1
TREFFPUNKT FORSCHUNG 244 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 242 – 245 BIOCHEMIE Fettsäuren geben Signal für Rückzug von Entzündung Um eine Entzündung zu beenden, muss der Körper sie aktiv auflösen. Die Rückkehr zur Homöostase führen Lipide herbei, die aus Omega-3- Fettsäuren hervorgehen. Der Biosyntheseweg des Botenstoffs Protektin D1 ist bekannt, nun wird eine sehr effektive stereoselektive Synthese in acht Stufen vorgestellt. ungesättigte C22-Fettsäure PD1 ist um Größenordnungen wirksamer als ihr Vorläufermolekül DHA. Zusätzli- che biologische Effekte wie das Ab- mildern von Schmerzen wurden be- schrieben. Daher zählt PD1 zu den neuen Leitstrukturen für Entzün- dungs-abbauende Botenstoffe. Wer- den die Botenstoffe von neuronalem Gewebe produziert, spricht man von Neuroprotektinen. Aus der Retrosynthese der Che- miker um Trond Vidar Hansen von der Universität Oslo ergaben sich drei Bausteine [1]. Die Synthese beginnt mit der Herstellung eines Alkins, ausgehend von 1-Butin und einem geschützten Glycidol. Bei den anderen zwei Bausteinen, einem empfindlichen Aldehyd und einem Wittig-Salz, enthält die Synthese des Aldehyds einen Schlüsselschritt. Die betreffende Aldol-Reaktion geht von 5-Brompenta-2,4-dienal aus. Addiert wird ein Nagao-Evans-Auxiliar. Der iso-Propyl-Rest am Auxiliar steuert die Diastereoselektivität. Ein weiterer wichtiger Schritt ist, nach der Verknüpfung der Bausteine in drei Stufen, die Reduktion des in- ternen, konjugierten Alkins. Hierbei entsteht stereospezifisch das ent- scheidende E,E,Z-Strukturmotiv der drei Doppelbindungen in der Lipid- kette. Flankiert wird das Trien von zwei sekundären allylischen Alkoho- len. Die Synthese von Hansen weist PD1 als freie Säure im NMR sehr rein nach. Zusätzlich ist sie effizienter und kürzer als zwei weitere bislang publi- zierte Synthesen. Vor allem bietet die Aldol-Reaktion zwischen dem Alde- hyd und dem Nagao-Evans-Auxiliar einen Zugang, der die Biosynthese nachahmt und auch andere Struktu- ren wie Maresin zugänglich macht. Nimmt man abweichende Ome- ga-3-ungesättigte Fettsäuren als Aus- gangsstoff, sollten andere Botenstoffe entstehen. Strukturell von DHA un- terscheidet sich zum Beispiel Omega- 3-Docosapentaensäure (n-3 DPA) nur durch das Fehlen einer cis-Doppel- bindung in der C-4-Position. Tatsäch- lich wird diese Fettsäure im Stoff- wechsel gefunden, wenn in dem En- zym Fettsäure-Elongase 2 eine Mutati- on vorliegt [2]. Hieraus entsteht das noch wenig untersuchte PD1 n-3 DPA . Hansen gelang auch hier eine Synthe- se, die das Produkt nach zehn Stufen lieferte. Die biologischen Untersu- chungen laufen noch. Die Leitstrukturen dieser Boten- stoffe werden seit zehn Jahren inten- siv medizinisch getestet. Dank des neuen Arsenals lassen sich Fragen der Grundlagenforschung vertiefen, etwa ob sich der Rückzug von einer Entzündung von außen initiieren lässt. Ob chronische Entzündungen zum Abklingen gebracht werden kön- nen oder die Nebenwirkungen von Entzündungen vermindert werden können. Literatur [1] M. Aursnes et al., Org. Biomol. Chem. 2014, 12, 432–437. [2] M Aursnes et al., J. Nat. Prod. 2014, 99, 910–916. Sylvia Feil, Burgdorf www.chiuz.de Der Körper muss nach Entzündun- gen ein Rückzugsgefecht gewinnen, um einen chronischen Verlauf wie bei Asthma, Arteriosklerose, Autoim- munkrankheiten und neuropathologi- schen Erkrankungen zu vermeiden. Die Antwort des Immunsystems auf eine Entzündung wird als Pro-Resolu- tion beschrieben: Es gilt, die Entzün- dung zu dämpfen oder ihre Neben- wirkungen zu reduzieren. Dieses Rückzugsgefecht wird in dem noch jungen Forschungsfeld Catabasis ge- nannt. Im Stoffwechsel entstehen während einer akuten Entzündung zum Beispiel die Lipide Resolvin E1 aus Eicosapentaensäure und Protekti- ne sowie Maresin aus Docosahexaen- säure (DHA). Mäuse erzeugen beim Auflösen der Entzündung Exkrete, aus denen Protektin D1 (PD1) neben anderen Lipid-Botenstoffen isoliert werden kann. Es schützt Gewebe vor den Fol- gen von Entzündungen wie oxidati- vem Stress etwa im Gehirn und in der Retina. Die oxidierte, mehrfach Abb. (1) Synthese von Protektin D1 (PD1) aus Docosahexaensäure (DHA); (2) der Schlüsselschritt beim Aufbau des empfindlichen Aldehyds ist eine Nagao-Evans- Aldol-Reaktion mit 5-Brompenta-2,4-dienal als Nagao-Evans-Auxiliar. CO 2 H CO 2 H OH OH DHA Protectin D1 Br O H + N O S S S S Br OH O N R R= i-Pr (1) (2)

