Sternmarsch der Jugend an dem Kirchenbezirk zur Berglandhalle, die von der

Ortsgemeinde kostenlos überlassen wurde. Am 8.4.1994 gratulierte Pfarrer Berthold

dem volkstümlichen katholischen Pfarrer Otto Böhm in Niederschlettenbach zum

80. Geburtstag, dabei begleitete ihn der Kirchenchor. Auf den Besuch der neuen

Gemeindeglieder in den Parochialorten wurde großen Wert gelegt.

Das inzwischen fertiggestellte Gemeindehaus wurde fleißig benutzt. Seminare wie

„Christ werden, Christ bleiben“ und auch Bibelwochen fanden statt. Die

Jahresberichte erwähnen einen Kurs in häuslicher Krankenpflege. Eine

Ostermorgenfeier fand in der Leichenhalle in Vorderweidenthal statt. Der

Himmelfahrtsgottesdienst am 25.5.1995 am Lindelbrunn schloss eine Taufe mit ein,

Page 164: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

163

alles das Zeichen einer liturgischen Öffnung, die sich mit dem 1994 eingeführten

„Evangelischen Gesangbuch“ weiter fortgesetzt hat. Im Juli 1993 hatte die

Gemeinde den Dekanatskirchenmusiktag in Vorderweidenthal ausgerichtet. Die

Arbeit von Gemeindediakon Gerhard Moser verlieh der Jugendarbeit im Gefüge der

Gemeindearbeit ein großes Gewicht. Es war eine große Erleichterung, dass ihm nach

Prüfung durch den damaligen Kirchenpräsidenten Werner Schramm52 das

Predigtrecht verliehen wurde. Aufregung verursachte in der Gemeinde 1994 die

Abschaffung des staatlichen Feiertagsschutzes für den Buß - und Bettag. Am

7.2.1995 starb der Lehrer, Presbyter und Prädikant Richard Kalkofen. Die

Gemeindearbeit nahm seit 1985 eine kontinuierliche Entwicklung nicht zuletzt

durch die Erkenntnis auf Dekanatsebene, dass der Pfarrdienst in der ausladenden

Fläche des Gemeindezuschnitts einer personellen Unterstützung bedarf.53 Darüber

berichtet die Beschreibung des amtierenden Ortspfarrers.

Zur Person: Johannes Berthold wurde am 1.9.1957 geboren. Die Eltern waren

Werner Berthold und Margot Berthold geb. Hinkel. Nach Studium von 1977 bis

1983 in Oberursel, Tübingen, Hamburg, Erlangen und Marburg legte er in Speyer

1983 die Erste Theologische Prüfung ab. Das zweite Examen folgte im Herbst 1985.

Am 10.11.1985 erfolgte wie bereits beschrieben seine Ordination in

Vorderweidenthal. Seither war er zuerst Verwalter, seit 1990 Inhaber der Pfarrstelle

Vorderweidenthal. Das Ehepaar Rosemarie Berthold geb. Kauck und Johannes

Berthold ist seit 1982 verheiratet. Die Eheleute haben drei Kinder: Matthias Roland,

Daniel Andreas und Annette Monika.54

Pfarrer Berthold als Baumeister

Page 165: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

164

_______ 1. Christophe Baginski, Evangelische Kirche und deutsche Kriegsverurteilte in Frankreich.

1944-1962: VVPfKG 22 (2002); Ders., Hans Stempel (1894-1970). Kirchenpräsident

1946/48-1964: VVPfKG 27 (2008), 107-132.

2. Biundo 2485, BPfKG 50 (1983). Biundo nennt ein falsches Ruhestandsjahr. Ehefrau gest.

3.3.1977, beerdigt am 5.3.1977 in Annweiler (ergänzende Angaben eins Personalakte

Jung im ZASP. Abt. 2).

3. Philipp Friedrich Born, 1865-1946: 1890 Verw. Oberotterbach, 1890 Pfarrer Ellerstadt,

1896 Lettweiler, 1907 Alsenborn. 1914 Dekan Bergzabern. 1933 i. R. 1925 Kirchenrat. †

Bergzabern 14.3.1946; °° Philippine. Meyer.

4. Eine Organisation, die nicht von der NSDAP gegründet, aber von ihr mit der Zeit

dienstbar gemacht wurde.

5. Alle Angaben nach der Personalakte Jung im ZASP.

6. Biundo 5866; Wenz: lebte 1893-1954. Er war 1929-1935 Pfarrer in Rohrbach bei

Landau. 1945-1947 war er Jungs Nachbar in Großkarlbach.

7. Biundo 3052, NPB 414. Frau Eleonore Grimm geb. Laukenmann in Kapellen-Drusweiler

danke ich für das Foto und ergänzende Angaben und berichtigende Hinweise.

8. Biundo 1735 u. NPB 212.

9. ZASP Abt. 10. Nachlässe, 150.015. - Diehl, Ludwig. Landesbischof(1894-1982) Nr. 11

Feldpostbriefe an Landesbischof Ludwig Diehl bzw. an den Landeskirchenrat von

Pfarrern und landeskirchlichen Mitarbeitern im Kriegsdienst. Helmut Lambach u. a.; von

Lambach nur die genannte Karte v. 3.8.1940.

10. Biundo 3003. ZASP 851 Pfarrbeschreibung Vorderweidenthal 1954. Nachlass Diehl (wie

vorige Anm.); Personalakte ZASP Abt. 2. 547. - Zu Martin Mauck s. Biundo 3349.

11. Hans Otto Stichler, D. theol., * Marienthal 9.11.1877, 1.1.1928 Oberkirchenrat Speyer.

1929 D. theol. h. c. Erlangen. 10.10.1945 Landesbischof, 1.9.46 in Ruhe, † Speyer

31.3.1948. 1940/48 Vors. d. Basler Miss. Vereins. Biundo 5267; Michael Landgraf. D.

Hans Stichler (1877-1948), Landesbischof 1945-1946: Friedhelm Hans, Gabriele Stüber

(Hgg.), Pfälzische Kirchen- und Synodalpräsidenten, VVPfKG 27 (2008). 90-106.

12. Adolf Gilcher: * Diedelkopf 26.2.1895. 1925 Pfarrer Elmstein. 1930 St. Ingbert l, 1933

Dekan Lauterecken, 1.5.1938 Dekan Bergzabern, 1951 Pfarrer Weingarten, 1.9.1958 in

Ruhe, † 1.2.1969: ∞ Zweibrücken 1926 Marie Elfriede Oberlinger (* Fußgönheim

21.10.1904, † 7.5.1982 Kusel): Biundo 1595, BPfKG 48 (1981), NPB 199.

13. Eugen Roland, * Rehhorn 21.2.1889. 1914/18 Kriegsdienst, 1920 Stadtvikar Lauterecken.

18.11.1921 Pfarrer Rechtenbach. 1931 Rhodt u. Rietburg. 1936 Oberkirchenrat Speyer.

1946 im inneren Dienst der Verwaltung beim Landeskirchenrat Speyer, † Speyer

4.3.1947: °° Godramstein 10.9.1921 Anna Barbara Kienzler (* Godramstein 24.2.1897 –

Speyer 21.9.1985), Sohn Dr. Berthold Roland, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege,

vgl. Friedhelm Hans, Aus der Geschichte der protestantischen Gemeinde in Schweigen:

1200 Jahre Schweigen. Germersheim 2002, 223-272; Biogramm im für 2014

projektierten Handbuch der Landeskirche für die Zeit des Nationalsozialismus; Biundo

4432.

14. Kirchliches Amtsblatt 1941/8.

15. Biundo 2248; s.u. die Erinnerungen Rudolf Walters im nächsten Abschnitt. Personalakte

ZASP Abt. 2, 2788, und Wehrmachtsbrief im Nachlass Ludwig Diehl: ZASP 150. 15, Nr.

8.

16. So die Angabe in der Personalakte, die Angabe bei Biundo ist falsch.

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165

17. Ab 6.9.1939 durften im Deutschen Reich Motorräder nur noch dann gefahren werden,

wenn ihr Einsatz im öffentlichen Interesse lag. Das Kennzeichen hierfür war ein roter

Winkel.

18. Biundo 431, NPB 55, Friedhelm Hans, Schweigen (wie Anm. 13), 247 ff.; Sohn Hans Blitt

NPB 432; zu Eugen Sueß ebd. u. Biundo 5361 (1899 Neustadt - 1985 in Remscheid.

Auskunft Dr. Ulrich Dühr v. Archiv der Ev. Kirche im Rheinland am 3.1.2002 an den Verf.

Für „1200 Jahre Schweigen“, 2002, 271 Anm. 101.

19. Biundo 1176, NPB 142: Pfälzisches Pfarrerblatt 1982: Artikel der Pfarrer Ernst

Kohlmann, Hermann Lübbe und Karl Esselborn ,,Überlegungen zur Wahl des

Kirchenpräsidenten“. ZASP 150.065. - Heinz Wilhelmy, Pfarrer, hauptamtlicher

Landesbeauftragter für das kirchliche Männenwerk (1906-1980), Korrespondenz 1936.

Korrespondenz u.a. mit Karl Esselborn; ZASP 150.120 Nachlass Alexander Müller:

Bericht über die Tagung der Pfälzischen Pfarrbruderschaft in Gimmeldingen von Pfarrer

Karl Esselborn. Oktober 1966: Hermann Lübbe, Ev. Kirchenbote 1982, Nachruf.

20. Ostermaier arbeitete für mehrere Kirchen der Pfalz, z.B. Edigheim. Niederlustadt,

Asselheim, Dörrenbach, Dammheim, Kindenheim, Waldfischbach, Höheinöd, Erfenbach,

Landstuhl, Gerhardbrunn: Wohnorte Speyer, Kaiserslautern.

21. ZASP Abt. 44. 850 Pfarrbeschreibung 1904, ZASP Abt. 44. 851 Pfarrbeschreibung 1954.

22. Biundo 1073. BBK 45; ZASP Abt. 66, 851 Jahresbericht 1954. Personalakte im

Landeskirchlichen Zentralarchiv in Darmstadt, die erbetene Auskunft steht noch aus.

23. Biundo 4544, NPB 594, Friedhelm Hans, Die Pfälzische Landeskirche und die

Ostflüchtlinge: BPfKG 64 (1997). 111-183.

24. Biundo 1311, NPB 154.

25. ZASP Abt. 10. Nachlässe, 150.015. - Diehl. Ludwig, Landesbischof (1894-1982) Nr. 6

Feldpostbriefe an Landesbischof Ludwig Diehl bzw. an den Landeskirchenrat von

Pfarrern und landeskirchlichen Mitarbeitern im Kriegsdienst, u.a. Rudolf Fiedler.

26. Biundo 3552, NPB 474.

27. Arno Deutelmoser, 1907-1983, aus der Jugendbewegung hervorgegangener Anhänger

einer pantheistischen Weltanschauung.

28. NPB 755: Lothar Wagner, *26.9.1950 Vorderweidenthal. S. v. Oskar W. ( *13.2.1917,

†1983) u. Erna W. geb. Sengling (*20.2.1922).

29. Biundo 5951, nicht im NPB: Eltern: Landwirts Joh. W. (* Haßloch 13.3.1891, † H.

14.5.1960) und Philippine Löchner (* H. 17.11.1894, † H. 31.1.1954); 1943/45

Kriegsdienst, Stud. 1945/49 Erlangen. Frdl. Angaben von Frau Christine. Lauer im ZASP

v. 18.3.2013: (Teil) Personalakte im ZASP. Wilhelm wechselte am 15.11.1970 in den

Dienst. der Ev. Kirche in Hessen und Nassau. Er war in folgenden Pfarreien Tätig:

16.10.1949 Vikar in Germersheim. 16.4.1951 als hauptamtlicher Verweser in

Vorderweidenthal (ab 1.7.1953 als Pfarrer), 16.4.1959 Pfarrstelle bei der Männerarbeit

in der Pfälzischen Landeskirche. Mit Wirkung vom 16.11.1970 wurde Wilhelm zum

Pfarrer der EKHN auf Lebenszeit berufen und gleichzeitig für die hauptamtliche

Erteilung von Religionsunterricht an der Berufsschule in Friedberg freigestellt. Mit

Wirkung vom 1.10.1980 in Ruhe. Er verstarb am 22.10.1991 in Friedberg (Amtsblatt der

EKHN Nr. l, 1971, 30; Nr. 10, 1980, 175; Nr. 12, 1991. 218); für die Auskunft dankt der

Vf. Frau Ute Dieckhoff vorn Zentralarchiv der Ev. Kirche in Hessen und Nassau in

Darmstadt. 25.3.2013. Seine Urne wurde am 27.11.1991 auf dem alten Friedhof in

Haßloch beigesetzt.

30. Der Kirchenbezirk hat eine Festschrift herausgegeben.

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166

31. Aufruf im Gemeindebrief Ingenheim, April 2012.

32. Heinz Friedrich Wilhelm Wilhelmy, * Pirmasens 2.3.1906; 1930 Verw. Albersweiler,

Kaiserslautern, 1934 Pfarrer Thaleischweiler, 1939 Kriegsdienst, 1946 nebenamtl., seit

1953 hauptamtl. Landesbeauftragter für das kirchl. Männerwerk (Kaiserslautern), °°

1931 Hanna Gericke. i.R. 1969. † 16. Mai 1980 Ebernburg; Biundo 5962. nicht im NPB.

33. Friedrich Johann Kerth.* Kandel 1.9.1910. 1934. Verw. Göllheim. Pirmasens III,

1.5.1938 Verw., 1.3.1949 Pfarrer Klingenmünster, 1939/48 Kriegsdienst und russ. Gef.

Ruhestand am 31.8.1973, † 8.6.2004 in Gleiszellen-Gleishorbach, 1966-1973 Mitglied

der Kirchenregierung, Mitglied des Grundordnungs- u. des Finanzausschusses; ∞ Kandel

23.10.1939 Anneliese Greiner (* Pirmasens 15.7.1919), Ehefrau Vorstandsmitglied des

Müttergenesungswerkes Pfalz: zwei Kinder; Biundo 2617, NPB 344.

34. Ludwig Heinrich Leonhard, * Edenkoben 15.4.1909, 1934 Verw. Großniedersheim,

Mittelbexbach, 1935/43 Verw., 1942 Pfarrer Elmstein. 1940’’4 5 Kriegsdienst und Gef.,

1950 Pfarrer Rohrbach bei Landau, 31.7.1974 Ruhestand; °° Edenkoben 21.9.1937

Emilie Elis. Kutterer (* Karlsruhe 1910, † 15.12.1992 Annweiler); Biundo 3104, NPB

421. Sohn Ludwig Georg Leonhard, (1938-2012), bekannt als Pfarrer zu Annweiler 1973-

2000: Biundo 3105; NPB 432.

35. August Hussong, weltlicher Oberkirchenrat. 1906-1972, Biundo 2381, NPB 298.

36. Volker Ludwig Adolf ‘Hörner * 1948 Rohrbach/Landau, 1972 Vikar, 1975 Verwalter

Dörrenbach. 1976 Pfarrer Dörrenbach. 1978 Pfarrstelle Predigerseminar Landau 1995

Pfarrstelle Ev. Akademie der Pfalz, ab 2013 Pfarrer i. R. in Landau; NPB 275.

37. Alfred Wasner, * Speyer 10.6.1931. 1955 Predigerseminar, 1955 Vikar Miesenbach, 1956

Stadtvikar Frankenthal. 1959 Pfarrer Rechtenbach i. R. 30.6.1994, verlängert bis

31.10.1994, † 29.8.2006 in Schweigen-Rechtenbach: Dekanatsjugendpfarrer, Senior,

Beisitzer im Verwaltungsausschuss der Ökum. Sozialstation: Biundo 5721: NPB 762:

Hans, Schweigen (wie Anm. 13).

38. Alfred Hans Keffel, *1941. 1968 Aushilfe Waldfischbach, 1968 Vikariat Landau-Mitte,

1971 Religionslehrer am Neusprachl. Gymnasium Landau, 1.10.1975 Pfarrer Landau-

Mitte, 1978 Dekan Lauterecken, 1984 Dekan Bad Bergzabern. 1994 a. D., 1995 Pfarrer

Fußgönheim, 30.4.2000 i. R.: NPB 338.

39. Volker Janke, geb. 11.2.1966, 1.1.1994 Vikar, 16.7.1996 der Kirchengemeinde Minfeld

zugeordnet, 16.7.1999 Pfarrer auf Lebenszeit. 1.1.2003 Pfarrer z. A. Minfeld- Winden

verliehen, 1.10.2012 Dekan Landau.

40. Victor Alexander Damerow, * 12.7.1977, 18.9.2006 Vikar, 1.3.2009 Pfarrer z. A.,

1.3.2009 hauptamtliche Verwaltung der Pfarrstelle Heuchelheim und dem Kirchenbezirk

Bad Bergzabern zugeordnet.

41. Mitteilung Hermann Dahl an den Vf. v. 19.3.2013, aktualisiert, mit herzlichem Dank. d.

Vf.

42. Ernst Wolfgang Rieder, 1913-1971, Vikariat ab 1936, 1939/49 Kriegsdienst u. russ.

Gefangenschaft, 1.1.1950 Pfarrer Speyer (Vikarsstelle), 1.6.1950 Pfarrer Dahn. 1.1.1957

Erlenbrunn, † 12.2.1971 Pirmasens-Erlenbrunn: ∞ Speyer 7.7.1951 Gudrun Weber (*

Ernstweiler 1929), fünf Kinder; Biundo 4344, NPB 565.

43. Jahresberichte Abt. 44. Vorderweidenthal.

44. Biundo 5681, NPB 761. Für die persönlichen Erinnerungen v. 16.3.2013 und das Foto

danke ich Rudolf Walter in Freinsheim herzlich, F. H.

45. Biundo 2448, NPB 316.

Page 168: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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46. ZASP Abt. 8. Nr. 65 Jahresberichte. Im Text jeweils das entsprechende Jahr angegeben.

Zur Kirchenrenovierung und Orgelgeschichte s. eigene Abschnitte.

47. Walter Hennig. Völkersweiler, Reisemissionar der Basler Mission. Pfarrdiakon.

Dienstbezeichnung Pfarrer verliehen mit Wirkung vom 1.3.1990;

48. Robert Hensel, Dr. theol. Professor, * Zweibrücken 1930, 1954 Predigerseminar, 1955

eingesetzt in Kirkel, Pirmasens u. Berufsschule Pirmasens, 1956 Dienst am

Predigerseminar Landau, 1956 Dr. theol. Mainz, 1958 Pfarrstelle 2 Predigerseminar

Landau, 1961 Pfarrer Dahn, 1966 Dekan Bergzabern II. 1984 Oberkirchenrat Speyer /

Dez. II – Schule u. Universitäten, Ausbildung u. kirchl. Werke, 1990 i. R.; ∞ Zweibrücken

1957 Hildegard Maurer (*1931), Veröff.: Das Interim in Pfalz-Zweibrücken (Dissertation

Mainz 1956); Miles Coverdale, Heimatjahrbuch Landau 1984; Billicanus, dto. 1986:

Hans Denk, dto. 1988: Geschichte der Ev. Kirche in Bad Bergzabern seit der

Reformation, Zweibrücken 1993; 1960-65 Lehrauftrag Kirchengeschichte. Katechetik an

der Päd. Hochschule Kaiserslautern, 1970-1983 Vorstand des GAW; 1995 in Landau zum

Professor (Universität Koblenz-Landau) ernannt: Lehrauftrag in Landau; Biundo 2066,

NPB 256.

49. Otto Mehringer 1908-1982. ab 1932 Dienste in Gönnheim. Predigerseminar,

Kirchheimbolanden, Mörzheim, Kindenheim, 1937 Pfarrer Großbockenheim,

Kriegsdienst, 1950 Pfarrer Ludwigshafen II. 1953 Dekan Landau, 1964 Oberkirchenrat

Speyer, 31.10.1974 Ruhestand; ∞ I. 1937 Bad Dürkheim: Anna Heilmann (1913-1967),

T. Ursula Müller-Praefcke geb. Mehringer, ∞ Biundo 3676 u. NPB 458: Jürgen M.,

Neustadt: ∞ .II 1969 Karlsruhe: Helga geb. Krebs, *1936 Zeiskam, Malerin; Veröff.: Pro-

Teste aus protestantischen Pfarrhäusern. 1979: Georg Friedrich Dentzel, ein Pfälzisches

Schicksal, Speyer 1983; Biundo 3407. HP B 458.

50. Gabriele Stüber, Walter Erich Ebrecht (1910-1978). Kirchenpräsident 1969-1975:

Friedhelm Hans, Gabriele Stüber (Hgg.), Pfälzische Kirchen- und Synodalpräsidenten:

VVPfKG 27(2008), 159-175; 1062. NPB 122.

51. Lorbeer als Symbol des Sieges (über den Tod), bekannt von den Lorbeerkränzen. Seit der

Barockzeit war neben dem dreimaligen Erdwurf der Einwurf von Zitronen – besonders

durch die Leichenträger) verbreitet, dem Vf. zuletzt in Weisenheim am Sand 1981 bezeugt

für die Zeit bis 1970; s.a. Georg Biundo. Brauchtum um Tod und Grab: BPfKG 26 (1959),

174f.; für das Bergische Land ist der barocke Ursprung ebenfalls bezeugt: In einer

Aufstellung der Begräbniskosten eines im Jahre 1782 zu Pilghausen bei Solingen

verstorbenen Klingenkaufmanns sind u.a. aufgeführt: „5 Rthlr 58 Stbr. für 13 Paar

Handschuhe und ebensoviele Citronen für die Träger und Schulmeister“, s. Albert

Weyersberg, Monatsschrift des Bergischen Geschichtsvereins = MBGV9 (1894). 121]. Es

mag noch erwähnt werden, daß ... die Kutscher des Leichenwagens und der

Begleitwagen ... ein Paar weiße, baumwollene Handschuhe im Trauerhause erhalten, so

Weyersberg, MBGV 9 (1894), 130.

52. Werner Schramm. 1933-2004, 1964 Pfarrer Morschheim 1969 Pfarrstelle l

Kirchheimbolanden. 1970 Dekan Kirchheimbolanden, 1976 Oberkirchenrat in Speyer.

1988-1998 Kirchenpräsident. † 1.9.2004 in Dudenhofen: ∞ Erika Rettig (*1938); Biundo

4900, NPB 654: F. Hans, Werner Schrann (1933-2004), Kirchenpräsident: VVPfKG 27

(2008), 207-229, vgl. Anm. 50.

53. ZASPAbt.8Nr. 772.

54. NPB 49.

Page 169: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Die gotische Glocke von Vorderweidenthal und ihre Geschwister

Der Kirchturm birgt u.a. eine gotische Glocke aus dem Jahre 1594, wie aus der

Schulterinschrift der Glocke hervorgeht. Die stilistische Klassifizierung als gotisch

erfolgt nach dem Glockentypus und nicht nach der Jahreszahl, in der etwa im

Bauwesen längst die Renaissance angebrochen war. Die letzte umfassende

Beurteilung hat der frühere Pfälzische Glockensachverständige der Pfälzischen

Landeskirche, Volker Müller aus Maxdorf, abgegeben. Müller schreibt:

„Die jüngste erhaltene Pfälzische Glocke in gotischem Stil aus der Zeit vor 1618

läutet heute im Dreiklanggeläute fis’- a’-cis“ der Pfarrkirche Vorderweidenthal, eine

klanglich sehr gute, flüssig und klar wirkende Glocke. Interessant ist ihre

Schulterinschrift, gemischt in deutscher und lateinischer Sprache und in Antiqua-

Majuskeln der Renaissance: GLORIA IN EXCELSIS DEO (liegende Lilie als

Trennung) ZV STRASBVRG GOS MICH IOHANN IAKOB MILLER DA MAN

ZALT ANNO 1594 (3 Lilienblätter als Texttrenner); unter der Schrift findet sich ein

Hängefries aus Blattwerk und Eicheln, unter dem Wort GLORIA unterbrochen

durch eine 125 mm hohe Plastik des auferstandenen Christus mit erhobener rechter

Hand und in der linken Hand die Weltkugel mit Kreuz tragend.’„ Ihr Schlagton ist

a’. Sie besitzt eine Sechs-Henkel-Krone, je zwei Kronenhenkel sind paarig

angeordnet, auf jedem Henkel sieht man eine männliche Fratze. Der genannte

Schulterschmuck ist 13 cm hoch.2

Tatsächlich verweist die Glockenzier auf andere bekannte spätmittelalterliche

Glocken in Friedelsheim oder Bad Bergzabern (Marktkirche, 1414, mit einer

Christusfigur und der gotischen Minuskel mit dem Wortlaut „ hans von sant vvalfart

gos mich anno dni - domini - M CCC XXXXI“ = 1441). „ Ehre sei Gott in der Höhe“

– Die Engelsbotschaft aus dem Weihnachtsevangelium nach Lukas 2 ist ein beliebter

Spruch auf Glocken und wurde in unserem Raum zuletzt in Landau verwendet. Diese

Glocke stand 2003/04 vorübergehend stumm in der Johanneskirche, bevor sie nach

Serui nach Westpapua verschickt wurde.

Der stilistische und technische Umbruch im Glockenguss erfolgte nach dem

Dreißigjährigen Krieg. In den Kriegsläuften jener Epoche ging das Wissen um den

Glockenguss verloren. Daher haben die barocken Glocken keinen hohen

musikalischen Klangwert. Die sog. Hunspacher Glocke neben der Bergkirche in Bad

Bergzabern hat ihren Wert von der Glockenzier mit dem Bergzaberner Wappen, eine

Reparatur der durch Artilleriebeschuss im Zweiten Weltkrieg Beschädigten Glocke

hätte sich vom Klang her jedenfalls nicht gelohnt. Die Präsentation auf dem

„Hunspacher Plätze!“ ermöglicht es aber dem Publikum, eine Glocke ohne

besonderen Aufwand aus der Nähe zu betrachten. Die gotische Glocke von

Vorderweidenthal hat alle Kriegs- und Friedenszeiten heil überstanden. Sie läutete

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bereits vom Turm der Vorgängerkirche und überstand die beiden Weltkriege. Der

Erwähnung wert ist das zur Glocke. Die Glocke hängt an einem hölzernen Joch (der

drehbar gelagerte Balken zum Aufhängen einer Glocke). Das Joch ist ebenso wie

der Holzglockenstuhl aus alter Zeit erhalten.3 Der Wert des historischen

Glockenensembles ist unschätzbar. Vom Glockenstuhl lässt sich auf das

Vorhandensein von drei Glocken bereits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts

zurückschließen.

Für den Kirchenneubau von 1865 wurden ehedem zwei Glocken von Fa. Pfeifer in

Kaiserslautern gegossen worden. Man wollte ein neues, besser klingendes Geläute

haben und goss zwei ältere Glocken um. Wie heute vorhanden entstand damals ein

Molldreiklang mit folgenden Glocken:

Glocke 1 Ton: fis’ Durchmesser 1060mm, Gewicht ca. 600/620 kg

Glocke 2 Ton a’ Durchmesser 902 mm, Gewicht ca. 420 kg

Glocke 3 Ton cis“ Durchmesser 710mm, Gewicht 175 kg

1917 wurden die Glocken fis’ und cis“ von 1865 für Rüstungszwecke eingezogen.

Die fünf Jahre später von Pfeifer in Kaiserslautern gegossenen und im Juli 1922

gelieferten Glocken fis’ und cis“ wurden wiederum auf die historische a-Glocke

abgestimmt.4 Kaum zwanzig Jahre nur riefen sie vom Kirchturm die Gemeinde zu

Gottesdienst und Gebet. Vom 13. bis 18. Februar 1942 wurden sie vom Turm

abgenommen und sofort im Hamburg eingeschmolzen, da sie der Gruppe A

eingeordnet wurden, der kein historischer oder klanglicher Wert beigemessen war.5

Anders als im Ersten Weltkrieg war die Glockenabnahme aber eine reine

Propagandamaßnahme. Nur die wenigsten wurden für Kanonenmetall

eingeschmolzen. Vielmehr sollte der Kirche eins Stimme genommen werden. Viele

Gemeinden fanden ihre beschlagnahmten Glocken der Gruppen B und C (historisch

mehr oder weniger wertvoll) wieder auf dem „Glockenfriedhof’ in Altona, da ein

Bombenangriff die Schmelzanlage lahmgelegt hatte. Nach dem Kriege goss

Hermann Hamm (l 896-1971) in Frankenthal 1949 für Vorderweidenthal zwei

Ersatzglocken mit gleichem Schlagton.6

Pfarrer Dr. Rudolf Molter lud den „Präses“ Hans Stempel am 14.5.1949 zur

Glockenweihe nach Vorderweidenthal ein, die Gemeinde würde sich nach dem

Terminkalender des Präses richten. Die Absage des Kirchenpräsidenten Stempel an

Bürgermeister Hermann Müller vom 23.5.1949 ist erhalten. Wegen der zahlreichen

anderen Glockenweihen erfolge vom Landeskirchenrat kein Besuch, teilte Stempel

mit. Seine Teilnahme würde außerdem in den Gemeinden ein falsches Signal setzen,

die vier Jahre nach Kriegsende, immer noch kein Pfarrhaus oder keine Kirche

besaßen.7 Grüße des Landeskirchenrates zur Glockenweihe überbrachte Pfarrer

Erich Hammel aus Kapellen.8

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Beschreibung der Hamm-Glocken (aus der Inventarisation des

Glockensachverständigen Volker Müller, Maxdorf):

Glocke 1 fis’: Sechs-Henkel-Krone, Bügel radial angeordnet, einmal abgesetzte Platte, Grat auf

der Haube.

Schulterinschrift zwischen zwei umlaufenden Wülsten in 40 mm-Antiqua:

DTE ERLÖSTEN DES HERRN WERDEN WIEDERKOMMEN MIT

JAUCHZEN Auf dem Wolm zweizeilige, 17 mm hohe Antiqua-Inschrift:

Erste Zeile: DEM GEDÄCHTNIS DER OPFER ZWEIER

WELTKRIEGE WARD ICH GEWEIHT

Zweite Zeile: ANDREAS HAMM SOHN IN

FRANKENTHAL GOSS MICH FUER DIE PROT.

KTRCHE VORDERWEIDENTHAL 1949

Um den Schlagring Inschrift in 40 mm Antiqua: DER

GERECHTIGKEIT FRUCHT WIRD FRIEDE SEIN

(Stern) DIE LIEBE IST DES GESETZES ERFUEILUNG

Glocke 3 cis’: Gestaltung von Krone uno Haube wie bei der großen fis’-G locke

Um die Schulter zwischen zwei Zierringen 30 mm-Antiqua-Inschrift:

SEI GETREU BIS AN DEN TOD †

Auf dem Wolm zweizeilige 20 mm-Antiqua-Inschrift:

Erste Zeile: ZWEI GLOCKEN DER GEMEINDE

VORDERWEIDENTHAL VERSCHLANG DER KRIEG 1942

Zweite Zeile: MIT MEINER GROSSEN SCHWESTER

ZUSAMMEN GOSS MICH ZU IHRER NACHFOLGE

ANDREAS HAMM SOHN IN FRANKENTHAL 1949 Um den Schlagring zwischen Graten 30-mm-Antiqua-

lnschrift: WER DA GLAUBET UND GETAUFT WIRD DER WIRD

SELIG WERDEN † pS: Die Schlagringe aller drei Glocken sind stellenweise Beschädigt,

besonders bei Glocke a’ (Glocke 2).

15.6.1985 aufgenommen durch Volker Müller und Dr. Konrad Bund

Die Kirchengemeinde ist sich ihres Schatzes im Kirchturm bewusst. Sie feierte

1994 den vierhundertsten Geburtstag ihrer historischen Glocke.9

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_______

1. Volker Müller. Denkmalglocken der evangelischen Kirchen der Pfalz, Der

Turmhahn 30 H. 5/6 (19861. 7-10.

2. Nach Unterlagen Volker Müllers, Maxdorf’(12.3.2013). Mit herzlichem

Dank, FH..

3. Müller (wie vorige Anm.); Müller: Erfreulich ist, daß auch 1949 bei der

Ergänzung dieser Glocke der schöne, alte Holzglockenstuhl und die

Holzjoche erhalten blieben“; bei Müller Abbildung der Glocke und des

Glockenstuhls. 7.

4. Jahresberichte ZASP Abt.. 8, für 1917 und 1922.

5. Angaben zu den Glocken von 1865 und 1922 bis zur Einschmelzung nach

Unterlagen Volker Müllers (12.3.2013). Mit herzlichem Dank an Volker

Müller für die Ergänzungen, Friedhelm Hans. Feierlicher Glockenumzug

über Annweiler, Darstein, Oberschlettenbach; Festpredigt Dekan Born:

Pfarrbeschreibung 1954.

6. Bernhard H. Bonkhoff, Die Pfälzische Glockengußkunst, Zweibrücken

1992, 137.

7. ZASP Abt. 344. 32.

8. Jahresbericht für 1949, ZASP Abt. 8; Pfarrer Erich Hammel: 1904-1975.

1938-1950 Pfarrer in Kapellen-Drusweiler, 1957-1969 Vorsitzender des

Blauen Kreuzes Pfalz-Saar; 1970 Ruhestand; Biundo 1877, NPB 231.

9. ZASP Abt. 8. 742 (Jahresbericht 1994/95 Vorderweidenthal).

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Protestantische Kirche

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Nordseite der Kirche mit Spuren alter Beschädigungen

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Protestantisches Gemeindehaus von Süden mit Denkmal für die Gefallenen des

Zweiten Weltkrieges

Protestantisches Gemeindehaus - Westseite

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Bei der Einweihung des Protestantischen Gemeindehauses entstanden im Mai 1992

zwei Aufnahmen:

Das Presbyterium z. Zt. der Einweihung (von links nach rechts): Gerhard Moser,

Gemeindediakon; Edmund Keller, Helmut Jung, Renate Bauer, Heidi Hussong-

Braun, Richard Kalkofen, Luise Eitel, Helga Stoffel. Waltraud Jung, Gerhard

Helfer, Hannelore Heft, Helmut Dopke, Johannes Berthold, Pfarrer; rechts im

Hintergrund rechts der ehemalige Presbyter Herbert Wagner

Nach der Einweihung Präsentieren sich - v.l.n.r.: Gerhard Moser, Gemeindediakon;

Edmund Keller, Oskar Bischoff, Reinhard Burkhard. Heidi Hussong-Braun, Herbert

Wagner, Luise Ettel, Richard Kalkofen, Helga Knurr, Gerhard Greitsch, Gerhard

Helfer, Helmut Dopke. Eugen Stöbener (im Rollstuhl) und Johannes Berthold,

Pfarrer

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Kircheninneres und Ausstattung

Derzeitigel- Zustand der Kanzel, des Chorbogens und des Altars im Chorraum; im

Bild rechts Tafel der Kriegstoten des Ersten Weltkrieges

Das Kirchenschiff mit Blick auf den Chor: an der Decke ein hölzerner Radleuchter

(Nachbau eines gleichgestaltigen Vorgängers). Dessen Ausführung erinnert an eine

gezackte Krone, wiederkehrend z. B. im Epiphaniaslied „O König aller Ehren „

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Das Kircheninnere nach einer alten Aufnahme aus dem Anfang des 20.

Jahrhunderts: Die Kriegertafel fehlt noch, der Altar ist schmucklos, nach

Pfälzischer Überlieferung ohne Kerzen oder Kreuz, auch fehlt eine Altarbibel. Im

Bild sieht man links von der Kanzel den Pfarrstuhl, der wie in vielen anderen Fällen

bei der Renovierung von 1966 entfernt wurde. Ansonsten hat sich der Kirchenraum

- besonders hinsichtlich der Kirchenbänke und ihrer Anordnung - kaum verändert.

Foto in der Kirche

Diese Aufnahme des Kircheninneren

zeigt bereits den Radleuchter. Die

Kirche Verfügt zur Beheizung des

Kirchenraumes über einen gusseisernen

Ofen, man beachte das Ofenrohr an der

Chorwand rechts. Der Altar ist immer

noch schmucklos. Frühester Zeitpunkt

für diese Aufnahme sind die Jahre nach

1920. Der Zustand hielt bis vor der

Renovierung 1965/66 an, vgl. die

Einweihungsfestschrift Pfarrer Karl

Jockers „100 Jahre neue Kirche in

Vorderweidenthal“, Bad Bergzabern

1966.

Foto in der Kirche

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Jockers geht in der Festschrift von 1966 ausführlich auf die Renovierungsgeschichte

ein: Am 1.6.1965 beschloss das Presbyterium die Vorverlegung der Konfirmation

auf den 21. März, um am Tag darauf mit der Renovierung zu beginnen. Bei

Erdarbeiten stieß man auf die Fundamente der mittelalterlichen Kirche und Gebeine

aus dem alten Kirchhof. Fa. Schwarzmüller aus Schwanheim erhielt Unterstützung

bei den Ausschachtungs- und Maurerarbeiten von Freiwilligen aus dem Dorf.

Neue elektrische Leitungen wurden gezogen, das Gebälk imprägniert. Jockers

spricht noch von der „Frauenseite“, die einen Gang an der Wand erhielt - damals saß

man im Gottesdienst noch nach Geschlechter getrennt. Die Orgelrestaurierung

wurde vertagt und erfolgte einige Jahre darauf, zwischen 1969 und 1971. Eine Öl-

Warmluft-Heizung kam zum Einbau, neue Fenster und eine elektrisch betriebene

Turmuhr kamen hinzu. Besonders war man auf die Herrichtung des mittelalterlichen

Chorraums stolz. Zur Hilfe kamen Geldspenden hinzu, davon 10.000 DM von der

politischen Gemeinde. Aus dem Grenzlandfonds des Bundeslandes floss dieselbe

Summe, der Landeskirchenrat bewilligte 43.000 DM und 10 Festmeter Stammholz.

An eigenen Mitteln brachte die Kirchengemeinde 25.000 DM auf, Sachspenden

kamen im Wert von 20.000 DM aus der Gemeinde.

„40% aller Haushalte sehen bereits in die Röhre“, bemerkte Jockers, und doch

gingen die Gedanken weiter auf die Orgelinstandsetzung und den Ausbau eines

Pfarrzentrums mit Jugendräumen und Bücherei. Eine Liste der unter Architekt Otto

Hahn aus Schifferstadt wirkenden Handwerksbetriebe aus dem Ort Schreinerbetrieb

Oskar Hoff und Sohn, Maler Erich Eckert aus Darstein, aus Spirkelbach, Elektro O.

Stoffel, Steinsanierung B. Oehl aus Wernersberg, Fenster und Fensterkreuze die

Firmen Krumholz und Erb aus Bad Bergzabern, Schmiedearbeiten Fa. Schreiber aus

Rhodt unter Rietburg, Heizungstür K. Funk, Vorderweidenthal u.a.

Die mittelalterliche Sakramentsnische

mit neuzeitlichem Gitter im Chorturm

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Vergrößerte Teilaufnahme der Sakramentsnische; gotische Form mit Maßwerk,

gekrönt mit einem Kelch (?) oder Pinienzapfen auf der Spitze, links und rechts

daneben Kapitellspitzen (?)

Der dritte Quader von unten in der linken

Chorwand weist eine längliche

Aussparung vor, nach oben

halbkreisförmig abgerundet und einer

gezackten Spitze. In der Abbildung von

vor dem Ersten Weltkrieg ist eine

Nutzung zu erkennen. Über das Alter

dieser Aussparung sind keine sicheren

Aussagen möglich

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Die Orgel(n) der protestantischen Kirche in Vorderweidenthal

Gero Kaleschke

In der 1386 erstmalig erwähnten, 1489 umgebauten und 1695 nach Beschädigungen

im Pfälzischen Erbfolgekrieg erneuerten Kirche in Vorderweidenthal (lutherisch)

befand sich bis 1788 keine Orgel. Nach dem Jahresbericht von 18651 wurde die erste

Orgel im Jahre 17882 in der Kirche auf einer kleinen Emporbühne im Chor

aufgestellt.3 Diese Orgel hatte offenbar elf Registerzüge4, was auf etwa acht bis zehn

klingende Register schließen lässt. Als Erbauer kommt mit größter

Wahrscheinlichkeit der Orgelmacher Johann Carl Baumann von Annweiler infrage.5

Weitere Nachrichten aus dem 18. Jahrhundert und beginnenden 19. Jahrhundert sind

nicht bekannt; so entzieht es sich auch unserer Kenntnis, ob das Werk während der

Revolutionswirren beschädigt oder geplündert wurde. Die Kirche selbst, die im

Besitz der „Civilgemeinde“ war, wurde am 2. Pluviose XIII (22. Januar 1805) der

Kirchengemeinde überlassen.

18206 wird ein Blasbalgzieher erwähnt und 1822 reparierte der Orgelmacher Jacob

Moeller7 die Orgel zu einem Betrag von 62 fl. 20 xr, welcher aus der

Gemeindekasse8 bezahlt wurde. Eine weitere Reparatur ist bezeugt für das Jahr 1836;

sie wurde von Orgelmacher Georg Hof von Klingen um den Betrag von 22 fl 48 xr

vorgenommen.9

1847 war die Kirche für baufällig erklärt worden, so daß die Gottesdienste im

Schulhaus abgehalten werden mussten. Doch noch im Dezember des gleichen Jahres

wurde die Kirche nach einer Reparatur wieder benutzt. Die anstehende

Orgelreparatur wurde dagegen erst im Jahre 1852, im Zuge einer weiteren

Kirchenreparatur durch Wilhelm Huber von Pirmasens lt. Kostenanschlag vom 16.

Juli 185210 zu 44fl. vorgenommen. Diese Kosten wurden aus der Kirchenkasse

bestritten.11 Huber hatte danach die Orgel nochmals in den Jahren 1857, 1860 und

1863 gestimmt, wofür er jeweils 8 fl. bezog.

Am 12. September 186212 hatte die Gemeinde beschlossen, angesichts des immer

desolater werdenden Bauzustandes, eine neue Kirche nach Plänen von J. Köhler von

Pirmasens zu errichten. Vor dem Abbruch des Gebäudes (ausgenommen der Turm)

am 23. Mai 1864 hatte Orgelbauer Carl Wagner von Kaiserslautern die Orgel

abgelegt und im Schulhaus eingelagert.13 Am 12. Juni konnte der Grundstein zum

neuen Kirchenschiff gelegt werden. Nachdem Wagner die Orgel auf

Gemeindekosten nach gründlicher Reparatur (und Veränderung?) 14 - die Orgel

erhielt u.a. ein neues Flötenregister - auf der Empore über dem Haupteingang

aufgestellt hatte, wurde der Kirchenbau am 10. Dezember 1865 eingeweiht.15 Das

erneuerte Orgelwerk war von den Lehrern Herrmann von Oberschlettenbach und

Grünenberg von Vorderweidenthal geprüft worden.

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Im Vorfeld des Kirchenneubaus aufgetretene unerquickliche

Eigentumsstreitigkeiten betr. Glocken und Orgel wurden dahin entschieden, daß für

die Orgel das Presbyterium als zuständig erklärt wurde, aber der Gemeinderat gehört

werden müsse, wenn die Kosten für Neubau oder Reparatur aus der Gemeindekasse

bezahlt werden sollten.

Ein 1865 und nochmals 1870 ins Auge gefasster Orgelneubau - die alte Orgel hatte

sich für den viel größeren Kirchenraum als zu klein erwiesen - unterblieb. Von 1869

bis 1872 wartete Christian Huber16 von Pirmasens die Orgel, ab 1878 der

Orgelmacher Peter Hof von Klingen bzw. dessen Sohn Andreas; sie erhielten jeweils

17 Mark aus der Kirchenkasse.

Der sich verschlechternde Zustand des Werks - die Wartungen beschränkten sich

offenbar nur auf die Stimmungen - veranlasste das Presbyterium im Jahre 1887,

Jakob Heinrich Lützel von Zweibrücken um ein Gutachten über die Orgel zu bitten.17

Aufgrund dieses Gutachtens wurden die Gebrüder Huber von Pirmasens noch im

gleichen Jahre aufgefordert, einen Kostenanschlag über Erneuerung einzureichen.

Am 28. September 1887 genehmigte das Bezirksamt Bergzabern18 die Pläne mit der

Auflage, die Vorschläge Lützels zu berücksichtigen.

Der ursprüngliche - und wohl auch dem Vertrag zugrunde gelegte – Kostenaufwand

von 900 Mark wurde jedoch infolge unvorhergesehener Zusatzarbeiten, die sich erst

beim Abbau der Orgel als notwendig herausgestellt hatten, beträchtlich

überschritten. Die Gesamtsumme belief sich Schließlich auf 1235 Mk.19 ohne die

Nebenausgaben. Welche Umgestaltungen vorgenommen worden waren, lässt sich

zur Zeit mangels Quellen nicht mit Sicherheit angeben.

Am 28. Juli 1888 konnte die erneuerte Orgel20 - gleichsam zum Gedächtnis an die

hundertjährige Wiederkehr der Aufstellung in der Kirche - in Dienst gestellt werden.

Die Prüfung wurde von Seminarlehrer Hermann Hahn von Kaiserslautern

vorgenommen. Gebr. Huber hatten danach die Orgel - bis 1898 in Pflege; von 1899

bis 1909 betreute Andreas Hof von Klingen das Werk, schließlich ab 1909 bis zum

Ausbruch des Ersten Weltkriegs August Huber von Pirmasens.

1917 wurden die Prospektpfeifen beschlagnahmt und durch die Orgelbauwerkstatt

Gebr. Steinmeyer/Oettingen ausgebaut.21 Die schon 1904 als „ schlecht“ beurteilte

Orgel wurde 1919 durch eingedrungenes Schneeschmelzwasser so geschädigt, daß

sie ihren Dienst vollends versagte. Durch die Ablieferung der Prospektpfeifen hatte

die Orgel ohnehin an Klangfülle verloren, so daß sich das Presbyterium Anfang des

Jahres 1921 entschloss, eine neue Orgel zu beschaffen. Den Auftrag erhielt die

Orgelbauwerkstatt G. F. Steinmeyer.22

Am 27. April 1921 wurde die alte Orgel abgebaut und die nicht mehr zu

verwendenden Teile versteigert. Ende Juli 1921 wurde die neue Orgel mit 13

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klingenden Registern auf zwei Manualen und Pedal geliefert und aufgebaut. Bereits

am 2. August konnte Seminarlehrer Hans Albrecht von Kaiserslautern die Orgel

prüfen und sie als wohlgelungen beurteilen.

Das Werk war nun gegen die Wand gerückt und Höher gestellt worden; das hinter

der Orgel befindliche Fenster war verschalt worden. Das Werk hatte pneumatische

Spiel- und Registertraktur, Taschenladen und einen freistehenden Spieltisch. Der

Gebläseantrieb erfolgte mit einem Elektromotor. Die Disposition lautete:23

Pedal: F-g’. 1. Manual: C-g3 2. Manual: C-g3

Subbass 16’ Principal 8’ Geigenprinzipal 8’

Zartbass 16’ Viola di Gamba 8’ Salizional 8’

Octavbass 8’ Dolce 8’ Liebl. Gedeckt 8’

Soloflöte 8’ Hohlflöte 4’

Oktav 8’

Comettmixtur 2 2/3’

Spielhilfen: II/I, I/P, II/P (Koppeln)

Suboktav II/I

3 feste Kombinationen Piano, Mezzoforte, Tutti Pianopedal

Am 21. August wurde das als op. 1303 erbaute Orgelwerk als

„Kriegergedächtnisorgel“ feierlich eingeweiht.

Während der Evakuierung der Bevölkerung („ Rote Zone“) zu Anfang des Zweiten

Weltkrieges scheint die Orgel trotz aller Vorsichtsmaßnahmen stark gelitten zu

haben; nach der Rückkehr der Bevölkerung wurde das Werk durch die Firma Poppe

& Söhne in Landau im Jahre 1942 auf Kosten der Wiederaufbaubehörde24

instandgesetzt 1945 wurden Kirche und Orgel schwer Beschädigt, das Dorf selbst

weitgehend zerstört. Nach der provisorischen Wiederherstellung der Kirche 1948/49

wurde die Orgel erst Ende 1950 durch Gebr. Oberlinger/Windesheim

instandgesetzt.25 Einen Klangumbau lehnte das Presbyterium lt. Schreiben vom 15.

November 1950 ab.26

Mit Beginn der umfassenden Kirchenumgestaltung am 22. März 1965 wurde die

Orgel durch Fa. Steinmeyer ausgebaut27 und - abgesehen vom Gehäuse - in einem

Schuppen eingelagert. Landeskirchenmusikdirektor Adolf Graf, von Speyer schlug

in seiner Stellungnahme vom 28. April 1965 vor, das „völlig wertlose“ Instrument

durch einen Neubau zu ersetzen.

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Nach Abschluss der Kirchenerneuerung am 20. März 1965 wurde die Kirche wieder

eingeweiht.28 Bald darauf wurde das Orgelprojekt wieder aufgegriffen. Der bereits

mit Datum 10. Mai 1965 von Fa. Steinmeyer eingereichte Kostenanschlag wurde

nicht weiter berücksichtigt, stattdessen ein neues Angebot von Gebr. Oberlinger am

28. Mai 1968 über 13.500 DM eingeholt. Dieser Kostenanschlag wurde nach

Vorschlägen des neuen Landeskirchenmusikdirektors Heinz Markus Göttsche

aktualisiert und die Disposition um drei Register erweitert; 29 das neue Angebot vom

28. März 1969 belief sich nunmehr auf eine Summe von 19.370 DM. Die

Genehmigung zum Orgelneubau wurde am 2. Oktober 1969 - lautend über 20.500

DM - durch den Landeskirchenrat erteilt.

Noch im Oktober baute Gebr. Oberlinger das in der Kirche stehende Orgelgehäuse

ab; es wurde zusammen mit noch verwendbaren Teilen der eingelagerten Orgel - in

die Orgelbauwerkstatt verbracht. Am 27. Juni 197130 wurde die neue Orgel - eine

Schleifladenorgel - mit acht klingenden Registern - eingeweiht.

Oberlinger-Orgel in Vorderweidenthal

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Die Disposition lautet:

Pedal: C - d’ Manual: C-g3

Subbass 16’ Gedackt 8’

Principal 4’

Rohrflöte 4’

Octave 4’

Mixtur 5fach

Trompete 8’

dazu Pedalkoppel und Cymbelstern.

Die Gesamtkosten beliefen sich nunmehr auf 29.193 DM; die Malerarbeiten am

Orgelgehäuse durch Fa. Wilhelm Krämer von Neustadt erforderten einen weiteren

Betrag von 1.557,43DM.

Seit nunmehr 42 Jahren erklingt das Orgelwerk bei Gottesdiensten und anderen

kirchlichen Anlässen.

Quellen:

A) Zentralarchiv der Ev. Kirche der Pfalz (ZASP)

- Abt. 44, Pfarrarchive: hier: Vorderweidenthal

- Abt. 43, Dekanatsarchive: hier Bad Bergzabern (Jahresberichte)

- Abt. G, Pfarrbücher: hier Vorderweidenthal

B) Landesarchiv Speyer (LAS)

Best: H 3, 6405 prot. Kirche Vorderweidenthal

H 31, 5121 Duplikate der Gemeinderechnungen

5178 Duplikate der prot. Kirchenrechnungen

156 Prot. Kirche Vorderweidenthal

C) Ev. Kirche der Pfalz. Amt für Kirchenmusik: Orgelakt Vorderweidenthal

D) Prot. Pfarramt Vorderweidenthal:

- Jahresberichte 1860-1946

- Orgelakten 51-3-1

- Kirchenbau nach 1945: 51-1

E) Aufzeichnungen des Verfassers: Handakten

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Festschrift: 100 Jahre neue prot. Kirche Vorderweidenthal. Aus Anlass der

Wiederindienststellung am 20.3.1966, Bad Bergzabern 1966

Johannes Nosbüsch: Damit es nicht vergessen wird ... Pfälzer Land im Zweiten

Weltkrieg - Schauplatz Südpfalz, Landau 1982

______

1. Prot. Pfarramt Vorderweidenthal: Jahresberichte.

2. Damit sind die bisher in der Literatur angegebenen Zuschreibungen ins Reich der

Fantasie verwiesen. Ein Gehäusevergleich der Orgel mit nachgewiesenen Göbel-

Prospekten hätte zudem die Zuschreibung an diese Werkstätte ebenfalls hinfällig werden

lassen.

3. ZASP, Abt. G Pfarrbücher, hier 1835 (Pfarrer Herche).

4. Die Lage der Registerzüge ist im Innern (Vorderfront-Rückseite) noch zu erkennen.

5. Leider gibt es zu der Jahreszahl 1788 widersprüchliche Aussagen:

1865 heißt es: „ Die alte Orgel, 1788 erbaut, wurde ... „

1888 heißt es: erstmalige Aufstellung der Orgel im Jahre 1788, zu welcher Zeit die

Orgel als schon gebraucht aus der Kirche zu Annweiler hierhergebracht worden war.

1896: Orgel im Jahre 1788 angeschafft

1904: Die Orgel wurde im Jahre 1788 von Annweiler bezogen.

Aus den Rechnungen ist kein Hinweis auf einen etwaigen Orgelverkauf von Annweiler

nach Vorderweidenthal zu finden. Die einzig Mögliche Lösung - neben einem

Orgelneubau - bestünde in der Annahme, dass bei den Orgelvergrößerungsprojekt 1788

für die Stadtkirche in Annweiler neben einem neuen Rückpositiv auch ein neues

Hauptgehäuse (mit neuem Innenleben) angeschafft wurde, so dass ein Verkauf der alten

- noch von. Macrander/Frankfurt erbaute Orgel - in den Bereich des Möglichen Rückt.

6. LAS H 31/5178. Duplikate der prot. Kirchenrechnungen Vorderweidenthal.

7. Nähere Angaben zu diesem Orgelbauer sind bisher nicht bekannt.

8. L AS H 31/5121. Duplikate der Gemeinderechnungen Vorderweidenthal.

9. Wie vorige Anm., Rechnung 1836.

10. LAS H 31/156. Darin das Original des Kostenverzeichnisses von W. Huber.

11. LAS H 31, 3178, Rechnung von 1852.

12. ZA EKPS, Abt G. Pfarrbücher, liier: Vorderweidenthal 1896.

13. LAS H 31/5121 Gemeinderechnung 1864 und 1866.

14. Ebenda Rechnung 1866: Bei 253 bis 258: An Carl Wagner in Kaiserslautern für

Reparatur und Aufstellung der Kirchenorgel 37] f l 07 xr.

15. Jahresbericht 1865.

16. 1869, 1870 und 1872: Wagner war 1868 verstorben.

17. Die Stellungnahme Lützels ist verschollen. Die Angaben erfolgen nach der

Kirchenrechnung von 1887 bzw. dem Jahresbericht 1887.

18. Kostenanschlag am 25. Juli 1887. Belege dem Bezirksamt vorgelegt (AAS H 31/156).

19. Angaben nach der Kirchenrechnung 1888. Belege nicht vorhanden.

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20. Die mutmaßliche Disposition nach der Umgestaltung durch Huber ist in einer

Notiz des Orgelbauers Gottlieb Steinmeyer vom 9. Juni 1917 festgehalten, die er

anlässlich des Ausbaus der Prospektpfeifen angefertigt hatte. Danach hatte die

Orgel folgende Disposition:

Manualumfang Pedalumfang

Manual C-c3: Pedal C f°:

Principal 4’ Subbass 16’

Salicional 8’ Octavbass 8f.

Bourdon 8’

Hohlflöte 8’

Kleingedackt 4’

Quinte 3’

Octave 2 ‘

Mixtur 3-fach 2’

Diese Angaben bestätigen die. Annahme von 11 Registerzügen {einschl.

Pedalkoppel.

21. Lt. Jahresbericht 1917

22. Sämtliche Unterlagen zu diesem Neubau müssen als verloren gelten.

23. Die Disposition nach dem bei Gebr. Oberlinger aufbewahrten Spieltisch

(Aufschrift auf den Registerkipptasten).

24. Jahresbericht 1924.

25. Lt. Orgelakt Vorderweidenthal im Amt für Kirchenmusik Speyer.

26. Wie. vorige Anm.

27. Am 22. März 1965 hatte Adolf Graf die Orgel- zusammen mit Orgelbauer Max

Sauerteig (Fa. Steinmeyer) besichtigt.

28. Vgl. Festschrift.

29. Es waren dies: Rohrflöte 4’, Octavbass 8 ‘und Trompete 8’. Die neue Orgel war

also wesentlich kleiner geplant!

30. Vgl. Faltblatt zur Einweihung.

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187

Pfarrhäuser und Kirche

Blick vom neuen über das alte Pfarrhaus (erbaut 1788) zur Kirche im Hintergrund

Westseite des alten Pfarrhauses aus der Barockzeit mit zweiläufiger Treppe und

Kellerabgang. Dachgiebel und Knüppelwalmdach

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Das Pfarrhaus von 1972

Hahnenhof bei Nacht

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Tabellarischer Überblick zur jüngeren Geschichte (1991 bis

2013)1

1991 10. Mai Grundsteinlegung zum Protestantischen Gemeindehaus

1992 4. Mai Einweihung des Gemeindehauses, mit viel Eigenleistung und

Kostenunterschreitung errichtet, u.a. unterstützt durch die

Russlanddeutschen, die ab 1990 im Übergangswohnheim am Bethof

untergebracht waren (bis zu 150 Personen). Das Gemeindehaus wird bis

heute unentgeltlich geputzt (Planung ab 1992 Waltraud Jung).

1992 3. November Kirchenvisitation mit Predigt des Dekans Alfred Keffel

1992 Oktober Familienfreizeit im südlichen Schwarzwald

1993 Gottesdienste werden auch im Gemeindehaus gehalten Flüchtlingshilfe

Vorderweidenthal organisiert insgesamt 11 Konvois nach Ex-

Jugoslawien

1993 11. Juni Dekanatskirchenmusiktag in Vorderweidenthal Familienfreizeit

im Münstertal

1993 17. Oktober E. Neufeld neue Lektor

1994 Januar/Februar Lebenswege wagen - unterwegs bleiben. Ein Seminar zu

Fragen des Lebens im Glauben mit Pfarrer Berthold und Gemeindediakon

Moserl994 Elektronische Verstärkeranlage in der Kirche

Vorderweidenthal 31. Oktober Jubiläum 400 Jahre Vater-Unser-Glocke

mit Glockenbauer Reinhard Ankermann und Festvortrag Prof. Dr. Robert

Hensel „Wenn die Glocke erzählen könnte“

1994 Der Hahnenhof-Verein wird nach Instandsetzungsphase unter Leitung des

Dekanatsjugendwartes Joachim Würth aus Wörth gegründet. Das

Jugendheim befindet sich im Eigentum des Protestantischen Dekanats

Germersheim. Der Hahnenhof bei Nacht. Aufnahme von der Intemetsite

des Fördervereins

1995 Kirche Dimbach besteht 90 Jahre

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1995 25. Juni Ordination des Prädikanten Fedor Schiefer 130 Jahre Jubiläum

des Kirchenneubaus von 1865; der alte (Decken-)Holzleuchter wurde

wieder hergestellt

1996 Neuwahl Presbyterium Sommerfreizeiten „für Dehäämgebliwene“ wie

in den Vorjahren ausgebucht

1997 Musikgruppe „ Ichthys“ von Walter Hennig, Pfarrer i. R. in

Völkersweiler gegründet

1997 Erster Vorweihnachtlicher Markt im Gemeindehaus Vorderweidenthal

1998 15. Februar Eugen Stöbener erhält in einem Festgottesdienst das

Kronenkreuz in Gold

1999 Altar und Lesepult fürs Gemeindehaus angeschafft September,

Wanderausstellung „Bach und Bibel“ im Gemeindehaus Erste

Adventsfahrt ins Erzgebirge (bis heute alle 2 Jahre, zuletzt 2012!)

