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Universität Rostock Abschlussbericht zu einem Forschungsprojekt mit Mitteln aus dem EFF (Europäischen Fischereifonds) Europäischer Fischereifonds Thema: FischGlasHaus - Eine Innovationsinitiative zur energie- und nährstoffeffizienten Nahrungsmittelproduktion Ausführende Stelle: Universität Rostock, vertreten durch den Rektor, Ulmenstraße 69, 18051 Rostock Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät Lehrstuhl für Aquakultur und Sea-Ranching Prof. Dr. Harry W. Palm Datum des Abschlussberichtes: 31.10.2015

FischGlasHaus - Eine Innovationsinitiative zur energie ... · 1 1. Allgemeine Angaben 1.1 Berichtszeitraum 01.06.2013-31.10.2015 1.2 Zusammenfassung Das Pilotprojekt „FischGlasHaus

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Universität Rostock

Abschlussbericht zu einem Forschungsprojekt

mit Mitteln aus dem EFF (Europäischen Fischereifonds)

Europäischer Fischereifonds

Thema:

FischGlasHaus - Eine Innovationsinitiative zur

energie- und nährstoffeffizienten

Nahrungsmittelproduktion

Ausführende Stelle:

Universität Rostock, vertreten

durch den Rektor,

Ulmenstraße 69, 18051 Rostock

Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät

Lehrstuhl für Aquakultur und Sea-Ranching Prof.

Dr. Harry W. Palm

Datum des Abschlussberichtes: 31.10.2015

 

 

Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeine Angaben ............................................................................................ 1

1.1 Berichtszeitraum .............................................................................................. 1

1.2 Zusammenfassung .......................................................................................... 1

1.2.1 Zielstellung ................................................................................................ 2

1.2.2 Zusammenfassung der Aufgabenstellung ................................................ 3

2. Durchgeführte Arbeiten im Projektzeitraum ......................................................... 4

2.1 Personal im Projekt ....................................................................................... 4

2.1.1 Personalstellen ......................................................................................... 4

2.1.2 Neubesetzungen/Änderung der Personalstellen ...................................... 4

2.2 Stand der Forschungsarbeiten ........................................................................ 6

2.2.1 Aquakultur & Sea-Ranching...................................................................... 6

2.2.2 Lehrstuhl für Tierschutz und Tiergesundheit .......................................... 41

2.2.3 Agrobiotechnologie ................................................................................. 53

2.2.4 Pflanzenbau ............................................................................................ 62

2.2.5 Landschaftsökologie und Standortkunde ................................................ 74

3. Koordinations- und Öffentlichkeitsarbeit ............................................................ 84

3.1 Koordinationstätigkeiten ................................................................................ 84

3.1.1 Arbeitstreffen ........................................................................................... 84

3.1.2 Berichte ................................................................................................... 84

3.2 Öffentlichkeitsarbeit ....................................................................................... 84

3.2.1 Projektvorstellung ................................................................................... 84

3.2.2 Wissenschaftliche Veröffentlichungen .................................................... 85

1

 

 

1. Allgemeine Angaben

1.1 Berichtszeitraum

01.06.2013-31.10.2015

1.2 Zusammenfassung

Das Pilotprojekt „FischGlasHaus - Eine Innovationsinitiative zur energie- und

nährstoffeffizienten Nahrungsmittelproduktion“ - konnte erfolgreich im

Bearbeitungszeitraum abgeschlossen werden. Federführend war der Lehrstuhl

Aqquakultur und Sea-Ranching an der Universität Rostock. Die Vorarbeiten zur

aquaponischen Fisch- und Pflanzenproduktion wurden anhand von Experimenten in

zwei „small-scale“ Kiessubstrat-Aquaponik-Systemen durchgeführt. Die gewonnen

Daten wurden zum Aufbau einer größeren Pilotanlage, dem „FischGlasHaus“,

verwendet, um dort über sogenannte „up-scaling“ Versuche die gewonnenen

Erkenntnisse in einem wirtschaftlich umsetzbaren Maßstab zu verifizieren. Nach

umfangreichen Planungsarbeiten begann der Bau des Gebäudes für die

gemeinschaftliche Fisch und Pflanzenproduktion im Sommer 2014. Die Fertigstellung

des ersten Bauabschnitts erfolgte Ende Februar 2015 und der zweite Bauabschnitt

wurde am 28.05.2015 beendet. Die Übergabe der Fischanlage erfolgte im Juli 2015

mit einem ersten Fischbesatz bereits nach einer kurzen Einlaufphase. Alle

involvierten Lehrstühle der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät (AUF)

führten Experimente als Vorarbeiten bzw. Untersuchungen in der Versuchsanlage

durch. Die Ergebnisse dienen der Wissensfindung zum Thema „Ökologisch

nachhaltige, aquaponische Fisch- und Pflanzenproduktion“ und wurden teilweise

bereits international publiziert. Insgesamt wurden fünf Masterarbeiten und vier

Bachelorarbeiten erfolgreich abgeschlossen. Drei Promotionsarbeiten befinden sich

in Bearbeitung. Auf Grundlage der erhobenen Daten wurden erste

Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchgeführt, methodisch entwickelt, und stehen

nun für projektspezifische Berechnungen und spätere Vermarktungskonzepte zur

Verfügung.

2

 

 

1.2.1 Zielstellung Die Zielstellung des Pilotprojektes „FischGlasHaus“ war die Kombination von

Warmwasser-Aquakultursystemen mit verschiedenen Agrarprodukten in einem

Standard-Produktionsgewächshaus unter einem Dach. Dieses Ziel wurde während

der Projektlaufzeit erfüllt. Die Experimentalanlage „FischGlasHaus“ kombiniert

verschiedene Einheiten zur Haltung von Warmwasserfischarten (Aquakultur-

Einheiten) unterschiedlicher Besatzdichten (intensiv, semi-intensiv und extensiv),

welche über ein Fischprozesswasser-Leitsystem mit den sechs Hydroponik-Kabinen

zur erdelosen Pflanzenkultivierung verbunden sind. Das Prozesswasser kann von

jeder Hydroponikkabine zurück in die Aquakultureinheiten geleitet werden. Hierbei

kommt es zum Einen zu Effekten der Wasserreinigung über den Nährstoffentzug der

Pflanzen (Pflanzenwachstum) sowie zum Anderen zu synergetischen Beziehungen

zwischen Pflanzen und Fischen durch Verwendung des selben Prozesswassers mit

ihren spezifisch ausgebildeten Bakteriengruppen (und gelösten, noch nicht näher

identifizierten Inhaltsstoffen) hinsichtlich des Gesamtsystems (Aquaponik). Die

Wiederverwendung des Haltungswassers hat positiven Einfluss auf die

Wasseraustauschrate und fördert gleichzeitig die Fischgesundheit durch den

Nährstoff-Reinigungseffekt der Pflanzen. Die technische Machbarkeit der

Experimentalanlage „FischGlasHaus“ ist damit bewiesen. Spezifische Nährstoffflüsse

(„nutrient dynamics“) befinden sich in der Verifizierungsphase. Hierfür wurden zwei

Experimente durchgeführt: A – Einfluss unterschiedlicher Fischprozessabwässer

(intensiv, extensiv) des Afrikanischen Raubwelses (Clarias gariepinus) auf das

Wachstum der Marokkanischen Minze (Mentha spicata) ohne Verwendung von

Flüssigdünger in der Kabine 1_04; und B – Einfluss unterschiedlicher

Hydroponiksubsysteme (Kies-Substrat, Schwimmkultur – RAFT, und „Nutrient film

technique“) auf das Wachstum der Gurke mit partieller Düngung in Kabine 1_05. Die

Wirtschaftlichkeitsberechnung der Aquaponikanlagen aus den Vorversuchen mit „up-

scaling“ – Effekten (Produktionsflächenvergrößerung) auf das größere System des

„FischGlasHaus “ erfolgte durch den Lehrstuhl Agrarökonomie, und ist erst mit

Beendigung der angegliederten Masterarbeit abgeschlossen. Zurzeit befindet sich

die Verifikation der Testung verschiedener Organismenkombinationen für jede

einzelne Anlage in Bearbeitung. Ein Vermarkungskonzept schließt sich nach

eingehender wirtschaftlicher Analyse an. Während des Projektes wurden insgesamt

3

 

 

fünf Masterarbeiten und vier Bachelorarbeiten erfolgreich abgeschlossen. Zwei

Promotionsarbeiten zum Thema Aquaponik und Fisch-Welfare sowie eine

Masterarbeit in Kooperation mit der Agrarökonomie befinden sich noch in

Bearbeitung, da die kurze Projektlaufzeit keine Beendigung der Arbeiten im

Projektzeitraum erlaubte. Eine weitere Promotionsarbeit in Kooperation mit dem

Leibnitz-Wissenschafts-Campus Phosphorforschung ist in Bearbeitung. Der Ausbau

einer nachhaltigen Aquakulturproduktion am Standort MV geschieht mit

landesansässigen Unternehmen der Fischproduktion und des Pflanzenbaus

aufbauend auf den in diesem Projekt erzielten Ergebnissen.

Zukünftige Untersuchungen konzentrieren sich auf die Erprobung unterschiedlicher

Fisch-Pflanze-Kopplungen hinsichtlich einer effizienten, nachhaltigen Produktion

unter aquaponischen Bedingungen. Die weitere Analyse der Wirtschaftlichkeit zeigt

Vermarktungsmöglichkeiten unter realen Produktionsbedingungen im Sinne eines

technisch modularen Systemaufbaus auf. Energieproduzierende Module sollen in

zukünftigen Folgearbeiten integriert und verifiziert werden.

1.2.2 Zusammenfassung der Aufgabenstellung

Das Pilotprojekt „FischGlasHaus - Eine Innovationsinitiative zur energie- und

nährstoffeffizienten Nahrungsmittelproduktion“ - integrierte verschiedene Aufgaben

der beteiligten Lehrstühle an der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät

(AUF). Der Lehrstuhl Aquakultur & Sea-Ranching entwickelte federführend den

Entwurf und den Bau der Experimentalanlage und begleitete in Zusammenarbeit mit

dem Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern (BBL), PAL

Anlagenbau GmbH (Abtshagen, MV) und GEFOMA GmbH (Großbeeren bei Berlin)

das Baugeschehen. Ziel war der Aufbau einer modernen Aquaponikanlage unter

Standard-Produktionsbedingungen für die Pflanzenkultivierung in Modulbauweise.

Zusätzlich zum Baugeschehen sollten wissenschaftliche Untersuchungen

durchgeführt werden. Alle involvierten Lehrstühle haben entsprechend ihrer

Ausrichtung Experimente durchgeführt (Lehrstuhl für Tierschutz und Tiergesundheit,

Agrobiotechnologie und Begleitforschung zur Bio- und Gentechnologie, Pflanzenbau,

Landschaftsökologie und Standortkunde, Polykultur). Der Lehrstuhl Aquakultur &

Sea-Ranching arbeitete zusätzlich wissenschaftlich an der Hauptthematik

„aquaponische Fisch- und Pflanzenproduktion“ im Rahmen einer Promotionsarbeit.

4

 

 

Die gewonnen Erkenntnisse des Systemaufbaus unter aquaponischen

Produktionsbedingungen und der wissenschaftlichen Ergebnisse sollten

interessierten Investoren zur Verfügung gestellt werden. Kooperationspartner zur

Vermarktung der Produkte wurden bereits gewonnen. In einem Folgeprojekt sollen

die Kundenpräferenz und Akzeptanz im Vergleich von aquaponisch produzierten

Pflanzen und Fischen zu herkömmlich produzierten Agrarprodukten getestet werden.

2. Durchgeführte Arbeiten im Projektzeitraum

2.1 Personal im Projekt

2.1.1 Personalstellen

Im Projekt wurden 2013 zwei wissenschaftliche Mitarbeiter zu je 50% der regulären

Arbeitszeit angestellt, Dipl. Biologe Herr Baßmann (10 und 4) und Dipl. agr. Ing. Herr

Knaus (4 und 10). Herr Baßmann wurde mit der Untersuchung von Welfare-Aspekten

bei Fischen im Vergleich zwischen Aquaponik und solitärer intensiver Fischhaltung

beauftragt, während Herr Knaus an der Koordinierung und Planung der neuen

Gewächshausbauanlage (folgend benannt als „FischGlasHaus “) mitwirkte sowie die

technischen Modifikationen der bereits bestehenden low-tech Aquaponikanlage

durchführte. Eine Stelle als Hilfswissenschaftler (HIWI) für die Betreuung der Anlage

wurde durch Herrn B.Sc. Bissa besetzt, wobei alle Mitarbeiter abwechselnd und an

Wochenenden die Betreuung übernahmen.

2.1.2 Neubesetzungen/Änderung der Personalstellen

Bezüglich der ursprünglichen Personalplanung ergaben sich vier wesentliche

Änderungen. Die von der Fakultät eingebrachte Personalstelle 1 war wie beantragt

zunächst mit Herrn Borchert besetzt (1.6.2013 bis 31.01.2014), welcher im Rahmen

der ersten Planungsmaßnahmen für das Bauvorhaben beteiligt war. Da der BBL die

weiteren Planungsarbeiten in Kooperation mit dem Dezernat Bau der Universität

übernommen hat, wurde die Haushaltsstelle 738 ab dem 01.02.2014 mit einer

Wissenschaftlerin besetzt, welche die Arbeiten in der Professur Agrobiotechnologie

unterstützte (Personal 2). Am Lehrstuhl für Aquakultur und Sea-Ranching wurde ein

Techniker eingestellt, welcher zu einem Anteil seiner Stelle (25%) bei den

notwendigen Tierschutzgenehmigungen sowie der Wartung und Pflege der

5

 

 

Aquaponikanlage mitarbeitet (Personal 4a). Ebenfalls wurden in 2014/15 zwei halbe

Wissenschaftlerpositionen sowie verschiedene wissenschaftliche Hilfskräfe für

experimentellen Arbeiten an den Aquaponik-Anlagen in der Satower Straße sowie

die Arbeiten am und im Fischglashaus besetzt (Personal 3, 11) Zudem wurde

aufgrund von Zeitvertragsvorgaben ein Personalwechsel der Personen auf den

Personalstellen 4 und 10 erforderlich (Wechsel der Stellen von Herrn Baßmann und

Herrn Knaus). Am Lehrstuhl für Tierschutz und Tiergesundheit (Haushaltsstelle 843)

wurden die Arbeiten bereits direkt nach Projektbeginn begonnen (Personal 5).

Weitere Details zu den beteiligten Personen an den Forschungsarbeiten finden sich

im Teil mit den Ergebnisberichten der einzelnen Professuren.

Aufgrund des notwendigen Änderungsantrags zur Finanzierung des zweiten

Bauabschnitts stieg die gesamte Bewilligungssumme und es erfolgte eine

außerplanmäßige Verzögerung der Übergabe der Forschungsflächen an die

Universität. Es wurden jedoch sämtliche Baumaßnahmen und wissenschaftlichen

Arbeiten wie geplant umgesetzt, auch wenn für die tatsächlichen Arbeiten im

FischGlasHaus nur sehr wenig Zeit zur Verfügung stand (Fertigstellung im Juli 2015,

Bericht der Tätigkeiten siehe unten).

6

 

 

2.2 Stand der Forschungsarbeiten

2.2.1 Aquakultur & Sea-Ranching

Prof. Harry W. Palm, U. Knaus, B. Baßmann (Personal 4, 10)

Der Lehrstuhl Aquakultur & Sea-Ranching betreute das Projekt FischGlasHaus

federführend. Im Allgemeinen wurden durch den Projektleiter Prof. H.W. Palm und U.

Knaus (Stellennummer 4/10) die Vorarbeiten im alten Gewächshaus (Satower

Straße) durchgeführt. Ebenfalls beteiligt waren Dr. Bischoff-Lang (Personal 3) und

Frau Melanie Kubitz (Personal 11) in 2014/2015 sowie verschiedenen

Hilfswissenschaftler zwecks Unterstützung beim Anlagenbetrieb.

Abb. 1: Experimentalgebäude „FischGlasHaus“ im Bauzustand und nach der

Fertigstellung im Sommer 2015 auf dem Campus der AUF mit

Innenansichten der Kabine 1_04, der Aquakultur-Einheit und der

Gewächshaus-Steuerung, Universität Rostock.

7

 

 

In Zusammenarbeit mit dem Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-

Vorpommern (BBL), PAL Anlagenbau GmbH (Abtshagen, MV) und der GEFOMA

GmbH (Großbeeren bei Berlin) wurde der Bau des Experimentalgebäudes im

Sommer 2015 abgeschlossen (Abb. 1). Während PAL Anlagenbau GmbH für die

Installation der Aquakultureinheiten zuständig war, wurde der Gewächshaustrakt von

GEFOMA errichtet. Die Bauarbeiten begannen im Sommer 2014 und wurden im Juli

2015 abgeschlossen. Die Arbeiten wurden in Bauabschnitt 1 (Aquakultureinheit +

Gewächshauskabinen 1_01, 1_02, 1_03 und 1_04) und Bauabschnitt 2 (Kabinen

1_05 und 1_06) unterteilt. Die Innenausstattungen der Kabinen (1_01, 1_02, 1_04

und 1_05) wurden durch den Lehrstuhl für Aquakultur und Sea-ranching bearbeitet

(Palm & Knaus) und hinsichtlich der Erfüllung des Projektzieles

(Wirtschaftlichkeitsnachweis der Aquaponik für MV) aufgestellt.

Abb. 2: Ausschnitt der Aquakultureinheit (semi-intensive, intensive und extensive

Anlage) aus dem Plan der Innenausstattung der Experimentalanlage

„FischGlasHaus“ (PAL Anlagenbau GmbH, 2014, schematisch).

8

 

 

PAL Anlagenbau GmbH hat anhand der Anforderung des Projektes die

Aquakultureinheit in drei unterschiedliche Bereiche, die semi-intensive, intensive und

extensive Anlage, aufgeteilt (Abb. 2).

Für die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Produktion des afrikanischen Raubwelses

(Clarias gariepinus) in Kombination mit Nutz- oder Zierpflanzen wurde primär die

intensive Aquakulturanlage genutzt. Hier wurden die Raubwelse unter

standardisierten Produktionsverhältnissen nach praxisgerecht entwickeltem

Wachstumsprotokoll der Firma PAL GmbH aufgezogen. Dabei sind Besatzdichten

von bis zu 200 kg m-3 nicht unüblich. Das nährstoffangereicherte Prozesswasser aus

den Aquakultureinheiten wurde in die Hydroponikkabinen geleitet und stand dort für

die Experimente zu Verfügung. Bei Bedarf kann der Wasserkreislauf geschlossen

werden und das durch Pflanzen nährstoffgereinigte Wasser wieder der

Aquakultureinheit über den Wasserübergabepunkt zurückgeführt werden. Speziell in

der Pflanzkabine 1_04 wurden die Nutzpflanzen (z.B. Minze) oder Zierpflanzen (z.B.

Efeu) auf Wachstumsparameter untersucht. Abbildung 3 zeigt exemplarisch die

Innenausstattung der Pflanzkabine 1_04. Auf 9 Pflanztischen (standardisiert, OTTE

Metallbau GmbH), in „triplikate groups“ wurden die Nutz- und Zierpflanzen kultiviert.

Abb. 3:

Innenausstattung der Pflanzenkabine 1_04 mit 10 Pflanztischen zur

Überprüfung der aquaponischen Kultivierung von Nutz- und Zierpflanzen in

Kombination mit der intensiven Haltung des Afrikanischen Raubwelses

(Clarias gariepinus, Zeichnung Knaus, 2014).

9

 

 

Gleichzeitig wurde direkt am Auslauf der intensiven Aquakultureinheit das Wasser

analysiert, um einen von den Pflanzen noch nicht beeinträchtigten Nährstoffgehalt

bestimmen zu können.

Die Pflanzkabine 1_03 wurde vom Lehrstuhl Agrobiotechnologie (Prof. Broer)

betrieben. Hier werden verschiedene Möglichkeiten der hydroponischen Kultivierung

von Nutzpflanzen unter differierenden Kultivierungstechniken erprobt. Der Lehrstuhl

Agrobiotechnologie verwendete Erbse, Tabak und Kartoffel zur Evaluierung von

Pflanzwachstumsparametern unter aquaponischen Produktionsverhältnissen,

während der Lehrstuhl Pflanzenbau (Prof. Uptmoor) in der Kabine 1_05_ und 1_06

Gurken oder Tomaten als Nutzpflanzen unter Verwendung von Hydroponikrinnen

kultivierte.

