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Finale für die NACHT

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Nr. 2047

Finale für die NACHT

Die SOL sucht den Weg zurück -durch den PULS von Segafrendo

von Horst Hoffmann

Die Besatzung der SOL wurde Zeuge eines ungeheuerlichen Vorgangs von kosmi-scher Bedeutung: Im INSHARAM, einem Kosmos, der gewissermaßen »zwischen«den Universen liegt, erlebten die Menschen an Bord des Hantelraumschiffes mit, wiedie Superintelligenz ES entstand. Daß dieses Geschehen 18 Millionen Jahre in derVergangenheit ablief, verstärkte noch den fremdartigen Charakter des ganzen.

Damit haben die »Einsamen der Zeit«, an ihrer Spitze Atlan, der alte Arkonide, imPrinzip ihre wichtigsten Aufgaben erfüllt, die ihnen ES, der Mentor der Menschheit,im PULS von DaGlausch gestellt hatte. Die Menschheit der Zukunft ist gerettet, dieSuperintelligenz entstanden, der Weg zurück theoretisch frei.

Doch vor der Rückkehr in die reale Gegenwart des fünften Jahrtausends stehengroße Gefahren. So muß die SOL aus dem INSHARAM zuerst in die Galaxis Segaf-rendo reisen, in der ein grauenvoller Krieg tobt. Die mörderischen Mundänen habenin dieser Galaxis die friedliche Kultur der Galaktischen Krone so gut wie zerstört. Inwenigen Jahren werden die Invasoren komplett gesiegt und Segafrendo in die Mäch-tigkeitsballung der Superintelligenz K'UHGAR eingegliedert haben.

Die Besatzung der SOL hat keine andere Wahl. Die Galaktiker müssen das Wag-nis eingehen, wollen sie die Heimkehr in die Milchstraße schaffen. So kommt es zumFINALE FÜR DIE NACHT …

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Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Der Arkonide will mit der SOL zurück in die Real-Gegenwart und in die Milchstraße.Crom Harkanvolter - Der Lord-Eunuch der Mom'Serimer kämpft für das Überleben seines Volkes.Rue Kantasiak - Der Indoktrinato ist der wichtigste Vertreter der Zyniker der NACHT.Ronald Tekener - Der Smiler bietet Psychospiele und Wetten.Fee Kellind - Die Kommandantin der SOL steuert das Schiff in eine Ungewisse Zukunft.

1.SOL

Über sechstausend Menschen an Bord derSOL hielten den Atem an. Es gab nieman-den, der nicht angestrengt auf Bildschirmeund Monitoren starrte. Selbst Icho Tolot, derriesenhafte Haluter, ließ sich von der An-spannung der Menschen an Bord anstecken;sein Atem ging rasselnd und war so laut, daßes jeder in der Zentrale hörte.

Das mächtige Schiff durchstieß ohne Pro-bleme die fünfzig Kilometer durchmessendeMembran des Auroch-Ma-xo-Dimensionstunnels. Jetzt begann die er-ste Bewährungsprobe, jetzt entschied sich,ob die SOL überhaupt weiterfliegen konnte.

Das Raumschiff war zum erstenmal seitlanger Zeit nicht mehr durch eine funktions-fähige Hülle aus Carit geschützt. Und als derTunnel von Auroch-Maxo aus benutzt wor-den war, hatte die Carit-Beschichtung alleindas Schiff davor bewahrt, von unglaublichenKräften buchstäblich zermalmt zu werden.

Zwar besaß die SOL noch immer die gol-dene Schicht, aber diese wies keinerlei hö-herdimensionale Schutzeigenschaften mehrauf. Diese hatte sie während der Entstehungder Superintelligenz ES vollständig einge-büßt.

Die Anspannung der Menschen an Bordwar verständlich. Sie mußten darauf hoffen,daß der Chronist von ES die Wahrheit ge-sagt hatte. Der Chronist hatte behauptet, daßRaumfahrzeuge für eine gewisse Zeit nurdurch den Tunnel diesen seltsamen Raumzwischen den Universen verlassen könnten.

Kein Wunder, daß in der Zentrale im Mit-telteil der SOL gedrückte Stimmungherrschte. Fee Kellind, die blonde Komman-

dantin, saß ebenso angeschnallt in ihremKontursessel wie die anderen. Lediglich derHaluter Icho Tolot stand auf seinen Säulen-beinen.

Atlan, der die Expedition leitete, preßtedie Lippen aufeinander. Seit Minuten sagteder Arkonide kein Wort mehr. Ihn beschäf-tigte nicht nur das, was vor ihnen lag. Wasim INSHARAM geschehen war, hatte erlängst noch nicht verarbeitet. Die Konse-quenzen waren bisher nicht abzusehen.

Auf den Bildschirmen zeigte sich dieWandung des Tunnels wie die Innenseite ei-nes gewaltigen Schlauches. Roman Muel-Chen, der Emotionaut und Erste Pilot, hattedie SERT-Haube übergestülpt, steuerte dasSchiff so schneller und reaktionsfähiger alsjeder normale Raumfahrer. Im Augenblickbrauchte er es aber nur treiben zu lassen.

»Diesmal wirken im Tunnel keinerlei Ge-walten, ganz im Gegensatz zur ersten Passa-ge in umgekehrter Richtung«, sagte Fee Kel-lind. »Wir können uns in diesem Ungewis-sen Medium einwandfrei mit den Triebwer-ken fortbewegen.«

»Noch«, unkte Major Pria Ceineede, dieDritte Pilotin. »Ich möchte mich lieber nichtmehr in diesem Tunnel befinden, wenn derTanz losgeht und das INSHARAM sich wie-der zu füllen beginnt.« »Pessimistin! Wirschaffen das«, sagte Fee. Aber überzeugtklang es nicht.

Niemand sprach in den folgenden Minu-ten. Alle warteten auf das, was auf sie zu-kommen konnte. Keiner, auch die Bordpo-sitronik SENECA nicht, wußte, wie langeder Flug durch den Tunnel gehen würde -und noch viel weniger, was sie an seinemEnde erwartete.

Der Chronist von ES hatte gesagt, daß dieDimensionstunnel aus dem INSHARAM,

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normalerweise in dieser Richtung verschlos-sen, nun für wenige Stunden offenstehenwürden. Die herzförmige, 1160 mal 840 Ki-lometer große Blase habe sich bei der Ge-burt von ES vollständig entleert, es herrschenun kein Innendruck mehr. Ausschließlichin diesem Zustand könnten Raumfahrzeugedas INSHARAM verlassen.

Aber innerhalb kürzester Zeit würde wie-der ein Innendruck aufgebaut werden. Dannwürde die SOL für alle Zeiten im INSHA-RAM gefangen sein.

Und noch mehr kam dazu. Die SOL warmit ihrer Besatzung um achtzehn MillionenJahre in die Vergangenheit und in die ferneGalaxis Segafrendo versetzt worden, indemsie eine Passage durch den Mega-Pilzdomdes Kessels von DaGlausch angetreten war.Nun, da ihre Mission erfolgreich abge-schlossen war, ging es nur noch darum, soschnell wie möglich den Rückweg anzutre-ten.

Der Chronist von ES hafte den Raumfah-rern eine erbärmlich knappe Frist gesetzt,um den Mega-Dom in der NACHT zu errei-chen und sich von ihm zurück in den Kesselund in die Zukunft transportieren zu lassen.

Drei Tage!Nur durch den Auroch-Maxo-Tunnel war

das Ziel zu erreichen. Jeder andere Tunnelführte in eine andere Galaxis, teilweise Dut-zende oder gar Hunderte von Lichtjahrenentfernt. Von dort aus könnte die NACHTniemals fristgerecht erreicht werden. Dabeiwar die Fahrt durch diesen Tunnel ein reinesHimmelfahrtskommando. Der Arkonide hat-te darauf hingewiesen, aber seine heftigenProteste hatten nichts genützt.

Am anderen Ende des Tunnels wartetenmit hoher Wahrscheinlichkeit die Mundänenmit einer Riesenflotte. Eine wiederauftau-chende SOL hatte dort keine Chance. Nichtgegen Zigtausende von Raumschiffen.

Und Auroch-Maxo-55, die Wasserweltder Inzaila, hatte sich aufgelöst. Die Mög-lichkeit war groß, daß der Tunnel dadurchebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wordenwar.

Wie man es drehte und wendete, großerOptimismus war fehl am Platze. Die SOLjagte durch den Dimensionstunnel, und nie-mand wußte, wieviel von der Strecke schonzurückgelegt war oder noch werden mußte.Eine Orientierung in diesem Medium warmit ihren vergleichsweise »normalen« Mit-teln unmöglich.

Sie wußten nicht, wie schnell sie wirklichwaren, und sie wußten genausowenig, wielange sie noch brauchten. Es gab keine Weg-marken, an denen man seine Fortbewegunghätte festmachen können.

*

Fee Kellind ließ die SOL nur mit äußer-ster Vorsicht manövrieren, trotz ihrer zurSchau gestellten Zuversicht. Immer wiederkommunizierte sie, wider besseres Wissen,mit der Bordpositronik, fragte SENECAnach der voraussichtlichen Dauer des Flugesund danach, wie weit die objektiv in demTunnelmedium zurückgelegte Strecke nachAuroch-Maxo-55 sein könnte.

Trotz aller Versuche, etwas herauszufin-den, lautete die Antwort stets: »Bedaure,Kommandantin, aber ich weiß es nicht.« So-gar die bereits zurückgelegte Entfernungzum INSHARAM konnte innerhalb kürze-ster Zeit nicht mehr nachvollzogen werden.

»Es hat doch keinen Sinn, Fee!« brach At-lan sein Schweigen - fest, aber nicht un-freundlich. »SENECA wird trotz aller Meß-versuche nicht mehr herausfinden.« Der Ar-konide wischte sich mit einer Hand über dieStirn. Es war, als sei er aus einem Schlaf er-wacht. »Es geht einfach nicht, Fee. Und wirkönnen nichts tun, um den Flug zu beschleu-nigen. Wir sollten uns statt dessen Gedankenüber die Verhältnisse machen, die uns anseinem Ende erwarten.«

»Du glaubst, daß die Mundänen noch aufuns warten?« fragte sie.

Er nickte. »Auf jeden Fall. Ich bin über-zeugt, daß am Ende der Strecke eine ausZehntausenden von Schiffen bestehendeFlotte durch die Dunkelwolke fliegt.«

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»Hartnäckig genug sind die Mundänenja.« Die Kommandantin biß sich auf die Un-terlippe. »Man kann nur hoffen, daß sienicht an unsere Rückkehr glauben.«

»Ich fürchte, die Hoffnung ist sehr vage;die Mundänen sind innerhalb dieser ver-gleichsweise kurzen Zeit noch nicht abgezo-gen«, meinte der Arkonide. »Mein Logik-sektor ist übrigens ebenfalls dieser Mei-nung.«

Fee hob die Schultern. »Dagegen kann ichschlecht argumentieren. Wir sollten nur …«

»Es bringt jetzt nichts, wenn wir uns ver-rückt machen«, unterbrach sie Icho Tolotsgrollende Stimme. Obwohl der Haluter seineStimme dämpfte, schreckte jeder in der Zen-trale auf. »Wir müssen auf alles vorbereitetsein, wenn wir aus dem Tunnel kommen -das ist das wichtigste.«

Der Haluter hatte recht. Die Anspannungin der Zentrale blieb, aber die nervösen Ge-spräche verstummten für einige Zeit. Wiedersaßen die Besatzungsmitglieder der SOL nurin ihren Kontursesseln und verfolgten ange-spannt den Flug durch das seltsame Medi-um.

Dann ließ sich auf allen Ortungsgerätenerkennen, daß das Tunnelende langsam inSicht kommen mußte.

Zuerst war es, als stünden plötzlich langerote Striche auf den Bildschirmen und in denHolowürfeln. SENECA »bearbeitete« dieseWahrnehmungen sofort. Wurden die rotenStriche entsprechend nachberechnet, ent-puppten sie sich als Bilder von zahllosenFunken, die an der SOL vorbeischossen -und zwar in umgekehrter Richtung. Dannmeldete das Bordgehirn, daß ein zunächstsehr sachter Zug in Gegenrichtung einge-setzt habe. Binnen weniger Minuten steiger-te sich der Zug zu einem Strudel.

Atlan erkannte die Gefahr sofort. »DasINSHARAM beginnt sich wieder zu fül-len!« rief er. »Es baut sich offensichtlichwieder ein neues Energieniveau auf, undbald wird es wieder genügend Psi-Materiegeben.«

»Diese Ansicht wird durch meine Analy-

sen bestätigt«, schaltete sich Myles Kantoraus seinem Labor in das Gespräch ein. »Wasvon uns als Funken oder Striche wahrge-nommen wird, sind Energiequanten undzahlreiche Hyperbarie-Teilchen in unglaub-lichen Mengen. SENECA bestätigt dieseAnsicht. Es fließt Energie zurück ins INS-HARAM.«

»Das heißt wohl, daß wir uns beeilenmüssen«, sagte Fee Kellind mit angespann-tem Gesichtsausdruck.

Dann klammerte sie sich unwillkürlich anden Lehnen ihres Sessels fest, denn in die-sem Moment durchlief ein heftiges Rüttelndas Schiff.

»Der Strudel ergreift uns bereits!« riefRoman Muel-Chen. »Ich kann kaum gegen-steuern!«

»Wir haben wahrscheinlich nur noch we-nige Minuten, um den Weg zurück ins Stan-darduniversum zu bewältigen«, orakelte At-lan, »wenn wir nicht wieder ins INSHA-RAM zurückgespült werden und dort gefan-gen sein wollen.«

»Dann sollten wir uns beeilen«, sagte Ro-nald Tekener trocken. Wieder erzitterte undknirschte die Schiffszelle. »Ohne Carit-Schutz fliegen wir in Energien hinein, vondenen wir keine Vorstellung haben. Ich haltees für angebracht, den Paratronschirm zu ak-tivieren.«

»Den Paratron?« fragte Fee zweifelnd.»Du weißt, wie fatal er beim Einflug ins IN-SHARAM mit dem umgebenden Mediumreagiert hat.«

»Natürlich weiß ich das. Aber solche Ver-hältnisse herrschen noch lange nicht. Ich bindafür, das Risiko einzugehen.«

Atlan nickte grimmig. »Einverstanden.Bitte, Fee, dann tu es. Roman kann die SOLdann mit maximaler Leistung der Hyperkon-Normaltriebwerke gegen die Strömungstemmen lassen.«

»Einverstanden. Aber ich schalte den Pa-ratron sofort wieder aus, wenn die SOLdurch ihn wieder in Gefahr gerät.«

Sie erteilte einen entsprechenden Befehl.Wenig später war das Schiff in den wir-

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kungsvollen blauen Schirm gehüllt. Soforthörten die Erschütterungen auf. Dafür schiender mehrfach gestaffelte Paratronschirm inFlammen zu stehen. Auf ihm fanden heftig-ste energetische Entladungen statt. Jenseitsder Flammen tobte ein gewaltiges Wetter-leuchten.

»Volle Leistung auf die Triebwerke, Ro-man!« rief die Kommandantin.

»Das tu' ich bereits«, wurde ihr geantwor-tet. »Schneller geht's nicht. Wir schießen mitHöchstwerten durch den Tunnel.« Der Emo-tionaut verzog das Gesicht. »Zumindest be-schleunige ich mit Höchstwerten. Wieschnell das relativ zur Tunnelwandung ist,kann ich auch nicht sagen.«

Die energetischen Phänomene nahmenweiter an Heftigkeit zu, aber der Paratronstand und hüllte die SOL in vielleicht trüge-rische Sicherheit. Denn wenn der Strudelstärker wurde, konnte es leicht geschehen,daß sogar der Schirm zusammenbrach.

Die SOL, wisperte Atlans Extrasinn, wirdnur deshalb nicht vernichtet, weil der Tun-nel nach einer Phase der Inaktivität nun erstwieder warmläuft.

Der Arkonide sah Fee Kellind in die Au-gen, und er sah ihre Zweifel. Sie erhielt eineAnzeige, wonach der Paratron zu zehn Pro-zent überlastet sei, dann fünfzehn, zwanzig.Fee strich sich die blonden Haare aus derStirn und rieb sich die feucht gewordenenHandflächen an der Kombination trocken.

»Du überlegst, ob du den Versuch nichtbesser abbrechen läßt«, erriet Atlan undschüttelte den Kopf. »So schnell geben wirnicht auf, Fee. Wir müssen hier durch. Allesandere würde unser langsames Ende im IN-SHARAM bedeuten.«

»Ein schnelles hier im Tunnel wäre dirlieber?« fragte sie. Aber sie lächelte, um denWorten die Spitze zu nehmen.

»Du weißt es besser, deshalb gebe ich dirdarauf keine Antwort. Ich …«

Er wurde unterbrochen, denn in diesemMoment rief Roman Muel-Chen: »Wir ha-ben es geschafft! Wir sind gleich aus demTunnel heraus!«

Tatsächlich sahen die Raumfahrer ein ro-tes Glühen auf den Schirmen. Alles gingjetzt ganz schnell. Das Glühen wurde raschintensiver. Sie alle hielten es für einen opti-schen Begleiteffekt des Tunnelendes.

Als sie ihren Irrtum erkannten, war es fastzu spät. Die SOL verließ den Dimensions-tunnel und fand sich in einer Wand aus Plas-ma und Feuer wieder.

*

Der Paratronschirm stand für einige bangeSekunden kurz vor der endgültigen Überla-stung. Grelles Flackern überzog die äußerenSchichten; Licht eruptierte an manchen Stel-len und wurde in grellen Effekten auf denOrtungsgeräten wahrgenommen. Fast wärendie Schirme zusammengebrochen, was dasunwiderrufliche Ende der SOL bedeutet hät-te. Doch jetzt zeigte sich, wie richtig dieEntscheidung gewesen war, die Paratron-staffel zu aktivieren.

Das acht Kilometer lange Hantelschiffdurchbrach die Glut und raste hinaus in dieAuroch-Maxo-Dunkelwolke. Zwischen denNebeln schienen sich Atlans Befürchtungenauf der Stelle zu bestätigen. Ortungsalarmschrillte durch die SOL.

Major Viena Zakatas Pferdegesicht er-schien als Holo vor den Verantwortlichen.Der Funk- und Ortungschef verkündete auf-geregt, daß im unmittelbaren Umkreis Zig-tausende von Mundänen-Schiffen geortetworden seien.

»Sie haben auf uns gewartet!« sagte erheftig. »Aber sie hätten doch glauben müs-sen, daß wir vernichtet seien.«

»Anscheinend nicht«, meinte Fee Kellindvöllig nüchtern und überlegt.

Die Kommandantin wandte sich sofort anOberstleutnant Don Kerk'radian, der für dieSchiffsverteidigung verantwortlich war. DerHüne mit den kurzgeschnittenen blondenHaaren war vom Feuerleitstand aus die gan-ze Zeit über per Holo »anwesend« gewesen.Fee Kellind beriet sich mit ihm in Windesei-le. Die beiden wechselten Daten; Statusmel-

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dungen der einzelnen Bordgeschütze wurdenauf Bildschirmen verglichen.

Mit einem Angriff der Mundänen mußtejeden Augenblick gerechnet werden. Nur derÜberraschungseffekt ihres plötzlichen Auf-tauchens stand für die SOL. Sogar die sonstso überlegen wirkende Dao-Lin-H'ay zeigteZeichen der Erregung. Die Krallen der Kar-tanin schoben sich aus den Fingerkuppenund zogen sich wieder zurück. Außerdemwaren die Pupillenschlitze ihrer Augen ganzschmal geworden.

»Die Plasmawolke, die wir durchstoßenhaben«, sagte Ronald Tekener quasi hinterihrem Rücken zu Atlan. »Dabei muß es sichum die Überreste des Planeten Auroch-Ma-xo-55 handeln. Als wir ihn mit der SOL ver-ließen, stand er kurz vor der Vernichtung.Sie hat also inzwischen stattgefunden, unddie Mündung des Dimensionstunnels befin-det sich mitten in dem Plasma.«

»Genauso sehe ich es auch«, stimmte derArkonide zu.

»Rund sechzigtausend Mundänen-Raumschiffe aller Größen«, meldete VienaZakata jetzt. »Sie haben uns geortet. Und dieersten von ihnen greifen an!«

Ein Verband aus vielleicht tausend Ein-heiten rückte blitzschnell gegen die SOLvor. Dann schlugen die ersten Treffer in denParatronschirm.

2.Nacht-Acht

Rue Kantasiak war ein hochgestellter In-doktrinato - also Lehrer - in Nacht-Acht, derStation der Mom'Serimer in der NACHTvon Segafrendo. Seine Aufgabe war, denjungen Mom'Serimern das physikalischeWissen ihres Volkes über die NACHT zuvermitteln. Nach seinen Begriffen war daseine quasi unmögliche Aufgabe, denn diejungen, quirligen Mom'Serimer waren auf-grund der natürlichen Schnellebigkeit kaumzu kontrollieren. Sie wurden im Durch-schnitt nur rund 230 Segaf alt, also zwanzigterranische Jahre, was einen raschen Genera-

tionswechsel bedeutete und so auch schnel-les Lernen.

Das ganze Leben der Mom'Serimer warein einziger Burn-out, der mit dem Tod en-dete. In dieser Zeit entwickelten die herm-aphroditischen Lebewesen hin und wiederund nicht vorhersehbar ihre geschlechtlichenMerkmale. Aus jedem jungen Mom'Serimerkonnte ein Mann oder eine Frau werden, dasließ sich nicht bestimmen. Es war völlig un-gewiß, ob aus Kinderfreundschaften Män-ner- oder Frauenfreundschaften wurden oderetwas ganz anderes: ein Paar, das wiederKinder zeugte und gebar.

Mom'Serimer wurden nur bis zu 1,20 bis1,30 Meter groß und besaßen einen weitge-hend hominiden Körperbau. Ihre Hautfarbewar ein bleiches Rosa. Der Schädel auf demdünnen, faltigen Hals wurde von einem starkausgeprägten, knollig vorragenden»Vordergesicht« geprägt, während der flie-henden Stirn ein kaum ausgeprägter Hinter-kopf folgte. Der schmallippige, kleine Mundbefand sich an der Unterseite des Vorder-schädels. Seine Oberseite war bestimmt voneiner flachen, breitgedrückten, leicht vorra-genden Nase mit nur einer Öffnung. Geson-derte Riechsensoren befanden sich darunterin zwei kleineren Löchern.

Die Augen von schmaler Mandelform sa-ßen seitlich der Nase. Die Mom'Serimer hat-ten aufgrund ihrer überragenden Anpas-sungsfähigkeit - bedingt durch den schnellenGenerationswechsel - die Infrarotsichtigkeitentwickelt.

Hinter den Augen entsprangen zu beidenKopfseiten oberhalb kleiner Ohröffnungenbis zu sechzig Zentimeter lange »Tentakel« -Knorpelfortsätze des Schädels, in denenGanglion-Ausläufer des Gehirns saßen unddie vibrationsempfindliche Rezeptoren dar-stellten. Je nach Geschlechtsausprägung do-minierte - männlich - entweder das rechteGehirntentakel -, oder das linke - weiblich -,im Neutrumszustand befanden sich beideTentakel im ausgewogenen Gleichgewicht.Die geschlechtliche Polarisierung verstärktenoch die ohnehin vorhandene Unruhe und

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Hektik dieser kleinen Wesenheiten. Und da-mit hatte nicht nur Rue Kantasiak seine liebeMühe und Not. Zwar war nur bei einemkleinen Teil seiner Schüler inzwischenschon die Geschlechtlichkeit durchgebro-chen, doch steckten diese die sowieso auf-sässigen Jüngeren an, so daß kaum ein gere-gelter Unterricht möglich war.

Nur dem Umstand, daß Rue Kantasiak fürdiesen Tag ein besonderes Experiment ange-kündigt hatte, war es zu verdanken, daß ihmkeine Gegenstände um die Ohren flogen undsich das aufgeregte Geschnatter der Schüleruntereinander halbwegs in Grenzen hielt.

»Wir simulieren heute die Annäherung ei-nes Jetboots an die Finstergrenze«, verkün-dete er seiner Rasselbande mit lauter, hellerStimme. »Ihr alle habt in eurer Mediazelleeure Computer vor euch und seht die sche-matische Abbildung dieser Grenze, die unsvon der umliegenden Galaxis Segafrendotrennt. Wer in die Finstergrenze hinein- oderzu nahe an sie heranfliegt, ist verloren. Erverliert sich im Hyperraum. Das müßt ihr al-le wissen. Ich weiß, es gibt Abenteuerlustigeunter euch, die gerne einmal hinfliegen wür-den. Um ihnen das Mütchen zu kühlen, ma-chen wir dieses Experiment.«

»Ein Experiment kann die Wirklichkeitnicht ersetzen!« schnatterte ihm ein beson-ders aufmüpfiger Schüler entgegen. RueKantasiak kannte ihn. Sein Name war JeoapAndele, ein eigentlich höchst intelligenterjunger Mom'Serimer.

»Das kann es wohl nicht«, antworteteRue, »aber es kann der Wirklichkeit sehr na-hekommen. Möchtest du mit dem virtuellenJetboot fliegen, Jeoap?«

Seine Klassenkameraden drängten ihn mitlautem Gekreische, und der jungeMom'Serimer willigte ein. Er verließ seineMediazelle, trat vor und stellte sich nebendas Jetboot, das für den Flug vorbereitetworden war.

Ein Terraner hätte ein solches Jetboöteher mit einem kleinen irdischen Tauchtor-pedo verglichen. Man verschwand nicht ineiner Kabine, sondern verankerte sich auf ei-

nem außen angebrachten Liegegestell.»Betrete jetzt das Boot!« forderte Rue

Kantasiak Jeoap auf. »Klammere dich festan seine Griffe, denn gleich beginnt der Ver-such. Du wirst in eine virtuelle Welt ge-schickt und mußt an der Finstergrenze navi-gieren. Du weißt, wie nahe du ihr nur kom-men darfst, also richte dich danach. Wenndu ihr zu nahe kommst, ist das für dich indiesem Versuch zwar nicht tödlich, aber eskann trotzdem Schmerzen und Irritationenhervorrufen.«

»Ich bin längst bereit!« rief der jungeMom'Serimer schnatternd. »Ich habe keineAngst.«

»Nun gut«, sagte Rue. »Alle passen auf.Der Versuch beginnt - jetzt!«

Der Indokrinato sprach einen Befehl. Imnächsten Moment baute sich dort, wo er vorder Klasse gestanden hatte, eine Holowandauf. Rue Kantasiak trat hindurch und in dieReihen zwischen den Schülern in ihren Me-diazellen.

»Was ihr in der Holographie sehen wer-det«, sagte er dozierend zu seinen Anver-trauten, »ist Jeoaps Reise zur Finstergrenze,die unsere Enklave innerhalb der GalaxisSegafrendo begrenzt, während Jeoap leiblichin diesem Zimmer bleibt. Sie heißt Finster-grenze, weil sie vollkommen schwarz undohne Ortungsgeräte nicht feststellbar ist.«

Die Schüler sahen in der Holographie denFlug des virtuellen Jetboots zur Finstergren-ze. Sie war in einer Verfremdung grellrotmarkiert. Jeoaps Boot beschleunigte immerweiter, bis es mit einem hohen Prozentsatzder Lichtgeschwindigkeit darauf zuraste.Dann legte es sogar eine kurze Überlichte-tappe ein und materialisierte knapp vor derGrenze.