2000 neue Kirchenheizung

2001 6. Mai Gustav-Adolf-Fest in Vorderweidenthal (für Spanien!)

2002 Zehn Jahre Gemeindehaus Neuwahl Presbyterium Kirchendienerin

Waltraud Helfer verabschiedet

2004 Fahrten zum Reformationsjubiläum in Speyer

2005 Kirchenvisitation durch den Bezirkskirchenrat. Zur Kirchengemeinde

gehören 919 Protestanten, davon 440 in Vorderweidenthal. Die Pfarrei

umfasst insgesamt 1527 Personen. Dem Presbyterium gehören an:

Annemarie Zinke als stv. Vorsitzende, Waltraud Jung, Anni Glanzmann,

Lothar Wagner (Bezirkssynodaler), Ursel Metz E, Hannelore

Olschewsky, E, † 12.2.2011); aus Oberschlettenbach Erika Stoffel,

Helmut Veiock, Manfred Stoffel E., Helga Stoffel E., aus Darstein

Edmund Keller, René Riehm E.

Organistinnen sind die Damen Durm aus Spirkelbach und Kolb aus

Busenberg. Es existiert eine Musikgruppe Ichthys (seit 1997, Leitung

Walter Hennig bis 2012). 30 Jahre Krankenpflegeverein

Vorderweidenthal. 14. Juli Erstes Konzert des Jugendstreichorchesters

vom Schwarzmeer

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2006 Kirche Dimbach renoviert

2007 l. Juli Dekanatskirchenmusiktag in Vorderweidenthal

2. September Kirche Dimbach nach Renovierung wieder eingeweiht

2008 Dezember Wahlen zum Presbyterium; H. Veiock aus Oberschlettenbach

Stv. Vorsitzender, Vorsitzender Pfarrer Berthold

2009 11. März Mitgliederversammlung des Krankenpflegevereins mit

Mittagessen, Teilnahme von 58 angemeldeten Personen; Frau Gütermann

als l. Vorsitzende wiedergewählt 28. Juni Paulusstift Völkersweiler,

Teilnahme am letzten Sommerfest

2011 Buß - und Bettag Ehrung des Pfarrers und seiner Frau anlässlich des

25jähriges Dienstjubiläum in der Pfarrei mit Ansprachen von

Presbytern, Vereinsvorständen und zweier Bürgermeister l.-5. Juni

Kirchentag in Dresden. Gemeindeglieder nehmen wiederholt an einem

Kirchentag teil Monatlicher „Kulinarischer Treff“

2012 Christi Himmelfahrt, Gemeindefest mit Dank an Walter Hennig (15 Jahre

Ichthys); Vortrag 20 Jahre Gemeindehaus 21. Oktober Walter Hennig

übergibt Leitung von Ichthys an Frau Vette weiter 30. November und l.

Dezember Kunsthandwerkermarkt mit ökumenischem Gottesdienst 8.

Dezember Waldweihnacht des Fördervereins Dekanatsjugendheim

Lindelbrunn e.V.

2013 9./10. März Lätaremarkt anlässlich der Ersterwähnung des Ortes vor 700

Jahren 29. Juli bis 2. August „Fraizeit fär Dehäämgebliwene“

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Einführung des Presbyteriums im Dezember 2002

v. li. n. r.: Johannes Berthold, Pfarrer, Edmund Keller, Annemarie Zinke, NN.. Helga

Stoffel, Ursula Metz, Erika Stoffel, Hannelore Olschwesky)’ (†), Waltraud Jung.

Anni Glanzmann, Helmut Veiock, Manfred Stoffel, Lothar Wagner

_________ 1. Zusammenstellung nach einer Vorlage von Johannes Berthold

Verwendet wurden zusätzlich Akten aus dem Pfarrarchiv sowie Gemeindebriefe ab

1987.

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Vorderweidenthal nach dem 2. Weltkrieg

Ein Rückblick von Bürgermeister Artur Helfer

1946

Die Gedanken gehen zurück in das erste Nachkriegsjahr, zum 2. Mai 1946, wo bei

Lehrer Tröster meine Schulzeit begann.

Was folgte war ein Kurzschuljahr, denn bereits nach den Sommerferien sahen wir

uns, meine Klassenkameraden und ich, in die 2. Klasse versetzt.

Unser Schulhaus war teilweise zerstört so dass nur ein Saal zur Verfügung stand. In

diesem mussten vorerst alle 8 Klassen unterrichtet werden. Im ortsüblichen

Sprachgebrauch waren die Klassen 1-4 die „Kleine Schule“, die Klassen 5-8 die

„Große Schule“. So hatte während der Sommerzeit die „Große Schule“ ihren

Unterricht von 7:00 bis 10:00 Uhr, die „ Kleine Schule“ von 10:00 bis 13:00 Uhr.

Da in unserem, zu dieser Zeit, noch rein landwirtschaftlich strukturierten Dorf auch

die Kinder bei der Feldarbeit gebraucht wurden, war der Nachmittag daher

unterrichtsfrei. In den Wintermonaten dagegen, wenn die Ernte eingebracht war, gab

es vormittags Unterricht für die „ Großen“ und nachmittags für die „Kleinen“.

Bei schönem Sommerwetter hielt Pfarrer Esselborn den Religionsunterricht auf dem

Rasen unter den Obstbäumen des Pfarrgartens ab, dort, wo heute das neue Pfarrhaus

steht. Der große Pfarrgarten reichte damals noch bis zur oberen Straße, so wie heute

noch die Nachbargrundstücke. Auch sein Nachfolger, Pfarrer Eckstein, hielt anfangs

noch an diesem Unterricht „im Grünen“ fest.

Das Spätjahr war angebrochen und im Oktober stand die Kerwe vor der Tür. Die

Entbehrungen des Krieges waren zu groß gewesen. Die Jugend wollte wieder zu

leben beginnen. Kerwetanz gehörte schon immer dazu. Aber wo? Die beiden

Tanzsäle der Gastwirtschaften Schmitt und Hoff hatte der Krieg zerstört. Der einzige

große, überdachte Raum im Dorf war der Dreschschuppen. Aber Dreschen ist eine

staubige Angelegenheit. Unmöglich. Aber das Wort Tanzmusik hatte schon eine

Eigendynamik entwickelt die nicht mehr zu bremsen war. Die Dreschmaschine fand

ihren Platz in der Ecke, die jungen Männer bauten einen Tanzboden auf und

Vorderweidenthal feierte seine erste Kerwe nach dem fürchterlichen Albtraum.

Schon vor dem Krieg versorgten die Bäckereien und Kolonialwarenhandlungen Karl

Silbernagel und Karl Zeller die Bevölkerung unseres Dorfes mit frischen Backwaren

und Lebensmitteln, Jakob Helfer mit Lebensmitteln. Nach dem Krieg begann Karl

Silbernagel seine Geschäfte wieder aufzunehmen, wie auch Jakob Helfer. Bei Helfer

verkauften später Karl Oste, Marianne Funck und Traudel Funck. Bäckermeister

Robert Zeller kehrte aus dem Krieg nicht mehr zurück. Das Lebensmittelgeschäft

führten die Geschwister weiter und boten auch Back- und Wurstwaren von

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auswärtigen Geschäften an. Nach dem Wiederaufbau des zerstörten Hauses neben

dem alten Schulhaus eröffnete Oskar Helfer darin eine Metzgerei. Sie ist heute

geschlossen. Ein weiteres Lebensmittelgeschäft eröffnete Wilhelm Bangert,

bereichert durch Obst und Gemüse. Heute gibt es nur noch ein Geschäft. Die

Bäckerei Burkhard aus Wernersberg hat das frühere Zellersche Anwesen erworben

und bietet seine Backwaren und alle Dinge des täglichen Bedarfs an.

1947

Lehrer Tröster, der schon vor dem Krieg an unserer Schule Tätig war, wechselte

nach Dierbach. Es folgte nach den Sommerferien Lehrer Teubner. Auch er

unterrichtete immer noch alleine alle 8 Klassen. Auch nach seiner Pensionierung

blieb Lehrer Teubner bei uns. Er baute sich ein Haus hoch über Vorderweidenthal,

am Südhang, in der Baumhalde. Zuvor hatten ihm seine Schüler geholfen eine

Schlauchleitung zu seinem Bauplatz zu verlegen, um zu sehen ob der Wasserdruck

ausreichend war, das Haus mit fliesendem Wasser zu versorgen.

Verkaufswagen in der Hauptstraße im Jahre 1947

1949

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195

Endlich beendete der Abschluss der Bauarbeiten am Saal der „Kleinen Schule“ die

räumliche Enge. Mit der gleichzeitigen Einstellung von Lehrerin Hilsinger für die

„Kleinen“ kehrte der normale Schulalltag bei uns zurück. Wenn auch alle Kriege

anders verlaufen, so gibt es Dinge, die sich ständig wiederholen. Zu den Verlierern

gehören immer die Kirchenglocken. Sowohl im l. als auch im 2. Weltkrieg mussten

die „Große“ und die „Kleine“ den Weg in die Schmelzöfen antreten, um zu Munition

gegossen zu werden. Letztere waren erst am 16. Juli 1922 feierlich vor der Kirche

geweiht worden.

Jetzt war es wieder soweit. Bürger hatten zur Finanzierung neuer Glocken

Stammholz gespendet. In der Ortsmitte lag es zur Abfuhr bereit. Die Glocken

konnten bestellt werden. Am Tag des Gusses fuhren etliche Bürger in die Gießerei

um ihre Entstehung mitzuerleben.

Im Mai konnte ihre Ankunft in Darstein gefeiert werden, wo sie auf das

Pferdefuhrwerk von Adam Schmitt umgeladen wurden. Festlich geschmückt mit

Girlanden, bunten Bändern und Tannengrün zog das Pferdegespann mit den

Glocken, in Begleitung der Schuljugend mit ihren ebenso herausgeputzten

Fahrrädern unter großer Beteiligung der Bevölkerung, in einem langen Zug, heute

unvorstellbar aber bei dem damaligen Verkehr problemlos, von Darstein nach und

durch Oberschlettenbach und in unser Dorf. Am darauffolgenden Sonntag

wiederholte sich die feierliche Glockenweihe vor der Kirche, wie schon im Juli

1922.

Mit tiefer Befriedigung können wir heute feststellen, dass sie schon mehr als doppelt

so lange ihren Klang über unser Dorf schicken dürfen als ihre Vorgänger. Möge ihr

Läuten noch lange zu hören sein.

Dr. med. Alexander Benn mit seiner Familie war einer der ersten Flüchtlinge, die in

unser Dorf kamen, aus seinem Heimatort Lenzen in der ehemaligen DDR. Zum

Sportfest der Blau-Weißen hatte er 1954 die Fußballmannschaft seines Geburtsorts

nach Vorderweidenthal geholt. Im Hause Jung in der Lindelbrunnstraße, heute das

Haus zwischen Dieter Brosius und Ursula Kardenbach, dem früheren Haus Puster,

eröffnete er eine eigene Praxis.

Auch eine Zahnarztpraxis bot ihre Dienste an, gerührt von Dr. Vogelsgesang. Er

baute sich später ein Haus mit Praxis in der Mühlstraße, gegenüber von Oskar Fath,

in dem bis zu ihrem Tod vor wenigen Jahren Familie Schäfer wohnte.

1950

Immer mehr Flüchtlinge und Vertriebene spülten die Auswirkungen des Krieges in

unseren Ort. Am Ende waren es 58 Neuankömmlinge, die mehr oder weniger lange

hier lebten. Wenige blieben für immer bei uns und sind heute nur noch den Älteren

als solche ein Begriff.

Einer aus ihren Reihen war Dr. Dr. Kantor, der im Hause Rausch, das in diesen

Tagen von Norbert Dausmann generalsaniert wurde, eine weitere Zahnarztpraxis

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196

eröffnete. Noch bis ins hohe Alter von über 90 Jahren war er mit seinem VW Käfer

unterwegs. Belächelt wurden seinerzeit die von ihm praktizierten Anwendungen von

Sebastian Kneipp, wie etwa das Barfuß laufen auf der Wiese beim frühen

Morgentau. Heute sind alle Praxen geschlossen.

1951

Die wohlhabende Gemeinde, die große Einnahmequelle war zu dieser Zeit noch der

Wald, wollte ihrer sozialen Verantwortung für seine bedürftigen Mitbürger gerecht

werden und errichtete am Schwabelshang ein Wohnhaus. Heute ist es in Privatbesitz.

Der Sportverein betrachtete die große Entfernung seines Sportplatzes in der Nähe

von Lauterschwan als Hindernis für die Weiterentwicklung. In der Unger erhielt er

von der Gemeinde ein neues Gelände. Mit dem ersten Schlepper im Ort, auch noch

mit Seilwinde ausgerüstet, war Walter Schmitt beim Fällen der Bäume eine große

Hilfe. Riesige Sandberge waren nun abzutragen und an anderer Stelle wieder zu

verfüllen. Zur Verfügung standen Hacke, Schaufel und Pferdefuhrwerke. Um von

den Fuhrwerken unabhängig zu werden, sie wurden ja in der Landwirtschaft

gebraucht, stellte die Firma Jakob Becker & Sohn Gleise mit Loren zur Verfügung.

Nach einer grandiosen, unentgeltlichen Arbeitsleistung, an der sich fast alle Männer

des Dorfes beteiligten, gelang es den Grundstein zu legen für das heutige

Sportgelände.

1952

Der Friedhof hatte seine Kapazitätsgrenze erreicht. Der Teil unterhalb der in dieser

Zeit noch nicht vorhandenen Friedhofshalle, damals der älteste Teil mit schönen

alten Grabsteinen aus Sandstein, wurde neu angelegt. Die Planung und Umsetzung

lag in den Händen des jungen, einheimischen Architekten Otto Schmitt. Ironie des

Schicksals. Kurz nach Fertigstellung starb er unerwartet an einer Nierenkrankheit

und fand als Erster dort seine letzte Ruhe.

Unsere Dorfstraßen, nicht nur die Nebenstraßen, bestanden alle aus

Schottermaterial. Die dorfeinwärts führenden Asphaltstraßen an allen drei

Ortseingängen endeten am Dorfeingang. Bei Höheren Feiertagen wie Ostern und vor

allem auch der Kerwe, fuhr Straßenwärter Jakob Schuhmacher mit seinem

Kuhfuhrwerk, beladen mit Sand, durch den Ort und warf mit der Schaufel den roten

Sand über den Schotter um der Oberfläche ein gefälligeres Aussehen zu verleihen.

Endlich war es soweit. Vom Friedhof bis zur Linde bekam Vorderweidenthal seine

erste Asphaltstraße. Weil dabei noch vieles in Handarbeit erledigt wurde, stand eine

ganze Reihe der Männer aus unserem Dorf, bei der ausführenden Firma Strabag,

einen Sommer lang, bei guter Bezahlung, in Lohn und Brot. Wir Buben bewunderten

vor allem die große Straßenwalze.

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197

Schulkinder mit Lehrer Hick im Jahre 1953

1953

Jetzt ging es an die Hauptstraße. Vom Lämmel Sepp bis zur Mühle vom Wagner

Herbert entstand eine neue Straße. Der zu feuchte Untergrund im „Unnereck“

verhinderte den Ausbau mit Asphalt. Kopfsteinpflaster war angesagt. Und wieder

gab es für uns Buben etwas zu bestaunen. Die Männer der Firma Budell aus

Busenberg arbeiteten monatelang Meter für Meter, mit den handgroßen

Pflastersteinen, auf ihren kleinen, einbeinigen Hockern mit einem Handgerät aus

Hammer am einen und kleiner Schaufel am anderen Ende.

1954

Die Schuhindustrie erlebte ihren Höhepunkt. Viele unserer Mitbürger arbeiteten in

dieser Branche in Hauenstein und Schwanheim. Fabrikant Hermann Diehl, der eine

Schuhfabrik in Altena in Nordrhein-Westfalen betrieb, richtete eine Anfrage an die

Gemeinde wegen eines Fabrikneubaues. Der Gemeinderat nahm das Angebot an und

stellt ein Gelände in den Sandäckern zur Verfügung. Nach Fertigstellung fand eine

große Anzahl von Männern und Frauen Jahrzehnte lang einen sicheren Arbeitsplatz

direkt vor der Haustür. Die Fabrik hat die Arbeit längst eingestellt. Die neue

Besitzerin, Frau Kornmann, betreibt ein Lederstudio.

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198

Gendamerieobermeister Schulz auf

Fahrradstreife

Aufbau des Ehrenmales

für die Gefallenen

beider Kriege im Jahre

1956

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199

1956

Nachdem in den 20er Jahren die Kirchengemeinde in der Kirche eine

holzgeschnitzte Gedenktafel für die Gefallenen des l. Weltkrieges aus Darstein,

Oberschlettenbach und unserem Ort aufgestellt hatte, wollte unser Gemeinderat nun

11 Jahre nach Kriegsende ein Ehrenmal für die Gefallenen beider Weltkriege aus

Vorderweidenthal errichten. Das Denkmal ausrotem Sandstein gestaltete Bildhauer

Richard Leonhart aus Dahn. Es steht im Kirchgarten.

Die Gemeinde begann jetzt mit der Asphaltierung der gemeindeeigenen,

geschotterten Dorfstraßen.

1957

Die restlichen Dorfstraßen erhielten ihre Asphaltdecke. Der Holzreichtum gestattete

es der Gemeinde die Kosten vollständig zu übernehmen. Das Wort

„Erschließungsbeiträge“ war noch nicht erfunden. In den letzten Kriegsjahren

1944/45 Rückte die Front immer näher an unser Dorf heran. Wir hatten einen großen

Friedhof mit einem noch nicht belegten Feld an der Ostseite. Dort wurden nun die

gefallenen deutschen Soldaten beerdigt. Die Gräber vieler Gefallener lagen aber

auch noch verstreut in den umliegenden Wäldern.

In Dahn begann die zuständige Behörde nun einen großen, zentralen

Soldatenfriedhof anzulegen, auf dem alle beerdigten Gefallenen der umliegenden

Orte ihre letzte Ruhe finden sollten. Auch die „Vorderweidenthaler“.

Unser Gemeinderat setzte sich zur Wehr. Er wollte „seine Gefallenen’’ hier behalten,

deren Gräber die Frauen des Dorfes pflegten, seit Ende des Krieges. Nach zähem

Ringen willigte die Behörde ein. Die Firma Fischer aus Bergzabern erhielt den

Auftrag zur Gestaltung in der heutigen Form. Die Firma hatte zuvor in der gleichen

Art auch die große Kriegsgräberstätte im luxemburgischen Sandweiler errichtet. Die

feierliche Übergabe zu treuen Händen an die Gemeinde fand am Volkstrauertag statt.

Für die musikalische Umrahmung sorgte die Blaskapelle ausrumbach.

1959

Mit dem Reservoir in der Unger stellte die Gemeine die Wasserversorgung seiner

Bürger sicher. Zur Verbesserung, aber vor allem wegen einer Reserve im Brandfall,

baute die Firma Karl Funk am Schwabelshang einen neuen Hochbehälter. Beide sind

zwar heute noch vorhanden, aber nicht mehr in Betrieb.

Auch die Landwirtschaft hatte sich weiterentwickelt. Immer mehr Schlepper

ersetzten die Kuh- und Pferdefuhrwerke. Der „Grüne Plan“ war plötzlich in aller

Munde. Mit den Mitteln daraus konnten die Gemeinden ihre Feld- und Waldwege in

„Betonstraßen“ umwandeln. Mühevoll mussten die Kuhgespanne den schweren

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200

Mistwagen mit den schmalen eisenbeschlagenen Holzrädern durch die tiefen

Sandwege ziehen. Jetzt, wo es auf dem Betonuntergrund leichter ging, übernahmen

die Schlepper diese Arbeit. Bürgermeister Hermann Müller begann mit dem Ausbau,

der sich bis in das Jahr 1966 fortsetzte unter Bürgermeister Richard Schütz.

1960

Am langen, steilen Schwabelshang stellte die Abfuhr des geschlagenen Holzes

immer ein Problem dar. Waldhüter Adam Becker tüftelte die Trasse eines neuen

Weges aus, der dieses Problem zumindest vereinfachte. Er beginnt am

Dreschschuppen, führt über den Schwabelshang ostwärts und schließt im Schwabel

an das bestehende Wegenetz an. Nach Fertigstellung erhielt er den Namen Adam

Becker Weg. Heute ist es ein beliebter Wanderweg auf der Route von und nach

Erlenbach. Vom Hochbehälter genießt der Wanderer einen herrlichen Blick über

unser Dorf, zum Budelstein, Rödelstein und Lindelbrunn.

1965

Die jungen Leute wollten neue Häuser bauen. Schon lange forderten sie ein

Neubaugebiet. Nun ließ es sich nicht weiter verschleppen. Der Gemeinderat stimmte

zu. Das Baugebiet Schwabeleck wurde ausgewiesen. Endlich konnte neu gebaut

werden. Es folgten die Baugebiete Döllenpfad, Vorderweidenthal - West und

Pitzenäcker mit insgesamt 114 Häusern. Unser Dorf ist dadurch in der Fläche größer

geworden, aber die Einwohnerzahl hat sich nicht gravierend verändert. Die für uns

magische Zahl von 700 ist immer noch nicht überschritten worden. Die jungen

Familien zieht es in die neuen Häuser, der Ortskern verödet. Zu Gebäuden die nur

noch von einer Person bewohnt sind gesellen sich auch jene die gänzlich leer stehen.

Das alte Pfarrhaus war in die Jahre gekommen. Die Kosten einer Generalsanierung

standen denen eines Neubaues gegenüber. Die Kirchengemeinde und das Bauamt

der evangelischen Kirche der Pfalz in Speyer entschieden sich für einen Neubau. Die

politische Gemeinde erwarb das alte Pfarrhaus mit Scheune und einem Teil des

Pfarrgartens. Den oberen Teil des Grundstückes bis zur Straße verkaufte die

Kirchengemeinde an die Post, die darauf ihre neue Fernsprechvermittlung errichtete.

Pfarrer Jockers begann mit der Renovierung der Kirche. Er ließ den Fußboden des

Hauptgangs zum Altar erneuern.

Auch das alte Schulhaus entsprach nicht mehr den Anforderungen, vor allem was

die sanitären Einrichtungen betraf. Nach Jahren, geprägt von Verhandlungen mit der

Bezirksregierung, der Erstellung der Planung oder der Zustellung der

Baugenehmigung konnte jetzt der erste Spatenstich erfolgen. Nach 2 Jahren Bauzeit

zogen fröhliche Schüler und Lehrer in ihr neues Gebäude ein. Aber schon war

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abzusehen, dass die verlorenen Jahre vergeudete Jahre waren. Die Schüler kamen

nicht mehr nur aus unserem Dorf sondern auch aus Oberschlettenbach und Darstein,

deren Schulen bereits geschlossen waren und aus Birkenhördt. Nach nur neun Jahren

war der Unterricht in diesem neuen Haus zu Ende und es blieb bis 1987 fast

ungenutzt, abgesehen von gelegentlichen Sitzungen des Gemeinderates und

Gruppenstunden des CVJM, unter Leitung von Hans-Günther Hüther.

Der Schulhausneubau kam dem Sportverein gerade recht. Der knöcheltiefe

Sandplatz sollte einem Rasenplatz weichen. Die Qualität des Aushubmaterials

entsprach den Erwartungen. Von der ausführenden Firma zum Sportplatz gefahren,

ebneten es die Mitglieder des Vereins über dem sandigen Untergrund ein, in schon

gewohnter unbezahlter Arbeit mit Schaufeln und Rechen. Das Einsäen war

unproblematisch, da eine gewohnte Arbeit aus der Landwirtschaft. Der Rasen durfte

anschließend ein Jahr ohne Störung wachsen. Die Heimspiele fanden in

Niederschlettenbach statt.

1967

Beim Sportverein blieb die Arbeitswut erhalten. Man baute ein neues Sporthaus. Die

Ausmaße waren so gewaltig, dass ernsthafte Zweifel aufkamen, ob dieses große

Projekt in gewohnter Art und Weise gestemmt werden könnte. Es konnte. Wieder

einmal war bei uns etwas entstanden das es weit und breit in dieser Form im ganzen

Fußballkreis noch nicht gab.

Noch füllte der Gemeindewald die Kasse, wenn auch nicht mehr so üppig wie

gewohnt. Daher entschlossen sich unsere Väter zum Bau einer Friedhofshalle. Im

westlichen Teil des Friedhofs, oberhalb des neuangelegten Feldes, sollte sie

entstehen. Die neue Zeit wollte die alten Bräuche abschütteln. Die Toten sollten

nicht mehr, wie gewohnt, bis zur Beerdigung daheim in der Wohnung verbleiben.

Nach Baubeginn im zeitigen Frühjahr erfolgte die Schlüsselübergabe mit einer

schlichten Feier am Totensonntag im selben Jahr. Die noch nicht restlos fertig

gestellten Außenanlagen verdeckte an diesem Tag eine dichte Schneedecke.

1972

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Die Verbandsgemeinden wurden

gegründet. Damit verloren die einzelnen Orte ihre Gemeindebüros. Die Verwaltung

saß nun in Bad Bergzabern. Es dauerte lange, sich daran zu gewöhnen.

In dem vor sieben Jahren erworbene Pfarrhaus wohnte weiterhin Pfarrer Jockers.

Der Hof, der erworbene Teil des Gartens und die Scheune lagen ungenutzt. Das

sollte sich ändern. Die Scheune fiel der Spitzhacke zum Opfer, die Mauer zum

Garten wurde zurückgesetzt und die Hof- und Gebäudefläche der Scheune mit

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Verbundsteinen gepflastert. Die neue Fläche sollte nutzbar sein für parkende Autos,

Stellplatz für Karussell und Stände während der Kerwe und als Buswendeplatz. Die

Investition hat sich gelohnt.

Auch die Kirchengemeinde blieb nicht untätig. Die Planung und die

Baugenehmigung für das neue Pfarrhaus lagen mittlerweile vor. Die Bauarbeiten

begannen und gingen zügig voran. Ein Jahr später zog Pfarrer Jockers mit seiner

Familie in ihr neues Haus ein und die Gemeinde vermietete das alte Pfarrhaus an

Bürger aus dem Ort.

1973

Das Ortsnetz für die Stromversorgung, all die Jahre Eigentum der Gemeinde,

wechselte den Besitzer. Die Pfalzwerke kauften es.

Die Haupt- und Lindelbrunnstraße bis zur Schuhfabrik Diehl erhielten eine neue

Straßenbeleuchtung.

Neue, Große Vorhaben standen an. Kanalisation hieß das Stichwort. Der

Gemeinderat vergab den ersten Bauabschnitt. Bei dieser Gelegenheit galt es auch

die Wasserleitung zu erneuern. Die Arbeiten zogen sich ins nächste Jahr hin.

Während der Gemeinderat diesen Abschnitt noch selbst vergeben konnte, erfolgte

die weitere Vergabe 1975 und 1976 bereits durch die Verbandsgemeindewerke.

Um auch den Privatwald besser nutzbar zu machen gründeten deren Besitzer den

Waldbauverein. Als erstes Vorhaben baute der Verein drei Jahre später unter

forstamtlicher Betreuung die ersten Wege zur Holzabfuhr im Privatwald für schwere

LKW aus.

1974

Das 1952 angelegte Gräberfeld war nahezu voll belegt. Im Mittelteil des Friedhofs,

im oberen Bereich entstand unter Aufsicht und Planung der Bauabteilung der

Verbandsgemeinde ein neues Feld. Wie schon 1952 bestanden die Hauptaufgaben

aus dem Entfernen der bestehenden Grabsteine, dem Fällen von Bäumen und dem

Anlegen von neuen Ebenen für Gräber und Wege sowie deren Befestigung.

1986

Im alten Schulhaus war die Lehrerwohnung im Obergeschoss längst vermietet. Die

Schulscheune diente schon seit Langem anderen Zwecken. Die Milchsammelstelle

und eine Große Gemeinschaftsgefrieranlage waren eingebaut worden. Hier konnten

die Bewohner einzelne, kleine Fächer anmieten in denen sie Lebensmittel

tiefgefroren aufbewahrten. Noch fanden in fast jedem Haus im Winter die

Hausschlachtungen statt. Um Wurst haltbar zu machen hing sie in der

Räucherkammer während das Fleisch eingesalzen im Holzzuber den Sommer

überdauerte. Jetzt lag beides tiefgefroren im Gefrierfach in der Schulscheune.

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203

Doch die rasante, wirtschaftliche Entwicklung überrannte auch diese Anlage. In den

Häusern standen die Ställe leer, die Land- und Viehwirtschaft hatten die Menschen

aufgegeben. Ohne Vieh keine Milch, ohne Milch keine Sammelstelle. Und die

Gefrieranlage? Wie zuvor die Kühlschränke in die Haushalte Einzug hielten so

waren es jetzt die Gefriertruhen.

Die Schulscheune hatte ihre Schuldigkeit getan. Sie wurde nicht mehr gebraucht.

Die Gemeinde beschloss den Abriss und den Ausbau des Areals, das einmal aus

Schulhof, Schul-Abortanlage, Schulscheune und Schulgarten bestand.

Es entstand ein Multifunktionsplatz, gepflastert mit farbigen Verbundsteinen. Die

Mitte ziert ein Brunnen, zur Hauptstraße hin hat die Bushaltestelle mit überdachten

Sitzplätzen ihren Standort und an der Nebenstraße gibt es Parkplätze. Ein

langgestrecktes Gebäude an der Seite zum Nachbarn Helfer beherbergt

Abstellräume, WC-Anlage und eine größere, überdachte Sitzgelegenheit lädt zum

verweilen ein. Mit einem Fest weihte die Gemeinde den Platz ein, der später auf den

Namen August-Becker-Platz getauft wurde. Viele Feste sind bisher dort gefeiert

worden.

Vor dem Krieg hatte unser Dorf einen eigenen Kindergarten in der Kirchstraße. Nach

Kriegsende zog die Polizei dort ein. Erst spät, Ende der sechziger Jahre konnten

unsere Jüngsten eine solche Einrichtung wieder besuchen. Sie fuhren mit dem Bus

nach Bad Bergzabern.

Platzmangel gab wohl den Ausschlag, dass eine Anfrage der Kreisverwaltung ins

Haus flatterte, für die Kleinen von Vorderweidenthal und Oberschlettenbach einen

Kindergarten einzurichten.

Die Gemeinde nahm das Angebot dankend an. Im leer stehenden neuen Schulhaus

im Erdgeschoß errichtete sie eine Anlage mit je einem Gruppen- und

Gymnastikraum. Das Treppenhaus musste weichen. Die Schulsäle im Obergeschoss

waren nun von oben begehbar. Die Umbauarbeiten gingen zügig voran.

Schon ein Jahr später feierten stolze Bauherren die Einweihung mit der

Bevölkerung. Doch da war schon klar, jemand hatte sich geirrt. Der Kindergarten

hätte für zwei Gruppen eingerichtet werden müssen. Der Gymnastikraum verlor

seine Funktion und die zweite Gruppe zog dort ein.

1988

Einer der Säle im Obergeschoss des neuen Schulhauses stand immer noch leer,

während den anderen der CVJM nutzte.

Der Gemeinde fehlte ein größerer Versammlungsraum. Der leere Schulsaal sollte es

werden. Eine Zwischenwand teilte den zwischen beiden Sälen gelegenen

Gruppenraum in Küche und Vorraum zum Saal mit Großer Schiebetür. Der Saal

erhielt Decken- und Wandvertäfelung und neue Beleuchtung. In einem Anbau

entstanden ein neuer Eingangsbereich und die Toiletten. Versammlungen aber auch

viele private Familienfeste fanden bis heute darin statt.

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204

Den Dreschschuppen ereilte das gleiche Schicksal wie alle anderen

landwirtschaftlichen Gebäude im Ort. Die Dreschmaschine lief längst am Viehstrich

als Relikt vergangener Zeiten bei Festumzügen mit. Die Gemeinde und die Vereine

nutzen ihn jetzt zur Unterstellung allerlei Gegenstände und Geräte, die nur selten

gebraucht werden.

Da traf es alle wie ein Donnerschlag. Der Dreschschuppen brennt. Die Feuerwehr

hatte keine Chance. Die Holzkonstruktion mit äußerer Bretterverkleidung brannte

wie Zunder. Der Feuersturm wirbelte die Dachziegel bis auf die Straße.

Betroffene Mienen beim Sportverein. Das Zeltdach, das der Verein im Sommer vor

der Halle aufbaute und der Tanzboden verbrannten. Schon einmal, noch vor dem

Krieg, hatte sich dieses Drama abgespielt, mitten in der Ernte.

1989

In unserem Ort gab es zwei Tankstellen, betrieben von den beiden Kfz-Werkstätten

Josef Lämmel und Eugen Zeller. Für unser Dorf war das sicher ein Überangebot,

aber in den umliegenden Dörfern fehlte eine Tankgelegenheit. Daher hatten sie

Großen Zuspruch. Jetzt war auch diese Ära zu Ende. Während eine der beiden schon

vorher schloss, kam das Ende für die andere in diesem Jahr.

1991

Die Gemeinde sah sich gezwungen den Dreschschuppen wieder aufzubauen. Auf

eine Anfrage bei der Brandversicherung, statt des Wiederaufbaues, eine Scheune im

Ortskern zu erwerben, erhielt die Gemeinde eine negative Antwort. So entstand das

neue Gebäude, das bis heute dem gleichen Zweck dient wie vor dem Brand. Wegen

der Großen Staubentwicklung hatte man früher die Anlage außerhalb errichtet. Jetzt,

wo sie nur als Geräteschuppen genutzt wird, ist die Gefahr groß, durch die

Entfernung vom Ort, einer Brandstiftung zum Opfer zu fallen oder dass sich Diebe

darin zu schaffen machen. Diese Befürchtung hat sich leider bewahrheitet, als dreiste

Diebe den Schlepper der Gemeinde vor Jahren entwendeten.

1993

Die Zahl der Kindergartenkinder stieg weiter an. Der verlorene Gymnastikraum

fehlte. Es gab eine Lösung. Im alten Schulhaus zog die Mieterin aus. Damit stand

das Obergeschoss zur Verfügung. Wenn darin eine Bleibe für die Jugend errichtet

würde, stände im neuen Schulhaus der von ihr bisher genutzte Saal zur Verfügung.

Der Gemeinderat stimmte zu. Ironie des Schicksals. Bei der Einrichtung des

Kindergartens verschwand das Treppenhaus um die Verbindung zum Obergeschoss

zu kappen. Jetzt war eine neue Treppe erforderlich als Aufgang zum neuen

Gymnastikraum.

So erhielt der Kindergarten wieder einen Gymnastikraum und die Jungend eine neue

Bleibe.

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1995

Seit Kriegsende führte Heinrich Stoffel die Poststelle in seinem Haus im Ort. Lange

Jahre stand dort auch das einzige Telefon. Anrufe für alle im Dorf nahm er entgegen

und überbrachte die Nachricht dem Empfänger. Sein Schwiegersohn Nikolaus

Hüther führte sie weiter bis zu seiner Pensionierung. Eine neue Stelle musste her.

Der Saal der „Kleinen Schule“ stand leer und die Deutsche Bundespost richtete dort

eine neue Poststelle ein. Die Gefahr einer Schließung war gebannt. Die

Bundesregierung aber hatte andere Pläne. Sie zerschlug die Deutsche Bundespost in

Post, Telekom und Postbank. Sparen war angesagt. Wo? Natürlich beim Personal.

So kam was kommen musste. In unserer Poststelle knipste der letzte Angestellte das

Licht aus.

Im Saal der „Großen Schule“ hatte sich die Volksbank mit einer Filiale

niedergelassen, nach dem Tod von Heinrich Hussong. Er hatte vorher in seinem

Anwesen die Raiffeisenbank geführt mit dem Raiffeisenlager.

Aber auch die Banken zogen sich aus den Dörfern zurück. Die Volksbank machte

genau so dicht wie später auch die Sparkasse.

In den Räumen der Volksbank eröffnete der Bäckermeister Bernd Feldner aus

Billigheim eine Filiale. Sein Vater stammte aus unserem Ort. Nach bitten und betteln

ließ sich die Post erweichen, in seinen Verkaufsräumen, von ihm eine Postfiliale

betreiben zu lassen.

Luftaufnahme im Jahre 1995

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Die Kanalisation im Ort war beendet. Noch fehlte die Kläranlage. Seit Jahren

diskutierten Verwaltung und Fachleute. Zunächst favorisierten sie eine

Gemeinschaftsanlage für alle umliegenden Orte in Bobenthal. Dann wollten die

Oberschlettenbacher für sich eine Schilfkläranlage bauen. Schließlich einigten sie

sich auf eine Anlage für Oberschlettenbach und Vorderweidenthal am heutigen

Standort. Jetzt waren die Bauarbeiten beendet. Die Kläranlage nahm den Betrieb auf.

Hausklärgruben und Jauchegruben gehörten der Vergangenheit an. Die Kanalisation

in Vorderweidenthal war abgeschlossen.

In Oberschlettenbach hatte es durch Kolibakterien Probleme mit dem Trinkwasser

gegeben. So bot es sich an, gleichzeitig mit dem Verbindungskanal zwischen

unseren Orten auch eine neue Wasserleitung zu verlegen um das Nachbardorf, wenn

nötig, mit Wasser aus unseren Quellen zu beliefern. Um die Versorgung

sicherzustellen hatten die Verbandsgemeindewerke im Wald, rechts vom Steinwoog

einen Tiefbrunnen bohren lassen und auf dem angrenzenden Berg einen

Hochbehälter errichtet. Damit, so die Fachleute, sei die Wasserversorgung für unsere

beiden Orte auf Jahre hinaus gesichert.

2000

Das zuletzt angelegte Gräberfeld war belegt. In den Doppelgräbern finden zwar nach

ihrem Tod noch viele Ehepartner ihre letzte Ruhe aber für neue Gräber fehlte der

Platz. So gestaltete das Büro Hartenstein aus Steinfeld den unteren Bereich im

Mittelteil in Anlehnung an das darüberliegende, belegte Feld.

Heute ist eine Reihe davon schon wieder belegt und die nächste Reihe begonnen.

Im alten Schulhaus hatte Bäckermeister Bernd Feldner seine Filiale geschlossen und

damit auch die Postfiliale. Das bedeutete das Ende der ehemals stolzen Deutschen

Post in unserem Ort.

2009

Um unser Dorf voranzubringen beschloss der Gemeinderat, sich beim Land

Rheinland-Pfalz um die Aufnahme in das Programm „Dorferneuerung des Landes“

zu bewerben. Da dieser Wunsch auch in Oberschlettenbach bestand, verständigen

sich beide Orte auf einen gemeinsamen Antrag. Das Innenministerium stimmte zu

und verlieh beiden Bürgermeistern die Anerkennungsurkunde, im Paket als

Modellprojekt. Damit waren Zuschüsse für anzugehende Projekte garantiert.

Fachleute der beauftragten Büros informierten bei Veranstaltungen die interessierten

Bürger, Arbeitskreise nahmen ihre Arbeit auf, kurz, ein Dorf schien im Aufbruch.

Der Gemeinderat begann damit erste Projekte anzugehen. Das alte Schulhaus stand

leer wegen eines, aus einem Wasserschaden entstandenen, Hausschwamms. Ein

zeitgemäßes Dorfgemeinschaftshaus sollte es werden, für alle Bürger und für alle

Anlässe.

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Ein Trugschluss, wie sich herausstellte. Die Euphorie war wie weggeblasen. Ein

Dorf entzweite sich. Hier die Befürworter, dort die Gegner. Gräben rissen auf,

Kompromisse scheinen bis heute unerwünscht.

Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt, denn das „alte Schulhaus“ liegt auf

Eis. Ein Umbau scheint ausgeschlossen.

Unter der Oberfläche aber brodelt es weiter.

Die Dorfentwicklung stockt, sowohl bei uns als auch im Nachbarort. Die Ergebnisse

sind bis heute äußerst bescheiden.

Da das Modellprojekt jedoch zeitlich begrenzt ist, droht es zu scheitern. Unsere

beiden Orte waren dafür einfach nicht reif genug. Eine riesige Chance ist vertan

worden. Der russische Regierungschef Michail Gorbatschow hat es einmal treffend

ausgedrückt: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.

2011

Einer der bescheidenen Erfolge der Dorfentwicklung ist der Kulinarische Treff. Ein

Arbeitskreis hat ihn aus der Taufe gehoben. Hier treffen sich ältere Mitbürger einmal

im Monat im protestantischen Gemeindehaus zu einem gemeinsamen Mittagessen,

das im Rhythmus jeweils eine der örtlichen Gastwirtschaften liefert. Die Beliebtheit

ist bisher ungebrochen.

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Oberschlettenbach nach dem 2. Weltkrieg

Walter Hunsicker

Die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ging auch an unserem kleinen

Heimatort nicht spurlos vorüber. Wenn auch der Ort selbst und die Gebäude den

Krieg weitestgehend unbeschadet überstanden haben, so wurden doch in die Herzen

der Hinterbliebenen tiefe Wunden gerissen. Fast jede Familie hatte einen oder

mehrere Toten zu beklagen. Die Gedenktafeln mit den Portraits und das Ehrenmal

mit den Namen der Gefallenen und Vermissten Zeugen noch heute vom Schmerz

der Angehörigen und mahnen zum Frieden.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Kapitulation kam eine Zeit der

Ungewissheit und der Ratlosigkeit, die glücklicherweise nur von kurzer Dauer war.

Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 und der

Währungsreform 1948 ging es weiter und es begannen die Wirtschaftswunderjahre.

Die Wasserleitung wird eingeweiht

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Unter der Regie des Ortsbürgermeisters Ferdinand Stoffel erfolgte der Bau der

Wasserleitung und des Wasserreservoirs auf dem Michelsbühl. Bis zum Jahr 1965

floss rechts und links der unbefestigten Straße ein kleiner Bach, der das Wasser der

vielen Quellen und auch das Abwasser zum Erlenbach führte. Mit dem Bau der

Ortskanalisation und dem anschließenden Straßenbau hatte auch Oberschlettenbach

den Wandel in die Neuzeit vollzogen.

In den 60er und 70er Jahren veränderte sich unser Dorfbild nochmals ganz

entschieden. Viele hauptberuflich tätige Landwirte gaben einen Teil ihrer

Landwirtschaft auf und wurden zu sogenannten Feierabendbauern. Die neuen Berufe

der früheren Landwirte veränderten auch die Lebensgewohnheiten und den

Tagesablauf der Menschen. Die Zeit, als noch Kuh und Pferdefuhrwerke über die

Ortsstraßen zogen, ist längst vorbei. Die Felder liegen brach und werden

erfreulicherweise zur Heugewinnung genutzt, während die rein landwirtschaftlich

genutzten Flächen von Jahr zu Jahr kleiner werden.

In das Dorf sind nach und nach viele „Neubürger“ eingezogen, zunächst meistens

ältere Menschen, die für ihr Alter ländliche Ruhe suchten. Weil gleichzeitig die

meisten jungen Leute fortgezogen sind in die Orte, in denen sie Arbeit gefunden

hatten, nahm das Durchschnittsalter der Dorfbewohner erheblich zu, deren

Gesamtzahl dagegen ab. Neuerdings ist jedoch manche junge Familie dazu

gekommen, so dass heute nicht nur Autos, sondern auch Kinder auf den Dorfstraßen

zu sehen sind.

Lehrer Kalkofen mit Schulkindern im alten Schulraum

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Der Ofen in der alten Schule

Oberschlettenbach hatte schon früh eine Schule und bereits 1832 wurde in der

Ortsmitte ein neues Schulhaus im französischen Baustil errichtet, das heute

umgebaut als Privathaus genutzt wird. Um den Schülern und dem Lehrer einen

zeitgemäßen Unterricht zu ermöglichen, wurde 1956/57 ein neues Schulheim im

Glimborn errichtet. Dieses war damals der Stolz aller Bürger. Aber die Freude

währte leider nur bis zum Jahr 1966. Infolge der Schulreform wurde die kleine

Dorfschule geschlossen, die Hauptschüler gingen nach Bad Bergzabern, die

Grundschüler zogen um nach Vorderweidenthal, wo ihr Bleiben auch nur von kurzer

Dauer war. Heute besuchen unsere Schüler das Schulzentrum in Bad Bergzabern

und die Kleinsten den Kindergarten in Vorderweidenthal und finden so schon früh

Freunde außerhalb der Ortsgrenzen.

Das stillgelegte Schulhaus sahen in den Jahren 1966 bis 1969 viele als

Fehlinvestition, bis der Männergesangverein ab 1970 im leeren Schulsaal seine

Chorproben abhielt. Zuerst wurden nur kleine Feste darin gefeiert und schon bald

wurde der Platzmangel durch ein provisorisch angebautes Festzelt beseitigt. In den

Jahren 75/76 fassten die Gemeindeväter den weitreichenden und bedeutsamen

Beschluss zum Bau der Lindelbrunnhalle und im Jahr 1979 erfolgte der erste

Spatenstich. In den Jahren 79, 80 und 81 verbrachten viele Bürger und Sänger ihre

freien Stunden auf der Baustelle

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Die Glimbornstraße vor dem Schulneubau

Schülerinnen vor dem Schulneubau

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im Glimborn. Auf einer Holztafel im Flur der Lindelbrunnhalle sind die Namen der

Helfer und Spender aufgeführt als Zeichen des Dankes und der Anerkennung. Durch

Engagement, Fleiß und Spendenfreudigkeit der Bürger entstand in vielen

freiwilligen Arbeitsstunden eine Kultur- und Begegnungsstätte für alle

Oberschlettenbacher und eine Heimstatt für die örtlichen Vereine. Neben

Festlichkeiten jedweder Art fanden auch schon viele Familienfeste statt und die

Oberschlettenbacher und ihre Gäste haben viele gemütliche Stunden in der

Lindelbrunnhalle verbracht.

Im kleinen Saal diskutiert der Gemeinderat und fasst darin seine Beschlüsse. In

Ermangelung einer Kirche versammeln sich im Großen Saal im vierwöchigen

Turnus und an den Feiertagen die Gläubigen zum Gebet und immer öfters begleiten

wir von dort unsere Verstorbenen zu ihrer letzten Ruhestätte. Somit hat unsere

Lindelbrunnhalle einen multifunktionalen Charakter. Die Bankgruppe unter der

prachtvollen Linde auf dem 2003 errichteten Lindelbrunnplatz lädt die Wanderer zur

Rast und zum Verweilen ein.

Mit der Erschließung des Baugeländes im Adelsthal Ende der siebziger Jahre kam

auch die Forderung der Fachbehörden, zusätzlich einen Regenwasserkanal zu

verlegen und den Schmutzwasserkanal an die Kläranlage in Vorderweidenthal

anzuschließen. Es folgten harte und lange Diskussionen, ob es sinnvoll sei, die noch

intakte Ortsstraße aufzureißen und einen zweiten Kanal zu verlegen. Die Einsicht,

dass es nicht sinnvoll ist, sauberes Quellwasser durch Schmutzwasser zu

verunreinigen und anschließend wieder mit Großem Aufwand zu Klären, erleichterte

den Entschluss zum erneuten Kanalbau. Der daran anschließende Ausbau der

Ortsstraßen in den Jahren 90 bis 95 belastete die Geldbörsen erneut und schmerzlich.

Aber mittlerweile können wir mit Stolz auf das Erreichte zurück und mit Zuversicht

nach vorne blicken.

Wenn auch der Tourismus bei uns noch in den Kinderschuhen steckt, so liegt darin

doch ein Stück Zukunft unserer kleinen Wasgaugemeinde, die umrahmt ist von einer

herrlichen Waldlandschaft inmitten einer geschichtsträchtigen Region im Herzen

Europas. Kilometerlange Waldwege laden zum Wandern ein. Erst kürzlich ist in

vielen freiwilligen Arbeitsstunden von Rentnern aus Busenberg unter Leitung von

Robert Breitsch, dem hier ausdrücklich gedankt werden soll, ein besonders reizvoller

„Steinpyramidenweg“ (Holzschuhpfad) über den Löffelsberg entstanden. Schon

früher hatten Busenberger und Schlettenbacher gemeinsam am Ostabhang des

Löffelsberges eine Picknickbank aufgestellt. In den zahlreichen umliegenden

Gaststätten und Wanderheimen ist für das leibliche Wohl bestens gesorgt. Ob unser

Klima und unser Wasser jugenderhaltend und heilbringend wirken, ist zwar nicht

bewiesen, auf einer Holztafel am Dorfbrunnen lesen wir allerdings: „Wer täglich

einen Schoppen schafft, hat hundert Jahre Manneskraft, nur wenn er nicht schon

früher stirbt und sich mit den Spaß verdirbt.“ Zu meiner Schande muss ich gestehen,

dass auch mir ein Schoppen Riesling von der Südlichen Weinstraße besser schmeckt

Page 214: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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als ein Schoppen Wasser vom Dorfbrunnen. Viele Burgruinen und

Sehenswürdigkeiten im näheren und weiteren Umkreis laden zum Besichtigen ein,

einige davon sind gemütlich zu Fuß zu erreichen. In der nahe gelegenen

Südpfalztherme in Bad Bergzabern findet der müde Körper Ruhe und Erholung und

der Geist Entspannung vom Stress des Alltags. Der Urlauber findet bei uns an der

Südlichen Weinstraße und im nahen Elsass ein reichhaltiges Freizeitangebot und die

Küchen und Keller der Gastronomen sind gefüllt mit Pfälzer Köstlichkeiten. Wer

den Höhepunkt der Pfälzer Speisekarte, den Saumagen nicht genossen hat, der hat

das schönste und köstlichste, was einen Pfalzurlaub ausmacht, versäumt.

Mit der seit 1993 bestehenden Gemeindepartnerschaft zwischen Oberschlettenbach

und Geiswiller im Elsass trägt auch die kleinste Gemeinde im Kreis Südliche

Weinstraße zur Völkerverständigung bei. Und auch hier haben die Sänger wieder

maßgeblich zum Gelingen der Jumelage beigetragen. Es erfüllt das Herz eines jeden

vernünftigen Menschen mit Freude, dass sich heute niemand mehr vorstellen kann,

dass sich Pfälzer und Elsässer, Deutsche und Franzosen und mittlerweile Europäer

gegenseitig bekriegen.

Möge es uns vergönnt sein, dass wir unser Leben im Blickfeld der Burg Lindelbrunn

und am Ursprung des Erlenbachs weiter in Frieden, Freiheit und Wohlstand

genießen dürfen.

(entnommen und geringfügig ergänzt aus der Festschrift 125 Jahre Männergesang-

verein. Oberschlettenbach 1881 e. V.)

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Bürgermeister von Vorderweidenthal ab 1836

1836- 1846 Puster Valentin der Alte, Wirth und Bürgermeister

1846- 1847 Funk Adam

1847- 1848 Becker Adam

1848- 1855 Wagner Johannes

1855- 1860 Stöbner Jakob

1861 – 1874 Puster Valentin

seit 1873 G. Schmitt als Adjunkt kommissarisch

1874- 1880 Schmitt Georg

1880- 1904 Helfer Thomas

1905 – 1920 Schmitt Jakob

1920- 1922 Jung Jakob

1922- 1933 Schmitt Jakob

1933- 1937 Zeller Robert

1937-Mai 1945 Berger Ludwig

Juni 1945-Sept. 1946 Schmitt Jakob

1946- 1948 Wagner Adam

1948- 1949 Hornberger Jakob l. Beigeordneter

ab Nov. 1949- 1960 Müller Hermann

1960- 1974 Schütz Richard

1974- 1989 Ettel Walter

1989- Helfer Arthur

Bürgermeister von Oberschlettenbach ab 1818

1818-1823 Becker

1823-1846 Valentin Puster

1846-1849 Adam Funck

1849 – 1868 Jakob Christmann

1868-1880 Adam Wagner

1880-1890 G. Stöbener

1890 – 1910 Adam Christmann

1910-1933 Jakob Funck

1933 – 1945 Heinrich Ladenburger

18.1. - 6.10.1946 Vorsitzender d. Bürgerratskommitees Jakob Christmann

1946 – 1948 Jakob Christmann

1948 – 1979 Ferdinand Stoffel

1979 – 1986 Karl Stürzebecher

1986-1999 Werner Heft

1999 – 2004 Jürgen Stoffel

2004 – 2012 Walter Hunsicker

2013-dato Karl Walter

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Das „Amt“ Lindelbrunn und der 30jährige Krieg

Heinz R. Wittner

Die Schultheißerei Lindelbrunn mit den Orten Vorderweidenthal,

Oberschlettenbach, Dimbach und Darstein ist noch kaum erforscht. Das Wenige, das

bisher veröffentlicht wurde, bedarf in vielen Fällen der Korrektur. In den

reichhaltigen Beständen des Fürstlich-Leiningischen Archivs in Amorbach wird fast

durchgehend vom „Amt“ Lindelbrunn gesprochen, obwohl es sich nur um eine

Schultheißerei handelte, die dem Amt Falkenburg unterstand. Die Amtsrechnungen

Lindelbrunn, die Amts- sowie die Kellereirechnungen Falkenburg gestatten es, den

Zeitraum vor, während und nach dem 30jährigen Krieg recht gut zu erhellen.

Der fleckensteinische Freihof

In Vorderweidenthal bestand ein fleckensteinischer Freihof, um den es zwischen

1583 bis 1617 zu Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Grafen

von LEININGEN und den Herren von FLECKENSTEIN kam. Philipp von

FLECKENSTEIN machte dabei Ansprüche u.a. auf die Mühle, den Zehnten und den

Pfarrsatz geltend, die er nach seinen Angaben von der Kurpfalz zu Lehen trug. Das

umfangreiche Aktenbündel gewährt einen Einblick in die Rechte und Pflichten des

fleckensteinischen Schützen sowie in das dörfliche Leben. Bei einer am 29. und 30.

März 1617 in Vorderweidenthal unter dem Titel „Abgehörte Kundtschafft

betreffend den fleckensteinischen Schützen und das Schütz-Ampt zu Weydenthall“

niedergeschriebenen Anhörung durch Dr. Friedrich SAUR (später Amtmann auf der

Falkenburg) und den falkenburgischen Keller Johann Jacob KÖGELE wurde u.a.

ausgesagt, dass allein von 1594 bis 1614 in Vorderweidenthal nacheinander 11

lutherische Pfarrer ihren Dienst versahen. Es waren dies: Philippus WÜRGELL,

Christophorus MOTZ, Jacobi ROSCH, Johannes HEIRLING, M. Georg PFLÜGER,

Hermann; RUMP, Ägidiy KRAFFT, Cunradi MORCK, Johannes LUPULY, M.

Christopher ZIEGLER und derzeit (1614-1617) Philips Jacob BRUCHT.

Im Verlaufe der Anhörung wurde zuerst der Büttel Hannß GERBER befragt. Er gab

an, wenn der (fleckensteinische) Schütz ein Pferd halte und die Gemeine Weide

mitbenutze, so müsse er auch frönen. Seiboldts Wendell, der (1590) von

Gossersweiler zugezogen sei, habe mit seinen Pferden gefrönt. Auch habe man,

wann der Gemeine Woog abgefischt worden sei, der Gemeinde (Vorder-)

Weidenthal ein Fischessen gegeben, was auch schon ein paar Jahre nicht mehr

geschehen sei.

Der etwa 60jährige Peter KREMER zu Dimbach gab zu Protokoll, dass er unter

Junker Johannsen (von FLECKENSTEIN) von etwa 1587 bis 1590 auf dem Fronhof

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gesessen habe und nicht habe frönen müssen. Da er tags und nachts hüten und

schützen mußte, habe ihm vom Juncker 5 Achtel Frucht, halb Hafer, halb Korn

zugestanden; auch habe er den Kleinen Zehnten bezogen. Die Bürger hätten das

Recht besessen, das (Weide-) Vieh in den Fronhof zu treiben. Dafür seien an ihn 5

Pfennige als Entgeld von jeden Viehbesitzer zu zahlen gewesen. Für das Hüten am

Tag hätten ihm 2 und bei Nacht l Pfennig pro Stück (Vieh) zugestanden. Falls ohne

sein Wissen das Vieh auf dem Lindelbrunner Hof Schaden angerichtet habe, so hätte

er ihn bezahlen müssen. So habe er einmal für einen Schaden 3 Achtel Korn geben

müssen. Er und andere Schützen hätten selbst kein Pferd gehalten. Lediglich sein

Nachfolger, Seiboldts Wendell, habe ein Pferd besessen, habe aber nicht gefrönt.

Der Juncker (von FLECKENSTEIN) und LEINIGEN haben um 7 Morgen Acker

hinter der Kirchenmauer einen Streit gehabt und sich verglichen. Der Schütz müsse

einen halben Wagen, einen Pflug, eine Egge und zwei Kärste bei Sonnenschein in

den Hof (Lindelbrunn) liefern und wieder abholen. Hierfür stehe ihm der Kleine

Zehnte zu. Der Schütz müsse jährlich an Martini der Gemeinde ein Viertel Wein,

einen Käse und ein Brot geben, das sei alles.

Zum Freihof gehörten über 100 Morgen Äcker und Büsche. Der auf dem Hof

sitzende fleckensteinische Schütz war verpflichtet für die Dörfer Schlettenbach,

Darstein und Weidenthal einen Farren, zwei Widder und einen Eber zu halten. Er

mußte demjenigen in Darstein, der den Farren hielt ein Achtel Hafer und zwei

Simmern Korn geben, da er selbst dort nicht rügen durfte.

Von den Krautgärten brauchten die Weidenthaler keinen, aber von allen anderen

neuen Gärten war der Zahnte zu entrichten. Anstatt des Zehnten war von einem Kalb

ein Pfennig zu zahlen. Vom anderen Vieh nehme er (der Schütz) das zehnte Stück.

Wenn einer keine zehn Lämmer habe, so gebe er pro Lamm ein Ei. Von zehn Ferkeln

sei eines abzuliefern. Er habe immer friedlich mit den Nachbarn gelebt. Zur

Eckerichmast habe er sein Schwein mitlaufen lassen und habe, halb für den

Schultheiß, halb für die Gemeinde, fünf oder sechs Gulden bezahlt.