Polykultur

Die Thematik Polykultur wurde zu Projektbeginn von Prof. D. Schories bearbeitet und

später vom Lehrstuhl Aquakultur & Sea-ranching übernommen. In der

Experimentalanlage „FischGlasHaus“ wurden zwei separate Kabinen (1_01 und

1_02; je 50 m²) für Untersuchungen zur gemeinsamen Haltung von unterschiedlichen

aquatischen Organismen (Fische, Shrimps, Krebse, Muscheln) unter aquaponischen

Bedingungen geplant und eingerichtet.

In der Polykulturkabine 1_01 wurde teilweise das Material der Aquaponikanlagen aus

der Satower Straße 48 weiterverwendet. Die beiden Fischtanks der alten Anlagen

wurden in Kabine 1_01 in Reihe geschaltet und können mit unterschiedlichen

Fischarten (C. gariepinus, O. niloticus, alternativ C. carpio) besetzt werden (Personal

4/10). Es wurde ein autarker Aquaponikkreislauf aufgebaut, wobei die

Hydroponikeinheit als Schwimmkultur (floating raft aquaponics, RAFT) installiert

wurde. Die Entwürfe und Koordination der technischen Umsetzung erfolgte in 2014

durch den Lehrstuhl Aquakultur (Palm & Knaus). In den RAFT-Rinnen können

zusätzlich aquatische Organismen direkt unter den schwimmenden Pflanzen

gehalten werden. Durch die Verwendung der alten Materialien und einer

vergleichbaren Größe der Hydroponikeinheit mit dem bereits vorhandenen System in

der Satower Straße lassen sich Vergleiche im Fisch- und Pflanzenwachstum zur

„Monokultur“ vorheriger Versuche ziehen (Abb. 4).

10

 

 

Abb. 4: Innenausstattung der Polykulturkabine 1_01 mit 9 „floating RAFT“ Rinnen,

zwei Fischtanks, einem Sedimenter und einem Moving Bed Biofilter.

In der Polykulturkabine 1_02 soll das Pflanzenwachstum mehrerer Fischarten (z.B.

C. gariepinus & C. carpio oder C. gariepinus & O. niloticus) in Kombination

(Polykultur) und im Vergleich zur „Basislinie“ von O. niloticus mit denselben

Pflanzenarten verglichen werden (B. Baßmann, Personal 10/4). Hierfür wurden 3

Aquaponiksysteme installiert, die getrennt oder zusammengeschaltet betrieben

werden können (Triplikate). Die Fischhaltung besteht aus handelsüblichen Aquarien

(Abb. 5), die Hydroponikeinheit aus einem RAFT-System mit der Pflanzenkultivierung

auf Flößen. Die Anlage wurde für Versuche zum Thema Animal Welfare

(Fischwohlbefinden) geplant und errichtet.

Abb. 5: Innenausstattung der Polykulturkabine 1_02 mit „floating RAFT“ Rinnen und

Aquarien.

11

 

 

Dipl. agr. Ing. Ulrich Knaus (Personal 4/10) Im Bearbeitungszeitraum 2014-2015 wurden die Untersuchungen zur Aquaponik im

alten Gewächshaus mit Verwendung zweier identischer Aquaponiksysteme

abgeschlossen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten wurden bzw. werden im Anschluss

international publiziert:

1. Palm, H. W., Seidemann, R., Wehofsky, S., & Knaus, U. (2014a). Significant

factors affecting the economic sustainability of closed aquaponic systems.

Part I: system design, chemo-physical parameters and general aspects.

AACL Bioflux, 7(1), 20-32.

2. Palm, H. W., Bissa, K., & Knaus, U. (2014b). Significant factors affecting the

economic sustainability of closed aquaponic systems. Part II: Fish and

plant growth. AACL Bioflux, 7(3), 162-175.

3. Palm H. W., Nievel M. & Knaus U. (2015). Significant factors affecting the

economic sustainability of closed aquaponic systems. Part III: plant units.

AACL Bioflux 8(1):89-106.

In Vorbereitung sind drei weitere Publikationen zum System-Design und den Effekten

der Fischbiologie auf das Pflanzenwachstum in Aquaponiksystemen.

Knaus, U. & Palm, H. W. (eingeschickt) Effects of fish biology on ebb and flood

aquaponical cultured herbs under suboptimal conditions.

Knaus, U. & Palm, H. W. (in Vorbereitung) Effects of the fish biology on aquaponical

cultured vegetables under optimal conditions.

Knaus, U. & Palm, H. W. (in Vorbereitung) Effects of fish biology on ebb and flood

aquaponical cultured herbs under optimal conditions.

12

 

 

Im Jahr 2014 wurden in insgesamt drei Experimenten (Publikationen eingeschickt

und in Vorbereitung, Knaus & Palm) Vergleichsarbeiten zu der ersten

Experimentalanlage (Palm et al. 2014a, b, 2015) in der Satower Straße mit einem

modifizierten Anlagendesign durchgeführt. Zum einen wurde der Biofilter (60 l

Biocarrier) in jeder Anlage entfernt und eine weitere Pflanzenkiste dem System

hinzugefügt (n=5, +20 %). Weiterhin wurde der vorher zentrale Nährstoffeinfluss am

Pflanzenkistenanfang geändert in ein überirdisch hängendes, dezentrales

Bewässerungssystem (Doppel-T-Schema, „overhead irrigation“).

Im Winter 2013/2014 wurde das Wachstum von Basilikum (Ocimum basilicum),

Petersilie (Petroselinum crispum) und Majoran (Origanum majorana) in Kombination

mit dem Nilbuntbarsch (Oreochromis niloticus) und dem Afrikanischen Raubwels

(Clarias gariepinus) unter suboptimalen Bedingungen (Winter) bei kontinuierlich

steigendem Fischfuttermittelinput untersucht. Generell zeigte sich aufgrund einer

reduzierten Wassertemperatur und winterlichen Lichtverhältnissen ein nur moderates

Wachstum der Kräuter (Abb. 6), wobei das Wachstum der Fischarten nach genetisch

fixiertem Wachstumspotential erfolgte.

Abb. 6: Aquaponik System der University Rostock in der Satower Straße 48 , A:

Kräuter im Kiessubstratsystem mit PVC Test-tubes und dem Auslauf als

Glockensiphon, B: Doppell -´T´ hängendes Bewässerungssystem, C: Kräuter

von Kreislauf I Box III, D: Kräuter von Kreislauf II Box I nach 70 Tagen (aus

Knaus & Palm, eingeschickt).

13

 

 

Abb. 7: Wachstum von O. niloticus (Aquaponik System I) und C. gariepinus

(Aquaponik System II) über 70 Tage (aus Knaus & Palm, eingeschickt).

Der Afrikanische Raubwels (C. gariepinus) zeigte gegenüber dem Niltilapia (O.

niloticus) ein besseres Wachstum (Abb. 7). Zusätzlich zu den Fisch-Pflanze

Wachstumsparametern wurden die physikalischen Wasserparameter täglich und die

chemischen Wasserparameter 2 x wöchentlich aufgenommen. Wie bereits in Palm et

al. (2014a) beschrieben, konnte eine dreiteilige Sauerstoff-Phasen-Entwicklung als

Indikator für die Systemstabilität der Aquaponiksysteme beobachtet werden, jedoch

unter einer etwa 2-fach reduzierten Experimentaldauer mit 70 Tagen (Abb. 8). Die

Phaseneinteilung beruhte dabei auf Beobachtungen des Verlaufes sich jeweils

ändernder O2-Werte („upper peak“). Hierdurch konnte der maximale tägliche

Futterload (gilt als wichtigster Faktor bei Aquaponiksystemen) für die beiden

Aquaponiksysteme bestimmt werden, der bei 150 g Tag-1 liegt und zwischen Phase II

und III identifiziert wurde. Die statistische Analyse der physikalischen

Wasserparameter zeigte weiterhin technisch komplett identische Verhältnisse der

beiden Aquaponiksysteme, erkennbar durch nichtsignifikante physikalische

Parameter in Phase I und II (Tabelle 1).

14

 

 

Abb. 8: Verlauf des Sauerstoffgehaltes [mg l-1] in Abhängigkeit zum kontinuierlich

steigenden Futtermittelinput [g] pro Tag (70-450 g) unterteilt in 3

verschiedene Phasen (I: steigender O2-Gehalt, II: stagnierender O2-Gehalt

und III: fallender O2-Gehalt) der Sauerstoffentwicklung (aus Knaus & Palm,

eingeschickt).

Alle Wasserparameter waren in Phase I und II nichtsignifikant (Abb. 8, Tabelle 1),

zeigten jedoch im Sauerstoffgehalt und der Sauerstoffsättigung signifikante

Differenzen in Phase III. Die Ursachen liegen bei der Verwendung unterschiedlicher

Fischarten. Während O. niloticus auch mit geringen Sauerstoffverhältnissen

auskommt, erhöht C. gariepinus als obligater Luftatmer indirekt den O2-Gehalt im

System (hier Aquaponiksystem II, gestrichelte Linie Abb. 8). Der Anteil des

Sauerstoffs, den die Afrikanischen Welse über das Luftatmen nicht verbrauchen, wird

im System belassen und entwickelte sich ab einer bestimmten Fischgröße im

Vergleich zum Aquaponiksystem mit O. niloticus ab Phase III signifikant (erhöhter O2-

Wert). Dieser Anteil des nichtverbrauchten Sauerstoffs kann bei Verwendung von

afrikanischen Raubwelsen (C. gariepinus) in der Fischhaltung oder in der

aquaponischen Produktion eingespart werden. Da Sauerstoff einer der teuersten

fixen Faktoren bei der Fischhaltung ist, hat dieses Ergebnis nachhaltige Relevanz

hinsichtlich der Betriebswirtschaftlichkeit von Aquaponiksystemen.

15

 

 

Tab. 1: Physikalische Parameter als Vergleich zwischen beiden identisch erbauten

Aquaponiksystemen in den Phasen I, II und III mit nur signifikanten

Differenzen (p<0,05) im Sauerstoffgehalt („dissloved oxygen) und der

Sauerstoffsättigung („oxygen saturation“) in Phase III bei C. gariepinus (fett

markiert, aus Knaus & Palm, eingeschickt).

Parameters

O. niloticus

(Kreislauf I)

C. gariepinus

(Kreislauf II)

Phase I (Tag 0 until 8)

Sauerstoff (mg l-1) 7.72a±0.34 7.92a±0.28

Sauerstoff Sättigung (%) 91.54a±1.89 93.27a±0.99

Temperatur (°C) 23.73a±0.91 23.41a±0.89

pH 8.19a±0.08 8.23a±0.05

Leitfähigkeit (µs cm-1) 898.44a±19.58 891.89a±18.21

Redoxpotential (mv) 241.23a±10.11 241.09a±10.80

Phase II (Tag 9 until 18)

Sauerstoff (mg l-1) 8.06a±0.19 8.11a±0.22

Sauerstoff Sättigung (%) 92.85a±1.48 92.52a±2.29

Temperatur (°C) 22.58a±1.33 22.10a±1.37

pH 8.15a±0.10 8.10a±0.12

Leitfähigkeit (µs cm-1) 869.08a±126.48 863.75a±124.22

Redoxpotential (mv) 205.39a±16.71 207.91a±15.94

Phase III (Tag 19 until 70)

Sauerstoff (mg l-1) 6.59a±0.73 7.24b±0.55

Sauerstoff Sättigung (%) 77.20a±7.49 84.51b±5.14

Temperatur (°C) 23.12a±1.33 22.82a±1.28

pH 7.51a±0.35 7.63a±0.28

Leitfähigkeit (µs cm-1) 885.51a±112.03 864.60a±114.87

Redoxpotential (mv) 204.72a±25.76 204.59a±23.60

16

 

 

Eine weitere Veränderung ergab sich durch die Entfernung des Biofilters (Rieselfilter,

gefüllt mit 60 l Biocarrier-Substrat) im Vergleich zu den Ergebnissen des vorherigen

Aquaponikanlagenaufbaues. Die Reduzierung von Substratvolumen für die

Nitrifikation (Nitrosomonas spec, Nitrobacter spec.) von Ammonium (als

Stoffwechselendprodukt der Fische) zu Nitrat führte zu einer Verminderung des

maximalen Futterloads um 25 % (= 50 g pro Tag an Futter) im Vergleich zum

vorherigen Aquaponiksystemaufbau. Dies entspricht einer Reduzierung der

maximalen täglichen Futtervergabe von 200 g (wie festgestellt in Palm et al., 2014a)

auf 150 g im vorliegenden Experiment. Schlussfolgernd kann davon ausgegangen

werden, dass die Aquaponiksysteme sensibel auf Veränderungen der Futtergabe

reagieren, mit entsprechenden Konsequenzen auf unterschiedliche physikalische

und chemische Wasserparameter, die gleichfalls Grundlage für ein gutes

Pflanzenwachstum sind.

Im Allgemeinen wurde hinsichtlich des Pflanzenwachstums ein signifikant besserer

Ertrag von Basilikum und Petersilie in Kombination mit dem Niltilapia (O. niloticus)

festgestellt. Das Wachstum von Majoran war in beiden Aquaponiksystemen dagegen

sehr schlecht. Majoran (O. majorana) ist nicht für die aquaponische Produktion zu

empfehlen. Die Ursachen liegen offensichtlich bei einer verminderten

Adaptationsfähigkeit von O. majorana an hydroponische, wassergesättigte

Verhältnisse.

Für eine bessere Vergleichbarkeit der Wachstumsraten wurden die

Biomasseentwicklungen der Fisch- und Pflanzenarten als Abweichung vom idealen

Wachstumswert („ideal growth factor“, DFIGF) als „Aquaponic growth factor (AGF)“

dargestellt (Abb. 9). Die zugrunde liegende Berechnung ist der Quotient aus dem

Fischwachstum (oder des Pflanzenwachstums) von Aquaponiksystem 1 (als End-

Biomasse [g]) und der Biomasse des Fischwachstums von Aquaponiksystem 2 =

Faktor I (sowie umgekehrt = Faktor II) sowie der Subtraktion mit 1. Die Differenz zeigt

den AGF, welcher im Falle von O. niloticus (Faktor I) ein schlechteres Wachstum

gegenüber C. gariepinus zeigt, jedoch mit dem Nilbuntbarsch gleichzeitig ein

signifikant verbessertes Wachstum der Kräuter aufweist.

17

 

 

Abb. 9: „Aquaponic growth factor (AGF)“ als Abweichung vom idealen

Wachstumsfaktor („ideal growth factor, DFIGF) von O. niloticus (Faktor I)

und C. gariepinus (Faktor II) sowie zwischen Basilikum (basil), Petersilie

(parsley) und Majoran (marjoram) zwischen zwei identischen

Aquaponiksystemen (aus Knaus & Palm, eingeschickt).

Das Wachstum der Fisch- und Pflanzenarten in den vorliegenden

Aquaponiksystemen (Kreislauf I & II) konnte somit als disparat beschrieben werden.

Während der Afrikanische Raubwels (C. gariepinus) ein besseres Fischwachstum

aufwies, war der Pflanzenertrag reduziert (Kreislauf II) im Vergleich zum Niltilapia (O.

niloticus) mit einem besseren Wachstum der Kräuter und vermindertem

Fischwachstum (Kreislauf II). Die Ursachen liegen offensichtlich in einer

divergierenden Fisch-Verdauungsphysiologie bei Verwendung unterschiedlicher

Fischarten (als einziger variierender Faktor, ceteris paribus Prinzip) im vorliegenden

Experiment mit unterschiedlicher Phylogenie. Der Niltilapia, mit einer starken

Tendenz zur Herbivorie (Pflanzenfresser) ist physiologisch besser adaptiert an

pflanzliche Nahrung mit offensichtlich wachstumsfördernden Stoffwechselend-

produkten für ein verbessertes Pflanzenwachstum. Der Afrikanische Raubwels

hingegen ist als Prädator mehr spezialisiert auf tierische Nahrung mit einer besseren

Nahrungsverwertung und höherem Wachstumspotential. Diese Ergebnisse konnten

durch Analyse des AGF in einem vorherigem Experiment (Palm et al., 2014b)

bestätigt werden (Abb. 10). Auch in dieser Untersuchung zeigte sich ein besseres

18

 

 

Fischwachstum bei C. gariepinus in Kombination mit einem reduzierten

Pflanzenwachstum von Salat, Gurke, Tomate und Basilikum. Während das

Fischwachstum von O. niloticus reduziert war, zeigte sich ein verbessertes

Wachstum der kultivierten Pflanzenarten. Dieser synergetische Effekt wurde bisher

noch nicht untersucht und soll Gegenstand zukünftiger Experimente sein.

Abb. 10: „Aquaponic growth factor (AGF)“ als Abweichung vom idealen

Wachstumsfaktor („ideal growth factor, DFIGF) von C. gariepinus (Faktor

I) und O. niloticus (Faktor II) sowie zwischen Salat (lettuce), Gurke

(cucumber), Tomate (tomato) und Basilikum (basil) zwischen zwei

identischen Aquaponiksystemen (aus Palm et al., 2014b).

Ein weiteres Experiment wurde im Frühjahr 2014 (unter optimalen Bedingungen) mit

dem Gemeinen Karpfen (Cyprinus carpio) in Kreislauf I und dem Niltilapia

(Oreochromis niloticus) in Kreislauf II in Kombination mit Gurke (Cucumis sativus),

Tomate (Lycopersicon lycopersicum) und Salat (Lactuca sativa) durchgeführt (Abb.

11, Knaus, U. & Palm, H. W. in Vorbereitung: Effects of the fish biology on

aquaponical cultured vegetables under optimal conditions). Die tägliche Futtermenge

wurde mit 200 g d-1 konstant gehalten, wie beschrieben in Palm et. al (2014a). Für

diesen Versuch wurden über jede Pflanzenkiste künstliche Lichtquellen angebracht

(Gro-Lux 129 58 W/T8, wavelength 350-700 nm, Osram Sylvania, USA), die für das

19

 

 

Pflanzenwachstum ein günstiges Spektrum aufwiesen und in der Nacht eingeschaltet

waren. Das Fischwachstum des Niltilapia war signifikant besser als beim Karpfen.

Die Karpfen stammten aus einer biologischen Teichhaltung mit Naturnahrung und

hatten bei Experimentbeginn Probleme mit der Adaptation an das künstliche

Futtermittel, welches speziell für Tilapia entwickelt wurde (Schwimmfutter, Aller Aqua

Float 37/10). Im Verlauf des Experimentes glichen sich jedoch die Wachstumsraten

der Karpfen den Tilapien an (Abb. 12). Das Pflanzenwachstum zeigte im Vergleich

bei der Gurke keinen signifikanten Unterschied bei allen

Pflanzenwachstumsparametern (Tabelle 2) zwischen den Fischarten. Allgemein war

das Wachstum der Gurken in beiden Aquaponikkreisläufen über den Erwartungen

mit Pflanzenwuchshöhen bis zum Gewächshausdach (Abb. 11 A, D). Dagegen

konnte bei der Frischbiomasse der Tomaten ein signifikant besseres Wachstum

(etwa 2-fach höher, p<0,05) in Kombination mit dem Niltilapia festgestellt werden.

Abb. 11: Aquaponik Systeme der Universität Rostock (AUF) mit A: Gurkenwachstum

in Kreislauf II, B: Pflanzenkisten von Kreislauf I mit dem obenliegendem

Bewässerungssystem in der Nacht, C: Wurzelentwicklung von Gurken und

Tomaten und D: dem Pflanzenwachstum von Kreislauf I und II während der

Nacht (aus Knaus & Palm, in Vorbereitung).

20

 

 

Abb. 12: Wachstum von O. niloticus und C. carpio über eine Dauer von 70 Tagen

(aus Knaus & Palm, in Vorbereitung).

Tabelle 2: Pflanzenwachstumsparameter von Gurke und Tomate in Kombination mit

O. niloticus (Kreislauf I) und C. carpio, p<0,05 (Kreislauf II, aus Knaus &

Palm, in Vorbereitung).