Die NACHT durchmaß ursprünglich 0,42Lichtjahre. An diesen Maßen hatte sich inallen Generationen nichts geändert. Erst inletzter Zeit hatten die Astronomen diesenWert mehrfach nach unten korrigieren müs-sen. Das hatte begonnen, seit das seltsameRaumschiff namens SOL verschwundenwar.

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Das war alarmierend genug! Die NACHTwar der einzige Lebensraum derMom'Serimer. Wenn die NACHT nun zu-sammenschrumpfte, konnte das ihrer allerTod bedeuten.

Entsprechend hatte Rue Kantasiak dieMaßstäbe gesetzt. Er hatte Jeoap Andelekeiner Gefahr aussetzen wollen. Und dochhatte er zu knapp kalkuliert.

Er begriff es, als er im Holofeld das Bilddes Jetboots auf die anscheinend noch ferneFinstergrenze zutreiben sah. Das Boot warlängst wieder aus der Überlichtgeschwindig-keit gekommen und bewegte sich durch dennoch sicheren Raum. In diesem Augenblickhörte er Jeoaps markerschütternden Schrei.Der Schrei brach auf einmal ab, während imHolo das Jetboot immer noch auf die Grenzezuflog.

Abbrechen! dachte der Indoktrinato inplötzlicher Panik. Mit zwei schnellen Sprün-gen war er durch das Holo hindurch und anseinem Schaltpult. Mit einem Wortbefehlbeendete er das Experiment. Die Holowandlöste sich auf.

Zurück blieb das Jetboot mit einem Schü-ler darauf, der verkrümmt auf dem Jetbootsaß, die Augen vor Grauen geweitetet undunaufhörlich zitternd. Speichel lief ihm überdas Gesicht.

»Die Grenze … die Grenze«, stammelteder Schüler, dann brach seine Stimme ab,und Jeoap Andele fiel nach vorne.

Die Schüler sprangen auf und liefendurcheinander. Einige kamen näher, um denOhnmächtigen zu betrachten, andere flohenvoller Angst aus dem Raum.

Rue Kantasiak stand vor dem Jetboot undkonnte es nicht fassen. Er hatte doch allesrichtig gemacht. Was war nur geschehen?Ganz nebenbei bekam er mit, daß einigeSchüler Alarm schlugen und nach den Ärz-ten verlangten.

»Das … das hätte nie passieren dürfen«,stammelte er, als die ersten anderen Indok-trinatos in seiner Klasse erschienen. »Ich ha-be große Toleranzwerte eingegeben, um ei-nem eventuellen weiteren Vorrücken der

Finstergrenze Rechnung zu tragen. Sie mußnäher gekommen sein, als wir alle vermute-ten …«

»Trotzdem hätte dem Jungen nichts pas-sieren dürfen«, sagte Cediar Spunkengold.

Cediar unterrichtete ebenfalls Physik undwar mit dem Versuch vertraut. Er hatte ihnselbst schon unternommen.

»Er war nur in einer virtuellen Realität ander Finstergrenze«, sagte Cediar und fuhrdem ohnmächtigen Schüler nachdenklichüber den Kopf, »egal wie nahe sie mittler-weile gekommen sein mag.«

»Der Anblick muß ihm zuviel Angst ein-gejagt haben«, mutmaßte einer der Ärzte,die mittlerweile erschienen waren. WährendRoboter den Jungen abtransportierten, fügteder Arzt hinzu: »Oder euer Gerät wurde ausirgendwelchen Gründen falsch eingestellt.«Er verschwand.

»Falsch eingestellt?« fragte Rue Kantasi-ak. Seine Fühler zitterten. »Ich kann mir dasnicht vorstellen. Unsere Zivilisation ist demUntergang näher, als wir alle gedacht haben.Und keine ESTARTU wird kommen, umuns zu retten.«

»Darüber diskutieren wir später«, antwor-tete Spunkengold ablehnend. »Jetzt geht esdarum, den armen Jungen wegzubringen undzu heilen. Falls das noch möglich ist. Eswird eine Untersuchung deines Experimentsstattfinden, Rue Kantasiak. Vielleicht wirdsich der Lord-Eunuch selbst einschalten.«

»Crom Harkanvolter«, sagte Kantasiak,und es klang nicht freundlich.

»Es wird bis auf weiteres keine Schulex-perimente mehr geben«, sagte Spunkengoldüberflüssigerweise.

Rue Kantasiak sah den Kollegen verwei-send an. Du hast mir gar nichts zu sagen,Freund! dachte er mißmutig. Du weißt nicht,mit wem du dich anlegst …

*

Rue Kantasiak war 192 Segaf alt, das ent-sprach fast siebzehn Erdenjahren. In dieserZeit hatte er vieles erlebt. Schon im Alter

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von 65 Segaf, das waren nicht einmal sechsErdenjahre, hatte er die Geschlechtlichkeitentwickelt.

Aus dem Neutrum war eine Frau gewor-den und hätte ihrem Partner, Alef Aldee,zwei Kinder geschenkt. Nacheinander wur-den Alef und sie wieder zu Neutren, und imAlter von 134 Segaf hatte Rue abermals einGeschlecht angenommen, diesmal dasmännliche. Die Hoffnung, daß Alef Aldeesich diesmal zum »Weibchen« entwickelnwürde, blieb unerfüllt. Auch er wurde zumMann.

Die beiden Partner hatten auch nach derGeburt ihrer Kinder weiter zusammengelebt,als Neutren und nun als Männer. Sie liebtensich immer noch. Nur an Nachwuchs warnicht zu denken.

Rue Kantasiak hatte allerdings immereinen Mom'Serimer, mit dem er sich aus-sprechen konnte. Sie konnten über alles re-den, denn Aldee war wie Kantasiak ein Zy-niker der NACHT.

Diese Gruppe war, im Gegensatz zu denOptimisten der NACHT, fest überzeugt, daßESTARTU niemals wiederkehren würde. Indiesem Fall war das Dasein, das sie führten,sinnlos - für die mom'serimersche Nützlich-keits-Philosophie eine unerträgliche Vorstel-lung.

Die Zyniker der NACHT - ihnen gehörtenEunuchen, Indoktrinatos, sonstige führendeMom'Serimer an - traten deshalb dafür ein,alle Anlagen von Nacht-Acht abzuschalten,eingeschlossen die Stromschnelle. Das imGrunde genommen entwurzelte Dasein inNacht-Acht würde damit ein für alle Maleenden.

Rue Kantasiak war der wichtigste Vertre-ter der Zyniker der NACHT. Sein Wort hattein ihren Versammlungen Gewicht. Und erwar noch nicht zu alt, um neuer Lord-Eu-nuch zu werden, sollte dem alten etwas zu-stoßen.

Auf der anderen Seite standen die Optimi-sten der NACHT, die von ESTARTUS Wie-derkehr in der nahen Zukunft überzeugt wa-ren. Sie wollten mindestens noch einige

Mom'Serimer-Generationen abwarten, bevorernsthaft über eine Abschaltung der Anlagendiskutiert wurde.

Das Dasein der Mom'Serimer besaß in ih-ren Augen sehr wohl einen hohen Nutzen,indem sie nämlich Nacht-Acht und dieStromschnelle für ESTARTUS Wiederkehrin Bereitschaft hielten. Der wichtigste Ver-treter der Optimisten der NACHT war dererst seit kurzem amtierende Lord-EunuchCrom Harkanvolter.

An diesem Abend, nach dem auf so fataleWeise fehlgeschlagenen Experiment, lagenRue Kantasiak und Alef Aldee in einer ge-polsterten Ecke ihres gemeinsamen Wohn-raumes und ließen sich mit leiser Musik aussechs Lautsprecherquellen berieseln, jeweilseiner in einer Ecke des Raumes, einer in derDecke und einer im Boden. Aus ihm kamendie Tieflaute, die den Boden in Schwingun-gen versetzten. Gekoppelte Lichtwerfersorgten dafür, daß der Raum mit der Musik»lebte«. Die beiden Mom'Serimer hörten die»Ode an die NACHT« von Bheth Oovener.

»Das. Schweigen macht mich fertig,Rue«, sagte Alef Aldee nach etwas mehr alseiner Stunde. »Willst du mir denn gar nichtsagen, was heute passiert ist? Ich spüredoch, daß etwas vorgefallen ist.«

Rue Kantasiak seufzte. »Was glaubst du,worüber ich mir die ganze Zeit über denKopf zerbreche? Ich finde einfach keine Er-klärung. Ich weiß nur, daß ich schuld bin.«

»Schuld? Woran, Liebster?«Sie redeten sich noch immer so an wie zu

ihrer Zeit als Paar. Es war zu fest in ihnenverwurzelt, und wer konnte es wissen - viel-leicht machte der eine oder andere von ihnennoch einmal in seinem Leben einen Ge-schlechtssprung durch?

Rue gab sich einen Ruck und erzähltedem Partner die ganze Geschichte. Ab undzu mußte er eine Pause einlegen, weil ihndie Aufregung übermannte. Alef Aldee warein geduldiger Zuhörer. Erst als Rue geendethatte, rührte er sich.

Er umarmte Rue in einer spontanen Gestedes Mitgefühls. Dann lehnte er sich wieder

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zurück gegen die Wand.»Du weißt, daß du dir nichts vorzuwerfen

hast«, sagte er ernst. »Du hast dieses Experi-ment schon häufiger vorgeführt und auchdiesmal alles richtig gemacht. Niemandkonnte ahnen, daß die Finstergrenze bereitsso nahe gekommen ist.«

»Aber auch dann hätte es nicht geschehendürfen!« begehrte Kantasiak auf.»Schließlich war der Schüler körperlich imKlassenzimmer und nur virtuell über dasHolo in der Nähe der Finstergrenze!«

»Offensichtlich ist dieser Schüler beson-ders schreckhaft, oder es gibt Einflüsse derFinstergrenze, die wir bisher nicht wahrge-nommen haben, die aber durch das Holo ge-zeigt wurden«, sagte Aldee. »Und an allemist nur ESTARTU schuld - oder diesesSchiff SOL, mit dessen Verschwinden allesbegann.«

»Das ESTARTU-Schiff«, stimmte Ruemurmelnd zu. »Du hast recht, Alef. Allesfing damit an, daß es durch die Stromschnel-le verschwand …«

»Wir sind verraten worden«, meinte Al-dee. »Von jenen, die wir für unsere Verbün-deten und Freunde hielten.«

»Wir Zyniker der NACHT haben das niegetan«, sagte Rue.

»Aber wir haben auch nichts gegen dieSOL unternommen, selbst als sie Nacht-Acht 3 mit den lebenswichtigen Recycling-anlagen stark beschädigt hat. Vielleicht wardas unser größter Fehler. Aber sollte sie zuunseren Lebzeiten zurückkommen, könntenwir das Versäumte vielleicht nachholen.«

Er war manchmal um einiges fanatischerals sein Freund und Partner, der allerdingsmehr direkte Verantwortung trug. Rue Kan-tasiak ließ sich leicht von Alef beeinflussen.

»Es ist Zeit für die stündlichen Nachrich-ten«, sagte Rue. »Stell die Hymne ab und rufdie Sendung auf!«

Er hätte es auch selbst tun können, aberan diesem Abend war ihm nicht danach. Soüberließ er es seinem Freund, mit einem ein-fachen Zuruf die Musik und die Lichter ab-zuschalten und gleichzeitig die Kommunika-

tionswand zu aktivieren.Es dauerte eine Minute bis zum Beginn

der Nachrichten, aber ein Text wies schonjetzt auf eine Sondermeldung hin. Rue Kan-tasiak zog sich der Magen zusammen. Erglaubte bereits, daß damit das gescheiterteExperiment in seiner Klasse gemeint seinsollte.

War der Schüler etwa schon gestorben?Oder wußte man bereits, was tatsächlichpassiert war?

Aber es kam tatsächlich noch schlimmer.Eine Gruppe von sechs Mom'Serimern, sowurde bekanntgegeben, die mit Jetbooten ander Finstergrenze unterwegs gewesen waren,waren mitsamt ihren Booten von dem Medi-um außerhalb der NACHT verschluckt wor-den. Beobachter, die sich in der Nähe befan-den, sagten übereinstimmend aus, die Jet-boote hätten sich in ausreichendem Sicher-heitsabstand zur Finstergrenze befunden.

Rue Kantasiak, nur kurz geschockt, zählteeins und eins zusammen. Es war nicht weitbis zu dem Schluß, daß sich die Finstergren-ze erneut weiter in Richtung Zentrum derNACHT verschoben hatte.

»ESTARTU«, sagte er zu Alef Aldee,»hat ihre Diener tatsächlich verlassen. Siewird nie zurückkehren und uns nie von un-serem Dasein erlösen. Das Finale für dieNACHT steht offenbar unmittelbar bevor.Wir sollten nun entsprechend handeln.«

»Das war schon lange Zeit nötig«, heizteAlef das Feuer an.

*

Crom Harkanvolter hatte die Nachrichtschon vor ihrer Ausstrahlung erfahren. Erwar so erschüttert wie kaum jemals in sei-nem Leben - das letztemal wohl, als seinegeliebte Partnerin Yessim sich das Lebengenommen hatte, um ihm zu helfen, wie siegemeint hatte. Sie hatte ihn in tiefste Ein-samkeit gestoßen, die nur durch das Auftau-chen der SOL und den Kontakt mit jenenfremden Raumfahrern unterbrochen wordenwar, die tatsächlich in ESTARTUS Zeichen

Finale für die NACHT 11

Page 12: Finale für die NACHT

flogen.Aus dem Traum, der Lord-Eunuch aller

Mom'Serimer zu werden, war nichts gewor-den. Die Zyniker der NACHT lehnten ihnoffen ab, und ihre Ablehnung wuchs ständigweiter an. Nur der Respekt vor den Überlie-ferungen und Traditionen hielt sie davon ab,ihn direkt anzugreifen und den Umsturz zuriskieren.

Der in weiße Tücher gehüllte oberste allerMom'Serimer trank etwas zu seiner Beruhi-gung. Dann ließ er Stap Crumero kommen,einen Eunuchen, der für ihn so etwas wie dieSchnittstelle zu den Wissenschaftlern bedeu-tete. Stap war lange Zeit selbst Hyperphysi-ker und mit der Erforschung der Finstergren-ze betraut gewesen, bevor er sich entschlos-sen hatte, schon Croms Vorgänger als Eu-nuch und Berater zu dienen.

Er trug wie alle Eunuchen eine rote Kom-bination mit einem schwarzen Umhang dar-über. Sie waren die »Anführer« ihres Volkesund nur dem Lord-Eunuchen untergeordnet.Um nicht zu riskieren, daß ein plötzlicherGeschlechtswechsel ihre Entscheidungenbeeinträchtigte, hatten sie sich operativ dieentsprechenden Hormondrüsen entfernenlassen. So konnte es nicht mehr zum Aus-bruch der Geschlechtlichkeit kommen.

Unter den Eunuchen und Indoktrinatosbetrug das Verhältnis von Optimisten undZynikern der NACHT etwa eins zu eins, mitleichtem Übergewicht der Optimisten. CromHarkanvolter hatte allerdings schon manchesMachtwort sprechen müssen, wenn es zwi-schen den beiden Lagern hart hergegangenwar.

Jetzt wußte er nicht mehr aus und ein. Al-les, woran er geglaubt hatte, schien mit ei-nemmal nichtig geworden zu sein.

»Sag mir, Stap«, wandte er sich an denEunuchen, »was wißt ihr wirklich? Wie weitist die Finstergrenze schon herangekom-men? Welchen Durchmesser hat dieNACHT noch?«

»Die Finstergrenze ist die Grenze zwi-schen der NACHT, in der wir leben, und derumliegenden Galaxis Segafrendo, in welche

die NACHT eingebettet ist«, begann der Eu-nuch in dozierendem Tonfall. »Jenseits vonihr fließt eine ungeheure Energiemenge inSegafrendo ein. ESTARTU hat diese Ener-gien schon vor langer Zeit reguliert, so daßfür Segafrendo keine Gefahr daraus er-wächst.«

Ungeduldig winkte der Lord-Eunuch ab.»Das weiß ich doch schon alles, Stap. Reddoch bitte nicht um das Problem herum!Oder glaubst du, ich könnte die Wahrheitnicht ertragen?«

»Ich wollte all dies nur noch einmal in Er-innerung rufen«, sagte der Eunuch, derleicht beleidigt wirkte, »um deutlich zu ma-chen, daß bis vor kurzem alles nach einemvon ESTARTU ausgeklügelten Plan verlief.Jetzt, da die Finstergrenze sich verändert,könnten sich auch die Verhältnisse außer-halb von ihr verändern, mit unvorhersehba-ren Konsequenzen für Segafrendo.«

Crom Harkanvolter richtete sich von sei-nem mit einem weißen Baldachin über-spannten Lager auf und trat auf Stap Crume-ro zu.

»Wie weit ist die Finstergrenze tatsäch-lich vorgedrungen, Stap?« fragte er heftig.»Wie groß ist die NACHT noch?«

Der Eunuch wich seinem Blick aus. Erschien mit sich zu kämpfen. Dann rucktesein Kopf herum, und er blickte Crom Har-kanvolter genau in die Augen.

»Du hast recht, Crom Harkanvolter. Dubist der Lord-Eunuch, und wir dürfen ausfalscher Rücksichtnahme die Wahrheit dirgegenüber nicht verschweigen. Der Durch-messer der NACHT beträgt keine 0,42Lichtjahre mehr, sondern nur noch 0,35. Dasist die bittere Wahrheit. Was noch schlim-mer ist: Die Finstergrenze könnte plötzlichnicht mehr die NACHT kugelförmig umge-ben, sondern sich unregelmäßig ausdehnenund die NACHT quasi einengen. Deshalbkönnen Dinge verschluckt werden, die nachbisheriger Berechnung noch weit vor ihr wa-ren - wie der Fall der sechs verschwunden-den Mom'Serimer nahelegt. Und ESTARTUläßt nichts von sich sehen oder hören.«

12 Horst Hoffmann

Page 13: Finale für die NACHT

»Nanu?« fragte Crom. »Bist du plötzlichzum Zyniker der NACHT geworden?«

»Nein, Herr«, antwortete Stap. »Obwohlmir dann und wann gefährliche Gedankenkommen - ich gestehe es. Warum läßt EST-ARTU uns jetzt im Stich? Wenn sich dieEntwicklung so fortsetzt, wird die NACHTbald nur noch ein fünftel Lichtjahr groß sein,und danach …«

Der Wissenschaftler brach ab und verhüll-te sein Gesicht mit den Händen.

»Ich kann dich verstehen, aber dein Ver-halten nicht billigen«, sagte der Lord-Eu-nuch. »Gerade jetzt müssen wir stark ' imGlauben sein. Die Wege einer Superintelli-genz sind für uns Mom'Serimer nicht nach-vollziehbar. ESTARTU wird kommen. ImMoment der größten Not wird sie dasein unduns alle retten.«

Stap Crumero verneigte sich tief vor ihm.»Ich weiß, Lord-Eunuch. Verzeih meineZweifel! Ich werde die Botschaft an alle Eu-nuchen weitertragen.«

»Das ist gut so. Und nun geh zu den ande-ren!«

Crumaro zog sich aus dem geräumigenund luxuriös ausgestatteten Wohn- undSchlafgemach des Lord-Eunuchen zurück.Crom rief nach einem anderen Eunuchen,Garbam.

Auch Garbam hatte bereits seinem Vor-gänger gedient. Crom Harkanvolter wartetegeduldig die umständliche Begrüßung ab.

Dann ordnete er an: »Ich möchte, daß dueine besonders würdevolle Trauerfeier fürdie an der Finstergrenze Gestorbenen orga-nisierst, Garbam. In Nacht-Acht 3. Ich selbstwerde den Nachruf sprechen, verbunden miteinem Appell an unser Volk.«

»Herr«, sagte Garbam vorsichtig.»Nacht-Acht 3 ist zwar von den Reparatur-robotern wieder weitgehend instand gesetzt,trotzdem besteht aber die Gefahr neuer Va-kuumeinbrüche. Ich weiß nicht, ob du unterdiesen Umständen …«

»Du hast gehört, was ich befohlen habe«,unterbrach ihn der Lord-Eunuch. »Und jetztentferne dich! Laß mich allein!«

Garbam gehorchte. Ihm war anzusehen,daß er sich um seinen Herrn Sorgen machte.So ungeduldig und unfreundlich hatte er ihnselten gesehen.

Nachdem er gegangen war, legte sichCrom Harkanvolter wieder auf sein Bett undaktivierte mit einem Zuruf die Kommunika-tionswand - gerade rechtzeitig, um den Be-ginn der Nachrichtensendung mitzuerleben.

Was ihm bereits berichtet worden war,sah er nun mit eigenen Augen. SechsMom'Serimer, unterwegs mit ihren Jetboo-ten, verschwanden plötzlich noch vor der ei-gentlich exakt vermessenen Finstergrenzeaus der NACHT.

Crom Harkanvolter war innerlich voll-kommen aufgewühlt. ESTARTU! schrie es inihm. Warum kommst du in dieser bitterenStunde nicht und hilfst uns? Seit vielen Ge-nerationen sind wir doch deine Diener.

Aber der Lord-Eunuch hatte sich schnellwieder in der Gewalt. Er atmete tief durch.Auf ihm lastete die Verantwortung, und erglaubte zutiefst an die Rückkehr ESTAR-TUS, bevor hier alles zu Ende ginge.

Yessim, dachte er. Warum hast du michverlassen?

Es war hier so unerträglich einsam ohneeinen echten Freund. Crom wußte, daß ernie wieder einen wie Yessim finden würde,die Mutter ihres gemeinsamen Kindes, dassie hinter seinem Rücken in fremde Obhutgegeben hatte.

Er hatte viel Zeit darauf verwendet, diesesKind wiederzufinden, aber der Erfolg warihm versagt geblieben. Wahrscheinlich, sodachte er inzwischen, waren seine Adoptiv-eltern kinderlos und gaben ihn nicht wiederheraus. Selbst ihm persönlich peinliche öf-fentliche Anfragen hatten kein Ergebnis ge-bracht.

So war er extrem einsam auf dem Gipfelder Macht. Er hatte viele Berater; aber keinewirklichen Freunde. War dies der Preis fürdas höchste Amt?

Zweifel begannen seinen Verstand zu zer-sägen. Er versuchte, sie zurückzudrängen,aber die ließen es nicht zu, sondern wurden

Finale für die NACHT 13

Page 14: Finale für die NACHT

noch mächtiger.Weshalb half ihnen ESTARTU jetzt

nicht? Wieso tauchte nicht wenigstens dieSOL wieder auf? War sie von den schreckli-chen Mundänen aufgerieben und zerstörtworden?

Crom Harkanvolter war zum Lord-Eunuchen seines Volkes geworden.

Und er war mit dieser Aufgabe unsäglichallein.

3.SOL

Auch wenn Roman Muel-Chen das Schiffüber die SERT-Haube steuerte, war die Lagefür die SOL vollständig aussichtslos.

Die ersten tausend Mundänen-Raumer -vom zweihundert Meter durchmessendenKriegsleichter bis zum dreitausend Meterdurchmessenden Kriegsturm - hatten denParatronschirm der SOL mit ihrem Beschußbis an die Überlastungsgrenze getrieben.Das Hantelraumschiff floh vor ihnen, abermehr als 35 Prozent der Lichtgeschwindig-keit ließ sich in der Auroch-Ma-xo-Dunkelwolke an fast keiner Stelle errei-chen. Die einzige Hoffnung war, daß sichdie SOL ihren Verfolgern so lange würdeentziehen können, bis sie außerhalb derWolke die erforderliche Eingangsgeschwin-digkeit für das Hypertakt-Triebwerk aufbrin-gen konnte.

Allerdings durchmaß die Dunkelwolkezwanzig Lichtstunden, und das bedeutete,daß die Mundänen in jedem Fall viel Zeithaben würden, sich an jedem beliebigenAustrittspunkt der SOL auf die Lauer zu le-gen.

Das wiederum hieß, daß die SOL das Ge-biet der Dunkelwolke kaum mehr aus eige-ner Kraft würde verlassen können. Vor ihrlauerten die Kriegstürme der Mundänen, undhinter ihr her war ein riesiger Pulk vonFeindschiffen.

Immer wieder schlugen Treffer in den Pa-ratron. Überschlagsenergien konnten imZweifelsfall nicht mehr von der Carit-Hülle

aufgefangen werden, sondern erreichten zuhundert Prozent die SOL.

Atlan ließ das Feuer aus den Transform-kanonen eröffnen. Etliche Schiffe der Mun-dänen, vor allem die großen Kriegstürmevergingen in der Glut atomarer Explosionen,aber für sie kamen zahlreiche andere nach.Ein zweites Geschwader näherte sich vonBackbord, ein drittes von Steuerbord.

Die Transformkanonen konnten noch soviele Abschüsse erzielen und die Materie derDunkelwolke in düstere, manchmal hellflackernde Glut versetzen. Über eines konn-ten sie nicht hinwegtäuschen: Die Gegnerwurden immer mehr. Und die SOL schienam Ende zu sein.

Welcher mundänische Heerführer auchimmer auf der anderen Seite stehen mochte,er hatte bestimmt nicht die Absicht, dasHantelschiff nochmals entkommen zu las-sen.

»Wir schaffen das nicht!« rief Fee Kel-lind. »Die Übermacht ist zu groß! Wo im-mer wir die Dunkelwolke verlassen werden,werden wir auf Mundänen stoßen.«

»Sie haben es nicht geschafft, uns mitdem ersten Feuerschlag auszuradieren«, wi-dersprach ihr Ronald Tekener. »Ich bieteeuch allen eine Wette an. Ich wette, daß wires hier heraus schaffen. Wer hält dagegen?«

»Tek, jetzt übertreib's doch bitte nicht«,wurde er von Atlan ermahnt.

»Wann denn? Ich denke, euch liegt etwasan eurem Schiff?«

»In Ordnung«, sagte Fee Kellind, die imAugenblick ohnehin nichts tun konnte. Siemußte sich auf das Können ihrer Offiziereverlassen. »Und worum geht's?«

»Um unser Überleben natürlich. Nein, umeinen Tanz mit dir in der Messe, wenn wirdies hier hinter uns haben.«

Dao-Lin-H'ay hielt dem Smiler eine Handvors Gesicht und fuhr warnend die Krallenaus.

»Na gut«, sagte Tek und grinste, »dannnur um unser Überleben.«

Fee Kellind reichte ihm die Hand. Erdrückte sie.

14 Horst Hoffmann

Page 15: Finale für die NACHT

»Sage ich doch«, äußerte Tekener. »Wirschaffen es.«

*

Die SOL hielt mit irrwitzigen Manöverndurch die Dunkelwolke einige Minutendurch. Roman Muel-Chen leistete unglaubli-che Arbeit, indem er das Schiff immer wie-der durch Lücken in der Front der Angreiferlotste. Die SOL hatte sich längst in ein feu-erspeiendes Ungetüm verwandelt, dessenTransformkanonen tausendfachen Tod in dieReihen der Mundänen schleuderte.

Der Ansturm der Mundänen wurde den-noch immer heftiger. Treffer auf Treffer er-folgte; ein ums andere Mal stand der Parat-ron vor dem Zusammenbrechen.

Und noch längst nicht war das Hantel-schiff aus der Dunkelwolke heraus.

»Wir schaffen es nicht«, orakelte Fee Kel-lind düster. »Gleich wird der Paratron zu-sammenbrechen.«

In diesem Augenblick kam von Viena Za-kata und seinem Stab die Meldung von einerseltsamen Ortung aus der Plasmawolke, diemit dem Rest von Auroch-Maxo-55 iden-tisch war.