Als dritter wurde Martin ACKER befragt, der jetzige (1617) leiningische Schütz auf

der Falkenburg. Er sei vor zehn Jahren auf den Fronhof gekommen und habe dort

zehn Jahre gesessen. Er gab an, dass er zwei Jahre lang zwei Pferde gehalten, aber

nicht gefrönt habe, was auch nicht von ihm verlangt worden sei. Auch er habe sich

mit den Nachbarn gut gehalten. Ihm hätten 6 1/2 Achtel Korn für das Schützenamt

zugestanden. Da er aber nicht gerügt habe, hätten die (Ober-)Schlettenbacher ihr

Korn, zwei kleine Achtel oder 15 Simmern, selbst behalten. Auch die Darsteiner

hätten ihre 15 Simmern Korn nicht abgeliefert. Der Juncker (von FLECKENSTEIN)

habe ihm dafür 2 ½ Achtel Korn aus den Weidenthaler Gefällen sowie 2 ½ Achtel

Hafer gegeben. Darüberhinaus habe er ihm über 50 Morgen Wilderung (Willerung)

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mit Büschen zur Nutzung übertragen. Martin ACKER sagte ferner: „der Ruhe

halben, er habe gantz nichts gerügt, die Bauern haben selbst gerügt, wie sies bißhero

auch gemacht haben, aber der alt Peter SCHNEIDER von Dienbach habe gerügt.

Den halben Wagen und Pflug habe Jr. (Juncker) Philips ihme vorbehalten, alß er ihn

dargesetzt, müße er stellen, wann es die Weidenthaler begeren, wann sie es aber

nicht begeren, so seye es ihm wol zufrieden, die Weidenthaler habens aber nie an

ihn begeret, haben wol vom rügen gesagt, daß es ein Schütz thun muss, haben aber

nicht druff getrieben.“

Diese Passage und die vorherigen Aussagen werden verständlich durch die ebenfalls

1617 vorgetragene Beschwerde des fleckensteinischen Schultheißen Conradt

HEFFT. Er klagt, daß es den Bürgern des Amtes Lindelbrunn bei Strafe verboten

worden sei, ihm das Schützenkorn abzuliefern. Auch durften sie ihn nicht weiter

Schultheiß zu Weidenthal nennen.

Doch zurück zur Aussage von Martin ACKER. Von den eingezäunten Gärten habe

man ihm keinen Zehnten gegeben. Vom Vieh habe er von einem Kalb einen Pfennig

und von den Lämmern, falls es keine zehn waren, je ein Ei gehabt. Damit endet das

Anhörungsprotokoll. Die Aussagen belegen, daß die fleckensteinischen Schützen

trotz vieler Differenzen versucht haben, mit den übrigen Bürgern in einem

gutnachbarlichen Verhältnis zu leben. Im 18. Jahrhundert erscheint der Freihof unter

kurpfälzischer Regie.

Der Lindelbrunner Hof

Die Grafen von Leiningen besaßen unterhalb der Burg Lindelbrunn, dort wo heute

das Forsthaus und das Cramerhaus des Pfälzerwald - Vereins stehen, ein Hofgut, das

im Temporalbestand vergeben wurde. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheint der

Hof nicht vergeben gewesen zu sein, denn in den Kellerei-Rechnungen 1608 des

Amtes Falkenburg werden keine Abgaben vermerkt, da der Graf den Hof selbst in

Händen habe. 1619 wird Jacob PIERMANN als Hofmann zu Lindelbrunn genannt.

Bei der Huldigung am 23. März 1631 erscheint an 2. Stelle Hans DERST, der

Hofmann zu Lindelborn. Er war der Schwiegersohn von Martin ACKER, dem

leiningischen Schützen auf der Falkenburg, der auch von 1606 bis 1616

fleckensteinischer Schütz auf dem Freihof war.

Im Herbst 1633 erhielt der Hofmann zu Lindelbrunn 7 Batzen und 8 Pfennige für

das Herbsten im gräflichen Wingert zu Bergzabern. Für 1633 hatte er 24 Malter und

5 Simmern Korn als Pacht zu zahlen. 1634 wurde das Korn vom Hagel zum größten

Teil vernichtet. In diesem Jahr lieferte er 27 Malter und l Simmern Gerste ab. Dazu

kamen noch 7 Malter Hafer als Willerungszins. Am 26. August 1634 wurden auf

dem Hof 193 junge Schafe, 151 junge Hämmel und 53 Lämmer gezählt. Im gleichen

Jahr wurde von den Dreschern auf dem Hof Lindelbrunn 34 Malter und l Simmern

Hafer geliefert.

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1635/36 heißt es: Auf dem Hof Lindelborn im Jahr 1635 erbauet 31 Malter Korn und

dieses Jahr (1636) 7 Malter. ... Abgaben von jungen Lämmern ... ist der Pächter

schuldig geblieben. In den Jahre 1633 bis 1636 mußte der Hofmann jeweils 1/2

Malter Korn dem Pfarrer Georg SCHLEMPEN in Vorderweidenthal geben. 1636

lieferte der Schuster Franz KRÄHMER zu Darstein 6 Paar Schuhe auf den Hof.

Barthel STOFFEL aus Oberschlettenbach kaufte 1636 einen Stall auf dem Hof zu

Lindelbrunn.

Die Kellerei-Rechnungen 1637/38 vermerken: Bürgern von Darstein wurde Wein

und Brot sowie 10 Batzen gegeben beim Löschen des Brandes auf dem Hof

Lindelbrunn.

1650/51 ist der Lindelbrunner Hof noch verlassen. Hanß DERST, der letzte

Hofmann, scheint den „Kroatensturm“ nicht überlebt zu haben, denn es heißt, daß er

vor vielen Jahren verstorben sei. 1656 war der Lindelbrunner Hof wieder aufgebaut.

Thomas STEBINGER (STEBNER) aus Dimbach wurde erster Hofmann nach dem

Krieg. Für die Saat auf Lindelbrunn wurden im „Amt“ 19 Malter Korn, 3 Malter

Gerste, 200 Ballen Stroh und 3 Bund Heu gekauft.

Steuern, Abgaben und Streiflichter aus dem dörflichen Leben

In den Jahren 1605 und 1608 gab es ausweislich der Zahlung von Ungeld (Ohmgeld)

in Vorderweidenthal zwei Gastwirte. 1605, 1606 und 1607 waren dies Hanß STOLL

und Michel HAILMANN. 1608 erscheint, anstelle von Michel HAILMANN Caspar

WENTELL, auch Caspar der Wirt genannt (zu dieser Zeit waren die Familiennamen

im Amt Lindelbrunn erst im Entstehen begriffen). 1613 hatten sogar drei Gastwirte

ihr Auskommen und zahlten beachtliche Summen an Ungeld: Caspar WENTELL 5

Gulden, 12 Batz, 12 Pfennige, Peters Hanß, der ander Wirt; 32 Gulden, 15 Pfennige

und Jacob DOLDT (er erscheint 1616 als fleckensteinischer Schütz) 12 Gulden, 11

Batzen und 4 Pfennige. 1619 (3) zahlt in Vorderweidenthal nur noch Hanß

Rupprecht RODTHAAR 30 Gulden Ungeld. Dafür erscheint nunmehr Hanß

SCHUNCKH als Wirt in Oberschlettenbach.

Ein Vergleich der Kellerei- und Amtsrechnungen aus der Zeit vor dem 30jährigen

Krieg und den Rechnungen bis 1635/36 lassen den Schluss zu, daß das Leben im

Amt Lindelbrunn bis zum „Kroatensturm“ immer noch in verhältnismäßig

geordneten Bahnen verlief. 1608, 1613 und 1619 betrug die Beständige Beed im

Amt Lindelbrunn ohne Dimbach 15 Malter Korn und 5 Malter, 3 Simmern Hafer,

Dimbach gab 3 Malter Korn. Unter Jährliche Gefälle sind aufgeführt: Mai- und

Herbst- Beed jeweils 15 Gulden sowie 5 Gulden Grabgeld, „daß die Untertanen den

gräflichen Wingert zu Bergzabern graben dürfen“. Die gleichen Beträge wurden

auch noch 1633/34 und 1634/35 erhoben. An Schätzung wurde 1619 im „Amt“ 109

Gulden, 9 Batzen und 6 Pfennige abgeführt. Daneben erfahren wir im gleichen Jahr.

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daß an die Gerber in Annweiler für 7 Gulden, 5 Batzen. 4 Pfennige Häute verkauft

wurden.

Weitere Details sind aus der Kellerei-Rechnung 1633/34 zu entnehmen: Der

Steinwoog unterhalb Lindelbrunn wurde im Herbst 1632 mit 800 Kärpflein besetzt.

Der Müller in Vorderweidenthal gab 14 Malter Korn als Pacht. Daneben erfahren

wir, daß keine Spelz angepflanzt wurde. Das Amt Lindelbrunn lieferte 1634 32

Fastnachtshühner ab. Als Gesamteinnahmen aus dem Amt Lindelbrunn sind in

dieser Rechnung 309 Gulden, 6 Batzen, 4 Pfennige ausgewiesen. Je einen Gulden

Einzugsgeld zahlten Peter FUNKCKH in Damstein und Hannß OSTER in

Vorderweidenthal.

Auch die Kellerei-Rechnung 1634/35 lässt immer noch auf ein weitgehend normales

Leben schließen. Der Mühlenzins betrug unverändert 14 Malter Korn. Das Amt

Lindelbrunn gab 30 Fastnachtshühner. An Kappen (Masthähne) lieferten die

Oberschlettenbacher Bürger Barthel STOFFEL 3, Nickhel THOMAN 2 und Thomas

LADENBERGER 2 Stück. Für Schaf- und andere Felle wurden 70 Gulden, 10

Batzen, 4 Pfennige erlöst. Die Gesamteinnahmen im Rechnungsjahr betrugen 466

Gulden und 5 Batzen. Nebenbei erfahren wir, dass für 2 Gulden eine Tür an die

Bezenkammer zu Weidenthal gemacht wurde. Schultheiß des Amtes ist, wie 1631,

Peter BECHTOLD. Als der Steinwoog zu Vorderweidenthal am 3. September 1635

abgefischt wurde, wurden 2 Simmern Hafer verfüttert. Einer der letzten

Rechnungseinträge erinnert daran, daß Krieg war. „Der Bellerswoog zu Weydenthal

ist von den Soldanten aufgezogen und verderbt worden.“

Ein anderes Bild vermittelt die Kellerei-Rechnung von Michaeli (29. September)

1635 bis Michaeli 1636: „Denn dieß Jahr, weilen die Underthanen nicht zu Hauß

pleiben khönnen, kheiner Württschaft im Ambt Lindelbron getrieben worden ...

Einnahmen aus Thiergartengeld Ambt Lindenbron nichts, wegen der Thiergarten vor

einem Jahr in Abgang kommen ...“Von etlichen Untertanen im Amt Lindelbrunn sei

anstelle von 16 Gulden Schatzung lediglich l Malter Korn eingegangen. Einnahmen

aus Hühnern und Hahnen aus dem Amt Lindelbrunn: Nichts. Mühlenzins zu

Vorderweidenthal früher jährlich 15 Malter; da der Müller und die Untertanen nicht

zuhause bleiben konnten: Nichts.

Peter BECHTHOLD ist immer noch Schultheiß. Sogar ein Neubürger, Mattheß

DAUSSMANN, zahlt in Vorderweidenthal Zuzugsgeld. Veix STEBNER und

Hannß BECKHER, beide Strohschnitter (Dachdecker) aus Dimbach, decken im

Frühjahr 1636 das Pommeranzenhaus des Grafen. Aus der Umgebung weist die

Rechnung folgendes aus. „Ständige Beth zu Hofstätten: Weil die Undertanen

meistenteils vestorben und das Dorf abgebrannt worden, nichts ... Einnahm Habern

von Hofstätten nichts. Wegen des verderblichen Kriegsweßens dadurch daß das Dorf

mehrenteils abgebrannt worden, sowohl von den Undertanen 1635 und dieses Jahr

kein Habern eingeführt worden.“

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Zeitgenössische Darstellung der Greul des Dreißigjährigen Krieges

Ein düsteres Bild zeichnet die Kellerei-Rechnung 1637/38: „Keine Einnahmen aus

Beständige Beeth, weil die Underthanen mehrenteils gestorben und verdorben.“

Ebenfalls keine Einnahmen ergaben folgende Posten: Leibbeth, Abkauf der

Leibschaft, Ungeld, Schatzung, Einzugsgeld, Eckerich- Erlös, Hühner aus Büschen,

Tiergartengeld, „wegen der Thiergarten von dreyen Jahren in abgang kommen“, aus

Wolleverkauf, aus Verkauf von Hammeln und Schafen, aus verkauftem Vieh, aus

Schaffellen und anderen Häuten. Die Untertanen haben auf Thomas (21. Dezember

1637) das beständige- Beeth- Korn geliefert: 14 Malter. Im Amt Lindelbrunn wurde

kein Mühlenzins bezahlt. „Dieweilen die Underthanen mehrentheils verstorben, die

Übrigen hinweggezogen, also hat auch nichts Erbauwet undt Erhalten werden

können.“ Dazu vemerkt der Keller: „Obwohl mir für 2 Jahre wegen Schultheißen

und Oberförster-Diensten 15 Malter Korn jährlich geliefert werden sollten, habe ich

jedoch nicht mehr als 4 Maler insgesamt erhalten.“ Daraus ist zu entnehmen, daß der

Schultheiß Peter BECHTOLD wohl tot war und der falkenburgische Keller als

Schultheiß fungierte. Dagegen ist Georg SCHLEMPEN zu dieser Zeit immer noch

Pfarrer in Vorderweidenthal. Dann schweigen die Rechnungen bis zum Jahr

1650/51. Anhand der Kellerrei- Rechnungen kann danach auch der Wiederaufbau

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verfolgt werden. Die beständige Beed erbrachte von Martini 1650 bis Martini 1651

18 Gulden, 9 Batzen. 14 Pfennige. Dazu ist vermerkt: „Nota: Ob zwar Vor alters die

Meyen Undt Herbstbeedt daselbsten 30 Gulden erbrachten, die Leuth aber in dem

Langwürigen Continuirlichen Kriegesweßen mehren theils gestorben und verdorben

...“ Im Einzelnen entrichteten in Weidenthal:

Theobald VEYOX 2 fl, 12 Batzen; Hanß ACKHER 12 Batzen, 12 Pfennige und

Barthel STOFFEL l fl, 7 Batzen.

In Dimbach:

Thomas HEFFT 8 Batzen, 8 Pfennige, Peter FUNCKH 8 Batzen, Hanß

BURKHARDT 13 Batzen, 4 Pfennige und Hanß BECKHERS Wittib 5 Batzen, 6

Pfennige.

In Darstein:

Matthes KOCH l fl, 6 Batzen, Veyox NICKS 12 Batzen, 8 Pfennige und Theobald

SCHAAF.

In Schlettenbach:

Hanß Christmann DAUSMANN 6 fl, 14 Batzen, 4 Pfennige, Hanß Matthes STOLL,

gestorben, sein Gut liegt noch unbebaut, Thomas LADENBERGER 2 fl, 4 Batzen,

4 Pfennige und Hanß STOFFEL 2 Batzen. Hans DERST dagegen war gestorben und

seine Güter waren noch unbebaut. Von Velten KELLER wird berichtet, daß er nach

Busenberg gezogen sei.

Das Amt Lindelbrunn lieferte 1651 wieder 22 Fastnachtshühner. Doch wurden noch

keine Hammel und Schafe gehalten. Auch die früher so einträgliche Schanksteuer

brachte keine Einnahmen. Da noch kein Wirt da war, konnte auch kein Ungeld

erhoben werden. In der folgenden Zeit wurden immer wieder 14 Männer zu

Fronarbeiten (Holzfällen, Korndreschen, Jagdrevier einzäunen usw.) herangezogen.

Daraus ist zu folgern, daß damals nicht mehr volljährige Männer lebten.

Im Rechnungsjahr 1651/52 wurde kein Gericht gehalten. Es gab noch keine

Viehzucht und keine Schäferei. Die Gesamteinnahmen aus dem Amt erbrachten nur

32 Gulden. 7 Batzen, 9 Pfennige. Acht Jahre vorher waren sie fast 15mal so hoch.

Als ständige Beed wurden 5 Malter Korn geliefert. Aus der herrschaftlichen Rodt zu

Vorderweidenthal wurden nach dem Ausdreschen 14 Malter Korn gewonnen. Auch

hier existierte noch kein Wirt, so daß auch kein Ungeld erhoben werden konnte.

Die Erbbestandsmühle in Vorderweidenthal (heute: Wagner) wurde wieder

instandgesetzt. Der Ziegler aus Pleisweiler deckte sie mit gebrauchten Ziegeln, die

zusammengesucht werden mussten. Außerdem waren ein lothringischer Steinmetz,

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ein Zimmermann und der Schindeldecker Jacob SEYLER aus Birkenhördt tätig. Es

wurden Kalk und 900 Lattnägel verbraucht. Der Mühlenzins betrug nur 3 Malter,

„weil die Gemeinsleute gar noch wenig haben“.

Ausweislich der Rechnungen von Martini 1656 bis Weihnachten 1657 begann sich

das Leben allmählich wieder zu normalisieren. Das Amt Lindelbrunn besaß wieder

ein Gericht. Hanß ACKER, der 1608 Bürger geworden war, wurde zum

Schultheißen ernannt. Der Graf hatte ihm in Vorderweidenthal einen Hausplatz für

3 Gulden verkauft. Theboldt VEIOX betrieb wieder eine Gastwirtschaft und zahlte

l Gulden, 7 Batzen, 8 Pfennige Ungeld. An rückständiger Beed wurde an Bartholomä

(24. August) 1656 13 Gulden, 6 Batzen und Bartholomä 1657 jeweils 7 Gulden, 4

Batzen, 12 Pfennige einbezahlt. Weiter wurden eingenommen (jeweils zum Ziel und

an Bartholomä): Schätzung jeweils 36 Gulden, 12 Batzen, 6 Pfennige, Leibbeth

jeweils l Gulden, 7 Batzen, 8 Pfennige. Reißgeld 9 Gulden.

Auch die Sägmühle in Vorderweidenthal (unweit der heutigen Kreuzung mit der B

427) war wieder in Betrieb. Zu ihr wurden für 5 Gulden Bäume gebracht. Und

nebenbei erfährt man, daß Deboldt STEEGER (STEIGNER) einen Ochsen für 12

Gulden erkauft hat.

Huldigungen und die Bevölkerungsentwicklung

Als Glücksfall kann es bezeichnet werden, dass im Jahr 1631 eine Huldigung

erfolgte und die Huldigungsliste erhalten blieb. Graf Johann von LEININGEN und

DAGSBURG war nämlich im März 1625 verstorben. Sein Sohn Emich (VII.), am

12. Juni 1612 geboren, war zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig. Er heiratete am

24. Mai 1632 Christina, Gräfin von SOLMS und starb bereits am 29. November

1638. Nach dem Ende der Vormundschaft übernahm er die Regierungsgeschäfte und

ließ sich huldigen. Diese Huldigung fand in der Schultheißerei Lindelbrunn am 23.

März 1631 statt. Das Verzeichnis der Unterthanen, so gehuldigt zu Falckenburg im

Saal, Mittwoch, den 23. Marty ao 1631 weist nachstehende Namen auf:

Weidenthal:

Peter BECHTOLD der Schultheis, Hans DERST, der Hoffmann zu Lindelborn,

Pirman GERBER, Geörg FISCHBACH, Erhardt FAUTH (Gastwirt), Hans Jacob

VEIOX, Hans ACKER (1656 bis 1661 Schultheiß ) und Lorentz BAUER.

Eine Nota vermerkt: „Leonhardt STOLL (Strohschneider) ist dißmals nicht

anweßendt. Seind nacher Dirngem (Dürkheim) von der Herrschafft verschickt.“ Als

weitere Einwohner werden genannt:

Debald VEIOX (ab 1656 Wirt), Hans SCHÖN, PIRMANNS Jack, Adam Georg,

Peter FAUTH, Wendel BÜLER (Maurer, Steinmetz), Mathes GERBER (Büttel),

Hans KELER (Gastwirt), Hans DAUSSMAN, Velten FAUTH und Andres RIEDT

(Endreß AMMORIT, Maurer, Steinmetz).

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Oberschlettenbach:

Hier werden genannt:

Hans CHRISTMANN, Hans Christmann DAUSMAN (ab Mitte 1661 Schultheiß ),

Anstatt DAUSMAN, Jacob KUSEL, Matthes STOLL, Johannes SCHEYDGEN

(Gastwirt), Barthol STOFFEL, Thoman LADENBERGER und Niclaus THOMAN.

In Darstein huldigten:

Niclaus SCHAFF, Adam STOFFEL, Hans FUNCK der Jung, Matthes KOCH

(stammte aus Vorderweidenthal), Hans FUNCK der Alt und Rupert LANG.

Aus Dimbach werden genannt:

Hans BECKER der Alt, Leonhard KLEIN (hat 1633 nach Wernersberg geheiratet),

Veiox BAWMAN, Adam FUNCK, Hans FÖLCKER, Thomas HEFFT, Hans

BEKKER der Jung (Strohschnitter, Dachdecker) und Anthes STOFFEL.

In den folgenden Jahrzehnten fanden immer wieder Huldigungen statt, doch sind den

Akten keine Huldigungslisten beigefügt, so daß daraus auf die weitere

Bevölkerungsentwicklung nicht geschlossen werden kann.

92 Jahre nach dem Großen Krieg weist die „Specification derer Unterthanen der

Schultheißerey Lindelbrunn’’ bei der am 27. Juni 1740 in Vorderweidenthal

durchgeführten Huldigung für die Schultheißerei 93 Personen auf. Ungewöhnlich ist

dabei die Tatsache, daß auch Hintersassen und Juden aufgezählt wurden.

Verzeichnet waren: Für Vorderweidenthal 42 Bürger, 8 Hintersassen und 3 Juden,

für Oberschlettenbach 14 Bürger und 4 Hintersassen, für Darstein 7 Bürger und für

Dimbach 10 Bürger und 5 Hintersassen. Das Verhältnis von Bürgern und

Hintersassen in den einzelnen Dörfern lässt Rückschlüsse auf die Wirtschaftskraft

der Gemeinden und ihrer Bürger zu. Bezeichnend ist, daß sich die meisten

Hintersassen aus Schweizer Einwanderern bzw. ihren Nachkommen rekrutierten.

Doch noch einmal zurück zur Aufbauzeit nach dem 30jährigen Krieg. Die Beed- und

Gefälleverzeichnisse weisen immer die gleichen Namen auf wie die Listen für die

Fronarbeiten. Die Auswertung der untersuchten Belege und des l. lutherischen

Kirchenbuches zeigt, daß die schweizerische Einwanderung in das Amt Lindelbrunn

erst kurz vor 1700 einsetzt und ihren Höhepunkt in den ersten Jahrzehnten des 18.

Jahrhunderts erreicht. Die Familiennamen, die vor 1670 genannt werden, sind

„bodenständig“. Sie kommen auch schon vor dem Großen Krieg vor. Es sind Namen,

die auch heute noch dort verbreitet sind, wie ACKER, BECKER, CHRISTMANN.

DAUSSMANN, FUNK, HEFT, KOCH, LADENBERGER, STÖBENER,

STOFFEL und VEIOCK.

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Lindelbrunn und ein alter Schlettenbacher Name

Jannpeter Zopfs

1966 war der damals circa 11.000 Gulden teure Neubau der Kirche in

Vorderweidenthal 100 Jahre alt. Zum 100-jährigen Jubiläum verfasste der damalige

Pfarrer Karl Jakob Jockers eine kleine Festschrift, in der er gleich zu Anfang den

Namen Stoffel erwähnt, „eine Familie Stoffel aus der Steiermark“. Dass diese

Familie tatsächlich aus der Steiermark eingewandert war, erscheint fraglich nach

dem Aufsatz des Heimatforschers Heinz R.Wittner, auf den unten noch näher

eingegangen wird. Jedenfalls hatte man beim Herausnehmen des alten

Kirchenbodens im Frühjahr 1965 eine Große Grabplatte von 1807 gefunden. Sie ist

heute in die Begrenzungsmauer links vom Kircheneingang eingefügt und soll das

Andenken an Johann Adam Stoffel, Oberförster und der erste Maire in der

Franzosenzeit bewahren. Dazu schrieb Jockers:

„Die Inschrift erinnert nicht nur an einen Verstorbenen, sondern erzählt noch

mehr. Johann Adam Stoffel gehört in jene Sippe namens Stoffel, die nach dem

30-jährigen Krieg die Steiermark des Glaubens wegen verlassen musste und

sich hier niederließ. J. A. Stoffel war Oberförster der Herrschaft Lindelbrunn

und hatte seinen Dienstsitz in Oberschlettenbach. Gleichzeitig war er

Bürgermeister. ...“

Bereits sein Vater Georg Stoffel war dort Förster und Schultheiß, also

Bürgermeister. Das beweist ein altes Pergament aus der Zeit der Leininger, das 1986

als Geschenk des Juristen und Urkundensammlers Dr. Kirchner nach

Oberschlettenbach zurückkehrte. Wie es dazu gekommen war wird beschrieben in

einem Artikel, der am 10. September 1986 im „Südpfalzkurier“ und etwas gekürzt

am 5. September 1986 auch in der „Rheinpfalz“ erschienen ist. Er lautet (noch

stärker auf das hier Wesentliche) gekürzt:

„Dr. Kirchner wird der Gemeinde ein wertvolles Geschenk übergeben, das

Lindelbrunn ebenso wie Oberschlettenbach betrifft. Dr. Kirchner hat die

Große Fachbibliothek des Bundesgerichtshofs aufgebaut. ... Besonders zog es

ihn immer zur Geschichte, zur allgemeinen und zur Rechtsgeschichte. Der

Fürst von Leiningen, dessen Vorväter als Grafen die Herren zu Lindelbrunn

waren, wurde 1848 der erste Präsident der Nationalversammlung in Frankfurt,

so weiß Dr. Kirchner zu berichten. ... 1770 hatten die Leiniger eine

Verwaltungsreform eingeführt. Sie setzten den Schultheiß von

Oberschlettenbach über alle vier Lindelbrunn-Dörfer. 1775 vergab Carl

Friedrich Wilhelm, regierender Graf zu Leiningen ... sein Hofgut ... und was

noch dazu gehörte gegen „l00 Gulden ständigen Erbzins in Frankfurter

Währung“ in feierlicher Urkunde und schwer verständlichem damaligen

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Kanzleideutsch an zwei Bürger aus Oberschlettenbach, an den Schultheiß

Georg Stoffel und an Thomas Vejock. ... Und eben diese Urkunde vom „11.

Januarii Eintausend Siebenhundert Siebenzig Fünf schenkte der

Urkundensammler Dr. Kirchner jetzt der Ortsgemeinde Oberschlettenbach. So

ist sie wieder dorthin gekommen, wohin sie gehört. Sie soll im schlichten

Rahmen unter Glas in der von Bürgern der Gemeinde erbauten

Lindelbrunnhalle zu besichtigen sein. ...“

Dort also hängt seitdem eine Kopie der Urkunde, das Original kam ins Archiv. Es

lohnt sich, sie genau zu lesen. Dann erfährt man, dass die Übertragung im Jahr 1775

nur eine Fortsetzung war. Im genauen Wortlaut heißt es nämlich (Unterstreichungen

jetzt hinzugerügt):

Wir Carl Friedrich Wilhelm, regierender Grav zu Leinigen ... Urkunden und

bekennen hiermit für Uns, Unsere Erben und Nachkommen: Dass wir nach

Ableben unseres Herrn Vettern Graven Friedrich Theodor Ludwig zu

Leiningen ... auf unterthänigstes Ansuchen Georg Stoffels, Schultheißen und

Försters zu Schlettenbach, und Thomas Vejock in einen fernerweiten

Erbbestand übergeben haben, übergeben auch in Kraft dieses Briefes, das in

der Schultheißerey Lindelbrunn belegene und gleichen Nahmen führende

Hofgut, samt darauf erbauten Wohnungen, Scheuer und Stallungen mit allen

seinen Zugehörden, Rechten und Gerechtigkeiten, Privilegiis und Freiheyten,

wie solches bis anhero besessen worden, ihnen Erbbeständern Georg Stoffel

und Thomas Vejock, deren ehelichen Leibeserben und Nachkommen also und

dergestalten in einem Erbbestand, dass ...

Es folgen als Nr. l bis 12 umständliche Beschreibungen von Rechten, Pflichten und

Vorbehalten. Die Größe des Hofgutes ist unter Nr. 2 angegeben mit „Ein Hundert

Zehn Morgen ein Quart Ruth an Äckern, Neun Zehn Morgen Ein Viertel Ein Quart

Ruth an Wiesen und Sieben Morgen Drey Viertel Zwanzig Zwei und eine Quart

Ruth an Gärten, die Ruthe zu Sechzehn Schuhen und den Schuh zu Zwölf Zoll

Rheinisch, also der Morgen zu Ein Hundert Zwanzig Acht Ruthen“. Wald ist nicht

verpachtet, im Wald sind nur bestimmte Nutzungen erlaubt wie Schweinehaltung,

Brennholzsammeln, unter besonderen Voraussetzungen auch Bauholzschlagen.

Aus den Unterstreichungen im Eingangssatz wird deutlich, dass das Hofgut schon

vorher vom „Herrn Vetter“ Friedrich Theodor Ludwig vor dessen „Ableben“ wohl

denselben Berechtigten als Erbbeständern, also in Erbpacht, gegeben war. Das

bestätigen auch Prozessakten im Archiv in Speyer (H 3 Nr. 453 I und II), auf die

unten ebenfalls noch näher eingegangen werden muss. Danach hatte der Leininger

Graf bereits 1756 eine solche Erbbestandsverleihungsurkunde ausgestellt und diese

1768 erneuert. Die Erneuerung 1768 wird auch in der Urkunde von 1775 unter Nr.

2 noch vor der Größenangabe bestätigt.

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Der Aufsatz von Heinz R. Wittner, über „das Amt Lindelbrunn und der 30-jährige

Krieg“, der dankenswerterweise in dieser Festschrift abgedruckt werden durfte,

belegt unter der Zwischenüberschrift „Der Lindelbrunner Hof“, dass dieser Hof

jedenfalls schon ab 1619 verpachtet war, und dass 1656 nach Kriegszerstörung und

Wiederaufbau erneut ein Hofmann eingesetzt wurde. Weiter zeigt dieser Aufsatz,

dass die „Sippe Stoffel“ nicht erst nach dem 30-jährigen Krieg aus der Steiermark

eingewandert ist, wie es noch in der Jockers-Festschrift heißt. Heinz R. Wittner hat

in dem ihm damals zugänglichen „Fürstlich Leiningischen Archiv in Amorbach“

eine Huldigungsliste vom 23. März 1631 gefunden. Darin sind genannt als Bürger

von Oberschlettenbach Barthel Stoffel, von Darstein Adam Stoffel und von Dimbach

Anthes Stoffel. In Rechnungsunterlagen für 1650/51 werden dann in

Vorderweidenthal Barthel Stoffel und in Schlettenbach Hanß Stoffel genannt.

Weiter beweisen diese Belege und das erste lutherische Kirchbuch zufolge der

Auswertung durch Wittner, dass die Einwanderungen nach dem Krieg erst kurz vor

1700 einsetzten.

Demgemäß sind der Name und die Sippe Stoffel „bodenständig“, wie Wittner

schreibt, in allen Lindelbrunn-Dörfern. Besonders zahlreich war die Sippe Stoffel in

Oberschlettenbach. 1913 z.B. haben das Gesuch um die Verlegung der

Posthilfsstelle in den Ort Oberschlettenbach 10 Bürger von 42 und ein

Gemeinderatsmitglied von sechs mit dem Namen Stoffel unterschrieben. Auch 1986

lebten in Oberschlettenbach noch viele aus der „Sippe Stoffel“, unter ihnen der

Altbürgemeister Ferdinand Stoffel und dessen Großneffe, Jürgen, der 1999 ebenfalls

Bürgermeister wurde. Heute (im Jahr 2013) tragen hier nur noch der frühere

„Rödelstein“-Gastwirt Manfred Stoffel und seine aus Vorderweidenthal stammende

Frau Emma seit ihrer Geburt diesen Namen und seit ihrer Eheschließung deren

Schwägerinnen Erika und Helga. Für Vorderweidenthal ist er im Telefonbuch bei

fünf Anschlüssen vermerkt. Ob und wenn ja in welchem nachweisbaren

Verwandtschaftsgrad die heutigen Familien Stoffel zu denen aus der Zeit von 1775

bis 1825 oder gar aus der Zeit des 30-jährigen Krieges stehen, mögen Ahnenforscher

zu Klären versuchen. Hier soll nur die für Lindelbrunn und diesen Namen besondere

Zeit nach 1775 beschrieben werden.

In diese Zeit gehören auch Friedrich Stoffel und sein Bruder Ludwig. Sicherlich

waren sie mit Georg und Johann Adam verwandt. In seinem Gesuch vom 14. Juni

1816 bezeichnet Friedrich Stoffel sich als „Gutsbesitzer und Bürgermeister“. Der

Förster Ludwig Stoffel wird 1822 im Strafverfahren gegen Jakob Helfer wegen

Meuchelmordes als dessen Dienstherr genannt. Darum liegt nahe, dass auch sie als

Erbpächter und Enkel von Georg Stoffel am Hofgut Lindelbrunn beteiligt gewesen

sind.

1816 gehörte die Südpfalz zu Bayern. Das, was früher Eigentum der Leininger

gewesen war, wurde nun Domäne des bayerischen Staates. Die vergangene

Franzosenzeit wirkte aber noch nach. Am 21. Februar 1809 hatten Friedrich und

Ludwig Stoffel in den Gemeinden Oberschlettenbach und Vorderweidenthal

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insgesamt acht Weiher und Wiesenstücke gekauft. Als Verkäuferin trat auf eine

französische „Compagnie de la Moy“ oder vielleicht auch die französische

Ehrenlegion. Jedenfalls gehörten diese Weiher- und Wiesenstücke der Verkäuferin

in Wahrheit nicht. Sie hatte diese widerrechtlich in Besitz. Darum wurden sie 1813

noch zu Napoleons Zeiten vom französischen Präfekten wieder zu Eigentum des

Staates erklärt. Als nun Bayern Eigentümer geworden war, wollten die Brüder

Friedrich und Ludwig Stoffel die Bestätigung des Kaufkontraktes aus 1809

erreichen. Anscheinend hatten sie die Weiher und Wiesen seit 1809 in Besitz und

Bewirtschaftung. Die Domänenverwaltung ermittelte ausgiebig und lange. Sie stellte

dabei fest, dass der 1809 vereinbarte Kaufpreis noch nicht gezahlt war, dass aber die

Brüder Stoffel die Verkäuferin guten Glaubens für berechtigt gehalten hatten. Darum

genehmigte der König damals noch Maximilian I Josef, der aus der Zweibrücker

Dynastie stammte mit Order vom l. September 1819 diesen Kauf aus 1809, jedoch

nur gegen Zahlung eines Schätzpreises von 754 Gulden nebst Zinsen seit 1809 und

Schätzkosten. Letzten Endes haben die Gebrüder Stoffel bzw. deren Erben, Friedrich

war inzwischen verstorben, die beträchtliche Summe von 1.174 Gulden 16 Kreuzer

und l Pfennig für die Sumpfwiesen zahlen müssen. Daran sieht man, dass die Familie

Stoffel um diese Zeit reich, also bedeutend war. Sie konnte mehr als das fünffache

Lehrergehalt für die Sumpfwiesen auf den Tisch legen. Der Lehrer Herberth in

Oberschlettenbach hatte 1844 ein Jahreseinkommen von 200 Gulden einschließlich

freie Wohnung und Nutzung von Äckern, Wiesen und Garten, der Lehrer und

Gründer des Männergesangvereins Gehrmann im Jahr 1862 450 Gulden insgesamt.

In der Akte H 3 Nr. 2801 (30 Blätter) sind im Landesarchiv das Gesuch, die

Domänen-Ermittlungen und Schließlich die königliche Order zu finden, vom König

selbst unterschrieben.

Anders und nicht so gut ging es für die Stoffel-Erben aus, als sie mit dem bayerischen

Staat um den so genannten Jungenwald (oder Junkerwald) in Streit gerieten. Dieser

Streit ist in den oben bereits erwähnten Prozessakten (Landesarchiv H 3 Nr. 45301

und II) dokumentiert. Dabei handelt es sich nicht um die Gerichtsakten des

Landgerichts Landau, die wahrscheinlich durch Kriegseinwirkung verloren sind.

Vielmehr sind es die (Hand-)Akten der bayerischen Verwaltung, die den Prozess

und seine Folgen betreffen.

Das seit 1756 von der Sippe Stoffel aus Oberschlettenbach gepachtete und

bewirtschaftete Hofgut Lindelbrunn war so ertragreich, dass die beiden Pächter mit

ihren Familien davon gut leben konnten, obwohl sie jährlich 100 Gulden Erbpacht

zu zahlen hatten. Zwar musste der Mitpächter Thomas Vejock Ende 1779 seine

Pachthälfte „schuldenhalber“ (so steht es in den Prozessakten) veräußern. Sie wurde

von Johann Adam Stoffel, dem Sohn des Mitpächters Georg erworben.

Offensichtlich hatte Georg mit seiner Familie besser gewirtschaftet. Denn sein Sohn

Johann Adam Stoffel konnte

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Königliche Order vom l. September 1819, unterschrieben von Max Joseph

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für den Erwerb des 1/2 Erbbestandsrechts am Hofgut Lindelbrunn einen

„Kaufschilling“ in Höhe von 3.100 Gulden zahlen. Das ist ein gewaltiger Betrag,

wenn in Rechnung gestellt wird, dass der spätere Kirchenneubau in

Vorderweidenthal im Jahr 1866 circa 11.000 Gulden kostete. Der Leininger Graf

bewilligte mit dem Datum 9. Februar 1780 dem Käufer eine neue

Erbbestandsurkunde, wonach für diese Hälfte die gleichen Bedingungen und Rechte

galten wie in der Urkunde vom Januar 1775 beschrieben. Die andere Hälfte, schon

immer im Besitz von Georg Stoffel, trat dieser ebenfalls mit „oberherrlicher

Genehmigung“ im Jahre 1785 an seinen anderen Sohn Konrad ab. Weil Konrad

seinem Vater auch im Amt des Schultheißen nachfolgte, ist anzunehmen, dass er der

ältere war. Bereits sechs Jahre später 1791 starb Konrad Stoffel „mit Zurücklassung

einer hülflosen Witwe und vier armen Waisen“, wie seine Erben es im Dezember

1830 in einem Gnadengesuch ausdrückten. Darin schrieben sie auch, dass Johann

Adam, der „Oheim“, nun Vormund der Waisen war, da die Witwe „sich kurz darauf

wieder verehelichte“. Demgemäß bewirtschaftete er bis zu seinem Tod 1807 das

Hofgut allein „nach seinem Gutdünken“ (so das Gnadengesuch der Erben des

Konrad Stoffel im Dezember 1830).

Zum Hofgut gehörte schon seit 1782 auch ein Teil des „jungen Waldes“ oder

„Junkerwaldes“, der an das Pachtland direkt angrenzte und heute den Forstnamen

„Jungerwald“ trägt. Auf den Wanderkarten des Pfälzerwald-Vereins heißt er

„Lungenwald“. Die ursprüngliche Größe dieses Waldgebietes ließ sich im späteren

Prozess nicht feststellen aus Mangel an vollständiger Beschreibung. Eine

Vermessung im Jahr 1816 ergab für dieses Jahr 69 Morgen 118 1/4 Ruthen, wovon

aber 8 Morgen 112 1/2 Ruthen in Ackerfeld umgeschaffen waren. Auf das auch im

Namen seines Sohnes Johann Adam gestellte Gesuch des Vaters Georg Stoffel hatte

der Leininger Graf bestimmt, „dass das von den Erbbeständern nachgesuchte Stück

Wald von uhngefähr 15 Morgen ... richtig dargemessen, das darauf stehende Gehölze

versilbert und solchenes Feld ... erbbestandsweise überlassen werden soll“.

Nach der vom Leininger Forstmeister Eberstein und Georg Stoffel gemeinschaftlich

aufgestellten Berechnung handelte es sich Schließlich um eine Fläche von 15 ½

Morgen, 13 Ruthen, 9 Schuh und 9 Zoll (= rund 15 Morgen 77 Ruthen), auf der 501

Buchen und 32 Eichen gefällt wurden. Zwei Jahre später wurde den Erbpächtern Ein

weiter angrenzendes Waldstück „von 9 Morgen 41 Ruthen exclusiv des zur

Viehtrifft bestimmten Theiles“ zum gleichen Pachtbetrag pro Morgen wie 1782

überlassen. Demgemäß bewirtschafteten die Erbpächter des Hofgutes ab 1785

zusätzlich zum Hofgut insgesamt 24 Morgen 118 Ruthen vom jungen Wald, für die

an Erbpacht jährlich 6 Gulden 14 Kreuzer zu zahlen waren. Darüber wurde endlich

am 23. Januar 1788 eine gräfliche Erbverleihungsurkunde in Dürkheim ausgefertigt.

So blieb es bis zum Einmarsch der französischen Truppen nach dem Ausbruch der

Revolution. Diese Besetzung zwang den Leininger Grafen und seine Beamten unter

Mitnahme aller Urkunden zur Flucht auf die rechte Rheinseite.

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230

Die nunmehr französische Verwaltung hatte für die Einkünfte der vorherigen

Landesherren aus deren Grundeigentum also keine Unterlagen. Sie ordnete an, dass

alle Besitzer und Schuldner von landesherrlichen Eigentum innerhalb bestimmter

Fristen alle dafür maß geblichen Berechtigungsdokumente vorzeigen mussten. In

einem im Jahr 1798 angelegten Verzeichnis der französischen

Domänenadministration in Edenkoben ist zwar in französischer Sprache die Rede

von den Erbpachtschuldnern „Jean Adam u. Conrad Stoffel d’Oberschlettenbach“

und von dem Urkundsdatum vom 23. Januar 1788. Notizen oder Belege für die

Anforderung oder Bezahlung der Jungenwald-Erbpacht sind aber nirgends zu

finden, auch nicht in der 1809 für den Kanton Annweiler gesondert gebildeten

„Domaine Rezeptur“.

Für das französische Verzeichnis in Edenkoben ist nicht eine Originalurkunde,

sondern eine von einem französischen Notar namens Daguesant gefertigte Abschrift

der letzten Erbverleihungsurkunde vom 23. Januar 1788 vorgelegt worden. Diese

Abschrift stimmt aber weder in der Höhe des 1782 ausbedungenen Erbzinses noch

in der überlassenen Anzahl an Morgen Waldgebiet überein mit der Originalurkunde

vom 23. Januar 1788. Statt der Zahl von ursprünglich 15 Morgen 77 Ruthen heißt es

115 Morgen 77 Ruthen, statt der Gesamtzahl von 24 Morgen 118 Ruthen heißt es

124 Morgen 118 Ruthen. Statt des Pachtbetrages von 15 Kreuzer sind 5 Kreuzer pro

Morgen genannt. Dabei fällt besonders ins Auge, dass der gesamte Jungenwald

jedenfalls 1816 nur mit knapp 70 Morgen vermessen wurde, während die

Notarabschrift von einem abgemessenen (!) Waldstück von 115 Morgen handelte.

Wer die danach naheliegende Fälschung, die auch nach der Art der Zahlen in der

Daguesant-Abschrift eher in Frage kommt als ein falsches Abschreiben (es ist

einfach eine eins bei den 15 Morgen bzw. 24 Morgen davorgesetzt und bei den 15

Kreuzer weggelassen) zu verantworten hat, blieb wohl ungeklärt. Der Beamte der

bayerischen Domänenverwaltung in Speyer, der all dies aufzudecken bemüht war,

hat in die Prozessakte eine „Vortrag“ genannte Argumentation von 50 eng

beschriebenen Seiten eingebracht. Wie es dazu gekommen ist, dass die französische

Verwaltung anscheinend die Erbpachtzahlungen nicht einforderte, dass stattdessen

sogar die Erben Stoffel am Ende der Franzosenzeit den gesamten Jungenwald als ihr

Eigentum ansahen und dass er als solcher auch im Sektionsregister und in der

Mutterrolle (das Grundbuch gab es damals noch nicht) ausgewiesen war, ist

ungeklärt. Dabei hätte spätestens im Todesjahr 1807 des Johann Adam Stoffel

Anlass genug bestanden, die Rechtsverhältnisse zu klären. In diesem Jahr wurden

nämlich nicht nur die Urkunden über die Erbpachtvereinbarungen aus den Jahren

1756, 1768, 1775 und 1780 im Archiv aufgefunden, sondern auch das Concept der

Urkunde vom 23. Januar 1788, von der doch der französische Notar seine Abschrift

hergestellt haben sollte. Und ein Jahr später hat der Schwiegersohn von Johann

Adam die „Ablösung“ der Hälfte des Erbgutes „bewirkt“, wie es in dem 50-Seiten-

Bericht heißt. Damit waren die Johann Adam-Erben seit 1808 Eigentümer von einer

Hälfte des Hofgutes Lindelbrunn.

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231

Im März 1815 beschwerten die Stoffel-Erben sich bei der kgl. bayerischen

Landesadministration, sie würden durch die Forstbehörde in ihrem Besitz des

Jungenwaldes gestört. Das Ergebnis der daraufhin angeordneten „mit Gründlichkeit

und Aufmerksamkeit“ durchzuführenden Untersuchung verblüfft den Leser: Der für

die Störungen verantwortliche Informant der Forstbehörde sei „höchst

unzuverlässig“, der Anspruch der Familie Stoffel auf „das fragliche Waldstück“

stehe „außer allem Zweifel“. Daraufhin wurde angeordnet, die Größe des

Jungenwaldes genau auszumessen. Diese Messung ergab 1816, wie oben bereits

erwähnt, eine Größe von 69 Morgen 118 ¼ Ruthen. Der doch bei einem Vergleich

mit den 115 bzw. 124 Morgen in der Notar-Abschrift auffällige Fehlbestand wurde

mit ungenauer früherer Messung abgetan. Das Oberforstamt sollte nun die Lokal-

Forstämter anweisen, „dass sie die Erbbeständer in ihrem Besitz nicht kränken

sollen“.

Dennoch gingen seit 1817 immer wieder „verschiedene Anzeigen“ ein, welche

vermuten ließen, „dass der Beschluss der Landesadministration nicht auf voller

Kenntniß der wahren und eigentlichen Verhältnisse ... gefasst worden sein möge“.

Deshalb begann der Beamte in Speyer mit seinen Untersuchungen über die „

Usurpation“ des Jungenwaldes. Am 22. Januar 1822 legte er der „königlichen

Regierung des Rhein-Kreises, Kammer der Finanzen in Speyer“ seinen 50-Seiten-

Vortrag vor mit der Empfehlung, Klage zu erheben. Schon am 11. August 1824

wurden die Erben Stoffel durch das Bezirksgericht Landau verurteilt, dem

königlichen Aerar den Jungen- oder Junkerwald abzutreten und die Nutzungen von

1798 bis 1824 zu ersetzen. Dieser volle Erfolg setzte die Forstbehörde in Landau in

Erstaunen. Sie schrieb am gleichen Tage nach Speyer:

„Man sollte fast glauben, in das königliche Bezirksgericht dahier

sey ein anderer guter Geist gefahren, denn seit einiger Zeit werden

alle bey ihm anhängigen Fiskal-Prozesse gewonnen und so hat

dasselbe unterm heutigen ... den Hauptantrag der Klägerin

zugestanden.“

Das von den Erben Stoffel eingelegte Rechtsmittel half ihnen nicht. Das Urteil des

Bezirksgerichts Landau wurde in Zweibrücken in der Appellationsinstanz am 23.

März 1829 bestätigt. Eineinhalb Jahre später, am 24. August 1830, setzte das

Bezirksgericht die Nutzungsentschädigung nach gutachterlicher Schätzung durch

die Bürgermeister Petermann von Mörzheim, Ludwig Hofmann von Wollmesheim

und Hofmann von Klingenmünster auf 1.433 Gulden und 15 Kreuzer fest.

Ein erstes Gnadengesuch „an die hochlöbliche hohe Regierung des königlich

bayerischen Rhein-Kreiß es zu Speyer“ vom 5. November 1829 also noch vor dem

Urteil zur Höhe der Nutzungsentschädigung hatte keinen Erfolg. Es war verfasst von

dem schon 1808 bei der Ablösung aufgetretenen Tochtermann, also Schwiegersohn

des Johann Adam Stoffel. Dieser berief sich auf eine Leininger Schenkung: „Der

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gerechte und mildthätige Fürst“ habe dem Oberschultheiß Johann Adam Stoffel den

Wald versprochen, als dieser „bei Eindrang der Franzosen in unsere damals

friedlichen deutschen Lande“ die in seinem Besitz befindlichen „herrschaftlichen

Gelder durch schnelle Ablieferung“ gerettet habe. Er sei nach Dürkheim und dann

nach Mannheim nachgeeilt, so dass er „wegen Sperrung des Rheinübergangs

unmöglich zurückkehren konnte noch durfte; so musste er fast ein ganzes Jahr in

Mannheim bey theurer Zehrung verweilen, während ihm zu Hauße als einem

ausgewanderten fürstlichen Beamten alles geraubt und ruiniert wurde. ...

Unterthänigst bitten daher sämtliche Stoffel’schen Erben und in ihrem Namen

gehorsamster Bittsteller, ihnen jenes Versehen und ihren Missgriff hinsichtlich des

übereilten Prozeßes nicht als vorsätzlich böse Handlung anzuschuldigen oder das

bisher gehabte hohe Vertrauen zu entziehen, sondern vielmehl- die ganze Sache als

eine Verleitung von eigennützigen Rathgebern, wie es auch wirklich der Fall ist und

Unkenntniß der wahren Lage der Sachen von unserer Seite Gütigst aufnehmen zu

wollen; endlich die durch eine verordnete Expertise allenfalls zuerkannt werden

mögende Entschädigung für mehrjährigen, jedoch unbedeutenden Genuss um so

eher gnädigst zu erlassen belieben, da gerade der jetzige schöne Bestand des Waldes

von der besonderen Sorgfalt unseres Erblassers herrührt, welcher in den langen

Kriegszeiten dessen Erhaltung durch manche Opfer theuer erkaufte“.

Ebenso wenig Erfolg hatte das direkt an den König gerichtete, acht Seiten lange

Gnadengesuch vom 18. Dezember 1830. Darin traten allein die Erben von Konrad

Stoffel als Bittsteller auf. Sie legten ausführlich mit verschiedenen Unterlagen dar,

die gesamte Verantwortung für die Fälschung und deren Gebrauch treffe den Johann

Adam Stoffel, den Bruder von Konrad. Am 31. Dezember 1830 wurde die Regierung

in Speyer aufgefordert, den Bittstellern deren Unterlagen zurückzugeben und die

Abweisung zu eröffnen.

Aus den Prozessakten der königlich bayerischen Verwaltung geht nicht hervor, ob

und von welchen Erben die Nutzungsentschädigung von 1.433 Gulden und 15

Kreuzer letztlich gezahlt worden ist und ob diese Summe womöglich noch verzinst

werden musste. Der Jungenwald jedenfalls ist noch heute im Eigentum der

öffentlichen Hand.

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Unter französischer Fahne - Soldaten aus Darstein, Dimbach, Oberschlettenbach und Vorderweidenthal

Lothar Wagner

Am 14. Juli 1789 begann die französische Revolution. In der Folge verließen viele

Adlige und Royalisten Frankreich in Richtung Deutschland. Am 27. August 1791

trafen sich Kaiser Leopold II. und König Friedrich-Wilhelm II von Preußen auf

Schloss Pillnitz bei Dresden, um mit französischen Emigranten über ein

Verteidigungsbündnis zu beraten. Anfang des Jahres 1792 schlossen Österreich und

Preußen ein Militärbündnis zur Rettung der französischen Monarchie. Um dem

drohenden Einfall der alten Mächte zuvorzukommen, erzwang die französische

Nationalversammlung am 20. April vom König eine Kriegserklärung an Österreich.

Kriegerische Auseinandersetzungen ließen nicht lange auf sich warten. Nach der

Kanonade im lothringischen Valmy (20. September 1792), die Österreich und

Preußen verloren, rückten die französischen Revolutionstruppen auf das linke

Rheinufer vor. Es kam zu Schlachten bei Pirmasens, Kaiserslautern, Bundenthal und

Weißenburg. Die Franzosen konnten die Preußen und Österreicher Schließlich

zurückdrängen. Im Frieden von Lunéville 1801 musste das ganze linke Rheinufer an

Frankreich abgetreten werden. Das Land links des Rheins blieb über 20 Jahre unter

französischer Herrschaft; denn an die Zeit der Revolution schloss sich die Ära

Napoleon an, und die Revolutionskriege fanden ihre Fortsetzung in den

Napoleonischen Kriegen. Nach dem Frieden von Lunéville und dem

Reichsdeputationshauptschluss kam der größere Teil der Pfalz zum Departement

Donnersberg. Es umfasste 38 Kantone, darunter war auch der Kanton Annweiler. Zu

diesem gehörte die Mairie (Bürgermeisteramt) Oberschlettenbach mit den

Gemeinden Darstein, Dimbach und Vorderweidenthal.

Mit der endgültigen Abtretung der linksrheinischen Pfalz an Frankreich wurde die

französische Gesetzgebung und die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die

gesetzliche Grundlage für die Aushebung der Soldaten stellte das Wehrpflichtgesetz

vom 8. März 1800 dar. Nach dem Gesetz war jeder Männliche Franzose, der das 20.

Lebensjahr vollendet hatte, zum Wehrdienst auf die Dauer von 5 Jahren verpflichtet.

Ob er tatsächlich dienen musste, hing von der Höhe des Kontingents ab, das der

jeweilige Jahrgang stellen musste, soweit nicht eine Befreiung aus gesundheitlichen

oder sozialen Gründen erfolgte.

Das Aushebungsverfahren

Die Bürgermeister (für uns Maire Stoffel aus Oberschlettenbach) mussten für ihre

Gemeinde ein Verzeichnis der Konstkriptionspflichtigen anlegen. Der Unterpräfekt

(Sous-Préfet) mit Sitz in der Arrondissement-Hauptstadt Zweibrücken fertigte aus

den von den Bürgermeistern gefertigten Listen eine Liste an (Tableau des Conscrits)

für jeden Kanton. Es erfolgte die Benachrichtigung der Konskribierten durch

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234

Aushang und Ausruf in den Kommunen und, sie mussten sich in Begleitung des

Bürgermeisters am Musterungsport einfinden.

Die Ziehung

Sobald die Listen abgeschlossen waren, begann der Unterpräfekt mit der Festsetzung

der Reihenfolge, in der die Konskribierten zum Militärdienst eingezogen werden

sollten. Im Beisein der Konskribierten, der Bürgermeister, des Offiziers der

Gendarmerie und des Rekrutierungsoffiziers wurden so viele Zettel, beginnend der

Nr. l. in eine Urne geworfen, wie Namen auf der Liste standen. Ein Konskribierter

nach dem anderen wurde dann aufgerufen, um einen Zettel zu ziehen. Der Name

eines jeden Konskribierten und seine persönlichen Daten wurden dann in eine neue

Liste entsprechend der Ziehung in Nummernfolge auf die Ziehliste (Liste du Tirage)

eingetragen.

Befreiung vom Militärdienst

Die jungen Männer konnten vom Militärdienst befreit werden:

wegen mangelnder Körpergröße, schlechtem Gesundheitszustand

und Gebrechen,

aus sozialen Gründen und

bei Stellung eines Ersatzmannes.

Die Kommission, die das Ziehen der Nummern überwachte, war auch zuständig für

die Tauglichkeitsprüfung. Sowohl die wegen mangelnder Körpergröße als auch

wegen Gebrechlichkeiten Befeiten mussten eine Entschädigung zahlen, deren Höhe

sich nach dem steuerlichen Aufkommen richtete. Sie lag zwischen 50 und 120

Franken.

Aus sozialen Gründen konnte ein Konskribierter vom Militärdienst befreit werden,

wenn

er verheiratet war,

er einen Bruder bei der Armee hatte,

ältester Sohn oder einziges Kind einer Witwe war,

Witwer mit Kindern war.

Die Befreiung aus Gründen des schlechten Gesundheitszustandes nahmen in Zeiten

der Bedrängnis ab 1808 ab.

Die Befreiungen aus sozialen Gründen wurden eingeschränkt, indem die zu

befreienden lediglich ans Ende der Liste gesetzt wurden. Das bedeutete jedoch keine

Sicherheit vor einer möglichen Einberufung, wenn die Zahl der Rekruten nicht mehr

ausreichte. 1813 wurden selbst Ehemänner und solche mit Körperfehlern zum

Kriegsdienst eingezogen.

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235

Gestellung eines Ersatzmannes

Die allgemeine Wehrpflicht wurde aber oft untergraben. Reiche Leute konnten sich

„Remplacanten“, auch Ersatzmänner genannt, leisten, welche sie an der Stelle der

eigenen Kinder in den Krieg ziehen ließen.