  Kreislauf I   Kreislauf II  

Parameter O. niloticus   C. carpio  

  Mittelwert ± SD N Mittelwert ± SD N

Gurke Frischbiomasse [kg] 11.27a±2.84 5 12.81a±1.46 5

Gurke Fruchtmasse [kg] 1.06a±1.08 5 0.64a±0.32 5

Gurke Blattlänge [cm] 21.79a±2.40 35 21.49a±1.98 35

Gurke Blattbreite [cm] 24.46a±2.34 35 24.79a±2.18 35

Tomate Frischbiomasse [kg] 6.60a±2.54

5 3.12b±0.89

5

Tomate Fruchtmasse [kg] 0.14a±0.08 5 0.11a±0.06 5

Tomate Blattlänge [cm] 42.50a±6.08 35 41.04a±6.62 35

Tomate Blattbreite [cm] 37.96a±8.02 35 35.07a±8.20 35

Die Ergebnisse des vorherigen Experimentes hinsichtlich des AGF‘s („Aquaponic

growth factor“) mit einem besseren Pflanzenwachstum kombiniert mit dem Niltilapia,

konnten bestätigt werden. Zudem war das Gurkenwachstum im Karpfen-Kreislauf

leicht erhöht, jedoch nicht signifikant. Dieses Ergebnis ist ein Indiz für

pflanzenartspezifische Synergien hinsichtlich der Verdauungsphysiologie der

21

 

 

verwendeten Fischarten im geschlossenen Aquaponiksystem. Der Niltilapia (O.

niloticus) scheint einen positiven Einfluss auf das Pflanzenwachstum ausüben zu

können („Booster-Effekt“), ausgehend von der spezifischen Verdauungsphysiologie

für herbivore Fischarten. Der Karpfen scheint als Zooplankton, Benthos und

Pflanzenfresser ähnliche Tendenzen aufzuweisen.

Das Wachstum von Salat war in beiden Kreisläufen stark unter den Erwartungen. Die

Mortalität war sehr hoch, so dass es kaum zu einer Pflanzenentwicklung kam. Die

Ursache der sehr schlechten Entwicklung ist in der Abschattung durch die anderen

Pflanzen (Gurke & Tomate) zu finden.

Ein drittes Experiment wurde im Sommer 2014 (unter optimalen Bedingungen) als

Vergleichsuntersuchung zum Winterexperiment mit unterschiedlichen Kräutern

(Basilikum [Ocimum basilicum], Petersilie [Petroselinum crispum], Pfefferminze

[Mentha × piperita]) in Kombination mit dem Karpfen (Kreislauf I) und dem Niltilapia

(Kreislauf II) durchgeführt (Knaus, U. & Palm, H. W., in Vorbereitung: Effects of fish

biology on ebb and flood aquaponical cultured herbs under optimal conditions). Wie

im vorherigen Experiment (und im Unterschied zum Winter-Experiment) war der

tägliche Futtermittelinput stabil mit 200 g d-1. Durch die sommerlichen Verhältnisse

waren die physikalischen Parameter wie Lichtstärke und Wassertemperatur im

Vergleich zum Winter stark erhöht und führten zu einem allgemein besseren

Pflanzenwachstum. Das Wachstum von C. carpio war im Vergleich zu O. niloticus

erhöht (Abb. 13).

Abb. 13: Wachstum von C. carpio und O. niloticus über 70 Tage (aus Knaus & Palm,

in Vorbereitung).

22

 

 

Die Karpfen hatten sich offensichtlich im Laufe des vorherigen Experimentes an das

Schwimmfuttermittel (Aller Aqua, 37/10 Float) gewöhnt und zeigten in der

vorliegenden Untersuchung eine Kompensation des Wachstums. Dieser Effekt ist

aus der Literatur bekannt (z.B. Qian et al., 2000, Ali et al., 2003) und zeigt bei

Fischen, die eine Zeit lang nicht optimal gefüttert wurden, bei wiederkehrendem

gutem Futterangebot eine vergleichsweise schnellere Erholung der Fischmasse,

welche zum Teil auch über der „normalen“ Wachstumskurve liegen kann.

In diesem Experiment war die Varianz der Pflanzenbiomasse der Kräuter bei

Versuchsende sehr hoch, zeigte aber einen signifikanten Unterschied (p<0,05) bei

der Minze mit einem etwa doppelt so hohem Ertrag in Kombination mit dem Niltilapia

(O. niloticus), während das Wachstum von Basilikum zwischen beiden Fischarten

nicht signifikant war (Abb. 14, Tabelle: 3). Dieses Ergebnis bestätigt wiederum den

positiven Einfluss der Haltung des Niltilapia auf das Pflanzenwachstum (mit

gleichzeitig reduziertem Fischwachstum), wie bereits beobachtet in den

vorhergehenden Experimenten und ausgedrückt als AGF („Aquaponic growth

factor“). Das Wachstum von Petersilie war dagegen stark reduziert und ist, obwohl

signifikante Unterschiede zwischen den Kreisläufen bestehen (besseres Wachstum

bei C. carpio), vernachlässigbar. Petersilie zeigte Nährstoffmangelerscheinungen in

Form von Chlorose und Nekrose und ist nicht für die aquaponische Produktion zu

empfehlen.

Abb. 14: Biomasse von Basilikum, Minze und Petersilie im Vergleich der beiden

Aquaponiksysteme besetzt mit C. carpio (Kreislauf I) und O. niloticus

(Kreislauf II, aus Knaus & Palm, in Vorbereitung).

23

 

 

Tabelle 3: Pflanzen-Wachstumsparameter von Basilikum, Minze und Petersilie in

Kombination mit dem Karpfen (C. carpio, Kreislauf I) und dem Niltilapia

(O. niloticus, Kreislauf II, p<0.05, aus Knaus & Palm, in Vorbereitung).

 Kreislauf I Kreislauf II

Parameter C. carpio O. niloticus

  Mittelwert ± SD Mittelwert ± SD

Basilikum Frischbiomasse [g] 22.11a±17.49 16.13a±13.76

Basilikum Länge [cm] 30.72a±17.15 22.89a±13.39

Minze Frischbiomasse [g] 11.27a±8.30 20.76b±17.98

Minze Länge [cm] 59.21a±15.11 63.22a±13.94

Petersilie Frischbiomasse [g] 1.22a±1.14 0.50b±0.53

Petersilie Länge [cm] 11.42a±4.14 7.64b±3.51

Experimente im „FischGlasHaus“ (Palm, Strauch, Knaus, in Vorbereitung)

Nach Fertigstellung des FischGlasHauses im Sommer 2015 wurde ein Experiment

mit der Marokanischen Minze und der extensiven sowie intensiven Aquakultureinheit

durchgeführt: „Einfluss von Fischprozesswässern (extensiv, intensiv) des

Afrikanischen Raubwelses (Clarias gariepinus) auf das Wachstum der

Marokkanischen Minze (Mentha spicata var. Crispa)‟ ohne Flüssigdüngung im

geschlossenen Kreislauf“.

Das Experimentaldesign bestand aus einer Kontrollgruppe mit Basisdüngung,

Fischprozessabwasser aus der extensiven Haltung (35 Fische pro Becken) sowie der

intensiven Haltung mit (140 Fische pro Becken) des Afrikanischen Raubwelses C.

gariepinus in Triplikaten (Abb. 15). Die Nährstoffkonzentration von Stickstoff (N) und

Phosphat (P) war in den Experimentalgruppen signifikant unterschiedlich mit einem

höheren Anteil in der Gruppe mit dem intensiven Wasser des Afrikanischen

Raubwelses (Abb. 15). Es ergab sich ein 1,5 mal höherer Gehalt an N sowie ein 2,4

mal höherer Gehalt an P gegenüber der Gruppe mit dem extensiven Fischwasser.

24

 

 

Abb. 15: Experimentaldesign der Überprüfung von Wachstumsparametern der

Marokkanischen Minze (Mentha spicata var. Crispa) in aquaponischer

Produktion unter extensiven und intensiven Fischprozessabwasser von

C. gariepinus (Kontrolle Basisdüngung) im FischGlasHaus (2015). Die Pflanzen wurden während des Versuches einmal gestutzt, jedoch wurde jeweils

ein Anteil von 11 Pflanzen pro Tisch (n=33 pro Gruppe) nicht geschnitten. Abbildung

36 zeigt die Marokkanische Minze während des Versuches in Kabine 1_04 des

Fischglashauses.

Abb. 16: Marokkanischen Minze (Mentha spicata var. Crispa) in Kabine 1_04 auf

Ebbe-und-Flut Tischen unter aquaponischer Produktion im FischGlasHaus

(2015).

25

 

 

Während die initialen Pflanzenwachstumsparameter keinen signifikanten Unterschied

aufwiesen, konnten bei Versuchsende signifikant höhere Wachstumsergebnisse bei

der Gruppe mit intensiver Haltung von C. gariepinus nachgewiesen werden (Tabelle

4). Insbesondere zeigte sich ein etwa 2-mal höherer Anteil an geschnittener

Frischmasse [g] der Minze bei Verwendung des Wassers aus intensiver Haltung von

C. gariepinus gegenüber der extensiven Haltung (Abb. 17).

Tab. 4: Initial und finale Wachstumsparameter der Marokkanischen Minze (Mentha

spicata var. Crispa) kultiviert unter aquaponischen Bedingungen als

Vergleich der Kontrollgruppe (Basisdüngung) sowie extensivem und

intensivem Fischprozessabwasser bei der Haltung des Afrikanischen

Raubwelses C. gariepinus. Unterschiedliche Buchstaben zeigen signifikant

unterschiedliche Versuchsgruppen mit p<0,05 (ANOVA, post hoc Tukey-

HSD, Dunnett-T3).

Parameter

Kontrolle

(Dünger)

extensiv

intensiv

Initiale Frischbiomasse [g Pflanze-1] 2,67a±1,02 2,29a±0,57 2,80a±0,77

Initiale Pflanzenhöhe [cm] 8,50a±1,73 9,67a±1,97 11,23a±2,42

Initiale Blatt-Länge [cm] 3,43a±0,64 4,00a±0,46 3,67a±1,53

Initiale Blatt-Breite [cm] 2,17a±0,31 2,27a±0,32 2,40a±0,66

Sprossanzahl [Stk.] 1,61a±0,66 1,56a±0,62 2,25b±1,16

Blatt-Fläche [cm²] 5,74a±2,20 5,63a±2,14 10,91b±2,46

Blatt-Länge [mm] 5,45a±1,42 5,42a±1,39 8,61b±1,64

Fischmasse ungeschnitten [g] 120,56a±51,77 165,46b±71,67 190,66b±105,57

Frischmasse geschnitten [g] 11,16a±5,26 17,38b±4,66 31,83c±13,83

Somit ist nachgewiesen, dass ohne Flüssigdüngung eine kommerzielle

aquaponische Produktion der Marokkanischen Minze (Mentha spicata var. Crispa) in

Kombination mit der Intensivhaltung von C. gariepinus möglich ist. Zukünftige

Untersuchungen sollten die Verwendung weitere Pflanzenarten hinsichtlich der

Effektivität unter aquaponischen Produktionsverhältnissen testen.

26

 

 

Abb. 17: Anteil der geschnittenen Frischmasse [g] bei der Marokkanischen Minze

(Mentha spicata var. Crispa) als Vergleich der drei Nährstoffgruppen

Dünger (Kontrolle), extensiv und intensiv. FischGlasHaus (2015).

Zusammenfassung:

Die Experimentalanlage „Fischglashaus“ wurde im Sommer 2015 fertiggestellt.

Vorher durchgeführte Experimente wurden international publiziert (siehe Anhang I,

Zwischenberichte). Alle drei Untersuchungen zur Aquaponik, die an den modifizierten

Anlagen (Entfernung Biofilter, Erweiterung auf 5 Pflanzenkisten, Installation eines

dezentralen Bewässerungssystems) in der Satower Straße (Versuchsstation

Phytomedizin) im Jahr 2014 durchgeführt wurden, konnten experimentell

abgeschlossen werden. Drei weitere Publikationen sind zu Zeit in Bearbeitung. Alle

Experimente zur Haltung des Niltilapia (O. niloticus), Afrikanischen Raubwelses (C.

gariepinus) und des Karpfens (C. carpio) zeigten ein signifikant besseres

Pflanzenwachstum in Kombination mit O. niloticus. Das beste Fischwachstum wurde

bei dem Afrikanischen Raubwels (C. gariepinus) beobachtet, während das

Pflanzenwachstum in Kombination mit dieser Fischart signifikant reduziert war. Für

die aquaponische, wirtschaftliche Produktion unter Praxisbedingungen ist die

kombinierte Haltung der Fischarten von besonderem Interesse (Polykultur), da der

Afrikanische Raubwels in höheren Maßen für das Fischwachstum eingesetzt werden

kann und der Karpfen als auch der Niltilapia als „Booster“ für ein besseres

Pflanzenwachstum verwendet werden können. Dem Produzenten stehen somit

insgesamt drei Fischarten für die Vermarktung zur Verfügung (Risikostreuung), wobei

das Pflanzenwachstum von der spezifischen Verdauungsphysiologie der Fischarten

27

 

 

profitieren kann („win-win-Situation“). Diese These gilt es für zukünftige

Untersuchungen zur Polykultur wissenschaftlich zu hinterlegen. Weiterhin zeigte ein

Wachstumsexperiment mit der Marokkanischen Minze (Mentha spicata var. Crispa)

im FischGlasHaus die Möglichkeit einer kommerziellen Produktion bei Verwendung

von Fischprozessabwasser aus der Intensivhaltung des Afrikanischen Raubwelses

(C. gariepinus) ohne Zudüngung. Zukünftige Untersuchungen sollten die

kommerzielle Produktion weiterer Pflanzenarten in Kombination mit C. gariepinus

verifizieren.

Literatur:

Ali, M., Nicieza, A., & Wootton, R. J. (2003). Compensatory growth in fishes: a

response to growth depression. Fish and fisheries, 4(2), 147-190.

Knaus, U. & H.W. Palm (eingeschickt). Effects of fish biology on ebb and flow

aquaponical cultured herbs under suboptimal conditions. in Vorbereitung.

Knaus, U. & Palm, H. W. (in Vorbereitung): Effects of the fish biology on aquaponical

cultured vegetables under optimal conditions. in Vorbereitung.

Knaus, U. & Palm, H. W. (in Vorbereitung): Effects of fish biology on ebb and flood

aquaponical cultured herbs under optimal conditions. in Vorbereitung.

Palm, H. W., Seidemann, R., Wehofsky, S., & Knaus, U. (2014a). Significant factors

affecting the economic sustainability of closed aquaponic systems. Part I:

system design, chemo-physical parameters and general aspects. AACL

Bioflux, 7(1), 20-32.

Palm, H. W., Bissa, K., & Knaus, U. (2014b). Significant factors affecting the

economic sustainability of closed aquaponic systems. Part II: Fish and plant

growth. AACL Bioflux, 7(3), 162-175.

Palm H. W., Nievel M. & Knaus U. (2015). Significant factors affecting the economic

sustainability of closed aquaponic systems. Part III: plant units. AACL Bioflux

8(1):89-106.

Qian, X., Cui, Y., Xiong, B., & Yang, Y. (2000). Compensatory growth, feed utilization

and activity in gibel carp, following feed deprivation. Journal of Fish Biology,

56(1), 228-232.

28

 

 

Dipl. Biol. Björn Baßmann (Personal 10/4) Die Fisch-Welfare-Debatte startete bereits 1979 mit dem sog. „Farm Animal Welfare

Council“ und den damals beschriebenen Grundlagen für eine tiergerechte

Haltungsform. Doch nach zahlreichen Lebensmittelskandalen und Problemen in der

(Massen-)Tierhaltung wird in den letzten Jahren - auch in der Forschung - wieder

verstärkt Wert auf das Wohlergehen (engl.: welfare) von Nutztieren in der

Lebensmittelproduktion gelegt. Dies betrifft neben populären Nutztieren wie

Schweinen, Rindern oder Geflügel auch Fische in der Aquakultur. Darüber ist leider

noch recht wenig bekannt (Braithwaite & Boulcott, 2008; Chandroo et al., 2004).

Bewiesen ist heute, entgegen einer noch weit verbreiteten Meinung, dass Fische

empfindungsfähige Wesen sind (Braithwaite & Huntingford, 2004). Daraus ergibt sich

ein ethischer Blickwinkel, welcher die Relevanz des Themas erheblich erhöht. Zudem

müssen bei Fischen andere Maßstäbe angesetzt werden als bei anderen Nutztieren,

denn Fische leben in völlig anderer Umgebung, einem aquatischen Milieu in einem

dreidimensionalen Raum. Hier spielen Faktoren wie die Wasserbeschaffenheit, also

z.B. die Temperatur, der pH-Wert, der Sauerstoffgehalt oder die Wasserhärte eine

Rolle (abiotische Faktoren), jedoch auch z.B. die Besatzdichte oder die Verteilung

und Art des Futters (biotische Faktoren) oder auch anthropogene Einflüsse, wie das

Sortieren und der Umgang mit Fischen (engl.: sorting & handling). Diese und viele

andere Faktoren wirken sich auf das Wohlbefinden von Fischen aus (Ashley, 2007;

Barber, 2007; van de Nieuwegiessen et al., 2008, 2009).

Um das Wohlergehen von Fischen adäquat einschätzen und bewerten zu können,

wurden entsprechende Experimente entworfen und in speziell dafür gebauten

Versuchsanlagen durchgeführt. Im Rahmen des Projektes wurden zwei Anlagen für

Welfare-Untersuchungen konzipiert und gebaut - angefangen mit einer Anlage in der

Versuchsstation der Phytomedizin, Satower Str. 48 (Zeitraum: 2013 – 2014), in der

Vorversuche stattfanden, sowie einer komplexeren Anlage im Fischglashaus, Justus-

von-Liebig-Weg (ab 2015), in der auch anschließend die Welfare-Forschung

fortgesetzt werden soll (Kammer 1_02).

Die erste Anlage in der Satower Str. (Abb. 18 - 21) bestand aus zwei voneinander

unabhängigen Kreislaufsystemen, jeweils bestehend aus drei Haltungsaquarien

(100x50x50cm), einem Sedimenter, einem Moving-Bed-Filter und einem

29

 

 

Pumpensumpf. Die Aquarien wurden größtenteils mit Styroporplatten verkleidet, um

den Einfluss von Geräuschen und Vibrationen auf die Versuchsfische zu minimieren,

da dies zu Veränderungen in den Ergebnissen führen kann. Einer dieser Kreisläufe

wurde an eine hydroponische Einheit gekoppelt, in welcher eine sog. „Raft“-Kultur mit

Gurkenpflanzen betrieben wurde. Nach diesem Konzept sollten

Stoffwechselprodukte der Fische, die sich in höheren Konzentrationen negativ auf

Fische auswirken können, herausgefiltert und gleichzeitig, wie in aquaponischen

Systemen üblich, den Pflanzen als Nährstoffe zur Verfügung gestellt werden (Endut

et al., 2011; Graber & Junge, 2009; Rakocy et al., 2006). Der zweite Kreislauf

fungierte als Kontrollsystem und war nicht mit einer solchen Hydroponik-Einheit

ausgestattet. Beide Kreislaufsysteme wurden mit Afrikanischen Raubwelsen besetzt

(Abb. 18).

Die zweite Anlage (Abb. 22 - 24) wurde in Kabine 1.02 des Fischglashauses

aufgebaut. Ähnlich wie zuvor wurden die Aquarien (100x50x50cm) in Triplikaten

gruppiert, dieses Mal jedoch in drei separaten Kreislaufsystemen, nicht wie zuvor in

lediglich zwei. Weiterhin wurden auch die Hydroponik-Einheiten in Triplikaten

aufgebaut - beides wesentliche Verbesserungen im Vergleich zu der vorläufigen

Anlage, denn Triplikate gelten in der Aquakulturforschung als ein weitverbreiteter

Standard. Hier wurde pro Kreislauf ein sog. Vortex-Reihenfilter mit drei

Filterkammern direkt vor den hydroponischen Einheiten eingebaut. Dies ermöglicht

eine effektive Sedimentation von Schwebstoffen durch den sog. Vortex-Effekt,

anschließend wird das Prozesswasser durch die drei Filterkammern geleitet, wo es

über verschiedene Filtermedien fließt und die Nährstofffracht mit Hilfe spezifischer

Bakterienkulturen, die darauf siedeln, entsprechend aufbereitet wird (Abb. 24).

30

 

 

Abb. 18 - 21: oben links: Afrikanische Raubwelse (Clarias gariepinus) in der Anlage

Satower Str. (oben rechts) mit aquaponischem Kreislauf und

Kontrollgruppe; unten links: Gurken während des Versuchs; unten

rechts: Wurzelstöcke im Prozesswasser der Hydroponik-Einheit.

Abb. 22: Aquarien-Anlage im Fischglashaus, Kabine 1.02, geeignet für Welfare-

Untersuchungen von Fischen im Rahmen von Polykultur-

Versuchsvorhaben, wie z.B. der Aquaponik.