»Das Objekt muß ziemlich groß sein«,sagte Zakata nervös, »und es fliegt tatsäch-lich in unsere Richtung. Es kommt direkt aufuns zu!«

»Soll das heißen, es kommt aus dem Di-mensionstunnel?« fragte Fee Kellind un-gläubig. »Es verließ ihn noch nach uns? Dasist eigentlich unmöglich.«

Eine Serie neuer Treffer schlug in den Pa-ratronschirm ein, ließ ihn erneut grell auf-flammen. Die Belastungsanzeige wies irrsin-nige Werte aus.

Fee Kellind allerdings hatte nur Augen fürden Orterreflex, der auf den Schirmen standund heller und größer wurde. Gegen dieMundänen konnte sie nichts tun, aber dasunheimliche Objekt mußte jeden Momentaus der Glut auftauchen.

Und dann war der seltsame Raumkörperda.

Er war tatsächlich riesig, und sie kanntenihn. Seine Umrisse waren charakteristischgenug. Objekte - oder besser: Wesen - dieserArt waren einzigartig im Kosmos.

»Bei Arkons Göttern!« entfuhr es Atlan.»Eine Inzaila Onda! Eine Schwimmende In-sel!«

Die Inzaila hatten den Türkisozean vonAuroch-Maxo-55 bevölkert. Ihre Form erin-nerte in der Regel an riesige Schiffsrümpfevon 3500 bis 3800 Metern Länge, mit Tief-gängen bis zu achtzig Metern und Breitenzwischen 800 und 1000 Metern. Sie bestan-den aus organischpflanzlichem Material,millionenfach verflochten und teils über Äo-nen in die heutige Form gewachsen.

Die Auroch-Maxo-Dunkelwolke war er-füllt gewesen von einer Energie oder Kraft,die man nicht sehen und nicht fühlen konnte,dem sogenannten Tzan'dhu. Die Inzaila hat-ten ihre Kraftfeldlinien wie ein Netz durchdie gesamte Dunkelwolke gewoben: das so-genannte Flimmernetz. Die Erfüllung ihrerExistenz war die Transformation zu einer In-zaila Onda und der damit verbundene Wech-sel ins INSHARAM, den geheimnisvollenOrt voller Weisheit und Macht.

Als die SOL im INSHARAM weilte, leb-ten dort mehrere Dutzend Inzaila Onda; diegenaue Zahl hatte die Besatzung nicht ermit-teln können. Nach der energetischen Entlee-rung des INSHARAM waren sie aufgebro-chen, jede durch einen anderen Dimensions-tunnel, um im Universum Frieden zu stiftenund sich selbst weiter zu vervollkommnen.

Nun war eine von ihnen hier. Offenbarwar sie noch einmal umgekehrt, zurück indas INSHARAM, um von dort aus den Wegin die alte Heimat zu nehmen. Damit war sieder SOL auf ihre Weise gefolgt.

»Hoffentlich greifen die Mundänen nichtauch sie an!« rief Dao-Lin-H'ay. »Sie sindzu wertvolles Leben, um hier sterben zumüssen!«

»So?« fragte Fee Kellind sarkastisch.»Und wir? Ist unser Leben nicht wertvoll?«

»Reg dich nicht künstlich auf«, empfahlihr Ronald Tekener augenzwinkernd. »Du

Finale für die NACHT 15

Page 16: Finale für die NACHT

weißt genau, wie Dao das gemeint hat.«»Seid bitte ruhig!« forderte sie Atlan laut

auf. »Fällt euch nichts auf?«Die Kommandantin drehte sich zu ihm

um und sah ihm in die Augen. Dann nicktesie und ließ ein befreiendes Lachen folgen.

»Die Mundänen schießen nicht mehr!«rief sie aus. »Sie haben das Feuer einge-stellt!«

Und Oberstleutnant Don Kerk'radian sag-te mit wie hypnotisiert klingender Stimme:»Ich weiß wirklich nicht, weshalb wir wei-terhin auf intelligente Lebewesen schießensollen …«

4.Nacht-Acht

Für Rue Kantasiak war es klar: Das Endeder NACHT und der Mom'Serimer war ge-kommen. Es bedurfte dazu nicht der»Einflüsterungen« von Alef Aldee. Erglaubte wirklich daran.

Die Katastrophe an der Finstergrenze wä-re bereits Vergangenheit, wenn der Lord-Eunuch nicht noch feierlich von den TotenAbschied nehmen wollte. Es gab weitereNeuigkeiten - solche von der Art, die nichtin den offiziellen Nachrichten auftauchten.

Sie wurden von Mund zu Mund verbrei-tet, vor allem unter den Zynikern derNACHT, die sich an Dinge heranwagten,von denen die Optimisten in reinem Selbst-betrug ihre Finger ließen.

Die fähigsten Wissenschaftler gehörten zuden Zynikern der NACHT, weil sie mit offe-nen Augen sahen, was geschah, weil sie sichden Tatsachen nicht verschlossen und ihrepersönlichen Konsequenzen daraus zogen.

Rue Kantasiak nahm an der Trauerfeierteil, schon der Form halber. Er brauchte jedeArt von Positiv-Werbung. Auf dem Wegdorthin, bereits in Nacht-Acht 3, war ihmund Aldee der wohl fähigste Hyperphysikerdieser Mom'Serimer-Generation begegnet.Schnell und hektisch, wie es die Art seinesVolks war, hatte er Rue Kantasiak davon be-richtet, daß sich die bereits beobachteten rät-

selhaften Energieeinbrüche an allen mögli-chen Stellen der NACHT in den letztenStunden verstärkt hätten.

Blitze aus dem Nichts zuckten durch denschwarzen Raum, und mittlerweile waren siezum erstenmal selbst an der unberührbarenSäule der NACHT beobachtet worden, demMega-Dom der NACHT.

Für Rue Kantasiak stand fest, daß er nachder Trauerfeier in die Offensive gehen wür-de. Die Zyniker der NACHT waren langegenug passiv gewesen. In einer großen, ra-schen Kampagne mußten die Mom'Serimerdavon überzeugt werden, daß das Ende nahewar und ESTARTU nicht zurückkehrenwürde - und zwar alle Mom'Serimer, nichtnur jene, die es sowieso schon wußten undsich in die beiden Parteien spalteten.

Es würde wie ein Donnerschlag durchNacht-Acht hallen und in jedem der achtdurch kilometerlange Röhrensysteme ver-bundenen Plantoiden zu hören sein: die Pa-rolen der Zyniker, ihre Angriffe auf die Op-timisten und die Führung unter Lord-EunuchCrom Harkanvolter!

Sollte der zu erwartende lawinenhafteUmschwung zugunsten der Zyniker ausblei-ben, dann blieb nur die Möglichkeit direkterSabotage. Die Ewigen Batterien und dieStromschnelle mußten abgeschaltet werden.

Noch war es dazu zu früh. Noch galt dieZurückhaltung. Die Abschaltung mußtedurch eine Mehrheit legitimiert werden. Sodachten nicht alle Zyniker; aber für Kantasi-ak war es selbstverständlich.

Rue Kantasiak betrat den großen Bestat-tungsraum mit der Konverterkammer. Etwahundert Mom'Serimer hatten sich hier einge-funden, um den sechs Toten die letzte Ehrezu erweisen. Sechs stählerne Behälterschwebten auf Antigravschienen vor demTor der Kammer, jeweils zwei nebeneinan-der. Ruhige, aber nicht traurige Musik er-füllte den Raum. Für die Mom'Serimer warder Tod nichts Schreckliches, sondern derÜbergang von einem Leben zu einem ande-ren. Der Begriff Trauerfeier stimmte alsonicht ganz.

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Page 17: Finale für die NACHT

Natürlich waren die Metallbehälter leer.Aber das ist typisch für die Optimisten,dachte Kantasiak. Sie machen sich selbstund dem Volk etwas vor, in jeder Hinsicht.

Ein Eunuch trat vor und las von einerSchriftenrolle die Dinge vor, durch die sichdie Toten in der Gesellschaft ausgezeichnethatten. Danach erhob sich Crom Harkanvol-ter selbst und sprach die rituellen Worte.Schließlich gab er das Zeichen, und die ersteReihe mit Stahlbehältern setzte sich auf dasTor der Konverterkammer zu in Bewegung.

Die Musik erstarb. Rue Kantasiak spürtedie Blicke einiger Mom'Serimer, die sich aufihn richteten. Es waren allesamt Zyniker derNACHT. Er bewegte unauffällig seine Ten-takel.

»Sie erwarten etwas von dir«, flüsterteAlef ihm zu. »Ein Zeichen.«

»Das werden sie bekommen«, gab erebenso leise zurück.

*

Rue Kantasiak wurde sofort aktiv, nach-dem er zurück in seiner und Alefs Wohnungwar. Er stellte sich so vor seine Kom-Wand,daß er mit dem Oberkörper im Bereich derBilderfassung war, und rief seinen - nachAlef Aldee - engsten Vertrauten an.

Das Gesicht des Mannes erschien in ei-nem Holo vor ihm. Selbst der Geruch desDuftwassers, das Mars Overlott benutzte,war plötzlich im Raum.

»Ich habe auf deinen Anruf gewartet,Rue«, sagte Mars. »Es ist Zeit, nicht wahr?«

»Höchste Zeit, Mars. Wir haben die Kam-pagne geplant und vorbereitet. Als ersteswerden wir die Propagandasendungen aus-strahlen, jede Stunde einmal und auf jedemKanal. Die Techniker der Sendeanstalten ge-hören mittlerweile zu achtzig Prozent zuuns. Wir werden die Bevölkerung über dasaufklären, was ihnen der Lord-Eunuch ver-schweigt.«

»Sehr gut«, lobte Overlott. »Und weiter?«»Sobald die Bevölkerung erst einmal un-

ruhig geworden ist, werden wir große Ver-

sammlungen abhalten und sie informieren.Wir werden Harkanvolter zu einer öffentli-chen Diskussion zwingen, die auf allen TV-Kanälen übertragen wird.«

»Das alles hört sich sehr gut an, Rue.«»Aber?«»Du kennst meine Einstellung. Sabotage-

trupps zusammenstellen und die EwigenBatterien und die Stromschnelle abschalten!Ohne langes Hin und Her!«

»Das wäre Mord, Mars«, sagte Rue Kan-tasiak.

»Und eine Abschaltung, nachdem eineMehrheit dafür plädieren würde, in einerAbstimmung, die viel Zeit braucht? Waswäre das? Manchmal muß der Intelligenteüber das Schicksal der Einfältigen entschei-den, Rue. Wir sind doch schon tot. UnserDasein ist sinnlos geworden, und Sinnlosig-keit ist Tod!«

Die beiden Zyniker der Nacht sahen sichlange an.

Dann sagte Kantasiak: »Du hast großeMacht, Mars. Du könntest die Sabotageselbst und gegen meinen Willen verüben las-sen. Ich bitte dich, gib mir fünfzehn SegZeit, um das Ende auf meine Art herbeizu-führen.«

»Höchst ungern, Freund, aber so sei es. Infünfzehn Seg greifen wir an - wenn du kei-nen Erfolg hattest.«

Mars Overlott schaltete von sich aus ab.Rue Kantasiak starrte noch eine Zeitlang aufdie Stelle, an der sein Holo gestanden hatte,dann drehte er sich um und wandte sich anAldee.

»Und?« fragte er. »Was hättest du ihm anmeiner Stelle gesagt?«

»Das weißt du«, antwortete sein Partner.»Ich an deiner Stelle würde nicht zu langewarten.«

»Verräter!« sagte Kantasiak und lachte.»Nein, Alef, wir haben alle Trümpfe in derHand.«

Und dann rief er seinen Kontaktmannbeim Sendepersonal der Kanäle an.

*

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Page 18: Finale für die NACHT

»Das ist ungeheuerlich!« rief Crom Har-kanvolter aus, als die Sendung ohne Ankün-digung unterbrochen wurde, und zwar nichtfür Werbung, sondern für eine Sondersen-dung der Zyniker der NACHT.

Rue Kantasiak selbst sprach zu denMom'Serimern und versuchte ihnen einzure-den, daß ESTARTU niemals wiederkommenwürde und die SOL ebensowenig. Das imNamen ESTARTUS fliegende Hantelschiffmachte er überdies für alle Katastrophenverantwortlich, die seit seiner Abreise in derNACHT geschehen waren. In diesem Zu-sammenhang erwähnte er mit dramatischenGesten die Verkleinerung der NACHT von0,42 auf 0,35 Lichtjahre.

»Ist er denn verrückt geworden?« ereifer-te sich Crom Harkanvolter. »Wenn er schonum die Dinge weiß, die ich erst gestern er-fahren habe - wie kann er sich damit an dieBevölkerung wenden? Er muß doch wissen,daß dies eine Panik hervorrufen kann!«

»Vielleicht will er es so, Herr«, sagte Gar-bam.

Crom bebte am ganzen Körper. »Nein«,sagte er. »Dazu kenne ich ihn zu gut. Er magmein politischer Gegner sein, aber eine Re-volution anzetteln - dazu ist er nicht in derLage.«

»Ich hoffe, du hast wie immer recht,Herr.«

Rue Kantasiak hatte gerade zu Ende ge-sprochen, und die Sendung lief normal wei-ter, da geschah es.

Die gesamte Kommunikationswand wur-de dunkel, und die indirekte Deckenbeleuch-tung erlosch. Der Temperaturregler fiel aus,und in einer der Lampen am Bett zerplatzteein Lichtstab. Unvermittelt war es vollkom-men finster, aber nicht still.

Selbst hier, mitten in Nacht-Acht 1, wardas Krachen einer gewaltigen Explosion zuhören, die sich offensichtlich in einem derAsteroiden zugetragen haben mußte. DerBoden erzitterte.

Crom Harkanvolter schrie vor Wut undAngst auf. Was war das nun wieder? EinAnschlag der Zyniker?

Das war der erste Gedanke des Lord-Eunuchen. Die Zyniker der NACHT mußtendie Überraschung über den Vorstoß von RueKantasiak genutzt haben, um einen der Pla-netoiden durch eine Sprengung schwer zubeschädigen, vielleicht sogar zu vernichten.Eine andere Erklärung gab es nicht - jeden-falls jetzt noch nicht.

»Die Notsysteme, Garbam«, sagte CromHarkanvolter, dessen Nachtsichtigkeit ihmgenau zeigte, wo sein Diener stand.»Aktiviere sie!«

»Ich bin schon unterwegs, Herr.«Kurz darauf wurde es wieder hell, und der

Temperaturregler nahm seine Arbeit wiederauf. Nur die Holoschirme in der Kom-Wandblieben dunkel.

Aufgeregte Eunuchen traten ein und über-zeugten sich davon, daß ihr Herr keinenSchaden genommen hatte. Versuche erga-ben, daß sich alle Stellen in Nacht-Acht 1erreichen ließen, während die Kommunikati-onsleitungen zu den anderen sieben Plane-toiden gestört waren. Es dauerte fast eineStunde, bis diese Störungen behoben wordenwaren.

Ein Schirm in der Kom-Wand leuchteteauf und füllte sich mit dem Abbild der be-kanntesten Nachrichtensprecherin vonNacht-Acht. Croms Blicke hingen an ihrenLippen. Seine Gehirntentakel zitterten hef-tig.

»Nun komm doch schon!« rief er aus.»Sag uns doch endlich, was geschehen ist.«

Jetzt erst sah er die Tränen in ihren Au-gen. Die Ansagerin stand unter Schock! Waswar so schrecklich, daß es sie, die oft genugschlechte Nachrichten zu verkünden hatte,so aus der Bahn warf? Dann warf sie denKopf in den Nacken und blickte in die Ka-mera.

»Es ist zu einer ungeahnten, furchtbarenKatastrophe gekommen, Mitbewohner vonNacht-Acht«, sagte sie mit heiserer Stimme.»Es ist wieder zu einem Energieeinbruch ge-kommen, diesmal mitten in Nacht-Acht. DerWohnplanetoid Nacht-Acht 7 wurde betrof-fen. Die heftige Explosion hat große Stücke

18 Horst Hoffmann

Page 19: Finale für die NACHT

aus dem Planetoiden herausgerissen unddurch Überschlagblitze die Kommunikationin ganz Nacht-Acht vorübergehend lahmge-legt. Nach jetzigen Schätzungen hat die Ka-tastrophe rund eintausend Mom'Serimer dasLeben gekostet.«

»Eintausend Opfer!« entfuhr es CromHarkanvolter. »Das ist unglaublich, einfurchtbares Unglück. Und es kann jederzeitwieder geschehen. Wir sind ohne Schutz!«

Die Sprecherin redete weiter. Ständig lie-fen bei ihr neue Nachrichten ein, Hiobsbot-schaften von Vakuumeinbrüchen und ver-schmorten technischen Großanlagen.

Und dann unterbrach sie eine Propagan-dasendung der Zyniker der NACHT. CromsEmpörung war riesig. Denn die Zyniker be-wiesen, wie schnell sie reagieren konnten.

Ihr Spot bestand nur aus einer einzigenFrage: »ESTARTU, wo warst du, als tausenddeiner Kinder ihr Leben lassen mußten?«

»Das wird ernst, Herr«, sagte einer derEunuchen. »Die Zyniker haben gute Psycho-logen in ihren Reihen. Sie haben den Nervder Bevölkerung getroffen.«

»Sie werden viele neue Anhänger gewin-nen«, prophezeite ein anderer. »Du mußt et-was dagegen tun, wenn du Lord-Eunuchbleiben willst.«

»Das werde ich«, kündigte Crom Harkan-volter grimmig an. »Glaubt mir, das werdeich. Es wird eine Trauerfeier für die Opfergeben, wie Nacht-Acht sie noch nie erlebthat. Und danach werde ich eine Versamm-lung der maßgeblichen Mom'Serimer einbe-rufen.«

»Ist es nicht genau das, was die Zynikervon dir erwarten?« fragte Garbam, der alteEunuch.

*

Sechs Seg später:Die Trauerfeier war abgehalten und in alle

Wohnungen und Arbeitsstätten übertragenworden. Inzwischen hatten die Techniker dieLecks in Nacht-Acht 7 abdichten können, sodaß keine Vakuumeinbrüche mehr erfolgten.

Von den Verletzten und Schwerverletztenstarben stündlich noch weitere, was die Zahlder Toten auf über 1100 hochtrieb. LeichterVerletzte konnten die Medo-Stationen be-reits wieder verlassen. Aber den Schockwürden sie niemals vergessen.

Und die energetischen Entladungen tobtenweiterhin durch die NACHT. Es war nur ei-ne Frage der Zeit, wann die Wohnanlage derMom'Serimer zum zweitenmal getroffenwurde.

Die Optimisten der NACHT schrien nachESTARTU, während die Zyniker die Handin die Wunde legten und mit ansehnlichemErfolg darin herumstocherten. Immer mehrOptimisten liefen zu ihnen über, vom ein-fachsten Bürger bis zum angesehenen In-doktrinato.

In dieser Situation wagte es Crom Har-kanvolter tatsächlich, die geplante Ver-sammlung einzuberufen. Zweihundert Leh-rer, Eunuchen, freie Wissenschaftler und ge-wählte Interessenvertreter der einzelnen Pla-netoiden trafen sich unter der Leitung desLord-Eunuchen in Nacht-Acht 5 zu einem»Meinungsaustausch« - so die offizielle Be-zeichnung für ein Zusammentreffen, das mitSprengstoff geladen war.

Crom Harkanvolter eröffnete das Treffen.Dann aber ließ er zur Überraschung der Zy-niker und vieler aus dem eigenen Lager denEunuchen Stap Crumero für die Optimistender NACHT sprechen. Er selbst hielt sichzurück, um zum geeigneten Zeitpunkt einzu-greifen.

Crumero vertrat leidenschaftlich denStandpunkt der Optimisten und versicherte,was niemand wissenschaftlich untermauertversichern konnte: daß ESTARTU bald zu-rückkehren und sich seiner Diener anneh-men würde.

Er sprach wirklich mit viel Überzeugung,doch leider waren seine »Argumente« allebereits aus der öffentlichen Diskussion be-kannt - ganz im Gegensatz zu denen, mit de-nen Rue Kantasiak Riesengeschütze auffuhr.

»Habt ihr von den Optimisten etwas Neu-es gehört?« fragte er provozierend in die

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Runde. »Ich sage euch: nein! Sie reden undreden und reden immer wieder von einemPhantom, einem Phantom namens ESTAR-TU. Das tun sie schon seit vielen Generatio-nen. Wir kennen ihr Gefasel, und ich sage:Schluß damit! Jeder Mom'Serimer, der übereinen halbwegs klaren Verstand verfügt,weiß, daß ESTARTU nicht wiederkehrt. Siekam nicht vor tausend Segaf, sie kam nichtvor zehntausend Segaf, und sie wird auch inweiteren tausend Segaf nicht kommen, weil…« Er machte eine Pause, um die Spannungzu steigern. »… weil es dann keine NACHTmehr geben wird!«

»Hört, hört!« rief einer der Optimisten,während die anderen betroffen schwiegen.»Nur wenn es euch Verbrechern gelingt, dieunersetzlichen Anlagen abzuschalten, habenwir keine Zukunft. Dann geht die NACHTwirklich unter.«

»Sie wird auch ganz ohne unser Zutun un-tergehen«, rief Kantasiak. »Wißt ihr dennnoch nicht, daß der Durchmesser derNACHT seit dem Verschwinden der SOLvon 0,42 auf mittlerweile 0,31 Lichtjahre ge-schrumpft ist? Das ist die neueste Zahl, voreinem Dutzend Seg waren es noch 0,35Lichtjahre. Habt ihr das wirklich nicht ge-wußt? Dann frage ich mich, wie es mit derInformationspflicht unseres Lord-Eunuchender Bevölkerung gegenüber bestellt ist!«

Beifall brandete auf, in dem die wenigenProtestrufe der Optimisten hoffnungslos un-tergingen. Crom Harkanvolter faßte es nicht.Beifall für das eigene Todesurteil!

Rue Kantasiak bat mit einer nachdrückli-chen Geste um Ruhe.

»Die Finstergrenze rückt mit jedem Tag,mit jeder Stunde näher an Nacht-Acht heran.Die Schöpfung holt sich die NACHT zu-rück, und kein ESTARTU wird uns zu Hilfekommen. Unsere Existenz hat ihren Sinnverloren. Wozu noch leben, wenn dieses Le-ben ein jämmerliches Warten auf ein Wun-der ist, das nicht geschehen wird? Ich stelledaher den Antrag, noch in dieser Versamm-lung eine Entscheidung herbeizuführen, obdie Anlagen, inklusive der Stromschnelle

und der Ewigen Batterien, abgeschaltet wer-den oder nicht …«

»Er wagt es!« flüsterte Stap Crumero demneben ihm sitzenden Lord-Eunuchen zu. »Erwagt es tatsächlich, und es sieht so aus, alsob die überwiegende Mehrzahl für ihn stim-men würde. Das ist das Ende, Herr. Das En-de der NACHT und unseres Volkes.«

5.SOL

Atlan fühlte, wie sämtliche Aggression inihm wie durch Zauberei abstarb. Er konntesich nicht mehr vorstellen, auf die Mundä-nen schießen zu lassen. Und wie es aussah,wollte dies auch kein anderer an Bord derSOL mehr.

Selbst SENECA, der das Feuer eigentlichselbständig weiter leiten könnte, ergriff kei-nerlei Initiative. Das Bordgehirn gab auchkeinen Kommentar von sich.

Nicht einmal die Mundänen schossenmehr. Plötzlich herrschte ein totaler Feuer-stopp in der Dunkelwolke von Auroch-Ma-xo. Beide Parteien, die sich eben noch aufshärteste bekämpft hatten, trieben friedlichnebeneinander durch die Dunkelmaterie, alsob nichts geschehen wäre.

Und mitten durch die plötzlich entstande-ne Zone des Friedens zog als Insel der Weis-heit und des Friedens die Inzaila Onda.

Atlan konnte spüren, daß von dort die al-les umfassende Ruhe ausgestrahlt wurde, dieeine Hölle aus Transform- und Mundänen-feuer in eine Zone vollständiger Sicherheitumgewandelt hatte.

Wie eine gewaltige Wesenheit zog diepflanzliche Intelligenz ihre Bahn, schwei-gend und gigantisch. Atlan wurde an einenüberdimensionalen Wal erinnert und erwar-tete instinktiv, seinen Gesang zu hören,wenn auch nur als »telepathischen« Hall inseinem Bewußtsein. Seine Albinoaugentränten vor stiller Erregung. Er fühlte etwastief in seinem Inneren, ohne es definieren zukönnen. Aber ein Blick auf die Mitgliederder Zentralebesatzung zeigte ihm, daß sie

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ebenso empfanden.Der Arkonide war ruhig, zutiefst ruhig,

und starrte voller Ehrfurcht auf die Schirme.»Es ist wunderbar«, hörte er von Don

Kerk'radian. »Einfach unfaßbar.«»Wunderbar«, sprachen ihm einige der

Anwesenden spontan nach. Es war wie beieiner Massenhypnose.

Es ist nichts dergleichen, sendete AtlansLogiksektor. Erwache endlich! Suche nacheiner Möglichkeit der Kommunikation!

»Ja«, murmelte der Arkonide. »Die Inzai-la Onda muß der SOL im letzten Momentaus dem Dimensionstunnel gefolgt sein.Niemand kann wissen, welche es ist, abersie wird ihrem Anspruch gerecht, als kosmi-scher Friedensstifter und Heilsbringer in dasUniversum hinauszuziehen.«

Er überprüfte die Instrumente der Zentraleund blockierte vorsichtshalber die Trans-formkanonen. Er wollte verhindern, daß dieSOL als erste wieder das Feuer eröffnete.

Als er sich umdrehte, sah er in das Ge-sicht von Dao-Lin-H'ay. Die Kartanin hatteoffenbar als erste die Fassung wiedergewon-nen, wahrscheinlich wegen ihrer Psi-Begabung, während bei ihm der Extrasinnverantwortlich zu machen war.

»Sie hat uns gerettet«, sagte sie fast an-dächtig. »Ohne die Inzaila Onda wären wirim Feuersturm der Mundänen untergegan-gen.«

»Ich will versuchen, mich dafür zu bedan-ken«, antwortete Atlan. »Wie ist es mit dir,Dao? Fängst du telepathische Signale auf?«

»Du vergißt, daß ich nur ein schwacherEsper bin«, sagte sie. »Nein, ich empfangeleider nichts.«

»Dann müssen wir es anders versuchen.Ich weiß nicht, wie lange die Insel noch inunserer Nähe ist. Sie hat uns bald überholt.«

»Jedenfalls ist sie aus der Plasmawolkeheraus und beschleunigt. Und das, obwohlsie über keinen Antrieb im üblichen Sinneverfügt.«

»Sie hat weder in dem Plasma Schadengenommen«, meinte Atlan, »noch ist sie imVakuum gefährdet. Im Gegenteil, das rote

Flimmernetz der Inzaila fängt alle schädli-chen Umwelteinflüsse ab und scheint mirzugleich den Antrieb darzustellen - und zwareinen hochleistungsfähigen.«

»Das klingt einleuchtend«, kam es vonFee Kellind, die jetzt ebenfalls wieder zusich gefunden hatte. Ihre Augen waren klarund nicht mehr verträumt. »Und mit diesemAntrieb wird sie an uns vorbeiziehen, ausder Dunkelwolke heraus.«

»Wer sagt das?« fragte Atlan.»Ich. Alles spricht doch dafür.«Atlan erinnerte sich an die Empfehlung

seines Extrasinns und schlug vor: »Ichmöchte alles versuchen, um einen Kontaktmit der Inzaila Onda herbeizuführen. Kom-munikation auf funktechnischer Basis ist be-stimmt nicht möglich, aber wie wäre es mitLichtsignalen? Wir müssen alles tun, damitsie bei uns bleibt, bis wir die Dunkelwolkeverlassen und in den Hyperraum wechselnkönnen.«

»Ich könnte die Außenscheinwerfer derSOL benutzen, um Signale zu senden«,schlug Fee vor.