Liste der Ausgemusterten von 1806, 1807 und 1811

Name Vorname Wohnort

1806 Acker Johannes Jakob Vorderweidenthal

Schütz Johannes Jakob Vorderweidenthal

Veiock Johannes Konrad Darstein

1807 Schütz Peter Vorderweidenthal

Uth Mathias Dimbach

Helser Georg Vorderweidenthal

Heiner Johannes Oberschlettenbach

Steidler Michael Dimbach

Helser Philipp Vorderweidenthal

1811 Fuhr Philipp Dimbach

Aushebungsliste 1811 (Konskribierte)

Becker, Johannes Jakob

geb.: 04.11.1791, Größe: 1,730 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Jakob Becker, Landwirt

Mutter: Elisabeth Becker geb. Puster

Funk, Georg

geb.: 16.01.1791, Größe: 1,690 m, Landwirt, Dimbach

Vater: Jakob Funk, Landwirt

Mutter: Margarete Funk geb. Heft

Rapp, Franz

geb.: 15.07.1791, Größe: 1,560 m, Schneider, Vorderweidenthal

Vater: Michael Rapp, Schneider

Mutter: Katharina Rapp geb. Gleichmann

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Stoffel, Johannes Friedrich

geb.: 17.04.1791, Größe: 1,743 m, Landwirt, Darstein

Vater: Georg Stoffel, Landwirt

Mutter: Katharina Stoffel geb. Veyock

Stoffel, Philipp

geb.: 15.02.1791, Größe: 1.700 m, Landwirt, Oberschlettenbach

Vater: Konrad Stoffel, Landwirt

Mutter: Maria Elisabeth Stoffel geb. Mathil

Stöbener, Johannes Heinrich

geb.: 03.12.1791, Größe: 1,610 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Marx Stöbener, Landwirt

Mutter: Margarete Stöbener geb. Reuß

Fuhr, Philipp

geb.: 04.03.1790, Größe: 1,750 in, Dimbach

Vater: Christoph Fuhr, Metzger

Mutter: Katharina Fuhr geb. Reck

Bemerkung: untauglich

Acker, Georg Adam

geb.: 16.03.1790, Größe: l,790 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Jakob Acker, Leinenweber

Mutter: Anna Maria Acker geb. Walther

Blum, Gumber Nathan

geb.: 16.03.1790, Größe: l,720 m, Händler, Vorderweidenthal

Vater: Moses Blum, Kaufmann

Mutter: Bette Blum

Boeller, Johannes Konrad

geb.: 08.04.1790, Größe: 1.649 m, Landwirt, Darstein

Vater: Georg Boeller, Landwirt

Mutter: Maria Appolonia Boeller geb. Hartmann

Puster, Valentin

geb.: 28.08.1790, Größe: 1,620 m, Müller, Vorderweidenthal

Vater: Georg Puster, Bäcker

Mutter: Magdalena Puster geb. Zimmerle

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Ziehliste von 1811

Zieh-Nr. 15

Acker, Georg Adam

geb.: 16.03.1790, Größe: l,790 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Jakob Acker, Leinenweber

Mutter: Anna Maria Acker geb. Walther

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 17

Boeller, Johannes Konrad

geb.: 08.04.1790, Größe: 1,649 m, Landwirt, Darstein

Vater: Georg Boeller, Landwirt

Mutter: Maria Appolonia Boeller geb. Hartmann

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 43

Heft, Johannes

geb.: 27.11.1791, Größe: 1,630 m, Tagelöhner, Dimbach

Vater: Michael Heft, Landwirt

Mutter: Magdalena Heft geb. Walther

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 74

Stoffel, Johannes Friedrich

geb.: 17.04.1791, Größe: 1,743 m, Landwirt, Darstein

Vater: Georg Stoffel, Landwirt

Mutter: Katharina Stoffel geb. Veyock

Tauglichkeit: untauglich

Zieh-Nr. 79

Puster, Valentin

geb.: 28.08.1790, Größe: 1,620 m, Müller, Vorderweidenthal

Vater: Georg Puster, Bäcker

Mutter: Magdalena Puster geb. Zimmerle

Tauglichkeit: tauglich

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Zieh-Nr. 118

Blum, Gumber Nathan

geb.: 16.03.1790, Größe: l,720 m, Händler, Vorderweidenthal

Vater: Moses Blum, Kaufmann

Mutter: Bette Blum

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Im Gefängnis bis zum neuen Jahr

Zieh-Nr. 144

Stoffel, Philipp

geb.: 15.02.1791, Größe: 1,700 m, Landwirt, Oberschlettenbach

Vater: Konrad Stoffel, Landwirt

Mutter: Maria Elisabeth Stoffel geb. Mathil

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 148

Helfer, Balthasar

geb.: 28.08.1791, Größe: 1,720 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal

Vater: Georg Helfer, Landwirt

Mutter: Maria Katharina Helfer geb. Hoff

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 160

Rapp, Franz

geb.: 15.07.1791, Größe: 1,560 m, Schneider, Vorderweidenthal

Vater: Michael Rapp, Schneider

Mutter: Katharina Rapp geb. Gleichmann

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 161

Stöbener, Johannes Heinrich

geb.: 03.12.1791, Größe: 1,610 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Marx Stöbener, Landwirt

Mutter: Margarete Stöbener geb. Reuß

Bemerkungen: ans Ende der Liste

Zieh-Nr. 172

Funk, Georg

geb.: 16.01.1791, Größe: 1,690 m, Landwirt, Dimbach

Vater: Jakob Funk, Landwirt

Mutter: Margarete Funk geb. Heft

Tauglichkeit: tauglich

Page 240: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Zieh-Nr. 176

Becker, Johannes Jakob

geb.: 04.11.1791, Größe: l ,730 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Jakob Becker, Landwirt

Mutter: Elisabeth Becker geb. Puster

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: ans Ende der Liste

Ziehliste von 1812

Zieh-Nr. 20

Acker, Theobald

geb.: 28.08.1792, Größe: 1,495 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Michael Acker, Zimmermann

Mutter: Barbara Acker geb. Schütz

Bemerkungen: zurückgestellt bis 1813, geringe Körpergröße

Zieh-Nr. 41

Hof, Michael

geb.: 27.05.1792, Größe: 1,646 m. Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Michael Hof, verstorben

Mutter: Anna Maria Hof geb. Müller

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Sohn einer Frau, die gerade Witwe geworden ist; ans Ende der Liste

Zieh-Nr. 67

Vogel, Johannes

geb.: 29.07.1792, Größe: 1,627 m, Diener. Darstein

Vater: Johannes Vogel, Diener

Mutter: Margit Vogel geb. Mesler

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: abmarschiert am 21. Februar 1812 und eingestellt am 4. März in das

54. Linienregiment Nr. 120

Zieh-Nr. 84

Helfer, Marx

geb.: 11.10.1792, Größe: l,682 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal

Vater: Rudolf Helfer, verstorben

Mutter: Marie-Margarete Helfer geb. Koch

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Sohn einer Frau, die gerade Witwe geworden ist, zurückgestellt bis

Okt. 1813

Page 241: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Zieh-Nr. 85

Schütz, Johannes Jakob

geb.: 10.08.1792, Größe: 1,651 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Friedrich Schütz, verstorben

Mutter: Sophie Schütz geb. Veyock

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: abmarschiert am 25. Februar 1812 und eingestellt in das 54.

Linienregiment Nr. 126

Zieh-Nr. 103

Kau, Marx

geb.: ? 1792, Größe: 1,694 m, Händler, Vorderweidenthal

Vater: Salomon Kau, verstorben

Mutter: Rahel Kau geb. Schwab

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Sohn einer Frau die gerade Witwe geworden ist; ans Ende der liste

Zieh-Nr. 112

Walther, Johannes Michael

geb.: 15.08.1792, Größe: 1,633 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Michael Walther, Landwirt

Mutter: Maria Katharina Walther geb. Michelin

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: einberufen in die 79. Kohorte der Nationalgarde am 30. Mai 1812

Zieh-Nr. 120

Schütz, Ludwig

geb.: 23.02.1792, Größe: 1,627 m, Wachtmeister, Vorderweidenthal

Vater: Johannes Jakob Schütz, Wachtmeister

Mutter: Maria Elisabeth Schütz geb. Veiock

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: eingerückt in das Linienregiment Nr. 133 am 25. Februar 1813

Zieh-Nr. 129

Brandenburger, Johannes

geb.: ? 1792 in Merzalben, Größe: 1,627 m, Schweinehirt, Darstein

Vater: Johannes Brandenburger

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: verheirat

Page 242: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

241

Zieh-Nr. 132

Acker, Georg Heinrich

geb.: 22.07.1792, Größe: 1,592 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Johannes Jakob Acker, Landwirt

Mutter: Maria Katharina Acker geb. Löhlein

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 25. Februar 1913 in das 18. Linienregiment Nr. 137 einberufen

Zieh-Nr. 160

Schmitt, Johannes Michael

geb.: 16.04.1792, Größe: 1,525 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Johannes Georg Schmitt, verstorben

Mutter: Maria Katharina Schmitt geb. Wagner

Tauglichkeit: mangelnde Körpergröße, Bruder bereits in der Armee; Zahlung: 80

Franken

Zieh-Nr. 170

Schneider, Dietrich

geb.: 20.02.1792, Größe: 1,621 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Michael Schneider, Schuhmacher

Mutter: Katharina Schneider geb. Veiock

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Bruder bereits im 26. Linienregiment; an das Ende der Liste

Zieh-Nr. 173

Stoffel, Johannes Jakob

geb.: 20.01.1792, Größe: 1,715 m, Landwirt, Darstein

Vater: Michael Stoffel, Landwirt

Mutter: Anna-Maria Stoffel geb. Stöbener

Bemerkungen: verheiratet; befreit; zahl eine Summe von 120 Franken

Zieh-Nr. 175

Uth, Johannes

geb.: 08.04.1792, Größe: 1,667 m, Landwirt, Dimbach

Vater: Philipp Uth, Maurer

Mutter: Appolonia Uth geb. Braun

Bemerkungen: am 21.02.1813 in das 18. Linienregiment einberufen

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242

Zieh-Nr. 189

Zimmerle, Johannes Michael

geb.: 02.02.1792, Größe: 1,534 m, Landwirt, Vorderweidenthal

Vater: Heinrich-Balthasar Zimmerle, Landwirt

Mutter: Eva Zimmerle geb. Ketterin

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 21. Februar 1813 in das 18. Linienregiment Nr. 148 einberufen

Ziehungsliste von 1813

Zieh-Nr. 57

Veyock, Johannes Thomas

geb.: 02.02.1793, Größe: 1,611 m, Schneider, Oberschlettenbach

Vater: Theobald Veyock, verstorben

Mutter: Maria Elisabeth Veyock geb. Becker

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Sohn einer Frau die gerade Witwe geworden ist; an das Ende der

Liste

Zieh-Nr. 68

Siegel, Georg Friedrich

geb.: ?, Größe: 1,555 m, Landwirt, Darstein

Vater: Georg Siegel, Landwirt

Mutter: Elisabeth Siegel geb Stöbener

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen

Zieh-Nr. 72

Steidler, Georg

geb.: ? 1793, Größe: 1,595 m, Tagelöhner, Dimbach

Vater: Georg Steidler, Leinenweber

Mutter: Anna Steidler

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen

Zieh-Nr. 79

Stauch, Heinrich Balthasar

geb.: 15.01.1793 in Contwig, Größe: 1,730 m, Landwirt, Lindelbrunner Hof

Vater: Daniel Stauch, Landwirt

Mutter: Katharina Stauch geb. Bender

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen

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243

Zieh-Nr. 80

Keller, Johannes Jakob

geb.: 09.12.1793, Größe: 1,698 m, Landwirt, Darstein

Vater: Thomas Keller, Landwirt

Mutter: Maria Elisabeth Keller geb. Veyock

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen

Zieh-Nr. 85

Bellert (Böller ?), Johannes Georg

geb.: 23.10.1793, Größe: 1,627 m, Landwirt. Darstein

Vater: Georg Bellert, Landwirt

Mutter: Maria Appolonia Bellert geb. Zuchtmann

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: Bruder bereits in der Armee; an das Ende der Liste

Zieh-Nr. 141

Grimm. Johannes Jakob

geb.: 02.02.1793, Größe: 1,605 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal

Vater: Heinrich Grimm, Landwirt

Mutter: Maria Elisabeth Grimm

Tauglichkeit: tauglich

Zieh-Nr. 143

Stoffel, Johannes Jakob

geb.: 14.04.1793, Größe: 1,580 m, Tagelöhner, Vorderweidenthal

Vater: Heinrich Stoffel, Tagelöhner

Mutter: Maria Katharina Stoffel geb. Stöbener

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: einziger Sohn einer Witwe; an das Ende der Liste

Zieh-Nr. 157

Gröninger. Johannes Georg

geb.: ? auf dem Hermersberger Hof, Größe: 1,603 m, Landwirt, Lindelbrunner Hof

Vater: Friedrich Gröninger, Landwirt

Mutter: Anna Margaretha Gröninger

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: verheiratet

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Zieh-Nr. 163

Bischoff, Georg Friedrich

geb.: ? in Oberschlettenbach, Größe: 1,580 m, Landwirt, Oberschlettenbach

Vater: Michael Bischoff, Leinenweber

Mutter: Maria Katharina Bischoff geb. Beller

Tauglichkeit: tauglich

Bemerkungen: am 23. November 1812 in das 85. Linienregiment einberufen

Abmarsch

Als der Einberufungsbefehl gekommen war, hat man traurig voneinander Abschied

genommen, gar manche Träne wird geflossen sein. War es doch für viele ein

Abschied für immer. Sie ruhen in der Erde, auf der Napoleon seine Schlachten

schlug, so in Spanien und Russland. Oder auf dem Schlachtfeld bei Leipzig, wo im

Oktober 1813 die Völkerschlacht stattfand, an der das 85. Linienregiment

teilgenommen hat. Manche sind auch wieder zurückgekommen, so Valentin Puster,

der später von 1836 bis 1843 Bürgermeister von Vorderweidenthal war.

Ein Brief aus der Zeit Napoleons

Nach der in Frankreich nach der Revolution eingeführten allgemeinen Wehrpflicht

musste auch einer der Vorfahren der Familie Funk, Vorderweidenthal, Soldat in der

französischen Armee unter Napoleon werden. Sein letzter Feldpostbrief vor dem

Abmarsch in den Krieg nach Russland 1812 ist erhalten. Der Schreiber kam von

Russland nicht zurück.

Poststempel: 51 Boulogne sur Meer.

Monßieur Georg Funk, Vorder-Weidenthal

Canton Annweiler

Departement du mont douneren

a Landau N 44a Vorderweidenthal

Bulumen, den 19ten August 1812

Viel geliebte Eldern! Ich Jakob Funk, Begrüße Euch viel dausend Mahl und

Friedrich Rausch grüße ich auch viel dausend Mahl und ich hovfe der Friedrich

wärdt in förne absieht halten wie bis Her auf mich. Und ich muß sie auch

benachrichtigen, daß wir den 16ten Juli aus Mainz abmarschieren haben müssen und

d. 18ten August seynd wir in das Lager Bulumen ankommen und ich muß Euch auch

benachrichtigen, wie sich unsere Reis zugedragen hat, wir haben ein großie dei

Erung gehabt und viel Regenwetter, dass wir haben müssen in den Dreckgehen bis

an die Knie.

Page 246: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Das 4 Pfund krumbieren haben wir bezahlen müsen vor 2 Su und in dem Lager gilt

das Pfund Brot 12 Su (l Su 4 Pfg.) da könt ihr Euch leicht denken, daß mein Geld

Ein End kann haben, und was wir bekommen in dem Tag, daß muß ich Euch auch

wissen lassen.

In 4 dag Einhalb läbgen brod und ein ganzes. Doch aber hat sich meine reis nicht

beim besten Bedrachen ich hab ein Sehr dicken Halz bekommen, daß ich 8 Dag

nichts hab essen können aus genohmen was mich sehr viel Geld gekost hat, für meine

Gesund-Heit zu erlangen.

Also viel geliebte Eltern ich will Sie viel dausend mahl gebitt haben, daß sie mir

doch Et was Geld möchten schüken wann es sein kann 24. Franken, wir sind in einem

bedriebten Stand, wir müssen den Tag 8 Stunden Exxezieren und neues weiß ich

Euch nichts zu schreiben, als daß mir alle dag den Engelländer können sehen auf

dem Wasser fahren, den mir haben nur Ein Steinwurf an das Meer, und ich laß auch

mein Baß Elisabeth der Mann grüßen und döt doch gern wissen, wie es mit dem

Johann Migel walder besteht. Ob er doch nach Haus kommen ist oder ob er noch in

Mainz ist und ich grüße zum letzten Mal noch alle guten Freund, die mir gutes

gedahn haben. Jakob Funk aus forterweidenthal.

und lasst es nicht anstehen wenn ihr mir schreibt so schreibt an die 19. Fahr. 6ten

Kombanie.....

Page 247: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

246

Todesstrafe für Meuchelmörder

Jannpeter Zopfs

Wenn man so genannten repräsentativen Umfragen glauben darf, sind mehr als die

Hälfte der wahlberechtigten Deutschen für die Todesstrafe. Man darf es wohl nicht.

Denn das würde bei geschätzt 660 Wahlberechtigten zusammen in unseren Dörfern

bedeuten, dass 330 von uns der Todesstrafe zustimmen kaum vorstellbar! Zum

Glück kommt es darauf aber auch nicht an. Denn unser weises Grundgesetz hat die

Todesstrafe abgeschafft. Zur Wiedereinführung müssten mehr als zwei Drittel

unserer Volksvertreter das Grundgesetz ändern.

Im 19. Jahrhundert gehörten unsere Dörfer nach dem Wiener Kongress 1815 im so

genannten königlich bayrischen Rheinkreis zu Bayern. Im Bayerischen

Strafgesetzbuch von 1813 war für Meuchelmord (Art. 296: „Jeder mit Vorbedacht

oder Auflauern verübte Mord wird als Meuchelmord betrachtet“) wie für Vatermord,

für Kindestötung und sogar für Brandstiftung zwingend die Todesstrafe

vorgeschrieben. Am l. September 1820 wurde sogar gegen die 74 Jahre alte

Taglöhnerin Catharine Deutsch aus Schifferstadt wegen versuchter Brandstiftung in

einer Scheune die Todesstrafe verhängt, dann aber durch Gnadenerweis des Königs

zu langjähriger Zwangsarbeit gemildert. Fälle von Kindestötung bei der meistens

verzweifelten Situation von ungewollt schwangeren Dienstmägden kamen mehrfach

im Jahr zur Verhandlung. Zuständig für solche Fälle war das „Assisengericht“

(Schwurgericht) in Zweibrücken. Der bayerische König hatte nämlich für den

Gerichtsaufbau und das Verfahrensrecht wie für die allgemeine Verwaltung des

Landes das moderne, volksnahe französische Recht fortgelten lassen. So entschied

nach einer Voruntersuchung durch den so genannten Instruktionsrichter und der

Anklageerhebung durch die Anklagekammer über die Schuldfrage eine Jury aus

zwölf zu besonderen Berufsgruppen gehörenden mindestens 30 Jahre alten

Geschworenen (Assisen). Die fünf Berufsrichter konnten bei Bejahung der

Schuldfrage in den Fällen der Kindstötung nur noch das Todesurteil verkünden, es

gab ja kein anderes Strafmaß. Nur der König konnte im Gnadenwege mildern und

machte nicht selten von diesem Recht Gebrauch.

Vollstreckt wurde die Todesstrafe auch das ein Erbe der Franzosenzeit mit dem

Fallbeil, der Guillotine. Das geschah bis 1861 sogar öffentlich auf dem Marktplatz

in Zweibrücken. So wurde dort der 30-ährige schon erheblich vorbestrafte

Leineweber Joseph Lorenz hingerichtet. Er war wegen am 3. Oktober 1839 in

Siebeldingen verübten Raubmordes am 24. März 1840 zum Tode verurteilt worden.

Im drei Seiten langen Vollstreckungsprotokoll vom 12. Mai 1840 heißt es

auszugsweise:

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247

... Das Schafott war aufgeschlagen.... Der Scharfrichter Heinrich Graul, dessen

Sohn gleichen Namens und der Scharfrichtergehülfe Heinrich Canné aus

Bulchen bei Metz standen auf demselben. Um 9.00 Uhr präcis nahete sich der

Zug. ... Lorenz saß auf einem Wagen, mit dein Rücken gegen das Schafott

gekehrt, und zwei Geistliche ... begleiteten denselben. ... Nachdem Lorenz mit

dem Kruzifix in der Hand längere Zeit mit seinen Seelsorgern gebetet und die

Tröstungen der Religion empfangen, wurde ihm der Hals entblößt und er

erstieg ruhig die Stufen des Blutgerüstes, richtete einige Worte an das

versammelte Volk und empfing das Heilige Abendmahl. Nach beendigter

heiliger Handlung näherten sich die Nachrichter dem Verurtheilten und

schnallten ihn auf dem Brette fest und zwar den Rücken nach oben gekehrt.

Kaum war derselbe niedergelegt worden, so erhob er wieder das Haupt und

äußerte den Wunsch, noch einmal einen Seelsorger zu sprechen. Pfarrer B. trat

zu ihm hin und nach einer kurzen Unterredung gab Lorenz den Wink zum

Vollzug des Unheils. Rasch wurde nun das Aufschlagbrett vorgeschoben und

das Fallbeil losgelassen. In zwei Sekunden war dies geschehen. Kopf und

Rumpf wurden sogleich entfernt, in den unteren Raum der Bühne

hinabgelassen und dem Blicke der Zuschauer entzogen. Die Leiche wurde

unverweilt in einen Sarg gelegt und nach dem Gottesacker abgeführet. Bis zu

dem letzten Augenblicke behielt Lorenz seine kalte ruhige Fassung und

bewahrte stets einen ungebeugten Muth und eine seltene Entschlossenheit.

In diesem Fall hatte König Ludwig I am 29. April 1840 entschieden:

Wir haben uns in der Untersuchung gegen Joseph Lorenz von Eberbach wegen

Raubmordes Vortrag erstatten lassen und finden uns nicht bewogen, den ... L.

zu begnadigen.

Das alles lässt sich wegen nicht selten kaum leserlicher Sütterlin - Handschrift der

Gerichtsschreiber allerdings mit einiger Mühe aus den im Landesarchiv in Speyer

aufbewahrten Protokoll und Registerbänden ermitteln. Aber ausgerechnet in den

unsere Dörfer betreffenden beiden Fällen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

kann endgültige Klarheit nicht recht gefunden werden.

Hinreichend klar ist der Ausgang des späteren Verfahrens gegen den 28 Jahre alten

Ackersmann Michael Veiock aus Vorderweidenthal, angeklagt wegen

Meuchelmordes. Er hatte „den Michael Helfer aus Vorderweidenthal freiwillig

mittels Vorbedacht und Auflauern dadurch getötet, dass er ihn am Abend des 23.

Juny 1839 in dem Hofe des Wirtshauses von Georg Fried in Vorderweidenthal mit

einem Prügel auf den Kopf schlug, so dass der Tod des Misshandelten als eine

notwendige Folge der erlittenen Gewalttat eintrat“. Die Protokolle der

Verhandlungen geben leider den Inhalt der Aussagen von Zeugen oder Beteiligten

nicht wieder. Die Zeugen wurden allerdings in öffentlicher Verhandlung

vernommen, so dass ihre Aussagen manchmal in den Zeitungen nachgelesen werden

Page 249: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

248

konnten, falls die Zeitungen darüber berichteten. Solche Zeitungsberichte gibt es in

den hier interessierenden Fällen aber leider nicht. Im Gerichtsprotokoll festgehalten

wurde nur, dass die Ergebnisse der Voruntersuchung vorgetragen wurden. So muss

man den Anlass einer Tat und die näheren Begleitumstände aus den formelhaften

Wendungen des Protokolls oder aus anderen Quellen erschließen. Hier war es wohl

zu einem Jahrmarktsstreit gekommen. In dem Sterbebuch der Pfarrei

Vorderweidenthal ist nämlich zu lesen, dass der am 25. Mai 1783 geborene, also 56

Jahre alte Michael Helfer, Ehegatte von Marie Apollonia Schmitt „am 3. July 1839

in Folge einer am vorhergehenden Joh.-Markte erhaltenen schweren Verletzung

gestorben und am 5. July 1839 beerdigt worden“. Für seine Witwe hatte sein Tod

bittere Folgen. Als sie drei Jahre später starb, war sie so arm, dass ihr Sarg aus der

Armenkasse bezahlt werden musste. In der Abrechnung der Lokalarmenpflege von

Vorderweidenthal ist als Ausgabe 3 ein Betrag von 4 Gulden und 40 Kreuzer „an

Schreiner Bernhard Schneider von hier für Fertigung einer Totenlade der Armen

Apollonia Helfer laut Kostenverzeichnis und quittierter Anweisung“ verzeichnet.

Ein Protokoll über eine Verhandlung vor dem Assisengericht in Zweibrücken gibt

es in diesem Fall nicht. Es gibt nur am 30. Juli 1839 die Verweisung vom ersten

Appellationsgericht des Rheinkreises an das Assisengericht, also die Anklage nach

der Voruntersuchung, und einen Haftbefehl mit genauer Personenbeschreibung. Die

Erklärung dafür findet sich in dem Generalregister von 1839 bis 1848 für

Zuchtpolizei-und Criminalsachen (Landesarchiv J 2 Nr. 401). Dort wird unter Nr.

3730 die Anklageerhebung dokumentiert. In der letzten Spalte des Registers heißt es

dann aber „flüchtig“. Unter Nr. 3775,2 wird diese Bemerkung ergänzt mit den

Worten „ist auf dem Transport entflohen“. Das weitere Schicksal des Entflohenen

bleibt im Dunkeln. Vielleicht ist er in das gelobte Land Nordamerika gelangt und

hat dort sein Glück gemacht oder aber er ist dort wie so viele unbeachtet

umgekommen. Vielleicht hat er auch die nahe Grenze nach Frankreich passiert, um

sich von der 1831 durch König Louis Philippe geschaffenen Fremdenlegion

anwerben zu lassen.

Ein Kriminalfall besonderer Art ist der zeitlich erste Fall.

Auf den Friedhöfen der Lindelbrunndörfer kann man wie in den Verwaltungs- und

Gerichtsakten der Archive immer wieder die gleichen Namen z.B. Veiock, Stoffel,

Helfer, Becker, Christmann lesen. So ist es nicht verwunderlich, dass der Opfername

Helfer aus 1839 im 17 Jahre früheren Mordfall der Tätername ist.

Die Verhandlung vor dem Kgl. bayr. Assisengericht in Zweibrücken vom 6.

Dezember 1822 befasste sich mit dem als Bauernknecht in Oberschlettenbach

dienenden J a k o b H e l f e r , der im „Leibverhaftbefehl“ vom 19. November 1822

wie folgt beschrieben wurde:

Page 250: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

249

23 Jahre alt, lediger Sohn von Heinrich Helfer, Ackersmann, erzeugt mit seiner

bereits verstorbenen ersten Frau Christina Winkler vom Bärbelsteinerhof,

gebürtig zu Vorderweidenthal, zuletzt im Dienste von Ludwig Stoffel, Förster,

wohnhaft zu Oberschlettenbach, derselbe ist fünf Schuh, eilt’ Zoll, eilf Linien

(ein Meter 73 Centimeter) groß , hat blonde Haare, eine niedere Stirn, graue

Augen, mittelmäßige Nase und Mund, ovales Kinn, blonden Bart und

Backenbart, blasse Gesichtsfarbe und ist von starkem Körperbau.

Er wurde angeklagt;

am 27ten Juli laufenden Jahres morgens um zwei Uhr, nachdem er sich von

seinen Cameraden getrennt hatte, in dem Garten von Georg Müller eine Latte

losgebrochen, sich damit bei Georg Bottenhauer zu Vorderweidenthal

hinterstellt, und als er den Michel Becker als solchen nennen hörte und ihn

erkannte, hinterwärts auf ihn losgesprungen und ihm freiwillig und mit

Vorbedacht einen Streich mit der Latte auf die rechte Seite des Kopfes

versetzt zu haben, an deren Folgen Michel Becker fünf Stunden später

gestorben ist.

Die Frage, ob er dieser Tat schuldig sei, bejahten die Geschworenen „mit der

größeren Stimmenmehrheit neun gegen drei, und allen in der Frage aufgestellten und

erschwerenden Umständen“. Wieder können aus den formelhaften Inhalten der

Protokolle Anlass und nähere Umstände der Tat nicht entnommen werden.

Zeitungsberichte oder Eintragungen in Kirchenbüchern sind nicht zu finden. Uhrzeit

und Ort der Tat könnten daraufhindeuten, dass Michel Becker von einem

Tanzvergnügen kam oder auf dem Wege zur „Schließe“ (Schleuse) war, um die

Wiesen zu wässern.

Nach dem Spruch der Geschworenen wurde er verurteilt zur Todesstrafe, zu

vollziehen auf dem Marktplatze der Stadt Zweibrücken, und in alle Prozesskosten

gegen den Staat, liquidiert auf die Summe von vierhundertsiebenundzwanzig

Gulden, vierzigneun Kreuzer, drei Pfennig. Weiter wurde verordnet, „dass das

Urtheil im Auszuge gedruckt und zu Speier, Zweibrücken, Vorderweidenthal und

Oberschlettenbach angeschlagen werden soll“. Es folgt der Schlusssatz mit den

Namen und Titeln der Gerichtspersonen und den Unterschriften der Richter und des

Protokollführers. Daneben steht als „Nota“ der Vermerk des Obergerichtsschreibers

Blessmann, wonach das von Helfer eingelegte „Cassationsgesuch“ am 4ten Januar

verworfen wurde. Im französischen Strafverfahrensrecht hatte über ein

Cassationsgesuch gegen das Urteil des Assisengerichts der Cassationshof in Paris zu

entscheiden. Dessen Aufgaben nahmen im bayerischen Rheinkreis „zunächst“ das

mit den Berufsrichtern des Assisengerichts praktisch identische Appellationsgericht

Zweibrücken wahr.

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Das Todesurteil im Originalprotokoll

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251

Mehr über das Schicksal von Jakob Helfer ergibt sich aus den Akten in Speyer nicht.

Ein Vollstreckungsprotokoll gibt es für diesen Fall im Vollstreckungsregister anders

als im oben beschriebenen Fall Lorenz nicht, auch nicht wie sonst Häufig eine

Abschrift davon im Prozessregister oder im Generalregister. Ebenso wenig gibt es

irgendeinen Hinweis darauf, dass der König Maximilian Joseph die Todesstrafe im

Gnadenwege in eine Freiheitsstrafe umgewandelt hat. In der damaligen Zeitung für

Zweibrücken, die auf Mikrofilmen archiviert ist, gibt es keine

Gerichtsberichterstattung oder dergleichen, hauptsächlich Nachrichten über

Versteigerungen und Verkäufe.

Bei Kriminalfällen braucht man für die Archivarbeit nicht nur kriminalistische

Suchfähigkeiten und beharrliches Blättern, sondern ebenso den Kommissar Zufall.

Als die Aufklärung im Fall von 1822 schon aussichtslos erschien, fand Lothar

Wagner beim routinemäßigen Durchblättern der Zeitung für Speyer (Intelligenzblatt

des Rhein-Kreises Nro. 206 vom 22. August 1825) auf der ersten Seite folgenden

amtlichen Artikel (auszugsweise):

Da ich sehr Häufig um die Signalements nachbezeichneter aus der Straf-

Anstalt zu Speyer entwichenen und noch nicht wieder eingefangenen

Sträflinge angegangen werde, so bringe ich dieselben zur öffentlichen

Kenntniß.

Frankental, den 21. August 1825.

Der königliche Staats-Prokurator

Maurer

Johann Beriet, vulgo Hammelhannes, Ackersmann aus St. Lambrecht im

Rhein-Kreise, wurde durch das königl. Assisengericht wegen Mord und

Diebstahl zu einer dreißigjährigen Gefängnißstrafe verurtheilt. (dann folgt die

nähere Beschreibung)

Jacob Hesser, Ackersmann aus Vorderweidenthal im königlich baierischen

Rhein-Kreise, wurde durch das königliche Assisengericht in Zweibrücken

wegen Mord in eine zwölfjährige Gefängnißstrafe verurtheil.

Derselbe ist 25 Jahre alt;

Größe: 6 Schuh l Zoll; Haare: blond;

Stirn: breit; Augen: grau; Augenbrauen: blond;

Nase: gewöhnlich; Mund: breit; Kinn: spitz

Bart: blond; Gesicht: rund; Gesichtsfarbe: blass.

Besondere Kennzeichen: Ist an Arm und Brust mit Kreuz und anderen

Zirathen von Zinnober geziert und trug bey seiner Entweichung blautuchene

Kleidung. Jakob Heckel aus Westerhausen im Württembergischen, ein

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Korbmacher wurde durch das königliche Assisengericht zu Zweibrücken

wegen Diebstahl in eine zehnjährige Gefängnißstrafe verurtheilt usw. usw.

Alles spricht dafür, dass der Fehlerteufel hier der Zeitung einen Streich gespielt und

Helfer in Hesser verwandelt hat. Dann aber ist der Täter Helfer, wie später im Jahre

1839 der Täter Veiock letztlich auch davongekommen, nicht hingerichtet worden.

Die Täterbeschreibungen im Urteil vom 6. Dezember 1823 und im amtlichen Artikel

vom 22. August 1825 stimmen beim Vornamen, beim Alter und Herkunftsort völlig

überein, ebenso in den Äußerlichkeiten des Gesichts. Zur Größenangabe ist zu

bedenken, dass „ein Schuh“ wie „ ein Fuß „ zwölf Zoll lang war, ein Zoll 2,3 bis 3

cm lang sein konnte, so dass 1.73 Meter passen. Die „Zinober-Zirathen“ kann Helfer

sich in der Gefängniszeit beigebracht haben. Die Umwandlung der Todesstrafe in

eine zwölfjährige Gefängnisstrafe auf dem Gnadenweg war keineswegs

ungewöhnlich, zumal drei der zwölf Geschworenen Helfer nicht als Meuchelmörder

ansahen. Ein Übertragungsfehler von Helfer zu Hesser liegt sehr nahe: Den

amtlichen Artikel, den die Zeitung gedruckt veröffentlichte, erhielt sie nur als

handschriftliche Vorlage. In der Sütterlinschrift sind im Wort ein fund das nach oben

und unten ausgezogene s leicht zu verwechseln. Wenn dann das l vor dem f noch

undeutlich geschrieben, womöglich zu lang nach unten gezogen war, kann der die

handschriftliche Vorlage in den gedruckten Artikel verwandelnde und dabei mit

Spiegelschrift arbeitende Setzer leicht ein doppeltes s lesen und aus dem Setzkasten

nehmen.

Vor allem aber: Im „ Generalregister aus der Kanzlei des königlich bairschen

Appellationsgericht der Rhein-Kreise hinterlegten Untersuchungen in peinlichen

und zuchtpolizeilichen Sachen“ vom Jahre 1815 bis zum vierten Quartal des Jahres

1826 also von Nr. l bis Nr. 1380 taucht ein Jakob Hesser aus Vorderweidenthal oder

ein ähnlicher Name niemals auf. Nur unter Nr. 934 am 26. November 1822 ist die

Verweisung des Verfahrens gegen Jakob Helfer aus Vorderweidenthal an das

Assisengericht zu finden, das ihn dann am 6. Dezember 1822 zur Todesstrafe

verurteilte. Wenn es jemals einen Straftäter Jakob Hesser aus Vorderweidenthal in

jener Zeit gegeben haben sollte, müsste er in diesem Generalregister oder im

Prozess- oder im Vollstreckungsregister zu finden sein.

Also sind beide Täter der Mordanklagen gegen Angehörige unserer Dörfer im 19.

Jahrhundert trotz zwingend vorgeschriebener Todesstrafe nicht nur der Hinrichtung,

sondern sogar zum überwiegenden Teil der Vollstreckung der Freiheitsstrafe

letztlich entkommen.

Page 254: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

253

Eilbote Nr 52 vom 30.06 1855 Die Rheinpfalz Nr. 85

Seite 293 und 294 vom 12.04.2013

Nach 27 Jahren festgenommen: Die Polizei im US-

Ostküstenstaat Maine hat einen 47-Jährigen festgenommen, der seit

1986 als Einsiedler in einem Wald gelebt und sich mit Diebstählen

über Wasser gehalten haben soll. Wie eine Lokalzeitung gestern

berichtete, gab Christopher Knight rund tausend Einbrüche zu -

gestohlen habe er aber stets nur Dinge, die er zum Überleben

brauchte, (afp)

Page 255: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

254

Vom Wässern und Streiten in früheren Zeiten

Jannpeter Zopfs

Oberschlettenbach und Vorderweidental sind miteinander verbunden durch die alte

Distriktstraße und durch den neuen Radweg auf der anderen Seite des Tales. Der ist

zwar in Vorderweidental immer noch nicht fertig, dafür aber ist er neuerdings

geschmückt mit sehens- und hörenswerten Skulpturen. Die älteste Verbindung

zwischen unseren Orten ist die Bach. Die Alten im Dorf sagten „die“ Bach, nicht

„der“ Bach.

Auf alte Schätze hinweisen sollte mit Bild und Text ein Zeitungsartikel in der

Rheinpfalz vom 16. März 2012. Damit gemeint waren Schätze am Wegesrand „in

Vergessenheit geratene, zugewucherte steinerne Zeitzeugen“. Der Text lautet:

Ein historisches Kleinod ist die alte „Schließ“ am Erlenbach zwischen

Oberschlettenbach und Vorderweidental. Durch einen Arbeitseinsatz am

Wochenende ist das kunstvoll gemauerte Bauwerk jetzt wieder sichtbar. Das

Alter der aus massiven Sandsteinblöcken gebauten Anlage, mit der viele

Jahrzehnte lang das Wasser des Erlenbachs gestaut wurde, schätzen die

Einheimischen auf ungefähr 150 Jahre. Mit einem riesigen Schraubenschlüssel

wurde noch vor wenigen Jahrzehnten der hölzerne Schieber heruntergelassen,

um das Wasser zu stauen, das dann in die vielen im Wiesental angelegten

Gräben floss.

Die am Schluss des Zeitungsartikels wiedergegebene Erinnerung des

Altbürgermeisters Walter Hunsicker „als Kinder haben wir die Schließ im Sommer

geschlossen und dann im Erlenbach gebadet“ wurde schon früher durch den von

seinem Vorvorgänger Werner Heft gegebenen Hinweis bestätigt, dass er wie andere

Kinder aus Schlettenbach dort schwimmen gelernt habe. Die Schließ ist also ein

Sperrwerk wie eine Schleuse, mit dem das Wasser gestaut und die Wiesen fruchtbar

gemacht werden konnten. Im weiteren Lauf des Erlenbachs kann man zwischen

Vorderweidental und Erlenbach und hinter Erlenbach bis Niederschlettenbach noch

weitere Stauanlagen finden.

Das Wasser des Erlenbachs war aber nicht nur zum Bewässern oder gar schwimmen

brauchbar und notwendig. Vor allem war es Energiequelle für die bis zu seiner

Mündung in die Wieslauter am rauschenden Bach klappernden vielen Mühlen und

deren Mühlräder. Von ihnen wird heute nur noch die Maußhardt’sche Mühle in

Erlenbach betrieben, allerdings nicht mehr mit Wasserkraft. Und zur Bewässerung

der Wiesen kommt es heutzutage in unseren Dörfern nicht mehr, sondern nur noch

dort, wo Feuchtbiotope für Störche gebildet werden sollen.

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Die alte Schließ am Erlenbach 2012

Die Schließ in den Vorderweidenthaler Wiesen von der Sägmühle aus gesehen,

links: die Dorfmühle vor dem Zweiten Weltkrieg

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Früher aber waren Bewässerung und Mühlenbetrieb schlecht vereinbar. Wenn das

Wasser des Erlenbachs in den vielen Bewässerungsgräben versickerte, konnte das

Mühlrad nicht in Schwung kommen. So musste es zwangsläufig zum Streit zwischen

den Bauern und der Mühle kommen. Friedel Kalkofen geborene Wagner, die

Ehefrau des letzten Lehrers in Oberschlettenbach, verstorben 2011, stammte aus der

Sägemühle kurz vor der Kreuzung der Straße nach Erlenbach mit der Bundesstraße.

Sie erzählte immer wieder von ihrer Großmutter, der alten „Sämüllerin“ und deren

Prozess gegen die Bewässerung. Nicht nur einmal sei die Großmutter nach Landau

zum Gericht gelaufen, schon vor Tagesanbruch losgezogen, um das

Sägemühlenrecht durchzusetzen. Schließlich sei der Prozess auch gewonnen

worden. Tatsächlich ist durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Landau vom

14. Dezember 1905 ein Streit entschieden worden, der eigentlich schon Jahrhunderte

dauerte. Die Prozessakten für jenes vor dem Landgericht Landau geführte Verfahren

der Sägemühle gegen Wiesenbesitzer aus Vorderweidenthal sind allerdings nicht

mehr verfügbar. Im Landesarchiv Speyer wird aber (J 11 Nr. 1828) ein Urteil des

Königlichen Amtsgerichts Annweiler aufbewahrt, in dem jenes Verfahren vor dem

Landgericht maßgeblich war. Der Sägemüller hatte 1912 vor dem Amtsgericht

Klage wegen unrechtmäßiger Bewässerung erhoben. Seine Tochter habe am 29.

Dezember 1911 gegen Abend um etwa fünf bis fünfeinviertel Uhr beobachtet, wie

der beklagte Wiesenbesitzer auf seiner Wiese den Einlassgraben geöffnet und das

Wasser auf die Wiese geleitet habe. Das Landgerichtsurteil vom 14. Dezember 1905

hatte aber festgelegt, dass nur an bestimmten Tagen gewässert werden durfte und an

allen anderen Tagen das Wässern verboten war. Das ergab sich aus dem „Vertrag de

dato Falkenburg 2. Mai 1742“. Also war schon in den Zeiten der Leininger

Herrschaft um die Wiesenbewässerung gestritten worden. Der Vertrag regelte, dass

gewässert werden durfte aus dem sogenannten Sägmühlgraben in der Zeit vom 25.

März bis 24. August von Samstagabend 6 Uhr bis Montag morgens 6 Uhr, dann an

Maria Verkündigung, an den Osterfeiertagen, am Philippi- und Jacobitag, Christi

Himmelfahrtstag und Pfingstmontag, aber an keinem anderen Tage. Dieser Vertrag

aus dem Jahre 1742 hatte für die Sägmühle eine entsprechende Grunddienstbarkeit

begründet, die auch im 20. Jahrhundert noch in Geltung war. Der

Interessenwiderstreit zwischen Mühle und Wiesenbesitzer war auch für die

Leininger Herrschaft so bedeutsam, dass sie ihren Amtmann auf der Falkenburg

veranlasste, ihn durch einen Vertrag zu beenden.

Leider sind die „reichhaltigen Bestände des fürstlich-leiningischen Archivs in

Amorbach“, an die der Heimatforscher Heinz R. Wittner noch herankommen konnte

(siehe den Wiederabdruck seines Aufsatzes in dieser Festschrift), heute nicht mehr

zugänglich. Der finanzielle Aufwand für Unterhaltung und Pflege eines viele

Jahrhunderte umfassenden Archivs ist wie im Landesarchiv in Speyer zu besichtigen

so gewaltig, dass eigentlich nur die öffentliche Hand ihn erbringen kann. Und selbst

dann ist es Zufall, dass es die Akten des Landgerichts aus 1905, in denen der Vertrag

vorhanden gewesen sein muss, nicht mehr gibt, wohl aber die Akten eines

demgegenüber relativ unbedeutenden späteren Rechtsstreits vor dem Amtsgericht,

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in dem der Vertrag und die Grunddienstbarkeit eine Rolle spielte. Im Jahre 1912

kam es letztlich allerdings auf den alten Vertrag nicht entscheidend an. Die Klage

des Sägemüllers wurde nämlich abgewiesen, weil der Amtsrichter es nicht als

bewiesen ansah, dass der verklagte Wiesenbesitzer derjenige war, den die Tochter

des Sägmüllers beim Öffnen des Bewässerungsgrabens beobachtet hatte. Die recht

ausführliche Beweiswürdigung des Amtsrichters im Urteil des königlichen

Amtsgerichts zu Annweiler vom 22. Mai 1912 lautete wie folgt:

Die Aussage der Zeugin ... erscheint zur Herstellung des erforderlichen

Beweises nicht ausreichend, da die Möglichkeit einer Täuschung bei dieser

Zeugin nicht ausgeschlossen ist. ... Wenn auch zugegeben werden kann, dass

die Zeugin bei ihrer Vernehmung den Eindruck voller Glaubwürdigkeit

geimacht hat, so liegen doch andererseits auch Gründe vor, welche die

objektive Wahrheit der Aussage der Zeugin in Frage stellen, und für die

Möglichkeit eines Irrtums bei Wahrnehmung der Zeugin sprechen. Die Zeugin

ist die Tochter des Klägers und ist am Ausgang des Prozesses interessiert. Ihre

Aussage ist daher schon aus diesem Grunde mit einer gewissen Vorsicht

aufzunehmen. Die Zeugin lebt mit ihren Eltern in Häuslicher Gemeinschaft

zusammen und ist daher von deren Stimmungen und Auffassungen zweifellos

beeinflusst. Der Inhalt der Klageschrift deutet schon darauf hin, dass Kläger

in dem Beklagten wie früher in dessen Vater seinen Hauptgegner und Urheber

der vorkommenden Störungen seines Rechts erblickt, und dass deshalb schon

von vornherein eine gewisse Voreingenommenheit gegen den Beklagten bei

Kläger besteht. Diese Voreingenommenheit hat sich unter dem Einfluss ihres

Vaters ohne Zweifel auch auf die Zeugin, seine Tochter übertragen. Es Dürfte

letzteres schon daraus hervorgehen, dass die Zeugin bei Zumachen der

Einlassgräben nur die Wiesen, welche sie für Wiesen des Beklagten

angesehen, beachtet, die Eigentümer der anderen Wiesen, die sie ebenfalls

zugemacht, sich aber nicht gemerkt hat. Da die Zeugin den Beklagten kurze

Zeit vorher am Hause ihrer Eltern in der Richtung gegen den Erlenbach hatte

vorübergehen sehen es wird hier unterstellt, dass sie sich in der Person nicht

geirrt hat so nahm sie ohne weitere Prüfung wohl auch an, dass die am Abend

des 29. Dezember 1911 auf der Wiese Plan Nr. 3644 gesehene Person der

Beklagte sei, zumal auch diese Person angeblich den gleichen Mantel anhatte

wie der Beklagte beim Vorübergehen an der Wohnung des Klägers. Da indes

angenommen werden darf, dass auch andere Bewohner von Weidental Mäntel

gleicher Beschaffenheit und gleichen Aussehens, wie der Mantel des

Beklagten, besitzen und tragen werben, so lässt sich aus dem Besitz des von

der Zeugin wahrgenommenen Mantels noch keineswegs mit Sicherheit darauf

schließen, dass der Träger des Mantels der Beklagte gewesen sei. Wenn die

Zeugin bei ihrer Wahrnehmung auch in ziemlicher Nähe der von ihr

beobachteten Person sich befand, so beweist dies noch nicht die

Zuverlässigkeit ihrer Wahrnehmung. Es steht nicht einmal fest, ob sie ihre

Wahrnehmung während Weitergehens oder Stillstehens gemacht hat. Nach

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ihrer Aussage herrschte zur Zeit ihrer Wahrnehmung bereits Dämmerung. Da

aber am 29. Dezember 1911 abends fünfeinviertel Uhr die Nacht bereits

eingetreten sein wird, so wird statt Dämmerung Dunkelheit bestanden haben.

Dass Dunkelheit selbst bei geringer Entfernung des Wahrnehmenden eine

sichere zuverlässige Wahrnehmung aber nicht gestattet, ist selbstverständlich.

Berücksichtigt man weiter, dass der von der Zeugin wahrgenommene Mann

bei seiner Arbeit an der Wiese und nach seiner Geradrichtung ihr immer nur

die Seite und nicht das ganze Gesicht zugekehrt hatte, so ist die Annahme einer

Täuschung nur umso mehr gerechtfertigt. Dass die Zeugin nicht genau

beobachtet haben wird, Dürfte schon daraus hervorgehen, dass sie nicht einmal

anzugeben weiß, ob der betreffende Mann sie einmal angesehen hat. Gegen

die Richtigkeit der Wahrnehmung der Zeugin in Bezug auf die Person des

Wahrgenommenen spricht auch einigermaßen, das anscheinend sorglose und

unvorsichtige Benehmen desselben. Der Beklagte war kurz vor der

Wahrnehmung der Zeugin an der Wohnung des Klägers vorübergegangen. Er

hatte den nach Ansicht der Zeugin zum Wassereinlass geöffneten Graben

frisch zugemacht gefunden, er musste daher befürchten, dass er von dem ihm

nicht gut gesinnten Kläger verfolgt und beobachtet werde, und musste deshalb

zu seiner Sicherung Umschau halten. Dies aber hat er anscheinend nicht getan,

sonst hätte er die Zeugin trotz der bestehenden Dunkelheit früher bemerken

müssen. Unter Würdigung all dieser Umstände erscheint die Annahme, dass

die Zeugin in der Person des Wahrgenommenen sich geirrt und ohne nähere

Prüfung sich überzeugt gehalten hat, die von ihr wahrgenommene Person sei

der Beklagte, weil sie einen Mantel, wie dieser anhatte, und auf einer Wiese

sich befand, die sie für das Eigentum des Beklagten ansah, keineswegs ganz

haltlos; namentlich wenn man auch noch berücksichtigt, dass es sich um die

Aussage einer Frauensperson handelt, die in der Regel weniger zuverlässig zu

sein pflegt als die eines Mannes.

Es bleibt dem Leser überlassen, ob er diese Beweiswürdigung für überzeugend oder

aber z.B. wegen ihres letzten Satzes für getrübt durch einen patriarchalischen

Blickwinkel Hält. Der Sägmüller wird damals wie auch heute noch mancher Kläger

im Rechtsstreit zu der bitteren Erkenntnis gekommen sein, was nützt mir mein

Recht, wenn ich dessen Verletzung nicht beweisen kann.

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Jüdisches Leben in Vorderweidenthal

Lothar Wagner

In einer „Specification derer Unterthanen der Schultheißerei Lindelbrunn“ werden

für das Jahr 1740 in Vorderweidenthal drei Juden als wohnhaft angegeben. In den

Gebieten der Leininger Grafen ist man bei der Ansiedlung der Juden großzügig

verfahren. So finden wir für das Jahr 1800 in Vorderweidenthal acht

Familienvorstände, nämlich: Moise Nathan, Leser Schmul, H. Hennig, Samuel

Mercur, Löb Jacob, Beer Feiber, Borsig Levy und Laban Schmul. Als Beruf wird

commercant =- Händler angegeben. In einem napoleonischen Dekret von 1808

werden Juden, die bisher lediglich zum eigenen Rufnamen den Rufnamen des Vaters

hinzufügten, gezwungen, fixe Geschlechts- und Vornamen anzunehmen. So werden

für das Jahr 1809/10 neun Familien/Haushaltungen mit Vor- und Familiennamen

genannt: Viehhändler Moses Blum, Rahel Cahn Witwe, Viehhändler Jacques Jung,

Baruch Levy, Viehhändler Jsaac Levy. Weinhändler Moses Lorch, Jacob Maas,

Viehhändler Moses Maas und Viehhändler Aron Mack. Insgesamt lebten damals 35

Juden im Dorf.

1823 erteilt die Königliche Regierung des Rheinkreises der Gemeinde

Vorderweidenthal die Genehmigung, Viehmärkte abhalten zu dürfen, zunächst

dreimal im Jahr, später an jedem l. und 3. Mittwoch im Monat. Es ist zu vermuten,

dass es dadurch zum verstärkten Zuzug von Juden kam. Da den Juden über

Jahrhunderte das Ausüben des zünftigen Handwerks und die Landwirtschaft

verboten war, verlegten sie sich auf den Handel und das Geldverleihen, Der

pfälzische Viehhandel lag zu über 90% in jüdischen Händen. Mit der Errichtung

eines Viehmarktes in Vorderweidenthal eröffneten sich damit für die jüdischen

Viehhändler Chancen: 1828 wohnten hier bereits 78 und im Jahr 1835 91 Bürger

jüdischen Glaubens. Mitte des 19. Jahrhunderts gingen die Umsätze auf dem

Viehmarkt zurück, ja das Betreiben des Viehmarktes wird für die Gemeinde zum

Minusgeschäft. Es herrschte damals eine schwere Wirtschaftskrise. Es ist daher zu

vermuten, dass deswegen auch wieder die Einwohnerzahl der Juden zurückging. So

wurden 1874/75 noch 22 Einwohner mosaischen Glaubens registriert, bis 1900 ging

ihre Zahl auf 14 zurück, 1914 wohnten noch 2 jüdische Familien im Dorf, aus denen

2 Söhne, Karl und Gustav Samuel, im ersten Weltkrieg „für Kaiser und Reich“

gefallen sind.

Nach der Liberalisierung des Wirtschaftslebens im 19. Jahrhundert waren den Juden

auch der Grunderwerb und die Landwirtschaft gestattet. Sie blieben aber meistens

in ihren angestammten Berufen und betrieben nebenher Landwirtschaft. Die

Regierung des Rheinkreises bestimmte am 31. Mai 1826, dass jeder Handel

treibende Jude ein Patent beizubringen habe, das ihm erlaubte, Handelsgeschäfte

auszuüben. Sie berief sich dabei auf ein französisches Dekret vom 17. März 1808,

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dessen Gesetzeskraft die Königliche Regierung des Rheinkreises beibehielt. Das

Patent zum Handel durfte dem Handel treibenden Juden erst ausgestellt werden,

wenn er das Zeugnis des Gemeinderates seines Wohnortes beibrachte, das ihm

bescheinigte, „daß derselbe weder Wucher noch sonst ein unerlaubtes Gewerbe

treibe“. Über die Gemeinderatssitzung vom 27. November 1848 liegt uns daher

folgendes Protokoll vor: .,Der Gemeinderath von Vorderweidenthal hat in seiner

heutigen Sitzung gemäß mündlicher Aufforderung der in hiesiger Gemeinde

gewerbetreibenden Israeliten und auf dem Grund des kaiserlichen Dekrets vom 17.

März 1808, der Verordnung der vormaligen gemeinschaftlichen

Landesadministration vom 24. Januar 1815 und der kgl. Regierung und Verfügung

vom 21. Mai 1826 über den Leumund der Juden: l. Blum Alexander, Vieh- und

Pferdshändler 2. Blümel Levy, Spezereihandel nur im Kleinen 3.Schönberg

Seligmann, Bierhofhandel 4. Levy Moses 5. Levy Samuel, Vieh- und Pferdshändler

gemeinschaftlich 6. Kahn Marx, Makler 7. Jung Moses, Viehhändler 8. Jung Josef,

Spezerei nur im Kleinen 9. Maas Moses, Witib, Spezereihandel nur im Kleinen, sich

versammelt und wegen dem Betrieb der oben erwähnten Gewerbe darüber berathen

ob die Bewerber Wucher oder sonst ein unerlaubtes Geschäft ausüben und hiernach

zufolge seiner Erfahrungen und Wahrnehmungen beschlossen, denselben folgendes

Zeugnis in betreff obengenannter Punkte zu erteilen, nämlich: Blum Alexander

genießt hierorts des besten Leumund, hat sich auch nie wucherischer Umtriebe zu

Schulden kommen lassen, auch nie ein unerlaubtes Geschäft betrieben, ein gleiches

Zeugnis wird allen hier oben genannten Israeliten erteilt.“

Man hat das Gesetz von 1808 auch „infames Dekret“ genannt, weil es die

Grundsätze der französischen Verfassung (Gleichheit, Freiheit), die auch im

Departement Donnersberg galten, für einen bestimmten Personenkreis, nämlich die

Juden, wieder einschränkte.

Ein Vermögensverzeichnis der selbständigen Familienhäupter der israelitischen

Einwohner von Vorderweidenthal gibt uns Auskunft über ihr Vermögen. Als sehr

wohlhabend können die Brüder Alexander und Lion Blum bezeichnet werden (je

10000 Gulden), wohlhabend waren Levy Marx (6000 Gulden) und Levy Samuel

(6000 Gulden), mäßig begütert waren Moses Maas (800 Gulden) und Blümel Levy

(600 Gulden). Die anderen waren arm. Sehr arm war die Witwe von Seligmann

Schönberg, die ein Vermögen von 50 Gulden besaß und total verarmt war Abraham

Ackermann, der gar kein Vermögen besaß. Arm war auch Emanuel Kahn, der am

26. November 1869 die Gemeindearmenkasse um Unterstützung zur Versorgung

seines kleinsten Kindes bittet, da sich seine Frau Katharina Moses zur Behandlung

in der „Kreisirrenanstalt Klingenmünster“ befindet. Es wird ihm eine Unterstützung

von einem Gulden pro Woche zur Unterhaltung dieses Kindes gewährt. Der in dem

Verzeichnis von 1845 unter der Rubrik „Abgang seit 1842“ aufgerührte Seligmann

Blum, der im November 1845 nach Bergzabern umzog, hatte sich als Vorsteher der

dortigen jüdischen Gemeinde Große Verdienste bei der Erbauung der Synagoge

erworben. Viele Jahre hatte er auch das Amt des Mohels inne. Er war lange Jahre im

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Stadtrat ebenso wie sein Bruder Alexander Mitglied des Gemeinderats von

Vorderweidenthal war. Dass Seligmann Blum Vorstand der jüdischen Gemeinde

Bergzabern war und beim Bau der dortigen Synagoge sehr engagiert, hat mit hoher

Wahrscheinlichkeit einen Beschluss des Gemeinderats von Vorderweidenthal vom

28. Mai 1850 zur Folge. Darin sucht die israelitische Kultusgemeinde Bergzabern

bei der Gemeinde Vorderweidenthal um ein Darlehen in der Höhe von 1200 Gulden

nach. Es wird gewährt, „dergestalt, daß 600 Gulden gleich und 600 Gulden am

Schlusse des Etatjahres, also Anfang Oktober, gegeben werden“. Für die

Zurückzahlung hätten sich fünf der meistbegüterten Israeliten von Bergzabern

solidarisch zu verbürgen. Die Summe sei mit 5% zu verzinsen.

In einem Gewerbe- und Handels - Adressbuch der bayerischen Pfalz aus dem Jahr

1877 ist aufgelistet, welche Berufe und Handelsunternehmungen in

Vorderweidenthal vertreten waren: Bernhard Samuel (Bäcker), Marx Jung

(Brandweinbrenner), Bernhard Samuel (Brandweinhändler), Josef Samuel (Frucht-

und Mehlhändler, Krämer), Emanuel Kahn (Makler), Elias Levy (Viehhändler),

Levy (Viehhändler, Kaufmann). Aus dem Jahr 1907 gibt es ebenfalls eine

Auflistung. Im Adressbuch für die Rheinpfalz findet man: Bernhard Samuel

(Bäcker), Bernhard Samuel (Landkrämer), Bernhard Samuel

(Manufakturwarenhändler), Jakob Jung (Oekonom und Landwirt).

Für das Jahr 1843 gibt uns das Urkataster darüber Auskunft, wo die

Juden ihre Häuser hatten. Das waren:

Alexander Blum, Gutsbesitzern. Viehhändler, Pl.-Nr. 92; heute:

Hauptstr. 25, Dagmar und Thomas Schulte

Leon Blum, Handelsmann, Pl.-Nr. 137; heute: Hauptstr. 30, Heidi Hussong-Braun

und Franz Braun

Seligmann Blum, Handelsmann, Pl.-Nr. 78: heute: Norbert Daußmann

Jakob Jung, Handelsmann, Pl.-Nr. 31; heute: Bergstr. l, Christian Ettel

Josef Jung, Handelsmann, Pl.-Nr. 56; heute: Hauptstr. 12, Rudi Schwarz

Marx Kahn, Viehhändler, Pl.-Nr. 48; heute: Untere Bergstr. l, Fam. Köhler

Jakob Levy, Handelsmann, Pl.-Nr. 123; heute: Platz hinter dem Schuppen von Kurt

Schmitt, schräg gegenüber von Farn. Brosius. Es steht dort kein Haus mehr.