31

 

 

Abb. 23: Langstrombecken in triplikaten Gruppen für die hydroponische Kultur von Pflanzen (oft auch als „Raft“-Kultur oder „Deep Water Hydroponics“ bezeichnet) im Fischglashaus, Justus-von-Liebig-Weg.

Abb. 24: Vortex-Reihenfilter mit drei Filterkammern.

In den Experimenten war die Gewinnung von Blutproben des Afrikanischen

Raubwelses ein Aufgabenschwerpunkt. Anhand von Blutproben lassen sich

physiologische Stressparameter untersuchen, welche im Rahmen von Welfare-

Untersuchungen relativ weit verbreitet und wissenschaftlich anerkannt sind (Conte,

2004). Physiologische Stressparameter, die hier verwendet wurden, sind das

Stresshormon Cortisol und Blutglukose, die vielfach als metabolischer Indikator für

Stress verwendet wird (Barton & Iwama, 1991). Glukose wird als Reaktion auf eine

stressige Situation verstärkt in den Blutkreislauf eines Organismus abgegeben. So ist

gewährleistet, dass stets genügend Energie für eine Flucht o.ä. verfügbar ist. Ein

erhöhter Cortisolgehalt kann als Beleg für Langzeitstress herangezogen werden. Im

Vergleich dazu wären z.B. Adrenalin oder Noradrenalin Indikatoren für kurzzeitigen

Stress – diese wurden allerdings nicht gemessen. Allein anhand der beiden

Parameter - Cortisol und Blutglukose - lassen sich bereits Aussagen über den

grundsätzlichen Stresszustand eines Fisches treffen. Und genau das war auch Ziel

der Experimente. Es sollte der sogenannte „Basis-Stress“ (engl.: baseline stress)

analysiert werden, denn es war bislang unbekannt, ob sich das Vorhandensein von

32

 

 

Pflanzen - im Falle des aquaponischen Systems - positiv auf das Wohlbefinden von

Fischen auswirkt oder ob dies keinen Effekt hat. Dies wurde konkret am Beispiel des

Afrikanischen Raubwelses untersucht. Man setzt dabei voraus, dass Stress das

Wohlbefinden eines Tieres negativ beeinflusst (Conte, 2004). Zusätzlich wurden

auch äußere Verletzungen an den Fischen dokumentiert. Diese kommen bei

schuppenlosen Fischen, wie dem Afrikanischen Raubwels, beispielsweise während

eines Transportes, aber auch aufgrund intraspezifischen Territorialverhaltens der

Tiere untereinander, relativ schnell vor. Dies ist normalerweise kein größeres

Problem, da Fische solche Verletzungen schnell regenerieren können. Äußere

Wunden sind jedoch auch potentielle Eintrittspforten von Krankheitserregern, mit

denen dann das Immunsystem der Fische zurechtkommen muss. Dies kann auch als

eine Form von Stress, nämlich als sog. Immun-Stress, angesehen werden (Bowden,

2008).

Da die Fische in derartigen Experimenten „zu Schaden kommen“ - Blutentnahmen

als auch Narkosen gelten tierschutzrechtlich als Eingriffe in den unversehrten Körper

-, musste eine entsprechende Tierversuchsgenehmigung beim Veterinär- und

Lebensmittelüberwachungsamt MV beantragt werden. Es gelang die

Prüfungskommission von der Wichtigkeit des Experimentes zu überzeugen, so dass

die Versuche wie geplant starten konnten.

Im März 2014 wurden die ersten Afrikanischen Raubwelse von der PAL-Anlagenbau

GmbH bezogen und in die Kreislaufsysteme in der Satower Str. eingesetzt. Zunächst

galt es herauszufinden, welche Besatzdichten die Kreislaufsysteme vertragen

können; oder anders ausgedrückt: es war fraglich, ob die Filterkapazitäten

ausreichen würden, um ein stabiles Klima beibehalten zu können. Die Besatzdichten

sollten jedoch so hoch wie möglich gewählt werden, um die erarbeiteten Daten

später mit Daten aus der kommerziellen Aquakultur, in der gerade im Fall des

Afrikanischen Raubwelses ebenfalls mit hohen Besatzdichten gearbeitet wird,

vergleichen zu können. Nach zwei gescheiterten Versuchen mit zu hohen

Besatzdichten (feststellbar an zu hohen Ammoniumgehalten im Haltungswasser)

gelang es, die Besatzdichte anzupassen. Dies wurde gepaart mit einer Reduzierung

der täglichen Fütterungsmenge. Die Kreisläufe liefen dadurch relativ stabil mit je 54

Fischen und einer Fütterungsmenge von 75 Gramm pro Tag.

33

 

 

Bei der Blutprobenentnahme war es wichtig, keinen zusätzlichen Stress zu

induzieren, weil der bereits erwähnte „baseline stress“ gemessen werden sollte. Dies

war allerdings nicht einfach, denn schon der Prozess des Einfangens mittels eines

Keschers bedeutet für einen Fisch Stress, der nach wenigen Minuten zu erhöhten

Cortisolgehalten führt. Erschwerend kam hinzu, dass auch die anderen

Beckeninsassen gescheucht werden bzw. merken, wenn ein anderer Fisch gefangen

wird. Es war aus diesem Grund nur möglich, täglich eine geringe Anzahl Fische pro

Becken einzufangen, möglichst ohne die anderen Beckeninsassen allzu sehr

aufzuschrecken. Direkt nach dem Einfangen sollten sie schnellstmöglich betäubt

werden, um anschließend ca. 1,5 ml Blut zu entnehmen. Anästhesie an sich führt

ebenfalls zu Stress, ist jedoch ein gleichbleibender Faktor bei jedem Fisch. Hier

wurde eine Anästhesie mit Eugenol (60 mg/l) gewählt, einem Phenylpropanoid, das

natürlich in Nelkenöl vorkommt, schnell abbaubar ist und nicht zu längeren

Beeinträchtigungen führt. Der Blutzucker konnte mittels eines üblichen Blutzucker-

Messgerätes direkt vor Ort gemessen werden. Für die Cortisolanalyse wurde das

entnommene Blut mit einem Gerinnungshemmer versetzt, da die Untersuchung

später im Labor stattfinden sollte. Dazu musste zunächst das Blutplasma durch

Zentrifugieren von den Blutzellen befreit werden. Mit dem sogenannten ELISA

(Enzyme Linked Immunosorbent Assay), einem Antikörper-basierten

Nachweisverfahren für Proteine oder Hormone, war es möglich, die jeweilige

Cortisolkonzentration in den Blutproben festzustellen. Die beschriebenen

Vorgehensweisen benötigen insgesamt viel Zeit und Sorgfalt, weil etliche Faktoren

zu verfälschten Daten führen können. Zur Kontrolle wurden am Ende des

Experiments noch einmal alle Fische nacheinander abgefischt, um ihnen

nacheinander Blutproben zu entnehmen. Dieser Prozess führte zu deutlich erhöhten

Cortisolwerten, so dass die anfangs beschriebene Vorgehensweise als richtig

eingestuft werden konnte.

Die ermittelten Werte wurden einerseits mit Literaturdaten verglichen, anderseits

aber auch mit Daten, die wir mit freundlicher Unterstützung unseres

Kooperationspartners PAL-Anlagenbau gewinnen konnten. Dazu wurden ebenfalls

Blutproben von Fischen in der Welszucht Abtshagen entnommen und, wie zuvor

beschrieben, analysiert. Diese Fische hatten ein vergleichbares Alter, eine

34

 

 

entsprechende Größe und stammten aus identischer Besatzdichte - Faktoren, die

sich prinzipiell auch auf den Cortisolspiegel auswirken können.

Auch wurden in den Versuchen Daten zu den Gurkenpflanzen erhoben. Dabei wurde

das Spross- und Blattflächenwachstum (mittels einer Formel nach Cho et al., 2007)

bestimmt (Abb. 25 und 26), außerdem das Frischgewicht der produzierten Gurken

dokumentiert, welches insgesamt 22,07 kg betrug.

Abb. 25: Sprossentwicklung der Gurkenpflanzen (C. sativus).

Abb. 26: Blattflächenwachstum der Gurkenpflanzen (C. sativus).

500

450

400

350

300

250

200

150

100

50

1 2  3  4 5

Week

6 7 8 9

900

800

700

600 

500

400

300

200

100

1 2  3 4 5 6 7 8 

Week

Cucumber leaf area [cm²] 

Cucumber stem length [cm

35

 

 

Wasserparameter, die über den Untersuchungszeitraum dokumentiert wurden, waren

Sauerstoffkonzentration und -sättigung, pH-Wert, Temperatur, elektrische

Leitfähigkeit, RedOx-Potenzial, Ammonium, Nitrit, Nitrat, Phosphat sowie

Mikronährstoffe wie Natrium, Calcium und Kalium. Phosphat sowie die genannten

Mikronährstoffe wurden dabei von Mitarbeitern des Lehrstuhls für Pflanzenbau,

Professur Uptmoor analysiert und ausgewertet. Exemplarisch wird in Abb. 27

dargestellt, wie unterschiedlich sich Wasserparameter in aquaponischer Haltung im

Vergleich zu der des Kontrollsystems entwickeln können.

Abb. 27: Verlauf des Nitratgehaltes in aquaponischer Haltung im Vergleich zur

Kontrollgruppe.

Es wird der Verlauf der Nitratkonzentration während des gesamten

Untersuchungszeitraums gezeigt. Die Pflanzen im aquaponischen System helfen

dabei, ein gutes Wassermilieu länger beizubehalten, indem sie Abbauprodukte des

Stoffwechsels der Fische aufnehmen.

Die Welfare-Parameter Cortisol und Blutglukose zeigten insgesamt ähnliche Werte

(Abb. 28 und 29) und ließen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der

Haltungsform erkennen. Selbst suboptimale Wasserparameter gegen Ende des

Versuchs führten nicht zu einer Steigerung der Cortisolwerte. Es ist bekannt, dass

der Afrikanische Raubwels sehr tolerant gegenüber Umwelteinflüssen ist. Dies

konnte hiermit bestätigt werden. Allerdings fiel auf, dass die Fische in aquaponischer

Haltung stets deutlich seltener äußere Verletzungen an Haut und Flossen aufwiesen

als die Fische in der Kontrollhaltung (Abb. 30) - hier wurden signifikante Unterschiede

NO3‐N (nitrate)100

80

60

40

20

1  2  3 4 5 6 7 8 9 10 11  12

Culture Period (week)

Aquaponics Control

NO

3‐N [mg l‐1] 

36

 

 

festgestellt. Aufgenommen wurden alle tieferen Läsionen der Haut, größere

Beschädigungen der Flossen und Barteln, die sich noch nicht länger im

Regenerationsprozess befanden. Bereits im Heilungsprozess befindliche Wunden -

sichtbar an erneuerten epidermalen Zellschichten über einer Läsion - oder kleinere

„Kratzer“ (epidermale Erosionen) wurden nicht gewertet (Abb. 31).

Ähnliche Beobachtungen wurden auch beim Vergleich von Fischen aus

aquaponischer Haltung und Fischen aus der kommerziellen Aquakultur von PAL-

Anlagenbau gemacht. Das vermehrte Auftreten von Verletzungen kann ebenfalls

nicht mit sich verändernden Wasserparametern während eines bestimmten zeitlichen

Versuchsabschnittes zusammenhängen: Sowohl zu Versuchsbeginn, sprich bei

gleichen Ausgangsbedingungen, als auch mitten im Versuch oder gegen

Versuchsende, wurden identische Beobachtungen gemacht. Dies ist ebenfalls durch

die hohe Toleranz des Afrikanischen Raubwelses gegenüber verschiedenen

Umwelteinflüssen zu erklären. In natürlichen Habitaten sind diese Fische zeitweilig

starken Schwankungen der Wasserqualität unterworfen und sie können selbst unter

den schlechten Bedingungen eines austrocknenden Tümpels in großer Zahl die

Trockenzeit überdauern. Auch konnte kein direkter Zusammenhang zwischen

Verletzungen und Cortisol- bzw. Blutglukosekonzentration nachgewiesen werden.

Weitere Forschungen sind jedoch nötig, um den Einfluss von Verletzungen auf den

Stress beim Afrikanischen Raubwels abschließend zu klären. Die neuen

Erkenntnisse dieser Welfare-Forschung im Rahmen der Aquaponik werden publiziert.

37

 

 

Abb. 28: Glukosegehalt der Versuchsgruppen in aquaponischen Haltungssystemen

im Vergleich zur Kontrollgruppe. Man kann erkennen, dass die

verschiedenen Versuchsgruppen ähnliche Blutglukosegehalte aufweisen -

es wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt -, was die hohe

Toleranzschwelle des Afrikanischen Raubwelses gegenüber

Umweltbedingungen darstellt. In jeder Versuchsgruppe wurde außerdem

festgestellt, dass jeweils die männlichen Tiere tendenziell etwas höhere

Blutglukosewerte aufwiesen als die weiblichen.

38

 

 

Abb. 29: Cortisolgehalt der Versuchsgruppen in aquaponischen Haltungssystemen

im Vergleich zur Kontrollgruppe. Es wurden keine signifikanten

Unterschiede festgestellt. Auch dies ist durch die hohe Toleranzschwelle

des Afrikanischen Raubwelses gegenüber Umweltbedingungen zu

erklären.

Abb. 30: Häufigkeit von äußeren Verletzungen. In aquaponischer Haltung treten

signifikant weniger Verletzungen auf.

39

 

 

Abb. 31: Heteromorphe Hautverletzungen des Afrikanischen Raubwelses; A: Offene

Wunde, die bis in tiefere Gewebeschichten reicht, möglicherweise Ursache

von Territorialkämpfen; B: Abschürfung der oberen Hautschichten. Foto

bearbeitet mit Kontrastverstärker (+20 %).

Literatur: Ashley, P. J. (2007). Fish welfare: current issues in aquaculture. Applied Animal

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A

B

40

 

 

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41

 

 

2.2.2 Lehrstuhl für Tierschutz und Tiergesundheit

Prof. Dr. med. vet. habil. Elmar Mohr & Dr. Regina Dibbert (Personal 5) Projekthintergrund:

Im Rahmen des Projektes werden Fische und Pflanzen unter synergistischer

Nutzung von Ressourcen in einem weitestgehend geschlossenen Wasserkreislauf

gehalten. Grundsätzlich ist ein solches System anfällig für Anreicherungen von nicht

verwertbaren Stoffen und Mikroorganismen im Wasser, den Biofiltern und in der

Verrohrung. Dies gilt umso mehr, wenn es sich wie hier geplant um ein System

handelt, das bei 26°-28°C betrieben wird. Entscheidend für einen erfolgreichen

Betrieb ist deshalb eine Überwachung der Wasserzusammensetzung und vor allem

der Wasserhygiene. Im Vordergrund stehen dabei nicht nur Untersuchungen zur

Vermeidung und Anreicherung von fischpathogenen Mikroorganismen sondern auch

Probleme, die möglicherweise aus einer potentiellen Anreicherung von

humanpathogenen Keimen (z.B. Legionellen) in Warmwasserkreisläufen entstehen

können. Insbesondere durch die Produktionsbedingungen bei hoher Luftfeuchtigkeit

kann es zu Keimanreicherungen (Pilze, zoophile Bakterien) kommen, die akzidentell

in das System eingebracht wurden. Es wurden deshalb regelmäßig Untersuchungen

insbesondere zur mikrobiellen Wasserhygiene durchgeführt. Neben der

Gesamtanzahl koloniebildender Einheiten wurde im Rahmen der Wasserhygiene-

Überwachung auch das Vorkommen von potentiellen Pathogenen im System

untersucht. In einer regelmäßigen Kontrolle der Anlagengesundheit wurde im Zulauf,

im Ablaufbereich der Fischbecken sowie in den nachgeschalteten Systemen

(Sedimenter, Biofilter und angeschlossener Pflanzenbereich) routinemäßig die

Bakteriendichte bestimmt.

Theoretische Arbeiten:

Die laufenden Literaturrecherchen bezogen sich auf relevante Erreger, die mit

Aquakulturen assoziiert sind oder für den Humanbereich (Pflanzen- und

Fischfleischerzeugung, Tier-LMHV, LMZoonoseV, Arbeitsschutz, BioStV) bzw. den

Tierbereich (bakterielle Krankheitserreger bei Fischen, TierGesG) von Bedeutung

sind.

42

 

 

Weiterer Schwerpunkt waren die einzusetzenden Methoden. Erste Anhaltspunkte für

die durchzuführenden Untersuchungen lieferte die Trinkwasserverordnung. Davon

ausgehend sind Gesamtkeimzahlbestimmungen bei verschiedenen Temperaturen,

sowie Nachweise von potenziell pathogenen Erregern (u.a. Salmonellen,

Legionellen, Pseudomonaden) vorzunehmen. Die Methodenauswahl speziell für

fischpathogene Erreger gestaltete sich schwieriger, da nur sporadisch Hinweise auf

Kulturbedingungen der Erreger aufzufinden waren; standardisierte Verfahren standen

nicht zur Verfügung.

Zeitgleich mit der Methodenfindung und -etablierung wurden die Kosten kalkuliert, bei

denen aufgrund von Wiederholbarkeit, Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Ergebnisse

bestimmte Voraussetzungen unabdingbar sind. Es erfolgten mehrere Verhandlungen

mit potentiellen Lieferfirmen, Abfragen zu Kostenvoranschlägen und die Auswahl der

Lieferanten. Einmal sorgfältig ausgewählte und schließlich festgelegte Lieferanten

können im laufenden Vorhaben nicht mehr gewechselt werden, da sich mit den

Herstellern die Zusammensetzungen und u.U. Herstellungsverfahren der benutzten

Chemikalien und Nährmedien ändern, die eine Vergleichbarkeit mit

vorangegangenen Versuchsreihen so nicht mehr möglich machen.

Gesetzliche Voraussetzungen Tierschutz / Biostoffe / Arbeitssicherheit:

Jegliche Tierhaltungen und Vorhaben, bei denen das Versuchsziel mittelbar oder

unmittelbar auf Tiere ausgerichtet ist unterliegen dem Tierschutzgesetz. Frau Dr.

Dibbert betreute die Anlagen als Tierschutzbeauftragte der Universität Rostock

(Hochschulbereich). Die Aquarienanlage (Satower Str. 48) wurde als

Versuchstierhaltung unter der Leitung von Frau Dr. Dibbert bei der zuständigen

Behörde angemeldet. Auch beim Gewächshausneubau waren Aspekte der

Versuchstierhaltung (höhere Anforderungen als „normale“ Tierhaltungen) zu

berücksichtigen. Sowohl bei der Planung sowie Ausführung der Anlagen stand und

steht Frau Dr. Dibbert beratend zur Seite. So konnte rechtzeitig vor Einbau der

Anlagen der Bodengrund entsprechend der Anforderungen an Versuchstierhaltungen

angepasst werden. Entsprechende Beschriftungen, z.B. Reihenfolge des

Lichteinschaltens zur Stressreduktion bei den Tieren, sowie Zutrittsregelungen für

Personen, Unterweisung vor Personenzutritt wurden etabliert.

43

 

 

Bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (hier Tiere, Futtermittel, Fäkalien) ist

die Biostoffverordnung (BioStV) zu beachten. Sind die Tätigkeiten auf

Mikroorganismen direkt ausgerichtet, sind neben der BioStV noch das

Infektionsschutzgesetz (IFSG) und die Tierseuchenerregerverordnung gültig. Frau

Dr. Dibbert ist Inhaber der Erlaubnis nach §44 IFSG und ist Beauftragte für

biologische Arbeitsstoffe (nach IFSG) an der Universität und daher

Ansprechpartnerin für alle Fragen hinsichtlich Gesundheits- und Umweltschutz. Als

Beauftragte für Arbeitssicherheit der Fakultät steht sie für alle dahingehenden

Anliegen zur Verfügung. Auch hier wurden bereits Spritzschutze an den

Fischtankeinläufen (Aerosolverminderung) initiiert.

Praktische Arbeiten:

Anlagen, Probeentnahmestellen, Probenahmen:

Die festgelegten Probeentnahmestellen der beiden von Herrn Knaus (Aquakultur)

geführten Aquaponikanlagen in der Satower Str. 48 wurden beibehalten. Diese

waren jeweils der Zulauf zum Fischtank, der Fischtank selbst, der Sedimenter, der

Auslauf in das Pflanzenbecken „Sprinkler“ und der Ablauf des Pflanzbeckens.