»Ja, bitte tu das. Es ist besser als nichts.Laß verschiedene Signalfolgen programmie-ren! Sie müssen in kürzester Zeit abgespultwerden, denn niemand weiß, wie lange dieMundänen noch im Bann der Insel bleibenwerden.«

Die Kommandantin gab die entsprechen-den Befehle. Inzwischen waren alle Besat-zungsmitglieder aus ihrer hynotischen Starreerwacht. Es dauerte keine zwei Minuten, bisdie Außenscheinwerfer des HantelschiffsLichtsignale in bestimmtem Rhythmus ga-ben, ausgehend von dem uralten, terrani-schen SOS.

Als keine Reaktion der Inzaila Onda er-folgte, variierten und komplizierten sie dieLichterfolgen. Inzwischen zog die Insel ander SOL vorbei. Ihr Flimmernetz ließ sie mitmehr als nur 35 Prozent Lichtgeschwindig-keit fliegen.

Die Inzaila Onda gab keine Antwort, wasimmer Fee Kellind auch versuchte.

Schweigend und majestätisch zog sie da-

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hin, ein überweltliches Etwas, das hoch überden winzigen Menschen stand. Jedenfallsempfand Atlan es so. Ein eleganter Koloß,der allein durch seine Nähe jegliche Haßge-fühle verschwinden ließ.

Eine wahre Bringerin des Friedens.Wie schon beim Besuch der Inzaila Jonk-

lym mußte Atlan wieder an Tengri Lethosdenken, den legendären Hüter des Lichts.

»Sie antwortet nicht«, gab Fee Kellind be-kannt. »Sollen wir es weiter versuchen, At-lan?«

»Sie nimmt Kurs auf den Rand der Dun-kelwolke«, sagte der Arkonide. »Wir solltenuns darüber im klaren sein, daß mit demVerschwinden der Inzaila auch das Feuerder Mundänen wieder eröffnet werden wird.Es gibt nur ein Mittel, um das zu verhin-dern.«

»Welches?« fragte Fee. »Sie reagiert ein-fach nicht.«

Atlan wandte sich an Roman Muel-Chen.»Oberstleutnant«, sagte er. »Verfolge die

Fliegende Insel hautnah! Nur wenn wir im-mer in ihrer Nähe bleiben, werden wir denRand der Dunkelwolke lebendig erreichen.«

»Ich verstehe«, antwortete der Emotio-naut. »Ich werde es versuchen.« Er suchteden Blick der Kommandantin und lächelte,als sie ihm bestätigend zunickte.

Atlan wußte, daß es zwecklos war. Den-noch ließ er einen Funkspruch des Dankszur Inzaila Onda hinübersenden. Wie erwar-tet gab es keine Antwort.

Das gigantische Geschöpf zog weiterschweigend seine Bahn, scheinbar einsamund allein. Aber war es das wirklich?

»Die Inzaila entkommt uns«, sagte Ro-man Muel-Chen. »Wir müssen volles Risikogehen und die Geschwindigkeit auf 38 Pro-zent Licht erhöhen, wenn wir mit ihr mithal-ten wollen.«

»Ist das vertretbar?« fragte Fee Kellind.»Natürlich nicht, unter normalen Umstän-

den«, lautete die Antwort.Fee sah den Arkoniden an. »Atlan?«»Ich bin dafür. Nur so haben wir eine

Chance, die Dunkelwolke zu verlassen.«

»Laut neuesten Berechnungen dauert derFlug zum Rand der Wolke rund 26,5 Stun-den - bei jetziger Fahrt«, informierte ihnFee. »Die relativistischen Effekte sind dabeischon eingerechnet.«

Atlan nickte grimmig. »Noch ein Argu-ment, sofort der Inzaila Onda zu folgen. DieMundänen werden uns wieder überfallen,wenn sie aus dem Einflußbereich der Flie-genden Insel heraus sind. Wir können unskeine 26 Stunden gegen einige zehntausendRaumschiffe halten, die uns jagen. Wir müs-sen im Kielwasser der Inzaila Onda fliegen,wo ihre aggressionshemmende Wirkungnoch anhält!«

»Das überzeugt mich völlig«, sagte FeeKellind und lächelte. »Roman, bleibe dichtan der Insel.«

Atlan atmete auf. Aber etwas anderes be-unruhigte ihn. Er erkannte, daß die drei TageFrist bis zum Erreichen der NACHT keines-wegs großzügig bemessen waren, sondernsehr schnell dahinschmelzen konnten.

*

Die SOL hatte im Verlauf des Schlagab-tausches mit den Mundänen keinen Schadengenommen. Dennoch wurde die Zeit derWaffenstille dazu genutzt um unter aller-höchstem Zeitdruck das transformierte Caritzu untersuchen - unter anderem, weil nichtnur die SOL-Hülle und tragende Teile im In-nern, sondern auch Komponenten des Hy-pertakt-Triebwerks aus Carit bestanden hat-ten.

Die bange Frage, die allenthalben gestelltwurde, lautete: Funktionierte das Triebwerküberhaupt noch richtig? Sollte dem nicht sosein, dann war die Mission der SOL an ih-rem Ende angekommen, dann waren sie denMundänen ausgeliefert.

Myles Kantor, Icho Tolot und Tangensder Falke hatten sich zu diesem Zweck inden Maschinenleitstand zurückgezogen, umverschiedene Situationen zu simulieren. Ei-ne andere Gruppe unter Steph La Nievandkümmerte sich um die Erforschung der Ei-

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genschaften des neuen Materials. Dazu ent-nahmen sie mit hochleistungsfähigen Desin-tegratoren winzige Proben des Carit-De-rivats von den Hüllen der Beiboote und un-tersuchten es, soweit sie das konnten. Es wareine mühselige Arbeit, die viel Geduld ver-langte.

Die Stunden vergingen quälend langsam.Die SOL flog in gleichbleibendem Abstandhinter der Inzaila Onda her, mittlerweilewieder gefolgt von den zylinderförmigenZackenschiffen der Mundänen.

Der Friedenswille des Gegners ging alsonicht so weit, daß sie die SOL hätten ziehenlassen. Sie eröffneten zwar nicht das Feuer,die Verfolgung gaben sie aber nicht auf.

»Zähe Burschen sind das«, bemerkte FeeKellind. »Ob sie überhaupt wissen, warumsie uns verfolgen?«

»Wahrscheinlich nicht«, meinte RonaldTekener. »Ich wette, daß sie nur instinktivhandeln. Sie wissen, daß sie mit uns einHühnchen zu rupfen haben, aber nicht, wa-rum sie es tun sollten. - Wenn ihr versteht,was ich meine …«

»Das ist manchmal nicht einfach«, sagteAtlan seufzend. »Und hör bitte endlich mitdeinen Wetten auf.«

»Ich habe keine Wette angeboten, oder?«verteidigte sich der Smiler und grinste.»Wenn allerdings jemand mich so verstan-den haben will, bin ich gerne bereit, ihm zurVerfügung zu stehen.«

»Dao«, sagte die Kommandantin. »Kannstdu ihn nicht zum Schweigen bringen?«

»Ich kann und werde ihm nicht den Mundverbieten«, antwortete die schlanke Kartaninund legte Tekener demonstrativ eine Handauf die Schulter. Sie schnurrte leise.

»Da hört ihr es«, sagte Ronald. »So etwasnenne ich Treue. Im übrigen ist mir dieStimmung hier in der Zentrale zu schlecht.Man kann überhaupt keine Scherze mehrmachen. Wie viele Stunden sind es noch biszum Erreichen des freien Weltalls?«

»Knapp achtzehn«, informierte ihn FeeKellind.

»Na wunderbar. Da bis dahin ohnehin

nichts Aufregendes passiert, gehen Dao undich uns etwas die Füße vertreten. Wir sindrechtzeitig wieder da, um mit euch Abschiedzu nehmen.«

»Abschied?« fragte Pria Ceineede irritiert.»Wovon?«

»Na, von der Inzaila Onda, wovon sonst?Was hast du gedacht?«

»Vielleicht ein Abschied vom Leben«,sagte die Dritte Pilotin. Es war mehr ein Flü-stern.

»Habt ihr das gehört?« fragte Tekener indie Runde, während er sich losschnallte undaufstand. »Habt ihr das wirklich alle gehört?Wer zweifelt noch daran, daß wir es schaf-fen?«

»Hör auf, Tek!« verwies ihn die Kom-mandantin. »Mach jetzt keinen Ärger!«

»Ich will es wissen. Wer glaubt, daß wirden Mundänen unterliegen werden?«

Einige Hände hoben sich zaghaft. RonaldTekener nickte. Er wechselte einen Blickmit Atlan, der ebenfalls kein Verständnis fürsein Verhalten zu haben schien.

»Dann will ich euch etwas sagen!« rief eraus. »Ich wette - ja, wette - mit euch allenum eine Flasche guten alten Bieres, daß wirheil in die NACHT zurückkehren und vondort aus in die Zukunft und den Kessel ge-langen. Ich denke, diesen Einsatz kann jedervon euch aufbringen. Und jetzt komm, Dao,bevor sie mich kreuzigen.«

Auch die Kartanin löste ihre Gurte undsprang auf die Füße. Sie schloß sich Tekeneran, als dieser die Zentrale verließ. Atlan fingeinen unwilligen Blick von Fee Kellind auf.

»Ein feiner Unsterblicher!« schimpfte dieKommandantin. »Zersetzt mir die Moralmeiner Truppe!«

Sie und der Arkonide sahen sich an. Atlanverzog das Gesicht zu einem vorsichtigenLächeln. Und dann lachten sie beide los. DieZentralebesatzung schloß sich ihnen an, bisauf wenige Ausnahmen.

Ronald Tekener hatte für wenige Augen-blicke die verkrampfte Stimmung gelöst.Das wußte auch Fee Kellind.

»Wenn ich wüßte, wo ich eine Flasche

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Bier herbekäme, würde ich tatsächlich mitihm wetten«, sagte sie.

Atlan schmunzelte. »Ich wüßte da schoneine Möglichkeit«, sagte er mit einem Blickauf das Armband-Chronometer.

Nach neuesten Berechnungen und beigleichbleibender Geschwingigkeit waren esnoch über achtzehn Stunden bis zum Errei-chen der Grenze der Dunkelwolke.

Und noch immer fiel kein Schuß. Nachwie vor fühlte der Arkonide diesen tiefenFrieden in sich, den die Inzaila Onda aus-strahlte. Er war diesem Wesen unsagbardankbar für das, was es tat. Selten in seinemvieltausendjährigen Leben war er einem sol-chen kosmischen Geschöpf begegnet.

Aber wie lange geht das noch gut? fragteer sich bange.

*

Dao-Lin-H'ay und Ronald Tekener lagenumschlungen auf dem breiten Bett ihrerDoppelkabine und kraulten sich gegenseitig.Die Beleuchtung war gedämpft, leise Musikkam aus den verborgenen Lautsprechern.

Die beiden Unsterblichen genossen es,endlich wieder einmal allein zu sein. DerSmiler und die Katzenfrau - hier waren sienur für sich und konnten sich lieben. Es wareine Liebe, die selbst in dieser Zeit noch vie-le Menschen nicht verstanden, doch für Ro-nald Tekener und die Kartanin galten keine»normalen« Maßstäbe.

Sie waren beide unsterblich, und sie hat-ten beide mehr erlebt als Generationen vonNormalsterblichen auf einmal. Liebe warnicht von Äußerlichkeiten abhängig. Liebewar etwas, das diese Äußerlichkeiten über-wand. Sie entstand im Gehirn und überwandGrenzen. Die Liebe zwischen einem Men-schen und einer katzenhaften Frau aus demVolk der Kartanin war etwas Großartiges,etwas ganz Besonderes.

Doch heute wollten sie nur zusammenseinund sich aneinanderdrücken. Der Grund da-für war nicht neu. Schon oft hatten sie sichdeshalb zurückgezogen, nur um sich nahe zu

sein.»Du glaubst auch nicht daran, daß wir es

schaffen, Tek«, flüsterte Dao. »Sei ganz ehr-lich!«

Er ließ sich Zeit mit der Antwort, kraulteweiter ihr helles, weiches Fell im Nacken.Ihre Schnurrbarthaare kitzelten ihn. Er muß-te lachen.

»Nun komm schon«, drängte sie. »Waserwartest du?«

»Daß ich meine Wette gewinne und michsinnlos betrinken kann, wenn wir wieder inder Zukunft sind.«

»Na!« sagte sie drohend. »Das wirst duaber schön bleibenlassen.«

»Warum? Wenn es einmal etwas zu feierngibt …«

»Dann feiern wir auf andere Weise«, ver-sprach ihm die Kartanin vieldeutig.

Sie legte den Kopf zurück aufs Kissenund starrte zur Decke. Ihre Augen leuchtetenim Halbdunkel grünlich.

»Woran denkst du?« fragte Tekener undfuhr ihr mit dem Zeigefinger über die Schul-tern.

»Ob jemals Schluß sein wird mit demKampf, Tek. Als Hangay in euer Universumherübergerettet wurde, dachten wir, daß nuneine lange Zeit des Friedens anbrechen wür-de. Du kennst die Geschichte, Tek. Es kamalles ganz anders. Die Cantaro, Monos, dieVerwirrung von ES, die Große Leere,schließlich die Hamamesch und Shabazza -immer wenn wir glaubten, einen Gegner be-siegt zu haben, stand schon ein anderer pa-rat. Ist das unser Leben? Muß es immer sosein? Gibt es denn niemals Frieden in die-sem Universum?«

Vielleicht war es die Ausstrahlung der In-zaila Onda, die sie diese Fragen gerade jetztstellen ließ. Tekener wußte es nicht. DerSmiler wußte nur eines:

»Nicht nur der Weg der Menschheit hin-aus ins Universum ist von Krisen bestimmt,Dao«, sagte er. »Sieh dir die GalaktischeKrone an. Sie wird untergehen, sie ist esschon. Und wohin wir auch kommen, über-all ist Konfliktpotential, wenn schon nicht

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sogar offener Krieg.«»Das also soll das Gesetz des Universums

sein? Daß sich die Völker nur im Krieg be-gegnen können?« fragte sie ungläubig.

»Es gibt auch Ausnahmen. Sieh dir nurAndromeda an, wo die Maahks seit überzweitausend Jahren in relativem Frieden mitihren Nachbarn leben. Oder die anderenSchauplätze, die wir befriedet verlassen ha-ben, Gruelfin oder M 87. Nicht der Kriegdarf die Regel sein, sondern der Frieden. Esgibt so viele bewohnbare Welten, daß sichdie einzelnen Völker nicht darum zu streitenbrauchten.«

»Es ist alles eine Frage der Demagogie,des Machtwillens, der Expansionsgelüste«,sagte sie.

»Du hast vollkommen recht«, stimmte erzu. »Alle diese Kriege wären nicht notwen-dig, abgesehen von einem, das du vergessenhast: die Einmischung kosmischer Mächte inunsere Belange.«

»Die Superintelligenzen, ja. ES hat uns indiesen Höllenkessel geschickt, damit er ge-boren werden konnte. Damit haben wir un-sere Pflicht getan. Für die Rückkehr nannteer uns nur die Frist von drei Tagen.«

»Wir werden es schaffen. ES hat uns nochnie im Stich gelassen.«

»Aber der junge Delorian Rhodan mußtesterben.«

Ronald Tekener drehte sich auch auf denRücken und starrte die Decke an.

»Er war von vorneherein dazu auserse-hen«, sagte er. »Er hatte nie eine Chance zuleben, dazu war sein genetischer Fahrplan zusehr verändert. Aber Perry wird ES in Zu-kunft nie mehr so gegenübertreten könnenwie bisher. Er wird immer wissen, daß seinSohn ein Teil der Superintelligenz ist.«

»Perry Rhodan …«, flüsterte die Karta-nin. »Ob wir ihn je wiedersehen?«

»Aber natürlich! Du gibst doch die Hoff-nung nicht auch auf, oder?«

»Ich frage mich, wer ihm die Nachrichtüberbringen soll. Atlan? Oder gar Mondraselbst?«

»Mondra Diamond braucht jetzt vor allen

Dingen Ruhe. Niemand darf sich mit so ei-ner Frage an sie wenden.«

Dao drehte sich zu ihm um und kralltesich sanft in seinen Nacken.

»Ich wünschte, wir könnten auch Kinderhaben«, hauchte sie ihm ins Ohr. »GesundeKinder, vielleicht eines Tages Mittler zwi-schen unseren beiden Völkern.«

»Ja«, gestand er. »Diesen Wunsch habeich zwar auch, aber es wird nie gehen.«

»Dann laß es uns doch wenigstens so tun,als ob es ginge«, flüsterte Dao. »Auch wennunsere Gene so völlig unterschiedlich sind.«

Das war ein Argument, gegen das sichRonald Tekener nicht lange sträubte.

*Noch drei Stunden und zwanzig Minuten …

Die SOL flog wie ein Anhängsel hinterder Inzaila Onda her, ihrerseits gefolgt undumringt von den Mundänen-Verbänden.Noch immer herrschte Feuerstille. Atlansund Fee Kellinds Plan schien aufzugehen,obwohl sie jede Minute der vergangenenStunden hatten befürchten müssen, die Flie-gende Insel hätte weiter Fahrt aufnehmenund sie ihr nicht weiter folgen können.

Von Kantor, Tangens und Tolot kam keinErgebnis herein, ebensowenig von La Nie-vand und seiner Gruppe. Sie arbeiteten fie-berhaft an der Bestimmung des neuen Stof-fes, aber die Arbeit kostete viel mehr Zeit,als eigentlich erwartet worden war. Atlanahnte, daß sie das Risiko eines Hypertakt-Flug-es würden eingehen müssen, bevor sie wuß-ten, was danach geschah.

Die Techniker konnten ohne einen prakti-schen Versuch keinerlei Auskünfte über dieFunktionsfähigkeit des Triebwerks geben.

Die Minuten und die Stunden verstrichen.Die Raumfahrer verließen die Zentrale undkamen wieder zurück. Viele erfrischten sich,andere löschten ihren Durst an den Geträn-keautomaten. Bei wieder anderen äußertensich die Angst und die Ungewißheit in Hun-gergefühl, und sie suchten eine der Bordkan-tinen auf, um sich zu stärken.

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Ronald Tekener und Dao-Lin-H'ay kamenzurück und nahmen ihre Plätze wieder ein.Atlan ging zu ihnen hin.

»Von mir aus kannst du dein Psychospielweiterspielen, Tek«, flüsterte er ihm ins Ohr.»Ich werde dich nicht daran hindern.«

»Das geht nur einmal«, sagte Tekener undlächelte. »Jetzt würde es lächerlich wirken.«

Der Smiler sah auf seine Zeitanzeige undnickte. »Noch zwei Stunden etwa. Ich glau-be, ich gewinne meine Wette auch so.«

»Hoffen wir es«, sagte der Arkonide.»Hoffen wir es …«

»Nanu«, meinte der Narbengesichtige.»Ich habe dich auch schon optimistischer er-lebt, Atlan.«

»Ich bin nicht pessimistisch«, antworteteder Unsterbliche. »Ich versuche nur, in diesalles einen Sinn zu bringen.«

»Und das kannst du nicht?«»Nein, Tek, ehrlich gesagt. Ich frage

mich, wie ich Perry Rhodan unter die Augentreten kann, um ihm zu sagen, daß…«

»Daß er seinen Sohn nie wiedersehenwird?« Tekener blickte ernst. »Das wirdnicht deine Sache sein, Atlan. Wann hast dudas letztemal mit Mondra Diamond gespro-chen?«

»Es ist schon viel zu lange her, Tek. Ichhabe Angst davor.«

»Du kannst nicht plötzlich vor allem undjedem Angst haben!« sagte Tekener. »Wiekommst du mir vor? Ist aus dem altenHäuptling ein Hasenfuß geworden? Du hastwahrlich schon schwierigere Situationendurchgestanden, Atlan!«

Der Arkonide lachte trocken und kniffihm in die Schulter. »Es ist schon gut,Freund. Ich werde zu Mondra gehen, sobaldwir dies hier überstanden haben.«

»Das will ich sehr hoffen«, meinte Teke-ner.

Sie trennten sich, und dann saß jeder wie-der angeschnallt an seinem Platz. Auch dieletzten Ausflügler kehrten in die Zentralezurück.

Es ging auf die letzten zwei Stunden zu;auf die entscheidenden Stunden ihres Rück-

flugs durch die Dunkelwolke.Atlan hatte die Sperren der Transformge-

schütze mittlerweile wieder zurückgenom-men. Sobald die Mundänen angriffen, konn-te ihnen mit vollem Transformfeuer geant-wortet werden.

In zwei Stunden …Die SOL flog unbeirrt hinter der Inzaila

Onda her. Der Rand der Dunkelwolke war ingreifbare Nähe gerückt. Hinter, links undrechts, ober- und unterhalb von ihr flogendie Zackenschiffe der Mundänen. Ein kon-zentrierter Feuerüberfall, das war allen klar,würde das Ende der SOL bedeuten.

Die Zeit schrumpfte dahin. Eine Stundenoch, und dann wurde nur noch in Minutengezählt …. achtundfünfzig … »Seht ihr, wirschaffen es!« rief Ronald Tekener. »Stelltschon einmal das Bier kalt!«

»Spar dir deine Sprüche!« rief Fee Kel-lind zurück. »Du untergräbst die Moral mei-ner Mannschaft.«

»So etwas Ähnliches hast du schon ein-mal gesagt!« … fünfzig …

Stille. Niemand sprach mehr. Die Sekun-den tickten dahin …. vierzig …

»Und wenn das Hypertakt-Triebwerk nunwirklich ausfällt?« fragte jemand. Er erhieltkeine Antwort …. dreißig …

»Wir können es schaffen!« rief Fee in al-ler Angespanntheit. »Wir schaffen es wirk-lich!« … zwanzig …

Atlan war ganz still. Er blickte auf dieBildschirme und sah die Inzaila Onda vorsich her treiben - und plötzlich Fahrt aufneh-men.

»Sie entfernt sich von uns!« rief er in dieZentrale. »Sie hat uns bis hierher geleitet,und nun ist ihre Aufgabe erfüllt! Sie nimmtFahrt auf und geht in den Hyperraum!« …zehn …

»Das ist zu früh!« rief die Kommandan-tin. »In zehn Minuten können uns die Mun-dänen hundertmal auslöschen!«

»Ich kann mit der Geschwindigkeit hoch-gehen«, meldete Roman Muel-Chen. »Sollich?«

»Flieg wie der Teufel!« befahl ihm Fee

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Kellind. »Tu, was du verantworten kannst!«Atlan sah die Inzaila auf den Bildschir-

men kleiner werden, aber noch war sie vonder Eintauchgeschwindigkeit in den Hyper-raum entfernt - ähnliche Antriebsprinzipienvorausgesetzt wie bei den terranischenSchiffen. Und noch befanden sich die SOLund die Mundänen im Einflußbereich ihrerFriedensstrahlung.

… fünf Minuten …»Die Inzaila beschleunigt noch stärker!«

sagte Fee. »Das ist der endgültige Abschied.Sie hat ihre Aufgabe erfüllt und verläßtuns.«

»Wir fliegen bereits mit 42 Prozent derLichtgeschwindigkeit«, verkündete RomanMuel-Chen. »Und wir werden schneller. DieDichte der Dunkelwolke hat stark abgenom-men. Wir werden früher im freien Raumsein, als wir geschätzt hatten.«

»Und früher im Hyperraum - vielleicht«,sagte Atlan. »Ich spüre, wie der Einfluß derInzaila Onda bei mir nachläßt. Flieg, soschnell du kannst, Roman! Die Mundänenwerden gleich wieder zu feuern beginnen.«

»Sollen sie nur«, knurrte DonKerk'radian. »Wir werden ihnen die passen-de Antwort geben.«

Das bewies dem Arkoniden, daß es tat-sächlich vorbei war. Wenn die Aggressionbei den Menschen zunahm, würde sie esauch bei den Mundänen tun.

»45 Prozent Licht!« meldete der Emotio-naut. »Wir brauchen noch zwei Minuten!Dann werden wir sehen, ob das Hypertakt-Triebwerk noch funktioniert!«

Die Schiffe der Mundänen blieben etwaszurück. Mit der plötzlichen starken Be-schleunigung der SOL hatten sie nicht ge-rechnet. Außerdem hatten sie anscheinendgrößere Schwierigkeiten, auf das Ende derfriedengebietenden Ausstrahlung reagierenzu können.

»Die Inzaila Onda ist in den Hyperraumgegangen«, sagte Fee Kellind. »Wir habensie endgültig verloren.«

»48 Prozent Licht!« rief Roman Muel-Chen. »Ich bereite das Eintauchmanöver

vor!«In diesem Augenblick begannen die Mun-

dänen zu feuern. Die ersten Schüsse schlu-gen in den Paratronschirm der SOL ein, diedas Feuer umgehend erwiderte.

»Noch eine Minute müssen wir durchhal-ten!« rief die Kommandantin. »Die Mundä-nen bleiben weiter zurück, aber noch errei-chen uns ihre Schüsse.«

Allerdings konnten sie den Paratron nichtmehr gefährden. Die Männer und Frauen inder Zentrale hielten den Atem an. Sie zähl-ten die Sekunden. Und dann war es soweit.

Niemand wagte zu sprechen. Roman Mu-el-Chen meldete das Erreichen der Fünfzig-Prozent-Marke und nahm die Schaltung vor,von der alles abhing. Es war der alles ent-scheidende Augenblick.

Die SOL sprang in den Hypertakt-Modus- ohne jegliche Probleme.

*

Jubel erfüllte die Zentrale. Die Besat-zungsmitglieder lagen sich in den Armen. Eswar geschafft. Sie waren der Dunkelwolkeund den Mundänen entkommen.

Das Hypertakt-Triebwerk funktioniertenoch. Jetzt bestand auch wieder eine Chancefür den Flug in die NACHT und durch denMega-Dom.

»Bis zum Feuer von Hesp Graken, demStandort der NACHT und der Stromschnel-le, sind es 175.530 Lichtjahre«, sagte Atlan.»Wir haben also Zeit, uns um einige wichti-ge Dinge zu kümmern. Als erstes werde ichMondra Diamond in ihrer Kabine aufsuchenund mit ihr reden.«

»Ja, tu das«, stimmte Fee Kellind zu. »Siemuß sich ja von uns verlassen vorkommen,seitdem Delorian … von ihr genommenwurde. Isoliert.«

»Eben deshalb gehe ich zu ihr. Danachkümmere ich mich um die Untersuchung desCarit-Nachfolgestoffs.«

»Die beiden Forschungsgruppen scheinennicht voranzukommen. Sonst hätten sielängst etwas von sich hören lassen.«

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Atlan nickte und erhob sich. Als er anDao-Lin-H'ay vorbeikam, hielt die Kartaninseinen Arm fest.

»Geh behutsam mit ihr um, Atlan«, batsie ihn. »Oder möchtest du, daß ich zu ihrgehe?«

»Später sicher, Dao. Aber diesen erstenWeg muß ich machen. Trotzdem danke fürdeine Bereitschaft.«

Sie ließ ihn los. Der Arkonide verließ dieZentrale. Er wollte auf dem Weg ein biß-chen nachdenken und nahm deshalb nichtden schnellsten Weg per Bordtransmitter,sondern suchte per Antigravlift und Gleit-bänder den Kabinentrakt auf, in dem Mon-dra lebte.

