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FLEISCHATLAS Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2021 JUGEND, KLIMA UND ERNÄHRUNG ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

Fleischatlas 2021 - Daten und Fakten über Tiere als ... · Sarah Neuhuber, Elisabeth Penz, Lia Polotzek, Christian Rehmer, Julia Schmid, Maureen Schulze, Shefali Sharma, Achim Spiller,

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FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2021

JUGEND,

KLIMA UND

ERNÄHRUNG

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

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Die österreichische Ausgabe des FLEISCHATLAS 2021 ist ein Kooperationsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 und der Tierschutzorganisation Vier Pfoten, beide WIen.

Inhaltliche Leitung:Basisausgabe: Christine Chemnitz, Heinrich-Böll-Stiftung,Katrin Wenz, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Österreichische Beiträge: Dagmar Gordon, GLOBAL 2000

Projektmanagement, Grafi krecherche: Dietmar BartzArt-Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar

Textchefi n: Elisabeth Schmidt-LandenbergerDokumentation und Schlussredaktion: Andreas Kaizik, Sandra Thiele (Infotext GbR)

Mit Originalbeiträgen von Reinhild Benning, Matthias Brümmer, Christine Chemnitz, Inka Dewitz, Dagmar Gordon, Sabine Großhaupt, Astrid Häger, Carla Hoinkes, Heike Holdinghausen, Kristin Jürkenbeck, Ilse Köhler-Rollefson, Silvie Lang, Jonas Luckmann, Bettina Müller, Sarah Neuhuber, Elisabeth Penz, Lia Polotzek, Christian Rehmer, Julia Schmid, Maureen Schulze, Shefali Sharma, Achim Spiller, Anna Steinacher, Lisa Tostado, Veronika Weissenböck, Katrin Wenz, Sabine Wichmann, Stephanie Wunder, Anke Zühlsdorf

Die Beiträge geben nicht notwendig die Ansicht aller beteiligten Partnerorganisationen wieder. Die Flächenfarben der Landkarten zeigen die Erhebungsgebiete der Statistik an und treffen keine Aussage über eine politische Zugehörigkeit.

Titel: Ellen StockmarBildbearbeitung: Roland Koletzki

1. Aufl age, Januar 2021

Österreichische Ausgabe:Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000Geschäftsführung Agnes Zauner und René Fischer

Druck: Druckerei Janetschek GmbH, 3860 Heidenreichstein. Ausgezeichnet mit demÖsterreichischen Umweltzeichen „Schadstoffarme Druckerzeugnisse“, UW-Nr. 637.Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

Dieses Werk mit Ausnahme des Coverfotos steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – 4.0 international“ (CC BY 4.0). Der Text der Lizenz ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode abrufbar. Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de nachzulesen.Sie können die einzelnen Infografi ken dieses Atlas für eigene Zwecke nutzen, wenn der Urhebernachweis Bartz/Stockmar, CC BY 4.0 in der Nähe der Grafi k steht (bei Bearbeitungen: Bartz/Stockmar (M), CC BY 4.0.)

IMPRESSUM

gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“des Österreichischen UmweltzeichensDruckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ desÖsterreichischen UmweltzeichensDruckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ desÖsterreichischen Umweltzeichens · Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

gedruckt nach der Richtlinie„Druckerzeugnisse“ desÖsterreichischen UmweltzeichensDruckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

gedruckt nachder Richtlinie „Druckerzeugnisse“ desÖsterreichischen Umweltzeichens

Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637

UWZ_Vermerk_GmbH_4C_Umweltzeichen_Vermerk.qxd 31.05.13 08:02 Seite 1

Download: www.global2000.at/publikationen/fl eischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

2021

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FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

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FLEISCHATLAS 20214

INHALT

02 IMPRESSUM

06 VORWORT

08 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN ÜBER FLEISCH UND DIE WELT

10 KONSUMALLTAGSESSEN UND LUXUSGUTDie globale Nachfrage nach Fleisch steigt durch Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum weiter an, allerdings langsamer als noch vor zehn Jahren. Geflügel macht dabei einen immer größeren Anteil aus. Die großen Unterschiede beim Pro-Kopf-Konsum zwischen Ländern und Bevölkerungsgruppen bestehen fort.