Im Berichtszeitraum wurde eine zweite Anlage als Aquarium-Anlage mit (Aquaponik-

Raft) bzw. ohne Pflanzbecken (Aquakultur) durch Herrn Baßmann aufgebaut, die

ebenfalls in das mikrobiologische Monitoring einbezogen wurde. Entsprechend

wurden auch hier die Probeentnahmestellen gewählt: Zulauf zum Aquarium, das

Aquarium selbst, der Sedimenter, der Biofilter direkt und der Ablauf des

Pflanzbeckens. Hier bot sich die Möglichkeit unter gleichen Bedingungen geführte

Aquakultur und Aquaponik direkt zu vergleichen.

Je Versuchsreihe waren 3 Entnahmezeitpunkte (Beginn der Bepflanzung, ca. Mitte

der Versuchszeit, Ende der Versuchszeit) geplant. Für die ersten beiden Entnahmen

wurden Keimzahluntersuchungen nach TrinkwasserV und der Nachweis anaerober

Schwefelwasserstoffbildner vorgesehen, für den letzten Termin wurden zusätzlich die

human- und fischpathogenen Erreger einbezogen. Die Probennahmen sind in

Tabelle 1 einzeln benannt.

44

 

 

Der Neubau des Fischglashauses bot die Möglichkeit, das „Anfahren“ einer

Fischhaltung mikrobiologisch zu begleiten, zu beschreiben und wenn erforderlich zu

intervenieren.

Drei Anlagewurden installiert, die mit unterschiedlichen Besatzdichten

Intensiv mit 100 kg Fisch je m³

Semi-Intensiv mit 50 kg Fisch je m³ und

Extensiv mit 10 kg Fisch je m³ Wasservolumen betrieben wurden und sich zusätzlich in der Anzahl der Sedimenter und der Größe

des Biofilters unterschieden.

Bei der Neuetablierung der Fischhaltung im Fischglashaus wurden die ersten Proben

(Nullproben) vor Fischeinsatz genommen. Die Anlagen wurden schrittweise in

Betrieb genommen, d.h. zum ersten Termin wurden 3 von 9 Fischtanks besetzt, zum

2. Termin die nächsten 3 (6 von 9 besetzt) und ab dem 3 Termin waren alle 9 Tanks

besetzt. Hier wurden zu jedem Termin die pathogenen Erreger mit erfasst.

Die Probennahmen erfolgten einen Tag nach Fischeinsatz und 9-10 Tage nach

Fischeinsatz. Die genauen Daten sind in Tabelle 5 aufgeführt.

Die Aquaponikanlage im Ebbe-Flut-System wurde im Berichtszeitraum 7-mal

untersucht. Damit standen für 2014 die Daten aus zwei Versuchsreihen zur

Verfügung.

Die Aquaponik-Raft / Aquakultur-Anlage wurde im Zeitraum von Febr. 2014 bis Juni

2014 3 mal untersucht, damit wurde eine Versuchsreihe (1 Vorversuch und 2

Probennahmen) absolviert.

Die semiintensive Anlage wurde 7x, die Intensive sowie die Extensive Anlage jeweils

5x mikrobiologisch kontrolliert. In diesen Anlagen wurde das Hochfahren jeweils

einmal begleitet.

Durchführung der mikrobiologischen Untersuchungen

Die mikrobiologischen Untersuchungen bedürfen der Vorbereitung. Hierzu zählen

das Bereitstellen steriler Utensilien, die termingerechte Beschaffung und teilweise

Eigenproduktion von Kulturmedien (nur kurze Haltbarkeit). Der Probenansatz

beinhaltet das Herstellen von Verdünnungsreihen sowie das Beimpfen von

verschiedensten Nährmedien (zur Keimzahlbestimmung ca. 45 Petrischalen +

mindestens 25 Selektivmedien für Pathogene je Einzelprobe).

45

 

 

Tabelle 5: Probenahmedaten in den einzelnen Anlagen.

46

 

 

Die Ablesung / Auswertung beinhaltete für die ersten beiden Termine die

Auszählung der Bakterien auf je 450 Petrischalen bei 10 Proben (durchschnittlich

wachsen 150 Kolonien pro Petrischale). Dazu kommt die Auswertung von 250

Selektivmedien. Letzteres beinhaltete u.a. das Isolieren verdächtiger Kolonien zur

Gewinnung von Reinkulturen, das Anlegen von Präparaten sowie entsprechende

Mikroskopie und die Vorbestimmung der Erreger durch Überimpfung auf weitere

Nährmedien mit bestimmten Eigenschaften. Die Bestätigung der Differenzierungen

erfolgte extern mit Hilfe des MALDITOFF-Verfahrens. Dafür sind die Kulturen

vorzubereiten (erneute Anzucht und danach Beimpfung von Transportmedien,

Verpackung gemäß IATA-und GGVSE-Vorschriften) und der Versand zu

organisieren (Transportunternehmen mit entsprechender Beförderungserlaubnis).

Die zeitaufwendige Nachbereitung umfasst die Dekontamination aller benutzen

Utensilien, Sammlung und Entsorgung der Chemikalien entsprechend der

Kategorien, Reinigung und Sterilisation der wiederverwendbare Utensilien.

Datenaufbereitung

Die Datenaufbereitung umfasste Berechnungen der Gesamtanzahl der

koloniebildenden Einheiten aus den Rohdaten, vergleichende Statistik, und die

Visualisierung der Ergebnisse.

Ergebnisse Gesamtkeimzahl Ebbe-Flut-System

Im Ebbe-Flut-System schwankten die Anzahlen koloniebildender Einheiten bei allen

Inkubationstemperaturen bei den Niltilapien zwischen den Lg-Stufen 3 und 5, bei den

Afrikanischen Raubwelsen und den Karpfen zwischen den Lg-Stufen 2 und 5.

Die in der ersten Versuchsreihe (Niltilapien, Afrikanischer Raubwels) festgestellte

Änderung des Mikrobioms im Wasser (die stark sauerstoffzehrenden Bakterien sowie

die Gesamtkeimzahl der aeroben Bakterien nahmen in der Versuchszeit anteilmäßig

ab) korrespondierte mit den Ergebnissen der anderen Arbeitsgruppen. Aufgrund des

Versuchsdesigns kam es zur maximalen Last an organischem Material (massive

Futtermittelgabe) mit dem Ergebnis, dass die Wassersauerstoffsättigung über den

Versuchszeitraum tendenziell abnahm. In der Zweiten Versuchsserie (Niltilapien,

47

 

 

Karpfen) wurde mit normaler Fütterungsintensität gearbeitet. Hier blieben die

Bakterienarten weitestgehend identisch, d.h. das makroskopische Bild der

Koloniemorphologien änderte sich nicht. Auch bei den Keimzahlen gab es keine

wesentlichen Veränderungen. Deutlich wird die Funktion der Pflanzbecken als

Biofilter, welches sich in den höchsten Keimzahlen im System niederschlägt. Der

Biofilter weißt eine große belüftete feuchte Oberfläche auf, auf der Mikroorganismen

siedeln und sich vermehren. Dementsprechend ist die Anzahl der dort

vorkommenden aeroben Bakterien in der Regel höher als im „Unterwasserbereich“.

Diese können wieder abgespült und im Ablaufwasser erfasst werden.

Als fakultativ pathogene Mikroorganismen wurden vereinzelt Fäkalkeime (coliforme

Bakterien und Enterokokken) registriert, die aufgrund der Fischhaltung ins Wasser

gelangten. Diese Keime sollten sich jedoch nicht anreichern. Bakterien der

Pseudomonasgruppe traten mäßig häufig auf (darunter auch vereinzelt Ps.

aeruginosa). Pseudomonaden gelten als fakultativ pathogen, daher können sich bei

Fischen, deren Immunreaktion verringert ist, Erkrankungen ausbilden (u.a. Ps.

putida, Ps fluorescens). Keime aus der Gruppe der Enteritiserreger (Clostridium

perfringens, Salmonellen, Yersinien, hämolysierende E. coli), die Fisch- und

humanpathogenen Vibrionen sowie die Auslöser der Legionärskrankheit wurden

nicht nachgewiesen. Die mit Gattung und Art benannten Erreger wurden mit Hilfe des

MALDITOFF-Verfahrens bestätigt. Die einzelnen Ergebnisse sind in Tabelle 6

dargestellt.

Tabelle 6: mikrobiologische Ergebnisse des Ebbe-Flut-Systems.

48

 

 

Aquaponik-Raft / Aquakultur

Es ergab sich die Möglichkeit, eine gleichartig geführte Anlage (Aquakultur vs.

Aquaponik) zu untersuchen und direkt zu vergleichen. Der Vorversuch zeigte die

Anlage während des „Einfahrens“. Hier kamen nur zwei Entnahmeorte –Aquarien

selbst und Biofilter in die Auswertung. Erwartungsgemäß stiegen die Keimzahlen

nach Fischbesatz (Afr. Raubwels) an. Hier wurde gesondert ein Biofilter betrieben

(auch hier die höchsten Keimzahlen im System). Im Pflanzbecken (Pflanzen als

SchwimmkulturRaft) glichen sich die Keimzahlen wieder dem übrigen System an,

so dass nach ersten Ergebnissen die Siedlungsorte für die Bakterien in dieser Art

Pflanzbecken (noch?) nicht in dem Maße vorhanden waren. Ob die Fischbiomasse

(gleicher Besatz auf unterschiedlichen Wassergesamtvolumina) einen Einfluss auf

die Keimzahl hatte, kann nur durch Wiederholungen in solchen Systemen ermittelt

werden. Die Anzahlen koloniebildender Einheiten beliefen sich in beiden Systemen

(Aquaponik-Raft, Aquakultur) zwischen Lg-Stufe 3 und Lg-Stufe 5. Hinsichtlich der

fakultativ pathogenen Erreger gelten die gleichen Feststellungen wie im Ebbe-Flut-

System (Tabelle 7).

Tabelle 7: mikrobiologische Ergebnisse des Aquaponik-Raft / Aquakultur-Systems.

Der Vergleich zwischen den beiden Anlagen (Ebbe-Flut-System) und Aquaponik-Raft

/-kultur) zeigten insgesamt keine wesentlichen Unterschiede. FischGlasHaus-Neubau

Im Neubau des Gewächshauses bot sich die Möglichkeit, von Beginn an 3 Anlagen

(3x Aquaponik unterschiedlicher Bewirtschaftungen extensiv, semiintensiv, intensiv)

in die mikrobiologische Überwachung zu nehmen und die einzelnen Schritte

(Frischwasser in der Anlage, nach Beimpfung mit Starterkulturen, nach Fischbesatz)

und im Weiteren die Versuchsverläufe nicht nur zu dokumentieren sondern auch

49

 

 

Empfehlungen für den Praxisbetrieb solcher Anlagen abzuleiten. Die für die

Mikrobiologie verwendeten Inkubationstemperaturen wurden beibehalten, um die

Systeme miteinander vergleichen zu können.

In allen drei Anlagen pegelten sich die Anzahlen aerober koloniebildender Einheiten

(KBE) zwischen den Lg-Stufen 2 und 5 ein. Die semiintensive Anlage wurde einen

Monat vor den anderen in Betrieb genommen, hier waren die Nullwerte eine Lg-Stufe

niedriger als die der intensiven und extensiven Anlage. Allerdings war die Zeit der

Etablierung des Biofilters zu kurz bemessen, welches sich in dem Anstieg um 2 Lg-

Stufen der gesamt aeroben KBE nach Fischbesatz zeigte. In der Extensiven Anlage

erfolgte kein, in der intensiven Anlage nur ein geringer Anstieg der aeroben Anzahl

der KBE. Hier hatte der Biofilter hinreichend Zeit sich auszubilden. Bei dem Vergleich

der drei Anlagen unterschieden sich bei der Inkubationstemperatur 37 °C die

Intensive nicht von der semi-intensiv und extensiv betriebenen Anlage. Die semi-

intensiv betriebene Anlage lag hinsichtlich der Anzahl der aeroben KBE jedoch

signifikant unter der der extensiven Anlage. Eine Ursache könnte in der

regelmäßigen Abscheidung der Feststoffe aus dem System liegen. Bei 12 °C

Inkubationstemperatur wurden zwischen der extensiven und intensiven Anlage

Unterschiede registriert. Hier wäre ein Einfluss der Besatzdichte möglich. Siehe Abb.

32.

Abb. 32: Vergleich der drei Anlagen bei verschiedenen Inkubationstemperaturen.

50

 

 

Ab Oktober wurden die Pflanzenkreisläufe für die intensiv und extensiv besetzte

Anlage in Betrieb genommen. In diesem Bereich kam es zum massiven Anstieg der

aeroben Anzahl KBE und der Fäkalkeime (coliforme Bakterien, Enterokokken), die in

fast allen Fällen statistisch als signifikant ausgewiesen wurde (Abb. 33).

Abb. 33: Vergleich der Entnahmeorte „Fischkreislauf“ vs Entnahmeorte

„Pflanzenkreislauf“. Bei näherer Betrachtung fiel auf, dass die Proben der Pflanzenseite sehr starke

Trübungen und Flockungen aufwiesen, die eine Ursache für den Anstieg (Bakterien

sind häufig an Partikel gebunden) darstellt. Eine zweite Möglichkeit besteht

insbesondere bei der Betrachtung der Coliformen darin, dass es zu „Standzeiten“

kam, d.h. das Wasser wurde über längere Zeit (1-2 Tage) in den

Pflanzenvorratstanks nicht umgewälzt, was zu einem Vermehrungsvorteil für

fakultative und obligate Anaerobier führt. Nach den ersten Reinigungsmaßnahmen

und Managementänderungen (keine Standzeiten mehr) konnten die Coliformen

deutlich (jedoch noch nicht statistisch geprüft, Datenmenge war nicht ausreichend)

reduziert werden.

Hinsichtlich der fakultativ pathogenen und pathogenen Erreger gilt im Wesentlichen

das unter Ebbe-Flut/ Aquaponik-Aquakultur Beschriebene. Zusätzlich wurden hier

jedoch neben anderen Aeromonas Arten auch Ae. punctata und Ae. salmonicida

51

 

 

identifiziert. Die detaillierten Nachweise sind Tabelle 4 zu entnehmen. Zusätzlich sind

in Tabelle 8 die Daten des Transportwassers der Firma PAL enthalten.

Tabelle 8: Mikrobiologische Ergebnisse der drei Anlagen des FischGlasHauses.

Fazit:

Die Intensitätsstufe (10/50/100 kg je m³) scheint keinen Einfluss auf die

aerobe Anzahl Koloniebildender Einheiten (37°, 23°C) zu haben.

Es stellt sich ein mikrobiologisches Gleichgewicht ein.

Empfehlungen

Einlaufzeit der Anlage beachten, sie sollte mindestens 7, besser 14 Tage

andauern.

Management und Technologie haben einen erheblichen Einfluss auf die

Gesamtzahl koloniebildender Einheiten.

Feststoffentfernung

Wasserwechsel

Reinigung / Desinfektion hier durch Trocknen

Förderung von aeroben Bakterien über Sauerstoffzufuhr z.B.

Wasser ständig in Bewegung halten,

In den Tanks Lufteinströmer installieren,

52

 

 

welches zur Verringerung fakultativ anaerober unerwünschter Bakterien führt. Die Mikrobiologische Überwachung (37° C insbesondeere Kontrolle der

fakultativ und pathogenen Arten) ist in regelmäßigen Zeitabständen notwendig

Hälterungswasser

u.U. auch Pflanzenprodukte je nach Bewässerungssystem Alle Maßnahmen haben das Ziel:

die Tiergesundheit zu erhalten

die Produktsicherheit der tierischen Lebensmittel und

die Produktsicherheit der pflanzlichen Lebensmittel

zu gewährleisten und die Auswirkungen evtl. akzidentieller

Mikroorganismeneinträge zu minimieren

53

 

 

2.2.3 Agrobiotechnologie

und Begleitforschung zur Bio- und Gentechnologie

Prof. Dr. Inge Broer & Dr. Nausch (Personal 2), S. Konopka (Personal 6) In der Professur Agrobiotechnologie wurden bzw. werden in dem Projekt drei

Fragestellungen bearbeitet, die den kommerziellen Pflanzenanbau im Gewächshaus

mit der Fischzucht in Aquakultursystem verbinden sollen:

1. Etablierung eines Aquaponikssystems – Nutzung verschiedener Kulturarten

zur Reinigung von Fischprozesswasser aus der Aquakultur

2. Substitution von konventionellem Fischfuttermittel durch Pflanzen

3. Reduktion des Düngemitteleinsatzes beim kommerziellen Anbau von

Nutzpflanzen im Gewächshaus durch den Einsatz von Fischprozesswasser

Neben den beiden Kulturarten Tabak (Nicotiana tabacum) und Kartoffel (Solanum

tuberosum) stand v.a. die Erbse (Pisum sativum) im Vordergrund. Diese eignen sich

für die Produktion wirtschaftlich, insbesondere pharmazeutisch, relevanter

Verbindungen in Gewächshäusern. Darüber hinaus kann die Erbse mit ihrem

proteinhaltigen Samen als Futtermittel eingesetzt werden. Als Modellarten wurden

der afrikanische Raubwels (Clarias gariepinus) sowie der Nilbuntbarsch

(Oreochromis niloticus) ausgewählt.

1. Etablierung eines Aquaponiksystems – Nutzung verschiedener Kulturarten

zur Reinigung von Fischprozesswasser aus der Aquakultur-Nutzung von

Pflanzen in der Aquakultur

Ein Problem der Aquakultur stellt der Wasserverbrauch dar. Da die Fische

kontinuierlich Ammonium ausscheiden, eine für Fische toxische Verbindung, muss

das Fischprozesswasser ständig ausgetauscht werden. Dies führt nicht nur zu einem

hohen Bedarf an Frischwasser, sondern auch zum Anfall großer Mengen belasteten

Abwassers. Bei der Aquaponik handelt es sich um die Verbindung von Aquakultur

(Fischproduktion) und Hydrokultur (Pflanzenproduktion in substratfreier Kultur). Da

die Pflanzen in der intensiven Pflanzenproduktion – v.a. in der Gewächshauskultur –

große Mengen an Nährstoffen benötigen, können durch Aquaponiksysteme prinzipiell

54

 

 

zwei Probleme gelöst werden: (1) Einerseits kann die Ammoniumbelastung und

damit der Wasseraustausch / -gebrauch deutlich reduziert werden. (2) kann der

Düngemitteleinsatz in der Pflanzenproduktion im Gewächshaus, der mit hohen

Kosten verbunden ist, deutlich gesenkt werden. Dadurch würden beide Systeme

nachhaltiger und Ressourcen-schonender gestaltet.

Die Etablierung eines Erbsen-basierenden Aquaponik-Systems wurde am Beispiel

des afrikanischen Raubwelses (Clarias gariepinus) durchgeführt. Die Erbse wurde

gewählt, weil sie sich durch ihren proteinhaltigen Samen sowie ihrem äußerst

geringen Gehalt anti-nutritiver oder schwer verdaulicher Inhaltsstoffe auszeichnet.

Damit eignet sich die Erbse prinzipiell als Futterbeimischung in der Aquakultur und

kann so denn Verwendung von Wildfischen in der Futtermittelproduktion verringern.

Darüber hinaus ist die Produktion pharmazeutisch-relevante Stoffe in der Erbse im

Gewächshaus etabliert.

Der Versuchsaufbau umfasste drei Aquarien (Triplikate Gruppen). Jedes der drei

Aquarien wurde in drei Kompartimente untereilt. In zwei Kompartimenten erfolgte die

Erbse/Wels-Kokultur. Die Erbsen wurden auf Styroportabletts (Abb. 34a) angezogen

und im Alter von zwei Wochen in die Fischbecken eingesetzt (Versuchsstart). Das

dritte Kompartiment, in dem ein konventionelles Biofilm-basierendes Filtersystem das

Wasser reinigte, diente als Vergleich (Abb. 34b).

Wie in Abbildung 34 dargestellt, führen beide Systeme nach einer kurzen

Adaptationszeit zu einer deutlichen Verminderung des Ammoniumgehalts.

Demgegenüber ist der konventionelle Biofilter nicht in der Lage, das anfallende Nitrit

zuverlässig und/oder hinreichend aus dem System zu eliminieren (Abb. 34d). Die

gemessenen Werte liegen deutlich über dem Richtwert für Trinkwasser von 0,5 mg/L.