Die junge Frau öffnete nicht sofort. Erstals er sich bereits umwandte, um sie in einerder Messen oder Kantinen zu suchen, glittdie Kabinentür zur Seite, und sie stand imEingang.

»Hallo«, sagte Atlan vorsichtig. »Du bistalso doch zu Hause.«

Mondra Diamond blickte ihn fast ableh-nend an.

»Natürlich, wo sollte ich sonst sein?«fragte sie, und ihre Stimme klang barsch.

Atlan hob beide Hände. »Entschuldige dieüberflüssige Feststellung. Ich bin gekom-men, um mit dir zu reden. Ist das möglich?Ist es dir recht?«

Mondra warf einen Blick über die Schul-ter hinter sich.

»Ich bin beschäftigt, wie du siehst. Ichmuß aufräumen. Alle Baby-Utensilien müs-sen fort. Für eine kindgerechte Umgebungbesteht keine Notwendigkeit mehr.«

Atlan sog tief die Luft ein und biß sichauf die Zähne. Ihr Blick war stur und trotzig.Das war nicht die wirkliche Mondra Dia-mond, erkannte er. Das war eine Frau, derman ihr Wertvollstes fortgenommen hatte.Nachdem sie kurz nach der Entstehung vonES gewirkt hatte, als habe sie alles akzep-tiert, brach in ihr jetzt wieder das Bewußt-sein durch, etwas Wichtiges verloren zu ha-ben. Sie wehrte sich auf ihre Art dagegen,kämpferisch und unnachgiebig gegen sich

selbst.»Mondra, du kannst dich nicht für den

Rest deines Lebens verstecken«, appellierteAtlan an die ehemalige Agentin des Terrani-schen Liga-Dienstes. »Oder willst du dastun? Willst du im Ernst diesen Weg gehenund alle vor den Kopf stoßen, die dich lie-ben?«

»Wenn sie mich lieben, warum haben siemir nicht geholfen?« schleuderte sie ihmentgegen. »Als ES mir meinen Jungen weg-nahm?«

Atlans Hände zuckten vor. Er faßte diejunge Frau an den Schultern und rüttelte sie.Blitzchnell befreite sie sich mit einem spezi-ellen Griff.

»Tu das nie wieder!« zischte sie ihn an.»Niemals wieder, hörst du?«

»Willst du mich nicht anhören?« fragte ersanft. »Wenigstens für drei Minuten?«

»Du läßt dich nicht abschütteln, oder?«»Nicht so leicht«, gestand Atlan lächelnd.Mondra trat zurück und bedeutete ihm

einzutreten. Hinter ihm schloß sich die Ka-binentür. Atlan atmete auf.

Es sah schlimm aus. Übrall lagen Kinder-bekleidung und Spielzeug. Mondra hattenicht gelogen. Sie war dabei, alles zu entfer-nen, was einmal Delorian Rhodan gehörthatte. Oder was sie an ihn erinnerte?

»Ich muß mich wohl für mein Verhaltenentschuldigen, Atlan«, sagte die junge Frauund forderte den Arkoniden auf, Platz zunehmen.

Atlan ließ sich in einem Sessel ihr gegen-über nieder, nachdem sie sich als erste ge-setzt hatte. Sie schlug die Beine übereinan-der und starrte für einen Moment gedanken-versunken auf Delorians Sachen am Boden.

»Willst du etwas trinken?« fragte sie dannund ließ den Servoroboter kommen.

Die fliegende Kugel mit den vielen Tenta-keln schwebte über dem Tisch und warteteauf eine Bestellung. Atlan wählte einenWhisky, Mondra einen Fruchtsaft. Vurguzzgab es nicht mehr, der war längst ausgegan-gen und konnte mangels Rohstoff nichtmehr hergestellt werden. Wenig später stand

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Page 29: Finale für die NACHT

das gewünschte auf der freischwebendenTischplatte.

Atlan prostete ihr zu und wartete darauf,daß sie den Anfang machte. Die erste Klippewar genommen. Sie saßen zusammen undfauchten sich nicht mehr an der Tür an.

»Ich nehme an, daß du mich tröstenwillst«, sagte Mondra endlich. »Ich fürchtenur, da ist nichts zu trösten, Atlan. Keinenoch so mitfühlenden Worte bringen mirmeinen Sohn zurück.«

»Ich weiß«, sagte er und blickte sie di rektan.

»Wirklich? Glaubst du, ich wüßte nicht,was ihr alle denkt? Daß mit Hilfe von Delo-rian eine unermeßlich wichtige Macht gebo-ren wurde. - Ich pfeife darauf! Ich wollteeinen ganz normalen Sohn großziehen. Ichwollte mit dem Vater Perry Rhodan eine Fa-milie gründen, auch wenn ich an Perrys Sei-te gealtert wäre. Ein paar glückliche Jahrehätten wir auf jeden Fall gehabt. Daß ichjetzt kosmische Geschichte geschrieben ha-be, das ist nichts!«

»Ich bin nicht in deiner Lage, Mondra,aber ich glaube, ich kann dich verstehen.Deshalb …«

»Verstehen?« Sie lachte heiser. »Kannstdu dir die furchtbare, riesige Leere vorstel-len, die in mir ist? Nein, Atlan, das kannstdu nicht, das kann niemand. Und trotzdemwirst du keine Träne von mir sehen. Ichwerde kämpfen, kämpfen um eine Zukunftmit Perry.«

»Das wollte ich von dir hören, Mondra«,sagte der.Arkonide.

Mondra stand wieder auf und hob Baby-bekleidung auf, faltete sie und gab sie in ei-ne Plastikkiste. Die junge Frau hatte also al-lem Anschein nach nicht vor, sie in denKonverter zu werfen und zu verbrennen.

»Ich wußte, daß du dich nicht aufgibst«,sagte Atlan leise.

»Aufgeben? Das hieße, mich geschlagengeben. Wem? ES etwa? Mit der Superintelli-genz will ich nichts mehr zu tun haben. Sieist nicht mein Gott!«

»Superintelligenzen sind niemals Götter,

selbst die Kosmokraten nicht. Gott ist etwasvöllig anderes - etwas, das jeder Mensch fürsich allein definieren muß. Aber ES trägtDelorian in sich. Wenn du ihm wieder be-gegnen würdest …«

»Dann würde Delorian einen Weg finden,sich mir mitzuteilen, vielleicht sogar zu zei-gen. Aber er wird nicht mehr mein Kindsein.«

»Du bist zu hart, Mondra«, sagte der Ar-konide, der die unermeßliche Verzweiflungdieser Frau spürte, aber auch ihre Kampfmo-ral und ihren Willen, sich niemals aufzuge-ben.

Mondra lachte rauh auf.»Zu hart, ja? Ich will dir sagen, was mich

aufrechterhält und so hart sein läßt: dieHoffnung, eines Tages mit Perry Rhodan einzweites Kind zu zeugen - vorausgesetzt, Per-ry hat mich nicht längst vergessen. Dennwenn wir tatsächlich erst Ende 1303 NGZ indie Gegenwart zurückkehren, wenn daswirklich stimmt, dann werden für Perryzwölf Jahre vergangen sein.«

»Aber Mondra«, rief Atlan aus. »ZwölfJahre bedeuten für einen Unsterblichen et-was anderes als für normale Menschen. Per-ry denkt an dich, und er würde viel längerwarten als diese zwölf Jahre, solange es eineHoffnung gibt, daß er dich wiedersieht.«

Mondra hörte mit dem Sortieren auf undsah zu ihm auf.

»Ist das wahr, Atlan?« fragte sie, zum er-stenmal mit unsicherer Stimme.

»Ich lege meine Hand dafür ins Feuer.Niemand - außer vielleicht unser alterFreund Reginald Bull - kennt Perry Rhodanso gut wie ich. Er wartet, Mondra, und erleidet genau wie du.«

»Das kann er gar nicht. Perry weiß nichteinmal, was mit Delorian geschehen ist.«

»Das natürlich nicht«, mußte Atlan zuge-ben. »Aber er wartet auf dich wie auf michoder jeden anderen von uns. Nur auf dichviel mehr, weil er dich liebt.«

Mondra stand auf und ging neben seinemSessel in die Hocke. Sie nahm seine Händeund blickte ihm in die Augen, suchend, for-

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schend.Und dann brachen doch die Tränen aus

ihr heraus. Atlan strich ihr durch das Haarund redete beruhigend auf sie ein.

Als er nach einer Stunde ihre Kabine ver-ließ, hatte sich Mondra wieder beruhigt undräumte weiter Delorians Sachen fort. Dabeisang sie leise ein Kinderlied.

Der Arkonide nahm sich vor, sie bei näch-ster Gelegenheit wieder zu besuchen unddann womöglich unter Menschen zu brin-gen. Er wußte, wie schwer das sein würde,aber Mondra brauchte Gesellschaft und Ab-wechslung. Ihr Schmerz war groß, aber erwürde sie auf Dauer zerstören, wenn sie sichnur ihm hingab.

*

Atlans nächster Weg führte ihn zu StephLa Nievand und seinen Mitarbeitern. Als derArkonide bei ihnen eintraf, saßen vier völligerschöpfte Wissenschaftler vor ihm.

»Hallo, Atlan«, begrüßte ihn La Nievand.Der Offizier für besondere Aufgaben hatteleicht gerötete Augen. »Wir wissen nochnicht alles, aber wir haben Ergebnisse.«

»Dann laßt sie mal hören.« Atlan lächelteden Männern aufmunternd zu.

La Nievand trank einen Schluck aus einerPlastikflasche. Dann räusperte er sich heftig,als habe er einen Frosch im Hals sitzen.

»Zuerst einmal«, begann er, »hat das Caritseine Schutzeigenschaften völlig verloren,aber das ist ja nichts Neues.«

»Allerdings nicht«, bestätigte Atlan.»Das Carit hat sich als geradezu degene-

riert erwiesen«, fuhr der Hundert-Ki-lo-Mann mit dem blonden Bürstenhaar-schnitt fort, der mit Vorliebe schwarze, le-derähnliche Kleidung trug. »Es wurde trans-formiert zu einem neuen Stoff, der uns zumersten Mal unterkommt.«

»Auch das ist bekannt«, behauptete Atlan.»Ich habe das neue Material Solonium ge-

nannt«, sagte La Nievand, »weil offenbarein Unikat der SOL und weiterhin golden.Sämtliche besonderen Eigenschaften des frü-

heren Carits, also Energieaufnahme und -abstrahlung, extremer Schutzfaktor und soweiter, sind verschwunden.«

»Wo sind Myles Kantor, Icho Tolot undTangens der Falke?« fragte der Arkonide.

»Beschäftigt. Sie fertigen an Ort und Stel-le weitere Analysen an. Aber ich bin nochnicht zu Ende. Bei der Untersuchung habenwir in aller Eile versucht, die Materialeigen-schaften des nun vorhandenen Carit-De-rivats zu bestimmen. Hierbei ergaben sichfolgende Parameter.«

»Ich höre«, sagte Atlan gespannt.»Es handelt sich um ein Material, das tat-

sächlich über die 1,56fache Festigkeit undWiderstandskraft von Ynkelonium-Terko-nit-Stahl, also Ynkonit, verfügt. Das ist die46,8fache Festigkeit von normalem Terko-nit.«

»Immerhin etwas«, sagte Atlan sarka-stisch. »Und weiter?«

»Die thermische Belastbarkeit ohne Ver-formungserscheinungen und dergleichenreicht bis exakt 150.544 Grad Celsius. Bear-beiten, also schneiden, bohren, schleifen,fräsen und so weiter, läßt sich das Soloniumnur mit extrem energiereichen Desintegra-torstrahlen.« La Nievand grinste. »Das ha-ben wir in mühseligen Experimenten heraus-gefunden.«

»Ich bin beindruckt«, sagte Atlan. »Wirhatten uns weniger erwartet. Und wie ist esmit dem Schutzfaktor im Raumkampf?«

»Ähnlich wie Ynkonit bietet Soloniumnur bis zu einem gewissen Grad Schutz vorThermo- und Impulsstrahlen beziehungswei-se Desintegratoren und Intervallgeschützen.Es ist jedoch eindeutig besser als Ynkonit -nur leider auf die SOL beschränkt. Auf ab-sehbare Zeit wird es keine Reproduktion ge-ben. Einerseits, weil kein Carit zur Verfü-gung steht, und zweitens, weil sich die Be-dingungen der ES-Entstehung im INSHA-RAM schwerlich nochmals simulieren las-sen.«

»Und das Hypertakt-Triebwerk?« wollteAtlan wissen. »Und all die anderen Systeme,die mit Carit verbunden waren? Welche

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Konsequenzen ergeben sich für sie?«»Sie werden aller Voraussicht nach weiter

funktionieren wie bisher, lediglich ohne dievorherige Wunder-Widerstandsfähigkeit«,sagte Steph La Nievand.

»Mit anderen Worten«, faßte Atlan zu-sammen, »ist die SOL ab heute wieder einnormales Raumschiff.«

»So könnte man es formulieren«, bestätig-te der Major.

6.Nacht-Acht

Crom Harkanvolter sah bereits die Ab-stimmungsniederlage auf sich und die Opti-misten der NACHT zukommen. Zu tief saßder Schock, den Rue Kantasiaks Eröffnun-gen ausgelöst hatten. Und der Lord-Eunuchmußte sich selbst vorwerfen, die Bevölke-rung nicht sofort, nachdem er dies alles er-fahren hatte, über die aktuellen Entwicklun-gen aufgeklärt zu haben.

Er sah und hörte, daß die überwiegendeMehrheit auf selten der Zyniker stand. Wasihm jetzt als letzte Möglichkeit blieb, war,daß er selbst noch einmal das Wort ergriffund versuchte, einen Stimmungsumschwungherbeizuführen.

»Du mußt zu den Versammelten spre-chen, Herr«, drähnte ihn Stap Crumero.»Sonst haben wir verloren.«

»Ich werde es tun«, antwortete Crom underhob sich.

Würdevoll schritt der Lord-Eunuch zumRednerpult, ohne ein Konzept, nur mit sei-nem brennenden Anliegen, die Anlagen derNACHT angeschaltet zu lassen.

»Mom'Serimer!« begann er dramatisch.»Ich habe die Argumente des Vertreters derZyniker gehört und muß euch allen eingeste-hen, einen Fehler gemacht zu haben. Ich ha-be meine Informationspflicht vernachlässigtund nicht sofort Alarm gegeben, als ich vonden dramatischen Veränderungen erfuhr.Dafür entschuldige ich mich und verspreche,daß dies nicht wieder vorkommen wird.«

Er machte eine kurze Pause. Niemand

sprach, und zu seiner Überraschung buhteihn auch niemand aus.

»Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft«,appellierte er an die Versammelten. »Wennwir weiterleben dürfen, tun wir es alle.Wenn die Zyniker der NACHT die überle-benswichtigen Anlagen abschalten, trifft esuns alle - auch jene, die nicht mit ihnen inden Tod gehen wollen, weil sie auf ESTAR-TU und die SOL warten und fest in ihremGlauben sind. Freunde, ich rufe euch zu:Habt Geduld! Nacht-Acht wird durch dieBeschädigungen an Nacht-Acht 3 nichtmehr ewig existieren. Aber die nächsten Ge-nerationen sollten noch versorgt werdenkönnen. Ich denke gar nicht einmal nur ansie, denn ich bin davon überzeugt, daß wiralle ESTARTUS oder der SOL Wiederkehrnoch erleben werden. Vertraut darauf, Be-wohner der NACHT. Wir wurden mit einerungeheuer wichtigen Aufgabe betraut, vorÄonen, und wir dürfen uns nicht aus puremPessimismus aus der Verantwortung steh-len.«

Crom blickte sich um, registrierte die in-teressierten Blicke und hob seine Stimmean.

»Laßt uns an die Zukunft glauben und anESTARTU!« rief er. »Unser Leben hateinen Sinn. Es hat ihn immer gehabt. Wolltihr das leugnen, dann leugnet ihr den Sinnder Existenz aller vergangenen Generationenvon Mom'Serimern! Ist das eure Absicht?Dann kann ich nur sagen, ich schäme michfür mein Volk.«

Damit verließ er das Rednerpodest. Spär-licher Beifall brandete auf, zunächst. Dannsteigerte er sich. Als Crom Harkanvoltersich wieder setzte, erhielt er stehende Ova-tionen.

Rue Kantasiak eilte nochmals zumSprechpult. »Seid ihr so schnell umzustim-men?« fragte er. »Ist eure Überzeugung sowenig wert? Dann schäme ich mich für meinVolk!«

Wutschnaubend nahm Kantasiak in seinerLoge Platz. Der Vorsitzende, ein Eunuch na-mens Khalthor, bat um Abstimmung von

Finale für die NACHT 31

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den Sitzen aus. Zweihundert Mom'Serimergaben ihre Stimme per Knopfdruck ab, undam Ende lautete das Ergebnis tatsächlich ge-nau einhundert zu einhundert.

Das war für Crom Harkanvolter im erstenAugenblick niederschmetternd, obwohl esnoch zu seinen Gunsten war. Denn im Patt-fall zählte die Stimme des Lord-Eunuchendoppelt.

Aber beim Patt stand der unterlegenenPartei das Recht auf sofortige Neu-Einberufung der Versammlung und an-schließende Neuabstimmung zu.

Bei den Katastrophen, die sich in der letz-ten Zeit in Nacht-Acht ereignet hatten,schwanten Crom Harkanvolter schlimmeDinge für die nächste Zukunft. Noch ein De-saster wie in Nacht-Acht 7, womöglich in ei-nem der wichtigen Planetoiden, und die Zy-niker der NACHT waren nicht mehr aufzu-halten.

Er aber glaubte an die Rückkehr ESTAR-TUS oder der SOL. Und er war bereit, biszum Letzten zu kämpfen.

Deshalb ließ er an diesem Abend einenGeheimbefehl an speziell ausgebildete Trup-pen der Optimisten der NACHT ergehen,um die wichtigsten Anlagen der NACHTvor Übergriffen durch die Zyniker zu schüt-zen.

Allerdings konnte der Lord-Eunuch nochnicht wissen, in welchem Maße auch die Zy-niker heimlich aufgerüstet und ihre Truppenbestellt hatten. Er ging nur davon aus, daßsie ähnlich aktiv sein würden.

Crom Harkanvolter sah mit großer Angstdie Konfrontation kommen.

Alles lief auf das Finale der NACHT hin-aus …

*

Der Lord-Eunuch lag wieder auf seinembreiten und weichen Bett. Die Kommunika-tionswand war eingeschaltet. Er war vertieftin die neuesten Nachrichten, die sich mit derweiteren Reparatur von Nacht-Acht 7 sowieder Diskussion und der Abstimmung über

die Zukunft der Planetoiden beschäftigten.Wie erwartet hatten die Zyniker der

NACHT eine neue Versammlung beantragt.Er mußte ihnen diesen Wunsch erfüllen, ober wollte oder nicht. Es würde wieder hinund her gehen, und das Ergebnis war so un-gewiß wie beim erstenmal. Wer die bessereRede hielt, der gewann. Es war ein Vaban-quespiel.

Als die Nachrichten vorüber waren, akti-vierte Crom Harkanvolter die Musikwieder-gabe und programmierte einige beruhigendeMelodien, um zu meditieren. Er mußte sichfür eine Weile in sich selbst zurückziehen,zum Kern seines Seins gelangen und dortneue Kraft schöpfen. Garbam hatte er damitbeauftragt, keine Besucher vorzulassen.

Doch die Versenkung war dem Lord-Eunuchen nicht gegönnt. Noch bevor er mitseinen Sinnen die reale Welt verlassen konn-te, summte sein linkes Armbandgerät. Ver-ärgert zunächst, schlug er die Augen auf unddrückte auf einen Knopf des Geräts.

Sofort änderte sich das Summen. Es wur-de zu einer Tonfolge, die nur eines signali-sierte: Einer der Spezialisten, die die EwigenBatterien und die Kontrollanlagen derStromschnelle zu bewachen hatten, funkteAlarm!

Crom drückte einen weiteren Knopf, undüber dem Armbandgerät entstand das Holodes Eunuchen, der nach ihm rief.

»Barion«, sagte der Lord-Eunuch, erfülltvon schlimmen Ahnungen. »Was gibt es?Wir hatten vereinbart, daß du dich nur imFall eines Angriffs bei mir meldest. Ist esschon so weit gekommen?«

»Leider ja, Herr. Ein Sabotagetrupp derZyniker der NACHT hat versucht, an dieKontrollen der Stromschnelle zu gelangen.Wir konnten sie zurückschlagen. Sie sindgeflohen, aber sie werden mit Verstärkungwiederkommen.«

Crom Harkanvolter war schockiert. Zwarhatte er Vorkehrungen getroffen, die sichjetzt bewährt hatten, aber daß es tatsächlichzu Sabotageversuchen der Zyniker kommenwürde, das hatte er nicht wirklich geglaubt.

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Page 33: Finale für die NACHT

»Gab es Tote oder Verletzte?« fragte eraufgeregt.

»Nein, Herr. Keine Toten.« Barion stam-melte, so schnell er konnte. »Einige Leicht-verletzte, mehr nicht. Wir haben auf beidenSeiten nur unsere Fäuste und einige Knüppeleingesetzt.«

War dies der Anfang vom Ende? Zum er-stenmal überhaupt kämpften Mom'Serimergegeneinander. Wenn das eskalierte, konntees schnell zum offenen Bürgerkrieg kom-men. Das durfte nicht geschehen!

»Ich schicke euch Verstärkung, Barion«,sagte der Lord-Eunuch dennoch. »Die wich-tigen Anlagen müssen geschützt werden.«

»Haben wir die Erlaubnis, im Notfall un-sere Waffen einzusetzen?« fragte der Eu-nuch.

»Ja«, sagte Harkanvolter gequält. »Aberschießt wirklich nur im äußersten Notfall.Ich werde sehen, was ich tun kann, um wei-tere Sabotageversuche zu unterbinden. Gibmir wieder Nachricht, falls etwas passiert.«

»Selbstverständlich, Herr!« Crom beende-te die Verbindung. Dann stand er auf - undsetzte sich gleich wieder, als ihn ein Schwin-del erfaßte und er das Gleichgewicht zu ver-lieren drohte, Mom'Serimer gegenMom'Serimer im Kampf! Das hatte er sichbis jetzt nicht vorstellen können. Und ermußte weitere Eunuchen abstellen, um diewertvollen Anlagen zu verteidigen. Er muß-te den Schießbefehl geben, mit dem der Bür-gerkrieg vielleicht seinen Anfang nehmenwürde.

Crom Harkanvolter rief dem Steuercom-puter seiner Kom-Wand zu, eine Verbin-dung zu Rue Kantasiak herzustellen. Siekam mit einiger Verzögerung zustande.

Rue Kantasiak stand als Holo-Abbild vorCrom Harkanvolter, in eine grüne Kombina-tion gehüllt.

»Du hast nach mir gerufen«, stellte erfest. »Was gibt es denn derzeit Wichtiges zubesprechen?«

Crom blieb fast die Luft weg angesichtssolcher Kaltschnäuzigkeit. Dann aber faßteer sich. Er war der Lord-Eunuch, er mußte

konzentriert bleiben.»Das weißt du ganz genau!« schnatterte er

aufgeregt. »Du hast Sabotagetrupps losge-schickt, um die Ewigen Batterien und dieStromschnelle abzuschalten! Was dir auf le-galem Weg nicht gelang, versuchst du nunmit Gewalt! Ich fordere dich auf, deine Leu-te sofort zurückzuziehen, Rue Kantasiak!Oder ich stelle dich vor allen Mom'Serimernbloß.«

Der Zyniker wirkte betroffen. Er setztezweimal zum Sprechen an. Erst beim drit-tenmal gelang es.

»Ich weiß nichts von Sabotagetrupps«,sagte er, ebenfalls aufgeregt und entspre-chend schnell. »Das mußt du mir glauben.Ich habe keinen einzigen Mom'Serimer los-geschickt, um die Anlagen zu beschädigenoder abzuschalten.«

Crom kannte Kantasiak gut genug, umfestzustellen, daß er die Wahrheit sprach.Aber war er nicht der Anführer der Zyniker?

»Wer war es dann?« fragte er. »Werkönnte es gewesen sein, der die Truppen inMarsch setzte?«

»Ich habe einen Verdacht«, sagte Kantasi-ak. »Gib mir Zeit, unternimm nichts ohneNot. Wir sind zwar politische Gegner, Lord-Eunuch, aber mit diesen Mitteln arbeite ichnicht.«

»Ich glaube es dir, Rue Kantasiak. Werauch immer auf eurer Seite für den versuch-ten Anschlag verantwortlich ist, halte ihnauf. Laß es nicht zu einer Eskalation kom-men. Das ist jetzt deine Verantwortung.«

»Ich weiß«, sagte der Zyniker. »Ich werdetun, was ich kann.«

»Das mußt du auch«, sagte Crom Harkan-volter eindringlich.

*

Rue Kantasiak war innerlich aufgewühlt.Er fühlte sich hintergangen, verraten undverkauft. Alef Aldee hatte alle Mühe, ihn zuberuhigen.

»Er hat sein Versprechen gebrochen!«sagte er immer wieder. »Ich hätte die Ab-

Finale für die NACHT 33

Page 34: Finale für die NACHT

schaltung mit politischen Mitteln erreicht, eraber will den Krieg. Aber er soll sich ge-täuscht haben! Alef, stell mir eine Verbin-dung zu Mars Overlott her, bitte!«

»Erst wenn du dich beruhigt hast, Lieb-ster. In deinem jetzigen Zustand kannst dunicht mit ihm reden. Er ist dir überlegen,wenn du aus deiner Aufregung heraus zuihm sprichst.«

»Er ist kalt, Alef, eiskalt. Jetzt weiß ich,daß er die Entscheidung mit brutalen Mittelnwill und nicht in einer kollektiven Überle-gung aller Mom'Serimer. Das müssen wirverhindern. Und deshalb habe ich auch kei-ne Zeit zu verschenken. Ich bin schon wie-der ruhig genug, um ihm ins Gesicht zu se-hen. Bitte schaffe mir die Verbindung!«

»Wenn du es wünschst …«Nach einer halben Minute stand Rue Kan-

tasiak Mars Overlotts Holo gegenüber. Dies-mal war der ganze Mann dreidimensionalprojiziert.

»Ich habe auf deinen Anruf gewartet,Rue«, sagte Overlott. »Du weißt also bereitsvon meinen Aktivitäten, um dem sinnlosenZustand ein Ende zu setzen.«

»Du hast mir versprochen, noch einigeSeg zu warten!« antwortete Kantasiak.»Seitdem sind gerade zwei Seg vergangen.In der kommenden Versammlung hätten wirdie Mehrheit gewonnen, denn die Argumen-te des Lord-Eunuchen sind alt und verschlis-sen. Wir hätten die Abschaltung der Anla-gen erreicht - auf friedlichem Weg. Durchdeine Aktion hast du nicht nur mich hinter-gangen und unglaubwürdig gemacht, son-dern auch die Position des Gegners gestärkt.Crom Harkanvolter wird auf der Versamm-lung von dem versuchten Anschlag berich-ten und eine Welle der Empörung entfa-chen.«

»Bist du jetzt fertig?« fragte Overlott pro-vozierend langsam.

»Ich warne dich, Mars. Zieh deine Leutezurück, sonst geschieht ein Unglück!«

»Du willst mir drohen, Rue Kantasiak?«»Ich werde mich auf der Versammlung

öffentlich von dir distanzieren. Ich werde

den Mom'Serimern sagen, wer hinter denAnschlägen steckt. Du bist kein Vertreterder Zyniker der NACHT mehr, du bist eingemeingefährlicher Verbrecher!«

Mars Overlott lachte auf, seine Tentakelzitterten.