Isaak Levy, Handelsmann, Pl.-Nr. 212; heute: Hauptstr. 38, Anneliese und Karl

Burkhard

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Marx Levy, Handelsmann, Pl.-Nr. 207; heute: Hauptstr. 34. Lothar und Natalia

Wagner

Blümel Levy geb. Levy, Witwe von Marx Levy, Handelsfrau, Pl.-Nr. 24, heute:

Lindelbrunnstr. 20, Farn. Dietsch

Samuel Levi, Handelsmann, Pl.-Nr. 159; heute: Kirchstr. 12, Fam. Lothar Berger

Judith Maas, Witwe von Moises Mass, Handelsfrau; heute: Hauptstr. 16, Gertrud

Hüther

Aaron Moock, Handelsmann, Pl.-Nr. 29; heute: Lindelbrunnstr. 10, Christian Ettel

Isaak Moock, Handelsmann, Pl.-Nr. 31; heute: Bergstr. l, Christian Ettel

Levy Moock, Handelsmann, Pl.-Nr. 29; heute: Lindelbrunnstr. 10, Christian Ettel

Die israelitische Schule

In einem Bericht vom 26. 8. 1835 die Verhältnisse der israelitischen

Glaubensgenossen zu Vorderweidenthal betreffend, wird zwar ein Vorsänger

erwähnt, aber von Religionsunterricht ist nicht die Rede.

Die kgl. Regierung der Rheinkreises am l. April 1837: Auf den Bericht des kgl.

Landkommissariats das Gesuch der israelit. Gemeinde von Vorderweidenthal um

die Anstellung des Lehrers Ludwig Schloss betr.: „ist demselben zu eröffnen, daß

der Anstellung des Ludwig Schloss als ordentlicher Lehrer der israelit.-teutschen

Schule zu Vorderweidenthal in Anbetracht seiner guten Zeugnisse, sowie zu Folge

der Gutachten der kgl. Distriktsschulinspektion, des Bezirks-Rabbinats zu Landau

und der Ortsschulkommission die provisorische Genehmigung erteilt werde, sofern

und solange derselbe den vertragsmäßigen Gehalt, bestehend a. in baren 150 Gulden

b. in einer anständigen Wohnung und Lokal für den Schulunterricht c. den nöthigen

Bedarf an Brennholz von der dortigen israelit. Gemeinde ungeschmälert beziehen

kann.“ Das Bürgermeisteramt Vorderweidenthal fordert am 26. 2. 1838 die israelit.

Gemeinde auf, der Anfertigung der Fassion über das Gehalt des israelit. Lehrers

beizuwohnen. „Die Schule zu unternehmen ist sie weder jetzt noch künftig im

Stande... denn in der hiesigen israelit. Gemeinde sind im ganzen sechs

zahlungsfähige Bürger, welche, wenn die Gemeinde nicht ins Mittel tritt, ein

Schullokal zu mieten, die Beheizung der Schullokals zu übernehmen, den Lehrer mit

150 Gulden jährlich zu bezahlen, nicht im Stande sind.“

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Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 4. 8. 1838: „Die Israeliten besitzen weder

ein Lokal für eine besondere israelitische Schule noch die notwendigen Mittel,

sondern verlangen ein solches von der polit. Gemeinde, die dazu in keiner Weise

verpflichtet ist. Die Israeli, schulpflichtige Jugend ist daher unter Aufhebung der

bisherigen israelit. Schule in Vorderweidenthal wieder in die christliche Schule

einzuweisen.“

Gesuch des Privat - Lehrers Abraham Praslav aus Floß am 2. Juni 1840 „um

Privatunterricht erteilen und den Vorbeterdienst der israelit. Gemeinde zu

Vorderweidenthal versehen zu Dürfen“.

Das kgl. Landkommissariat Bergzabern am 2. 7. 1840: „Auf das Gesuch kann

solange nicht eingegangen werden, bis er nicht die notwendigen Prüfungszeugnisse

vorlegt.“

Das kgl. Landkommissariat am 24. 9. 1840: „Dem Vernehmen nach fährt Praslav

fort, Religionsunterricht zu erteilen, ohne sich um die dafür nothwendige Conzession

zu kümmern. Jeder weitere Unterricht wird verboten.“

Das kgl. Landkommissariat am 30. 9. 1840: „Da er keine Zeugnisse vorlegt, kann

keine Erlaubnis zur Erteilung von Religionsunterricht erteilt werden. Der Aufenthalt

ist nur noch bis zum 16. des künftigen Monats zu gestatten.“

Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 8. l. 1841: „Es wird die Errichtung einer

eigenen Schule von der kgl. Regierung in Speyer gestattet. Sofern das Schulgebäude

vorhanden, eine Lehrergehalt von 150 Gulden und freie Wohnung und Beheizung

des Lehrsaals vorhanden, so gestattet man die Errichtung einer eigenen Schule. Die

israelit. Schule bleibt im Übrigen der oberen Aufsicht der protest.

Distriktsschulinspektion unterstellt.“

Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 8. 5. 1841: Praslav erhält Aufschub. Er darf

Unterricht erteilen bis zum Ende des Schuljahres. Muss sich aber dann der

Anstellungsprüfung in Kaiserslautern unterziehen.

Die kgl. Landkommissariat am 14. 12. 1841: „Die Ortsschulkommission wird

angehalten, darüber zu wachen, daß die schulpflichtigen israelit. Kinder mit

Ausnahme des Sabbats die christliche Ortsschule regelmäßig und unausgesetzt

besuchen. Auch kann die israelit. Jugend nicht mehr, wie seit 1837 öfter geschehen,

der christlichen Schule eigenmächtig entzogen werden. Auch kann neueren

Anträgen der israelit. Gemeinde in Vorderweidenthal zur Errichtung einer eigenen

Schule solange keine Folge gegeben werden als nicht für einen normalmäßigen

Lehrergehalt gesorgt ist und das Kgl. Landkommissariat sich die Überzeugung

verschafft hat, daß der Lehrsaal mit allem erforderlichen Gerät und dem nötigen

Schulapparat hinlänglich versehen sei.“

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Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 30. 6. 1842: „Auf Antrag der Gemeinde

Vorderweidenthal und der Vernehmung des Bezirksrabbinats in Landau und in

Übereinstimmung mit der protest. Bezirksschulinspektion wird dem ... Katzenberger

die Erlaubnis zur Erteilung des Privatreligionsunterrichtes an der israelit. Jugend von

Vorderweidenthal erteilt, unter der Auflage, dass er sich der nächsten Prüfung am

Schullehrerseminar unterziehe“.

Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 4.2.1843: Katzenberger wird die Erlaubnis

erteilt, den Religionsunterricht an der israelit. Schule zu Vorderweidenthal bis zum

Ende des Schuljahres fortzusetzen, „wobei ihm jedoch wiederholt aufzugeben ist,

daß er sich der nächsten Prüfung bei dem Schullehrerseminar unterwerfe und die

Nachweise über ein günstiges Resultat derselben beibringe“.

Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 27.6.1844: „Die Errichtung einer israelit.

Schule kann solange nicht gestattet werden als nicht für ein auf 300 Gulden

festgesetztes Lehrergehalt gesorgt ist. Da die Israeliten dieses Gehalt nicht mit einem

Beitrag aus der Gemeindekasse aufzubringen vermögen, ist die israelit. Schuljugend

in der Volksschule unterzubringen:“

Das kgl. Landkommissariat am 28.5.1845: „Man ist in Kenntnis gesetzt worden, der

Religionsunterricht werde den israelit. Kindern in Vorderweidenthal durch einen

nicht geprüften und auch nicht bestätigten Privatlehrer erteilt, „welcher auch noch

ein Ausländer sei“. Das Bürgermeisteramt wird aufgefordert, Bericht zu erstatten.

Das kgl. Landkommissariat am 4.6.1845: In Folge des Berichts vom 31. v. Monats

wird dem Bürgermeisteramt den Auftrag erteilt in Erfahrung zu bringen, „ob das in

Vorderweidenthal als angeblicher Vorsänger sich aufhaltende Individuum nicht

auch noch der israelit. Jugend Religionsunterricht erteilt“.

Das kgl. Landkommissariat am 30.10.1845: Das Bürgermeisteramt hat dem Josef

Weill zu Protokoll zu eröffnen, „er habe die Gemeinde binnen drei Tagen zu

verlassen. Sollte er diesem Befehl nicht nachkommen, so ist er der unterfertigten

Behörde vorzuführen, damit dessen Ausweisung über die Grenze Verfügt resp.

verwirklicht werde“.

Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 16.5.1846: „Da der israelit.

Schuldienstexpektant Hermann Grünebaum aus Münchweiler bei seiner Entlassung

aus dem Schullehrerseminar in Kaiserslautern im Jahre 1844 in der israelit.

Religionslehre die Note gut erhalten hat, derselbe während seiner Verwendung in

Edesheim nach dem Zeugnis des Bezirksrabbinats mit gutem Erfolg den israelit.

Religionsunterricht erteilt hat, so steht seiner Verwendung als Religionslehrer der

israelit. Schulkinder in Vorderweidenthal kein Hindernis im Wege. Das Kgl.

Landkommissariat hat jedoch mit aller Strenge darüber zu wachen, daß bezüglich

des Elementarunterrichts die Ortsschule von der israelit. Schuljugend regelmäßig

besucht werden muss.“

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Die kgl. Regierung des Rheinkreises am 13.8.1856: „Die diesjährige Schlußprüfung

der Seminarzöglinge betr.: Da der israelitische Vorbeter Abraham Eppinger

Abraham seit längerer Zeit in einem anstößigen Verhältnisse zu einem übel

beleumundeten Judenmädchen, die in Vorderweidenthal Wirtschaft hält, steht und

von diesem Verhältnis trotz ergangener Verwarnung nicht abläßt, so kann er zur

diesjährigen Schlußprüfung der Seminarzöglinge in Kaiserslautern nicht zugelassen

werden.

Die bayerische Verfassung von 1817 verpflichtete die jüdischen Kinder zum Besuch

der öffentlichen Schulen „mit Ausnahme ihrer besonderen Religionslehre“. Die

Juden wollten eigene Schulen, um ihre Kinder in die Bibel einzuführen und im

Talmud zu unterrichten. Auch lernten die Kinder dort die Grundkenntnisse der

hebräischen Schrift kennen. Eine Schule zu betreiben war jedoch nur unter Großen

finanziellen Anstrengungen möglich, da die jüdischen Schulen keine Zuschüsse von

der Regierung bekamen und auch von der politischen Gemeinde nicht angemessen

unterstützt wurden. Die israelitische Schule von Vorderweidenthal konnte aus

eigenen Mitteln für die Besoldung einer Lehrerstelle nicht aufkommen. So versuchte

man sich mit Schuldienstexpectanten (Lehramtsanwärtern) zu behelfen. Sie wurden

eingestellt und durften solange unterrichten bis die Kgl. Regierung in Speyer sie

aufforderte, endlich die erforderlichen Prüfungen am Schullehrerseminar in

Kaiserslautern abzulegen.

Die Mikwe - das Badhaus der Vorderweidenthaler Juden

Überall wo Juden in Großer Zahl leben, zählt auch eine Mikwe zu den notwendigen

Einrichtungen. Die Mikwe ist ein rituelles Tauchbad, in dem man den Körper völlig

untertauchen kann. Die Mikwe (hebräisch: Becken oder Brunnen, wo es fließendes

Wasser gibt) diente der Erfüllung biblischer Gebote. Eine Frau pflegte die Mikwe

nach ihrer Menstruation zu benutzen, ein Mann gebrauchte sie nach dem Kontakt

mit einem Leichnam oder mit Unreinem. Angesichts der früher schlechten

hygienischen Zustände hatte sie auch eine medizinische Funktion. Im Volksmund

wurde die Mikwe auch als Judenbad bezeichnet oder als „Badhäuschen“. Es durfte

nur vom Grundwasser oder fließendem Wasser gespeist werden und lag meist in der

Nähe eines fließenden Baches. In den Jahren 1828 bis 1838 ließen die pfälzischen

Regierungsbehörden die „Reinigungsbäder der Israeliten“ auf ihre hygienischen

Zustände hin untersuchen, denn in vielen Fällen genügten die Bäder nicht den

Anforderungen. In einem Bericht an die Königl. Regierung des Rheinkreises aus

dem Jahr 1838 heißt es: „Ordnungsgemäß eingerichtete Bäder hatten Homburg,

Bergzabern, Albersweiler, Vorderweidenthal, Münchweiler/Alsens...“ (LA Speyer

Best. H 3 Nr. 8237) Im Jahr 1838 ist also eine Mikwe in Vorderweidenthal

nachzuweisen. Darüber, wo diese Mikwe stand, gibt uns das Urkataster von 1843

Auskunft. Dort ist auf die Pl.Nr. 79 Seligmann Blum als Eigentümer eingetragen:

Badhaus mit Pflanzgarten. Es wird hinzugerügt: „Von Magdalena Schmitt getrennte

Ehefrau von Marx Stoffel in Gemeinschaft mit dem Bruder Alexander Blum am 5.

Juli 1835 um 150 Gulden erkauft und den Anteil des Bruders im Jahr 1842 von

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demselben abgetreten erhalten.“ Die Mikwe stand hinter dem Haus von Seligmann

Blum, Pl.Nr. 78, (heute Norbert Daußmann), dort wo heute der Parkplatz auf der

rechten Seite der Berwartsteinstraße sich befindet, ist. in einer Rechnung der

Synagoge von Vorderweidenthal für das Jahr 1857 ist bei den Ausgaben im 3.

Kapitel ein Betrag von 25 Gulden für die „Reparatur am Badhause“ eingesetzt. Auf

einer Fotokopie aus dem Jahr 1880 ist das Gebäude mit einem Schornstein versehen,

aber kein Wohnhaus. Das könnte auf eine Badstube hindeuten, in der warmes

Wasser bereitet werden konnte. Richard Kalkofen hat im Pfarrbuch von

Vorderweidenthal recherchiert, dass die Mikwe mit heißen Steinen aufgeheizt

wurde. Von da an bleibt die Geschichte des Bades im Dunkeln.

Die Synagoge

Vorderweidenthal gehörte zum Rabbinatsbezirk Landau. In einer Bescheinigung des

Vorstandes der jüdischen Kultusgemeinde von Vorderweidenthal vom 13. März

1846 heißt es: „Der unterzeichnete isr. Vorstand bescheinigt hierdurch, daß die Liste

über die Familienhäupter dahier ... seit 14 Tagen in der Synagoge zur Einsicht offen

gelegen hat“. Die jüdische Kultusgemeinde Vorderweidenthal hatte also eine

Synagoge. Es Dürfte sich dabei um einen bescheidenen Versammlungsraum

gehandelt haben, für den ein Glaubensgenosse ein größeres Zimmer zur Verfügung

gestellt hat. Ein jüdischer Gottesdienst konnte stattfinden, wenn zehn Männliche,

mindestens 13 Jahre alte Juden anwesend waren. Die Rechnung der Synagoge von

Vorderweidenthal für das Jahr 1857 gibt uns unter dem Posten „Ordentliche

Ausgaben“ folgende Auskunft: für Palmzweige und Paradiesäpfel an Josef Samuel

1,20 Gulden, für Gehalt des Syagogendieners an Lazarus Ackermann 2,42 Gulden,

für Vorlesung am Hamansfest an Josef Samuel 1,30 Gulden, Gehalt des Rechners

Leon Blum 5 Gulden, für Vorbeten am Versöhnungstag an Josef Samuel 3,30

Gulden, für Vorlesung am Laubhüttenfest an denselben 2,30 Gulden. Die

Einnahmen und die Ausgaben der israelitischen Synagoge von Vorderweidenthal

pro 1856 betragen in Einnahmen 161, an Ausgaben 128,92 Gulden, was ein

Überschuss von 32,08 Gulden ergab. Den Synagogenausschuss bildeten Alexander

Blum, Eduard Blum und Marx Levy. Alexander Blum war auch Deputierter „behufs

der Ermittlung des Rabbinats - Gehaltes pro 1846 - 1848“. Er hatte sich an einem

„noch näher zu bestimmenden Tag nach Landau zu Verfügen, um in allen

Angelegenheiten des israelitischen Cultes sowie Rabbinats und der Verhältnisse der

isr. Glaubensgenossen im Allgemeinen“ seine Gemeinde zu vertreten.

In Vorderweidenthal lebten 1872 noch sieben israelitische Familien. Sie werden in

einem Schreiben des kgl. Bezirksamts Bergzabern am 17. Juni 1872 aufgefordert

„entweder einen Synagogenausschuß zu wählen oder aber Antrag auf Auflösung der

Cultusgemeinde zu stellen“. Daraufhin schließen sich die Israeliten von

Vorderweidenthal „der israelitischen Cultusgemeinde“ Erlenbach an. Drei Jahre

später wurde mit Schreiben des Bezirksamts Bergzabern vom 9. Februar 1875 die

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israelitische Kultsgemeinde Vorderweidenthal aufgelöst: „Die Israeliten

Vorderweidenthal werden der israel. Cultusgemeinde Erlenbach zugeteilt.“

Der Friedhof

Die Juden von Vorderweidenthal besaßen gemeinsam mit denen von Ingenheim

einen gemeinsamen Friedhof in Ingenheim. Bis zur ersten Hälfte des 19.

Jahrhunderts wurden die verstorbenen Juden von hier in Ingenheim beigesetzt. Im

Jahr 1824 wurde der jüdische Friedhof von Busenberg gegründet. Von da an

begannen auch die Vorderweidenthaler Juden ihre Toten dort zu beerdigen. Das alte

Gewohnheitsrecht, nach Ingenheim zu gehen, wurde immer mehr ausgehöhlt. Nun

wurde vermutlich versucht mit einem „Local - Polizei - Beschluß „ die alte Ordnung

beizubehalten. Interessant ist der Inhalt des Beschlusses, gibt er uns doch Auskunft

darüber, wie eine jüdische Beerdigung vonstattenging:

„Bürgermeisterei Vorderweidenthal

Local - Polizei - Beschluss

Nach der Ansicht des königl. Regierungsbeschlußes vom 26. August 1845 und das

.... des königl. Landkommissariats Bergzabern vom 3. l. Mts. No 24 beschließt, was

folgt:

§ .1. Die hiesige israelitische Gemeinde, welche mit der isr. Gemeinde zu Ingenheim

einen gemeinschaftlichen Friedhof besitzt, ist verbunden, einen passenden

Leichenwagen auf gemeinschaftliche Kosten herstellen zu lassen, um sich dessen

beim Verbringen des Leichnams auf den Friedhof zu bedienen.

§ .2. Wer die Leiche begleiten will, muß anständig gekleidet sein und die Träger mit

einem Hut bedeckt sein.

§ .3. Leidtragende Männlichen Geschlechts, welche die Leiche begleiten, müssen

gleich hinter dem Leichenwagen gehen. Diesem folgen die Rabbiner, dann der

Lehrer mit der Männlichen Schuljugend, sofern es ohne Beeinträchtigung des

Schulunterrichts geschehen kann, alsdann die Übrigen langsamen Schrittes, in

geordnetem Zuge. Auf beiden Seiten des Leichenwagens darf niemand gehen, als

eben die zum Ablösen beim Tragen bestimmten Personen.

§ .4. Das bisher übliche Almosen-Sammeln darf nur am Sterbehause, bevor der

Leichenzug beginnt, oder außerhalb des Ortes und überhaupt nur in der

Voraussetzung geschehen, daß die eingesammelten Geldbeträge zu religiösen oder

wohltätigen Zwecken verwendet werden.

§ .5. Das Grab muß fertig sein, bevor die Leiche auf dem Friedhof anlangt, damit sie

sofort beigesetzt werden kann.

§ .6. Der Rabbiner oder dessen Stellvertreter hat zu bestimen, welche Gebete

während des Leichenzuges auf dem Friedhof gesprochen werden sollen.

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§ .7. Alle Zuwiderhandlungen gegen vorstehenden Beschluß sollen dem einfachen

Polizeigerichte zur Bestrafung angezeigt werden.

§ .8. Gegenwärtiger Beschluß soll nach erfolgter Genehmigung dem königl.

Landkommissariate und dem königl. Friedensgerichte abschriftlich mitgeteilt

werden.

Vorderweidenthal, den 14. September 1845

Das Bürgermeisteramt

Puster“

Der jüdische Friedhof von Ingenheim ist vermutlich Ende des 17. Jahrhunderts

angelegt worden. Der Weg nach Ingenheim war weit und von Vorderweidenthal bis

nach Münchweiler in einem miserablen Zustand wie aus dem Bericht einer

Regierungskommission hervorgeht. Es ist daher, auch wegen des kürzeren Weges

nach Busenberg, nachvollziehbar, dass man bereits vor der Mitte des 19.

Jahrhunderts sich darauf verständigte, die Toten auf dem jüdischen Friedhof in

Busenberg zu beerdigen. So wurden im Juli 1843 Esther und ihre Tochter Jaffa

Scheinel aus Vorderweidenthal dort beerdigt. Der letzte Vorderweidenthaler Jude,

Bernhard Samuel, wurde 1934 auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. Von den

Hinterbliebenen des Gutsbesitzers und Viehhändlers Alexander Blum, der am 3.

September 1868 verstorben ist und drei Tage später auf dem jüdischen Friedhof von

Busenberg beerdigt wurde, ist uns folgende Danksagung überliefert:

„ Öffentliche Danksagung“

Bei dem am 6. dieses Monats stattgehabten Leichenbegängnis des Rentners

Alexander Blum in Vorderweidenthal hat die dortige Einwohnerschaft und jene der

Nachbargemeinden den Antheil, welchen sie an unserem Verluste nimmt, und die

Achtung, welche sie dem Verblichenen stets gezollt hat, in einer Weise bestätigt, die

uns veranlaßt, derselben hiermit unseren Dank öffentlich auszusprechen.

Insbesondere fühlen wir uns verpflichtet, der Gemeindeverwaltung, welche ohne

alles Zuthun von unserer Seite während des Abgangs des Leichenzugs mit den

Glocken läuten ließ und dem Gemeinderath, dessen Mitglied der Verlebte seit 50

Jahren war, der den Leichenzug bis zum israelitischen Begräbnisplatz nach

Busenberg folgte, zu danken.

Vorderweidenthal, 7. September 1868

Die Hinterbliebenen“

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Grabstein von Alexander Blum auf

dem jüdischen Friedhof von

Busenberg

Die Verfolgung in der Nazizeit

Es ist gerichtskundig, dass am Abend des 2. Oktober 1938 am Anwesen des

Viehhändlers Bernhard Pfeiffer in Erlenbach, dessen Vorfahren aus

Vorderweidenthal stammten, einzelne Fensterscheiben eingeschlagen und das Haus

mit Parolen verschmiert wurde. Laut einer mündlichen Quelle wurde auch der BDM

von Vorderweidenthal nach Erlenbach geführt, um dort Schmählieder auf die Juden

zu singen. In den Listen der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem findet man den

Namen von Adolfine Baer geb. Samuel (geb. 1884 in Vorderweidenthal). Sie wurde

1942 von Darmstadt aus nach Theresienstadt deportiert, umgekommen ist sie im

Januar 1943 in Auschwitz.

Die Urenkelin von Alexander Blum, Frau Anni Ebbecke - Blum, geboren 1903 in

Bergzabern, emigrierte 1936 zusammen mit ihrem Lebensfährten Hans Ebbecke

nach Belgien und heiratete den Pianisten und Dirigenten dort. Nach der Besetzung

Belgiens durch die Wehrmacht flohen sie nach Frankreich und wurden dort als

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„feindliche Ausländer“ interniert. Sie kamen in das Lager Gurs („das Große

Hauptquartier des Elends“) am Fuß der Pyrenäen und mussten dort unter

entwürdigenden Umständen leben. 1942 durften sie das Lager verlassen und fanden

Asyl in der Schweiz. Anni Ebbecke - Blum arbeitete später in Brüssel und London

als Erzieherin und starb 1989. Ihre Eltern Max und Ida Blum wurden von den Nazis

in Bergzabern in den wirtschaftlichen Ruin getrieben und wählten den Freitod.

Quellen und Literatur:

LA Speyer L56,44 -46

LASpeyerH31 Nr. 5270

LA Speyer G 6 Nr. 81030

LA Speyer P 16 Nr. l ff.,

GA Vorderweidenthal KA 2 Nr. 3c

GA Vorderweidenthal KA 12 Nr. 61c

GA Vorderweidenthal KA 12 Nr. 63c

GA Vorderweidenthal KA 19 Nr. 80d

Volz, Günther: Überlebenswege, in: Heimat - Jahrbuch 2005. hg. v. Landkreis Südliche

Weinstraße, S. 22-24 Weber, Otmar: Der jüdische Friedhof Busenberg, Dahn 1998

Grabstein von Blümel Levie

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Der gute Tod der Blümel Levie

(Auf dem Judenfriedhof bei Busenberg in der Pfalz)

Monika Cämmerer

Ruht hier unter ihresgleichen

Blümel Levie

hinter gelb und weißen Blumen,

hinter Hahnenfuß und Margeriten,

eng umhegt von einer Buchenhecke.

Biegt sich Gras und violetter Günsel

vor den dunkelrosa Steinen,

schiebt sich Efeu zwischen Immergrün und Nessel

vor die abgeweinten Schriften,

und darüber wölbt sich Laub von Linden

unter einem harmlos blauen Himmel.

Wußte man nicht viel von Blümel Levie.

Kam von irgendwo nach Vorderweidenthal,

hatte keinen Mann und keine Kinder,

und gelesen hat am End das Kaddisch,

Simon Levi, den sie Vetter nannte.

Der sie aufgenommen in sein Haus,

wo sie hat gewiegt ihm

seine sieben Kinder,

und das Schutzgeld hat er auch gezahlt.

Hat nicht viel gehabt, die Blümel Levie,

war auch nicht mehr jung.

Hat sich nie gemischt in andrer Leute Sachen,

aber hat gewußt sehr viel von all den Blumen,

die gewachsen sind in Vorderweidenthal.

Hat gewußt, was gut ist gegen Seuche bei den Kühen,

und was Sannchen Blum hat trinken müssen,

als sie’s kriegte auf der Brust.

Hat nicht viel verlangt, wenn man sie fragte,

hat gereicht für Sabbatbrot und Öl.

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War zufrieden mit der einen Ziege

und ist noch im hohen Alter

ganz allein den Weg gegangen

hin nach Busenberg zur Synagoge.

Fragte keiner, wer die Eltern waren

von der Blümel.

War halt eine von den Levis,

von den vielen Levis, die der Herr

ausgestreut hat über unsre Erde,

ausgestreut hat wie die gelb und Weißen Blumen

auf den Wiesen Vorderweidenthals.

Hinter Gras und wilden Krautern,

die sie allesamt mit Namen kannte

wie die Seinen hat gekannt der Moses,

ruht hier Blümel Levie aus in Gott.

Ruht hier aus von ein paar guten Stunden,

ruht hier aus von vielen Nöten

und von einem stillen Tod.

Hat dereinst geweint um Siegels kleinen Jungen,

dem sie hat erzählt vom Löwen Judas,

um ihm Mut zu machen gegen seine Schmerzen,

als kein Kraut mehr helfen konnte.

Hat sich lesen lassen auch den Brief von drüben,

den geschrieben hat an seine Muhme

Edmund Levi,

den sie mehr geliebt hat als die ändern.

Hat geschrieben, daß sie kommen solle,

daß sie wiegen solle seine Kinder,

aber Blümel Levie wollte nicht.

Hat nicht wissen können, dass nur dieses einen

Kind und Kindeskinder würden übrigbleiben

von den ändern Levis.

Von den Levis, die geblieben sind in ihrer Heimat.

Nichts hat Blümel Levie ahnen können.

Hätte sonst gepriesen alle Tode,

die sie ansah.

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Hätte nicht geweint um Siegels Kleinen,

auch nicht um das Siechtum von der schönen Sarah Engel –

Hätte nicht die Haare sich gerauft,

um den alten Katz, den sie gefunden

tot am Weg, der weiterführt nach Dahn,

wo der Viehmarkt ist gewesen.

Konnte ja nicht wissen, Blümel Levie,

daß das alles gute Tode waren,

kannte ja die Todesrampen nicht.

Hat gelitten auch, die Blümel Levie,

lebte aber unter ihresgleichen

ungeschoren.

Wußte keiner, wie sie richtig hieße.

Hat geheißen immer Blümel Levie.

Hat gelebt so und ist so gestorben

eines lauen Maiennachmittags.

Hat zum Schluss auch ihren Stein bekommen,

den der Simon Levi ihr bestellte.

Nicht sehr groß, doch alles wie es sollte:

vorn hebräisch und auf deutsch im Rücken,

mit dem Angesicht nach Osten,

wie es alle Levis hatten -

und sie hatte einen guten Tod.

Friede durfte ihre Asche haben,

und das war allein schon Gnade,

wußten später Levis Kindeskinder -

Blümel Levie hat das nicht gewußt.

Ruht hier unter ihresgleichen

zwischen Gras und violettem Günsel

Blümel Levie.

Hatte manche Kümmernisse,

hatte ein paar gute Stunden

und am Ende einen guten Tod.

aus: Monika Cämmerer. Lyrik-Prosa

Jahresgabe der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe 1987

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Schlettenbachs Kampf um die Post

Jannpeter Zopfs

Wer den amtlichen Busfahrplan der Südwestbus-Linie 525 (Annweiler - Bad

Bergzabern und zurück) durchsieht, findet genau in der Mitte der Strecke die

Haltestellenbezeichnung „Gleichmann“. So heißt diese Haltestelle nicht etwa

deshalb, weil es von dort gleich weit zu beiden Endpunkten der Strecke ist. Die

Erklärung kann man vielmehr auf dem schon 1839 eröffneten Friedhof in

Oberschlettenbach in der vierten Reihe links finden. Dort ist auf dem

Marmorgrabstein der Name „Gleichmann“ zu lesen wie übrigens auch auf dem

Friedhof in Darstein. Friedrich Gleichmann war der erste vom königlich-bayrischen

Oberpostamt zu Speyer ernannte Posthilfsstelleninhaber der Posthilfsstelle

Oberschlettenbach. Gemäß Verfügung des Oberpostamts Nr. 17384 vom l. Mai 1901

trat diese Stelle „am 15. Mai 1901 in Wirksamkeit“. Das war der erste Erfolg im

langen, zähen Kampf der Dortbewohner um den direkten und bequemen

postalischen Anschluss an die Große weite Welt. Doch das blieb nicht so.

Am 14. März 1901 hatte Bürgermeister Christmann für das Dorf „mit seinen 238

Einwohnern“ anlässlich der „nunmehr genehmigten Postomnibusverbindung

Annweiler - Erlenbach“ gebeten, eine Posthilfsstelle einzurichten. Das Dorf war der

„nahezu eine Stunde entfernten Postagentur Schwanheim“ zugeteilt, konnte aber für

die Hilfsstelle ein „stattliches Wohnhaus, dem Fr. Gleichmann, hier, gehörig, an der

Distriktstraße befindlich“anbieten von dem Gleichmann selbst schrieb, „solider

Steinbau, eigentlich zum Betrieb einer Wirtschaft bestimmt“.

Heute heißt das Anwesen „Hahnenhof’ und gehört der Landeskirche, die dort das

Dekanatsjugendheim betreibt. Lange Jahre war dort eine Gastwirtschaft, gab es dort

Tanzvergnügen: Manche spätere Ehe hatte dort ihren Ursprung.

Zurück zum Gesuch des Bürgermeisters Christmann: Es endete mit dem post

scriptum:

„ Es sei noch gestattet, auch hier den allgemeinen Wunsch der

Thalbevölkerung von Vorderweidenthal bis Annweiler zum Ausdruck zu

bringen, der darin besteht, dass es durch zweckmäßige Festlegung der

Fahrzeiten den Landbewohnern ermöglicht werde, an einem Tage zur Stadt

(Annweiler) und wieder zurück ins Heimatdorf unter Benutzung des

Postomnibusses gelangen zu können.“

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Die Posthilfsstelle Gleichmann auf einer alten Postkarte

Aus diesem Wunsch wird deutlich, dass der Postomnibus eine Pferdekutsche, der

berühmte „gelbe Wagen“ war, den circa 70 Jahre später der Bundespräsident Scheel

besungen hat. Diese Kutsche fuhr damals um „7 3/4 Uhr vormittags Richtung

Annweiler, 5 1/2 Uhr nachmittags Richtung Erlenbach“. Für die Posthilfsstelle

bewilligte die Generaldirection in München ein jährliches Aversum von jeweils 50

M einmal für Hilfsstellen-, zum anderen für den Zustelldienst. Damit hatte die

Großzügigkeit aber erst mal ein Ende. Die Bitte von Oktober 1901, den im Mai zur

Posthilfsstelle an die Distriktstraße verbrachten Briefkasten zurück ins Dorf zu

setzen, lehnte München mit Verfügung Nr. 8067 Schließlich am 3. März 1902 ab.

Die am 28. November angeordnete Zählung hatte ergeben, dass im Zeitraum von 14

Tagen insgesamt 27 Briefe und 17 Karten bei der Hilfsstelle eingeliefert und 8

Briefe, 12 Karten aus dem Postkasten entnommen waren. Aber Oberschlettenbach

gab sich nicht geschlagen. Der listige Bürgermeister, für den anscheinend der ebenso

listige Dorfschullehrer die handschriftlichen Briefe aufsetzte übrigens mit viel

besserer Schrift als z.B. der Obergerichtsschreiber Blessmann vom königlich-

bayrischen Appellationsgericht zu Zweibrücken wandte sich nun an das Bezirksamt

Bergzabern und begann das Gesuch vom 25. August 1902 mit dem eindrucksvollen

Satz:

„ Wohl wird außer Oberschlettenbach in der ganzen Pfalz kein Dorf zu finden

sein, das keinen Briefkasten hat. ...“

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Daraufhin gab es neue umständliche Ermittlungen, wieviel und wie oft und von wo

bis Schließlich am 12. Februar 1903 also im Jubeljahr 2013 genau vor 110 Jahren

die Generaldirection in München entschied, der Briefkasten könne wieder beim

Gemeindehaus aufgestellt werden, sei täglich einmal zu leeren. Und so ist es noch

heute. Man weiß trotz der am Briefkasten vermerkten Uhrzeit der Leerung nur nicht,

zu welchem Zeitpunkt das geschieht. Geleert wird nämlich durch den

Postzustelldienst, der manchmal am Vormittag, ebenso oft aber auch am Nachmittag

kommt. Man kann aber beim Einwurf eiliger Briefe aus der Art des Aufpralltons

entnehmen, ob heute schon geleert wurde oder erst morgen die Post abgeht. Übrigens

konnte der Postamtsschimmel in München sich nicht den Hinweis verkneifen, dass

entscheidend nicht etwa die Menge der Postsachen, sondern der Umstand gewesen

sei, dass der Postkasten ja früher schon im Dorf gestanden habe.

In der Zeit vom l. Oktober 1903 bis 30. September 1905 zog sich Gleichmann aus

dem „soliden Steinbau an der Distriktstraße“ ins Dorf zurück. Er überließ seinem

Pächter Johannes Dörrzapf die Aufgabe, als Posthilfsstelleninhaber Post zu sortieren

und als Gastwirt Bier auszuschenken. In dieser Zeit kam der zähe Kampf um den

postalischen Anschluss zu einem besonderen Höhepunkt. Am 9. Juli 1904 bat

Dörrzapf das Oberpostamt in Speyer um eine merkliche Erhöhung seiner Einkünfte,

„da sich in den letzten Monaten die Post-Correspondencen bedeutend vermehrten“,

zumal „in Darstein 100 M ohne Austragen gezahlt werden (die Post wird sämtlich

abgeholt)“. Das Oberpostamt reagierte sauer und forderte das Bürgermeisteramt in

Oberschlettenbach auf, „eine geeignete Persönlichkeit in Vorschlag zu bringen,

welche bereit ist, den Posthilfsstellendienst dort selbst gegen eine Jahresvergütung

in bisheriger Höhe zu versehen“. Der Bürgermeister nannte als geeignet den

„hiesigen Lehrer Karl Boelt“ aber die Post müsse in das Dorf gebracht werden. Das

wollte Speyer nicht. Dörrzapf entschloss sich wahrscheinlich zähneknirschend am

l0. August 1904 ohne Erhöhung weiter zu machen, zunächst jedenfalls. ...

Aber schon am 20. Januar 1905 wurde ein Schreiben aufgesetzt, worin die „hiesige

Bevölkerung und der Gemeinderat“ höflichst um eine Postverlegung ins Dorf bitten.

Annweiler und Bergzabern, die nächsten Städte, seien in zweieinhalb Stunden erst

mit der Post zu erreichen. Und weiter wörtlich:

„Aber dieselbe geht nicht in unsere Dörfchen, sondern Hält an einem einsamen

Wirtshaus, das acht bis zehn Minuten vom Ort entfernt ist. Will nun jemand

eine Postkarte fortsenden, so muss er diesen weiten Weg machen. Die Post ist

aber zugleich Wirtschaft. Man geniert sich, so fortzugehen und trinkt

Schließlich ein Glas Bier oder 1/2 Wein. Abgesehen von der Zeitversäumnis

kommt dann die Postkarte gleich auf 20 bis 30 Pfennig. Nun denke sich Kgl.

Oberpostamt, wenn jemand bei schlechter Witterung ein Paket auf die Post

tragen muss acht bis zehn Minuten lang. Bis er hinkommt ist er durchweicht.

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Außerdem ist es auch für die Passagiere unangenehm, bei Wind und Wetter

diese Strecke zu laufen an dunklen Winterabenden. Nun wäre dem allen leicht

ohne eine Große Veränderung herbeiführen zu müssen abzuhelfen. Die Post

Annweiler geht abends von Vorderweidenthal und Erlenbach offen gesagt

umsonst, denn die Bergzaberner Post geht ebenfalls nach Erlenbach um

dieselbe Minute. Beide können miteinander sogar wettfahren, wenn sie

wollten. Gerade so ist es morgens, da kommen beide auch miteinander. Die

Annweilerer Post könnte natürlich bei Verlagerung der Oberschlettenbacher

Posthilfsstelle ins Dorf herein gemütlich bei höchsten zehn Minuten

Fahrzeitverlängerung ins Dorf hineinfahren auf einer festen Straße. Kommt

sie dann nach Vorderweidenthal, könnte die Bergzaberner Post die Sachen für

Erlenbach mitnehmen, die Annweilerer Post aber in Vorderweidenthal

bleiben. Dort gibt es sogar auf der Postagentur einen schönen Poststall. Die

Fahrtstrecke wäre dann auch nicht größer für die Annweilerer Post, ja noch

etwas näher.“

Unterschrieben hatten nicht nur der Gemeinderat (Christmann, Stöbener, Funck,

Helfer, Christmann, Wagner, Veiock, Christmann) sondern weiter auch die

Ortsbewohner Boelt (der Lehrer) und Bischoff. Dieses Ansinnen lehnte Speyer am

27.02.1905 kühl ab unter Hinweis auf den ziemlich geringfügigen Postverkehr und

auf die nur mittlere Entfernung von 600 Metern „wenn man hiermit die in größeren

Orten und auch in Städten mit lebhaftem Postverkehr gegebenen bezüglichen

Verhältnisse in Vergleich zieht“.

Ein halbes Jahr später unternahm Dörrzapf einen neuen Anlauf: Er brachte am

28.08.1905 „dem Kgl. Oberpostamt zur gefälligen Kenntnis“, dass er „am l. Oktober

d. J. aus dem Hauße an der Straße Darstein - Vorderweidenthal ausziehen tut und im

Ort O. zu wohnen kommt“. Die nun mit Ermittlungen beauftragte Kgl. Postagentur

in Schwanheim berichtete in Gestalt des Agenten Hammer am 8. Sept. 1905,

Oberschlettenbach zur Winterszeit zu befahren sei unmöglich „indem mehrere

laufende Brunnen durch den Ort laufen und bei Eintreten der Kälte die ganze

Ortsstraße mit Eis“ überziehen. Wer haftet dann dem Posthalter „bei etwa ereigneter

Verunglückung eines Pferdes“ für den Schaden?

Das findige Oberpostamt deckte nun aber auf, dass der frühere Hilfsstelleninhaber

Gleichmann wieder die Wirtschaft und den Postdienst übernehmen wolle. Damit

hatte Dörrzapf ausgespielt und Hilfs- sowie Haltestelle blieben an der

Distriktsstraße.

Erst für das Jahr 1908 lässt sich den Akten im Landesarchiv Speyer ein neuer

Vorstoß entnehmen. Bürgermeister Christmann hatte am 16. August gebeten, die

beabsichtigte staatliche Telefonstelle nicht bei der Posthilfsstelle, sondern im Ort bei

dem Polizeidiener Christian Stoffel anzulegen, anderenfalls werde die Gemeinde auf

ihre Kosten eine gemeindeeigene Leitung legen. Nun wollte das Oberpostamt zwar

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die gesamte Hilfsstelle in das Dorf verlegen, dann müsste aber, da „nicht angängig

ist, den Postomnibus in das Dorf einfahren zu lassen“, der Hilfsstelleninhaber sich

verpflichten, die Post zweimal täglich abzuholen und auszutragen. Aber schon im

Oktober sahen der Bezirksbaumeister Tillmann und sogar der Postagent Hammer

aus Schwanheim die Möglichkeit, mit der Kutsche ins Dorf einzufahren und am

Ortseingang zu wenden, wenn z.B. die Hilfsstelle in die dort befindliche Wohnung

des Schuhmachermeisters Hettig käme. Auf Anfrage erklärte der Bürgermeister,

Hettig wolle nicht, wohl aber der Schmiedemeister Adam Stoffel und auch Heinrich

Gerhardstein, die 80 bis 100 Meter weiter dorfeinwärts wohnten als Hettig.

Hier bricht das aus losen Blättern bestehende Aktenstück über die Post in

Oberschlettenbach im Landesarchiv Speyer unvermittelt ab. Offenbar haben aber die

Dorfbewohner wieder keinen Erfolg gehabt. Denn aus der Postakte für

Vorderweidenthal ergibt sich für den 21. Dezember 1913 ein erneuter Antrag aus

Oberschlettenbach, unterschrieben vom Rat, vom Lehrer Traxel und von 42

Dorfbewohnern (darunter l0x Stoffel, je 5x Wagner und Veiock, 4x Christmann, 3x

Stöbener), Hilfsstelle und Haltestelle in den Ort zu verlegen. Auch dieser Versuch

scheiterte aber, weil der inzwischen zuständige Postagent Böhm aus Annweiler auf

Anforderung einen langen, negativen Bericht vorlegte.

Gesellschaft vor der Kraftposthaltestelle. Gastwirtschaft Funck

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Wann die Posthilfsstelle Schließlich doch ins Dorf kam, wann die Passagiere und

Postsachen nicht mehr mit der Pferdekutsche, sondern mit Kraftfahrzeugen befördert

wurden, wann diese Postfahrzeuge in das Dorf hineinführen all das ist in Speyer

nicht zu finden.

Jedenfalls war die Posthilfsstelle, bevor Familie Ludwig und danach ab circa 1961

in der Langwiesenstraße Willi Stöbener sie betreuten, lange in der Gastwirtschaft

Funck am Dortbrunnen untergebracht. Heute ist die ehemalige Gaststube das

gemütliche Wohnzimmer der ältesten Dorfbewohnerin Paula Schmitt geb. Funck,

geboren 1926. Sie weiß noch aus ihrer Kindheit, dass die Postsachen von einem

Postauto bis zur Gastwirtschaft gebracht wurden. Wer eine auswärtige Schule

besuchte, musste allerdings bis fast in die 70er Jahre hinein aus dem Dorf bis zum

Hahnenhof laufen, um zum Bus zu kommen.

Letztlich haben die Oberschlettenbacher den Kampf um die Posthilfsstelle leider

verloren. Die Deutsche Bundespost fand in den 90er Jahren, die Hilfsstelle sei nicht

genug ausgelastet. Wiederum bemühten sich die Oberschlettenbacher: Viele

richteten schnell Konten und Postsparbücher ein, auf denen montags abgebucht

wurde, was freitags eingezahlt worden war und umgekehrt. Die Bundespost aber war

unerbittlich. Nachdem die Hilfsstelle noch eine Zeit lang im alten Schulhaus und

dann im Wohnhaus Heft untergebracht war, wurde sie Schließlich wie später auch

die Hilfsstelle in den viel größeren Orten geschlossen.

Der Busverkehr, jetzt nicht mehr von der Post betrieben, bedient mehrmals täglich

das Dorf. Und alle, fast alle Busse fahren bis zum Dorfbrunnen. Dort wenden sie

Mühsam und gelangen so zur Haltestelle, wie die Gastwirtschaft „ Nachtigall“ sich

auch nennt. Seit August 2012 wird ein 15-sitziger Kleinbus eingesetzt, der nicht nur

mühelos den Dorfbrunnen umrunden, sondern auch gut einen Kinderwagen oder

Rollstuhl aufnehmen kann. Vielleicht führt diese erfreuliche Neuerung zu besserer

Auslastung, damit wenn auch die Posthilfsstelle nur 100 Jahre existierte

Oberschlettenbach den Anschluss an den Busverkehr doch auf Dauer ins Dorf geholt

hat.

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Vorderweidenthals Schicksalstage in den Jahren 1944/45

Richard Kalkofen

Der Vorderweidenthaler Mechaniker Josef Lämmel als „Sepp“ bekannt, ist bei

älteren Mitbürgern noch in bester Erinnerung.

Lämmel bat den Chronisten im Jahre 1952 die letzten Kriegsereignisse von

Vorderweidenthal, besonders aber den Aufenthalt der Bevölkerung im Stollen, zur

Erinnerung der Nachkommen aufzuschreiben.

Die zahlreichen Gespräche, Mitteilungen und Erzählungen von den älteren

Vorderweidenthalern aus dieser Zeit, vor allem aber die Erinnerungen und Notizen

des damaligen Gemeindepfarrers Esselborn lassen folgende Darstellung der

Vorderweidenthaler Schicksalstage von 1944/45 zu:

Am Westhang des Herrenwaldes nahe der Lindelbrunner Zufahrtsstraße erhebt sich

versteckt im Wald der Rappenfelsen. Während der Zeit des Westwallbaues sprengte

und trieb im Auftrag der Militärbehörde eine Saarbrücker Baufirma zwei Große

Stollengänge mit einer Querverbindung in den Berghang. Diese U-förmig angelegte

Stollenanlage, die angeblich als Sanitätsstollen geplant war, wurde vor

nachbrechendem Gestein durch starke Rundholzverstrebungen abgesichert. Nach

Beendigung der groben Ausbauarbeiten wurden die beiden Stolleneingänge

zugemauert.

Bei diesen Arbeiten beteiligte sich die Vorderweidenthaler Baufirma Jakob Becker.

Aus unbekannten Gründen unterblieb der weitere Ausbau.

Auch Vorderweidenthal blieb im Spätjahr 1944 von den Kriegsereignissen der

Westfront nicht verschont. Alles Geschehen, was mit Militär und Krieg

zusammenhing, war durch seine Ortslage nahe der deutsch-französischen Grenze

bedingt.

Der Durchgang militärischer Einheiten, der Wechsel von Einquartierungen und die

sich Häufenden Einsätze aller arbeitsfähigen Personen zu den Schanzarbeiten,

brachten Unruhe und Spannungen in das dörfliche Leben.

Zum Schutz vor amerikanischen Panzern wurden im Gelände Deckungsgräben und

Sperren angelegt. Was die Menschen bei dieser für sie überflüssigen Plagerei

empfanden, gab ein Schanzer zum Ausdruck. Er rief dem abfahrbereiten Busfahrer

zu: „Warte noch ein bisschen, meine 80-jährige Groß mutter will auch noch mit.“

Die Kartoffel- und Rübenernte war noch nicht beendet. Es fehlte an den notwendigen

Arbeitskräften.

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281

Die Kriegsereignisse wurden spürbarer. Der Hunger nach Informationen war groß.

Eine Hiobsbotschaft jagte die andere. Die erregten Gemüter der Bewohner, die

Befürchtungen hatten, dass auch Vorderweidenthal zum Kriegsschauplatz wird,

sorgten sich um die Sicherheit für Leib und Leben. Im Mittelpunkt aller Gespräche

in den Familien und an den Stammtischen betraf die Frage, wo können wir

ausreichend Schutz vor Bomben und Granaten finden. Einige meinten, dass es gut

wäre, in der Nähe der Schindergrube Behelfsbunker und Unterstände anzulegen. Die

Einwände und Bedenken der Weltkriegsteilnehmer von 1914-18 waren

überzeugender. Schließlich kam als rettender Gedanke der zugemauerte

Sanitätsstollen am Rappenfelsen ins Gespräch. Aber keiner wusste, in welchem

Zustand der Stollen war, und ob er für die Vorderweidenthaler nutzbar wäre.

Bürgermeister Schmitt und Forstverwalter Hoffelder vom Lindelbrunn, in dessen

Forstamtsbezirk der Stollen lag, bemühten sich um die notwendigen Informationen.

Der zuständige Wallmeister des Heeres, der in Busenberg Quartier bezogen hatte,

und zu dessen Dienstaufsichtsbereich alle Befestigungsanlagen in diesem Raum

gehörten, teilte mit, dass der Stollen wegen seines gegenwärtigen Zustandes keine

militärische Verwendung finden würde. Die schriftliche Genehmigung zur Freigabe

für die Vorderweidenthaler Zivilbevölkerung blieb auf dem Dienstweg liegen. Die

Frontnachrichten, der von der Front zurückkehrenden Soldaten, vermehrten die

Befürchtungen und die Unsicherheit.

„Wer fragt nach uns?“, so fragten sich die Vorderweidenthaler verbittert, und so

begannen sie eigenmächtig zu handeln. Nach langem suchen fand Bürgermeister

Schmitt zwei beherzte Männer, die den Stollen auf seine Brauchbarkeit untersuchen

wollten. Es war der Mechaniker Josef Lämmel und der Wagner Jakob Funk.

Unter der gebotenen Vorsicht brachen die beiden einen Stolleneingang auf. Lämmel

stieg angeseilt mit einem offenen Licht in den finsteren Stollengang. Als er sich über

Felsbrocken und losgelöste Stützhölzer vorgearbeitet hatte, ging das Licht aus und

wollte nicht mehr brennen. Nur mit größter Mühe erreichte er den Ausgang. Ein

weiterer Versuch mit einer besseren Beleuchtung führte zu einem erfreulichen

Ergebnis. Der Stollen konnte bis auf Räumungsarbeiten und entsprechendem

Ausbau den Bewohnern Vorderweidenthals sicheren Schutz bieten.

Nach eingehender Beratung und Planung der Gemeindeführung rief die Ortsschelle

zum freiwilligen Arbeitseinsatz auf. Lämmel berichtete, dass sich von den

Einwohnern 497 dazu schriftlich bereit erklärten. Auch die Miesmacher waren

dabei. Zunächst stellte Forstverwalter Hoffelder seine Waldarbeiter und

Maurermeister Becker seine arbeitsfähigen Leute zur Verfügung.

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Es war harte und schwere Arbeit. Der Boden wurde vom herabgestürzten Gestein

und Sand befreit. In die beiden Eingänge setzte man Fenster und Türen. Der vordere

Teil diente als Küchenraum. In jedem Eingang standen ein Kessel und ein Herd.

Dahinter lag ausreichender Lagerplatz. Zu beiden Seiten legte man Holzroste für die

Liegeplätze, und in den Mittelgängen baute man zweistöckige Bettlager. Außerhalb

errichtete man die Latrinen für Frauen und Männer. Zum Glück war in der Nähe

ausreichendes Quellwasser. Freilich war mancher dabei, der zu diesen Arbeiten

keine rechte Lust verspürte. Der eine hielt, der andere ließ nicht gehen, so erzählte

man später.

Die Bürger bekamen durch das Bürgermeisteramt folgende Information:

Alle Bürger von Vorderweidenthal finden im Stollen Aufnahme und Schutz. Die

Lagerstätten werden mit Stroh ausgestattet, und es kann jeder seine Matratzen

verwenden. Die Lagerplätze werden familienweise und nach Hausnummern belegt.

Im linken Stollengang werden die Hausnummern l -60 und im rechten Stollengang

die restlichen untergebracht. Jede Familie kann 1-2 Kisten mit ihrem wertvollsten

Gut und vollem Namen sowie Hausnummer in den Stollen bringen. Es soll so

gepackt werden, dass die Sachen für die Dauer des Krieges im Stollen verbleiben.

Jede Familie hat 2 Zentner Kartoffel, Holz und Kohlen bereit zu halten.

Beim Läuten der Kirchenglocken besteht höchste Gefährdung, und der Stollen soll

sofort mit aller Umsicht aufgesucht werden. In den nächsten Tagen fuhren voll

beladene Leiterwagen an den Stollen, wo Kisten und alte Truhen im hinteren Teil

abgestellt wurden.

Fünfhundert Bund Stroh stellten Adam Schmitt, Valentin Schmitt, Adam Wagner,

Heinrich Müller und Oskar Funck. Um den 2. Advent kam die

Evakuierungsanordnung von der wenige Bürger Gebrauch machten. Vor allem

waren es Frauen mit Kindern, Alleinstehende und ältere auch kranke Personen. Die

meisten Vorderweidenthaler lehnten die Räumung ab. Zu Beginn des Krieges

gehörten sie zur Roten Zone, das Grenzgebiet, das geräumt werden musste. Sie

kamen damals nach Oberfranken. Ihnen stand die Zeit der Trennung, des

Geduldetseins bei fremden Menschen und notdürftig aus Kasten und Koffern zu

leben lebhaft vor Augen. Keiner sprach von den Verlusten an Hab und Gut. Keiner

erwähnte die Schwierigkeiten, des Wiederanfangs bei der Rückkehr. Und der

Gedanke an Kühe, Pferde und Schweine im Stall weckte ablehnende Gefühle. Dazu

bestärkten sie auch die Soldaten. „Ihr müsst doch wieder zurück. Lieber in der

Heimat sterben als in der Fremde. Es geht keiner seinem Schicksal aus dem Wege!“,

so lauteten die Ratschläge. „Es gehe wie es wolle, wir bleiben!“ und so blieben die

meisten Vorderweidenthaler in ihrem geliebten Dorf.

In den Tagen vom 5.-9. Dezember hatte es unaufhörlich geregnet. Am 10. Dezember

war ein guter Tag. Dicker Nebel lag über Dorf und Wald. Feindlicher

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Fliegerbeschuss war nicht zu erwarten. Jetzt konnte das letzte Stroh in den Stollen

gefahren werden. Die notwendige Beleuchtung bereitete den Verantwortlichen

Große Sorge. Petroleum und Kerzen waren nicht in gewünschter Menge zu beziehen.

Lämmel berichtete dem Chronisten, dass der Landrat bei Besichtigung der

Vorbereitungsarbeiten Petroleum versprochen hätte, was aber niemals eintraf.

Das Unheil kam näher. Bereits am 15. Dezember pfiffen Artilleriegranaten über das

Dorf und schlugen in das Hinterland der Gemarkung. Vorsichtige Bürger nutzten

das Gebot der Stunde. So zogen Bauernwagen, vom langsamen Trott der Kühe

bestimmt, dem Stollen entgegen. Matratzen, Bettdecken und Kissen steckten

zwischen Kisten und Schachteln, Kannen und Kochtöpfen, mit darüber

ausgebreiteten Decken, neu, ausgefranst und löcherig. Und viele Frauen des Dorfes,

an harte Feldarbeit gewöhnt, lenkten ihr Gespann „ Hü -, -Ha-, Hot-“ rufend zum

Dorf hinaus.

Unterhalb des Stollens, wo Wege und Ebene verliefen, standen die Bauernwagen im

Wald und zwischen ihnen spannten sich Abdeckplanen wie bei einem alten

Wagenlager im Wilden Westen Amerikas.

Die Verpflegung im Stollen, überhaupt die gesamte Organisation fanden Zuspruch.

Junge Mädchen halfen beim täglichen Küchendienst. Ortsgendarm Pfeifer von Beruf

Metzger fungierte als erfahrener Koch. Durch Granatsplitter verletztes Rindvieh, das

notgeschlachtet werden musste, wanderte in die Kochkessel, so dass es bei solchen

Fällen Gulasch- oder reichliche Fleischportionen gab.

Für Kinder hatte das gemeinschaftliche Zusammenleben seine besonderen Reize. In

den Laufgängen spielte sich bis spät in die Nacht ein reges Leben ab. Nachbarliche

Schwätzchen behinderten vielfach die eilig Hinausstrebenden. Bei den Frauen

weckte die ungewohnte Benutzung der Latrinen Hemmungen, und einige suchten

lieber im Wald ein geschütztes Plätzchen. Große Sorge bereitete das

zurückgebliebene Vieh in den Ställen. Morgens und abends eilten die Viehhalter ins

Dorf zur Fütterung ihrer Tiere. In besonderem Maße waren davon die Frauen

betroffen: sie fütterten, tränkten das Vieh, rührten das Schweinefutter an und molken

die Kühe.

Abgehetzt von den Stallarbeiten und Rübenmahlen kamen sie mit der Milch in den

Stollen, wobei sie dem Beschuss der Flieger auszuweichen wussten. Was sie an

Beschwernis zu tragen vermochten, und wie sie die Notsituation des Krieges, mit all

dem Schmerz um Väter, Söhne, Brüder, die an der Front standen, meisterten, singt

kein Lied darüber.

Im Dorf war sehr viel Militär und viele Häuser durch Soldaten belegt und die hier

und da halfen. Das „Organisieren“ von Eingemachtem und Geschlachtetem war für

sie eine willkommene und zusätzliche Verpflegung gegenüber der

Feldküchenverpflegung.

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Am 4. Advent hielt Pfarrer Esselborn den Gottesdienst wieder im Stollen. Und

manches fand nachdenkend in Paul Gerhardts Lied Trost:

Wenn wir uns legen, so ist er zugegen, wenn wir aufstehen, so lässt er aufgehen,

über uns seiner Barmherzigkeit Schein.

Auch an Wochentagen hielt der Gemeindepfarrer Andachten im Stollen. An

Weihnachten und Neujahr war es verhältnismäßig ruhig. Man konnte das Freie

aufsuchen. Vom 5.-7. Januar 1945 wurde es zusehends ruhiger. Man hörte, dass der

Amerikaner sich hinter die Lauterlinie zurückgezogen habe. Dies gab den Menschen

wieder Hoffnung, und sie zogen wieder in ihre Häuser, nachdem sie etwa 3 Wochen

im Stollen verbracht hatten.

Militärfahrzeuge und Soldaten bestimmten das Dorfbild. Dazu wurden aus den

eigenen knappen Futtervorräten auf Befehl Heu und Hafer für die Militärpferde

abgegeben.