Auf der anderen Seite bildeten die Erbsenwurzeln in Hydrokultur keine Knöllchen

aus. Bei dieser sogenannten Nodulation handelt es sich aus einer Symbiose von

Erbsenwurzeln und Bodenbakterien, den Rhizobien, wobei letztere die Pflanze durch

die Assimilation von Luftstickstoff (N2) mit diesem Makroelement versorgen. Da die

Erbsen in Hydrokultur dennoch keine Beeinträchtigung von Wachstum- und

Entwicklung zeigten, und allein das Ammonium aus dem Fischprozesswasser als

Stickstoffverbindung zur Verfügung stand, ist davon auszugehen, dass die Erbsen

die anorganischen Stickstoffverbindungen aufnehmen und für ihr Pflanzenwachstum

einsetzen, wodurch sie das Fischprozesswassser effektiv reinigen.

55

 

 

onik I 

onik II 

C  D

3,5  40,0

3,0  35,0

30,0

2,5 

25,02,0 

        Biofilte

          Aquap

        Aquap

20,0

1,5 

15,0

          Biofilter

          Aquaponik I

          Aquaponik II

1,0 10,0

0,5 5,0

0,0  0,01         3         5         7         9        11      13      15      17      19      21      23      25      27      29

Versuchstage [d] 1        3        5        7        9       11      13      15      17      19      21      23      25      27      29 

Versuchstage[d] 

Es konnte durch die Mitarbeiter der Prof. Aquakultur kein Unterschied in der

Biomassezunahme (Gewicht/Länge) der Welse beider Gruppen festgestellt werden.

Daher ist davon auszugehen, dass die Erbse keine sich auf die Welse negativ

auswirkenden Substanzen in das Prozesswasser abgeben. Diese Ergebnisse konnte

in einer zweiten, unabhängigen Wiederholung bestätigt werden.

A  B  

                 

Abb. 34: Aquaponiksystem aus Erbse und Wels. (A) Aquarium mit Erbse/Wels-

Kokultur; (B) Aquarium mit konventionellem Biofilter; (C) Ammonium- und

(D) Nitritkonzentration in den verschiedener Gruppen.

2. Substitution von konventionellem Fischfuttermittel durch Pflanzen

Die Bereitstellung adäquater Futtermittel ist eine der größten Herausforderungen in

der intensiven Fischproduktion, die bis zu 70 % der Kosten der Aquakultur

ausmachen. Dabei müssen zwei Aspekte gewährleistet sein: (1) die Versorgung mit

wichtigen, essentiellen Nährstoffen, wie Amino- und Fettsäuren, um eine effektive

Mast und Tier- bzw. Fischgesundheit zu sichern. Deshalb basiert das Futter

gegenwärtig auf Fischmehl und –öl, für dessen Herstellung Wildfische gefangen

werden. (2) die nachhaltige Produktion der Futtermittel, um eine konstante

Verfügbarkeit sicherzustellen: Auf Grund ihrer begrenzten Verfügbarkeit können

Wildfische allein den Bedarf der stetig wachsenden Aquakulturwirtschaft nicht

Ammoniumkonzentration [m

g NH

4  /L] 

Nitritkonzentration [m

g NO

2  /L] 

‐ 

56

 

 

Alter [Wochen]  ) 

TG) 

decken. Pflanzen wie Soja oder Leguminosen stellen eine attraktive Alternative als

Protein- und Öllieferant dar.

Der Nilbuntbarsch (O. niloticus) wurde als Modellart ausgewählt, da er als omnivorer

Fisch natürlicherweise auch Pflanzenmaterial frisst. Die Erbse eignet sich als

Futtermittelersatz, da sie im Vergleich zu anderen Pflanzenarten nur geringe Mengen

sogenannter antinutritiver Verbindungen enthält und für die Fische leicht verdaulich

ist. Des Weiteren ist die Anzucht der Erbsen unter Gewächshausbedingungen gut

etabliert.

In einem Vorversuch wurde zunächst der Protein- und Zuckergehalt der Erbsen

(Sorte Greenfeast) zu unterschiedlichen Entwicklungsphasen bestimmt (Abb. 35), um

den optimalen Zeitpunkt der Verfütterung zu ermitteln. Im Alter von 6 Wochen

besitzen die Erbsen die ideale Kombination aus Blattbiomasse (Abb. 35b), Protein-

(Abb. 35c) und Zuckergehalt (Abb. 35d).

Abb. 35: Biomasse und Nährstoffgehalt der Erbse ‚Greenfeast‘ in unterschiedlichen

Entwicklungsphase. (A) Fotos der unterschiedlichen Entwicklungsphasen;

(B) Blatt-Biomasse-Entwicklung; (C) Blatt-Proteingehalt und (D) Blatt-

Zuckergehalt der unterschiedlichen Entwicklungsphasen.

Der Versuchsaufbau umfasste drei Aquarien (Triplikate Gruppen). Jedes der drei

Aquarien wurde in drei Kompartimente untereilt. Bei der täglichen Futtermenge

D Erbse var. Greenfeast Blatt‐Zuckergehalt 

40 

35 

30 

25 

20 

15  Zucker/FG 

10  Zucker/TG 

4  6  8  10 

Alter [Wochen] 

A Erbsevar. Greenfeast 

C  Blatt‐Proteingehalt 

3 Protein/FG

2 Protein/TG

4 6 8  10 

BErbse var. Greenfeast 

Blatt‐Biomasse 

30 

25 

20 

15 Frischgewicht (FG

10 Trockengewicht(

4  6  8  10 

Alter [Wochen] 

Blatt‐Biomasse [g] 

Zuckergehalt [%

] Proteingehalt [%] 

57

 

 

wurde sich an die Angaben des Herstellers des konventionellen Futtermittels (Aller

37/10 Float) orientiert. Wie in Tabelle 9 dargestellt, erhielt pro Aquarium jeweils eine

Gruppe ausschließlich das konventionelle Futtermittel bzw. Erbsenblätter. Die dritte

Gruppe wurde mit beidem in gleichem Verhältnis gefüttert. Die

Nährstoffzusammensetzung des konventionellen Futtermittels und der Erbsen

unterscheidet sich v.a. im Proteingehalt (Tab. 10)

Tab. 9: Zusammensetzung des Futters der verschieden Nilbuntbarsch-Gruppen.

Futterart Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3

Futtermittel [%]

100

0

50

Erbsenblätter [%]

0

100

50

Tab. 10: Vergleich des Proteingehalts des konventionellen Futtermittels Aller 37/10

Float und Erbsenblättern der Sorte ‚greenfeast‘.

  Proteingehalt

Futtermittel [%]

37%

Erbsenblätter [%/TG]

3,9%

[6 Wochen]

Im Rahmen des Versuchs sollte drei Fragen geklärt werden: (1) Welche Gruppe frisst

am meisten, (2) Gibt es eine Präferenz zwischen Standardfuttermittel und Erbsen,

und (3) gibt es Unterschiede in der Massezunahme der Fische? Wie in Abbildung

36a dargestellt, wird das Futtermittel vollständig gefressen, die Erbsenblätter aber

nur zum Teil. Dementsprechend zeigte die Gruppe, die ausschließlich

konventionelles Futtermittel erhielt, den höchsten spezifischen

Wachstumskoeffizienten (SGR; Abb. 36d; Tab. 11). Allerdings gewöhnten die Fische

sich mit der Zeit an das Blattmaterial und fraßen im Verlauf des Versuchs immer

mehr (Abb. 36b). Des Weiteren ist hervorzuheben, dass das Protein der Erbsen

wesentlich effektiver in Biomasse umgesetzt wird (Abb. 36c, Tab. 12). Die hohe

Mortalitätsrate der Gruppe, die zu 100 % mit Erbsenblättern gefüttert wurde, weist

58

 

 

C

Tage [d] 

aber darauf hin, dass diese auf Grund des vergleichsweise geringen Proteingehalts,

als alleiniges Futtermittel bzw. Proteinquelle nicht ausreicht.

Die Ergebnisse dieses Versuches können wie folgt zusammengefasst werden: (1)

100 % Erbse ist nicht zu empfehlen für O. niloticus, (2) 50 % Erbse und 50 % FM ist

möglich mit geringen Wachstumseinbußen. Demzufolge sind Erbsenblätter als

Ergänzungsfuttermittel geeignet.

Abb. 36: Futterverwertung und Überlebensrate der Nilbuntbarsch-Gruppen. (A)

verzehrte Gesamtfuttermenge; (B) verzehrte Erbsen-Blattmenge; (C)

Proteinverwertungskoeffizient (PER); (D) spezifischer

Wachstumskoeffizient (SGR) & (E) Überlebensrate der Nilbuntbarsche.

Protein‐Verwertungskoeffizient(PER) 

100 

80 

60 

40 

20 

100% Erbse  50% Erbse / 50% FM  100% FM 

spezifischer  Wachstumskoeffizient  (SGR) 

100% Erbse  50% Erbse / 50% FM  100% FM 

[%] 100 

90 

80 

70 

60 

50 

         Ø 100% Erbse 40 

Ø 50%Erbse / 50% FM 

30 

20 

10 

1  8  15  22  29  36  43  50 

Tage [d] 

verzerrte Erbsen‐ & Futtermittelmenge

A  Trockengewicht  [absolut] 100 

90 

80 

70 

60 

50  Ø 100% Erbse 

40  Ø 50%Erbse / 50% FM 

          Ø 100% Futtermittel 30 

20 

10     

0

1 8 15 22 29 36 43 50

B  von Tilapien verzerrte Erbsen‐Blattmenge D

Überlebensrate 120 

100 

80 

60 

40 

20 

0Wo

2 Wo

4 Wo

6 Wo

8Wo

0

100% Erbse  50% Erbse / 50% FM  100% FM

lebende Nilbuntbarsche  [%] 

verzerrte Erbsen‐Blattmenge

  [%] 

verzerrte Futtermen

ge [%] 

PER [%] 

SGR [% d

‐1] 

59

 

 

Tab. 11: Spezifischer Wachstumskoeffizient (SGR) der verschiedenen

Fütterungsgruppen.

  100% Erbse 50% Erbse

50% FM 100% FM

spezifische Wachstums- koeffizient

[% d-1]

0,73 0,8

1,39 0,2

2,27 0,1

Tab. 12: Proteinverwertungskoeffizient (PER) der verschiedenen Fütterungsgruppen.

  100% Erbse 50% Erbse

50% FM 100% FM

Protein- Verwertungs- koeffizient

[% ]

67,3 11,2

13,9 5,2

16,4 1,5

3. Reduktion des Düngemitteleinsatzes beim kommerziellen Anbau von

Nutzpflanzen im Gewächshaus durch den Einsatz von Fischprozesswasser

In Zusammenarbeit mit der Professur Aquakultur (Prof. Dr. Palm) sowie Pflanzenbau

(Prof. Dr. Uptmoor) wurden Versuche durchgeführt, in der die Nutzung des

Fischprozesswassers als Düngemittelersatz im Vordergrund stand. Das Ziel war die

Kostenreduktion der Pflanzenproduktionskosten im Gewächshaus.

Unter Verwendung des Fischprozesswassers des afrikanischen Raubwels (Clarias

gariepinus) aus semi-intensiver Fischzucht (100 kg Fisch/m3) als Düngemittelersatz

wurden die drei Kulturarten Tabak, Kartoffel und Erbse einerseits auf konventionelle

Weise bewässert und gedüngt und andererseits mit Fischprozesswasser bewässert.

Diesem wurde stufenweise Düngerkonzentrat zu gesetzt, da die Erde, die für die

Anzucht verwendet wurde, über einen Grundgehalt an Nährstoffen verfügt. In den

ersten vier Wochen wurde dem Fischprozesswasser kein Düngersubstrat, in den

zweiten vier Wochen 50 % der Düngerkonzentration im Vergleich zur Kontrollgruppe

und nach acht Wochen 75 % zugesetzt. Der Versuchsaufbau ist in Abbildung 37

schematisch abgebildet.

60

 

 

Um bewerten zu können, inwieweit das Fischprozesswasser zur Düngung geeignet

ist, wurden bzw. werden folgende Messparameter erfasst:

o Ertrag (Biomasse) o Samenertrag (Gewicht, Größe) o Samenqualität (Keimfähigkeit, Proteingehalt, Vitalität der Nachkommen) o Knollenertrag (Gewicht, Größe) o Knollenqualität (Keimfähigkeit, Lagerfähigkeit, Stärkegehalt,

Proteingehalt, Stressparameter , Vitalität der Sprosse) o Proteinexpression in Pflanze und Samen anhand von Markerproteinen

Damit die Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet ist, wurden alle drei Kulturarten in

der gleichen Gewächshauskabine angezogen und der Versuchsaufbau randomisiert,

um den Einfluss externer, nicht-beeinflussbarer Parameter zu minimieren (Abb. 37).

Zudem wurden für jede Kulturart verschiedene Linien untersucht.

Als Markerproteine für Tabak und Kartoffel dient dabei Cyanophycin (CP), ein

proteinogenes Polymer. Dieses eignet sich auf der einen Seite zur Substitution von

Erdöl für die Herstellung von Polyacrylaten, und auf der anderen Seite für die

Produktion ernährungsphysiologisch hochwertiger Dipeptide. Letzteres ist die in der

Humanmedizin sowie in der Tierzucht für die Versorgung mit essentiellen

Aminosäuren sehr gefragt. Zur Inhaltsstoffanalyse Erbse wird das Protein CTB::VP60

verwendet, dass in der Tiermedizin zur Behandlung der hämorrhagischen

Kaninchenkrankheit RHDV eingesetzt wird. Für beide Modellproteine gibt es bereits

zahlreiche Daten aus Freilandversuchen sowie aus der konventionellen Anzucht im

Gewächshaus, die ebenfalls zum Vergleich herangezogen werden können.

Der Versuch konnte nur in dem neu errichteten Fischglashaus durchgeführt werden,

das erst Ende August 2015 bezugsfertig war. Daher befinden sich die Pflanzen noch

in der vegetativen Wachstumsphase und die Samen- bzw. Knollenausbildung ist

nicht abgeschlossen. Es liegen zurzeit also noch keine Ergebnisse zu diesem

Versuch vor.

61

 

 

A       

B  Tabak 

     

176 1 ‐ 10 

157 21 ‐ 30 

157 1 ‐ 10 

157 31 ‐ 40 

157 11 ‐ 20 

 8  7  6 

Tisch 2 

5  4 Tisch 4 

3  2  1 Tisch 6 

 

Kartoffel  Erbse     

 23  12  12  23 

1 ‐ 15  31 ‐ 45  16 ‐ 30  46 ‐ 60

 

8  7  6  5  4 Tisch 3 

3  2  1 Tisch 7 

8  7  6 Tisch 5 

5  4   Tisch 

2  1 Tisch 8 

 

 

Abb. 37: Versuchsaufbau der Kabine 1.03 des FischGlasHaus zur Pflanzenanzucht

mit Fischprozesswasser. (A) schematische Übersicht über den

Versuchsaufbau in Kabine 1.03: rechtes Kompartiment: Versuchsaufbau

der Professur Agrtobiotechnologie zur Kultivierung von Tabak, Kartoffel

und Erbse mit und ohne Fischprozesswasser; linkes Kompartiment:

Anzucht von Gurken durch die Professur Pflanzenbau; Zahlen:

Tischnummerierung für die Versuchsrandomisierung; (B) Übersicht über

die Versuchsrandomisierung: obere Zahl: Pflanzenlinie, untere Zahl:

Individuum / Geschwister.

8  7  6  5 4 3 2  1

Erbse 

Erbse 

Kartoffel 

Tabak 

Tabak 

Erbse 

Erbse 

Erbse 

Tabak 

Kartoffel 

Tabak 

Kartoffel 

Erbse 

Tabak 

Kartoffel 

Tabak 

Tabak 

Erbse 

Erbse 

128 1 ‐ 10 

128 21 ‐ 30 

Erbse 

Kartoffel 

128 11 ‐ 20 

176 21 ‐ 30 

Erbse 

Tabak 

Kartoffel 

176 11 ‐ 20 

128 31 ‐ 40 

Tabak 

Erbse 

176 31 ‐ 40 

12 1 ‐ 15 

23 31 ‐ 45 

Kartoffel 

Tabak 

Erbse 

23 16 ‐ 30 

12 46 ‐ 60 

Tabak 

Kartoffel 

Tabak 

arc 

phas7‐82b‐2‐8 5‐44c‐20‐1 1 ‐ 15 31 ‐ 45 

phas 

arc 5‐44c‐20‐1 7‐82b‐2‐8

1 ‐ 15 31‐45

phas 

arc 5‐44c‐20‐1  7‐82b‐2‐8 16 ‐ 30  46 ‐ 60 

arc 

phas 7‐82b‐2‐8  5‐44c‐20‐1 16 ‐ 30  46 ‐ 60 

62

 

 

2.2.4 Pflanzenbau

Prof. Uptmoor, Frau Claus (Personal 8) Versuch Satower Straße 2014

Nährstoffgehalte Wels/Gurke Aquaponik

Im Zeitraum vom 02. Juni 2014 bis zum 01. September 2014 wurden in der

Aquaponikeinheit zur Erarbeitung des Animal Welfare Nährstoffanalysen am Einlass

zur mit Gurken bestückten Schwimmhydroponikeinheit sowie an den Auslässen der

Hydroponikeinheit und am Auslass Aquakultureinheit/Einlass Sedimenter gemessen

(Abbildung 38). Die Messungen wurden wöchentlich durchgeführt. Zusätzliche

Analysen wurden am Sediment vorgenommen. Ein Vorversuch wurde im Zeitraum

März bis Mai durchgeführt. Ergebnisse des Vorversuchs werden an dieser Stelle

nicht aufgeführt. Gemessen wurden Nitrat (NO3), Nitrit (NO2) und Ammonium (NH4),

der Gesamtgehalt an organischem und anorganischem Phosphor (P), sowie die

Gehalte an Kalium (K), Kalzium (Ca) und Natrium (Na). Der Gesamtgehalt an

mineralischem Stickstoff (Nmin) wurde als Summe der drei anorganischen N-

Fraktionen berechnet, der Gehalt an organischem Phosphor als Differenz aus

Gesamt-P und Pmin. Die Bestimmung von Magnesium-Gehalten (Mg) steht noch aus.

Neben den genannten Nährelementen wurde der Gehalt an Natrium (Na) gemessen.

Na ist für Pflanzen nicht essentiell. In geringen Konzentrationen wirkt Na sich jedoch

positiv z.B. auf den Wasserhaushalt aus, indem K-Funktionen übernommen werden.

In hohen Konzentrationen führt Na im Bewässerungswasser zu osmotischem Stress

und kann zu toxischen Reaktionen in der Pflanze führen. Detaillierte Messprotokolle

finden sich in der Abschlussarbeit Paschen (2014).

Nährstoffkonzentrationsvergleiche wurden zu einer an die Hoagland-Nährlösung

angelehnten Lösung, die seit Jahrzehnten als Standard in der Wissenschaft genutzt

wird und auch zur Produktion von Tomaten geeignet ist, sowie zu einer optimierten

Nährlösung zur Fertigation von Gurken vorgenommen. Die Hoagland-Nährlösung

enthält 210 mg l-1 N, 35 mg l-1 P, 235 mg l-1 K, 65 mg l-1 S, 200 mg l-1 Ca und

50 mg l-1 Mg sowie die Mikronährstoffe Bor, Eisen, Mangan, Zink, Kupfer und

Molybdän. Die Nährlösung zur Fertigation von Gurken enthält neben den genannten

Mikronährelementen 239 mg l-1 N, 50 mg l-1 P, 352 mg l-1 K, 38 mg l-1 S, 148 mg l-1

Ca, und 34 mg l-1 Mg. Der EC-Wert der Nährlösung sollte bei ca. 2,0 mS cm-1 liegen,

63

 

 

die Verhältnisse der Nährelemente zueinander (N:P:K:S:Ca:Mg) liegen bei ca.

1:0,2:1,5:0,2:0,6:0,15. Der ertragswirksame untere Grenzwert kann deutlich von den

genannten Nährlösungen abweichen. Zur Produktion qualitativ hochwertiger

Tomaten ist ein relativ hoher EC-Wert im Wurzelraum notwendig. Anspruchslose

Kulturarten wie Eisbergsalat oder Basilikum können mit deutlich niedrigeren

Nährstoffgehalten im Bewässerungswasser auskommen.

Abb. 38: Schematische Darstellung einer Aquaponikanlage mit den Messpunkten zur

Nährstoffanalyse Auslass Fischbecken (A1), Einlass Hydroponik (E1, E2)

und Auslass Hydroponik (A2, Paschen, 2014).