»Aber wer wird denn solche Worte in denMund nehmen, mein Freund!« spottete er.»Glaubst du, es machte mir noch etwas aus,ob ich als Zyniker der NACHT angesehenwerde oder nicht? Ich weiß, daß du keinenErfolg haben wirst, deshalb gehe ich vonnun an allein meinen Weg. Wage es bessernicht, mir dabei in die Quere zu kommen.Ich bin von ausgebildeten Kämpfern umge-ben, die Waffen haben und damit umgehenkönnen. Dies ist eine Warnung, Rue Kanta-siak. Spar dir deinen Auftritt bei dieser lä-cherlichen Versammlung. Meine Leute wer-den die Angelegenheit regeln, auf ihre Wei-se. Das Problem der Anlagen besteht quasischon nicht mehr. Der nächste Angriff wirderfolgreich sein. Und dann wird es keineEwigen Batterien und keine Stromschnellemehr geben.«

»Du bist verrückt«, schnatterte Kantasiakaußer sich. »Wahnsinnig!«

Mars Overlott lachte erneut auf; dann er-losch sein Bild vor ihm.

Rue Kantasiak mußte sich setzen. AlefAldee führte ihn zu einem Sessel, in dem erPlatz nahm. Dann holte er ihm ein beruhi-gendes und gleichzeitig anregendes Getränk.Nach zehn Minuten fühlte Rue sich besser.

»Es ist wichtig, daß die Versammlung so-fort einberufen wird«, sagte Kantasiak dann.»Noch ist vielleicht nicht alles verloren.Wenn ich mich offiziell von Overlott undseinen Leuten distanziere, können wir dieAbstimmung vielleicht doch gewinnen. DieMom'Serimer werden sehen, daß ich nichtgegen ihre Interessen handele.«

Alef Aldee bedachte ihn mit einem mitlei-digen Blick.

»Glaubst du das wirklich, Rue?« fragte er.»Wie es auch kommen mag, wir haben ver-loren. Die Entscheidung fällt an andererStelle. Die Zeit des Redens ist jetzt vorbei

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…«

7.SOL

Es waren noch 31 Stunden bis zum Ab-lauf der Drei-Tage-Frist, als die SOL dasZielgebiet erreichte. Das Feuer von HespGraken waberte wie die Korona einer Gi-gantsonne im All, und mittendrin lag dieStromschnelle, Einflugtunnel und einzigerWeg hinein in die NACHT.

Major Viena Zakata war von der Ortungs-zentrale aus zugeschaltet. In seinem Holodrehte er den Kopf nach rechts und nachlinks, nickte und stellte Fragen. Offenbarherrschte bei ihm heftige Kommunikation.

Die SOL drosselte ihre Geschwindigkeit,bis sie mit nur noch einem Prozent Lichtzehn Lichtstunden vor dem 1220 Kilometerdurchmessenden Kugelfeld der Strom-schnelle fast »stand«. Roman Muel-Chenhatte die SERT-Haube noch nicht abgenom-men. Offenbar wartete er darauf, daß er baldwieder in Aktion treten mußte.

»Habt ihr Ergebnisse, Viena?« fragte FeeKellind ungeduldig.

Der Major, dem ihre Frage per Funk über-tragen wurde, wandte sich direkt an sie.

»Wir haben gerade unsere Fernortungenabgeschlossen, Kommandantin«, sagte er.»Das Ergebnis wird euch nicht gefallen. Inunmittelbarer Nähe der Stromschnelle ste-hen etwa zehntausend mundänische Raum-schiffe, eine Wachflotte offensichtlich.«

»Zehntausend …«, sagte Fee gedehnt undsah sich unter ihren Offizieren und den an-wesenden Unsterblichen um. Sie strich ihreblonden Haare zurück. »Damit war zu rech-nen. Was tun wir also?«

»Selbst mit Hilfe des Hypertakt-Trieb-werks wäre es ein unberechenbares Vaban-quespiel, den direkten Anflug zu wagen«,sagte Atlan. »Natürlich könnten wir es ver-suchen. Der Überraschungseffekt wärezweifellos auf unserer Seite. Aber wenn dieMundänen schnell und gezielt reagieren,kann es zu spät für uns sein.«

»Das sehe ich genauso«, pflichtete ihmDon Kerk'radian bei. »Atlan hat recht. Wirkönnten versuchen, mit Hilfe des Hypertakt-Triebwerks in unmittelbare Nähe der Strom-schnelle zu gelangen und dann in den Tun-nel einzutauchen, bevor die Mundänen aufuns reagieren. Der Erfolg scheint mir abereher unwahrscheinlich. Es ist eine Wachflot-te, die sich entsprechend schnell auf jedeneue Situation einstellen kann. Und gegendas konzentrierte Feuer von zehntausendKriegstürmen oder Kriegsleichtern habenwir ohne Carit-Hülle keine Chance - der Pa-ratron in allen Ehren.«

»Allerdings drängt die Zeit«, stellte StephLa Nievand fest, der inzwischen in die Zen-trale zurückgekehrt war. »Welche Alternati-ven haben wir also?«

»Wer hat Vorschläge?« fragte Fee Kellindlaut.

Die Antwort kam ausgerechnet von VienaZakata. Der Major sagte: »Wir sollten versu-chen, die Truppenstärke der Mundänen ander Stromschnelle zu reduzieren.«

»Und wie stellst du dir das vor, Viena?«»Ich bin gewiß kein Stratege, aber ich ha-

be doch etwas Phantasie. Wie wäre es denn,wenn wir uns den Mundänen auf Schleich-fahrt näherten, dann das Feuer auf sie eröff-neten und blitzschnell wieder im Weltraumverschwänden? Sie würden uns verfolgenund wir ihre Reihen auseinanderziehen.Wenn wir dann genauso schnell wieder zu-rückstoßen, finden wir höchstens noch dieHälfte der Schiffe vor.«

»Das hat zwar etwas für sich«, meinteFee, »aber ich bezweifle, daß uns die Mun-dänen auf unserer Schleichfahrt nicht ortenwürden.«

»Trotzdem hat Viena im Prinzip vollkom-men recht«, sagte Atlan. »Wir müssen dieFlotte dezimieren, die Truppenstärke an derStromschnelle reduzieren.«

»Und was fällt dir dazu ein?« wollte dieKommandantin wissen.

»Wie gesagt, Vienas Ansatz war schonrichtig. Wir dürfen uns den Mundänen abernicht weiter nähern, ohne das Risiko einer

Finale für die NACHT 35

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Ortung heraufzubeschwören. Im Gegenteil,ich schlage vor, es mit einem simplen Bau-erntrick zu versuchen.«

»Einem … Bauerntrick?« fragte Fee ver-ständnislos.

»Ich erkläre dir das später einmal. Worumes geht: Die SOL sollte auf der Stelle stop-pen und wenden. Wir müssen uns dennächstgelegenen Mundänen-Stützpunkt vor-nehmen und dort soviel Ärger wie möglichstiften. Der Stützpunkt wird logischerweiseVerstärkung anfordern, da die SOL weiter-hin von den Mundänen dringend gesuchtwird.«

»Ich verstehe!« sagte Don Kerk'radian be-geistert. »Und die nächste größere Flotte, dieUnterstützung schicken könnte, ist dieWachflotte von Hesp Graken!«

»Genauso denke ich mir das«, sagte At-lan. »Und während die mundänische Unter-stützung unterwegs ist, in einem zeitlich kal-kulierbaren Rahmen, tritt die SOL den Flugin Richtung Stromschnelle an und trifft dort- hoffentlich! - auf eine bedeutend verringer-te Truppenstärke.«

»Das ist es!« sagte Kerk'radian.Fee Kellind wirkte eher skeptisch und zog

eine Schnute.»Es gibt einen gewaltigen Nachteil da-

bei«, sagte sie. »Die Wachflotte von HespGraken wird auf diese Weise gewarnt wer-den. Es gibt also für uns keinen Überra-schungseffekt mehr, wenn wir an der Strom-schnelle auftauchen.«

Gemurmel setzte ein. Alle sprachendurcheinander. Schließlich sah sich dieKommandantin in der Defensive. Es zeich-nete sich eine klare Mehrheit für Atlans Planab.

»Gut, gut!« rief sie. »Ich gebe mich ge-schlagen. Wie machen es so, wie Atlan esgesagt hat. Die Frage ist, welches Mundä-nen-System nehmen wir?«

»Wir informieren uns einfach«, antworte-te ihr der Arkonide. »Schließlich haben unsdie Tharoidoner mit Sternkarten versorgt.«

*

SENECA projizierte die Sternkarten mit-ten in die Zentrale. Aufgrund der desolatenSituation, in der sich die Galaktische Kroneseit Jahrhunderten befand, waren die Kartennicht sonderlich exakt. Für eine grundsätzli-che Orientierung mußten sie aber reichen.Atlan wußte, daß dies ein Risiko bedeutete,aber ihm blieb nichts anderes übrig, als sichdarauf zu verlassen.

Das anzugreifende System - das war nachdem eingehenden Studium der Sternkartendas Omurtheon-System mit dreizehn Plane-ten, von denen der vierte von den Mundänenerobert worden sein sollte.

Atlans Blicke klebten an den Monitoren,als die SOL nach kurzem Hypertakt-Manö-ver kurz vor dem Ziel in den Normalraumzurückstürzte. Die gelbe Sonne Omurtheonstand vierzig Lichtjahre von der Strom-schnelle entfernt. In diesem Umkreis war inden alten Karten keine andere Bastion derMundänen verzeichnet.

Atlan hielt den Atem an. Was, wenn sichin diesem System eine starke Kampfflotteder Mundänen befand? Es dauerte eine halbeMinute, bis Viena Zakata seine Befürchtun-gen zerstreuen konnte.

»Wir orten etwa fünfhundert Mundänen-Schiffe«, meldete der Ortungschef,»vorwiegend kleinere Einheiten. Wir habeneine gute Chance gegen sie, wenn wir an-greifen.«

»Ich will kein Gemetzel«, sagte Atlandeutlich. »Es geht nur darum, über Omurthe-on-IV aufzutauchen und soviel Verwirrungwie möglich zu stiften. Für die Mundänenmuß es so aussehen, als wollten wir den Pla-neten erobern.«

»Was sollten wir davon haben, eine wahr-scheinlich ausgebeutete und noch dazu rela-tiv unwichtige Welt zu erobern?« fragte FeeKellind.

»Ich bezweifle, daß sich die Mundänen inder ersten Überraschung diese Fragen stellenwerden«, meinte der Arkonide. »Sie werdenum Hilfe funken und die SOL dabei be-schreiben. Alles Weitere ist Glückssache. Esgeht für sie um die SOL, nicht um den Pla-

36 Horst Hoffmann

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neten.«»Du hast mich überzeugt«, sagte Fee.

»Roman, wir fliegen in das System ein undentfesseln über dem vierten Planeten einenFeuertanz. Don, wir feuern ungezielt, ichwill keine unschuldigen Opfer.« »Seit wannsind die Mundänen unschuldige Opfer?«fragte Kerk'radian mit verbissenem Unter-ton, nickte aber dann. Fee Kellind war dieKommandantin.

Atlan war zufrieden. Er sah, wie RomanMuel-Chens Gestalt sich unter der SERT-Haube straffte. Dann nahm die SOL schnellFahrt auf und ging für wenige Sekunden inden Hypertakt.

Als sie wieder im Normaluniversum her-auskam, blitzten nicht nur die Abermilliar-den Sterne der Galaxis Segafrendo vor ihr,sondern auch die Orterechos der fünfhundertMundänen-Raumer.

Die SOL, noch stark abbremsend, begannsofort zu feuern. Die Strahlen ihrer Geschüt-ze und die Entladungen der Transformkano-nen gingen bewußt zwischen die mundäni-schen Einheiten.

Trotzdem mußte es dort bei deren Besat-zungen so aussehen, als ginge für sie dieWelt in einem einzigen Feuersturm unter.Die Raumschiffe stoben in wilder Panik aus-einander.

Sie mußten den Angreifer sofort geortetund identifiziert haben. Es war genauso fol-gerichtig, daß sie um Hilfe riefen - und diekam, wenn alles nach Plan lief, von derStromschnelle im Feuer von Hesp Graken.

Nach zehn Minuten blies Fee Kellind zumRückzug. Die SOL hob ihre Fahrt auf undbeschleunigte in Gegenrichtung, währenddie mundänischen Einheiten noch nach einerFormation zum Angriff auf sie suchten.Über Omurtheon-IV herrschte das totaleChaos.

»Hoffen wir, daß dein Plan funktioniert,Atlan«, sagte Fee Kellind. »Sonst haben wirnämlich verloren.«

»Ja«, sagte der Arkonide nur und blickteweiter auf die Anzeigen, die das Geschehenin dem Sonnensystem zeigten.

Und nur seine Tränen aus den Albinoau-gen zeigten, wie aufgeregt er war. Jetzt warer der Jäger, der alles auf eine Karte gesetzthatte. Der geringste Fehler in seinen Überle-gungen konnte das Ende bedeuten.

*

Der mundänische Heerführer Shriftenz,der mit seiner Flotte die Vernichtung derKronenwelt Orllyndie vorgenommen hatte,war zu seiner eigenen negativen Überra-schung als Kommandant zur zehntausendEinheiten starken Wachflotte von Hesp Gra-ken zurückversetzt worden - exakt jenesKommando, das er als Nachfolger Cugaritt-mos übernommen hatte.

Seine Hoffnungen auf einen raschen Auf-stieg, wie er in den Invasionsflotten derMundänen ja oft genug vorkam, waren so-mit vorerst dahin.

Dementsprechend war seine Laune. Er re-dete kaum noch mit seinen Untergebenen,und wenn doch, dann schnauzte er sie anoder machte sich in beleidigender Weiseüber sie lustig. Er wußte, daß er dafür gehaßtwurde, aber das machte ihm nicht allzuvielaus.

Tagelang hatte er mit seiner Wachflottehier, am Feuer von Hesp Graken, auf derLauer gelegen, immer in der Hoffnung, dasvon allen gesuchte goldene Hantelschiff mö-ge erscheinen und den Weg zurück in dieNACHT suchen. Vielleicht ergab sich danndie ersehnte Beförderung, wenn er mit demfremden Schiff fertig würde.

Dementsprechend elektrisiert war er, alsaus dem Omurtheon-System die Nachrichtkam, ein goldenfarbenes Raumschiff sei ausdem Nichts erschienen und habe Omurthe-on-IV angegriffen. Das Omurtheon-Systembat dringend um Hilfe.

Heerführer Shriftenz, ein bekannt ent-scheidungsschwacher Charakter, war von ei-ner Sekunde zur anderen hoffnungslos über-fordert.

Was sollte er tun? Seine Flotte zusam-menhalten oder Teile von ihr nach Omurthe-

Finale für die NACHT 37

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on schicken? Was war wichtiger?Er wußte, daß von allen S-Zentranten die

Suche nach dem fremden Hantelschiff mitallem Vorrang betrieben wurde. Und wenner es jetzt angriff und unschädlich machte?In dem Fall würde ihm niemand mehr eineBeförderung streitig machen können.

Shriftenz traf eine, wie er glaubte, diplo-matische Entscheidung. Er teilte seine Flottein 7500 Einheiten, die sich unverzüglich aufden Weg zum Omurtheon-System zu ma-chen hatten, während er selbst bei den 2500verbliebenen Einheiten am Feuer von HespGraken die Fäden in der Hand zu halten ver-suchte.

Diesmal entkommt ihr mir nicht! dachte ergrimmig. Mit 7500 Kriegsschiffen werdetauch ihr nicht fertig!

Er sah auf dem Ortungsschirm, wie seineFlotte aus dem Normalraum verschwand,und stellte sich vor, wie die Besatzung desHantelschiffs die kalte Panik treffen würde,wenn sie Tausende von Zackenraumern ausdem Hyperraum kommen sah. Er hatte denBefehl gegeben, die Hantel nur manövrier-unfähig zu schießen und nicht zu vernichten.

Shriftenz überlegte, ob er schon jetzt eineMeldung an den nächsten S-Zentranten fun-ken sollte. Schließlich entschied er sich da-gegen. Er wollte das Oberkommando dies-mal vor vollendete Tatsachen stellen undihm das Hantelschiff in kampf- und flucht-unfähigem Zustand präsentieren. Er wolltesicher sein, daß tatsächlich nichts mehrschiefgehen konnte.

Seine Vorsicht sollte sich als berechtigterweisen.

Nur Minuten nachdem seine 7500 Einhei-ten in den Hyperraum gegangen waren, er-reichte ihn aus dem Omurtheon-System dieMeldung, das goldene Schiff habe sich un-vermittelt und spurlos zurückgezogen.

»Verdammt!« knurrte der Mundäne.»Was bedeutet das?«

Er spürte instinktiv, daß er einen Fehlerbegangen hatte, seine Flotte zu teilen. Hatteder Gegner ihn hereingelegt?

Der Alarm, der plötzlich durch seinen

Kriegsturm gellte, gab ihm die Antwort.

*

Roman Muel-Chen flog die SOL so, alssei er mit ihr verwachsen, eine Einheit. Erübermittelte dem Schiff in irrsinniger Ge-schwindigkeit seine gedanklichen Befehleüber die SERT-Haube. Es gab keinen Zeit-verlust zwischen Befehl und Ausführung.

Der Emotionaut steuerte das Schiff beiaktiviertem Hypertakt-Orter an das Feuervon Hesp Graken heran. In der SOL herrsch-te Vollalarm. Jeder saß wieder angeschnalltan seinem Platz, bis auf Icho Tolot. Jederwartete auf den entscheidenden Augenblick.

Und dann war es soweit … »Jetzt!« flü-sterte der Emotionaut.

An der vorberechneten Stelle trat dasHantelschiff mitten im »Höllenfeuer« ausdem Hypertakt heraus. Sofort flammte derParatronschirm auf. Die Ortung fand die2500 Schiffe der Mundänen, aber von diesenschien keine Gefahr mehr auszugehen. Eskam jetzt darauf an, die SOL zügig und sopräzise wie möglich in den Tunnel hineinzu-steuern, die Stromschnelle. Und natürlichhoffte man auf die folgerichtige Reaktionder Mom'Serimer, die den Einflug in dieStromschnelle von Nacht-Acht aus kontrol-lierten.

Über sechstausend Raumfahrer hieltenden Atem an. In der Zentrale sprach nie-mand ein überflüssiges Wort.

Major Viena Zakata teilte mit, daß dieMundänen Fahrt aufgenommen hätten undsich näherten. Aber der Vorsprung der SOLwar so groß, daß man den Rest der Wach-flotte ruhig ignorieren konnte. Alles drehtesich um die Stromschnelle, deren Kugelfeldvor dem Hantelschiff sprunghaft zu wachsenschien.

Die SOL flog darauf zu. Roman Muel-Chen steuerte das Schiff so genau, wie eshöchstens eine Syntronik könnte.

Sie erreichten die Stromschnelle - undwaren im Innern des Tunnels angelangt!

»Nun können wir nur noch beten«, sagte

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Fee Kellind in die atemlose Stille hinein.Niemand jubelte. Noch war es nicht ge-

schafft. Aber alle atmeten erst einmal durch.»Beten«, sagte die Kommandantin leise

weiter, »daß die Mom'Serimer keinen Fehlerbegehen und uns den Durchflug durch dieStromschnelle endlich freigeben …«

8.Nacht-Acht

Rue Kantasiak hatte lange mit sich gerun-gen, bevor er Crom Harkanvolter anrief undihm von seinem Gespräch mit Mars Overlottberichtete. Er verriet seinen früheren Gesin-nungsgenossen, um ein zu erwartendes Blut-vergießen größeren Ausmaßes zu verhin-dern. Er haßte sich fast dafür und empfandVerachtung für sich selbst, aber er wußtekeinen anderen Weg mehr.

Alef Aldee hatte ihn unterstützt und ihmzugeredet, diesen Schritt zu tun. Er hatteversucht, ihn zu trösten, ihn in den Arm ge-nommen und ihm aufmunternde Worte ge-sagt. Etwas hatte es geholfen. Rue Kantasiakfühlte sich nicht ganz allein.

Jetzt stand ihm Crom Harkanvolter ge-genüber, als wäre er leibhaftig da. Alef Al-dee hielt Rues rechte Hand. Bevor er fürKantasiak dieses Gespräch hergestellt hatte,hatte dieser mit einigen anderen Zynikernder NACHT gesprochen, von denen er wuß-te, daß sie Mars Overlotts Politik wie er ab-lehnten.

»Ich habe mit deinem Anruf gerechnet«,sagte der Lord-Eunuch. »Oder besser: Ichhabe darauf gehofft. Hast du etwas heraus-gefunden? Weißt du, wer hinter dem ver-suchten Anschlag steckt?«

Rue Kantasiak holte tief Luft.»Allerdings«, sagte er dann. »Du kennst ihnauch. Es ist Mars Overlott.«

»Overlott!« schnatterte Crom. »Ihm traueich das allerdings zu. Ich hätte von selbstdarauf kommen müssen.«

»Ich habe mit ihm bereits gebrochen«,teilte Rue Kantasiak mit. »Er gehört nichtmehr zu den Zynikern der NACHT, er ist

ein gefährlicher Einzelgänger. Lord-Eunuch,ich sagte es schon einmal: Wir sind politi-sche Gegner. Aber die Situation zwingtmich, dir meine Zusammenarbeit anzubie-ten. Ich verzichte auch vorerst auf eine neueVersammlung.«

»Dann muß etwas Schwerwiegendes ge-schehen sein.«

»Das ist es. Mars Overlott plant einenweiteren, diesmal größer angelegten Angriffauf die wichtigen Anlagen. Er schreckt da-bei nicht vor dem Einsatz von Waffen zu-rück. Ich weiß nicht, über welche Arsenaleer verfügt, aber du solltest es wissen. Wenndu es kannst, dann triff Gegenmaßnahmen.Auf mich kannst du dabei zählen - und aufdie Unterstützung von einem guten Dutzendkampfbereiter Mom'Serimer.«

»Wir schließen also einen Pakt?« fragteCrom Harkanvolter.

»Wir schließen einen Pakt, bis die Gefahreines Bürgerkrieges beseitigt ist. Danachkämpfen wir wieder mit politischen Mitteln.Aber ich will nicht dabei zusehen, wie un-schuldiges Blut fließt.«

»Wenn du mit politischen Mitteln errei-chen würdest, daß die Anlagen abgeschaltetwerden, würden die Mom'Serimer auch ster-ben«, hielt ihm der Lord-Eunuch entgegen.

»Aber nicht so! Und durch die Zerstörun-gen an Nacht-Acht 3 ist unser Volk sowiesozum Untergang verurteilt. Das scheinst du injeder Auseinandersetzung zu vergessen. DieZerstörungen, hervorgerufen durch dasRaumschiff SOL!«

Crom Harkanvolter hob eine Hand, alswolle er um Ruhe bitten.

»Wie wollen uns jetzt nicht wieder strei-ten, Rue Kantasiak. Die Zeit drängt. Ichselbst werde mich sofort zu der Schaltstationbegeben, von der aus die Stromschnelleschalttechnisch kontrolliert wird. Ich habeauch Kämpfer dort, die die Lage hoffentlichim Griff haben. Die Station liegt hier inNacht-Acht 1, wie du weißt.«

»Dann begebe ich mich zu den EwigenBatterien in Nacht-Acht 2«, verkündete RueKantasiak. »Wir sollten Kontakt halten.«

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»Ja, das tun wir«, versprach der Lord-Eunuch. »Und … danke.«

Das Holo des mächtigsten Mom'Serimerserlosch. Rue Kantasiak starrte auf die leereStelle, bis er die Berührung im Nacken spür-te. Alef kraulte ihn sanft.

»Du bist noch nicht ganz von dem über-zeugt, was du tun willst«, erriet Alef Aldee.

»Wie auch?« fragte Rue gequält. »Ich bindabei, alles umzukehren, an das ich bishergeglaubt habe. Mein halbes Leben lang habeich gegen diese verdammten Batterien unddie Stromschnelle gekämpft - und nun ma-che ich mich auf den Weg, um sie zu vertei-digen! Wie paßt das zusammen?«

»Du tust das Richtige«, sagte Alef Aldee.In diesem Moment summte Kantasiaks

Armbandgerät.

*

Es war fast der gleiche Augenblick, indem auch Crom Harkanvolter eine weitereNachricht Seines Vertrauten Barion erhielt.Es war das, was er befürchtet hatte.

Barion berichtete, daß die Zyniker derNACHT die Schaltstation der Stromschnelleund die Ewigen Batterien gleichzeitig an-griffen und dabei von ihren Waffen Ge-brauch machten. Die Verteidiger schossenzurück.

Ein wildes Gefecht war im Gange. Es gabbereits die ersten Toten und Verletzten.

»Ich komme selbst«, sagte der Lord-Eunuch und unterbrach die Verbindung.

Rasch rief er Garbam herbei, dem er auf-trug, für ihn eine Waffe und einen Körper-schutzschirm zu besorgen. Garbam versuch-te vergebens, ihn von seinem Vorhaben ab-zubringen. Crom Harkanvolter bestand dar-auf.

Also gehorchte der Eunuch. Crom triebihn zu höchster Eile an. Nach fünf Minutenwar er mit allem zurück, was sein Herr ver-langt hatte. Der Schutzschirmprojektor wur-de an einem Gürtel umgeschnallt.

Das kurze Strahlgewehr lag gut im Arm.Es war verstellbar. Crom schaltete es auf pa-

ralysieren. Er wollte keinen Gegner töten,auch dann nicht, wenn sie weniger Rück-sicht nahmen.

»Ich habe einen zweiten Schutzschirm-projektor und eine zweite Waffe mitge-bracht«, sagte Garbam. »Ich begleite dich,Herr.«

Zuerst wollte Crom Harkanvolter ableh-nen, aber dann nickte er mit den Gehirnten-takeln. »Es ist gut, Garbam. Zu zweit habenwir bessere Chancen.«

Das war untertrieben, denn sie gingennicht nur zu zweit. Ein halbes Dutzend be-waffneter Eunuchen begleitete sie. CromsGemächer waren nun verlassen, aber wasbedeutete das jetzt schon? Es gab keineReichtümer, die man hätte stehlen können.

Croms kleine Streitmacht vertraute sichLaufbändern, einer Expreßbahn und Anti-gravliften an, bis sie fast an ihrem Ziel ange-kommen war. Schon von ferne hörten siedas Fauchen von Schüssen.

Crom aktivierte seinen Schutzschirm, dieanderen taten es auch. Er ging gebückt undhatte den Schaft des Gewehrs fest umklam-mert. Garbam versuchte, sich vor ihn zuschieben, aber das wehrte er ab. Er wollteals erster sehen, was vor sich ging. Er warder Lord-Eunuch. Vielleicht reichte sein blo-ßes Erscheinen schon, um die Angreifer dieFlucht ergreifen zu lassen.

Er sah sie von hinten, als er an der Spitzeseiner kleinen Gruppe einen der eigentlichenSchaltzentrale vorgelagerten Raum erreich-te. Sie lagen in ihren Deckungen und feuer-ten in den Schaltraum hinein.

Crom Harkanvolter blieb fast das Herzstehen. Was, wenn sie mit ihren Strahlsalvenschon wertvolle Geräte beschädigt hatten?Wenn sich die Stromschnelle schon nichtmehr kontrollieren ließ?

Er gab seinen Leuten ein Zeichen. Danneröffnete er ohne Vorwarnung das Feuer.Gelähmt sackten die ersten Rebellen zu Bo-den und blieben dort reglos liegen. Als dieanderen die neue Situation erfaßten und sichumwandten, drehten sie sich genau in dienächsten Salven hinein.