Bei der Rückkehr aus dem Stollen, so weiß Pfarrer Esselborn folgendes zu erzählen:

Mit Entsetzen sah er das Ausmaß der Zerstörung im Dorf. Als er in den Stall der

Pfarrscheune kam, hatte ein Soldat sein Pferd gerade über der Stelle abgestellt,

worunter des Pfarrers Geschirr und Wertsachen vergraben lagen. Die

danebenliegende Waschküche war zum Schlachthaus geworden. Einer Gruppe

kriegsgefangener Russen, die auch zu Schanzarbeiten herangezogen wurden, hatte

man gefallene Pferde zur Verpflegung überlassen. Die Gefangenen hatten ein

hervorragendes Orchester aus allerlei Instrumenten zusammengestellt, wobei Pfarrer

Esselborn sein vermisstes Flügelhorn zu entdecken glaubte.

Er selbst hatte sich im Pfarrhaus auf einen Raum beschränkt, so dass die übrigen

Räume von Soldaten belegt waren. Im oberen Dachzimmer richtete er mit

Kirchenbänken einen Unterrichtsraum für die Konfirmanden her.

Als dies der anwesende Wehrmachtspfarrer zu Nieden sah, sagte er: „Aber lieber

Kollege, wer weiß was an Palmsonntag sein wird.“

Einige Tage später war Esselborn auf dem Wege nach Bergzabern. Inzwischen, es

war gegen Ende Januar, waren die ersten Nachrichten von den Evakuierten

eingetroffen. Darunter waren auch seine Frau und Kinder. Unterwegs begegnete ihm

ein Trupp kriegsgefangener Russen. Es war nicht feststellbar, ob sie von Bergzabern

oder Dahn kamen.

Jedenfalls hatten sie sich in einem Eisenwarengeschäft mit neuen Essgeschirren

ausgerüstet, worüber sie sichtbar Freude hatten. Die Situation aber zwang ein

Lächeln ab. An ihren Gürteln oder am Gepäck hingen funkelnagelneue, braun und

Weißemaillierte Nachttöpfe.

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Unter schwierigen Verhältnissen und Fliegerangriffen kam Esselborn nach

Nürtingen zu seiner Familie. Er beerdigte dort einen evakuierten

Vorderweidenthaler.

Die Amerikaner standen vor den Bunkerlienien des Westwalls. Es ließ sich an den

Fingern abzählen, wie lange es noch dauern würde, bis sie in Vorderweidenthal

waren. Der Kalender zeigt den Februar an. Im Pfarrkeller stellte ein junger Offizier

aus den greifbaren Soldaten, die den verschiedenen Waffengattungen angehörten,

einen Erkundungstrupp zusammen. Die Soldaten zogen widerwillig ab. Nach zwei

Tagen kamen sie ohne Feindberührung zurück, dafür aber reichlich bepackt mit

amerikanischen Nahrungs- und Genussmitteln. Um Weihnachten hatten die

Amerikaner die Lauterlinie überschritten und saßen um Erlenbach fest. Wegen der

Ardennenoffensive, so erzählt man, sei es zu einer Zurücknahme der Fronlinie

gekommen.

Bei der abendlichen Stallfütterung führ jeden Abend etwa um 5 Uhr an der

Sägemühle ein beladener Kastenwagen des Militärs vorbei. Katharina Wagner fiel

dieser sonderbare Wagen auf, der mit Tannengrün und Zeltplanen abgedeckt war.

Es war geradezu verdächtig. So fragte sie den einquartierten Leutnant. Dieser gab

zur Antwort, dies sei der Brotwagen, der von den Bunkern im Porzbachtal und der

Pfälzer Hütte käme. Katharina Wagner war damit nicht zufrieden. So wurde doch

kein Brot transportiert. An den beiden nächsten Tagen schaute die Sägemüllerin das

Gefährt genauer an und unterhielt sich mit dem Fahrer. Dabei stellte sie entrüstet

fest, dass mit dem Wagen die täglich gefallenen Soldaten abtransportiert wurden.

Zum Leutnant gewandt, und von dem Eindruck erschüttert, erwiderte sie: „Das ist

aber ein schöner Brotwagen!“

Aufgrund der Frontlage und den schlechten Nachrichten fanden die militärischen

Einsatzbefehle und Anordnungen bei der Bevölkerung kein rechtes Verständnis.

Dazu beängstigte das Wiederaufleben der Kriegshandlungen die Bevölkerung. Das

Militär hatte in allem den Vorrang. Viele dachten, dass das Ende bald kommt. Lieber

ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Dazu erregt die Nachricht,

der Stollen sei für das Militär freizumachen, aufs äußerste die Gemüter der

Bewohner. Alle waren gewillt, diesem Befehl nicht zu gehorchen.

Forstverwalter Hoffelder bemühte sich anlässlich eines Generalbesuches in

Klingenmünster um Freihaltung des Stollens für die Vorderweidenthaler, was

glücklicherweise gelang.

Bombenabwürfe und Fliegerangriffe gehörten zum Tagesablauf. Kein Mensch und

Fahrzeug konnte sich im Feld sehen lassen. Auf Erlenbach sollen 200 Bomben

Granaten niedergegangen sein. Rauchschwaden stiegen dort hoch. Die vor allem für

das Militär lebenswichtige Straßenkreuzung Vorderweidenthal - Erlenbach,

Bergzabern - Dahn lag unter stärkstem Beschuss. Brennende Fahrzeuge standen bis

ins Grüntal. Viele deutsche Soldaten tot und schwer verwundet, zerfleischt,

zerrissen, stöhnten und starben.

Page 287: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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Aus Sorge um das Leben seiner Gemeindeglieder und vor allem seiner

Konfirmanden setzte Pfarrer Esselborn die Konfirmation auf Sonntag, dem 18. März

1945 fest. Es war der Sonntag Judica, der eine Woche vor dem Palmsonntag liegt.

So erwarteten 32 Konfirmanden aus Vorderweidenthal und Oberschlettenbach mit

gemischten Gefühlen diesen Tag. Der Gottesdienst wurde auf die ungewöhnliche

Zeit von 6.30 Uhr in der Frühe festgesetzt. Bei klarem Himmel sollte die Prüfung

ausfallen. Und der Himmel war klar, und es war mit dem Einsatz von Feindfliegern

zu rechnen. Für die 18 Knaben und 14 Mädchen fiel die Prüfung aus, so dass nach

der Einsegnung, wobei die Gedanken sich mehr um die Sicherheit um das Leben

richteten und mancher Blick der Gottesdienstbesucher durch die Kirchenfenster auf

den Himmel gerichtet waren und ängstlich mehr auf Fliegergeräusche hörte als auf

den Klang der Orgel, alles unverzüglich nach Hause eilte. Als Esselborn sich um

8.00 Uhr bei der Familie Metz im Haus aufhielt, flogen Schwärme feindlicher

Flieger über Vorderweidenthal. Am Abend fand die Konfirmation für die Darsteiner

und Dimbacher in der Kirche zu Dimbach statt.

In Vorderweidenthals Kellern suchten die Bürger, die das Vieh zu versorgen hatten

mit Soldaten, die sich auf der Flucht befanden, Schutz. Die Bevölkerung war wieder

im Stollen. Kein Mensch wagte sich ins Freie.

So begann es am 19. März. Es nahm noch kein Ende. Beim Hussongschen Haus

schlug ein schweres Geschoß ein und riss einen Großen Trichter in die Straße. Das

Wasserleitungsrohr war zerrissen. Die Flammen prasselten in den Dachgebälken,

Rauchschwaden stickig und schwarz machte das Atmen schwer. Ein Stall mit

Pferden brannte nieder und erfüllte die Luft mit einem widerlichen Geruch. Das

meiste Vieh hatte man losgebunden, und es lief auf den Äckern unterhalb des

Rödelsteines irrend umher. Einige Tiere, denen die Wege zum Futterholen bekannt

waren, standen brüllend auf ihrem Kleeacker. Immer mehr Fahrzeuge und Soldaten

waren auf der Flucht. An den Rändern der Straße und in den Wegen lagen

militärische Ausrüstungsgegenstände, die zum Ballast wurden.

Mühsam bahnten sich die Fahrzeuge durch die Trümmer Vorderweidenthals den

Weg. Bei dem letzten lag ein schwerverwundeter General im Fahrzeug, dessen

Fahrer Auskunft verlangte und Heidelberg erreichen wollte. Jetzt wusste jedermann:

Bald sind die Amerikaner da!

Familie Wagner von der Sägemühle, die fast an der Straßenkreuzung nach Erlenbach

liegt, hatte ihr Anwesen nicht verlassen. Allein und unerschrocken rettete Wilhelm

Wagen die Sägemühle vor dem totalen Abbrennen. Soweit als möglich versorgte

man hilfsbedürftige und verwundete Soldaten, die im Keller gegenüber der Straße

Zuflucht fanden.

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Der Tag kam, der Tag voller Unruhe und Angst.

Links und rechts, hinter alten Lindenbäumen Schutz suchend, schritt die Mannschaft

mit dem Mädchen in der Mitte vorsichtig ausblickend dem Dorfe zu. An der Spitze

der Soldaten liefen Minensucher, die ihre Suchgeräte über verdächtige Stellen

hielten, und weiter hinten Männer mit Sprechfunkgeräten. In Großem Abstand

folgten Fahrzeuge mit aufmontierten schweren Maschinengewehren.

Kein Mensch war zu sehen. Wo es brannte und schwelte, war nicht zu löschen. Kein

Mensch wollte sich in letzter Stunde unnötiger Gefahr ausliefern. Das Überleben

war jetzt am wichtigsten. Bisher boten die Nächte Schutz, aber für die

Rettungsarbeiten waren sie zu kurz.

So kamen sie mit dem Mädchen, das noch immer krampfhaft das weiße Tuch in

seinen Händen hielt ins Dorf. Da standen die Häuser beschädigt, das Dachgebälk

teilweise herunterhängend, die Straße voller Ziegel und Steine. Der Kirchturm war

abgeschossen. Eine Bombe an der Nordseite der Kirche riss einen Großen Trichter

in den Kirchhof, wo die Vorfahren ihre Toten begraben hatten. Das Dach der Kirche

war fast völlig abgedeckt, die Fenster zertrümmert, Kanzel und Orgelgehäuse

heruntergerissen. Im Bombentrichter bewegte sich eine getroffene Kuh kraftlos zum

Rande hin. Die Zeit auf der Kirchenuhr war stehengeblieben. Gegenüber stand das

Pfarrhaus als eine halbe Ruine. Viele Häuser und Höfe total zerstört. Die

Pfarrchronik berichtet später, dass 15 Häuser total zerstört wurden.

Als sie zum Friedhof kamen lagen nebeneinander und aufeinander deutsche

Soldaten, die in den letzten Stunden gefallen waren.

Auf der ansteigenden Straße ungefähr der heutigen Schuhfabrik gegenüber kamen

ihnen drei Männer vorsichtig um sich schauend entgegen. Sie wollten den

Amerikanern mitteilen, wo sich die Bevölkerung Vorderweidenthals aufhielte, dass

kein Widerstand zu erwarten sei und Schließlich um Schonung der Menschen bitten.

Es waren Pfarrer Esselborn, Bürgermeister Ludwig Berger und der Ortsgendarm

Pfeifer. Da dieser jedoch in voller Uniform vor ihnen stand, behandelten sie ihn wie

einen Soldaten und nahmen ihn sofort in Gefangenschaft.

Von den Mitbürgern, die sich in dieser Zeit noch im Dorf aufhielten kamen die

Zivilisten Wilhelm Bangert und Jakob Jung ebenfalls als Gefangene zum

Sammelplatz nach Erlenbach, wobei sie später in einem Gefangenenlager bis nach

Südfrankreich hinein testgehalten wurden.

Indessen schickte man Aurelia Wagner alleine in den Stollen. Als sie dort

unbehelligt ankam, waren einige Vorderweidenthaler vor dem Stollen. Sie

versorgten einen Verwundeten. Höchst überrascht sahen sie das Mädchen auf sie

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zukommen und riefen: „Aurelia was ist?“ Und von einem Gang Erlöst, dessen

Gefahr und Bedeutung sie bis jetzt noch nicht erfassen konnte, antwortete sie jedoch

erleichtert: „Die Amerikaner sind da!“ Wie ein Lauffeuer ging es durch die

Stollengänge von Mund zu Mund: Die Amerikaner sind da.

Inzwischen waren auch die amerikanischen Soldaten beim Stollen angekommen.

Nachdem sie sich überzeugten, dass hier keine Soldaten, keine Waffen und dass kein

Widerstand geleistet, sondern Frauen, Kinder, Männer, Alte vor den Schrecken des

Krieges Schutz suchten, konnten am übernächsten Tag die Vorderweidenthaler den

Stollen verlassen und in ihr 80% kriegszerstörtes Dorf zurückkehren.

Und so nahm der Krieg für sie ein Ende. Aber keiner ahnte, dass eine neue Zeit

angefangen hatte.

Alle diese Geschehnisse sind heute nur noch bei den älteren und alten

Vorderweidenthaler Bürgern in Erinnerung. Zum Teil sind die Erinnerungen farblos

und verschwommen im Gedächtnis. Und jeder bewahrt nur Ausschnitte aus einem

Gesamtgeschehen. Die Jugend weiß nichts mehr davon. Dass Vorderweidenthal

nicht mehr Tote zu beklagen hatte, dass vieles gerettet werden konnte, ist den

Männern und Frauen zu verdanken, die sich verantwortlich fühlten und einsetzten.

Was sich an gegenseitigem Verstehen, an Hilfsbereitschaft und wieder

Händereichen in den Stunden der Gefahr zeigte, und was davon von den betroffenen

Vorderweidenthalern heute noch in guter Erinnerung fortlebt, möge auch für

kommende Zeiten als ein Vermächtnis an die Nachkommen bewahrt bleiben.

Ihr unermüdlicher Fleiß und die Haltung des Nichtaufgebens weist nach über einem

Jahrzehnt des Wiederaufbaues auf ein blühendes und aufwärtsstrebendes Dorf hin.

Nur noch der Soldatenfriedhof mit seinem Großen Sandsteinkreuz über dem

Gräberfeld hinter dem Begräbnisplatz der Gemeinde erinnert an die schrecklichen

Tage, wo das Feuer vom Himmel fiel und der Tod kam.

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Stollenanlage Vorderweidenthal

Alwin Becher

Beim Stollen unterhalb des Rappenfelsens, oberhalb der Straße zum Lindelbrunn,

sprechen wir Vorderweidenthaler gern von „unserem Stollen“, vom „Weidenthaler

Stollen“. Eigentlich haben wir auch das Recht dazu. Schließlich waren wir, die

Bevölkerung unseres Ortes, auch die einzigen, wenn auch zivilen Nutzer dieser

Anlage, wenn man einmal davon absieht, dass nach dem Krieg noch der

Sprengmittelräumdienst zeitweilig großkalibrige Geschosse darin gesprengt hat.

Auch heute gibt es für ihn erneut eine sinnvolle Nutzung. Er wird von Fledermäusen

bewohnt.

Doch zur Entstehung.

Als sich zum ersten Mal überhaupt jemand Gedanken darüber gemacht hat, bei uns,

einen Stollen zu errichten, da hat niemand dabei auch nur im Traum an uns

Vorderweidenthaler gedacht.

Der Bau des Westwalls, das war die Ursache für die Baumaßnahme und „unser

Stollen“ war ein Teil davon.

Ein Hauptgrund für den Westwallbau war aber die Errichtung der Maginotlinie auf

französischer Seite, in den Jahren 1929-1932. Auf Betreiben des damaligen

französischen Kriegsministers André Maginot entstand die Anlage zur Sicherung

der Ostgrenze gegen Deutschland, mit der stärksten Befestigung des „ Gebiets

Lauter“, in der Weißenburger Senke, südlich der Stadt, als Großgruppe Hochwald

bezeichnet, mit den mächtigen, mehrstöckigen Bunkerbauwerken, gespickt mit

Panzertürmen und Kampfkasematten, wie etwa das Werk Schönenburg, das heute

noch für jedermann zur Besichtigung geöffnet ist.

Durch dieses alte Einfallstor waren schon im Krieg 1870 die deutschen Truppen

nach Frankreich eingedrungen, und ein neuerlicher Einfall sollte so für immer

verhindert werden.

Die Maginotlinie war ein mächtiges Befestigungsbollwerk, dessen Werke, wie die

mehrstockigen Bunkeranlagen genannt wurden, 1-5 km voneinander entfernt lagen.

Untereinander verbanden sie tief gelegenen Stollen mit einem gemeinsamen, weit

hinten gelegenen Eingang. Dazwischen befanden sich kleinere Bauten, sogenannte

Mauerkasematten, mit Schießscharten für Maschinengewehre und

Panzerabwehrkanonen. Die Grundidee war: „Die gesamte Verteidigung unter Beton

und Stahl“. Eine bewegliche Kampfführung aber war unmöglich. War der Gegner

erst einmal bis an die Werke vorgedrungen, saßen die Verteidiger gefangen wie im

Käfig. Das erlebten die Besatzungen der Hochwaldgruppe wie das Werk

Schönenburg später, als sie ihre Anlagen erst am l. Juli 1940 übergaben, ohne richtig

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in die Kampfhandlungen eingegriffen zu haben. Der Waffenstillstand war da schon

seit 6 Tagen in Kraft.

Diesem französischen Bollwerk sollte also auf deutscher Seite der Westwall

gegenübergesetzt werden. Der Grundgedanke war: „Längs der Grenze eine

durchlaufend befestigte Zone“. Bereits 1934 kamen die ersten Planungen in Gang.

Der Urentwurf stammte vom General der Pioniere, Otto-Wilhelm Förster, und sah

eine von der Grenze landeinwärts, in drei Etappen gegliederte Festungszone, von A-

, B- und C-Werken vor.

Die C-Werke bildeten Maschinengewehrschießstände, mit Schieß scharten in den

Betonmauern, die, wie auch die Decken, sicher gegen 15 cm Haubitzen waren.

Die B-Werke, in zweistöckiger Bauart, hatten auf Deck zwei Panzertürme mit je 2

Maschinengewehren, zwei Granatwerfer und einen drehbaren Flammenwerfer.

Wenn nicht gefeuert wurde, schlössen sich die Schießscharten durch

Kugelverschlüsse.

Die A-Werke glichen den B-Werken, waren aber in der Panzerung und der

Betondicke stärker.

An wichtigen Stellen entstanden die Anlagen auch 3-stöckig, mit bis zu 36 Räumen,

für mehr als 100 Mann Besatzung.

Die Entfernung zwischen der Grenze und den ersten Bunkern betrug 1-20 km.

Die 3 hintereinander liegenden Kampflinien, die Verteidigungszone des Heeres, der

A-, B- und C-Werke, hatten eine Tiefe von 10 km. Dahinter befand sich noch eine

Luftverteidigungszone mit Flakbunkern, bis zu einer Tiefe von 50 km.

Vor der Bunkerlinie war an besonders gefährdeten Stellen eine Höckerlinie

vorgelagert. Sie sollten ein Eindringen von Panzern in den Westwall unmöglich

machen. Fünf armierte Betonklötze, in unterschiedlicher Höhe bis zu 1,50 m,

standen nahtlos eingegossen, auf einer Im dicken Betonplatte. Hier in der Südpfalz

sind Teile davon heute noch zu sehen.

An Stellen wo Straßen die Höckerlinie unterbrachen, gab es Panzersperren, die bei

Gefahr von Hand einzusetzen waren.

Soweit die Kampfzone.

Hinter diesen Befestigungen galt es, in den rückwärtigen Gebieten, Einrichtungen

für die Versorgungstruppen zu erstellen, so auch das Sanitätslager

Vorderweidenthal. Im Frühjahr 1938, als die Tschechoslowakei nach dem Anschluss

Österreichs an das Reich die Mobilmachung Verfügte, wurde es mit dem Bau des

Westwalls ernst. Im Juni erhielt der Generalinspekteur für das deutsche

Straßenbauwesen, der Bauingenieur und Erbauer der Reichsautobahnen, Dr. Fritz

Todt, den Bauauftrag. In Bergzabern gründete er die Organisation für den

Festungsbau, die berühmte und, wegen ihrer Arbeitsleistung, hoch geachtete

„Organisation Todt“.

In kurzer Zeit befehligte er 362 000 Arbeiter sowie 100 000 Mann

Reichsarbeitsdienst und zahlreiche Pionierbataillone, wie den Festungspionierstab

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20 am Vorderweidenthaler Sanitätslager.

Die Betreuung dieser gewaltigen „Arbeiterarmee“ lag in den Händen der „Deutschen

Arbeitsfront“, geführt von Dr. Robert Ley.

Um diese riesige Menschenmasse unterzubringen belegte die Organisation bis nach

Landau Tanz- und Schulsäle. Die Bevölkerung stellte auf „Druck von oben“ Zimmer

zur Verfügung. Vor allem aber schossen Große Barackenkolonien wie Pilze aus dem

Boden. Allein in der Gemarkung von Dierbach standen fünf solcher Arbeitslager mit

Wohn-, Wasch-, Dusch- und Toilettenanlagen, Sanitätsbaracken, Räume für

kulturelle Darbietungen und Großküchen mit Speisesälen für 1100 Mann. Weitere

solcher Lager gab es bei Oberotterbach, Freckenfeld. Schaidt und Vollmersweiler.

Dazu kamen eigene Lager des Reichsarbeitsdienstes, wie im Nachbarort Erlenbach.

Den Transport der Arbeiter zu den Baustellen organisierte in unserem Raum die

Kraftpostdienststelle der Deutschen Reichspost in Landau, die 260 Omnibusse

betrieb, etwa die Hälfte aus Privatunternehmen, aus allen Gauen des Reiches.

Ähnlich gut organisiert war der Materialtransport über Schiene und Straße, denn

allein der tägliche Verbrach von Kies lag bei 100 000 Tonnen.

Hitler selbst informierte sich über den Stand der Bauarbeiten in unserem Kreis bei

zwei Besuchen. Seine erste Inspektionsreise fand am 28. August 1938 statt und am

17. Mai 1939 führ er, von Pirmasens kommend, im offenen Wagen über die

Kreuzung an der Sägemühle, Richtung Bergzabern, unter reger Teilnahme auch

unserer Bevölkerung.

Im Kreis Bergzabern entstanden 1150 Bunker und Festungswerke.

Am gesamten Westwall schätzt man die Zahl dieser Anlagen auf 14 000.

Für die direkten Anwohner aber war die Einteilung des Grenzgebietes in eine

„Rote“- und eine „ Grüne Zone“ besonders wichtig. Die „Rote Zone“ umfasste die

Hauptkampflinie, die im unmittelbaren Schussbereich der feindlichen Artillerie lag.

Sie musste im Ernstfall sofort evakuiert werden und bald war es ja soweit, dass auch

die Vorderweidenthaler ihr Dorf Räumen mussten.

Die „Rote Zone“ verlief in der Südpfalz von Maximiliansau über Kandel, Dierbach,

Hergersweiler, Oberhausen, Kapellen-Drusweiler, Niederotterbach, Kapsweyer,

Steinfeld, Schweigholen, Schweigen, Rechtenbach, Dörrenbach, Oberotterbach,

Böllenborn, Bergzabern, Blankenborn, Birkenhördt, Vorderweidenthal, Dahn

Richtung Pirmasens.

Die dahinter liegende „Grüne Zone“ galt als weniger gefährdet, musste aber in

schwieriger Situation, bis nach Landau, auf die Evakuierung gefasst sein.

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Parallel zu den Bauarbeiten am Westwall begannen auch jene, für die Einrichtungen

der Versorgungstruppen durch den Festungspionierstab 20, wie bei uns das

Sanitätslager Vorderweidenthal. Der Zweck war, die Versorgung der Verwundeten

bei den Kampfhandlungen am Westwall.

Es entstanden eine Zahnstation, auf dem Lageplan mit der Nr. l. ein Operationsbau,

Nr.2, eine Waschbaracke, Nr.3, ein Pferdestall, Nr.4 sowie 10 Stationsbauten mit

dem Bezeichnungen A - K.

Einen Friedhof gab es nicht.

Aber allein die Lage der Station K weit ab vom Lager, hinten im Wald, lässt darauf

schließen, dass hier die Sterbenden versorgt werden sollten und man sie dort auch

begraben hätte.

Zuerst wurde direkt an der Straße zum Lindelbrunn eine Quelle gefasst, und das

Wasser zu einem, unterhalb der Stolleneingänge gelegenen, neu erstellten

Pumpwerk geleitet. Am nordwestlichen Fuß des Rappenfelsens entstand ein

Hochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 16 m3.

Wie strategisch wichtig diese Anlage war, zeigt die Stärke der Betonwände von 2 m

und die Eingangsbereiche zu den Innenräumen, die mit Schieß scharten zur

Verteidigung ausgerüstet waren. Die Rohrdurchmesser der Gussleitungen betrugen

von der Quelle zum Pumpwerk 4“, etwa 10 cm, zum Hochbehälter 3“, etwa 8 cm.

Von hier versorgte eine 2“, etwa 5 cm starke Leitung, jeden Bau, auch den Stollen,

mit Frischwasser, auch noch die am höchsten gelegen Station K.

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Die strategische Bedeutung des Sanitätslagers wird noch deutlicher durch die

Tatsache, dass bei Gefahr durch Beschuss oder Bombardierung, alle Bewohner, samt

Einrichtungen, in einen Bunker zu evakuieren waren.

Die Saarbrücker Baufirma Heinrich Sohnius führte die Bauarbeiten dieses Bunkers,

„unseres Stollens“ aus. Die Vorderweidenthaler Baufirma Jakob Becker & Sohn

beteiligte sich daran mit den Arbeitern Adolf Becker, Karl Berger, Konrad

Bernhardy, Marx Hornberger, Jakob Puster, Georg Rihm, Jakob Steigner und

Oswald Wagner vom 01. September 1939 bis 27. Juli 1940.

Die Stollenanlage, in Form eines Gewölbes, brachen die Bauarbeiter in Handarbeit

aus dem Gestein, und fuhren die Schuttmassen mit Loren, auf fest verlegten

Schienen, aus dem Berg.

Dieser besteht aus massigem, kompaktem Buntsandstein mit Kieseinlagerungen, der

von mächtigen Felsspalten durchzogen wird, mit unterschiedlichen Öffnungsweiten

und verschiedenartigen Füllungen. In diesen Felsspalten besteht erhebliche

Nachbruchgefahr. Die noch heute zu sehenden, sogenannten Bühnlöcher, deuten

darauf hin, dass bereits beim Ausbruch des Gesteins, im Bereich dieser Kluftzonen,

mit Bohlen und Rundhölzern abgestützt werden musste. Geringe

Schichtwasseraustritte sind zu beobachten.

Die Anlage ist zu betreten durch zwei, etwa 50 m auseinander liegende,

Stollenmundlöcher mit 20-25 m langen, mächtigen Voreinschnitten, mit einer

Absturzhöhe von 10 m.

Diese Voreinschnitte waren deshalb so lang, weil die Felsüberdeckung an den

Mundlöchern mindestens 6 m betragen musste, um einer Bombardierung

standzuhalten. Die Zugangsstollen sind zweimal abgewinkelt um einen direkten

Beschuss von außen zu verhindern,

Die Längen der Anlage betragen: 2 Zugangsstollen je 17 m, 2 Querstollen je 49 m,

3 Verbindungsstollen je 14 m und am Ende 2 Kammern mit je 10 m, an denen die

Felsüberdeckung bereits 40 m beträgt.

Die Gesamtlänge des Stollensystems misst also rund 200 m, etwa 1400 m2

Stollenfläche.

Die Breiten betragen am Eingang 3,50 m bzw. 4,50 m, sonst 7,00 m. Die Höhen

messen am Zugangsstollen 4,00 m sonst 7,00 m.

Geplant war ursprünglich, dass die beiden Kammern bis zur Straße nach Bergzabern,

auf der Rückseite des Berges, weitergeführt werden sollten, um den Stollen an diese

Straße anzubinden.

Das zu sehr zerklüftete Gestein und der Kriegsverlauf haben diesen Plan aber

zunichte gemacht.

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STOLLENANLAGE VORDERWEIDENTHAL

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Der gesamte Ausbau hat dann mit der politischen Entwicklung nicht Schritt halten

können. Hitler sicherte den Beneluxstaaten bei Kriegshandlungen mit Frankreich

Neutralität zu, ohne dieses Versprechen später einzuhalten.

So wurde von Generalfeldmarschall Fritz von Manstein der Plan entwickelt,

Frankreich nicht am Westwall, sondern über die vorgenannten Staaten, Luxemburg,

Belgien und Holland anzugreifen und die Maginotlinie von hinten einzunehmen,

sodass es nicht zu den befürchteten Kampfhandlungen am Westwall kam. Der Plan

ging auf und Frankreich kapitulierte bereits am 25. Juni 1940.

Damit war für Hitler klar, dass Frankreich besiegt und der Westwall in diesem Krieg

keine Rolle mehr spielen würde.

Das war das Ende der Bauarbeiten, auch an „unserem Stollen“.

Dass bereits knapp 5 Jahre später auch der Westwall kein Hindernis für die alliierten

Truppen darstellte, wollte zu dieser Zeit niemand wahrhaben.

Jedenfalls war die Bevölkerung von Vorderweidenthal froh, dass das Kriegsende, in

der doch relativ sicheren Unterkunft, im Stollen erwartet werden konnte.

Heute ist die Anlage geschlossen. Die mächtigen Voreinschnitte sind durch

Zaunanlagen gesichert.

Bild vom Bau des Stollens.

o. v. l. Karl Berger, Jakob Steigner, Oswald Wagner

n. v. l. Marx Hornberger, Georg Rihm, Jakob Puster

u. v. r. Konrad Bernhardy, 2.v.r. Adolf Becher

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Im Bereich der Felsspalten, insbesondere im hinteren Querstollen, im

Verbindungsstollen 2 und in beiden Kammern sind erhebliche Nachbrüche durch

sargdeckelartige Gesteinsbrocken und Auswaschungen der geröllhaitigen Füllungen

entstanden. Im Querstollen 2, der in seiner Längsachse von einer Großen Spalte

durchschnitten wird, sind Hochbrüche bis zu 4 m über den Stollenfirst entstanden,

durch Hereinbrechen mehrer Tonnen schwerer Gesteinsbrocken. Wegen der

Mächtigkeit des darüber anstehenden Gebirges, sind aber für die Oberfläche am

Waldboden keine Auswirkungen zu befürchten.

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Das Forsthaus Lindelbrunn

von Karl Jakob Jockers, überarbeitet von Lothar Wagner

Beim Herausnehmen des alten Kirchenbodens im Frühjahr 1965 fand man eine

große Grabplatte. Der Text auf der oberen Hälfte ist nicht mehr lesbar, auf der

unteren Hälfte steht:

Zum Andenken

an Johann Adam Stoffel

Oberförster und l.er maire

zu Oberschlettenbach

von seiner Gattin

Anna Maria M...rich

anno 1807.

Die Inschrift erinnert nicht nur an einen Verstorbenen, sondern erzählt noch mehr.

J. A. Stoffel war Oberförster der Herrschaft Lindelbrunn und hatte seinen Dienstsitz

in Oberschlettenbach. Gleichzeitig war er Bürgermeister von Oberschlettenbach. Da

Napoleon eine Neuordnung der Verwaltungsbezirke durchführte, wurde J. A. Stoffel

zugleich erster Bürgermeister der vier Lindelbrunndörfer. Oberschlettenbach war

Hauptverwaltungssitz der Herrschaft Lindelbrunn geworden. Sie gehörten jetzt zum

Canton Annweiler. Aus jener Zeit stammt die Bezeichnung „unsichere Cantonisten“.

Damit waren junge Männer gemeint, die nicht Soldat werden wollten.

Alle Geburten, Hochzeiten und Todesfälle mussten in Oberschlettenbach

beurkundet werden. Erst 1815/16 bekamen unsere Dörfer eigene

Gemeindeverwaltungen und Standesämter.

1846 wohnten am Fuße von Burg Lindelbrunn die Familien

Georg Marzolf,

Max Stöbener und

Friedrich Hoepfner.

Deren Häuser und Besitz, sowie das ehemalige Kerth’sche Haus, das als

gemeinsames Hirtenhaus gedient hatte, wurden 1846 von der Forstverwaltung

aufgekauft. Die Häuser Stöbener und Marzolf wurden abgerissen, das Hirtenhaus

bezog der Hausmeister, und das Hoepfnersche Haus wurde nach der Renovierung

Forsthaus. 1847 zog der Förster ein. Die Familien Stöbener und Marzolf zogen nach

Vorderweidenthal, Familie Hoepfner ging nach den USA. Zu diesen Häusern

gehörte ein 40 m tiefer Ziehbrunnen, aus dem mit Pferdekraft das Wasser geholt

wurde. Der Brunnen, in Felsen gehauen, ist zweifellos sehr alt. 1846 wurde er völlig

zugeschüttet, da er wenig Wasser gab, 1903 - 1905 Schließlich wieder bis auf 38 m

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Tiefe aufgegraben wegen des quälenden Wassermangels. 1906 wurde ein Pumpwerk

darüber errichtet. Der Brunnen ist heute noch zu sehen im Garten des Forsthauses.

1846 war eine alte, schadhafte Deichel- Wasserleitung von der Quelle auf dem

Vogelskopf zu den vier Lindelbrunner Häusern vorhanden. Sie musste ständig

repariert werden. 1965/66 wurde sie erneuert. Schließlich nahm man Zement, dann

Gußrohre, aber der Wassermangel blieb. Schließlich wurde vom Silzer Tal das

Wasser mit einem Pumpwerk herbeigeführt, aber die Qualität des Wassers war nicht

befriedigend. Nach dem Bau des Tiefbrunnens und des Hochbehälters 1998 für die

Verbundleitung Vorderweidenthal - Oberschlettenbach wurde 2007 der Lindelbrunn

an diese Leitung angeschlossen. Damit Dürfte die Wasserversorgung auf dem

Lindelbrunn gelöst sein. Nachdem 1896 im Forsthaus der Wirtschaftsbetrieb

aufgenommen wurde, hat sich der Lindelbrunn zu einem beliebten Wanderziel

entwickelt.

Personalbesetzung auf dem Forstamt Lindelbrunn:

Okt. 1846 - Aug. 1848 Reviergehilfe Stein

Aug. 1848 - Aug. 1858 Forstwart Caspar Iffrich

Aug. 1858 - Apr. 1869 Forstwart Wilhelm Stolz

Apr. 1869 - Dez. 1876 Förster Gustav Cramer

Dez. 1876 - Jan. 1895 Förster Fink

Jan. 1895 - Dez. 1912 Förster Benno Panzer

Dez. 1912 - März 1933 Forstverwalter Heinrich Rösch

März 1933 – 1956 Forstverwalter Adam Hoffelder

1956- 1985 Förster Betsch

1985 – 2005 Förster Osterheld

2005 – 2008 Förster Staufer

2008 wird das Forstamt Lindelbrunn aufgelöst und kommt zum Forstrevier Trifels

beim Forstamt Annweiler.

Das Annweiler Tageblatt vermeidet in der Beilage der Ausgabe vom 1. August 1932:

„Unterm Lindelbrunn, 25 Juli. Still und fast unbemerkt wurde vor einiger Zeit mit

den Erdbewegungsarbeiten für den Neubau des Unterkunftshauses des Hauptvereins

des Pfälzerwaldvereins begonnen. Die Maurerarbeiten sind heute schon bis zum

Erdgeschoß herangewachsen, sie werden so beschleunigt, dass der Rohbau Ausgang

August, Anfang September fix und fertig wird. Bauherr ist der Hauptverein des

Pfälzer Waldvereins, Unternehmer das Baugeschäft Jakob Becker in

Vorderweidenthal. Der Neubau schließt sich unmittelbar an das Forsthaus an.“ Nach

der Fertigstellung hatte zunächst der Förster die Betreuung übernommen. Nach dem

2. Weltkrieg wurde das Cramerhaus erweitert. Ein Pächter übernahm den

Wirtschaftsbetrieb. Der Pfälzerwaldverein hat 2003 das Haus an Fam. Becker

verkauft, die dort eine gut gehende Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeit

betreibt.

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1954 entstand am Fuße des Burgberges eine Herberge für evangelische

Jugendgruppen des Dekanats Bergzabern, nachdem Presbyter Marx Becker ein

Grundstück dafür gestiftet hatte. Das Haus wurde in den vergangenen Jahren immer

wieder modernisiert und erweitert und ist heute eine moderne

Jugendbegegnungsstätte mit 31 Betten.

Verabschiedung des Försters Hoffelder 1955/56

Cramerhaus I960

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Vum Roulschde un Brounerdsegg

Siegfried Vater

Die Flurnamen Vorderweidenthal

und ihre sprachliche Bedeutung

Einleitung zur Sprachgeschichte

Könnten Flurnamen reden, hätten diese viel zu erzählen, von alter Kultur und

Geistesgeschichte, von den Wurzeln unserer Sprache bis in die fernste

Vergangenheit einer über 5000-jährigen Wort- und Begriffsentwicklung der

Menschen. Veränderungen der Sprache vollziehen sich langsam über Jahrhunderte,

Wortwurzeln können gar Jahrtausende alt sein. So stellt sich hierbei auch die Frage

unserer Identität: wer sind wir und woher kommen wir?

Über die Jahrtausende alte Wortwurzeln werden weite historische

Kulturentwicklungen ersichtlich, von alteuropäischen Vorzeiten über die

indogermanischen Sprachen der Bronzezeit (ca. 2000 - 800 v. Chr.) Zu den antiken

Sprachen der Kelten, Römer und Germanen. Nach 500 n. Chr. wurden die beiden

ersten in unserer Heimat zusehends vom altfränkischen abgelöst, einer germanischen

Vorgängersprache des Deutschen.1

Ersichtlich wird dies in den Literaturtexten des Mönches Otfrid von Weißenburg (ca.

800 - 870 n. Chr.), welcher unweit von Vorderweidenthal im damals zum Speyergau

zählenden Kloster an der Lauter wirkte. Dessen Schriften gelten unter anderem als

eines der frühesten Zeugnisse der altdeutschen Volkssprache (theodiska lingua).

Die deutsche Sprachentwicklung wird in drei große Epochen eingeteilt, dessen

Kürzel in den Flurnamentexten ständig erscheinen:

ahd = Althochdeutsch ca. 700 - 1100 n. Chr.

mhd = Mittelhochdeutsch ca. 1100 - 1500 n. Chr.

nhd = Neuhochdeutsch von 1500-heute.

Erste Bemühungen, die eigene Volkssprache zu fördern, gab es schon unter Kaiser

Karl dem Großen (768 - 814). Zu seiner Zeit entstand der latinisierte Begriff

theodiscus für die auch von ihm gesprochene Volkssprache, im Gegensatz zu

Latein.2 Seit dem 9. Jhd galt theodisk als die Sprache der Ostfranken und wurde

später auch auf das Land übertragen in dem sie lebten. Aus theodiscus entwickelte

sich das Wort deutsch.3

Die südrheinfränkische Mundart des theodisk bezeichnete Mönch Otfrid als

frenciska zungün (fränkischen Zungenschlag): „So wir nu begunün in frenciska

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zungün.“ Er begründete den Gebrauch seiner Heimatsprache unter anderem auch

damit, dass sie den „Edelzungen der Antike“ ebenbürtig sei. Die Franken den

Waffentaten der Römer keineswegs nachstünden. Seinem König, Ludwig dem

Deutschen (842 - 871), verfasste er ein Preislied der Franken - (Otfrid war zeitweise

Mitglied der Reichskanzlei) -: Hier hob er hervor, dass sein Volk fleißig, ordentlich

und tapfer sei, keinen fremden König über sich duldete, es sei denn er sei Franke!

Als Mönch fragte er: warum sollen denn die Franken Gottes Lob nicht in ihrer

Sprache verkünden dürfen. So entstand seine Evangelienharmonie in damaligem

Südrheinfränkisch (um 870 n. Chr.), eine Abhandlung über Leben und Wirken des

„Krist“ dem Heiland der Menschen.

Diese „frenciska zungün“ in welcher Otfrid schrieb, gilt als Vorgängermundart auch

des Südpfälzischen. Viele seiner Wörter zeigen deutlich Parallelen zur heutigen

Mundart z.B. altfränkisch: pad, südpfälzisch Padd, altfränkisch: zetten, südpfälzisch

(ver)zettle, altfränkisch: Pluag, südpfälzisch: Plugg, altfränkisch: Pending, südpfälz.

Penning und viele mehr.4

Sprachforscher bestätigen also der Pfälzer Mundart ein hohes Alter, diese ist bis

heute ein Teil der Identität seiner Menschen geblieben.

Auch für Martin Luther war im 16. Jhd bei seiner Bibelübersetzung ins Deutsche die

Volkssprache Vorbild, was sein Zitat: „Man muss nicht die Buchstaben in der

lateinischen Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern muss die Mutter

im Hause (daher Muttersprache), die Kinder auf den Gassen, den Mann auf dem

markt darum fragen und demselben aufs maul schauen,“ uns anschaulich beweist.

Diese Verbundenheit mit seiner Sprache, Landschaft und Geschichte, seinem Volk

und seinen Vorfahren bezeichnen wir oft als Heimat. Sie drückt sich aus in

Hoffnung, Verantwortung, Sehnsucht und Erinnerung. Das Vaterland als

Territorium ist zwar zerstörbar, dies zeigt die 1100-jährige deutsche Geschichte oft

deutlich. Das geistige Vaterland ist aber unzerstörbar, so lange es vom Willen seiner

Menschen getragen wird. Dies lehrt die Geschichte vieler Völker.

Erstmals wurden die Flurnamen Vorderweidenthals mit Mundartausdruck erfasst,

kartiert und gedeutet. Dies soll nicht der „Weisheit letzter Schluss“ sein, sondern den

Stand der Ermittlungen auf gegenwärtiger Grundlage wiedergeben.

Mein besonderer Dank gilt hierbei den Herren Lothar Wagner und

Ortsbürgermeister Arthur Helfer, welche die Arbeit tatkräftig unterstützten und

hilfreich begleiteten. Möge der Leser Spaß und Interesse an der Ausarbeitung finden.

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Die auf der Flurkarte eingezeichneten Ziffern verweisen zu den Gewannennamen

und den Erläuterungen zum Text

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Karte: Verbandsgemeinde Bad Bergzabern

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Flurnamen:

1.. Im Thal östlich

Vo.Vw.: Im Dahl

Bei Flurnamen im Tal (ahd, mhd. tal) handelt es sich um in Talmulden oder

Bodenvertiefungen liegende Grundstücke.5 Das Wort Tal ist ein uraltes Wort

germanischer Herkunft mit einer indogermanischen Lautwurzel für eine

(Gelände)Wölbung.6

2. Zu Dorf am Dorf östlich

Vo. Vw.: Dorf

Benannt nach der Lage in Nähe des Dorfes oder im früher eingefriedeten

Dorfbereich.7

3. Frohnäcker im Dorföstlich

Vo. Vw.: Frachägger

Zu mhd. vron = herrschaftlich, den Herren dienen. Erinnert an

herrschaftlichen Grundbesitz oder Äcker auf denen Frondienst geleistet

wurde.8

4. Saugarten am Ort westlich

Vo. Vw.: Saugarde

1733 „In den Saugärten“ (Christm. FAK)

Bis Ende des 20. Jhd war das Schwein noch Weidetier und vom Sauhirt auf

seinem Weidestrich durch die Gemarkung begleitet. Der Saugarten diente der

Schweineherde als Weideplatz oder war Schweinekoppel evtl. mit

Sonderfunktion (Ferkelaufzucht, Suhle).9 In alter Zeit bezeichnete man mit

Garten nicht nur den Hausgarten sondern auch Sondernutzungsgebiet im Feld

(Wein-, Kraut-, Flachs-, Obstgarten etc.) hier ein „ Saugarten.“ Diese waren

meist gesondert d.h. eingezäunt und unterlagen oft rechtlicher Sonderstellung

z.B. ohne Flurzwang.10

5. Am Mühlrech nordwestlich

Vo. Vw.: Miehlrech

Bezeichnet die Lage bei einer Mühle. Das Wort Mühle gelangte als

spätantiker Fachbegriff in die deutsche Sprache (lateinisch molina, ahd

mulin, mhd mül) als die Germanen die Wassermühle ausromanischen

Gebieten kennenlernten.11 Rech ist ein pfälzisches Wort für einen

grasbewachsenen Abhang und auf altfränkisch Rek = Reihe, Grenze, Abhang

zurückzuführen. Altfränkisch war die Sprache der germanischen Franken und

findet sich noch heute in Mundartwörtern aus ihrem ehemaligen

Siedlungsgebiet (z.B. der heutige Ort, reques, aus altfränkisch Rek, im pas de

Calais).12

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6. In der Schelmendöll nordwestlich

Vo. Vw.: Schelmedell

Benannt nach einem Verscharrungsplatz für verendetes Vieh, ahd scelmo -

Seuches, mhd schelme, Aas, toter Körper, Verbrecher.13 Der Begriff Schelm

hat sich über die Jahrhunderte verharmlost, von verendeter, kranker Körper,

Verbrecher, Verräter zu Narr, scherzender Mensch (ab 19. Jhd).14 Mit Döll ist

eine alte Schriftformverfeinerung von Delle gemeint, nhd delle = flache,

kleine, rundliche Vertiefung, aus mhd teile = Schlucht, hier auf das Gelände

bezogen.15

7. Im Schützenbüschel nordwestlich

Vo. Vw.: Schitzebischl, Kerchheld

Ein Waldstück, welches dem Feldhüter, mundartlich de Schitz, zur

Nutznießung zur Verfügung stand.16 Von ahd scuzzio = Schießender,

Bogenschütze, mhd schütze Armbrust-, Büchsenschütze, Wächter. Das Wort

entstand als germanische Ableitung aus schießen.17

Von ahd buskillin, buskila, mhd büschelin, büschel - Waldstück, kleiner

Wald, Busch. Noch heute heißt der Wald, meist Nieder- oder Bauernwald in

pfälzischer Mundart Bosch. Die Wortherkunft ist altfränkisch. Der

Flurnamensforscher Theodor Zink bemerkte, dass germanische Franken das

Wort im spätantiken Gallien verbreiteten und es so auch ins Französische

gelangte, (altfranzösisch bos, französ.: bius = Wald( stück) Holz, Baum.18

8. Am Wingertsberg nördlich

Vo. Vw.: Wingertsberch

Es sei betont, dass bis ins 20. Jhd in nahezu jedem Ort im Wasgau Weinbau

betrieben wurde, davon zeugen die hier oft vorkommenden Flurnamen

Wingertsberg. Wingert ist Sprachkürzel für Weingarten, (ahd wingarto, mhd

wingarte) Seit Martin Luthers Bibelübersetzung ins Deutsche findet im

Schriftdeutschen Weinberg Verwendung. In Mundart finden sich jedoch stets

die älteren Bezeichnungen Wingert oder Weingarten.19

9. Am Döllenpfad nördlich

Vo. Vw.: Döllepadd

Wortdeutung Döll (Dell) siehe Nr. 5 Schelmendöll. Pfad der zur Döll führte.

Der Ursprung des Wortes Pfad entspringt der ältesten möglichen

Sprachwurzel vor über 5000 Jahren für einen nicht befahrbaren Weg. Das

von den Westgermanen übernommene Wort findet sich auch im

Südrheinfränkischen als pad (9. Jhd Otfrid von Weißenburg). Hier ist ein

Fußpfad gemeint.20

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10. Gotteskindacker nördlich

Vo. Vw.: Goddeskindsagger

Hier handelt es sich um einen Acker, der einer Familie namens Gotteskind

gehörte.

11. In den Neugärten östlich

Vo. Vw.: Neigärde

Mit neu bezeichnete Flurstücke, hier Gärten, beziehen sich auf neu angelegte,

die also später als ältere gerodet oder urbar gemacht wurden.24 Neu als

Gegensatz zu Älterem. Wortherkunft Garten siehe Nr. 4, Saugärten.

12. In den Pitzenäckern östlich

Vo. Vw.: Pitzeägger, im Dahl

Die Dorfgemarkung war anfänglich in Almend, (Allgemeingut) und Bitz

(gesondertes Individualgut) eingeteilt. Bitz ist Sprachkürzel aus ahd bizüna,

mhd bizüne = eingezäuntes Grundstück. Dies sind meist ertragreiche

Grundstücke oder Gärten in Ortsnähe, oft auch als Pfütze entstellt, haben aber

begrifflich nichts damit zu tun.25 Mit Acker war zuerst nahrungsbringendes

Land, seit dem späten Mittelalter dann das jährlich umgebrochene Pflugland

gemeint, (germ. akra, ahd ackar, mhd acker)26

13. In den weißen Steinäckern östlich

Vo. Vw.: In de Weiße Sdähägger, Im Dahl

Das Adjektiv weiß kann sich allgemein in Flurnamen auf einen markanten

weiß -hellen Anzeigerstein (Grenzstein, steinernes Kreuz etc.) beziehen oder

auf einen Besitzer (Kloster Weißenburg, Weißensteiner Hof etc.) bzw. den

Weizen.27 Da das Gelände nicht steinig ist wäre der Begriff Stein auch auf

den nahen Rödelstein (siehe Nr. 43) zu beziehen.

Wortherkunft Acker siehe Nr. 12 Pitzenäcker.

Näheres wäre nur über weitere Belege zu ergründen, die aber fehlen.

14. In den Sandäckern östlich

Vo. Vw.: Sandägger

Äcker, benannt nach ihrem sandigen Boden.28

15. Am Unger östlich

Vo. Vw.: in de Unger

Der Flurname Unter, speziell in der Südpfalz Unger, 29 leitet sich von ahd

untarn, mhd unter, her. Hiermit ist der Mittagsrastplatz für das Weidevieh

gemeint, 30 meist schattig, am Wasser gelegen. E. Christmann verweist auf

die besondere Häufigkeit des Flurnamens im südwestdeutschen Sprachraum

„von Lothringen/Luxemburg bis Hessen.31

Im pfälzischen Sprachausdruck ist „unter Mittag“ für Mittagsruhe noch bis

heute geläufig.

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16. Am Sandwögel östlich

Vo. Vw.: Sandwechel

Kleiner Woog (Stauweiher) in sandigem Gelände. Wortherkunft Woog siehe

Nr. 17 Steinwoog.

17. Am Steinwoog östlich

Vo. Vw.: Sdähwooch

Woog ist ein Wort für Weiher, Stauweiher (ahd/mhd wac = See, Wasserflut,

nhd Woog). Das Wort leitet sich vom bewegen des Wassers her.32 Der Woog

befand sich unterhalb des Rappenfelsens, nach älterer Auffassung ein Stein

(vgl. Röthelstein, Stein im Nachbardorf Stein, Berwartstein etc.)

Wortherkunft Stein: Mit Stein meinten unsere Vorfahren noch etwas Großes

von Grenzsteingröße an aufwärts bis zu Felsen auf welchen Burgen standen

wie z.B. der Berwartstein oder hier der Rappenfelsen.

18. In den Schafwiesen nordöstlich

Vo. Vw.: Schoofwisse

Der Flurname bezieht sich auf ehemalige für Schafe bestimmte Weideplätze.

Bis ins 19. Jhd hatte praktisch jeder Ort seinen Schäfer mit Schafherde. Um

z.B. Flurschäden zu venneiden wurden diesen bestimmte Wege und

Weideplätze vorgeschrieben.33 Wortherkunft Wiese siehe Nr. 19 An der

steinigen Wiese.

19. An der steinigen Wiese nordöstlich

Vo. Vw.: an de stähnich Wiss (Christm. FAK)

Benennung nach der Bodenart.

Zur Wortgeschichte von Wiese: Schon die älteste indogermanische

Hochkultur, das Hethiterreich, kannte ein Wort „wesi“ für Viehweide. Auch

in den germ. Sprachen meint Wiese stets feuchtes Grünland. Seit dem

Mittelalter ist im deutschsprachigen Bereich mit Wiese (ahd wisa, mhd wise)

speziell die Mähwiese, statt des beweideten Grünland bezeichnet.34

20. An der -, In der Lochwiese, - Lochborn nordöstlich

Vo. Vw.: in de Lochwisse, - Lochborne

Von ahd loh, mhd loch - Gebüsch, Gehölz, Grenzwald, nicht selten zur

Eichenlohegewinnung, ausgesprochen: die L∞ch.35

Lochwiesen und Lochborn lagen nahe des Waldes oder es wurde dort Lohe

gelagert. Bemerkenswert ist, dass sich das mittelalterliche Wort „die Looch“

noch in pfälzischer Mundart erhalten hat.36

Unsere fränkisch-germanischen Vorfahren sagten zur Quelle ahd bronne oder

brunne. Durch Lautverschiebung (r-Umstellung: bronn - born) wurde im

Mittelalter auch in unserer Heimat daraus mhd born. Seit dem 16. Jhd

entwickelte sich die Lautung wieder zu nhd brunn zurück, daher in alten

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Flurnamen die Quelle noch als Born bezeichnet.37

Wortherkunft Wiese siehe Nr. 19 An der steinigen Wiese.

21. Am Eichenbühl östlich

Vo. Vw.: Am Ächebeel

1733 „am Eichenbiel“ (Christm. FAK)

Von ahd eicha, mhd nhd eiche aus germ. aik in Flurnamen auf den Bewuchs

mit Eichenbeständen bezogen.38

Der mächtige, Jahrhunderte überdauernde Eichbaum galt nicht nur Germanen

und Kelten, auch Römern, Griechen und Slawen als heilig, sicher auch wegen

seines wirtschaftlichen Nutzens für den Menschen (Holz, Rinde,

Mastfrüchte). Ab dem 18. Jhd wurde die Eiche nicht nur als deutsches

Sinnbild verehrt, auch zur Zeit der Französischen Revolution galt sie als

Freiheitsbaum schlechthin.39

Bühl, Behl, Bohl bedeutet soviel wie kleiner Berg, Anhöhe, zu ahd buhil,

mhd buhel. Das Wort wurde einst in der deutschen Sprache viel verwendet

ist aber in neuhochdeutscher Schriftsprache ausgestorben, in vielen

Siedlungs- und Flurnamen aber noch vorhanden.40

22. In den Benzengärten östlich

Vo. Vw.: Bänsegärde

Diesem Gewannennamen liegt mhd binz, binez = Binse zugrunde, welche

hier auffällig wuchsen. Die Vokalsenkung Binz-Benz entspricht typisch

südpfälzischer Mundart wie z.B. spielen (speie), Mist (Meschd etc.). 41

Wortbedeutung Garten siehe Nr. 4 Saugarten.

23. Auf der -, Im -, Am Steig, Steigenäcker, - teich östlich

Vo. Vw.: d-Sdääch

1733 „uff der Steigen“ (Christm. FAK)

Von mhd steige = steiler Pfad, Weg, Straße, Anhöhe. Der Name weist auf

Steiggelände an einem Weg hin. Im Pfälzischen mittlerweile durch Stich

ersetzt und nur noch in alten Flurnamen oder Redewendungen wie „d-

Schdääch nuff“ vorhanden.42

Den Mundartbegriff Deich, wie oben das Steigendeich, für einen länglichen

Geländeeinschnitt ohne Bach (pfälzisch das Deich) gibt es im

Schriftdeutschen nicht, weshalb derselbe meist als Teich (wie oben)

geschrieben wird aber mit einem tatsächlichen Teich nur selten etwas zu tun

hat.43 Das Wort Deich ist niederdeutscher Herkunft und entstand aus mhd

diche, tiche für den ausgestochenen Dammgraben. Aus dem Graben bildete

sich in Hochdeutsch der Teich, aus dem Damm der Deich.44

In der Pfalz hat sich aber die ältere Begriffsform länglicher (grabenförmiger)

Taleinschnitt erhalten. So ist das pfälzer Deich etwas ganz anderes als der

hochdeutsche Deich oder Teich. Das Deich, meist in

Wortzusammensetzungen, ist im Wasgau ein häufig vorkommender

Flurname.

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24. Treiberstal nordöstlich

Vo. Vw.: Dreiwersdahl

Der Flurname bezieht sich auf mhd triben = wenden, treiben, aus ahd triban.

Offenbar beziehen sich die Benennungen auf den Viehtrieb durch den Hirt

oder Treiber, welcher durch das Tal erfolgte.45 Auch der Familienname

Treiber ist möglich. Das Wort Tal ist gemeingermanischer Herkunft (germ.

dala, ahd/mhd/ nhd tal, vgl. auch niederländisch und schwedisch dal sowie

englisch dale) Aus einer indogermanischen Sprachwurzel für die

Geländewölbung.46

25. Am Güterweg nordöstlich

Vo. Vw.: Giederwääch

Ein Weg auf dem Güter zur Burg Lindelbrunn transportiert wurden.

Wortherkunft Weg siehe Nr. 31 Am Wegweiser.

26. Am Sechzehnten nordöstlich

Vo. Vw.: Sächzehner

Mit Zahlen benannte Flurstücke sind gerne nach ihrer ehemaligen Größe in

Morgen benannt. Hier kann es sich allerdings auch um eine ehemalige

Abgabenmenge der Feldfrüchte handeln, wie beim Zehnten.

27. Im Langenthal am Weg nordöstlich

Vo. Vw.: Im Langedahl am Wääch

1733 „ vor dem Langenwalde“ (Christm. FAK)

Ackerstücke am Tal welche nach seiner langgezogenen Form benannt sind.47

Wortherkunft Weg siehe Nr. 31 Am Wegweiser.

28. Am Prangerseck nordöstlich

Vo. Vw.: Brounerdsegg

Von ahd phragina (aus indogermanisch brank = einschließen, -engen) mhd =

phrange, phrenge - Einschließung, Beschränkung, Beengung, Drangsal,

Streit. Das Wort germanischer Herkunft (z.B. gotisch: anapraggan =

bedrängen, englisch: to prangle - drücken) bezieht sich im Flurnamen auf ein

eng verwinkeltes Hakenstück der Gemarkungsgrenze gegen

Oberschlettenbach. Auch der Name „Am Pranger“ in der Altstadt Annweilers

bezieht sich auf die sehr enge Bebauung, nicht auf einen Prangerpfahl Holz,

wie neuerdings festgestellt wurde.48

Mit Eck oder Winkel werden abgelegene, kleinere Endstücke an Wegen,

Bächen, Bergen oder Grenzstücke einer Gemarkung bezeichnet. Mhd eck(e)

= Spitze, Kante, Winkel. Das ältere Wort für Ecke war Winkel (ahd triwinkili

= Dreieck) da vor dem 13. Jhd Ecke (ahd egge) in erster Linie die

Schwertspitze war und sich dann auf andere Gegenstände zunehmend

übertrug.49 Der Flurname Prangerseck scheint sich also im 14. und 15. Jhd

ausgeprägt zu haben.