Fettsäuren geben Signal für Rückzug von Entzündung

  • Upload
    sylvia

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

244 © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2014, 48, 242 – 245

B I O C H E M I E

Fettsäuren geben Signal für Rückzug von Entzündung

Um eine Entzündung zu beenden, muss der Körper sie aktiv auflösen.Die Rückkehr zur Homöostase führen Lipide herbei, die aus Omega-3-Fettsäuren hervorgehen. Der Biosyntheseweg des Botenstoffs Protektin D1 ist bekannt, nun wird eine sehr effektive stereoselektiveSynthese in acht Stufen vorgestellt.

ungesättigte C22-Fettsäure PD1 istum Größenordnungen wirksamer alsihr Vorläufermolekül DHA. Zusätzli-che biologische Effekte wie das Ab-mildern von Schmerzen wurden be-schrieben. Daher zählt PD1 zu denneuen Leitstrukturen für Entzün-dungs-abbauende Botenstoffe. Wer-den die Botenstoffe von neuronalemGewebe produziert, spricht man vonNeuroprotektinen.

Aus der Retrosynthese der Che-miker um Trond Vidar Hansen vonder Universität Oslo ergaben sichdrei Bausteine [1]. Die Synthese beginnt mit der Herstellung eines Alkins, ausgehend von 1-Butin und einem geschützten Glycidol. Bei denanderen zwei Bausteinen, einemempfindlichen Aldehyd und einemWittig-Salz, enthält die Synthese desAldehyds einen Schlüsselschritt. Diebetreffende Aldol-Reaktion geht von5-Brompenta-2,4-dienal aus. Addiertwird ein Nagao-Evans-Auxiliar. Deriso-Propyl-Rest am Auxiliar steuertdie Diastereoselektivität.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist,nach der Verknüpfung der Bausteinein drei Stufen, die Reduktion des in-ternen, konjugierten Alkins. Hierbeientsteht stereospezifisch das ent-scheidende E,E,Z-Strukturmotiv derdrei Doppelbindungen in der Lipid-kette. Flankiert wird das Trien vonzwei sekundären allylischen Alkoho-len.

Die Synthese von Hansen weistPD1 als freie Säure im NMR sehr reinnach. Zusätzlich ist sie effizienter undkürzer als zwei weitere bislang publi-zierte Synthesen. Vor allem bietet dieAldol-Reaktion zwischen dem Alde-hyd und dem Nagao-Evans-Auxiliar einen Zugang, der die Biosynthesenachahmt und auch andere Struktu-ren wie Maresin zugänglich macht.

Nimmt man abweichende Ome-ga-3-ungesättigte Fettsäuren als Aus-gangsstoff, sollten andere Botenstoffeentstehen. Strukturell von DHA un-terscheidet sich zum Beispiel Omega-3-Docosapentaensäure (n-3 DPA) nurdurch das Fehlen einer cis-Doppel-bindung in der C-4-Position. Tatsäch-lich wird diese Fettsäure im Stoff-wechsel gefunden, wenn in dem En-zym Fettsäure-Elongase 2 eine Mutati-on vorliegt [2]. Hieraus entsteht dasnoch wenig untersuchte PD1n-3 DPA.Hansen gelang auch hier eine Synthe-se, die das Produkt nach zehn Stufenlieferte. Die biologischen Untersu-chungen laufen noch.

Die Leitstrukturen dieser Boten-stoffe werden seit zehn Jahren inten-siv medizinisch getestet. Dank desneuen Arsenals lassen sich Fragender Grundlagenforschung vertiefen,etwa ob sich der Rückzug von einerEntzündung von außen initiierenlässt. Ob chronische Entzündungenzum Abklingen gebracht werden kön-nen oder die Nebenwirkungen vonEntzündungen vermindert werdenkönnen.

Literatur[1] M. Aursnes et al., Org. Biomol. Chem. 2014,

12, 432–437.[2] M Aursnes et al., J. Nat. Prod. 2014, 99,

910–916.

Sylvia Feil, Burgdorf

www.chiuz.de

Der Körper muss nach Entzündun-gen ein Rückzugsgefecht gewinnen,um einen chronischen Verlauf wiebei Asthma, Arteriosklerose, Autoim-munkrankheiten und neuropathologi-schen Erkrankungen zu vermeiden.Die Antwort des Immunsystems aufeine Entzündung wird als Pro-Resolu-tion beschrieben: Es gilt, die Entzün-dung zu dämpfen oder ihre Neben-wirkungen zu reduzieren. DiesesRückzugsgefecht wird in dem nochjungen Forschungsfeld Catabasis ge-nannt. Im Stoffwechsel entstehenwährend einer akuten Entzündungzum Beispiel die Lipide Resolvin E1aus Eicosapentaensäure und Protekti-ne sowie Maresin aus Docosahexaen-säure (DHA).

Mäuse erzeugen beim Auflösender Entzündung Exkrete, aus denenProtektin D1 (PD1) neben anderenLipid-Botenstoffen isoliert werdenkann. Es schützt Gewebe vor den Fol-gen von Entzündungen wie oxidati-vem Stress etwa im Gehirn und inder Retina. Die oxidierte, mehrfach

Abb. (1) Synthese von Protektin D1 (PD1) aus Docosahexaensäure (DHA); (2) derSchlüsselschritt beim Aufbau des empfindlichen Aldehyds ist eine Nagao-Evans- Aldol- Reaktion mit 5-Brompenta-2,4-dienal als Nagao-Evans-Auxiliar.

CO2HCO2H

OH

OH

DHA

Protectin D1

Br

O

H + N

O S

S S

S

Br

OH O

N

RR= i-Pr

(1)

(2)