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Auch Harkanvolters Begleiter schossenmit Paralysestrahlen. Sie fällten einen derAngreifer nach dem anderen.

Als nur noch knapp die Hälfte von ihnenübrig war, ergriffen die letzten die Flucht.Einer feuerte mit Thermostrahlen auf denLord-Eunuchen, dessen Schutzschirm in hel-ler Glut aufleuchtete und die auftreffendenEnergien absorbierte.

Aber der Raum war frei. Blitzschnell lie-fen Crom und seine Mom'Serimer zu denBarrikaden, die die Angreifer vor sich er-richtet hatten, und räumten sie beiseite. Bari-on erkannte seinen Herrn und gab seinerTruppe ein Zeichen, auf keinen Fall mehr zufeuern.

Mit Entsetzen sah Crom Harkanvolter dieschwarzen, aufgerissenen Stellen in denKontrollen, wo die Strahlen der Rebelleneingeschlagen waren. Eilig schaltete er denSchutzschirm ab und ließ sich von Barionerklären, wo welche Ausfälle zu verzeichnenwaren.

»Ich glaube, wir haben das Schlimmsteverhindern können«, sagte Barion. »Soweitich das sehe, sind die wichtigen Schaltanla-gen noch in Ordnung.«

»Dein Wort dafür! Ohne unsere schalt-technische Kontrolle über die Stromschnelleist für ESTARTU und für die SOL derRückweg in die NACHT abgeschnitten!«

Sofort setzte sich Crom Harkanvolter aufeinen Stuhl vor den Hauptkqntrollen und be-gann mit einem Check. Zwischendurch gaber Barion den Oberbefehl über seine kleineStreitmacht und wies ihn an, keinen Rebel-len mehr in die Nähe des Schaltraums kom-men zu lassen.

Barion eilte davon und teilte seine Män-ner und die paar Frauen ein, die sich bei demTrupp befanden - und das keinen Augen-blick zu früh. Denn schon wieder griffen dieGegner an. Sie tauchten an allen Eingängendes Vorraums auf. Die Verteidiger paraly-sierten sie, wo sie konnten. Aber immerwenn sie glaubten, vor ihnen Ruhe zu haben,tauchten neue Widersacher auf.

Crom Harkanvolter überprüfte in der Zwi-

schenzeit die Anlagen und war heil7 froh,daß die wichtigsten Elemente tatsächlichnicht beschädigt worden waren. Er wußtedennoch, daß die SOL, das ESTARTU-Schiff, jetzt sehr bald zurückkehren mußte,um eine Chance zu haben. An eine Wieder-kehr ESTARTUS in den nächsten Segafkonnte er nicht mehr glauben.

Der Lord-Eunuch kam sich wie ein Verrä-ter an der Superintelligenz vor.

Aber die SOL konnte den Mom'Serimernvielleicht Kunde von ESTARTUS Schicksalbringen! Je länger Crom Harkanvolter darandachte, desto einleuchtender erschien esihm. Die SOL war draußen gewesen, fallssie zurückkam, und sie hatte dort draußen inSegafrendo Daten und Wissen gesammelt,falls es ihr wirklich gelungen war, den Flot-ten der Mundänen zu entgehen.

Er hörte das Zischen und Fauchen vonStrahlwaffen, aber er kümmerte sich nichtdarum. Er sah die Stromschnelle vor sich aufeinem dreidimensionalen Schirm, und plötz-lich änderte sich dort etwas.

Ein großes Objekt flog von Segafrendoaus in die Stromschnelle ein. Crom Harkan-volter hielt den Atem an. War das die SOL?Oder war es ein Schiff der Mundänen?

Er mußte, bei aller Euphorie, vorsichtigsein. Also verständigte er die Wachhaben-den in Nacht-Acht 4, ihre hochwirksamenWaffensysteme sofort einsatzbereit zu ma-chen für den Fall, daß es sich bei dem An-kömmling nicht um die SOL handelte.

Dann erst gab er die Passage frei. Nervösbetrachtete er den Schirm.

Aus der Stromschnelle kam das goldeneHantelschiff. Majestätisch schwebte es indie NACHT hinein. Crom Harkanvoltersprang begeistert auf.

»Es ist die SOL!« schrie er den Kämpfen-den zu. »Es ist das ESTARTU-Schiff!«

*

Allein die Botschaft beendete die Kampf-handlungen. Angreifer wie Verteidiger hat-ten sie gleichzeitig vernommen. Die Rebel-

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len wichen zurück und flohen, einige Toteund Verletzte blieben liegen. Die Zynikerder NACHT waren von Mars Overlott mitder Parole aufgehetzt worden, weder EST-ARTU noch die SOL würden jemals wiederin die NACHT zurückkehren.

Und nun war das Schiff wieder da, das imAuftrag von ESTARTU unterwegs war.

Auch bei den Ewigen Batterien, so teilteRue Kantasiak mit, hatten die Kämpfe auf-gehört. Innerhalb Nacht-Acht herrschtenplötzlich wieder Friede und Ordnung, alleinhervorgerufen durch das Auftauchen desgoldenen Hantelschiffes.

Crom Harkanvolter blieb an seinen Kon-trollen, und von dort aus nahm er Funkver-bindung mit dem in ESTARTUS Zeichenreisenden Raumschiff auf. Es dauerte eineganze Weile, bis er Kontakt bekam. Dannaber erhellten sich die Bildschirme vor ihm,und er sah in das Gesicht des Wesens Atlan.Selbst für ihn war es mit den langen weißenHaaren und den rötlichen Augen unver-wechselbar.

»Seid uns gegrüßt«, begann Crom. »Es istwie ein Wunder, daß ihr zurückkommt.«

»Für uns ist es auch wie ein Wunder«,sagte Atlan nach kurzem Gruß. »Aber miteurer Hilfe haben wir es geschafft, in dieNACHT zurückzukehren. Wie können wireuch dafür danken?«

»Indem ihr uns davon erzählt, was ihrdraußen in Segafrendo alles erlebt habt«,schnatterte der Lord-Eunuch aufgeregt.»Indem ihr uns von ESTARTU erzählt.«

Crom bemerkte das Zögern des Fremden.Doch etwas in ihm verhinderte, daß er esrichtig deutete.

»Wir sind seit ewigen Zeiten isoliert undsehnen uns nach nichts mehr als nach Nach-richten von draußen«, appellierte der Lord-Eunuch an Atlan. »Ihr müßt uns erzählen,wie es mittlerweile in Segafrendo aussieht.«

»Das werden wir«, antwortete Atlan.»Wenn du unbedingt darauf bestehst.«

»Das tue ich!« bekräftigte Crom Harkan-volter.

»Dann werde ich persönlich kommen«,

verkündete Atlan, »um Bericht zu erstatten.«Crom atmete auf. Er starrte noch eine Mi-

nute auf die dunkel gewordenen Bildschir-me, bevor er seinen Stuhl herumschwenkteund sich erhob.

Es gab keine Schüsse mehr. Wie ein.Lauffeuer hatte es sich herumgesprochen:Die SOL war zurück!

Wie ein Phantom sah der Lord-Eunuchplötzlich Mars Overlott vor sich stehen. DerAnführer der Rebellion hielt eine Strahlwaf-fe in seiner rechten Hand und richtete sie ge-gen seinen Kopf.

»Es ist vorbei, Crom Harkanvolter!« riefer triumphierend. »Es ist alles vorbei, ihrwißt es nur noch nicht!«

Dann drückte er ab. Sein Kopf wurde zer-fetzt. Keiner der Verteidiger hatte Zeit ge-habt, ihn mit Paralysefeuer zu lahmen. Leb-los sank der Körper des Putschisten in sichzusammen.

»Laßt ihn abholen!« befahl Crom Harkan-volter. »Er soll in Nacht-Acht 3 bestattetwerden.«

Danach eilte er, nur von Garbam beglei-tet, in seine Wohnstätte zurück. Der Wider-stand war zusammengebrochen, ein Bürger-krieg war nicht mehr zu befürchten.

»Ich möchte eine Ansprache an unserVolk richten«, verlangte der Lord-Eunuch.»Es muß wissen, daß die SOL zurückge-kehrt ist. Es muß wissen, daß es nun wiederneue Hoffnung für uns alle gibt. Unsere Exi-stenz ist nicht umsonst!«

*

25 Stunden von der Frist, die ES ihnenzur Rückkehr durch den Mega-Dom gelas-sen hatte, waren noch übrig. Nur deshalbhatte sich Atlan dazu bereit erklärt, denMom'Serimern persönlich Bericht zu erstat-ten.

Fee Kellind war damit nicht einverstan-den, ebenso eine Mehrzahl ihrer Offiziere.

»Wir brauchen dich hier an Bord, Atlan«,argumentierte sie. »Nicht bei denMom'Serimern. Was wir mit ihnen zu regeln

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haben, geht über Funk. Ich sehe beim bestenWillen nicht ein, daß du dich mit diesemLord-Eunuchen persönlich treffen mußt!«

»Es ist eine Frage der Ehre und der Ver-antwortlichkeit, Fee«, sagte Atlan hart-näckig. »Du kannst es mir nicht ausreden.Wir haben noch diese 25 Stunden. Laß michsie nutzen, wie ich es für richtig halte.«

Sie trat einen Schritt zurück. »Wie du esfür richtig hältst.« Ihre Stimme klang sehrunterkühlt.

Der Arkonide sah sie scharf an. »Ichkönnte es dir jetzt ausführlich erklären, Fee,aber ich tue es nicht. Diese Mom'Serimerdort fragen sich seit vielen Generationen,wie es im Raum außerhalb der NACHT aus-sieht. An uns knüpfen sie die größten Hoff-nungen. Also muß ich ihnen Rede und Ant-wort stehen - auch wenn es ihre Illusionenzerstört. Es ist keine Zeit mehr für eleganteLügen.«

»Dann tu, was du nicht lassen kannst. Wiewillst du zu ihnen gelangen?«

»Mit einer Space-Jet, wenn es dir rechtist!«

»Nimm sie.«Ronald Tekener und Dao-Lin-H'ay beglei-

teten den Arkoniden. Roman Muel-Chenstoppte die SOL in respektvoller Entfernungvon dem Gebilde aus acht Planetoiden, undAtlan steuerte das Diskusboot aus dem offe-nen Hangar hinaus. Nach nur zehn MinutenFlug landeten sie auf Nacht-Acht 1, nebeneiner klar erkennbaren Schachtöffnung, dieins Innere des Planetoiden führte.

In ihren Raumanzügen stiegen sie aus, At-lan als erster. Zwei Mom'Serimer kamen ausdem Schacht und begrüßten sie. Dann führ-ten sie sie hinab in ihre kleine Welt.

Der Schacht war groß genug; nur in man-chen Gängen mußten die Menschen sich et-was bücken. Sie waren nicht für ihre Größegemacht.

Die beiden Führer unterhielten sichschnatternd. Die Translatoren übersetztendie bekannte Sprache. Atlan und seine Be-gleiter hörten etwas von Kämpfen zwischenOptimisten und Zynikern der NACHT. Zu

ihrer Beruhigung sagten die beiden kleinenKerle aber auch, daß diese Kämpfe inzwi-schen beendet seien.

»Ich glaube, seit unserer Abreise hat sichhier einiges getan«, meinte der Arkonide.»Crom Harkanvolter wird uns manches zuerklären haben.«

»Daran denke ich kaum«, gestand Dao.»Ich denke vielmehr an das, was wir ihm sa-gen müssen, wenn er nach ESTARTUfragt.«

»Und das wird er tun«, fügte Tekener hin-zu.

»Ich weiß«, sagte Atlan seufzend.Nach etwa einer Viertelstunde hatten sie

die Gemächer des Lord-Eunuchen erreicht.Ihre beiden Führer ließen sie in einemgroßen, großzügig möblierten Raum allein,wo sie nicht lange warten mußten.

Crom Harkanvolter erschien in Beglei-tung von einigen Eunuchen und einem grün-gekleideten Mom'Serimer und begrüßte sieüberschwenglich. Dann bat er sie, sich zusetzen und mit ihrem Bericht anzufangen.

Atlan atmete tief ein. Er wartete, bis - mitAusnahme der Eunuchen - auch dieMom'Serimer saßen, und überlegte seine er-sten Worte.

Dann entschied er sich für die Wahrheit.Es würde schwer genug werden. Er konntetrotz der fremdartigen Physiognomien dasverzweifelte Sehnen in den Augen derMom'Serimer erkennen - und er war derjeni-ge, der mit seinem Bericht alle ihre Hoff-nungen zerschlagen mußte.

Also begann er mit einer groben Schilde-rung der Verhältnisse in Segafrendo, um diekleinen Burschen so behutsam wie möglichan die Wahrheit heranzuführen. Er ließ sieahnen, was er ihnen über ESTARTU sagenmußte, noch ehe er zum Punkt kam.

»Es tut uns sehr leid«, brachte er dann miteinem Kloß im Hals hervor, »euch sagen zumüssen, daß ESTARTU zum größten Teilvernichtet wurde und niemals wieder in dieNACHT zurückkehren wird. Der Rest vonESTARTU ist in einer Superintelligenz na-mens ES aufgegangen. Das dürfte auch der

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Grund sein, daß eure NACHT immer mehrschrumpft. Ihr fehlt die Stabilisierung durcheine Superintelligenz, weil jetzt der letzteRest von ESTARTU aus Segafrendo ver-schwunden ist. Irgendwann einmal, in Jahr-millionen vielleicht, wird ESTARTU zu ei-ner eigenständigen Entität heranreifen undsich von ES trennen.«

Atlan ließ seine Worte wirken. Er sah dieBestürzung der Mom'Serimer, die keinenLaut von sich gaben, an ihren Gehirntenta-keln. Dann stand er auf und ging mit aufdem Rücken verschränkten Armen auf undab.

»Der Machtbereich der Superintelligenz,zu dem ihr euch zugehörig glaubtet, existiertnicht mehr«, fuhr er fort. »Wir können eseuch mit zahlreichen Aufnahmen beweisen.Segafrendo steht kurz vor der vollständigenEinnahme durch die Mundänen und wird da-nach zum Mächtigkeitsbereich der Superin-telligenz K'UHGAR gehören. Das ist dieWahrheit. Ich hätte sie euch gern erspart,doch es gibt keine humane Lüge mehr, dieeure Situation verbessern könnte. Ich weiß,welchen furchtbaren Schlag ich euch mitmeinen Aussagen versetzt habe. Bitte ver-zeiht. Es mußte sein.«

Totenstille umgab ihn. Die Mom'Serimerwaren nicht fähig, ein Wort zu sagen.

»Die armen kleinen Kerle«, kam es mit-fühlend von Dao-Lin-H'ay. »Gerade ist ihreganze Welt zusammengebrochen.«

Crom Harkanvolter sah als erster auf. Ererhob sich und blickte Atlan in die Augen.

»Danke«, sagte er. »Danke dafür, daß ihruns nicht aus falscher Rücksichtnahme belo-gen habt. Wir wissen jetzt, woran wir sind,und werden entsprechend handeln.« Erwandte sich an den Grüngekleideten. »RueKantasiak, ihr Zyniker der NACHT hattetrecht, wir Optimisten hatten unrecht. EST-ARTU wird nicht wiederkommen, unsereExistenz hat ihren Sinn verloren. Mir bleibtnichts anderes übrig, als der Abschaltungder Anlagen zuzustimmen. Unser Volk hatkeine Zukunft mehr. Es geht seinem unwi-derruflichen Ende entgegen.«

»Es tut mir sehr leid, Lord-Eunuch«, sagteder Angesprochene.

Atlan spürte etwas von der »menschlichenGröße«, die diese Wesen in diesem Momentzeigten. Sie hatten alles verloren. Wenn ersie richtig verstand, planten sie den kollekti-ven Selbstmord.

»Müßt ihr die Anlagen abschalten?« frag-te er. »Ich weiß, wie schwer eure Wieder-aufbereitungsanlagen beschädigt sind, aberfür einige Generationen von euch sollten siedoch noch reichen.«

»Ich danke dir nochmals, Atlan«, sagteHarkanvolter. »Aber jetzt ist die Entschei-dung gefallen. Kein Mom'Serimer wird dienächsten Tage überleben. Habt ihr nicht dieEnergieeinbrüche geortet? Spätestens durchsie wird unsere Existenz beendet. Aber esgibt keine Notwendigkeit mehr, die Strom-schnelle und die Ewigen Batterien in Betriebzu lassen. Du … ihr könntet nur eines füruns tun.«

»Alles, was uns möglich ist«, versprachder Arkonide.

Er wechselte einen schnellen Blick mitDao und Tekener. Gab es doch noch eineHoffnung für die Bewohner der NACHT?

»Euer Schiff ist riesengroß«, sagte CromHarkanvolter. »Wäre es euch nicht möglich,mein Volk aufzunehmen und vor dem Un-tergang der NACHT zu retten? Wir sindrund 350.000 Individuen.«

Atlan schluckte. Er als Expeditionsleiterwar gefragt, und er wußte schon, welcheAntwort er dem Lord-Eunuchen geben muß-te. Zum zweitenmal mußte er ihn enttäu-schen.

»Die SOL wäre theoretisch dazu in derLage, 350.000 Mom'Serimer aufzunehmenund auf einen Planeten in Segafrendo zuevakuieren«, sagte er. »Aber erstens läuftunsere Frist, in unsere eigene Zukunft zu-rückzukehren, in wenigen Stunden ab, ohnejede Möglichkeit, dies zu beeinflussen. Undzweitens würde der SOL bestimmt nichtnochmals der Aus- und der Einflug durchdie von den Mundänen belagerte Strom-schnelle gelingen.«

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»Dann haben wir also keine Hoffnungmehr«, sagte Crom Harkanvolter leise.

»Vielleicht doch«, kam es von Ronald Te-kener.

Atlan drehte den Kopf zu ihm um. Über-rascht sah er ihn an. Tekener grinste.

»Aber das müssen wir mit der Schiffsfüh-rung besprechen und auf seine Realisie-rungschance hin prüfen lassen«, sagte derSmiler.

»Könnt ihr uns keine Andeutung ma-chen?« fragte der Lord-Eunuch.

Tekener schüttelte den Kopf. »Es ist nureine Idee von mir, noch unausgegoren. Undich will euch nicht Hoffnungen machen, diesich hinterher vielleicht nicht erfüllen.« Ererhob sich. »Laß uns zur SOL zurückkehren,Atlan. Und euch, Crom Harkanvolter, wer-den wir das Ergebnis unserer Besprechungauf jeden Fall mitteilen. Haltet die Tentakelsteif und macht keinen Unfug mit den Anla-gen! Noch ist nicht alles für euch verloren.«

9.SOL

Die massiven Energieeinbrüche in dieNACHT waren natürlich für die Ortergeräteder SOL unübersehbar. Atlan, mit seinenBegleitern aus Nacht-Acht zurückgekehrt,war sich darüber im klaren, daß bald dieRückkehr des Hantelschiffs in die Gegen-wart erfolgen mußte. Hier war es nicht mehrsicher.

»Also, Tek«, sagte er, als er mit Tekener,Dao-Lin-H'ay, Icho Tolot, Myles Kantorund den führenden Offizieren der SOL aneinem großen Besprechungstisch saß. »Jetztraus mit der Sprache. Du weißt, wie knappunsere Zeit ist. Weshalb hast du denMom'Serimern dennoch Hoffnungen ge-macht?«

»Habe ich das?« fragte der Smiler lä-chelnd. Dann wurde er ernst und nickte.»Ich mache euch folgenden Vorschlag. Ichweiß auch, daß wir den Mom'Serimern kei-nen konventionellen Ausweg aus ihrer Si-tuation bieten können, obwohl sie sich nach

anfänglichen Schwierigkeiten vorbehaltlosauf unsere Seite geschlagen haben. Wir kön-nen sie nicht evakuieren, nicht in ihrerZeit.«

Atlans Kopf ruckte hoch. Er sah die fei-nen Lachfalten im Gesicht des Gefährtenund wußte plötzlich, was Tekener vorhatte.Es war phantastisch und nicht ohne Proble-me, aber es konnte funktionieren!

»Ich schlage vor, den Mom'Serimern dasAngebot zu machen, sie mit der SOL kom-plett in die relative Zukunft zu evakuieren«,sagte Tek.

Fee Kellind pfiff durch die Zähne.»Dreihundertfünfzigtausend hypernervöseMom'Serimer an Bord der SOL! Kannst dudir dieses Chaos überhaupt vorstellen, Tek?«

Er nickte. »Das kann ich, und ich weiß,daß wir damit fertig würden. Platz ist genugda. Wir könnten notfalls eine kompletteSOL-Zelle für sie freiräumen.«

Fee hob abwehrend die Hände. »Ich habeja nicht gesagt, daß ich gegen deinen Planbin. Ich frage mich zum Beispielnur, wie dudir die Ernährung dieser Wesen vorstellst.«

»Unsere hydroponischen Gärten produ-zieren genug«, warf Atlan ein. »Außerdemwäre es ja kein Zustand für die Ewigkeit. Inspätestens elf Stunden müssen wir durch denMega-Dom gehen. Dann sind wir wieder inunserer Zeit und können in relativer Ruhenach einem geeigneten Planeten für dieMom'Serimer suchen.«

»Genauso dachte ich es mir«, meinte Te-kener.

»Ich halte den Vorschlag für gut«, dröhn-te das Organ Icho Tolots. »So sollten wir esmachen.«

»Ebenfalls einverstanden«, ließ sich DonKerk'radian vernehmen. »Wir bieten es denMom'Serimern an und werden sehen, wieviele von ihnen das Angebot annehmen.«

»Es werden nicht alle sein«, sagte Dao-Lin-H'ay. »Wir haben ja gehört, daß es un-terschiedliche Lager gibt.«

»Und selbst wenn«, meinte Atlan. »Ichstimme für den Plan.«

»Was bleibt mir anderes übrig?« fragte

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Page 46: Finale für die NACHT

Fee Kellind. »Ich ebenfalls.«Atlan wußte, daß die Zurückhaltung und

Skepsis der Kommandantin nur Getue wa-ren. Sie mußte den Gegenpol vertreten, umdie Diskussion in Gang zu halten. In Wahr-heit hatte gerade sie - wie er aus mehrerenGesprächen wußte - die kleinen Wesen derNACHT in ihr Herz geschlossen..

Nach einer Viertelstunde nur gingen dieBesprechungsteilnehmer auseinander, diemeisten von ihnen zurück in die Zentrale. Esblieb Atlan vorbehalten, den Mom'Serimerndie gute Nachricht zu überbringen.

Der Arkonide nahm Funkkontakt zuCrom Harkanvolter auf und unterbreitetedem Lord-Eunuchen folgendes Angebot:Wer sich innerhalb der nächsten zehn Stun-den in der SOL einfand, konnte den Flug desHantelschiffs mitmachen und gerettet wer-den. Er sprach ausdrücklich davon, daß eseine neue, große Aufgabe für dieMom'Serimer sein würde, sich in der Zu-kunft zu behaupten und sich einen eigenenPlaneten Untertan zu machen.

Die Entscheidung lag jetzt allein bei denkleinwüchsigen Wesen in Nacht-Acht.

Und draußen, in der NACHT, blitzten dieEnergieentladungen immer heftiger.

*

Crom Harkanvolter rief Rue Kantasiak anund bestellte ihn in seine Gemächer. KurzeZeit später erschien der Zyniker derNACHT. Beide begrüßten sich mit Respektund neuer Zuneigung. Seitdem die Entschei-dung gefallen war, die Anlagen abzuschal-ten, arbeiteten sie perfekt zusammen.

Crom hatte Kantasiak nur um einen Ge-fallen gebeten: mit der Abschaltung so langezu warten, bis die SOL die NACHT durchdie Säule der NACHT verlassen hatte.

Dem hatte Rue zugestimmt. Sie warenjetzt keine Gegner mehr. Crom Harkanvolterhatte seinen Irrtum und seine Niederlageeingestanden, und Rue Kantasiak hatte dar-auf verzichtet, ihm daraus einen Strick zudrehen.

Der Lord-Eunuch teilte seinem ehemali-gen Rivalen mit, was Atlan ihm angebotenhatte. Rue Kantasiak hörte geduldig zu.

»Das klingt gut«, sagte er dann. »Eineneue Aufgabe, ein neues Leben. Wir habenkeine Aufgabe mehr.«

»Nur, wenn du das Angebot nicht an-nimmst, Rue«, sagte Crom. »Es gilt auch fürdich, es gilt für alle Mom'Serimer!«

»Dann laß es schnellstens durch ganzNacht-Acht verbreiten«, riet Kantasiak.»Jeder einzelne Mom'Serimer soll selbst sei-ne Entscheidung treffen. Die Zeit ist sehrknapp.«

»Garbam, sorge dafür!« bat der Lord-Eunuch.

Garbam entfernte sich sogleich, um demBefehl nachzukommen.

»Ich werde das Angebot annehmen undden Flug der SOL in die Zukunft mitma-chen«, kündigte Crom an. »Meine Aufgabehier ist erledigt. Jetzt will ich die andere Sei-te der NACHT kennenlernen. Ich habe nichtmehr sehr lange zu leben, Rue, aber ich wäreglücklich, wenn auch du dich entschließenkönntest, beim Aufbau einer neuen Weltmitzuwirken.«

»Nein«, sagte Kantasiak. »Verüble es mirnicht, Lord-Eunuch, aber mein Platz ist hier.Ich werde die Abschaltungen vornehmenund Zeuge der letzten Stunden der NACHTwerden.«

»Ist das dein fester Wille?«»Er ist es.«»Dann kann ich es nicht ändern. Leb

wohl, Rue Kantasiak! Ich treffe jetzt meineVorbereitungen. Garbam wird mich beglei-ten.«

»Ich wünsche dir, daß sich all deine Hoff-nungen erfüllen«, sagte Kantasiak. »Ich mei-ne es ehrlich.«

»Ich weiß, Rue.«Kantasiak ging. Crom Harkanvolter blieb

allein zurück. Ganz allein. Doch plötzlichfühlte er sich von einer Zentnerlast befreit.Er konnte wieder atmen. Die Entscheidungwar gefallen. Es gab keinen Kampf mehr,kein vergebliches Hoffen auf ein Wunder.

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Page 47: Finale für die NACHT

Aber vielleicht eine ganz neue Zukunft.Der Lord-Eunuch kleidete sich neu an und

überprüfte seine Multifunktionsarmbänder.In der Wildnis eines neuen Planeten würdensie ihm nicht viel nützen.

Er stellte es sich bildlich vor und hatte et-was Angst: ein Leben unter freiem Himmel,der hell war. Und selbst in der Nacht einesPlaneten war es unter fernen Sternen nichtso finster wie in der NACHT.

Aber er hatte seine Wahl getroffen, undals Garbam zurückkam, da wußte er, daß bisauf den letzten jeder Mom'Serimer von derEinladung der Fremden erfahren hatte.

»Wir warten nicht länger«, sagte er zu sei-nem Diener. »Wir werden unter den erstensein, die Nacht-Acht verlassen, und den Un-entschlossenen in unserem Volk ein Beispielgeben.«

Garbam suchte noch einige Sachen zu-sammen, von denen er meinte, daß sie imspäteren Leben nützlich sein würden. Dannbegleitete er seinen Herrn zu den Antigrav-liften, die sie an die Oberfläche des Planetoi-den brachten.

Es war ein ergreifendes Bild, das sich ih-ren Augen bot.