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29. Im Schafthal nordöstlich

Vo. Vw.: Im Schoofdel

1733 „Im Schoffdell“ (Christm. FAK)

Weideplatz oder -weg der örtlichen Schäferei. Um Flurschäden zu vermeiden

wurden der Schafherde bestimmte Wege oder Weidestücke vorgeschrieben

(siehe auch Nr. 17 Scharwiesen und Nr. 49 Schäfrig.

Wortherkunft Tal siehe Nr. 24 Treiberstal.

30. In der Halde nordöstlich

Vo.Vw.:I n de Hald

Der Flurname geht auf ahd halda (aus germanisch haltha = zugeneigt,

schräg)50 mhd/nhd halde = Abhang zurück und beschreibt seine Lage am

Bergabhang.51

31. Beim Wegweiser nordöstlich

Vo. Vw.: Am Wäägweiser

Flurgelände an einem alten Wegweiser. An Wegweisern kreuzten sich des

öfteren auch Altstraßen.

Weg und Straße: Weg ist die Hauptwortbildung von weg, aus mhd enwec

(vgl. englisch away bzw. mundartlich eweg) für den Ort aus dem sich etwas

entfernt, (germanisch wega, ahd/mhd wec). Gleicher indogermanischer

Sprachwurzel entstammt auch lateinisch via (via - strada = mit Steinen

ausgelegter Weg, Fläche). Das deutsche Wort für Straße war Weg. Deshalb

heißen viele Altstraßen noch Weg. Erst durch den Straßenverkehr des 20. Jhd

drängte das Wort Straße das Wort Weg auf lokale, unbefestigte Nebenwege

zurück. Wir erkundigen uns heute aber immer noch nach dem Weg zum

Zielort, obwohl die Straße dorthin meinen. Das Wort Straße gelangte vor ca.

2000 Jahren aus dem Lateinischen ins westgermanische (strada) und ist in

ahd strazza für den breiten, befestigten Fernweg überliefert.52

32. Im Woppernthal nordöstlich

Vo. Vw.: Wooberndahl

Aus mhd wapenen (gesprochen: wopenen)) = rüsten, bewaffnen. Wappen

war anfänglich das Zeichen auf Waffen, wozu auch Schild, Fahne und

Rüstung zählte. Eine Trennung des Begriffs Wappen (Schildzeichen) und

Waffen (Kampfgerät) begann erst im 16. Jhd.53

Wortherkunft Tal siehe Nr. 24 Treiberstal.

33. In den Spitzäckern nordöstlich

Vo. Vw.: in de Schbitze

Äcker von spitz zulaufender Form.54

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34. Auf dem Brett nordöstlich

Vo. Vw.: uff em Brädd

Südlich Annweiler Landau wurden über 50 Brett-Flurnamen ermittelt. Es

sind ihrer Umgebung gegenüber höher gelegene, auffällig ebene Flurteile

(breit-eben). Die gleichen Flurteile werden weiter nördlich von uns Platte

genannt.55

35. Im Neufeld nordöstlich

Vo.Vw.:ImNeifeld

Neu angelegtes Ackerfeld, das heiß t durch Rodung oder urbar machen später

als umliegendes Kulturland entstanden ist.56 Das westgermanische Wort Feld

bezeichnet anfänglich eine begrenzte, relativ ebene und (wild) bewachsene

Fläche, im Gegensatz zum dichten Wald. Feld bezog sich bei unseren

Vorfahren auf ganze Landstriche (Maifeld, Wormsfeld), bezeichnete dann

die unbewaldete Mark (Minfeld, Hainfeld) dann Gemarkungsteile (Ober-

Mittel-, Niederfeld) oder, wie oben. Gewannen. Bis ins 19. Jhd wurde die

Bezeichnung immer kleiner (Acker, Beet). Doch wenn wir Pfälzer sagen: „de

Bauer esch im Feld“, so verstehen wir das noch so wie unsere germanischen

Ahnen: irgendwo im Feld des Dorfes, nicht im Wald.57

36. In den Pfalzäckern, In der Pfalzgewann nordöstlich

Vo. Vw.: Palsäcker Palsgewann

Ehemals zu einem kurpfälzischen Besitz oder Hofgut gehörende

Gemarkungsteile. Das Wort Gewanne leitet sich von der Pflugwende her.

Nach dem Pflügen der Längsfurchen wurde der Pflug Gewendet um die

Anwende quer zu Pflügen. Ähnliche oder gleichwertig liegende Äcker

wurden dann als entsprechende Gewanne zusammengefasst58 (mhd gewende,

ahd giwanta).

Wortherkunft Acker siehe Nr. 12 Pitzenäcker.

37. In den Plankenäckern nordöstlich

Vo. Vw.: Blangeägger

Blank im Sinne von hell, glänzend, weißlich, bloß, rein, leer kommt hier wohl

weniger in Betracht, 59 es sei denn man bezieht dies auf den Rodungsvorgang,

auch Blank(e) in der Bedeutung mhd planke = dickes, langes Brett,

Lattenzaun60 dürfte kaum zutreffend sein. Der Flurnamensforscher Prof. E.

Christmann sieht hier die Benennung nach einem bekannten

Personennamen.61

Blank wurde in alter Zeit gerne auch als Zuname benutzt. (z.B. die Ritter

Anselm † Johann, die Blanken von Ingenheim).

Wortherkunft Äcker siehe Nr. 12 Pitzenäcker.

38. Im Kapellenfeld nordöstlich

Vo. Vw.: Kabällefeld

1754 „Kapellenplatz“ (Christm. FAK)

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Feldstücke die bei oder zu einer Kapelle (ahd kappela, mhd kappel)

gehörten.62

Wortherkunft Feld siehe Nr. 35 Neufeld

Wortherkunft Kapelle: In der Wortgeschichte von Kapelle spiegelt sich

abendländische Kulturgeschichte wieder: Das Wort leitet sich aus der

Verkleinerungsform des Kapuzenmantels St. Martins her, lateinisch cappella,

eine wichtige Reliquie im Merowingerreich (ca. 500 - 700 n. Chr.) und

darüber hinaus bis heute. Überall im Fränkischen Reich entstanden Kirchen

mit speziellen Andachtsräumen für den Nationalheiligen des Königshauses,

symbolisiert durch die Mantelreliquie, die cappella. Die

Reliquienbezeichnung wurde so ab dem 7. Jhd n. Chr. auf diese Orte und

Gebäude übertragen und dann auf kleinere Kirchen allgemein. Die Kapelle

war geboren. Die Zur Schau Stellung des Heiligenmantels war mit Musik und

Gesangsritualen von Mönchen begleitet, so entstand eine neue Familie von

Wortbegriffen., die Musikkapelle, a. cappela etc.63

39. In der Gerstenohnung nordöstlich

Vo. Vw.: In de Gerschdeahnung

1944 „Gerstenöhmung“ (Christm. FAK)

Hier handelt es sich um ehemals langgezogene, terrassenförmige

Grundstücke im mageren Boden, wo nur Gerste oder Hafer gediehen ahd

agana mhd agene, ane = Spreu, Abfall von Ähren (Zernecke S 48f). Evtl. auch

Ährenstachel und Spreu als Düngung oder Emer, Emmer = Sommerdinkel

(Fl. BW. S 59).

Anhand der vorliegenden Belege lässt sich der Name nicht sicher deuten.

40. Hinter dem Schloß , Schloßberg nordöstlich

Vo. Vw.: Hinnerm Schloss

Seit dem 13. Jhd werden im deutschsprachigen Raum auch Burgen als

Schlösser bezeichnet (Wortfamilie schließen). Im Hochdeutschen engte sich

das Wort zur Vorstellung des unbefestigten Renaissance-Prachtbaus ein. In

Mundart wird aber die alte Bezeichnung von Schloss für Burg noch bis heute

verwendet, hier Burg Lindelbrunn.64

41. In den krummen Äckern nordöstlich

Vo. Vw.: grumme Ägger

Flurstücke welche nach ihrer gekrümmten Gestalt ahd/mhd krump benannt

sind.65 Das Wort Acker entstammt der germanischen (germanisch akra, ahd

ackar, mhd/nhd acker). Es war ursprünglich das Weideland außerhalb der

Siedlung, dann alles Land was Nahrung eintrug, Weide und Feld. Ab dem

Mittelalter das umgebrochene Stück Pflugland, daher tragen in dieser Zeit

entstandene Gewannen gerne die Nachsilbe Äcker.66

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42. Am Lindelbrunn, Lindelbrunnerhof nordöstlich

Vo. Vw.: Linnlbrunn

1252 „Lindelbolle“

1450 „Lindelborn“

1463 „Lindelburn“

1525 „Lindenbronn“

16./l 7. Jhd „Lindelbrunn“

Der Name leitet sich von der kegelig abgerundeten Form des Burgberges her,

der (vermutlich) mit Linden bewachsen war.67 Der Name Lindelborn scheint

eine alte Verschreibung zu sein, das sich der Lautgeschichte entsprechend zu

Lindelbrunn entwickelte. Von ahd bolla, mhd bolle, nhd/mundartlich Boll für

Kugelförmiges auch Schalengefäß (Scheppboll, Millichboll, Knollen,

Gaulsbolle etc.). Seit altfränkischer Zeit wird mit boll(a) ein rundlich,

bauchiger Gegenstand bezeichnet.

Unsere fränkisch-germanischen Vorfahren bezeichneten rundliche Anhöhen

gerne als Boll(a), ahd bolla, mhd bolle. Erinnert sei an einen Bergzug

zwischen Hinterweidenthal und Wilgartswiesen mit „Große, Spitze, Breite

und Mittelboll“. Als man nach 1500 n. Chr. das Haupt als Kopf bezeichnete

übertrug man das bald auch auf Berge so dass manche alte Boll als Anhöhe

fortan Kopf hieß. In alter pfälzischer Mundart blieb aber das Wort noch

geläufig, man denke an „Millichboll, Scheppboll und Gaulsbolle“.68

Zur Wortgeschichte born brunn siehe Nr. 20 Lochborn.

43. Im Langenthal, Langenthaler Hald nordöstlich

Vo. Vw.: Im Langedahl

1530 „von dem langen Walde“ FAK

Deutung siehe Nr. 26 Im Langenthal am Weg.

Halde siehe Nr. 29 In der Halde.

44. Am Rötelstein nördlich

Vo. Vw.: Roulschde

Der Rötelstein besteht aus auffallend rotem Bundsandstein, so dass eine

Benennung danach naheliegt.69

45. In der Kammerdöll nördlich

Vo. Vw.: Kammerdell

1733 Kammerdöll, „Herrschaftliche Rothbüsche“ (Christm. FAK)

Wie aus oben angeführtem Beleg hervorgeht bestanden in der „Kammerdöll“

herrschaftliche Rothbüsche.70 Dies war eine alte Wirtschaftsmethode, bei

welcher der Niederwald gerodet, wobei die Stümpfe im Boden blieben und

dazwischen anspruchslose Frucht (Gerste, Hafer, Buchweizen) gepflanzt

wurde. War der Boden ermüdet wurde der Niederwald wieder aufwachsen

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gelassen und beweidet bis zum nächsten Turnus (Wald, Feld, Weide).71

Die Grundstücke wurden von einer herrschaftlichen Kammer verwaltet, hier

vermutlich die kurpfälzische Hofkammer und an deren Nutzer vergeben,

daher der Name.

Wortherkunft Döll siehe Nr. 6 Schelmendöll.

46. In der Kirchhalde nördlich

Vo. Vw.: Kerchheld

Mit Kirch gebildete Flurnamen gehören zum Gut einer Kirche oder lagen in

ihrer Nähe.72

Wortherkunft Halde siehe Nr. 29 In der Halde.

47. In der Klamm nördlich

Vo. Vw.: In de Glamm

1733 „am Clahmenacker“ (Christm. FAK)

Mit Klamm ist gewöhnlich eine Bergschlucht gemeint.73 Hier bezieht sich

klamm jedoch auf die klammen Bodenverhältnisse, also Land von schlechter

Bodengüte, sandig mit felsigem Untergrund.74

48. In den Buckeläckern nördlich

Vo. Vw.: Bugglägger

An einem Geländebuckel liegende Äcker. Das Wort Buckel (ahd buckula,

mhd Buckel) ursprünglich der Schildknauf des Kriegers, dann die

aufgeblasene Backe und der krumme Rücken. Seit dem 16. Jhd übertrug man

die Form auch auf Geländeteile.75

Wortherkunft Acker siehe Nr. 41 Krummäcker.

49. Im Schäfrig nördlich

Vo. Vw.: Schefrich

Aufenthalts- oder festgelegter Ort für den örtlichen Schäfer mit Schafherde.

Um Flurschäden zu vermeiden wurden Schafe bestimmte Weideplätze und

Wege zugewiesen. (vgl. Nr. 18 Schafwiesen)

50. An-, In der Kleisterbach - Halde nordwestlich

Vo. Vw.: In de Gleischderbach

Diese Gewannennamen beziehen sich auf die klebrig, anhaftende Bodenart.

Von mittelniederdeutsch Klister - anhaftender Gegenstand, Klebstoff.76

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51. In den Brühlwiesen westlich am Ort

Vo. Vw.: In de Brielwisse

Um 1530 „an des Stifts bruel“ (Grimm Weisth. V, S.545)

Fast jede Dorfgemeinschaft hatte ihren Brühl, er war meist im Besitz

geistlicher Herren (siehe oben). Brühl ist eine der ältesten Flurnamen die wir

kennen. Seine Wortgeschichte lässt sich bis in die vorrömische Keltenzeit

(vor 50 v. Chr.) als breigilo erschließen. In der Römischen Zeitepoche finden

wir das Wort als lateinisch brogilus, danach gallo-romanisch brogilo. Es

bedeutete umzäuntes Gehölz, Wild-, Viehgehege. Die germanischen Franken

lernten das Wort im gallo-romanischen Sprachraum kennen und verbreiteten

es über ihren Herrschaftsbereich zur Merowingerzeit. Etwa seit den 7. Jhd n.

Chr. wandelte sich seine Bedeutung mit Ausweitung der Grundherrschaft

zum heutigen Begriff Herrenhofwiese ahd bruil, bruhil, mhd bruwel,

bruehel). Oft lag der Brühl bei oder nahe eines Herrenhofes, nicht selten

eingezäunt, da er rechtliche Sonderstellung hatte. Dies zeigt noch oft das alte

Ortsbild. Noch heute findet man den Flurnamen Brühl verdichtet im

ehemaligen fränkischen Siedelland von Lothringen bis Südhessen. Mit dem

Landausbau gelangte Brühl auch in Ausbaugebiete, wie hier im Wasgau.77

Wortherkunft Wiese siehe Nr. 19 An der steinigen Wiese.

52. Am Kamborn westlich

Vo. Vw.: In de Kambom-wisse

1666 „In den Kammbornwisse“ (Christm. FAK)

Der Name scheint eine Entstellung aus Kammerborn zu sein, so dass es sich

hier ebenfalls um Gelände handelt, welche eine herrschaftliche Hofkammer

verwaltete. (Näheres siehe Nr. 45 Kammerdöll) Oder es handelt sich um

einen Born dessen Wasser über ein Kammrad (Schließverrichtung, Zahnrad)

verteilt wurde.

Wortgeschichte Born siehe Nr. 20 Lochborn.

53. Im oberen Teich westlich

Vo. Vw.: Ewwerschdeich, Owwerschdeich

Dem Mundartausdruck zu Folge handelt es sich hier um ein Geländedeich

(Wortgeschichte Deich Teich siehe Nr. 23 Steigenteich) welches im

Gegensatz zur „Unnerschdääch“ das oberste „Ewwerschdeich“ Deich war.

54. Am Zimbach westlich

Vo. Vw.: Zimbach

1733 in der Zimmbach (Christm. FAK)

1754 Zimmereck, Zimmerwoog (Christm. FAK)

Ehemals Stelle an welcher Holz gelagert oder zugeschlagen wurde,

(germanisch timbja = Holz, ahd zimbar, Bauholz, Holzbau, mhd zimmer,

Holz weiterverarbeiten).78 Ob diese Erklärung zutrifft lässt sich allerdings

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nicht eindeutig feststellen. Das Wort Bach ist germanischer Herkunft für das

fliesende Kleingewässer (germanisch bakja(z), ahd bahi, mhd/nhd bach).79

55. Am Gartenschemel westlich

Vo. Vw.: Am Gardeschäml

1733 „In den gärtem Schemel“ (Christm. FAK)

Mit Schemel werden in der Pfalz Kleinstücke bezeichnet. Zum Beispiel ein

Wingertsschemel (vier Zeilen Rebland), hier die Bezeichnung für

Gartenstücke.80

Wortherkunft Garten siehe Nr. 4 Saugarten.

56. An der Halde westlich

Vo. Vw.: Bäämhald

Hanglage mit Obstbäumen.

Wortherkunft Halde siehe Nr. 30 In der Halde.

Näheres siehe Nr. 62 In der Baumhald.

57. Im Eselsgrund westlich am Ort

Vo. Vw.: Äiselsgrund

Bis ins 19. Jhd war der Esel in der Pfalz als Nutztier gebräuchlich. Das Wort

übernahmen schon die Germanen, aus lat. asellus wurde germanisch asiluz,

ahd esil und mhd nhd esel. Hier kann es sich um Besitz eines Eselhalters oder

Weidegrund für Esel gehandelt haben.81

Mit Grund werden Flurnamen tiefer liegender Flurstücke (Ackergrund)

bezeichnet, aus mild grunt = Talsohle, Bodenvertiefung.82

58. Im Pfarrroth, -busch, -wiese, -wald westlich

Vo. Vw.: Im Parrod, -busch, -wisse, -wald

Die Flurnamen bezeichnen Flurstücke die zum Kirchengut gehörten oder

deren Nutzung dem Pfarrer bzw. der Pfarrei zustand. Von mhd pharre -

Pfarre, Pfarrkirche. Das Pfarrroth bezeichnet ein Rodungsgrundstück, der

Pfarrbusch den Pfarrwald.83

Wortherkunft busch siehe Nr. 7 Schützenbüschel.

59. Am Estelseugen westlich

Vo. Vw.: Eschdlsääche

Der Flurname Estelseugen basiert auf einem mundartlichen Sprachkürzel von

Eschentalseichen (Estel = Eschental wie z.B. Rintel = Rinnthal). Er

beschreibt also ein Tal mit Eschen und nahen Nassstellen. Seiche (mhd sihen)

und Siegen (mhd sigen) gehören ihrer Herkunft und Sachbedeutung nach

zusammen und entstanden aus germanisch sihwan = auströpfeln,

niedertröpfeln, -fließen. In Flurnamen werden damit feuchte, nasse

Geländestellen, wo Wasser, Sickerwasser austritt beschrieben.84

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60. Im Heitzenthal, In der Heitzenthalhalde nordwestlich

Vo. Vw.: Heizendahl

Möglicherweise ist in diesem Flurnamen ein alter Personen- oder

Familienname verborgen. Möglich ist auch mhd heiz - heiß , vielleicht auch

zum Bestimmungswort,

-feld und heiß oder heizen zu stellen.

Ohne weiterführende alte Belege, die fehlen, ist der Flurname nicht zu

deuten.

Wortherkunft Halde siehe Nr. 30 In der Halde.

61. Am Mittelfeld westlich

Vo.Vw.:Middelfeld

Die Gewanne ist nach ihrer Lage zwischen zwei anderen Flurteilen benannt.85

62. In der Baumhald westlich

Vo. Vw.: Bähmhald

Flurname, welcher einen mit (Obst) Bäumen bestandenen Hang = Halde

(Wortdeutung siehe Nr. 30 In der Halde) beschreibt (Streuobstwiese). Das

Wort Baum bezieht sich auf blühen, biegen, wachsen. Im Altgermanischen

wurden zwei Begriffe unterschieden: terwa und baugnaz (Der Biegende,

Wachsende und Standfeste (Treue) Baum). Im Deutschen wurde mit Baum

in erster Linie das lebende Gewächs bezeichnet, im Englischen ist dies

umgekehrt (engl. beam = Balken, Stange). Ein dem Englischen tree - Baum

entsprechendes Wort findet sich noch z.B. als Nachsilbe in Rüs-ter, Wachhol-

der. Aber auch im deutschsprechenden Raum spricht man von einem Heu-

oder Schlagbaum, vergleichbar der englischen Vorstellung.86

63. Im kleinen-, großen Schafthal westlich

Vo. Vw.: Schoofdl

Deutung analog Nr. 29 Im Schafthal

64. Am Rollenborn westlich

Vo. Vw.: Im Rolleborne

Der ursprüngliche Flurname ist hier entstellt. Rollen war eventuell auf älteres

Roten zurückzuführen (mhd rot) falls rötliche Bodenfärbung vorliegt. Der

Flurname kann aber auch auf ursprüngliches Rodenborn, Rodtenborn

zurückzuführen sein, das hieße Born an einem Rod (gesprochen Rodd). Ohne

ältere Belege ist eine sichere Deutung nicht Möglich.87

Wortherkunft Born siehe Nr. 20 Lochborn.

65. Am-, Im Bußenthal, Bußenthal, Bußenthal-Hübel westlich

Vo. Vw.: Busendahl, Busendahler Hewwel

Falls der Flurname keine alte Entstellung beinhaltet, was mangels Altbelege

nicht zu prüfen ist, wäre es, wie der Flurnamensforscher Prof. E. Christmann

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vermutete, nach seiner Richtung benannt. Vom Dorf Vorderweidenthal aus

gesehen Richtung Busenberg. Mit Busenthal Hübel pfälzisch Hewwel ist das

sich anhebende Gelände gemeint.88

66. Im Niederfeld westlich

Vo. Vw.: Nirrerfeld

Benennung nach der Lage, das niedergelegene Feld.

Wortherkunft Feld siehe Nr. 35 Im Neufeld.89

67. Auf der Hart westlich

Vo. Vw.: Uff de Haard

Von ahd mhd hart = Weidewald, Waldweide auch gemeinschaftlich.

Vorwiegend Schweine und Kühe wurden im Mittelalter zur Weide

getrieben.90

68. Am Seckenberg westlich

Vo. Vw.: Seggeberch

Flurnamen mit Seck, Secken oder ähnlicher Bildung verweisen aufstellen aus

dem Sickerwasser aus dem Boden dringt. Von mhd Sihen, tröpfeln,

durchsickern, leichtes fließen und mhd sigen = niederfließen, tröpfeln.

Vergleiche hierzu Nr. 59 Esteiseugen.91

69. Am oberen -, Am Rothenbühl südwestlich

Vo. Vw.: Am Rourebehl

1733 „Am rothenbehl“ (Christm. FAK)

Dem Mundartausdruck zu Folge liegt hier eine Benennung nach der roten

Bodenfarbe (Rotliegendes) vor, mhd rot = rotfarben.92

Möglich ist auch eine ursprüngliche Benennung nach einer mittelalterlichen

Rodung, das Rod.93

Wortdeutung Bühl siehe Nr. 21 Am Eichenbühl.

70. An-, In der Wanne südwestlich

Vo. Vw.: in de Wann

Das Wort Wanne bezog sich anfänglich nur auf die Getreide- oder

Futterschwenge (pfälzisch Winde), ahd wanna, aus lateinisch vannus, welche

die Germanen aus römischer Kultur kennenlernten. Seit dem Mittelalter

bezog man Wanne auch auf längliche Wasserbehälter, später auch auf

Geländeteile. Die Flurstücke liegen in einer wannenartigen Bodensenke.94

71. Am Entenbach südwestlich

Vo. Vw.: Endebach, Endebacherbeschel

Es ist zweifelhaft ob an diesem Bachabschnitt sich tatsächlich Enten

(germanisch anuti, ahd anata, anut, mhd ante, ente) aufhielten. Der

Flurnamensforscher Prof. E. Christmann bezieht den Namen auf das relativ

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nahe Dorfende, welches früher Endenbruch genannt worden sei.95

Ohne weitere alte Belege nicht klar zu entscheiden.

72. Am unteren Teich südwestlich

Vo. Vw.: Unnerschdeich

1733 „im untersten Deich“ (Christm. FAK)

Hier handelt es sich tatsächlich um einen Geländedeich welcher unterhalb des

oberen Teich (siehe Nr. 53), das heißt Gewässerabwärts lag.

73. In den Rohrwiesen südwestlich

Vo. Vw.: Rohrwisse

Dies waren Wiesen (Wortherkunft siehe Nr. 19 An der steinigen Wiese) an

bzw. in welchen gerne Schilf und Rohr wuchsen (ahd/mhd ror = Schilf Rohr,

aus germanisch rauza).96

74. An der Sägemühle, Zur -mühle, -Halde südwestlich

Vo. Vw.: Sähmiel, Sämieler Hald

Die Flurstücke lagen in der Nähe der alten Vorderweidenthaler Sägemühle.

Wortdeutung Halde siehe Nr. 30 In der Halde.

75. Am Mühlteich südwestlich

Vo. Vw.: Mieledeich

Hier ist ein Geländedeich (Wortdeutung siehe Nr. 23 Im Steigenteich) an der

alten Sägemühle beschrieben.

76. Am Rothenhübel südwestlich

Vo. Vw.: Am roure Hewwl

Ansteigendes Flurgelände welches nach seinem rot gefärbten Boden benannt

ist. Hewwel ist die mundartliche Bezeichnung für ansteigendes

Bodengelände, Hügel, hier frühneuhochdeutsch als Hübel bezeichnet.97

77. In den Kreuzäckern südwestlich

Vo. Vw.: Greizägger

Bei den Kreuzäckern handelt es sich um Äcker (Wortherkunft siehe Nr. 41

In den krummen Äckern) an einer Wegekreuzung, an welcher

Möglicherweise in vorreformatorischer Zeit auch ein Heiligenkreuz stand.98

78. Am Untersteich südwestlich

Vo. Vw.: Unnerschdeich

Zur Unterscheidung von einem oberen Deich (vgl. Nr. 53 Oberstdeich)

Untersdeich genannt.

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79. Im Grün Tal, An der Grünfahrt, Am Grün Woog südwestlich

Vo. Vw.: Griedahl, Griewooch, Griefährt

Die Bezeichnung Grün in Flurnamen bedeutet in der Regel zweierlei. Eine

klare Trennung wäre nur über weitere Schriftbelege bzw. Anhaltspunkte

Möglich.

Bei der Grünfahrt dürfte es sich um eine Über- oder Durchfahrt über den

Erlenbach gehandelt haben, dessen Umfeld bis heute noch auffällig grün

bewachsen ist.

Beim Grün Woog (Wortdeutung Woog siehe Nr. 17 Steinwoog) handelt es

sich um einen der vielen Fischweiher auf der Gemarkung Vorderweidenthals.

Grün Tal ist ein Tal nahe des Grien bzw. der Grünstelle. Das Grüneck war

ein wichtiger Grenzpunkt zwischen Weißenburger Mundat und

Klingenmünsterer Gebiet. Zum Zweiten wäre eine Herleitung aus mhd grien

- Kiessand, sandiges Ufer Möglich, welches die Ursache für die frische

Grünstelle war. Das aus dem Altgermanischen stammende Adjektiv grün

(englisch green, niederländisch groen, schwedisch grön) beinhaltet von

Anfang an auch Wachsendes, Gedeihliches, Junges, Unerfahrenes. Im

Deutschen ist schon ab dem 9. Jhd n. Chr. der Bezug aufgrünenden Boden

nachzuweisen.

Mit fahren meinten unsere germanischen Vorfahren jegliche Art der

Fortbewegung, Entfernung (vgl. englisch to fare, schwedisch fara, gotisch

faran, ahd faran, mhd varn). Selbst Siedler oder Neuankömmlinge wurden im

frühen Mittelalter noch als „niuwifara“ bezeichnet.

Im heutigen deutsch ist fahren auf die Fortbewegung mit Fahrzeugen

beschränkt. Aber auch wir Können noch, ganz im Wortsinne unserer

germanischen Ahnen aus der Haut fahren, haben Vor- und Nachfahren oder

uns widerfährt Unrecht und vieles mehr.99

80. Im Kästal südlich

Vo. Vw.: Keesegg, Keesdahl

1733 „ Zum Käs Thaal“ (Christm. FAK)

Von mhd Käs, Kess für einen kleineren Eichenwald. Dieses altfränkische

Wort ist um 1500 n. Chr. in pfälzer Mundart ausgestorben, hat sich aber im

moselfränkischen Dialekt erhalten. Abgeleitet wurde es aus gallo - romanisch

cassanus = Eiche, bzw. cassinus = von Eichen umstanden. Es wurde schon

vor 1500 Jahren, zur Merowingerzeit, in deren westlichen Reichsteil entlehnt

und auch im germanisch sprechenden altfränkischen Sprachraum

Übernommen.100

81. Am Büllwoog östlich

Vo. Vw.: Billwooch

1733 Billdeich, Billwoog (Christm. FAK)

Hier befand sich einst ein Woog (Wortherkunft siehe Nr. 17 Steinwoog) an

welchem oder dessen Nähe sich ein Heiligenstock befand. Dieser wurde

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321

mundartlich kurz Bill oder Bild genannt und von Amtsschreibem zu Büll

„verfeinert“.

Bei unseren Vorfahren war Bild noch von weiterer Vorstellung als heute: ahd

bilidi, mhd bilde -Abbild, Gestalt (daher Bild - hauer), älter auch

Wunderzeichen (z.B. ahd bilwis - Kobold, altfränkisch bilidi =

Schattengebilde).101

82. Im großen-, kleinen Finsterthal südlich

Vo. Vw.: Im Finschderndahl

1733 „im kleinen, finstern Thal“ (Christm. FAK)

Von (germanisch thimsra ahd finstar, mhd finster) für düstere, lichtarme,

unheimliche Orte, ein dunkler Wald, ein enges Tal oder auch dunkler

Boden.102

83. Am Pfaffenwoog südöstlich

Vo. Vw.: Paffewooch

Pfaff (mhd pfaff(e), phaffe) nannte man ursprünglich den Weltgeistlichen.

Pfaff Namen bezeichnen kirchlichen Landbesitz oder Grundstücke allgemein

oder solche welche dem Ortspfarrer zur Nutznießung Überlassen waren. Hier

einen Fischweiher.103

Wortherkunft Woog sieh Nr. 17 Steinwoog.

84. Am Böllerswoog, -wiesen südöstlich

Vo. Vw.: Bellerswooch, Bellerswisse

1733 „ Bellerswoog“ (Christmann FAK)

Hier handelt es sich um Güter die einer Familie namens Beller gehörten.

85. Birkenbuckel südöstlich

Vo. Vw.: Berchebuggl

Von ahd biricha, mhd birke = die Birke, mhd birkin - Stelle, hier ein

Geländebuckel (Wortherkunft siehe Nr. 48 Buckeläcker) mit Birken

bewachsen. Das Wort Birke ist germanischer Herkunft, aus einem

indogermanischen Wortstamm für strahlend, weiß, glänzend. Sie galt von

alters her als Baum der Jugend (Maibaum).104

86. Am Bethof, In den Bethofwiesen südöstlich

Vo. Vw.: Bäthouf

Von mhd bete = Abgabe, diese war ursprünglich vom Grundherrn zu erbitten,

später pflichtgemäß abzuliefern, so vom Gelände, das heute noch Betholz

bzw. Betacker heißt, dazu ist Bethof zu stellen.

87. Im Müllerdöbelsbusch südöstlich

Vo. Vw.: Millerdewlsbusch

1844 „Müllerdöbelsbusch“ (Christm. FAK)

Hier handelt es sich um ein Waldstück (vgl. pfälzisch Bosch — Privat-,

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Bauernwald siehe Nr. 7 Schützenbusch) welches einem Müller namens

Theobald bzw. einem Theobald Müller gehörte, mundartliches Sprachkürzel

aus Müller Theobalds Busch.

88. Im Habergrund südöstlich

Vo. Vw.: Hawwergrund

Ein ehemaliger Ackergrund, in welchem oft Hafer angebaut wurde (ahd

habaro, mhd haber(e) aus germanisch habra).105

89. Im Breitteich südöstlich

Vo. Vw.: Brärääch

Der alte Begriff von Breit beinhaltete auch etwas großes, umfangreiches, weit

ausgedehntes. Hier ist also ein Geländedeich (Wortdeutung siehe Nr. 23

Steigenteich) beschrieben, das von breit, ausgedehnter Form ist.106

90. Am Hirschkopf südöstlich

Vo. Vw.: Herschekobb

Der Waldberg dürfte wohl nach dem Aufenthaltsort des Hirsches

(germanisch herut, ahd hiruz, mhd hirz) benannt sein.107

Der Ausdruck Kopf für eine Bergkuppe ist nicht älter als 400 Jahre. Ältere

Bezeichnungen hießen Berg, Noll oder Boll (vgl. hierzu Nr. 42 Lindelbrunn,

1252 Lindelbolle). Die alte Bezeichnung für Kopf war Haupt. Als nach dem

16. Jhd das Haupt auch als Kopf bezeichnet wurde, Übertrug sich dies bald

auch auf entsprechend geformte Bergteile, zunächst im Sinne einer

umgedrehten Hirnschale verstanden (ahd/mhd koph = Trink-, Hirnschale,

Scheitel, Schopf aus mittellateinisch cuppa = Becher, Schale). Dieses

lateinische Wort Übernahmen schon vor über 1500 Jahren die germanisch

sprechenden Völker als Lehnwort (vgl. z.B. englisch cup = Tasse, Becher).108

91. Am Buchenloch östlich

Vo. Vw.: Bucheloch

Hier handelt es sich um ein tief gelegenes Kesselgelände (Geländeloch)

welches von Buchen (germanisch boko, ahd boucha, mhd bouche) umstanden

war. Unsere Ahnen nutzten Buchenholz auch zum Runenritzen, weshalb eine

Reihe neuer Begriffen entstanden, wie z.B. das Buch (mit Blättern wie der

Baum) oder der Buchstabe.109

92. Im Narrenthal, Narrenthaler Buckel östlich

Vo. Vw.: Im Narredahl

1733 „Narrenborn, Narrenbornwiese, Narrenthal“ (Christm. FAK)

Mit Narr, Narren gebildete Flurnamen sind mehrdeutig. Teils werden sie auf

mundartliches, wie z.B. „de nohre Berch“, für nah gelegenes, teils auf

Geländenarben (Abbruchkanten, Bodenlöcher) oder die Richtung Nor(d)en

(mhd norder) zurückgeführt. Der Name kann aber auch im Übertragenen

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Wortsinne verstanden werden. Zum Beispiel aus ahd narro, irnarren, der Narr

oder irren zu mhd narre, für in die Irre führendes oder einbildend täuschendes

Gelände in weitestem Sinne.110

Wortdeutung Buckel siehe Nr. 48 Buckeläcker.

Wortdeutung Tal siehe Nr. l Im Thal.

93. Am Binseneck östlich

Vo. Vw.: Bänseegg

1733 „im Bensendeich“ (Christm. FAK)

Wie die Benzengärten (vgl. Nr. 22), ein Geländeeck (Wortbedeutung siehe

Nr. 28 Prangerseck) an welchem gerne Binsen (ahd binuz aus germanisch

benut, mhd bin(e)tz) aufwuchsen.111

94. Gemeindekopf östlich

Vo. Vw.: Gemänekobb

Von mhd gemeine (ausgesprochen gemäne) = gemeinschaftlich, gemeinsam.

Der Name bezeichnet Gemeindegut also Flurteile, die allen Dorfbewohnern

gemeinsam gehörten. Ein älterer Name ist auch Almende.112

Wortherkunft Kopf siehe Nr. 90 Hirschkopf.

95. Grafenkopf östlich

Vo. Vw.: Grafekobb

1733 „... das sogenannte Graffenköpfel“ (Christm. FAK)

Bestimmungsort des Flurnamens ist (ahd gravio, mhd grave, greve) der Graf,

welcher Graf im engeren Sinne gemeint war, ist hier nicht zu ermitteln.

Möglicherweise handelt es sich um ehemaligen Waldbesitz der Grafen von

Leiningen.113

96. Herrnwald östlich

Vo. Vw.: Herrewald

Zu germanisch haira, ahd herro, mhd herre = Gebieter, Herr. Herrn, Herren

Flurnamen erinnern an Besitzungen ehemaliger geistlicher oder weltlicher

Grundherren.114

97. Vogelskopf östlich

Vo. Vw.: Vochelskobb

1733 „Vogels Kopf (Christm. FAK)

Von ahd fogal, aus germanisch fugla, mhd vogel = jagdbarer Vogel. Mit

Vogel gebildete Flurnamen beziehen sich auf Orte, wo sich häufig Vögel

aufhielten, bzw. auch gejagt oder gefangen wurden.115

Wortherkunft Kopf siehe Nr. 90 Hirschkopf.

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98. Jungwald nordöstlich

Vo. Vw.: Jungewald

1733 „Jungenwald“ (Christm. FAK)

Das Adjektiv jung in Flurnamen (ahd/mhd jung, aus germanisch junga) weist

ähnlich wie neu, in der Regel auf neu angelegte Flurteile hin oder

Besitzername Jung.116

Das Wort Wald (germanisch walthu, ahd wald, mhd walt - Wald,

Waldgebirge) bezeichnet seit germanischer Sprachzeit das nicht bebaute,

wild bewachsene Land.117

99. Pfarrschleife südlich

Vo. Vw.: Parrschlääf

„Eselschleife“: Stelle wo das Stammholz zu den Holzplätzen geschleift

wurde. (Christm. FAK)

Von mhd sleifen, sleipfen = schleifen, gleitend machen, schleppen, ahd

slifan, aus germanisch slaupia, (als Hauptwort auch (Weg)schleife, Schlitten,

Gestell, Pflugschlitten).

Der Flurname meint wahrscheinlich einen anfänglich unbefestigten, häufig

nicht befahrenen Weg (nur zur Bestellung und Ernte des Pfarrfeldes), auch

zur Beförderung landwirtschaftlicher Erntegeräte (Pflugschlitten) oder den

zu Tal bzw. zu Holzplätzen führenden Weg für gefällte Bäume bzw. Holz.118

Wortdeutung Pfarr siehe Nr. 58 Im Pfarrroth.

100. Am Schwobel, Schwobelseck südlich am Dorf

Vo. Vw.: Im Schwobl, Schwoblsegg

1733 „Am Schwowel (Christm. FAK)

Der in der Südpfalz öfters vorkommende Familienname Schwab scheint hier

nicht in Betracht zu kommen, wohl aber ein ähnlich klingender. Prof. E.

Christmann weist im FAK daraufhin, dass der an die Gewanne reichende

Dorfteil einst so genannt wurde. Vielleicht weil hier einmal Leute wohnten

die aus Schwaben stammten. Eine Herleitung aus schwofeln - schwelen,

schwefeln (Köhlerei) wäre auch Möglich.

Wortherkunft Eck siehe Nr. 28 Prangerseck.

101. Der Gottesacker Dorfmitte

Vo. Vw.: Goddesagger

Hier ist der alte Vorderweidenthaler Friedhof bzw, das an ihm liegende

Gelände gemeint.

102. Galgenfeld östlich

Vo. Vw.: Galschefäld

Hier befand sich eine Richtstätte. Galgen errichtete man gerne an

Gemarkungsgrenzen, an gut einsichtigen Höhen oder Möglichst nahe

belebter Wege, „zu jedermanns Abschreckung“.

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Als Galgen (ahd galgo, mhd galge) wurde ein spezielles Holzgestell

bezeichnet, an welches allgemeine Gegenstände gehängt wurden (z.B. der

Brunnengalgen). Deshalb bezeichnete das germanische Wort Galgen, in der

Zeitepoche der christlichen Missionierung, auch das Kreuz Christi, bevor das

kirchenlateinische Lehnwort Kreuz üblich wurde.119

Wortherkunft Feld siehe Nr. 35 Im Neufeld.

103. Budel- oder Puhlstein westlich

Vo.Vw.:Buhlschde

1. von Bühl. Buhel verschrieben zu Budel, Puhl.

2. von mhd pul = sumpfiger Platz, Umfeld.

3. von mhd butel = Büttel, Nutznießung (Zernecke S 112)

oder Familienname Budel(l) wie in Busenberg vorhanden.

104. An der Lehmgrube östlich

Vo. Vw.: Lähmegrieb

Jedes Dorf hatte früher seine Lehmgrube. Hier holte man den Lehm für

Fachwerkfüllungen, Scheunenböden oder zum Backofenbau. Lehm ist ein

westgermanisches Wort (ahd leime, mhd lehme ausgesprochen / Lähme, nhd

Lehm).120 Die Bezeichnung Lehm statt Leime (Lähme) breitete sich als

„Luthersprache“ Richtung Westen aus und erreichte erst um 1800 unsere

Heimat. In Mundart wurde der Sprachwechsel bis heute nicht vollzogen.

Lehmgruben waren Gemeindegut.121

Das Wort Grube (ahd grouba mhd/nhd grube) ist germanische Herkunft und

das Hauptwort aus graben. Gruben bezeichnen meist künstliche

Bodenvertiefungen.

Verwendete Literatur Abkürzungen

1 Angenendt Amold Angenendt

Das Frühmittelalter, Stuttgart 1965

2 Ortsgemeinde Barbelroth Barbelroth 2004

Barbelroth 1179 – 2004

3 Ortsgemeinde Bindersbach Bindersbach 2006

700 Jahre Bindersbach

4 Ortsgemeinde Birkweiler Birkweiler 2010

775 Jahre Birkweiler (l. urk. Erwähnung)

5 Brockhaus Enzyklopädie 25 Bde., Brockhaus

Leipzig/Mannheim 1995

6 Ernst Christmann Christm. 1938

Beiträge zur Flurnamensforschung im Gau Saalpfalz

München/Berlin 1938

7 Ders. Christm. 1965

Flurnamen zwischen Rhein u. Saar, Speyer 1965

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8 Ders. Christm. 1968

Berg-, Wald- und Gewässernamen der Pfalz,

Neustadt/Weinstr. 1968

9 Ders. Cristm. 1972

Flurnamen der Pfalz u. ihrer Nachbarschaft,

Beiträge z. Namensforsch Bd. 7, Speyer 1972

10 Ders. Christm. Siedl. N

Die Siedlungsnamen der Pfalz 4 Bde., Speyer 1952 – 1954

11 Ortsgemeinde Dernbach Dernbach 1989

800 Jahre Dernbach/Pfalz 1189 – 1989

12 Dittmaier Heinrich Dittm.

Rheinische Flurnamen, Bonn 1963

13 Dolch, Martin/Greule, Albrecht Dolch/Greule

Historisches Siedlungsnamensbuch d. Pfalz, Speyer 1992

14 Duden Bd. 7, Herkunftswörterbuch. Duden

Mannheim 2007

15 Duden - Neu, Überarbeitete Neuauflage Duden N

Mannheim 2001

16 Ortsgemeinde Eschbach 2004 v. G. Steinel Eschbach 2004

Eschbach 1254 - 2004, Dorfbuch zur 750-Jahrfeier

17 Einhard, Vita Karoli Magni. Recl. Uni, 2. Auf. Einhard

Stuttgart 1981

18 Ortsgemeinde Eußerthal 1995

850 Jahre Kloster Eußerthal

19 Flurnamensammlung Prof. E. Christmann FAK

Inst. für Pfälz. Gesch. und Volkskunde, Kaiserslautern,

Benzinoring 6

20 Flurnamen Baden-Württemberg, Stuttgart 1993 Fl. BW.

21 Hessischer Flurnamenatlas, Darmstadt 1987 H. F. A

Herausg. Ramge Hans

22 Katasteramt Landau, Extraditionsplan 1840 Kat. Ld

23 Killy/Vierhaus, Deutsche Bibliographische Killy/Vierhaus

Enzyklopädie 12 Bde., München 1998

24 Ortsgemeinde Offenbach 2009

1225 Jahre Offenbach 784 – 2009

25 Pfälzisches Wörterbuch Pf. Wö. B.

6 Bde., Wiesbaden/Stuttgart 1965 – 1997

Herausgeber Prof. Ernst Christmann

26 Pfälzisches Burgenlexikon Pf. Bu. L.

5 Bde., Kaiserslautern 2005 (Inst. F. Pfalz.

Geschichte und Volkskunde)

27 Pfeifer Wolfgang Pfeifer

Etymologisches Wörterbuch d. Deutschen, Berlin 1993

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327

28 Polenz Helga Polenz

Katalog der merowingerzeitlichen Funde in der Pfalz

2 Bde., Stuttgart 1988

29 Post Rudolf Post

Pfälzisch, Einführung in eine Sprachlandschaft,

Landau 1990

30 Ortsgemeinde Ranschbach 1999

700 Jahre Ranschbach 1299 – 1999

31 Schieffer Rudolf (Herausg.) Schiffer

Beiträge zur Geschichte des Regnum Francorum,

Beihefte d. Francia Bd. 22, Thorbecke Verl. 1990

32 Ortsgemeinde Steinfeld 2000

Steinfeld 1250 - 2000. Ein Grenzdorf im Zeitenwandel

33 Ortsgemeinde Schweighofen 2011

Schweighofen. Ein Dorf im Viehstrich 1311 – 2011

34 Ortsgemeinde Schweigen 2002

1200 Jahre Schweigen

35 Vater Siegfried Vater 1990

Die Flurnamen von Mühlhofen 1990. Selbstverlag

36 Ders. Vater 1992

Vom Venusbuckel zum Ketzerspiel, Billigheimer

Flurnamen erzähle

37 Geschichte, Mühlhofen 1992, Selbstverlag

38 Ortsgemeinde Völkersweiler: Völkersweiler 1404-2004 Völkersweiler 2004

Ortsgemeinde Wollmesheim 2007

Festschrift z. 1000 Jahrfeier der 1. schriftlichen

Erwärmung 2007

39 Ortsgemeinde Wilgartswiesen 2003

Die Flurnamen von Wilgartswiesen, 1225 Jahrfeier des

Ortes

40 Zernecke Wolf-Dietrich Zernecke

Die Siedlungs- u. Flurnamen rheinhessischer Gemeinden

zwischen Mainz und Worms, Stuttgart 1991

41 Zink Theodor Zink

Pfälzische Flurnamen, Kaiserslautern 1923

Weitere Abkürzung

Vo. Vw. = Volksmund Vorderweidenthal

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Anmerkungen:

1. v.1 hierzu Duden N, S 9. S 162 ff (indogerm. Erbwortschatz). S 194 ff (germ.

Erbwortschatz), S 286 f (Römischer Kultureinfuß ), S 322 ff (althochdeutsch) u.

Pfeifer. Vorwort SV-X.

2. Angenendt S 344 u 350: z.B. Synode von Frankfurt/M 794 n. Chr. „Niemand soll

ferner behaupten dürfen, Gott Könne mir in den drei heiligen Sprachen, Hebräisch.

Griechisch, und Latein angebetet werden“. Einhard Vita Caroli, S 55. „Außerdem

begann er mit einer Grammatik seiner Muttersprache“ (als Muttersprache wird ebenda

deutsch angegeben).

3. Schieffer S 67 f Duden 7, S 106: Das Wort entstand aus germanisch thiot = Volk,

Stamm, ahd thiotisc = zum Volk gehörig (latinisiert theodisc(us)), mhd diutsch,

tiutsch. nhd deutsch. Vgl. auch Pfeifer, S 219 und Duden N. S 322 ff. Deutsch die

Sprache des Volkes.

4. Angenendt S 440 f, sieht die Idee einer volkssprachigen Literatur wie die des Otfrid

von Weißenburgs „... auch in dem damals aufkommenden ostfränkischen

Reichsbewusstseins begründet“ Vgl. hierzu auch Post. S 57 ff, Schieffer, S 75 ff.

Otfrid war Schüler des Rhabanus Maurus (Abt in Fulda, Bischof in Mainz. Er lies das

Kloster Klingenmünster im 9. Jhd neu errichten). Rhaban war wiederum Schüler

Alkuins des Leiters der Hofschule Karls des Großen. Sein Hauptwerk widmete Otfrid

König Ludwig dem Deutschen, einem Enkel Karls des Großen. (Näheres zu Otfrid

siehe Schweighofen 2011, S 311.ff).

5. Zernecke, S 523 f, Dittm., S 310, Pf Wö. B II, 53 ff.

6. Duden, S 835, Pfeifer, S 1409.

7. Zernecke. S 127 f, Pf. Wö. B. II, S 355 f. Näheres siehe Bindersbach 2006, S 277, Nr.

5A, Am Dorf.

8. Dittm., S 79, Zernecke S 171.

9. Zernecke, S 441 f. Näheres bei Offenbach 2009, S 61, Nr. 17 Saubrücke, S 65. Nr49

Saugewanne, Nr. 54 Sauwuhl, S 71. Nr. 111 Schweinsplatz bzw. Wilgartswiesen

2003, S 52, Nr. 68 Sauborn mit Sauwasen.

10. Duden, S 250. Pfeifer, S 399, Offenbach 2009, Garten(Grundwörter), Zernecke. S

178, Dittm., S 83.

11. Duden, S 542, Pfeifer, S 895.

12. Christm. 1938. S 14, Zernecke, S 412 f, Christm. 1965, S 210, vgl. auch Birkweiler

2010, S 101, Nr. 41 Rechacker.

13. Zernecke, S 452, Dittm., S 263.

14. Duden, S 710. Pfeifer, S 1191.

15. Duden, S 139, Pfeifer, S 211, Zernecke, S 119, Pf. Wö. B. II, S 205 f.

16. Zernecke, S 474 f.

17. Duden, S 743, Pfeifer, S 1252.

18. Duden, S 121 f; Pfeifer, S 187, Zernecke, S 112, Dittm., S 48. Pf. Wö. B. I. 1386 f

Zink. S 113.

19. HFA. Nr. 23, l - 5, Dittm., S 344 ff (mit Karte), Zernecke. S 573 f, Christm. 1965, S

190. Zink, S 173. FL. BW., S 149, Duden, S 920, Pfeifer. S 1151.

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20. Duden. S 600, Pfeifer. S 993 f. Zernecke. S 393, Dittm., S 225, Post. S 57 f. Näheres

siehe Offenbach 2009. S 72.

21. Mit heiligen sind die heiligen Mönche gemeint, vgl. FAK.

22. Zernecke, S290 f, Dittm., S 160, Christm. 1972, S 20 f.

23. Das altgermanische Wort ist auf germanisch Kuninga, aus kunja = Mann aus

vornehmem Geschlecht zurückzuführen (etymologisch urverwandt mit lat. genus) =

Geschlecht). Ahd küning. niederl. Koning, engl, king. dän. Konge, schwed. Konung.

Vgl. hierzu Duden, S 435. Pfeifer. S 705.

24. Zernecke, S 370 f. Näheres siehe bei Wollmesheim 2006. S 57, Nr. 58.

25. Zernecke, S 88 f, Dittm., S 30 ff: Näheres siehe Schweighofen 2011. S 353, Nr. 75

Pitzenäcker.

26. Duden. S 21, Pfeifer, S 11, Pf. Wö. B. l, S 127, Dittm., S 163, Zernecke, S 36.

27. Zernecke, S 562 ff

28. Zernecke. S 439 f. Dittm., S 255.

29. Unger entstand aus Under (Lautwandel nd>ng) Christm. 1965, S 253 - 255. Unger

bezieht sich meist auf Rinder, es gibt aber auch Kühe-, Sau-, Schaf- oder Roßunger

bzw. allgemein ausgedrückt: die Unger- bzw. Unterstatt.

30. Zernecke, S 538. Zink. S 159, Dittm., S 324.

31. Vgl. Christmann 1965. S 253 - 255, Hess. Fl. Atl. Nr. 43.

32. H. F. A. Nr. 109/1 und Nr. 11271. Näheres siehe bei Ramberg 2013, Flurnamen Nr. 7

Am Mühlwoog.

33. Christm. 1965. S 212, Dittm., S 258, Zernecke, S 445 f

34. Duden. S 928, Pfeifer, S 1547, Zernecke. S 570 ff: Dittm., S 342.

35. Dolch/Greule, S 291, Christm. 1965. S 173 u. 246 f, H. F. A. Nr. 123, Zernecke, S

329. Dittm., S 190.

36. So z. B. in Eschbach 2004, S 165. Nr. 6 Im Loch, mundartlich: „Uff de Lou“.

37. Christm. 1965, S 38 ff. Zernecke, S 98, Pf Wö. B. I, S 107 f. Duden, S 117. Pfeifer, S

176. Vgl. hierzu bei Schweighofen 2011, S 349, Nr. 58 Pfaffenborn.

38. Zernecke, S 135, Pf. Wö. B. II, S 743 ff, Dittm., S 58.

39. Duden, S 171. Pfeifer, S 263 f, Pf. Wö. B. II, S 743 f.

40. Christm. 1965, S 178 f, Pf. Wö. B. I, S 1336 f, Dittm., S 45, Zernecke, S 109.

41. Pf. Wö. B. I, S 923 f, Dittm.. S 29, Zernecke. S 77 f.

42. Zernecke, S 503 f, Dittm., S 299, Christm. 1938, S 25.

43. Pf. Wö. B. II, S 184 f, Dittm., S 49, Christm. 1972, S 13 f, Zink, S 135, Zernecke, S

118.

44. Duden. S 138 u. 841, Pfeifer, S 299 u. 1421.

45. Zernecke, S 531. Dittm., S 318.

46. Duden, S 863, Pfeifer, S 1454 f. Das Wort entstammt dem Gemeingermanischen. Vgl.

hierzu engl. to drive oder schwed. Driva = treiben.

47. Fl. BW., H. F. A. Zernecke. S 312 ff. Vgl. auch Offenbach 2009, S 66, Nr. 66

Langgewanne.

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330

48. Vgl. Duden, S 626, Pfeifer, S 1036.

49. Zernecke, S 133 f u. 574, Dittm., S 346 f, Pf. Wö. B. 11, S 716 ff, Zink, S 142. Duden,

S 168 f, Pfeifer, S 259.

50. Halde gehört zum Wortfeld hold. Duden, S 311, Pfeifer, S 499.

51. Christm. 1965, S 180 f, Zernecke, S 210, Dittm., S 97 f u. 107, Pf. Wö. B. III, S 600

f. Vgl. auch bei Schweigen 2002. S 406, Nr. 9 In der Halt, Leinsweiler 2006, S 201,

Nr. 25 Auf der Halde.

52. Duden, S 819, Pfeifer, S 1314 u. 1544 f, Zernecke, S 513 f u. 554 f.

53. Duden, S 906, f u. 915, Pfeifer, S 1529 f u. 1539.

54. Zernecke, S 496 f, Dittm., S 296.

55. Christm. 1965. S 177 f, Christm. 1938, S 26.

56. Vgl. hierzu Nr. 11 Neugärten.

57. Pf. Wö. B. l, S 1104. F, Zernecke. S 188, Dittm., S 21.

58. Pf. Wö. B. IIl, S 289 f, Dittm., S 84. Zernecke, S 188, H. F. A. Nr. 7.

59. Duden, S 99, Pfeifer, S 144.

60. Zernecke, S 89, Dittm., S 230.

61. Christm. FAK (Kasten, Vorderweidenthal).

62. Zernecke, S 265, Völkersweiler 2004. S 230. Nr. 26 An der Kapelle.

63. Duden, S 388 f, Pfeifer, S 618.

64. Duden, S 726, Pfeifer. S 1216, Zernecke. S 462 f. Wilgartswiesen 2003, S 33, Nr. 40

Am hinteren Schlossberg (Falkenburg).

65. Zernecke, S 300 f, Dittm., S 169, Pfeifer, S 738 f, Duden, S 456.

66. Zernecke. S 36, Dittm., S 8, Pf. Wö. B. I, S 127. Vgl. Offenbach 2009. S 71, Acker

(Grundwörter).

67. Pf. Bu. L. III, S 431.

68. Zernecke, S 95, Dittm., S 36, Zink. S 42. Pf. Wö. B. I, S 1089 f. Näheres siehe bei

Wilgartswiesen 2003, S 21. Nr. 17 Große-, Spitze-, Breite-, Mittelboll.

69. Prof. E. Christmann in FAK. Kasten Vorderweidenthal, Dittm., S 251 f (Rötel).

70. Prof. E. Christmann in FAK, Kasten Vorderweidenthal, Zur Rothbusch oder

Röderswirtschaft. Vgl. Bindersbach 2006, S 282, Nr. 21 Gehwies - Rödern.

71. Zernecke, S 263. Dittm., S 127.

72. Zernecke. S 278 f, Dittm.. S 142. Näheres zur Wortherkunft siehe Barbelroth 2004, S

333, Nr. 20 Kirchhöhe.

73. Zink. S 138. Duden. S 408, Pfeifer, S 660.

74. Freundlicher Hinweis von Herrn Bürgermeister Artur Helfer.

75. H. F. A. Nr. 7016, Duden, S 118, Pfeifer, S 180, entlehnt aus lat. buccula. Näheres

siehe Völkersweiler 2004. S 226, Nr. 16 Geisbuckel.

76. Duden, S 412, Pfeifer. S 667.

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77. H. F. A. Nr. 61, Christm. 1938, S 15. Christm. 1965. S 12, Zink, S 149. Pf. Wö. B. II.

S 1280 f, Zernecke, S 106 f. Näheres siehe Offenbach 2009, S 62, Nr. 27 Brühlgraben,

-wiese, - fahrt.

78. Näheres Schweigen 2002, S 420, Nr. 53 Ziemertal und Schweighofen 2011, S 362,

Nr. 115 Zimmerplatz.

79. Dolch/Greule, S 508 f, Duden, S 61. Pfeifer, S 85.

80. Dittm., S 264, Zink, S 66, Zernecke, S 452 f.

81. Pf. Wö. B. II, S 969 ff, Zernecke. S 148, Dittm., S 65 f. Eine scharfe Biegung (Wende)

eines Weges oder ein Durchgang durch ein Befestigungswerk (Landwehr) hieß essel.

Hierzu wurden bei oben genanntem Flurnamen keine Anhaltspunkte gefunden. Zur

Wortgeschichte, Duden, S 188 f, Pfeifer, S 298 f.

82. Zernecke, S 300, Pf. Wö. B. III, 471 f, Dittm., S 95.

83. Zernecke, S 395 f, Pf. Wö. B. I, S 800, Duden, S 601, Pfeifer, S 995.

84. Zernecke, S 480 u. 487. Dittm., S 284, 287 u. 290, H. F. A. Nr. 119, Duden, S 752,

Pfeifer, S 1272. Da im Pfälzischen das Harnlassen, besonders des Viehs mit dem

gleichen Wort bezeichnet wird, wurde der Vulgärausdruck meist mit eu-Laut

„verfeinert“. Zur gleichen Wortfamilie gehört auch mundartlich seihen und der Seiher

(Sieb).

85. Zernecke, S 348 f.

86. Duden, S 74 u. 841 mit dem germanischen Suffix dra = treu. standfest, Pfeifer, S 107

u. 1421. Vgl. auch Völkersweiler 2004, S 222. Nr. 3 In den Baumäckern.