12 KONSUM IN ÖSTERREICHAUF DIE TELLER DER REPUBLIKDie Österreicherinnen und Österreicher essen nicht mehr ganz so viel Fleisch wie noch vor zehn Jahren. Zugleich bedroht der Strukturwandel viele Höfe. Dabei könnte eine extensivere Produktion Massentier-haltung vermeiden und die Natur besser schützen.

14 HANDELIN DIE FALSCHE RICHTUNGBeim Assoziierungsabkommen zwischen der EU und vier Mercosur-Staaten geht es um viel Fleisch und Futtermittel, den Regenwald und das Klima. Aber die EU hat Angst vor billigen Importen, und der Widerstand wächst. Ob das Abkommen in Kraft tritt, ist deshalb fraglich.

16 PRODUKTIONEINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG UND IHRE GROSSEN ERZEUGERGlobalisierung und Reformen in vielen Ländern Asiens und Osteuropas haben die Produktion tierischer Erzeugnisse in den letzten Jahrzehnten erhöht. Tierseuchen tragen dazu bei, dass die kleinbäuerlichen Betriebe verlieren.

18 MASTSCHWEINE IN ÖSTERREICHEINE FRAGE DER HALTUNGDas meiste in Österreich verzehrte Fleisch stammt vom Schwein. Massenproduktion und Preisdruck sorgen für vielerlei Mängel bei der

Stallhaltung und der Schweinemast insgesamt. Biologische Haltung ermöglicht ein artgemäßeres Leben, aber der Marktanteil ist gering.

20 KÄLBER AUS ÖSTERREICHWIE DIE MILCHWIRTSCHAFTZU TIEREXPORTEN FÜHRTZehntausende lebende Kälber verlassen jedes Jahr Österreich, um bei niedrigeren Tierschutzstandards gemästet zu werden. Eine Mangelernährung führt zum begehrten hellen Fleisch – das dann vielleicht wieder nach Österreich importiert wird.

22 FUTTERERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL ISTÜber ein Drittel aller Feldfrüchte weltweit landet in den Mägen von Nutztieren – allein eine Milliarde Tonnen Soja und Mais jährlich. Die Futtermittelindustrie und die Tierhalter wollen das noch steigern.

24 KONZERNEDAS ZIEL IST MARKTMACHT – VOM STALL BIS ZUM KÜHLREGALGlobale Fleischkonzerne spielen eine wichtige Rolle bei der Frage, wie Fleisch und Futtermittel produziert, transportiert und gehandelt werden. Ernährung ist lukrativ: Unter den 100 größten Lebensmittel- und Getränkemultis der Welt finden sich auch die zehn umsatzstärksten Schlacht- und Weiterverarbeitungsbetriebe.

26 WERTSCHÄTZUNG IN ÖSTERREICHDELIKATESSEN VON FRÜHER – UND HEUTEInnereien galten lange als wenig attraktive Speisen. Sie erfordern Fachwissen, Übung und Lust an der Zubereitung und sind damit der schnellen Küche unterlegen. Doch die „Nose to Tail“-Bewegung möchte wieder das ganze Tier als Nahrungsmittel betrachten.

28 PASTORALISMUSKARGES LAND UND REICHER NUTZENMobile Hirtenvölker ziehen mit ihren Nutztieren noch über die abgelegensten Weiden. Diese Wirtschafts-form, der Pastoralismus, ist ökonomisch bedeutend und klimafreundlich, aber auch stark bedroht.

30 KLIMADER FUSSABDRUCK DER TIEREDer Anteil der Viehzucht an den globalen Treibhaus-gasemissionen wird oft unterschätzt, doch in der Klimarechnung hinterlassen die Nutztiere und ihr Futter deutliche Spuren. Es gibt Vorschläge, das zu ändern.

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32 PESTIZIDEIN DER EU VERBOTEN, IN SÜDAMERIKA ERLAUBTWeltweit steigt die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Einige der gefährlichsten Stoffe wurden in der EU bereits verboten, kommen in anderen Teilen der Welt aber im großen Stil zum Einsatz. Viele sind für den Anbau von Soja und Mais bestimmt, die meist im Futtertrog von Nutztieren landen.