Tausende von Mom'Serimern standen inihren Schutzanzügen abflugbereit da undwarteten auf die Beiboote der SOL, die sieabholen würden. Einige Dutzend versuchtenmit Jetbooten ihr Glück und lenkten sie inoffenstehende Hangars des Hantelschiffs.Einigen gelang es, andere zerschellten ander goldenen Außenwandung der SOL.

Und dann kamen sie. Ein Hangar nachdem anderen wurde hell, als die Schotte zu-rückfuhren. Und ein kugelförmiges Bootnach dem anderen schwebte aus der SOLheraus und kam auf die Planetoiden zu. Überjedem der acht ausgehöhlten Himmelskörperstand ein Raumschiff und sandte seinenTraktorstrahl aus. Ein Mom'Serimer nachdem anderen vertraute sich ihm an und wur-de nach oben gezogen.

Crom Harkanvolter wartete geduldig, biser an der Reihe war. Dann warf er sich indas Strahlfeld und stieß sich ab. Garbam

folgte ihm. Sie wurden von den Beinen ge-hoben und sanft nach oben gezogen, in dasRaumschiff hinein.

Im Innern wurden die Mom'Serimer be-grüßt und auf Decks und in Gänge geleitet,so daß sie sich optimal verteilen konnten.Die terranischen Raumfahrer waren ebensofreundlich und zuvorkommend wie ihre Ro-boter. Dennoch schien eine Ewigkeit zu ver-gehen, bevor das Schiff Fahrt aufnahm undzur SOL zurückflog.

Nach neuneinhalb Stunden war die Akti-on abgeschlossen. Insgesamt hatten sich95.000 Mom'Serimer in dem Hantelschiffeingefunden - eine enttäuschende Zahl fürCrom Harkanvolter. Sie spiegelte jedoch dasneue Kräfteverhältnis zwischen den Optimi-sten und den Zynikern der NACHT wider,nachdem es keine Hoffnung mehr auf eineRückkehr ESTARTUS gab.

Mehr kamen nicht nach. Alle anderen hat-ten sich dazu entschlossen, mit der NACHTunterzugehen.

»Wir können nicht länger warten«, sagteAtlan in der Zentrale zu Fee Kellind. »AlleBeiboote sind zurück. Wir müssen starten.«

»Ja«, antwortete die Kommandantin undgab Roman Muel-Chen einen Wink.

Das mächtige Hantelschiff nahm langsamFahrt auf und steuerte den Mega-Dom an,die Säule der NACHT.

*

Rue Kantasiak beobachtete aus derSchaltzentrale in Nacht-Acht 1 das Eindrin-gen der SOL in die Säule der NACHT.

Es war ein majestätischer Anblick, denriesenhaften Hantelkörper wie eine Hologra-phie in die noch viel gewaltigere Säule ein-tauchen und darin verschwinden zu sehen.

Und mit ihm verschwanden knapp hun-derttausend Mom'Serimer, die sich denFremden anvertraut hatten. Sie glaubten anihre Versprechen. Rue Kantasiak hätte esauch allzugerne getan, aber sein Platz warhier. Er mußte tun, was nun getan werdenmußte.

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Page 48: Finale für die NACHT

Alef Aldee war auch geblieben. Er wolltezusammen mit seinem Partner das Ende er-leben.

»Woran denkst du jetzt, Liebster?« fragteer, als Rue unruhig vor den Kontrollenstand.

»Woran ich denke? Ich kann es dirschlecht beschreiben, Alef. Ich frage mich,ob nicht die Optimisten der NACHT diebessere Entscheidung getroffen haben. WirZyniker sind vielleicht zu verbohrt in unse-rer Ansicht, daß ohne ESTARTU unsereExistenz keinen Sinn mehr hat und wir siebeenden sollten.«

»Damit stellst du dein gesamtes bisheri-ges Leben und Wirken in Frage«, meinte Al-dee, »und alles, an das wir immer geglaubthaben.«

»Ich weiß«, seufzte Rue Kantasiak. »Ichweiß …«

»Warum bist du plötzlich so unsicher? Dumußt die Anlagen abschalten. Die NACHThat keine Funktion mehr. Gut 250.000Mom'Serimer sind deswegen geblieben - umdas Ende der NACHT mitzuerleben.«

»Ich weiß«, wiederholte sich Rue Kanta-siak.

»Dann werde deiner Verantwortung ge-recht. Schalte die Stromschnelle und dieEwigen Batterien ab! Beende unsere nutzlö-se Existenz!«

»Es fällt mir nicht leicht«, gab Kantasiakzu.

»Aber du hast es doch immer gefordert!«»Ja, aber da war es nur Theorie! Jetzt, da

ich unmittelbar vor dem Schritt stehe, habeich Angst.«

Alef nahm ihn in den Arm und drückteihn an sich. Die beiden ewigen Freunde wa-ren für einige wertvolle Augenblicke eins.Dann trennten sie sich, und es war, als habeRue Kantasiak neue Kraft getankt.

»Ich werde es also tun«, kündigte er an.»Ich nehme ja nur das vorweg, was in dennächsten Tagen ohnehin geschehen wäre.«

Damit meinte er die immer heftiger wer-denden energetischen Entladungen in derNACHT.

Rue Kantasiak holte tief Luft. Danachwandte er sich den Kontrollen zu und schal-tete ein System nach dem anderen ab. Zuerstdesaktivierte er die Stromschnelle, dann dieEwigen Batterien.

Es war ein letzter, ein endgültiger Schritt.Rue Kantasiaks letzte Empfindung war, daßjedes Geräusch in Nacht-Acht erstarb.

Er bekam nicht mehr mit, daß das ohnehinnur noch wacklige physikalische Gebildezerfiel.

Er registrierte nicht mehr, wie das Ein-dringen des ersten Virtuellen Quants die ev-trauniverselle Struktur des Areals zerstörteund die NACHT von Segafrendo in sich zu-sammenbrach.

Die Finstergrenze sprang vor und zerfraßden Raum, der vorher zur NACHT gehörthatte.

Das war das unabdingbare Ende des Tho-regons von Segafrendo.

10.Hesp Graken

Heerführer Shriftenz, der Kommandantder Wachflotte von Hesp Graken, hatte allseine zehntausend Schiffe wieder zusam-men. Er hatte getobt und geschrien, abernichts führte an der Tatsache vorbei, daßihm das goldene Hantelschiff einen Streichgespielt hatte und ihm in die NACHT ent-kommen war.

Stundenlang war er nicht ansprechbar ge-wesen. Die erhoffte Beförderung war in wei-teste Fernen gerückt. Es war die Frage, ob erüberhaupt noch einmal eine solche Chancebekam.

Shriftenz zog sich in seine Kabine zurückund tobte sich dort aus. Kein Möbelstückblieb heil. Er wütete wie ein Besessener.Keiner aus seiner Mannschaft wagte es, ihnin diesem Zustand zu stören. Es wäre einemSelbstmord gleichgekommen.

Nach Stunden hatte er sich einigermaßenberuhigt. Er kehrte in die Zentrale seinesKriegsturms zurück und ließ sich berichten,was in seiner Abwesenheit geschehen war.

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Viel war es nicht.Aber als er auf die Stromschnelle blickte,

wurde er Zeuge eines unglaublichen Ge-schehens.

»Kommt alle her!« herrschte er die Offi-ziere um ihn herum an. »Sagt mir, daß ichnicht träume!«

Und er träumte es nicht. Der als»Stromschnelle« bezeichnete Raumbereichverschwand plötzlich aus der Ortung.

»Was geschieht hier?« fuhr Shriftenz auf.Wie eine Supernova dehnte sich das Feuer

von Hesp Graken mit einemmai aus. Alarmschrillte auf. Heerführer Shriftenz schrie sei-ne Befehle.

»Mit voller Beschleunigung zurück! Wirhaben eine Energiefront vor uns, die sich mitLichtgeschwindigkeit nähert! Voller Schubfür alle Einheiten!«

Die Kraftwerke seines Kriegsturms ru-morten. Das mächtige Schiff floh vor derEnergiefront aus der NACHT. Im letztenMoment konnte es in den Hyperraum ent-kommen.

Heerführer Shriftenz atmete erleichtertaus. Um ein Haar, und er und seine Besat-zung wären die Opfer jenes rätselhaften Ge-schehens geworden, das sie gerade nochrechtzeitig erkannt hatten.

»Hyperetappe beenden!« befahl er nachzwei Minuten. »Bereithalten zum sofortigenWiedereintritt!«

Seine Offiziere gehorchten. Der Kriegs-turm fiel in den Normalraum zurück, fünfLichtjahre von Hesp Graken entfernt.

»Ortung!« rief Shriftenz. »Was ist mit derEnergiefront?«

»Sie ist nicht mehr vorhanden«, wurdeihm geantwortet.

»Was soll das heißen, nicht mehr vorhan-den?«

»In sich zusammengefallen, aufgelöst.Wir haben auch keine anderen Erklärun-gen!«

Shriftenz ballte die Hände. Trotzig blickteer auf die Schirme vor sich, als seien sie sei-ne persönlichen Feinde. Er sah die Ortungs-punkte seiner Flotte, die sich nach Peilsigna-

len orientierte und allmählich wieder zusam-menfand.

»Wir nähern uns vorsichtig wieder demFeuer von Hesp Graken!« befahl der Heer-führer. »Hat es Ausfälle gegeben?«

»Das können wir jetzt noch nicht sagen,Heerführer, aber die Wahrscheinlichkeit isthoch.«

Shriftenz fluchte und befahl, die halbe zu-rückgelegte Strecke wieder zurückzufliegen.Das bedeutete eine Hyperetappe von nur ei-ner Minute.

Wieder nahm sein Kriegsturm Fahrt aufund verschwand aus dem Einstein-Konti-nuum. Als er in es zurückfiel, war die Fern-ortung erfolgreicher. Das Feuer von HespGraken war immer noch supernovaartig auf-gebläht. Shriftenz befahl, noch näher heran-zugehen.

Die Schiffe der Mundänen pirschten sichan wie an ein Wild. Aus sicherer Distanz sa-hen sie, wie das »Höllenfeuer« sich nocheinmal ausweitete, um dann, nach etwa einerStunde, in einer gewaltigen Implosion insich zusammenzufallen.

Etwas im Zentrum der grob kugelförmi-gen Feuerzone von 2360 Lichtjahren Durch-messer schien von innen her die tobendenGewalten aufzusaugen oder sich einzuverlei-ben - und das in einem von machtvollenStrukturerschütterungen begleiteten Prozeß,der zweifellos mit Überlichtgeschwindigkeitstattfand.

Die Schiffe der Mundänen wurden vonWellenfronten erfaßt und durchgerüttelt.Heerführer Shriftenz hatte mehr als einmalwieder den Rückzugsbefehl auf den Lippen,aber er spürte, daß hier etwas Gewaltiges,etwas Endgültiges vor sich ging. So zwanger sich dazu, an Ort und Stelle zu bleibenund weiter zu beobachten.

Um seine zehntausend Schiffe kümmerteer sich in diesen bedeutungsvollen Minutenkaum. Er sah auf den Schirmen und hörtevon der Ortung, daß seine Flotte wieder zuihm aufschloß. Das genügte ihm. Gierigstarrte er auf diejenigen Ortungsschirme, dieihm die Vorgänge in Hesp Graken zeigten.

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Page 50: Finale für die NACHT

Innerhalb einer weiteren Stunde dünnteder gewaltige Bereich des Feuers von HespGraken bis auf dünne Spuren von heißemRestplasma aus, während im Zentrum eindichtes Gebilde aus Staub, Plasma undhochenergetischen Quanten entstand, dasdem eines Protosterns von 0,42 LichtjahrenDurchmesser entsprach.

»Was bedeutet das?« schrie Shriftenz un-beherrscht. Seine Faust drosch auf ein Pult.»Was, zum Teufel, bedeutet das?«

Niemand konnte ihm eine Antwort geben.Seine Flotte flog in die Zone des ausgedünn-ten Restplasmas hinein. Die Schutzschirmeder Schiffe flackerten auf.

Schließlich brach der rasende Implosions-effekt ab, der nur mit unglaublichen Hyper-phänomenen erklärt werden konnte.

»Ich will Simulationsrechnungen!« ver-langte Shriftenz. »Ich will wissen, was sichhier weiter entwickeln wird!«

Nach einer halben Stunde lag ihm das Er-gebnis dieser Rechnungen vor. Sie ergaben,daß sich die 0,42 Lichtjahre große Kernzonein den nächsten Jahren auf völlig natürlicheWeise weiter verdichten und dann zu einerblauweißen Riesensonne zünden würde.

Für Shriftenz wurde immer klarer, daß erhier einem Ereignis von kosmischen Grö-ßenordnungen beiwohnte. Fast ergriff denMundänen so etwas wie Ehrfurcht, aber dasunterdrückte er ganz schnell. Solche Gefühlehatten hier keinen Platz.

Shriftenz dachte vielmehr schon wiederan eine mögliche Beförderung, wenn er alsAugenzeuge Bericht erstatten konnte.

Was genau abgelaufen war oder aus wel-chem Grund, mußte den Mundänen verbor-gen bleiben. Aber für Shriftenz konnte eskeinen Zweifel daran geben, daß sowohl dasgoldene Hantelschiff als auch die vermuteteBastion ESTARTUS das alles nicht über-standen haben konnten - zu gewaltig warganz einfach diese Implosion eines ganzenRaumsektors.

»Und ich«, sagte der Heerführer leise vorsich hin, »genieße das Privileg, an die S-Zentranten des Oberkommandos Vollzug

melden zu dürfen. Das ist die Beförderung…«

Nein, für ihn stand fest: Das goldene Han-telschiff und auch die Bastion der Superin-telligenz ESTARTU existierten nicht mehr.Es würde jetzt nur noch eine Frage der Zeitsein, bis auch der letzte blauhäutige, blondeSlatty ausgerottet war.

»Hört her!« schrie Shriftenz in seine Zen-trale und drehte sich zu seinen Offizierenum. »Hört alle her! Der Feind existiert nichtmehr! Wir haben gesiegt! Die Galaxis Sega-frando gehört nun uns! Und wir werden essein, die dem Oberkommando die Nachrichtbringen! Funker, stell mir eine Verbindungher …!«

11.Epilog: SOL Vor dem Sprung:

Mondra Diamond lag auf einer breitenLiege und starrte auf den großen Wandbild-schirm, der ihr den Mega-Dom von Segaf-rendo zeigte, die gewaltige Säule derNACHT.

Neben der Liege standen drei Kisten, indenen sie Delorians Sachen ordentlich ver-staut hatte. Ihre rechte Hand hing herunterund strich sanft darüber.

Hier also endete ihr Abenteuer, das imVerlust ihres Sohnes gegipfelt hatte. Endetedamit auch der Alptraum?

Irgendwie konnte sie es sich nicht vorstel-len, daß von nun an alles wirklich gut seinsollte. Sie würde vielleicht - hoffentlich! -Perry Rhodan wiedersehen. Wie brachte sieihm bei, was mit Delorian geschehen war?Oder würden es andere für sie tun?

Nein, dachte sie, das war ganz allein ihreund Perrys Angelegenheit. Auch Atlan solltesich da heraushalten.

Sie atmete tief durch. Der Mega-Domnahm jetzt den ganzen Bildschirm ein. Esging nun nur noch um Sekunden.

»Wir werden ein zweites Baby haben,Perry«, flüsterte sie. »Ein ganz normalesKind.«

Ohne »kosmische Bestimmung«!

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Page 51: Finale für die NACHT

Und dann war es soweit. Die SOL trat dieunglaubliche Reise an.

*

Fee Kellind saß angeschnallt vor ihrenKontrollen und wartete. Links und rechtsvon ihr unterhielten sich die Offiziere unddie Unsterblichen. Die Kommandantin derSOL schwieg.

Ihre Mission war zu Ende. Was kam nunauf sie zu? Fee war ungewohnt nervös. Sieverstand sich selbst nicht, aber ein Gefühlsagte ihr, daß alles nicht so einfach seinkonnte. Sie hatten achtzehn Millionen Jahrein der Zeit zurückzulegen und dazu Millio-nen von Lichtjahren im Raum.

War die SOL ohne ihre Carit-Hülle über-haupt in der Lage, das alles auszuhalten?

Fee wußte es nicht. Aber sie klammertesich an die Hoffnung, daß ES allein schonaus Dankbarkeit alles getan hätte, um diePassage zurück in die eigene Zeit möglichzu machen.

Fee hatte manchmal Nerven gezeigt. Daswußte sie. Aber die Anspannung war für ei-ne Normalsterbliche auch alles andere alsgering gewesen. Und das alles sollte jetztauf einmal zu Ende sein?

Was erwartete die Menschen an Bord derSOL in der Zukunft?

Fee Kellind, die blonde Kommandantin,holte noch einmal tief Luft.

Dann schien der Mega-Dom in derNACHT vor ihren Augen zu explodieren.

*

Ronald Tekener war mit sich und derWelt zufrieden. Angeschnallt an seinemPlatz in der Zentrale, neben sich Dao-Lin-H'ay, wartete er entspannt und gelassenauf den Transfer zurück in die Zukunft. Ertat es in dem Bewußtsein, dazu mitgeholfenzu haben, wenigstens 95.000 Mom'Serimervor dem Untergang ihrer Welt gerettet zuhaben.

Das große Abenteuer war vorbei. Sie hat-

ten gegen die Mundänen gekämpft und wa-ren in das INSHARAM eingedrungen, denGeburtsort für Superintelligenzen. Sie hattendie Entstehung von ES miterlebt. Und siewaren wieder in den freien Weltraum ent-kommen.

Der Smiler fühlte sich müde. Hier war fürihn nichts mehr zu tun, aber in der Zukunft…

Er malte sich ihre Rückkehr in allen Far-ben aus. In düsteren und in fröhlichen.Zwölf Jahre waren sie fort gewesen. Inzwölf Jahren konnte vieles geschehen sein.

Ungern erinnerte er sich an all die Bedro-hungen, denen sich die Menschheit in denJahren zuvor ausgesetzt gesehen hatte. DieTolkander, Shabazza, die Kosmischen Fabri-ken und ihre Herren …

War inzischen wieder so etwas gesche-hen? Kehrten sie in die Zukunft zurück, umwieder kämpfen zu müssen?

Ronald Tekener sollte es recht sein. Mü-ßiggang war nicht seine Sache, obwohl erbeileibe kein Kriegsdiener war.

Grinsend dachte er daran, daß er eineWette gewonnen und noch einige Liter Bierzu bekommen hatte.

Er spürte, wie Daos Hand sich auf seinelegte, und war mit der Welt wieder imGleichgewicht. Egal, was auf sie zukommenmochte.

*Der Sprung:

Atlan sah den Mega-Dom von Segafrendoauf dem Hauptbildschirm explodieren - wasnichts anderes bedeutete, als daß sich dieSOL ihm bis auf die letzten Meter genäherthatte.

Dann war es soweit.Die SOL tauchte in den Pilzdom ein. Alle

Empfindungen und Beobachtungen verwan-delten sich in ein psychedelisches Erlebnis.Der Sprung zurück in die Gegenwart fandstatt - aber er schien eine Ewigkeit zu dau-ern. Unerhört für einen Prozeß, der eigent-lich zeitlos sein sollte.

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Page 52: Finale für die NACHT

Aber er kannte es ja von der Versetzung indie Vergangenheit her, auch da hatte sichder Sprung scheinbar zeitlos gedehnt. DieIntensität dieses Ereignisses war so heftig,daß er kaum mehr denken konnte.

Dies war, so wußte er ja, kein normalerHyperraumsprung, alles andere als das, son-dern ein Sprung über achtzehn MillionenJahre in die Zukunft. Es war eigentlich et-was Widernatürliches.

Da lief ein furchtbarer, irgendwie»elektrischer« Schlag durch die SOL.

Atlan spürte ihn und krümmte sich in den

Gurten. Er hörte Menschen schreien. Und erkonnte nur hoffen, daß nicht ausgerechnet indiesem Augenblick die NACHT von Segaf-rendo zusammengebrochen war.

Atlan kämpfte um sein Bewußtsein, docher war nicht stark genug. Bevor sich dieNacht über ihn senkte, spürte er instinktiv,daß etwas mit dem Sprung in die Gegenwartentsetzlich schiefgelaufen war.

E N D E

Der Aufenthalt der SOL in der Vergangenheit der Galaxis Segafrendo scheint zu Ende zusein; mit den Erkenntnissen dieser unfreiwilligen Reise werden sich die Wissenschaftler derMilchstraße noch viele Jahre beschäftigen müssen. Die Menschen an Bord der SOL aller-dings haben in nächster Zeit wohl ganz andere Sorgen …

Der PERRY RHODAN-Roman der nächsten Woche spielt in der realen Gegenwart zu Be-ginn des 14. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Schauplatz ist die GalaxisDaGlausch, in deren PULS die unglaubliche Reise der SOL begonnen hat.

Was dort in den letzten Jahren geschehen ist, schildert Rainer Castor in seinem PERRYRHODAN-Roman, der folgenden Titel trägt:

INSEL DES FRIEDENS

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Page 53: Finale für die NACHT

Kommentar: Der geschlossene Kreis (I)

Im PERRY RHODAN-Kosmos beschreibt die Ge-samtheit der Paralleluniversen ein als Ganzes exi-stent-statisches Weltbild, das in seinen Teilen für deneingebundenen »Beobachter« jedoch nur von Wahr-scheinlichkeiten geprägt wird, in dem das Bewußtseinund das damit verbundene Wissen die maßgeblichenInstanzen darstellen. Zu unterscheiden sind hierbeidie umfassende Sicht von der der Alltagserfahrung.Das omnipräsente Alles-Jetzt bedeutet Freiheit in alleRichtungen (siehe PR-Computer 1989, 1990 und PR-Kommentar 2019, 2035, 2045, 2046).

In anderer Weise formulierten das schon die Flü-sternden Stimmen der Superintelligenzen, als dieKunstwelt Wanderer in den Kessel von DaGlauschvorstieß:

Muster der Bewußtwerdung sind nur so lange alsGegenstände wahrzunehmen und zu gebrauchen, wiedie Aufmerksamkeit auf jene Dimensionalität konzen-triert ist, für die sie aufgebaut sind. Ziel ist es, die Be-wußtheit des Individuums zu steigern; mit der Entfal-tung beziehungsweise Konzentration in die materielleWirklichkeit verbunden ist jedoch, daß nur beschränktErfahrungen höherer Art bewußt gemacht werdenkönnen, weshalb die eigentliche Natur des Egos darinbesteht, die scheinbaren Grenzen der Individualität ei-ner Persönlichkeitsgestalt aufrechtzuerhalten.

Was mit den fünf Sinnen eines Individuums alsWirklichkeit erfahren wird, ist letztlich die Vergegen-ständlichung der ursprünglichen Erfahrung des Be-wußtseins, die sich im niederdimensionalen Systemder Welt manifestiert. Alles körperlich-materiell Ver-wirklichte kann deshalb als Ausdehnung von Bewußt-sein gekennzeichnet werden, wobei die individuellenKörper dessen Projektionen sind. Die subjektive Rea-lität eines einzigen WESENS, für sich allein genom-men, reicht deshalb aus, ein Universum für sich zuformen … (PR 1993)

Ein solches »Universum«, geprägt von Wissen undeiner ihm eigenen subjektiven Realität, stellt, wie wirnun erfahren haben, auch die Superintelligenz ES inihrem geschlossenen Kreis dar. Eintrittspunkt war dieVereinigung der in ihren Ursprüngen weiterhin unbe-kannten Entitäten des Koridecc-Schmetterlings undder Sorrmo-Sporenwolke zum Grenzenlosen Glückvon ESTARTU.

Ihr Versuch, ein Thoregon zu schaffen und in derNACHT einen PULS zu stabilisieren, scheiterte: An-gewiesen auf die Anker in Form der Pflanzenväterund der Kym-Jorier - in ihrem Potential wohl dem ana-log zu sehen, was ES in anderem Zusammenhangeinmal Eiris nannte, »raumzeitliche Stabilisierungs-energie« - bedeutete der Angriff K'UHGARS die Re-duzierung auf eine extrem geschwächte, vom Unter-gang bedrohte Rest-Entität.

Der Auftrag der SOL war nun, die über 18 MillionenJahre reichende Zeitschleife zu schließen. Als Trägerdes Wissens, die informelle Essenz, befand sich derChronist »Delorian Rhodan« an Bord - von seiner Na-tur her in der in sich geschlossenen Existenz stetsmehr als die Summe seiner »Teile«: Deshalb lästere

niemand darüber, Perry Rhodan sei letztlich wohl ir-gendwie der Vater von ES, denn Delorian war imGrunde nie wirklich sein Sohn, sondern in seiner Ge-stalt als Baby immer nur das »Gefäß« des Chronistenund der mit diesem verbundenen Gesamtinformation!

Im Ableger des Pflanzenvaters Arystes und demzum Kym-Jorier geschlüpften Kym erhält die Rest-Entität ESTARTUS einen letzten Anker; hinzu kommtder Chronist und die Psi-Materie im INSHARAM - undes geschieht wie es geschah und geschehen wird: Je-nes geschwächte Geisteswesen entsteht, das erstspäter zur eigentlichen Superintelligenz namens ESwird (wir kennen ja, im Gegensatz zu den Beobach-tern an Bord der SOL, die von Lotho Keraete in Band2000 berichtete weitere Geschichte).

Es muß davon ausgegangen werden, daß das überden Chronisten einfließende zeitlose Wissen demWanderer nicht von Anfang an bewußt zur Verfügungsteht, sondern erst nach und nach als solches erkanntwird. In seiner Gänze wird es vielleicht sogar erst mitdem Schlagen des PULS erfaßt - bestimmt aber den-noch die Handlungen, die wir von ES kennen.

Ein erster »Schub« kann in dieser Hinsicht als diescheinbar ins Außen projizierte Wahrnehmung des»sechsdimensional funkelnden Juwels« angesehenwerden, also der Verankerung der Superintelligenzmit der Erde (sofern hier nicht das zu jener Zeit schonvon den Loowern auf der Erde deponierte Auge Lai-res ebenfalls eine Rolle gespielt hat), anderes beziehtsich auf das mitunter unlogisch, rätselhaft oder ge-heimnisvoll erscheinende Handeln und die typischenOrakel-Aussagen.

Fest steht, daß der Wendepunkt mit dem PULS unddem Durchgang der SOL durch den Mega-Dom er-reicht ist: Fortan beschränkt sich das Wissen von ESauf die Wahrscheinlichkeiten im Geflecht des Multi-versums, die exakte Kenntnis der »Zukunft« ist unwi-derruflich beendet. Alles, was nach dem 2. Mai 1291NGZ geschieht, ist offen, eine Sicherheit gibt es nichtmehr - aber auch keine Determination, die die Univer-salsequenzen von 18 Millionen Jahren in eine »starreForm« goß und zu dem festschrieb, im Kreislauf fest-schreibt und weiterhin festschreiben wird, was als diebekannte Geschichte zu bezeichnen ist.

Er verstand sich als junges, geschwächtes Geistes-wesen auf Wanderschaft durch Raum und Zeit, aufder Suche nach einer Heimat … Seine Aufmerksam-keit fiel auf einen Sauerstoffplaneten, der sich objektivgesehen durch keinerlei Besonderheiten auszeichne-te … Ein kosmisches Kraftfeld umhüllte jedoch denPlaneten, ein sechsdimensional funkelndes Juwel,und die Verlockung schien ihm so mächtig, daß derWanderer sich nicht entziehen konnte. Er glaubte sa-gen zu können, daß er seine Heimat gefunden hatte;auf dem dritten Planeten einer gelben Sonne (PR2000).

Den Rest hat Lotho Keraete berichtet, der Kreis istsomit geschlossen …

Finale für die NACHT 53