87. Zernecke. S 424 (Rolländer), Dittm., S 249.

88. Christm. FAK.

89. Zernecke. S 371 f. Vergleiche auch Offenbach 2009, S 69, Nr. 96 Niederwiesen.

90. Christm. 1963, S 172, Pf. Wö. B. III, S668 ff, Zink, S 106. F. BW., S 77. Dittm., S

101. Zernecke, S 214.

91. Dittm., S 284, Christm. 1965, S 249 f, Zernecke, S 480.

92. Zernecke, S 423 u. 428 f, Christm. 1972, S 30, Dittm., S 251 f.

93. Rodungsnamen und Benennungen nach der Farbe rot sind schwer zu trennen.

Anfänglich wurde, das Rod zumeist mit „d“ geschrieben, die Farbe Rot mit „t“. In der

frühen Neuzeit dann beides mit „th“, so dass bei rötlicher Bodenfarbe, ohne alte

Dokumente, welche eine Differenzierung ermöglichen, eine Trennung nicht Möglich

ist.

94. Duden, S 914 f, Pfeifer, S 1538.

95. Christm. FAK, Kasten Vorderweidenthal, Zernecke, S 144 f, Duden. S 181, Pfeifer,

S 287 auf anet = Ente, Wasservogel, typindogen, gemeinsam Wort, Ende: (germ.

antja, ahd enti, mhd/nhd ende) entwickelte sich aus ant - gegenüberliegend, vor einem.

Pfeifer, S 283, Duden, S 180.

96. Duden, S 679, Pfeifer, S 1134, Zernecke. S 424, HFA Nr. 108, Fl. BW., S 119. Dittm.,

S 249, Zink. S 153, Christm. 1965, S 184.

97. Zernecke, S 250. Dittm., S 116.

98. Zernecke, S 297 ff, Dittm., S 167.

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99. H. F. A. Nr. 102, Christm. 1965, S 62 ff, Zernecke, S 197 f, Dittm., S 93, Post. S 60,

Pf. Wö. B. III, S 438. Zu Grün vgl. Duden, S 304 f, Pfeifer, S 483 f. Zu Fahrt siehe

auch Steinfeld 2000, S 472, Nr. 57 Unter der Fahrt oder Wilgartswiesen 2003. S 13,

Nr. 4 Wadbrunnen - Fehrt (= Furth durch den Wadbach).

100. Christm. 1938. S 6 f, Zernecke, S 267 f, Dittm., S 133.

101. Zernecke, S 85 f, Christm. 1965, S 189 u. 212, Dittm., S 29. Duden. S 95, Pfeifer, S

136f (vgl. hierzu auch pfälzisch Hulwisch aus ahd/mhd hul(de) wis = gutes

Wundergeistchen, aus holda = gut, zugeneigt und wis = Weisheit, Zauber).

102. Zernecke, S 161. Pf. Wö. B. II, S 1394, Duden. S 218, Pfeifer, S 345 f.

103. Zernecke, S 393 f, Duden, S 600 f, Pfeifer, S 994.

104. Zernecke, S 87, Duden. S 97, Pfeifer, S 141 (vgl. niederl. berk, engl. birch, schwed.

Björk, alt-indisch bhurjah, russisch bereza (Beresina = Birkenfluss).

105. Zernecke, S 205 f, Pf. Wö. B. III, S 586 ff, Duden, S 309, Pfeifer, S 492.

106. Zernecke, S 101 f, Pf. Wö. B. I. S 1190 ff, Dittm., S 40.

107. Zernecke. S 239 f, Pf. Wö. B. III, S 1085 ff, Dittm., S 110, Duden, S 339 f, Pfeifer. S

545 f. Bis in die Antike genoß der Hirsch hohe, kultische Verehrung. Zum Beispiel

im Stammesnamen der Cherusker was soviel wie Hirschleute, -stamm bedeutete.

108. Zernecke, S 292. Dittm., S 161. Zink, S 45, Duden, S 441. Pfeifer. S 516 u. 717. Nach

1500 n. Chr. Wandelte sich Kopf von einer Gefäßbezeichnung auf den Stirnteil, dann

gesamten Körperteil des Kopfes.

109. Zernecke. S 108, Duden, S 117, Pfeifer. S 179.

110. Zernecke, S 375 f, Duden, S 550 f, Pfeifer. S 911.

111. Duden, S 97, Pfeifer. S 141.

112. Pf. Wö. B. III, S 188 ff, Dittm.. S 87, Zernecke, S 185 ff (vgl. hierzu auch Spirkelbach

2003, S 50, Nr. 21 Gemeindeteich (Gemänedeich).

113. Zernecke, S 195, Dittm., S 91, Duden, S 285, Pfeifer, S 467.

114. Bei den Germanen war haira = „der Graue“, der Altehrwürdige, geistige Herr.

Daneben gab es Spezialbezeichnungen wie z.B. fro = vorderster, (oberster) Mann, ahd

truchtin = Gefolgschaftsführer. Vgl. hierzu Duden. S 325 f, Pfeifer, S 535,

Völkersweiler 2004, S 227, Nr. 19 Herrnäcker.

115. Zernecke, S 541, Dittm. S 326. Duden, S 902. Pfeifer. S 1520.

116. Zernecke, S 258 f, Dittm., S 123, Pfeifer, S 602, Duden, S 374.

117. Duden, S 908. Pfeifer, S 1533.

118. Dittm., S 271, Zernecke. S 459 f. Duden, S 724, Pfeifer, S 1210.

119. Pf. Wö. B. III. S 12 ff, Dittm., S 82, Zernecke, S 175 f, Duden, S 246. Pfeifer, S 347.

Vgl. auch Barbelroth 2004, S 331, Nr. 14 Im Galgenfeld.

120. Zink, S 83, H.F.A. Nr. 104, Duden, S 477. Pfeifer, S 781 f.

121. Duden, S 304. Pfeifer, S 781 f, Pf. Wö. B. III. S 463, Dittm.. S 94. Zernecke, S 200.

Vgl. auch Völkersweiler 2004, S 233. Nr. 36 Lehmgrube (Lähmegrieb).

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Als das elektrische Licht nach Oberschlettenbach kam

von Richard Kalkofen, Überarbeitet von Jannpeter Zopfs

Im Jahre 1927 wurde Oberschlettenbach an die Stromversorgung der Pfalzwerke

angeschlossen. Der damalige Ortslehrer hat im Schultagebuch dazu festgehalten:

Als letzte Gemeinde des Bezirksamtes Bergzabern hat sich

Oberschlettenbach entschlossen auch an dem Fortschritt der

Kultur und Technik teilzunehmen, indem sie als erste Neuerung

das elektrische Licht bauen ließ. Die gesamte Anlage war auf

14.500 Mark veranschlagt. Wahrlich ein nettes Sümmchen für die

finanziell so schlecht gestellte Gemeinde. Während das Ortsnetz

einer Saarbrücker Firma übertragen war, wurde die Installation

von Karl Funk aus Vorderweidenthal ausgeführt.

Unglücks- und Zwischenfälle haben sich bei der Erstellung der

Anlage nicht ereignet. Am 27. August 1927, es war ein Samstag,

wurde das Licht eingeschaltet. Im Gasthaus Funck gab es für die

Gemeinderäte sowie für alle am Lichtbau beteiligt gewesenen

Kräfte ein Festessen. Außerdem hatte die Ortsbehörde 300 Liter

Freibier zur Verfügung gestellt. Nicht wenige haben daher am

Sonntagmorgen von der Wirtschaft Gleichmann (Hahnenhof), wo

die zweite Hälfte des Bieres verabreicht wurde, ein schönes

„Stürmchen“ nach Hause getragen.

Allseits ist man über diese bequeme Einrichtung sehr erfreut, und

selbst diejenigen, welche sich ursprünglich so sehr rückständig

gezeigt hatten, würden heute das elektrische Licht nicht mehr

abgeben.

60 Jahre später, am 4./5. Juli 1987 feierte die Gemeinde auf Anregung ihres

damaligen Beigeordneten, des Rektors i.R. Richard Kalkofen mit Unterstützung der

Pfalzwerke ein „Lichtfest“ zur Erinnerung. Starke Halogenscheinwerfer sorgten

dafür, dass die acht schönsten Fachwerkbauten im Dorfmittelpunkt in das rechte

Licht gerückt wurden. Aus der damaligen Festrede des Initiators soll hier

auszugsweise zitiert werden:

Nicht, dass die Oberschlettenbacher alle rückständig gewesen wären und sich

deshalb als die Letzten entschlossen das elektrische Licht einzuführen. Der Schuh

drückte sie woanders. Da lag eine Zeit hinter ihnen, die alles aus den Fugen brachte.

Weltkrieg 1914 bis 1918, Hungerjahre, Inflation, Wirtschaftskrise und die große

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Arbeitslosigkeit. 1924. drei Jahre vor der Lichteinführung, bezahlte man für ein

Pfund Rindfleisch 2,4 Billionen Mark. Wenn man es in Tausend-Markscheinen hätte

zahlen wollen, hätte eine große Aktentasche dazu nicht ausgereicht. Paula Schmitt

erinnert sich daran, was der Großvater, der Gastwirt Jakob Funck, aus dieser Zeit

erzählte. Über das Wochenende stand hinter dem Ausschank ein Wäschekorb für das

viele Papiergeld. Am Montag aber bekam er für den vollen Wäschekorb

Inflationsscheine nur noch eine Futterschürze. Im Jahre 1926 aber kostete eine

Schreinerstunde 80 Pfennige. Ein Tagelöhner bekam 56 Pfennige Stundenlohn. Ein

ungelernter Arbeiter erhielt als Wochenlohn 21,80 Mark. Für ein Ei bezahlte man 10

bis 15 Pfennige und ein Pfund Weißmehl kostete 25 Pfennige. Wo der Grundbesitz,

die so genannten Stücker, die schmalen Streiten Ackerland als Lappen und

Handtücher bezeichnet, nicht ausreichten, suchte man Arbeit in den Schuhfabriken.

So gingen sie täglich zu Fuß in die Schuhfabriken nach Hauenstein. Wer hatte schon

ein Fahrrad? Es waren die Tausendfüßler, wie einer sie treffend kennzeichnete. Für

viele war der Waldbesitz die eigene Hausbank für besondere Fälle ohne die

katastrophalen Zinsverpflichtungen. So bezahlten sie ihre Lichtanschlüsse, die

Kraftstromanlagen und den Motorhäcksler durch Holzeinschlag oder nahmen

Darlehen bei den Kassen in Annweiler und Bergzabern auf und waren allzu lange

Schuldner für Zins und Zinseszins. Wer auf den Dorfbildern aus dieser Zeit die

Personen unter die Lupe nimmt, dem springt die Sparsamkeit oder Armut ins Auge.

Die Kinder mit allzu kurzem Haarschnitt, barfuß oder mit Holzschuhen geflickte

Jacken und Hosen, diese zum Teil wie Flickenteppiche oder Landkarten. Da

wanderten die Hosen durch die Geschwisterreihe vom Ältesten zum Jüngsten und

wurden immer kürzer und der Flicklappen auf dem Hinterteil immer größer. Aber

sie waren das Aushängeschild der tüchtigen und sparsamen Hausfrau. Zuletzt kamen

sie in den Lumpensack; denn der Lumpenhändler gab dafür eine Tasse, einen Teller

oder eine Schüssel. Schauen wir ins erste Stromablesebuch über den Verbrauch, das

Adam Veyock führte. Es haben ganz wenige keinen Anschluss. Aber kurze Zeit

danach noch innerhalb des Jahres holten sie das Versäumte nach. Die

Stromversorgung war zu Überzeugend. Was der eine kann, das kann auch der

andere. Bis zum Jahresende haben 13 Abnehmer Kraftstrom für den Motorhäcksler.

Im ersten Monat betrug der Lichtverbrauch im Durchschnitt pro Kopf oder Haushalt

8 kW. Dafür zahlte man 10 Pfennige. Hinzu kamen die Grundgebühr und die

Zählermiete. Ein Abnehmer rechnete folgendes auf: 8 KW Lichtverbrauch macht 80

Pfennige. Zählenniete im Monat 2 Mark und Grundgebühr 80 Pfennige. Das macht

für den Monat 3,60 Mark. Man bekam damals für einen Zentner Kartoffeln 3 Mark.

Im Zählerablesebuch fallen besonders die Alleinstehenden, die Witwen auf. Ihr

Lichtstromverbrauch betrug zwei bis drei Kilowatt. Die ersten Glühbirnen hatten nur

15 Watt. Interessant ist der Vergleich: Lichtverbrauch im Winter hoch, im Sommer

aber gering. Dagegen der Kraftstromverbrauch für den Motorhäcksler im Winter

gering und im Sommer hoch. Im Winter, wo genügend Zeit vorhanden, sparte man

an Kraftstromverbrauch durch Handbetrieb des Motorhäckslers. Der damalige

Stromverbrauch für das gesamte Licht des Dorfes mit der Ortsbeleuchtung entspricht

heute dem Verbrauch eines Haushaltungsabnehmers. Was wusste man damals schon

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von der Elektrizität. Das Wunder Strom im Draht faszinierte die Gemüter. Ein Stück

Draht und eine Glühbirne, da ist etwas was man nicht sieht und doch da ist. Selbst

der Pfarrer hatte auf der Kanzel das Überzeugendste Paradebeispiel für den Glauben.

Wenn man ungeschickt an das Drahtende oder die Steckdose kam, bekam man einen

Schlag. Nur im Lehrplan der Werktag- oder Sonntagschule, der zusätzliche

Fortbildung bot, wurde die Elektrizität angesprochen: „Die Vorteile des elektrischen

Lichtes vor anderen Beleuchtungsarten sind zahlreich. Es verdirbt die Luft nicht,

erwärmt seine Umgebung fast gar nicht. Es ist im Augenblick ohne jegliches

Zündmittel zur Hand. Hoffentlich gelingt es Gelehrten und Technikern durch viele

weitere Erfindungen und Verbesserungen, den vorläufig noch hohen Preis der

elektrischen Beleuchtung mehr und mehr zu erniedrigen.“

Die hellwachen Kinder aber hatten Fragen auf Fragen:

Warum verbrennt die Glühbirne nicht?

Ist im Knipser ein Zündstein?

Warum kann der Strom um die Ecke fließen?

Und mancher so Frage um Frage geplagte Vater platzte ungeduldig heraus: „Jetzert

lass Deim arme Vadder endlich sei Ruh mit der saudumme Fragerei!“ Eine Frau

erinnert sich gut an die eindringlichen Ermahnungen „Laß die Finger vom Knipser.“

Das Drehen am Knipser oder Schalter machte allzu viel Spaß: hell und dunkel,

dunkel und hell - schneller als Tag und Nacht. Unvergesslich wird die Geschichte

von der alten Bas weiter erzählt. Die hatte bis dahin die Eisenbahn im 13 Kilometer

entfernten Annweiler noch nicht gesehen. Sie war Jahrzehnte gewöhnt vor dem Zu-

Bett-Gehen das Petroleumlicht auszublasen. Jetzt hatte sie ihre liebe Not. Sie

kraxelte mit dem Hemd auf den Stuhl, um dem schönen Licht den Garaus zu machen.

Sie blies, wie sie gewohnt, kräftig hinauf. Das machte der Glühbirne aber nichts aus.

Sie schüttelte den Kopf. Das Licht zuckte und flackerte nicht einmal. Sie blies länger

und stärker. Es war sonderbar. Sie holte noch einmal ganz tief Atem und schickte

aus vollen Backen einen geballten Luftstoß gegen das kleine birnenförmige

Glasgehäuse. Es war umsonst. Sie legte sich aufgeregt ins Bett. An Schlaf war nicht

zu denken. Allerlei Gedanken schwirrten durch den Kopf. Vielleicht geschieht ein

Unglück. Wird ein Brand entstehen? Verzweifelnd stand sie auf und rief

hilfesuchend: „Vadder blas das Licht aus!“

Nicht jeder Raum hatte in den Häusern seine eigene Beleuchtung. Trotz des neuen

Lichtes benutzte man für die „Owerstub“ in der Dachschräge, wo links und rechts

das Korn zum Trocknen lagerte, das alte Kerzenlicht. Dies geschah aus

Sparsamkeitsgründen. Für Keller, Scheune und Stallungen benutzte man die

„Lozern“ oder „Luzern“. Die Petroleumlampe als Hängelampe in der guten Stube

war schön bemalt und die Lampenhalterung an Ketten reich geschnörkelt mit

Ornamenten verziert. Heutzutage gibt es solche Lampen (aber dann mit elektrischem

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Licht) wieder als besondere Tischdekoration im Restaurant z.B. in der „Nachtigall“

in Oberschlettenbach.

Das Petroleum bekam man bei der Schäfer Lene im Kramladen. Frau Elfriede

Wagner weiß noch, wo unter der Treppenecke das Steinölfass stand. Literweise

wurde das Petroleum in einen Glaszylinder hochgepumpt und kostete etwa 40

Pfennige. Aus dem Zylinder wurde es in das mitgebrachte Steinölkännchen oder in

eine Flasche abgefüllt. Wenn nicht bezahlt werden konnte, schrieb die Lene an oder

man bezahlte mit Eiern oder Butter. Gar zu gerne spielten Kinder am

Dochtdrähtchen der Petroleumlampe. Drehte man links herum, so fiel der Docht in

den Petroleumbehälter. Wenn der Vater das Licht anzünden wollte, öffnete er meist

die Ofentür, damit etwas Licht in die Stube fiel. Ein Holzspänchen diente als

Streichholz. Es musste schnell gehen. Dabei drehte er vorsichtig den Docht etwas

hoch. Der kam aber nicht, denn er lag im Steinöl. Zuerst musste er nun den Zylinder

herunternehmen, dann die Dochthalterung herausdrehen und den Docht

herausfischen. Dabei stanken die Hände und die Stube nach Steinöl. Es war nicht

immer leicht, den Docht in das Rädchen zu klemmen. Bei dieser Prozedur ging das

Donnerwetter los, ein Hagel von pfälzischen Worten, die nicht im Lexikon standen.

Die Kinder verdrückten sich schnellstens und waren nicht zu erreichen. Wenn der

Docht sich vollsaugte, fing er beim Anzünden fürchterlich an zu rußen. Die Mutter

jammerte: „Meine Decke!“ Sie war schon ganz dunkel, aber so wurde sie noch

schwärzer.

Mit dem neuen Licht wurde es allemal besser. Es rußte nicht, es stank nicht, es

flackerte nicht und musste nicht aufgefüllt werden. Der Lichtkegel füllte die Stube

mehr aus als die alte Petroleumfunzel. Großvater schüttelte den Kopf, wenn er laut

aussprach, wie Mädchen und Frauen mit dem alten Licht zurechtkamen:

„Selbst gesponnen, selbst gemacht, ist die schönste Bauerntracht.“

Auch dies war nun vorbei. Der Mensch hatte die Natur Überlistet. Jetzt wurden die

Tage länger und die Nächte kürzer. Für die bettlägerig Kranken war das

Glühbirnenlicht ein Segen. Und die Hebamme, die zur Nachtzeit gerufen, sagte beim

Anblick des neuen Lichts: „Gott sei’s gedankt!“ Jeder hatte endlich Licht, ob er arm

oder reich war. Es gab keinen Unterschied mehr, und dies fanden viele gut. Die

neuen milchweißen Lampenschinne mit Blumen-, Jagd- oder

Häuschengruppenszenen mit glitzernden Perlenfransen zierten immer mehr die

Stuben. Zu Ende war auch der leidige Nachtwächterdienst. Jedenfalls gab es in

Oberschlettenbach bis dahin keine Straßenbeleuchtung.

Schauen wir auf 60 Jahre Stromversorgung zurück und stellen fest, was sich alles

geändert hat: Die Menschen in ihren Gewohnheiten und das Dorfleben. Wir

benötigten eine lange, lange Liste für all die elektrischen Neuerungen und Geräte,

Page 338: Festschrift - Oberschlettenbachvorliegende Festschrift eine Zusammenfassung - wiederum zufällig und abhängig von der Sichtweise der jeweiligen Verfasser - der Ergebnisse des Nach-Forschens

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die ihren Einzug in die Häuser gehalten und es vor allem den Frauen leichter gemacht

haben. Die alte Sparsamkeit ist nicht mehr gefragt. Wir sind zu einer

Wegwerfgesellschaft geworden. Haben und haben ist alles. Wehe dem, wenn der

Strom ausfällt! Die große Angst besteht darin, nicht mehr beliefert werden zu

Können.

Dipl. Ing. Kurt Lambrecht, der damalige Leiter der Betriebsabteilung Landau der

Pfalzwerke, verfasste unter der Überschrift „Strom, Impuls für unser Jahrhundert“

auch einen besonderen Beitrag zum Lichtfest 1987. Auch daraus sollen zwei kurze

Auszüge zitiert werden:

Soziale Gerechtigkeit und individuelle Freiheit ließen sich erst dann auf breiter Basis

verwirklichen, als die Elektrizität in Industrie, Handwerk und Verkehr zur

Anwendung kam. Menschlicher Erfindungsdrang und Intellekt haben zur

Freisetzung und Nutzbarmachung von Energien geführt, die in der Materie

verborgen sind. Werner von Siemens entdeckte 1866 das dynamo-elektrische-

Prinzip. Plötzlich war die Möglichkeit gegeben, größere elektrische Leistungen zu

erzeugen. Die erste Stromversorgung wurde von Emil Rathenau in Berlin mit sieben

Generatoren und einer Gesamtleistung von 110 kW aufgebaut. Moderne Kraftwerke

schaffen heute das Zehntausendfache. Der Turbogenerator eines Kernkraftwerkes

beispielsweise leistet 1,3 Millionen kW. Ein Ergebnis, auf das Techniker und

Wissenschaftler mit Recht stolz sein Können.

Gerade einmal 25 Jahre nach diesem Satz hat sich alles wieder geändert. Die

Kernkraftkatastrophe in Fukushima und die Angst vor Klimakatastrophen haben

jedenfalls in Deutschland unser Denken grundlegend Verändert. Jetzt wollen wir

erneuerbare und beherrschbare Energie, die nicht auf Jahrhunderte Gefahren und

Belastungen für unsere Nachkommen mit sich bringen.

Doch zurück zu dem damaligen Aufsatz von Kurt Lambrecht.

Die Pfalzwerke werden in diesem Jahr 75 Jahre alt, und wir freuen uns, gerade in

unserem Jubiläumsjahr ein Lichtfest in der Gemeinde Oberschlettenbach zu feiern.

Oberschlettenbach war vormals A-Gemeinde, d.h. die Gemeinde hat die

Stromversorgung innerhalb des Ortes in eigener Regie vorgenommen. Eingespeist

wurde die elektrische Energie über eine Niederspannungs- versorgungsleitung aus

Richtung Darstein. 1955 wurde die Stromversorgung aus wirtschaftlichen und

technischen Gründen den Pfalzwerken Übertragen. Diese errichteten eine

Trafostation und schlossen den Ort durch eine 20.000 Volt Freileitung an ihr

Mittelspannungsnetz an. Im Ort selbst wurde das gesamte elektrische Netz umgebaut

und modernisiert. 1982 kam ein zweiter Umspannpunkt (Trafostation) dazu. Die

Nachfrage nach elektrischer Energie hat sich in den letzten 30 Jahren nahezu

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verfünffacht, so dass das Maximum zur Zeit in der elektrischen Energieabnahme bei

über 180 kW beträgt. Die technische Erneuerung und Erweiterung des elektrischen

Versorgungsnetzes auf der einen Seite, und die gesteigerte Energieabnahme auf der

anderen Seite sind Beispiel einer guten Dreierbeziehung zwischen den Pfalzwerken,

der Gemeinde Oberschlettenbach und den Bürgern in Oberschlettenbach. Beide

Partner, Gemeinde Oberschlettenbach und Pfalzwerke, haben erst vor kurzem

wiederum ihre Bereitschaft dokumentiert, die Energieversorgung in dieser

Gemeinde langfristig den Pfalzwerken zu übertragen. Als äußeres erkennbares

Zeichen unserer Partnerschaft und Verbundenheit mit .der Gemeinde und auch zu

dem heutigen Fest haben die Pfalzwerke eine Schmuckleuchte vom Typ

„Westminster“ hier auf dem Festplatz aufgestellt.

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Städter ziehen ins Dorf

Dietmar Wittenberg

Wir suchten seit Jahren ein kleines romantisches Haus in schöner Umgebung für

Ferien und Wochenenden. Ein Interview des Bergzaberner Bürgermeisters mit dem

Mannheimer Morgen machte uns auf Dörfer in der Südpfalz aufmerksam. Dort

stünden viele Häuser leer, weil die Jugend in die Stadt ziehe. Und so fanden wir ein

kleines Fachwerkhaus in Oberschlettenbach, das uns gut gefiel. Leider gab es dafür

noch andere Interessenten, mit denen sogar schon der Kaufpreis ausgehandelt war.

Der erschien uns so günstig, dass wir ein höheres Angebot machten und schließlich,

Ostern 1974, waren wir Hausbesitzer.

Bei der ersten Besichtigung erfreute uns auf der Hofseite ein romantischer kleiner

Teich, der sich dann aber als die mit Regenwasser gefüllte Mistgrube herausstellte.

Es gab nur einen Wasserhahn in der Küche und im Stall und ein Plumpsklo neben

der Scheuer. Wenn wir duschen wollten (natürlich nur kalt Möglich), dann schlossen

wir eine Gartendusche an die Wasserleitung im Stall an. Wir entdeckten aber unter

der Dachschräge in der Scheuer einen Raum, der für den Einbau von WC,

Waschbecken und Dusche geeignet war. Dort mussten aber vorher noch Boden,

Decke, Wand, Fenster und Tür eingebaut werden. Hurra, bald mussten wir kein

Pottschamberl (Nachttopf) mehr benutzen.

Unser Traum von Wanderungen, Burgtouren und Elsassfahrten blieb lange unerfüllt,

denn Haus, Hof und Nebengebäude mussten ja nach unseren Vorstellungen

umgestaltet und renoviert werden, und wir waren handwerklich ungeübt. Wir

begannen also den Putz von den alten Eichenbalken abzuschlagen und abzukratzen

und die Balken dunkel zu imprägnieren, Löcher in den Wänden zu verputzen und

zentnerweise weißer Farbe zu verstreichen. Einige Fenster mussten erneuert werden.

Die Wände waren leicht geneigt und der Schreiner fragte immer: Soll ich das Fenster

senkrecht einbauen oder der Wandneigung angepasst?

Von Beginn an beobachteten uns die Nachbarn im Dorf mit großem Interesse. „Man

glaubt gar nicht, dass das Städter sind, die arbeiten ja von früh bis spät.“ Man kannte

Städter nur als Wanderer oder als Leute, die sich zum Sonnen auf die Wiese legen.

Wenn wir am Wochenende kamen, half man uns beim Ausladen, und jeder gab uns

gute Ratschläge. Als wir die Außenfassade strichen und unsere Leiter für den Giebel

zu kurz war, holte man die Feuerwehrleiter des Dorfes und wir konnten

weiterarbeiten. Der Hof war zur Straße hin nicht abgegrenzt und wurde daher oft als

Parkplatz und Abstellplatz benutzt. Wir wollten daraus einen Wohngarten machen

und konnten zur Abgrenzung die Sandsteine aus dem abgerissenen Backofen des

Nachbarn benutzen, bis wir später einen Jägerzaun installierten. Nachbarsfrauen

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brachten uns viele Pflanzen aus ihrem Garten, damit wir nicht beim Gärtner zu

kaufen brauchten. So wurde die alte Mistgrube in ein großes Blumenbeet

verwandelt.

Überall lagen altes Handwerkzeug und landwirtschaftliche Gerätschaften herum.

Sensen, Sicheln, Harken, Wiesenbeile, Futterstampfer, Hufeisen, Petroleumlampen,

Blaubeerkamm und dergleichen. Wir besserten das Fachwerk im Innern der Scheuer

aus, schwärzten die Balken und weißten die Felder und begannen die Wände mit

dem alten Werkzeug zu schmücken. Nachbarn und Freunde, Sperrmüll und

Flohmarkt ergänzten die Sammlung, die heute von Besuchern als „Museum“

bestaunt wird. Bei einem Flohmarktbesuch gefiel uns eine kleine Hausbar mit drei

Barhockern, sie ziert seitdem unsere „Scheuerbar“, wo sich immer häufiger

Nachbarn, Gäste und Freunde zu einem Umtrunk einfanden. Einmal im Jahr gab es

einen Tag der offenen Tür. Dann war das Gedränge groß.

Kurz nach unserem Einzug war die Sorge im Dorf groß. Die Molkerei weigerte sich,

wohl wegen der geringen Mengen, weiterhin Milch im Dorf abzuholen. Jetzt gibt es

schon lange keine Kühe mehr im Dorf, aber die Zahl der Reitpferde hat

zugenommen. Damals wurden in den meisten Häusern noch ein oder mehrere

Schweine gemästet. Im Winter weckte uns dann oft das schrille Kreischen der

Wutzen, wenn gemetzelt wurde, und jedes Mal wurden wir mit Leber- und Blutwurst

und einer Kanne voll Wurstbrühe beschenkt. Jetzt gibt es keine Wutzen mehr im

Dorf, aber in sehr vielen Häusern bellen die Hunde.

Damals gab es nur wenige Autos im Dorf, und wenn ein fremdes Fahrzeug erschien,

schaute jeder zum Fenster heraus. Wenn ein Besucher uns nicht antraf, wurden wir

von den Nachbarn genau über Fahrzeugtyp und Kfz-Zeichen informiert. In einem

Zeitraum von circa 40 Jahren hat sich die Zahl der Autos fast verzehnfacht. Wir

besaßen Fahrräder und erweckten das Interesse der Nachbarskinder, die sich gern

bei uns ein Rad ausliehen, um damit herumzufahren. Heute gibt es im Dorf

Anwesen, auf denen wohl 10 Kinderfahrräder seit Jahren im Regen stehen und

verrosten.

Der Heuboden unserer Scheuer hat drei Etagen, die nur über eine Leiter von der

Tenne aus zugänglich waren. Da entdeckten wir bei einem Trödler in Tübingen eine

geschwungene Treppe, die alte Kanzeltreppe einer Kirche. Wir einigten uns schnell

über Preis und Anlieferung. „Ihr wohnt ja hier am A... der Welt“, sagte der Fahrer,

als er nach vielen Umwegen unser Dorf und Haus gefunden hatte. Ein Nachbar half

uns die Treppe zu installieren, und nun hatten wir einen bequemen Zugang zur ersten

Etage des Heubodens. Von einem Abbruchhaus im Nachbardorf kam dann eine

Treppe für den Zugang zur zweiten Etage. Nach und nach wurden dann dort eine

Galerie für Ausstellungen und ein weiterer großer Wohnraum geschaffen.

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Wir waren die ersten Städter, die ein Haus in Oberschlettenbach kauften. Weitere

Häuser leerten sich, neue Häuser wurden gebaut. Junge Familien zogen zu und

Pensionäre fanden ein ideales Haus für den Ruhestand. Jetzt leben etwa gleich viel

Zugereiste wie Eingesessene im Dorf. Es ist eine Interessante Dorfgemeinschaft.

Wir fühlen uns hier wohl, und das seit dem ersten Tag.

Die alten Gesichter der Langwiese

Eine Porttraitserie

Dietmar Wittenberg

Die „Reihenhäuser“ der Langwiese

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Willi Stöbener † 2008 und Erich

Veiock † 2005

Otto Veiock † 1989

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Friederike Christmann † 1983

Reinhard Stoffel † 1990

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Edgar Wittner † 1994

Karl Hust † 1993

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Kurt Christmann † 2011

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De Pingschdequack - ein alter Brauch in Oberschlettenbach

Lothar Wagner

Von Hermine Hunsicker geb. Christmann ist uns ein Aufsatz aus ihrer Schulzeit vom

Anfang der 30iger Jahre des vorigen Jahrhunderts Überliefert. Sie schreibt:

„Der Pfingstquack.

Am Pfingstsonntag holen die Burschen Blumen und machen sich

Schalmeien. Aus den Blumen flechten wir Mädchen Kränze. Am

Pfingstmontagmorgen wird ein Bub mit Stroh und Blumen eingewickelt. Er

wird geführt von zwei Buben. Zwei andere Burschen tragen einen Korb. Ein

Bub hat einen Speckhafen. Die anderen gehen hintennach und singen und

blasen. So gehen sie von Haus zu Haus und sammeln Eier und Speck. Die

Buben machen einen großen Lärm. Die Eier werden in der Wirtschaft

gebraten. Ein jeder Bub vom kleinsten bis zum ältesten der Schule muß sich

einen Teller, eine Gabel und ein Stück Brot holen. In der Wirtschaft werden

die Eier gegessen. Der Wirt stellt den Buben einige Fläschchen Limonade.

So geht der Pfingstmontag herum. Die Buben freuen sich immer auf den

Pfingstmontag. „

Der Brauch des Pfingstquack ist heute noch in der Gegend in Darstein, Dimbach und

Oberschlettenbach verbreitet. In Oberschlettenbach wird ein Junge (früher war es

der Älteste in der Volksschule) ganz in blühenden Ginster gekleidet und mit Blumen

geschmückt. Der Brauchtumsforscher Otto Bertram schrieb 1939, dass in Darstein,

Dimbach und Oberschlettenbach noch nach alter Tradition der „Pfingstknecht“

aufgeführt werde. Es ist eine alte Rechtssitte, die sich mit Pfingsten verbindet. So

fordern die Pfingstknechte in Dimbach ihr angestammtes Pfingstrecht:

„Jetzt kumme der arme Pingschdeknecht

Unn hätte so gern das Pingschderecht,

Wir wollen das Körblein schließen,

Das soll uns nit verdrießen,

Der Pingschdequack hat Erbse ge’fresse,

Unn hat sei Ochs im Stall vergesse,

Drei Eier unn e Stick Speck,

Sunscht gehen mer nit vun de Hausdeer weg.“

In Oberschlettenbach fehlt zwar der Bezug zum Pfingstknecht, aber es heißt auch

dort:

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„De Pingschdequack hat Eier g’fresse,

Hat sein Ochs im Stall vergesse,

Hatt’n hinne noch gebrocht,

Unn därenthalwer sin mer do,

Unn wer uns ebbes gewwe will,

Der sacht gleich jo,

Drei Eier unn e Stick Speck,

Sunscht gehen mer nit vun des Hausdeer weg:“

Das Pfingstbrauchtum des Quack ist verschmolzen mit einem alten Hirtenbrauch.

An Pfingsten wurde das Vieh ausgetrieben. Der zuletzt austreibende Hirte verfiel

dabei dem Spott, wurde in Ginster oder Stroh eingebunden und im Heischegang im

Dorf von Haus zu Haus geführt; „Sehr häufig wird der Quack aber deshalb geneckt,

weil er zu spät aufsteht und zu spät auf die Weide kommt. Auch für die Pfalz ist dies

der wahrscheinliche Grund für den Spott, den man dem Quack zuteil werden läßt...“

(Otto Bertram, Die Verbreitungsformen des pfälzischen Pfingstbrauches, In: Unsere

Heimat 1938/39, Heft 9, S. 270) Und dabei hat es auch noch eines seiner Tiere im

Stall vergessen.

Der Dankspruch, der nach Erhalt der Heischegabe gesprochen wird, lautet:

„Glick ins Haus, Glick ins Haus, vun unne a bis owwe naus.“

Falls die Heischekinder leer ausgehen, ertönt der Fluch:

„Pech ins Haus. Pech ins Haus, vun unne a bis owwe naus.“

Der zuletzt auf der Weide ankommende Hirt erhielt den Namen „Pingschdequack“.

Es finden sich in der Pfalz aber auch andere Bezeichnungen wie „Pingschdedreck“,

„Pingschdebutz“ (Schweigen), „Pingschdlümmel“ oder „Pfingschdesel“. Der

Pfingstquack ist ein typischer Frühlingsbrauch. Es handelt sich dabei um „die in

Ginster, Laubwerk oder Blüten, seltener in Stroh gehüllte Gestalt, die am

Pfingstmontag gabenheischend von Haus zu Haus geführt wird“. (Pfälzisches

Wörterbuch, Bd. V, S. 292). Der Hintergrund dürfte die Vernichtung des Winters

und die Hereinholung des Sommers ins Dorf in Gestalt eines in Ginsterblüten und

Blumen Gesteckten sein.

Narrenschelle

„In Vorderweidenthal hatte man früher einen ganz in Papier gehüllten Quack. Man

ging gewöhnlich zu einem Schneider oder einer Frau, die Nähen konnte und ließ sich

aus Zeitungspapier einen richtigen Frack anfertigen. In dem nahen

Oberschlettenbach kam noch ein weiteres dazu. Um den Papierquack wurden Ketten

aus Schneckenhäusern gehängt. Besonders gegen Lindelbrunn gab es zahlreiche

Schnecken. Schon wochenlang vor Pfingsten sammelten die Buben und Mädchen

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Pfingstquack aus

Zeitungspapier mit

Schneckenhauskette schräg

über Schulter und Brust in

Oberschlettenbach in

früherer Zeit

im Feld schöne große Schneckenhäuser. Sorgfältig wurden sie durchstochen und an

einer Kette auf gereiht.“ (Otto Bertram, Pfingstbräuche im Grenzland. Alles

Brauchtum hat sich im Bergland des Wasgaus erhalten. In: NSZ Rheinfront, vom 3.

Mai 1940, S. If.)

Hier kommt ein weiterer Traditionsstrang ins Spiel, der manchem älteren

Oberschlettenbacher noch bekannt ist. Der ins Papier gehüllte Quack als Narr. Die

Schneckenhäuser sollten vermutlich die Narrenglöckchen ersetzten. Sie galten schon

seit dem 15. Jahrhundert als solche. Fastnachtsumzüge sind immer auch

Lärmaufzüge gewesen. Narrenschellen und Schalmeien waren typische

Lärminstrumente mit denen die Begleitgruppe des Quacks die Straßen des Dorfes

erfüllte. Oft hat ja die allzu frühe Sonne die junge Saat und die Blüte der Bäume

hervorgelockt. Jedoch konnte eine einzige kalte Nacht die Hoffnung der Bauern

wieder zunichte machen. Man griff daher zu Lärminstrumenten, die die

Wetterdämonen abwehren und Fruchtbarkeit und Gedeihen herrufen sollten.

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Fastnacht, Fasching ist ein spielerisches Umwenden der alten Jacke, ein Experiment,

das die Dinge des Lebens einmal von der anderen Seite zeigen sollte. Der zuletzt auf

die Weide Gekommene war der Dümmste, der Narr. Hier hat sich wohl altes

Fastnachtsbrauchtum auf die Gestalt des Quacks Übertragen.

Bedeutung des Quack

Quack meint im engeren Sinn den jungen Vogel, der ursprünglich als Symbol des

kommenden Sommers herumgetragen wurde. Der Nestling wurde als

Frühlingszeichen im Dorf herumgeführt. Im Lauf der Zeit erhielt einer aus der Schar

der Jugendlichen selbst diesen Namen und eine Hauptrolle im Spiel der

Hirtenjungen. Lieselotte Stoll vertritt folgende Meinung: „Wir neigen zu der

Auffassung, dass quack in einem Ablautverhältnis ahd. queh, quek, mhd. quec, kec

(lat. vivus), lebendig, frisch steht. Die Gestalt soll vermutlich durch ihr lebendiges

Wesen und durch das Grün, in das sie gehüllt ist, als Analogiezauber das Wachstum

der jungen Saat beeinflussen und fördern. Zugrundeliegt die Idee, dass der Winter

endlich Überwunden ist und der Sommer in voller Kraft seinen Einzug hält.“

(Lieselotte Stoll, Der brauchtümliche Wortschatz im Überlieferungsbestand der

Pfalz- Zum Problem der Brauchsprache, Speyer1966,S.137)

Die Brauchtumsträger

Bis ins 18. Jahrhundert waren die Hirten des Dorfes die Träger dieses Brauches. Mit

dem Aufkommen der Stallfütterung kam es zur Aufgabe des dörflichen

Hütegemeinschaften. Die Hirten wurden von der heranwachsenden männlichen

Jugend ersetzt. Schließlich wurden die männlichen Volksschüler Träger dieses

Brauchtums. Mädchen kamen erst Anfang der 1960er Jahre des vergangenen

Jahrhunderts dazu. Heute sind es Mädchen und Jungen aus dem Dorf in Verbindung

mit den Mitgliedern des Vereins Skulptour. oder der Freiwilligen Feuerwehr, die

sich als Brauchtumsträger verstehen.

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Die Sage vom Lindenmütterlein, dem bösen Ritter Rotkopf und seinem Bruder Friedlieb

nach einem Gedicht von Fritz Claus

nacherzählt für kleine und große Kinder von Martin Buse

Vor einigen hundert Jahren zog ein junger Ritter mit seinem Gefolge durch die

Lande. Er war auf der Suche nach einer neuen Heimat für sich und die Seinen, denn

dort, wo er herkam herrschten Krieg und große Not. So kam er eines Tages auch in

die schöne Pfalz. Er war sofort angetan von den herrlichen Wäldern, den Hügeln und

Felsen und den reizenden Dörfchen. Eine Gegend aber gefiel ihm besonders. Sie

befand sich zwischen den beiden Orten „Vorderweidenthal“ und

„Oberschlettenbach“. Hier sah er zwei Bergspitzen aus dem dichten Wald ragen.

Einer der Berge, ein schroffer Fels, hieß „Rödelstein“, der andere trug noch keinen

Namen. Auf diesen aber hatte es der Ritter abgesehen. Er deutete auf den Berg und

sprach zu seinem Gefolge: „Auf diesem Berg will ich eine Burg errichten und bis an

mein Lebensende dort wohnen!“

Sogleich ließ er sich mit seinen Leuten am Fuße des Berges nieder und schickte nach

tüchtigen Handwerkern. Es sprach sich schnell in der Gegend herum, dass viele

fleißige Handwerker zum Burgenbau gesucht wurden, und so kamen sie herbeigeeilt:

Waldarbeiter, die den Bauplatz rodeten, Steinmetze, die die Bausteine aus hartem

Fels schlugen, Maurer, die Stein auf Stein setzten und die Wände immer höher zogen

bis zum Dach. Es kamen Zimmerleute, die mit langen Holzbalken den Dachstuhl

setzten und zum Schluss die Dachdecker, die die Burg mit roten Dachziegeln

verkleideten. Es hatte Jahre gedauert, bis die Burg fertig und bewohnbar war. Aber

was nutzt die schönste Burg, wenn es kein Wasser zum trinken und waschen gibt?

Auf dem Berg nämlich fand man kein Wasser, weil das Wasser, so weiß ein jedes

Kind, meistens unten fließt. Also musste ein Ziehbrunnen gebaut werden. Es wurden

Brunnenbauer geholt, die ein sehr tiefes Loch nach unten in den Berg graben

mussten, bis sie endlich auf eine Wasserader stießen. Jetzt konnte man an langen

Seilen Wasser in Eimern hochziehen.

Als auch diese schwere Arbeit endlich geschafft war, rief der Ritter sein Gefolge und

alle Leute, die beim Bau der Burg mitgeholfen hatten, auf den Burghof. „Liebe

Leute“, rief er, „heute ist ein großer Tag für uns alle, denn nun ist die Burg endlich

fertig.“ Lasst uns deshalb fröhlich feiern, esst und trinkt, so viel ihr wollt! Die

Musikanten sollen aufspielen und die Gaukler ihre Späße machen. Aber vorher

wollen wir der Burg einen Namen geben, der zu ihr passt und den sie verdient hat!“

Kaum hatte der Ritter diese Worte gesprochen, wurde das fröhliche Treiben jäh

unterbrochen. Es herrschte mit einem Mal Totenstille. Was war geschehen? Alle

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starrten wie gebannt auf ein altes graues Mütterlein mit einem freundlichen Gesicht.

Sie stand plötzlich neben dem Brunnen inmitten der feiernden Menschen. Niemand

kannte sie, auch hatte niemand gesehen, woher sie kam. In einer Hand hielt die Alte

einen abgeschnittenen Lindenzweig, in der anderen eine Kunkel (Spinnrocken).

Erstaunt blickte der Ritter sie an, jedoch die Übrigen Anwesenden begannen sich zu

fürchten. „Was will die Alte von uns“, flüsterten sie, „bringt sie uns Unheil?“ Da

aber winkte die Alte den Ritter zu sich. Als dieser neben ihr stand, stieß sie die

Kunkel neben dem Brunnen in den Boden, zog sie wieder heraus und pflanzte in das

Loch den mitgebrachten Lindenzweig, den sie sogleich mit dem Brunnenwasser

begoss. Der Ritter schaute die Alte erstaunt fragend an, doch ehe er etwas sagen

konnte, erhob sie für alle hörbar ihre Stimme: „Hör mir zu. Rittersmann, ich weiß ,

dass du ein guter Mensch bist. Du hast die Leute, die für dich gearbeitet haben,

großzügig entlohnt und die Dorfbewohner und Händler, die dir und deinen Leuten

Speise und Trank brachten, ehrlich bezahlt. Dafür soll es dir und deinen

Nachkommen auf ewig wohlergehen, sofern ihr immer Gottes Gebote achtet und

kein Unrecht duldet. Haltet ihr und eure Nachkommen euch aber nicht daran, werde

ich euch bestrafen. Denn du sollst wissen: ich bin kein Wesen aus Fleisch und Blut

wie ihr Menschen, sondern ein Waldgeist und Hüter dieses Berges. Der Liebe Gott

hat mir mächtige Kräfte verliehen, mit denen ich gute Menschen belohnen und böse

Menschen bestrafen kann. Und nun prophezeie ich dir und deinen Nachkommen

noch etwas Wichtiges: achte auf den Lindenzweig, den ich pflanzte! Solange dieser

blüht, geht es dir und deinen Nachkommen gut; doch wehe, wenn die Linde einst

verdorrt, geht es zu Ende mit eurer Ritterschaft. Zum Schluss merke dir: ich möchte,

dass die Burg den Namen „Lindelbrunn“ erhält!“ Und mit diesen Worten

verschwand die Alte so geheimnisvoll, wie sie gekommen war. Der Ritter rieb sich

verwundert die Augen und schaute schnell in den Brunnen hinein, ob sich die Alte

dort verborgen hielt. Aber sie war einfach verschwunden. Da drehte er sich zu dem

erstaunten Volk um und sprach mit ernstem Blick: „Ihr habt gehört, was uns der

Waldgeist auftrug. Wir wollen unsere Burg nach dem Willen der Alten

„Lindelbrunn“ nennen. Aber auch der gute Waldgeist soll einen Namen bekommen.

Wir nennen ihn „Lindelmütterlein“.

Da riefen alle laut: „Hoch, hoch, Lindelbrunn, lang lebe die Burg!“ Im gleichen

Moment fing der Lindenzweig an zu blühen. Das war schon ein Wunder!

Mit der Zeit wurde aus dem Zweig ein Bäumchen, aus dem Bäumchen ein großer

Baum, so groß, dass er bald mit seinem Wipfel die Burg überragte. Der Ritter hatte

sich eine Frau genommen und mit ihr viele brave und gottesfürchtige Kinder gehabt.

Sie lebten zufrieden und in Eintracht mit den Dorfbewohnern und waren in der

ganzen Umgebung beliebt und geachtet. Das war keine Selbstverständlichkeit, denn

es gab auch Ritter, die genau das Gegenteil von den „Lindelbrunnern“ waren. Sie

überfielen die Dorfbewohner, raubten die wenigen Nahrungsmittel, trieben das Vieh

fort zu sich auf ihre Burgen und schlugen die Leute, wenn sie nicht schnell genug

ihr weniges Hab und Gut herausgaben.

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Der gute Ritter und seine Frau wurden sehr alt. Bevor sie starben, warfen sie noch

einmal einen Blick auf den riesigen Lindenbaum, den das Lindenmütterlein einst

gepflanzt hatte. „Seht nur, wie schön er grünt und blüht,“ sagte der Ritter zu den

Seinen, „wenn es stimmt, was uns die Alte einst prophezeit hat, werden unser

Geschlecht und die Burg noch lange bestehen!“

Nach dem Tod der Alten Übernahmen die Söhne die Herrschaft über das Rittergut.

Auch sie waren, wie schon ihre Eltern, rechtschaffene Leute und im ganzen Land

beliebt und geachtet. Sie heirateten, hatten Kinder, und als diese erwachsen waren,

verfuhren sie wie ihre Vorfahren. So verging eine lange Zeit in Frieden.

Das aber sollte sich ändern, als auf der Burg eines Tages ein Knabe geboren wurde,

der dadurch auffiel, dass er bedeutend größer war als andere Neugeborene. Aber

noch auffälliger waren seine feuerroten Haare, für die es keine Erklärung gab, denn

keiner der Vorfahren hatte jemals rote Haare gehabt. Und weil man keinen

trefflicheren Namen für ihn fand, taufte man ihn auf den Namen „Rotkopf“.

Der Knabe wuchs schnell heran und hatte seinen älteren Bruder „Friedlieb“ an Größe

und Kraft bald Überholt. Er war ein wilder Bursche, stritt grundlos mit seinen

Geschwistern, ärgerte Hunde, Katzen und das Federvieh im Haus und auf dem

Burghof, so dass sie Reißaus nahmen, schon wenn sie ihn von weitem kommen

sahen. Wenn seine Eltern ihn ermahnten, lachte er sie aus und rannte einfach davon.

So verging die Zeit und Ritter Rotkopf war inzwischen zum Manne herangewachsen.

Er war so groß, dass er alle anderen um Haupteslänge überragte. Dieser

grobschlächtige Mensch lief stets mit grimmigem Gesicht umher, und jeder, ob

Mensch oder Tier, den er mit seinem stechenden Blick ansah, fürchtete sich vor ihm.

Stets trug er eine Peitsche mit sich, mit der er je nach Laune auf Mensch und Tier

einschlug. Lief er über den Burghof, verstummten sofort alle Gespräche, und

Knechte und Mägde schauten ängstlich zur Seite. Seine Eltern hatten schon lange

nichts mehr auf der Burg zu bestimmen. Ritter Rotkopf hatte sie in ihr Gemach

verwiesen, das sie bis zu ihrem Tode nicht mehr verlassen durften. Als der Vater im

Sterben lag, ließ er seinen Sohn Ritter Rotkopf rufen. „Hör, was ich dir Wichtiges

zu sagen habe! Ich habe euch früher oft die Sage vom Lindenmütterlein erzählt und

von ihrer Prophezeiung. Auch wenn du ein böser Mensch bist, meine ich es gut mit

dir und will dich warnen. Höre auf die Worte der Alten und werde endlich ein

rechtschaffener und gottesfürchtiger Mensch, sonst werden sich die Worte der Alten

erfüllen und die alte Burg versinkt in Schutt und Asche!“ Da lachte Ritter Rotkopf

höhnisch und rief: „Nur ein Narr glaubt an solch einen Unsinn.“

Kurz darauf starben die Eltern. Nun war niemand mehr da, der ihm d’reinreden

konnte. Seinen älteren Bruder Friedlieb hatte er schon vorher aus dem Haus gejagt.

Der musste mit dem Gesindehaus vorlieb nehmen und dort mit den Knechten

schlafen und speisen. Ritter Friedlieb war darüber sehr betrübt. In seiner

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Verzweiflung nahm er all seinen Mut zusammen und trat vor seinen Bruder Rotkopf.

„Was willst du von mir?“ herrschte dieser ihn an. „Ich will nur das, was mir von

Rechts wegen zusteht. Ich bin der ältere Sohn, und nach dem Gesetz bin ich der

rechtmäßige Erbe der Burg mit ihrem gesamten Besitz. Aber ich bin bereit, ehrlich

mit dir zu teilen, wenn du dich fügst.“ Da verfärbte sich Ritter Rotkopfs Gesicht rot

vor Wut und er brüllte seinen Bruder an: „Was willst du Wicht? Herr auf dieser Burg

sein? Scher dich zum Teufel und lass dich nie mehr wieder hier sehen, sonst ist es

um dein Leben geschehen!“ Dazu schlug er mit seiner Peitsche auf den

bedauernswerten Friedlieb ein. Dieser fürchtete um sein Leben und rannte, so schnell

er konnte, aus der Burg, über den Burghof durch das Tor, den Berg hinab in den

dichten Wald. Hier war er zwar vor seinem wütenden Bruder sicher, aber er war

mutterseelenallein, besaß nur das, was er am Leibe bei sich trug, hatte nichts zu essen

und kein Dach über dem Kopf. Da wurde er sehr traurig, als er über das ganze

Unrecht nachdachte, das ihm widerfahren war und er jammerte still vor sich hin. So

irrte er stundenlang ziellos durch den wilden Forst und bemerkte nicht die alte Frau,

die schon eine ganze Weile hinter ihm hergegangen war und sein Wehklagen gehört

hatte. Als sich Ritter Friedlieb einmal umdrehte, erblickte er die Alte und blieb vor

Schreck stehen. Er hatte schon oft von Hexen und bösen Geistern gehört, die den

Menschen nicht wohlgesonnen waren und sie ins Verderben führen wollten. Die alte

Frau aber sah ihn freundlich an und sagte: „Du musst dich nicht fürchten, Ritter

Friedlieb! Ich habe schon viel von dir gehört, ebenso von deinem Bruder Rotkopf!“

Ritter Friedlieb staunte: „Woher kennst du meinen Namen und den meines

Bruders?“ „Haben dir dein Vater und Großvater nie die Geschichte vom

Lindenmütterlein erzählt?“ fragte die Alte. „Oh, doch, schon viele Male“, entgegnete

Friedlieb. „Siehst du, diese Alte steht nun vor dir. Aber nun erzähle, was heute auf

der Burg geschehen ist!“ Nachdem Friedlieb sich vom Staunen erholt hatte,

berichtete er der Alten haarklein, was sein Bruder Rotkopf ihm und auch den anderen

an Leid zugefügt hatte. Die Alte hatte ihm still und aufmerksam zugehört, und als er

zu Ende geredet hatte, machte sie ein nachdenkliches Gesicht. Dann fasste sie ihn

entschlossen am Arm und zog ihn mit sich fort. „Wohin willst du mit mir?“ fragte

Friedlieb. „Wir gehen jetzt gemeinsam zurück zur Burg“, antwortete sie. Da blieb er

erschrocken stehen und rief: „Um Himmels Willen, nur nicht auf die Burg zurück!

Wenn mein Bruder mich sieht, wird er mich gewiss töten.“ Da sprach die Alte in

ruhigem Ton: „Ritter Friedlieb, habe Vertrauen zu mir, dein Bruder wird dir nichts

anhaben können, denn du stehst unter meinem Schutz. Gegen meine Zauberkräfte

ist dein Bruder machtlos!“ Erst zögerte er, doch dann fasste er sich ein Herz, und sie

stiegen gemeinsam den Berg hoch zur Burg. Oben angelangt, sahen sie Ritter

Rotkopf auf dem Burghof stehen, wie er gerade mit seiner Peitsche nach einem Hund

schlug, der nicht schnell genug weggelaufen war. Als er die beiden erblickte, rief er

mit zornigem Blick: „Was will denn diese alte Hexe und dieser elende Wicht hier

auf meiner Burg? Soll ich euch beide an diese Linde Hängen lassen?“ Dann winkte

er seinen Knechten und rief: „Verjagt sie, werft sie den Berg hinab!“

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Da reckte sich die Alte in die Höhe und war mit einem Mal so groß wie der Ritter

Rotkopf. Weit holte sie mit ihrer Kunkel aus und stieß dieselbe mit Wucht in den

Stamm der Linde. Im selben Moment geschah etwas Unvorstellbares: Es erhob sich

ein mächtiger Sturm, der die Baumkrone derart schüttelte, dass sämtliche Blätter

gleichzeitig abfielen. Dazu floss aus dem Loch im Baumstamm der Saft der Linde

direkt in den Brunnen. In kurzer Zeit stand die Linde ausgedörrt und vertrocknet da.

Dann wandte sich die Alte an Ritter Rotkopf, der ungläubig auf die Linde starrte,

und rief: „Du hast es nicht anders gewollt. Nun geht meine Prophezeiung in

Erfüllung!“ Sie fasste Ritter Friedlieb am Arm und zog ihn eilig den Berg hinab.

Dem Ritter war, als träume er, doch als sie am Fuße des Berges standen, umringt

vom Eichenwald, deutete das Lindenmütterlein auf eine Lichtung und sprach: „Hier

sollst du ein Haus bauen mit den Bausteinen deiner Burg. Kein Schloss und keine

Burg, sondern ein bescheidenes und behagliches Heim!“ Mit diesen Worten

verschwand die Alte so geheimnisvoll, wie sie gekommen war.

Plötzlich wurde er in seinen Gedanken aufgeschreckt, denn es geschah etwas

Schauerliches: Der Himmel wurde mit einem Male stockfinster, ein mächtiger Blitz

zuckte vom Himmel und schlug in den verdorrten Lindenbaum ein. Der Berg begann

so zu beben, dass die ganze Burg mit einem lauten Getöse in sich zusammenfiel.

Wie wild rollten die Bausteine den Berg hinab und blieben, wie durch ein Wunder,

an der Lichtung liegen, wo Ritter Friedlieb nach dem Willen des Lindenmütterleins

ein Haus bauen sollte. Zwischen den wild kollernden Steinen rannten laut schreiend

die übrig gebliebenen Burgbewohner den Berg hinab. Ritter Friedlieb hielt

vergebens Ausschau nach seinem Bruder. Obwohl der Bösewicht kein Mitleid

verdient hatte, machte sich Friedlieb große Sorgen um ihn. Er lief daher rasch den

Berg hinauf und blieb oben entsetzt stehen. Dort, wo die Burg gestanden hatte, erhob

sich ein Trümmerhaufen. Alles Leben war erloschen. Dann schaute er zur Linde. Sie

stand zerschmettert da und an dem einzig verbliebenen Ast hing sein toter Bruder.

Niemand von den Überlebenden konnte später sagen, wie er dort hinkam, weil alles

viel zu schnell ging. Die einen waren der Meinung, er habe sich wahrscheinlich

selbst gerichtet. Andere wiederum behaupteten, sie hätten eine pechschwarze Gestalt

mit Fledermausflügeln, einem langen Schwanz, einem Pferdefuß und Augen wie

zwei glühende Kohlen gesehen. Diese habe den laut schreienden Rotkopf, der sich

heftig gewehrt habe, an den Baum gehängt.

Wer hatte nun Recht gehabt? Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich genau: Ritter

Friedlieb baute mit den Steinen der zerstörten Burg ein einfaches, trautes Heim. Er

heiratete, gründete eine Familie und führte ein gottesfürchtiges Leben, bis er viel

geachtet in hohem Alter verstarb.

Das Haus aber steht heute noch und ist noch genau so schön wie damals. Wollt ihr

es euch ansehen? Dann haltet Ausschau nach dem heutigen „Forsthaus“ direkt am

Fuße des Lindelbrunn- Berges. Und sollte euch unterwegs ein altes Mütterlein mit

einer Kunkel in der Hand begegnen, dann ... na ja, ihr wisst schon!

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