In Tabelle 13 sind die NO3, NO2, NH4 und Gesamt-Nmin Gehalte des aquaponischen

Systems aufgeführt. Die Gesamtgehalte sind für Nährlösungen relativ niedrig. Ein

Teil des von den Fischen ausgeschiedenen Ns war offenbar im Sediment verblieben

und stand der Ernährung der Pflanzen somit nicht zur Verfügung. Die NO3-Gehalte

im Sediment lagen zwischen 40 und 131 mg l-1.

Pflanzen nehmen N sowohl in Form von NH4 als auch in Form von NO3 auf. Obwohl

Pflanzen NH4 nutzen, um es in Aminosäuren einzubauen kann gleichermaßen NO3

oder NH4 aufgenommen werden. NO3 wird dabei in der Pflanze zu NH4 reduziert. In

den meisten Böden überwiegt der NO3-Anteil bei der N-Aufnahme und auch in

hydroponischer Kultur ist der NO3-Anteil in der Fertigationslösung i.d.R. deutlich

höher als der Anteil an NH4. Aufgrund des Biofilters in der Aquaponikanlage waren

die NH4-Werte im System durchweg niedrig und lagen außer am Messpunkt A1

unterhalb des messbaren Bereichs. Der Messpunkt A1 liegt am Auslass des

Fischbeckens bevor das mit Nährstoffen angereicherte Wasser den Biofilter passiert.

64

 

 

Tab. 13: NO3, NO2, NH4 und Gesamt-Nmin Gehalte in einem aquaponischem System

mit afrikanischem Wels und Salatgurke.

*A1: Auslass Fischbecken, E1, E2: Einlass Hydroponik, A2: Auslass Hydroponik.

In Tabelle 14 sind die Gehalte an Pmin, Porg, K, Ca und Na aufgeführt. Die

Nährstoffkonzentrationen zwischen Ein- und Auslass unterschieden sich kaum, was

weniger an der fehlenden Nährstoffaufnahme durch die im System befindlichen

Pflanzen gelegen haben mag als am raschen Durchfluss des Wassers.

Augenscheinlich sind die besonders niedrigen Pmin-Gehalte im Wasser. Die Gehalte

an Porg liegen deutlich über den Pmin-Gehalten. Pflanzen können zwar kein Porg direkt

aufnehmen, durch die Ausscheidung Wurzelexsudaten, insbesondere der sauren

Phosphatase, kann der Gehalt an verfügbarem P jedoch erhöht werden. Saure

Phosphatasen spalten als Hydrolasen organische Phosphate. Sehr hohe Mengen an

P wurden im Sediment gemessen. Der Gehalt an Porg lag zwischen 11,2 und 34,5 mg

l-1. Der Gehalt an Pmin war im Sedimenter ebenfalls vergleichsweise hoch und

erreichte 2,2 mg l-1.

Die K-Gehalte im Aquaponiksystem lagen weit unterhalb dessen, was als Optimum in

Nährlösungen angesehen wird. Die Na Werte lagen deutlich über den Grenzwerten

für Gurkenproduktion in Hydrokultur (30 mg l-1, Abbildung 39). Da Na+-Ionen ebenso

wie K+-Ionen stark quellend wirken, können Na+-Ionen die Funktion von K+ in der

Pflanze teilweise übernehmen. Allerdings ist K+ aufgrund der größeren Hydrathülle

weniger mobil in der Pflanze.

Nährstoff Probenahme* Mittelwert Standardabw. Maximum Minimum

NO3 (mg l-1) A1 45.5 16.0 63,9 11,1

  E1/E2 43,4 15,6 63,8 11,7

  A2 42,9 16,7 64,2 11,5

NO2 (mg l-1) A1 0,2 0,2 0,8 0,1

  E1/E2 0,2 0,2 0,8 0,0

  A2 0,2 0,2 0,8 0,1

NH4 (mg l-1) A1 0,01 0,03 0,12 0,00

  E1/E2 0,00 0,00 0,01 0,00

  A2 0,00 0,00 0,00 0,00

Nmin (mg l-1) A1 45,6 15,9 64,4 11,9

  E1/E2 43,6 15,5 63,6 12,0

  A2 43,1 16,6 64,2 12,2

65

 

 

Im Vergleich zu den anderen Elementen/Molekülen kamen die Ca-Gehalte in der

Aquaponikeinheit den Gehalten in Standardnährlösungen am nächsten. Niedrige Ca-

Gehalte können bei der Produktion von Tomaten in Verbindung mit klimatischen

Bedingungen, welche die Transpiration stark fördern, zu einem verbreiteten

Mangelsymptom in der Frucht, der Blütenendfäule führen. Da Ca mit dem

Transpirationsstrom im Xylem transportiert wird und ein aktiver Membrantransport

kaum stattfindet, wird unter solchen Bedingungen zwar genügend Ca aufgenommen,

der Transport erfolgt jedoch an der Frucht vorbei in die Blätter.

Tab. 14: Gehalte an organischem (Porg), mineralischem P (Pmin), K, Ca, Na in einem

aquaponischem System mit afrikanischem Wels und Salatgurke.

*A1: Auslass Fischbecken, E1, E2: Einlass Hydroponik, A2: Auslass Hydroponik.

Bezogen auf die maximal gemessenen Werte hatte die Nährlösung eine N:P:K:Ca

Zusammensetzung von 1:0,02:0,25:1,55 und wich damit deutlich von optimalen

Nährlösungen ab (Abbildung 39).

Nährstoff Probenahme* Mittelwert Standardabw. Maximum Minimum

Pmin (mg l-1) A1 0,1 0,3 1,0 0,0

  E1/E2 0,1 0,1 0,5 0,0

  A2 0,1 0,1 0,5 0,0

Porg (mg l-1) A1 0,3 0,4 1,3 0,0

  E1/E2 0,3 0,3 1,2 0,0

  A2 0,3 0,3 1,3 0,0

K (mg l-1) A1 5,4 6,1 16,3 0,1

  E1/E2 4,8 5,2 15,7 0,1

  A2 4,7 6,1 15,6 0,1

Ca (mg l-1) A1 79,5 24,1 98,3 21,4

  E1/E2 82,1 18,9 98,3 42,8

  A2 83,1 15,4 97,4 48,2

Na (mg l-1) A1 43,0 6,6 50,0 27,0

  E1/E2 43,1 6,2 50,0 30,0

  A2 42,7 6,7 50,0 27,0

66

 

 

Abbildung 39: Vergleich zwischen dem Soll- und dem Istzustand der Nährelemente

N, P, K, Ca, Mg und SO4 zueinander sowie der Na-Grenzwert für die

Fertigation von Gurken. Die Berechnung des Istzustandes basiert auf

maximalen Messwerten aus den Tabellen 1 und 2.

Pflanzenanalysen

Pflanzenanalysen wurden am Ende des Wels/Gurke Aquaponikversuchs sowie am

Ende eines Versuchs mit Tilapien und Karpfen in der Aquakultur und

Tomate/Gurke/Salat in einer Kiesbettpflanzanlage durchgeführt. Gemessen wurden

Gehalte an N, P, K, Ca und Na in den Blättern der Gurkenpflanzen. Nährstoffgehalte

der Tomaten und des Salats wurden nicht ermittelt. Mg-Analysen stehen noch aus.

Die Aufnahme von Nährstoffen in Hydrokulturen ist von der Nährstoffkonzentration

und der Menge verfügbaren Wassers abhängig. Nährstoffkonzentration und Menge

an mit Nährstoffen angereichertem Wasser ergeben die absolute Menge an

verfügbaren Nährstoffen. Eine günstige Nährstoffzusammensetzung ist weiterhin für

die optimale Ernährung der Pflanzen von Vorteil. Die Nährstoffgehalte

unterschiedlicher Pflanzenteile können ebenso variieren, wie die Nährstoffgehalte

derselben Organe unterschiedlichen Alters. Alle in Tabelle 15 gemachten Angaben

beziehen sich auf Werte, die in jungen, voll entwickelten Blättern gemessen wurden,

der physiologische Zustand bzw. das physiologische Alter waren somit vergleichbar.

67

 

 

Tab. 15: Mittlere Nährstoffgehalte und Standardabweichungen von Gurkenblättern

aus Aquaponikanlagen mit verschiedenen Fischarten sowie den

Pflanzsystemen Kiesbett (Tilapia und Karpfen) und Schwimmhydroponik

(Wels).

Nährelement Welse Tilapien Karpfen

N (mg / 100 g) Mittelwert 3387 4281 3817

  Standardabw. 334 389 963

P (mg / 100 g) Mittelwert 188 400 393

  Standardabw. 60 111 136

K (mg / 100 g) Mittelwert 1257 1451 1281

  Standardabw. 387 346 224

Ca (mg / 100 g) Mittelwert 5360 4490 6294

  Standardabw. 2922 453 2031

Mg (mg / 100 g) Mittelwert

Standardabw.

     

Na (mg / 100 g) Mittelwert 118 81 71

  Standardabw. 47 0 0

Obwohl die gemessenen Nitrat und Ammonium Gehalte in den

Bewässerungswassern relativ niedrig waren, lagen die N-Gehalte im Blatt in

Bereichen, in denen bei den meisten landwirtschaftlichen Kulturen nicht mit

Ertragseinbußen zu rechnen ist. Hier ist allerdings zu bedenken, dass gerade mobile

Nährstoffe wie N in Pflanzen an die Orte des größten Bedarfs transportiert werden

und somit höchste Gehalte in den jüngsten voll entwickelten Blättern zu erwarten

sind. Die Pflanzen der Gurke/Welsanlage zeigten ausgesprochene Mangelsymptome

(Chlorosen, Nekrosen) an den älteren Blättern.

Die P-Gehalte waren in der Welsanlage deutlich zu niedrig, lagen in den beiden

Anlagen mit Kiesbettkultur jedoch im akzeptablen Bereich. Die gemessenen

Kaliumwerte waren in allen drei Anlagen sehr niedrig. Die Ca-Gehalte lagen

oberhalb dessen, was im Regelfall als Normal- bzw. Optimalbereich angegeben wird.

Die Ergebnisse entsprechen somit den bereits in der Nährlösung festgestellten,

vergleichsweise hohen Ca-Gehalten. Da von Ca keine Toxizität ausgeht, sind die

Gehalte unbedenklich.

68

 

 

Gurkenertragsleistung der Gurke/Wels Aquaponikanlage

Aufgrund der relativ niedrigen Nährstofffrachten in Fischabwässern ist die klassische

Hydrokultur mit inerten Substraten wie Steinwolle zur Produktion von Gemüsearten

wie Gurke, Tomate, Aubergine oder Paprika wahrscheinlich nur mit zusätzlicher

Düngung ohne Ertrags- und Qualitätseinbußen möglich. Schwimmhydroponiks und

evtl. auch die Nährstofffilmtechnik (NFT) stellen erfolgversprechendere Alternativen

dar. Aufgrund der sehr großen Wassermenge, die Pflanzen in Schwimmhydroponiks

zur Verfügung stehen, werden sich niedrige Gehalte an Nährstoffen u.U. weniger

negativ auswirken als bei anderen Kulturverfahren. Im Vergleich zum NFT-System ist

bei gut belüfteten Schwimmhydroponiks mit niedrigerem Krankheitsdruck zu rechnen.

Die gemessenen Erträge lagen in der Anlage bei ca. 2,8 Gurken/lfdm. Das

Ertragsziel liegt bei 200 Gurken je lfdm im Jahr, was in der Hauptertragszeit einer

wöchentlichen Ernte von 8 Gurken/lfdm entspricht. Zwar können die Erträge in den

ersten Monaten nach Produktionsbeginn deutlich darunter liegen, die Ertragsziele

konnten in der Versuchsanlage jedoch nicht erreicht werden, was wahrscheinlich an

den niedrigen Nährstoffgehalten im Bewässerungswasser lag.

Obwohl Fische zwischen 30 und 65 % der über das Futter zugeführten N-Menge und

bis zu 40 % des zugeführten Ps wieder ausscheiden (Buzby & Lin, 2014), sind

niedrige Gehalte an den Makronährstoffen K, P und S sowie den Mikronährstoffen

Eisen und Mangan in Aquaponiksystemen aus der Literatur bekannt (Graber &

Junge, 2009, Roosta & Hamidpour, 2013, Vergote & Vermeulen, 2010). Die

fehlenden Nährstoffe konnten teilweise durch Blattgaben ersetzt werden (Roosta &

Hamidpour, 2011; Roosta, 2014a). Eine Alternative stellt die Produktion

anspruchsloser Kulturen dar, allerdings konnten auch dort keine Maximalerträge

erzielt werden, solange die Bewässerung ausschließlich über Aquakulturabwasser

erfolgte (Roosta, 2014b). Neben den niedrigen Nährstoffgehalten ist auch die in

dieser Studie beobachtete schwankende Nährstoffzusammensetzung in der Literatur

beschrieben (Buzby & Lin, 2014; Hussain et al., 2014a, Hussain et al., 2014b).

69

 

 

Versuch Justus von Liebig Weg 2015 (FischGlasHaus)

Nährstoffgehalte in der Aquaponikanlage

Während der Versuchsdauer in der Kammer 1_05, in welcher verschiedene

Aquaponiksysteme miteinander verglichen wurden (s.u.), wurden einmal wöchentlich

Makronährstoffgehalte aus der intensiven Aquakulturanlage bestimmt. Die

Nährstoffgehalte waren zunächst stark schwankend, haben dann aber ein

gleichmäßig hohes Niveau erreicht. Die genaue Analyse der Daten steht noch aus,

erste Ergebnisse sind in Abb. 40 dargestellt. Auffällig ist, dass besonders der Kalium

(K) Gehalt im Mittel über die Messtermine sehr niedrig ausfällt. Die Phosphor (P)

Gehalte waren im Vergleich zu den Vorversuchen in der Satower Straße deutlich

erhöht. Besonders die Calzium (Ca) aber auch Schwefel (S) und Magnesium (Mg)

Gehalte waren vergleichsweise hoch.

Abb. 40: Mittlere prozentualer Anteile der Makronährstoffe an den Gehalten einer für

Gewächshausgurke optimierten Nährlösung.

Neben den Makronährstoffgehalten wurden an drei Terminen Mikronährstoffgehalte

gemessen. Bislang wurde erst ein Analysetermin ausgewertet. Die Ergebnisse sowie

mittlere Natrium (Na) Gehalte im Prozesswasser sind in Abb. 41 dargestellt. Die Na-

Gehalte übersteigen tolerierte Gehalte um ca. 50 %, es besteht aber noch keine

Gefahr für toxische Effekte oder ertragsrelevante Stresseffekte. Mangan (Mn) und

Molybdän (Mo) Gehalte sind besonders niedrig und müssen für ein optimiertes

Wachstum zugedüngt werden. Die Kupfer (Cu) Gehalte übersteigen das Optimum,

sind aber ebenfalls noch nicht als problematisch zu betrachten. Es wurden relativ

70

 

 

hohe Eisen (Fe) Werte festgestellt, die Zink (Zn) Gehalte waren niedriger als

erwartet.

Abb: 41: Natrium und Mikronährstoffgehalte im Prozesswasser der Aquakultureinheit.

Abb. 42 zeigt ausgewählte Nährstoffe der aufgedüngten Nährlösung, die zur

Fertigation von Gurken benutzt wurde. Ziel war eine sehr moderate Düngung, es

wurde ein Fertigdünger genutzt, da zu Beginn des Versuchs noch nicht bekannt war,

wie hoch die Nährstoffgehalte im Prozesswasser sind. Auffällig ist, dass besonders

die P-Gehalte nicht das gewünschte Maß erreicht haben. Unter Umständen hat eine

Festlegung stattgefunden, die genauere Datenanalyse wird hier nähere

Informationen liefern.

Abb. 42: Mittlere Makronährstoff- und Natriumgehalte im Prozesswasser (blau) sowie

in der Nährlösung (rot), die für die Bewässerung genutzt wurde.

71

 

 

Pflanzenentwicklung und Erträge

Es wurden drei verschiedene Kulturverfahren miteinander verglichen:

Kiesbettkultur

Schwimmhydroponiks

Nutrient film technique (NFT)

Das Kiesbett hatte eine Höhe von ca. 16 cm und wurde mit einem Ebbe-Flut-System

bewässert. Die Wasserstandshöhe im Schwimmhydroponik betrug ebenfalls ca. 16

cm. Die NFT-Rohre hatten einen Durchmesser von 10 cm und ein Gefälle von ca. 1

%. Der Versuch wurde mit drei Wiederholungen angelegt, der Wasserzulauf war für

alle Systeme gleich.

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Blattflächenentwicklung im Kiesbett und

Schwimmhydroponik in etwa gleich war (Abb. 43). Im NFT-System wurde eine

deutlich geringere Blattflächenentwicklung festgestellt. Ein ähnliches Bild zeigt sich

bei der Anzahl der Blätter. Auch hier wurden im NFT-System deutlich weniger Blätter

gebildet als in den beiden anderen Systemen (Abb. 44).

Abb. 43: Blattflächenentwicklung im Kiesbett (blau), Schwimmhydroponik (rot) und

NFT-System (grün).

72

 

 

Abb. 44: Pflanzenentwicklung im Kiesbett (A), Schwimmhydroponik (B) und NFT-

System (C).

Erträge wurden 63 bis 68 Tage nach der Verpflanzung der Gurken gemessen. Nach

dem 68. Tag war aufgrund einer Welkeerkrankung ein starker Abwurf von Blüten und

sehr kleinen Gurken zu beobachten. Die Welke hat aufgrund des einfachen

Wasserkreislaufs zwar alle Varianten und Wiederholungen erfasst, trotzdem waren

die Abwürfe nicht an allen Pflanzen gleich hoch, so dass eine weitere Erhebung von

Ertragsdaten wenig Sinn gemacht hätte. Die Erträge lagen - gefolgt vom

Schwimmhydroponik - im Kiesbett am höchsten. Die Erträge im NFT-System fielen

deutlich niedriger aus (Tab 16). Ein Grund für die niedrigen Erträge und die schlechte

Entwicklung im NFT-System kann der hohe Wasserstand im System gewesen sein.

Hier sind weitere Untersuchungen mit stärkerer Neigung der NFT-Rohre notwendig.

Tab. 16: Ertragszahlen für Gurken in drei Hydroponiksystemen.

  Gurken/Pflanze Länge (cm)

Durchmesser (cm)

Gewicht (g)

Kiesbett 1,9 ±0,3 24,1 ±0,2 3,6 ±0,1 177 ±5

Schwimmhydroponik 1,5 ±0,8 24,6 ±1,2 3,8 ±0,2 204 ±36

NFT-System 0,5 ±0,5 22,3 ±0,7 3,1 ±0,2 126 ±7

73

 

 

Literatur Buzby, K.M., Lin, S.L. (2014) Scaling aquaponic systems: Balancing plant uptake

with fish output. Aquacultural Engineering 63: 39-44.

Graber, A., Junge, R. (2009) Aquaponic systems: Nutrient recycling from fish

wastewater by vegetable production. Desalination 246: 147-156.

Hussain, T., Verma, A.K., Tiwari, V.K., Prakash, C., Rathore, G., Shete, A.P., Nuwan,

K.K.T. (2014a) Optimizing koi carp, Cyprinus carpio var. koi (Linnaeus, 1758),

stocking density and nutrient recycling with spinach in an aquaponic system.

Journal of the World Aquaculture Society 45: 652-661.

Hussain, T., Verma, A.K., Tiwari, V.K., Prakash, C., Rathore, G., Shete, A.P.,

Saharan, N. (2014b) Effect of water flow rates on growth of Cyprinus carpio

var. koi (Cyprinus carpio L., 1758) and spinach plant in aquaponic system.

Aquaculture International 23: 369-384.

Paschen, O. (2014) Analyse relevanter Nährstoffgehalte bei der Vergesellschaftung

von Cucumis sativus mit Clarias gariepinus im Rahmen eines Aquaponic-

Systems. BSc-Abschlussarbeit Universität Rostock.

Roosta, H.R. (2014a) Effects of foliar spray of K on mint, radish, parsley and

coriander plants in aquaponic system. Journal of Plant Nutrition 37: 2236-

2254.

Roosta HR (2014b) Comparison of the vegetative growth, eco-physiological

characteristics and mineral nutrient content of basil plants in different irrigation

ratios of hydroponic: aquaponic solutions. Journal of Plant Nutrition 37:11,

1782-1803

Roosta, H.R., Hamidpour, M. (2011) Effects of foliar application of some macro- and

micro-nutrients on tomato plants in aquaponic and hydroponic systems.

Scientia Horticulturae 129: 396-402.

Roosta, H.R., Hamidpour, M. (2013) Mineral nutrient content of tomato plants in

aquaponic and hydroponic systems: effect of foliar application of some macro-

and micro-nutrients. Journal of Plant Nutrition 36: 2070-2083.

Vergote, N., Vermeulen, J. (2010) Recirculation aquaculture system (RAS) with

tilapia in a hydroponic system with tomatoes. Acta Horticulturae 927: 67-74.

74

 

 

2.2.5 Landschaftsökologie und Standortkunde

Dr. Gerald Jurasinski, Dr. Uwe Buczko (Personal 7)

Gemeinsam mit dem Lehrstuhl Aquakultur co-betreute Bachelorarbeiten

Von der AG Landschaftsökologie und Standortkunde wurden in 2013 zwei

Bachelorarbeiten co-betreut:

(1) Bachelorarbeit Karl Bissa („Das Wachstum von afrikanischen Buntbarschen und

afrikanischen Welsen in einem ressourcenminimierten Aquaponiksystem“). In dieser

Bachelorarbeit wurden die Auswirkungen der unterschiedlichen Nährstoffverwertung

zweier Warmwasserfischarten in identischen Aquaponiksystemen (Ebbe-Flut-

System) untersucht und Wachstumsunterschiede von in dem System kultivierten

Pflanzen (Kopfsalat - Lactuca sativa, Gurke - Cucumis sativus, Tomate - Solanum

lycopersicum, Basilikum - Ocimum basilicum) und Fischen (Tilapia - Oreochromis

niloticus und Afrikanischer Wels - Clarias gariepinus) gegenübergestellt und

Ursachen dafür aufgezeigt.

Abb. 45: Darstellung des Wasserkreislaufs im verwendeten Ebbe-Flut-

Aquaponiksystem (Bissa, 2013).

(2) Bachelorarbeit Madeline Nievel („Räumliche Verteilung des Pflanzennährstoffs

Phosphor (Orthophosphat) in einem Ebbe-Flut-Aggregatsystem einer Warmwasser-

Aquaponikanlage“). In dieser Bachelorarbeit wurde untersucht, ob sich in einem

Ebbe-Flut Aggregatsystem einer Warmwasser-Aquaponikanlage unterschiedliche

Phosphorkonzentrationen finden und wie groß der Gradient der Phosphat-

Konzentration zwischen Zu- und Ablauf ist. Es wurde untersucht, ob ein

Zusammenhang zwischen der Phosphor-Konzentration und dem

75

 

 

Sauerstoffgradienten im Kiesbett sowie zwischen der Phosphor-Konzentration und

der Wassertemperatur besteht, ob die Phosphor-Konzentration im Kiesbett des

Aggregatsystems pH-Wert abhängig ist und ob sich die gemessenen

Phosphorkonzentrationen bei der Analyse von gefilterten oder ungefilterten

Wasserproben unterscheiden.

Aufbau und Betrieb eines Prototyps einer Schilfkläranlage

Zur Klärung der Fragestellung, in welchem Ausmaß mit Schilf (Phragmites australis)

bewachsene und mit sandigem Substrat gefüllte Behälter in der Lage sind,

nährstoffreiche (Ammonium, Nitrat, Phosphat) Restabwässer aus der Aquaponik-

Anlage des Lehrstuhls Aquakultur zu reinigen, wurde im Juli 2014 ein Prototyp einer

Schilfkläranlage errichtet. Diese Anlage wurde daraufhin vom September 2014 bis

November 2014 sowie im Juli 2015 mit Restabwässern zunächst der bisherigen

Aquaponikanlage in der Satower Str. 48 (Vorversuch), und dann mit Restabwässern

der neu errichteten Aquaponikanlage im Fischglashaus (Hauptversuch) beschickt.

Zu diesen Untersuchungen trugen sowohl studentische Arbeiten, welche im Rahmen

des Moduls „Wissenschaftliches und experimentelles Arbeiten“ des

Bachelorstudienganges Agrarwissenschaften sowie innerhalb des

Forschungsseminars im UIW Studiengang (WS 2014/15) angefertigt wurden

(Vorversuch), als auch eine an letztere anknüpfende Master-Arbeit (UIW Student

Steffen Wagner; Hauptversuch) bei. Für beide Versuche wurde dieselbe

Versuchsanlage verwendet, deren Aufbau im August 2014 abgeschlossen wurde.

Die getestete Schilfkläranlage besteht aus in drei Ebenen angeordneten Behältern

(Behälterkaskade), die im Batch-Verfahren beschickt und nacheinander durchströmt

wurden (Abb. 46). Dieser Aufbau wurde mehrfach mit Bewuchs (6 mit Schilfpflanzen

bepflanzte Behälterkaskaden) sowie ohne Bewuchs (3 Behälterkaskaden) wiederholt

und die Behälter in verschiedenen Versuchen mit unterschiedlichen Fischabwässern

beschickt. Dabei erfolgte zuerst die Befüllung der obersten Ebene I mit

Fischabwässern. Von dort wurden die Abwässer nach einer Aufenthaltszeit von 24h

in die tiefer gelegenen Behälter der Ebenen II und nach 24h-stündigem Aufenthalt

dort weiter in die Ebene III geleitet (Abb. 47, 49). Wasserproben wurden jeweils im

Ablauf der Versuchsbehälter entnommen beim Übergang des Wassers in den

nächsten Behälter bzw. in das Abwassersystem. Die Proben wurden auf Phosphat-P,

Nitrat-N, Ammonium-N und pH-Wert analysiert.

76

 

 

Abb. 46: Schema des kaskadenartigen Versuchsaufbaus im Querschnitt (H x B (m):

1,8 x 2). Dargestellt ist eine Behälterkaskade mit drei Behältern.

Abb. 47: Schematische Aufsicht auf die gesamte Versuchsanlage, bestehend aus 9

Behälterkaskaden mit je 3 Ebenen.

77

 

 

Als Einzelbehälter wurden Plastikkanister von etwa 60 l Volumen verwendet. Diese

wurden seitlich aufgesägt, sodass bei liegender Stellung des Kanisters die mit einem

Schraubverschluss versehene Kanisteröffnung den unteren Behälterauslass bilden

konnte. Die aufgesägte Kanisterseite zeigte dann im aufgebauten Versuch nach

oben und wurde von dort jeweils zunächst mit etwa 50 kg gewaschenem Mittelsand

und dann mit 25 kg Kies befüllt (Abb. 48). In dieses Substrat wurden im September

2014 jeweils drei durch einen Garten-Versandhändler (Stauden-Stade, Borken /

Westf.) bezogene Schilfpflanzen (Phragmites australis) von etwa 25 cm Höhe

gepflanzt. Der Kanisterauslass wurde mit einem Stück Geotextil gegen

Ausschwemmung geschützt und mit einem Auslasshahn versehen.

Abb. 48: Schematischer Querschnitt durch einen bepflanzten Versuchsbehälter

(Breite: 65 cm; Höhe: 40 cm).

78

 

 

Abb. 49: Ansicht des Versuchsaufbaus kurz nach Fertigstellung (September 2014).

Die Schilfkläranlage wurde von September bis November 2014 in mehreren

Durchläufen mit Abwässern aus der bisherigen Aquaponikanlage in der Satower Str.

48 beschickt. Im Sommer 2015 erfolgten dann Versuche mit Fischabwässern aus

der neu errichteten Aquaponikanlage im Fischglashaus. In beiden Fällen wurden die

in Chargen anfallenden Abwässer (pro Tag 20 l im Vorersuch, pro Tag 300 l im

Hauptversuch) zunächst in Vorratsbehältern (150 l Regentonnen, abgedeckt)

gesammelt. Die gemessenen Konzentrationsverläufe unterscheiden sich zwischen

Vorversuch (Fischabwässer der alten Aquaponikanlage; Abb. 50) und Hauptversuch

(Fischabwässer der errichteten Aquaponikanlage; Abb. 51). Im Jahr 2014 wiesen die

Fischabwässer Phosphat-P Konzentrationen von 3-3,5 mg / l auf (Abb. 50). Diese

gingen bereits nach Durchlauf der ersten Ebene auf nahezu 0 zurück, jedoch war der

Rückgang der Phosphat-Konzentrationen in den mit Schilf bewachsenen

Behälterkaskaden etwas größer als in den unbewachsenen. Die

Nitratkonzentrationen in den Fischabwässern waren bei diesem Vorversuch extrem

79

 

 

gering (< 1 mg Nitrat-N / l). Vermutlich ist ein Großteil des in den ursprünglichen

Abwässern vorhandenen Nitrats bereits während des Aufenthalts in den

Vorratsbehältern durch Denitrifikation in gasförmiger Form entwichen. Der Anstieg

der Nitratkonzentration nach Durchlauf der ersten Ebene ist durch Nitrifikation des

Ammonium-N erklärbar. Der Anstieg war in den unbewachsenen Behältern deutlich

größer als in den bewachsenen. Dies ist sehr wahrscheinlich darin begründet, dass

Nitrat von den Schilfpflanzen aufgenommen wurde. Die Ammoniumkonzentrationen

sind zu Beginn hoch (etwa 4 mg Ammonium-N / l), fallen aber bereits nach Durchlauf

der ersten Ebene sehr stark ab. Der Abfall der Ammoniumkonzentrationen war in den

bewachsenen Behältern stärker als in den unbewachsenen. Dies ist sowohl durch

eine Pflanzenaufnahme von Ammonium-N als auch durch eine stärkere Nitrifikation

in den bepflanzten Behältern aufgrund einer besseren Sauerstoffversorgung durch

die Schilfwurzeln erklärbar.

Sowohl Nitrifikation als auch Aufnahme von Ammonium-N durch Pflanzen sind

versauernde Prozesse. Dies spiegelt sich in der deutlichen Abnahme der pH-Werte

nach Durchfließen der Behälter wieder. Zudem war die Abnahme in den bepflanzten

Behältern stärker ausgeprägt als in den unbepflanzten.

Gehalte an pflanzenverfügbarem Phosphat-P im Substrat, die nach Abschluss der

Versuchsreihen im Frühjahr 2015 mit der DL-Extraktionsmethode gemessen wurde,

zeigen Werte im Bereich von 5 bis 10 mg Phosphat-P / kg Substrat (Abb. 50,

unterste Reihe). Diese Werte liegen deutlich unter den für eine ausreichende P-

Versorgung in Ackerböden als ausreichend erachteten Gehalten, was darauf hin

deutet, dass das Sorptionsmaximum des Substrats noch nicht erreicht ist.

80

 

 

Abb. 50: Gemessene Konzentrationsverläufe der untersuchten Abwasserproben.

Fischabwässer des Jahres 2014 (Tilapia, Karpfen). Boxplots mit Minima,

Maxima, Medianen und Quartilen. n je Box in den bewachsenen

Behälterkaskaden = 6, in den unbewachsenen = 3.

81

 

 

In den Aquaponik-Abwässern des Hauptversuchs wurden im Vergleich mit

denjenigen des Vorversuchs (3 – 3,5) deutlich geringere Phosphat-P Gehalte der

Inputwässer (1,5 bis 2 mg Phosphat-P / l) gemessen (Abb. 51). Auffällig ist, dass die

Phosphatkonzentrationen im Hauptversuch nach Durchlauf durch die Behälter zwar

abnehmen, aber bei weitem nicht so deutlich wie im Vorversuch (selbst unter

Berücksichtigung der niedrigeren Input-Konzentrationen im Hauptversuch),

insbesondere in den unbepflanzten Behältern. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die

Sorptionskapazität des Substrates sich zumindest ihrem Maximum annäherte.

Wahrscheinlich geschieht dies nicht linear, sondern nicht-linear in Form einer

Langmuir-artigen Sorptionsisotherme (z.B., Karstens et al., 2015). Um weitergehende

Aussagen darüber zu treffen, wären detaillierte Labormessungen der

Sorptionseigenschaften des Substrates erforderlich, die den Rahmen des Projekts

gesprengt hätten. Die deutlich stärkere Abnahme der Konzentrationen an Phosphat-

P in den Behälterkaskaden mit den bewachsenen Behältern verglichen mit den

unbewachsenen ist ein Hinweis auf P-Aufnahme durch die Schilfpflanzen. Hier

könnten Untersuchungen der P-Konzentrationen in der geernteten Biomasse der

Behälter die Vermutung bestätigen. Allerdings wurde bislang von der Ernte

abgesehen, weil noch nicht über einen Weiterbetrieb der Anlage entschieden wurde.

Die Input-Nitratkonzentrationen in den Aquaponikabwässern des Hauptversuchs

waren mit mehr als 30 mg Nitrat-N / l deutlich höher als in den Aquaponikabwässern

des Vorversuchs. Nichtsdestotrotz war nach Durchlauf durch die Substratbehälter

eine deutliche Abnahme der Nitratkonzentrationen zu beobachten, jedoch war die

Elimination des Nitrates nach Durchfluss der ersten Ebene bei weitem noch nicht

vollständig. Dies gilt insbesondere für die unbewachsenen Behälter, in denen selbst

nach Durchfluss der dritten Ebene die Nitrat-N Konzentrationen noch nahe bei 10 mg

/ l lagen. Dagegen gingen die Nitrat-N Konzentrationen in den bewachsenen

Behältern nach Durchfluss durch alle drei Ebenen auf nahezu null zurück. Dies

spricht für eine große Bedeutung der Nitrataufnahme durch die Schilfpflanzen,

während die Nitratelimination in den unbewachsenen Behältern wahrscheinlich

größtenteils durch Denitrifikation erfolgte. Verglichen mit den Nitratkonzentrationen

waren die Ammoniumkonzentrationen in den Aquaponikabwässern im Hauptversuch

mit etwa 1 mg Ammonium-N / Liter sehr gering. Die Elimination von Ammonium-N

82

 

 

war sowohl in den bewachsenen als auch den unbewachsenen Behältern sehr

effektiv.

Abb. 51: Gemessene Konzentrationsverläufe der untersuchten Abwasserproben.

Fischabwässer aus 2015. Boxplots mit Minima, Maxima, Medianen und

Quartilen. n je Box in den bewachsenen Behälterkaskaden = 6, in den

unbewachsenen = 3.

83

 

 

Fazit und Ausblick

Die durchgeführten Versuche zur Filter- und Reinigungswirkung von mit Schilf

bewachsenen Substratbehältern im Sinne einer Schilfkläranlage haben gezeigt, dass

ein solches System sehr effektiv in der Lage sein kann, die in Aquaponikabwässern

enthaltenen Nährstoffe Phosphat, Nitrat und Ammonium zu eliminieren. Es hat sich

gezeigt, dass der Bewuchs mit Schilf im Vergleich mit unbewachsenen

Substratbehältern die Reinigungsleistung, insbesondere für Phosphat und Nitrat,

deutlich verbessern kann. Die maßgeblichen Prozesse dabei sind

höchstwahrscheinlich Sorption und Aufnahme durch die Schilfpflanzen im Falle von

Phosphat sowie Denitrifikation und Pflanzenaufnahme im Falle von Nitrat.

Um dies quantitativ nachweisen und bewerten zu können wären jedoch

weitergehende Prozessforschungen und Analysen erforderlich. In zukünftigen

Untersuchungen sollten die Nährstoffgehalte im Pflanzenmaterial analysiert sowie die

Sorptionseigenschaften des Substrats detailliert untersucht werden. Dies würde eine

quantitative Bilanzierung und Modellierung der Nährstoffströme und eine genauere

Charakterisierung der ablaufenden Prozesse erlauben.

Literatur

Bissa, Karl (2013): Das Wachstum von afrikanischen Buntbarschen und

afrikanischen Welsen in einem ressourcenminimierten Aquaponiksystem.

Bachelorarbeit im Studiengang Agrarökologie, AUF, Universität Rostock.

Nievel, Madeline (2013): Räumliche Verteilung des Pflanzennährstoffs Phosphor

(Orthophosphat) in einem Ebbe-Flut-Aggregatsystem einer Warmwasser-

Aquaponikanlage. Bachelorarbeit im Studiengang Agrarwissenschaften, AUF,

Universität Rostock.

Karstens, S., Buczko, U., Glatzel, S. (2015): Phosphorus storage and mobilization in

coastal Phragmites wetlands: Influence of local-scale hydrodynamics.

Estuarine, Coastal and Shelf Science, 164: 124-133.

Wagner, Steffen (2015): Reinigungswirkung von mit Schilf bewachsenen

Bodenfilterkaskaden für Abwässer aus einer Aquaponikanlage im Hinblick auf

Phosphor und Stickstoff. Masterarbeit im Studiengang

Umweltingenieurwissenschaften, AUF, Universität Rostock.

84

 

 

3. Koordinations- und Öffentlichkeitsarbeit

3.1 Koordinationstätigkeiten

3.1.1 Arbeitstreffen

Während der Projektlaufzeit wurden insgesamt sieben Arbeitstreffen mit den

beteiligten Lehrstühlen durchgeführt. Es wurden die laufenden Forschungsarbeiten

diskutiert und interne Kooperationen besprochen. Das Ministerium für Landwirtschaft,

Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg Vorpommern war vertreten

durch Herrn Schmietendorf sowie bei größeren Veranstaltungen auch durch Herrn

Martin. Zusätzlich zu den Arbeitstreffen fanden während der Bauphase des

FischGlasHauses wöchentliche Bauberatungen mit dem BBL, GEFOMA, beteiligten

Handwerksfirmen und dem Dezernat 3 Uni Rostock (Herr Kotermann) statt. Dabei

war insbesondere der Lehrstuhl Aquakultur und Sea-ranching durch Prof. Palm

regelmäßig anwesend, um den Baufortschritt zu begleiten und eventuell notwenige

Anpassungen vorzunehmen (siehe regelmäßige Bauprotokolle, Anwesenheitslisten).

3.1.2 Berichte

Zu jedem Arbeitstreffen wurde eine Präsentation zum Stand der Forschung

angefertigt und dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz

des Landes Mecklenburg Vorpommern übermittelt. Die Arbeitstreffen wurden

protokolliert. Jährlich (2013-2014) wurde ein Zwischenbericht angefertigt, der dem

Ministerium in pdf-Form übermittelt wurde.

3.2 Öffentlichkeitsarbeit

3.2.1 Projektvorstellung In Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und

Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg Vorpommern wurden Internetauftritte

und Imagefilme erstellt (Herr Martin, Frau Niese). Ein Artikel in der Fachzeitschrift

„Fischerei & Fischmarkt in Mecklenburg-Vorpommern“ folgt im Jahr 2016. Zudem

wurde das Projekt auf verschiedenen Öffentlichkeitsveranstaltungen genannt und

Teilergebnisse vorgestellt.

 

 

3.2.2 Wissenschaftliche Veröffentlichungen Während des Projektes wurden folgende Arbeiten international publiziert:

Knaus, U. & H.W. Palm eingeschickt. Effects of fish biology on ebb and flow

aquaponical cultured herbs under suboptimal conditions. in Vorbereitung. Knaus, U. & Palm, H. W. in Vorbereitung. Effects of the fish biology on aquaponical

cultured vegetables under optimal conditions. Knaus, U. & Palm, H. W. in Vorbereitung. Effects of fish biology on ebb and flood

aquaponical cultured herbs under optimal conditions.

Palm, H. W., Seidemann, R., Wehofsky, S., & Knaus, U. (2014a). Significant factors affecting the economic sustainability of closed aquaponic systems. Part I: system design, chemo-physical parameters and general aspects. AACL Bioflux, 7(1), 20-32.

Palm, H. W., Bissa, K., & Knaus, U. (2014b). Significant factors affecting the economic sustainability of closed aquaponic systems. Part II: Fish and plant growth. AACL Bioflux, 7(3), 162-175.

Palm H. W., Nievel M. & Knaus U. (2015). Significant factors affecting the economic sustainability of closed aquaponic systems. Part III: plant units. AACL Bioflux 8(1):89-106.

Während des Projektes wurden verschiedene Vorträge gehalten, wobei zudem

Vertreter aus Politik und Wirtschaft über das Projekt informiert wurden (z.B. Land MV

Projekt Gemini 23.09.2014, die Grünen 29.05.2015, Rotary Club Wismar

19.10.2015):

Palm H.W. Aquaponische Produktionsverfahren auch in Deutschland? 31.01.2015. Triesdorfer Fischereitag, Triesdorf.

Palm H.W. Aquaponic research at University of Rostock. 16.04.2015. E-Cost Action

meeting, Las Palmas, Gran Canaria

Während des Projektes wurden folgende Poster erstellt:

Palm, H.W. & Knaus, U. (2013): Das FISCHGLASHAUS - ein interdisziplinäres Projekt an der Universität Rostock. Poster.