34 WASSERDER UNSICHTBARE DURST DER TIERE – UND IHRES FUTTERSIn allen tierischen Produkten steckt auch ein Wasserfußabdruck. Dabei ist nicht die Gesamt-menge zu betrachten, sondern nach Wasserkategorien zu unterscheiden. Grünes Wasser gibt es genug – auf möglichst wenig blaues und graues Wasser kommt es an.

36 MOOREWIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCEIn vielen Teilen Europas werden Rinder auf entwässerten Moorböden gehalten. Seit ihrer Trockenlegung emittieren die Torfböden enorme Mengen an Treibhausgasen. Die klimaverträgliche Nutzung dieser Flächen zu organisieren, wäre Aufgabe der Agrarpolitik.

38 ANTIBIOTIKAZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – UND EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHENAntibiotika helfen bei vielen Erkrankungen. Das große Problem: Erreger in Menschen und Tieren können gegen Antibiotika resistent werden, eine tödliche Gefahr. Doch in der Nutztierhaltung werden sie noch immer nicht sparsam genug eingesetzt.

40 PANDEMIENGEFÄHRLICHE KONTAKTEViehzucht und Fleischverzehr sind Ursachen für den Ausbruch von Krankheiten, die von Wildtieren auf Menschen übergehen. Solche Zoonosen können katastrophal sein – wie im Fall von Covid-19.

42 JUGENDUMFRAGEWENIGER FLEISCH, MEHR FUTUREIm Vergleich mit der Gesamtbevölkerung ernähren sich doppelt so viele 15- bis 29-Jährige vegetarisch oder vegan. Für viele junge Erwachsene ist der Verzicht auf Fleisch ein politisches Statement.

44 PRODUKTION IN DEUTSCHLANDRABIATER STRUKTURWANDELDie Zahl der Tierhaltungen in Deutschland sinkt seit Jahrzehnten – und zwar schnell. Finanzkräftige Betriebe vergrößern dagegen ihre Bestände noch. Bei der Verteilung der Tiere und beim Ökoanteil unterscheiden sich die Regionen stark.

46 SCHLACHTHÖFE IN DEUTSCHLANDKLIMA DER ANGST Die Corona-Infektionen haben ein grelles Licht auf die schlechten Arbeitsverhältnisse in deutschen Schlachthöfen geworfen. Es müsste, gegen den Trend, mehr staatliche Kontrollen geben.

48 VERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLANDVIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDEN Entlang der gesamten Wertschöpfungskette verenden Tiere und werden Hunderttausende Tonnen Fleisch vergeudet. Die Verschwendung von Ressourcen für deren Produktion ist enorm.

50 KULTURWANDELVERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIKKritik am Fleischverbrauch muss es mit vielem aufnehmen: mit geschicktem Marketing, gesellschaftlichen Werten und Traditionen. Für einen reduzierten Fleischkonsum müssen sich langfristig die sozialen Normen ändern.

52 ERSATZPRODUKTEÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERT Veganer und vegetarischer Ersatz für Fleisch und Wurst wird schnell beliebter – und für Großkonzerne attraktiv. Als Nächstes entbrennt wohl die Konkurrenz mit In-vitro-Fleisch. Start-ups mit Produkten aus dem Labor sprießen aus dem Boden.

54 POLITIKNÄCHSTE SCHRITTELängst haben zivilgesellschaftliche Organisationen Vorschläge für eine klima- und umweltfreundliche Tierhaltung ausgearbeitet. Doch Fortschritte zeichnen sich nur bei den Haltungssystemen ab.

56 AUTORINNEN UND AUTOREN, QUELLEN VON DATEN, KARTEN UND GRAFIKEN

58 ÜBER UNS

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E s schien wie ein Weckruf, als im Sommer 2020 Covid-19 in Deutschlands größtem Schlachthof ausbrach: Die erste Welle

der Pandemie verklang gerade, da meldeten die Gesundheitsämter mehr als 1.500 in-fizierte Arbeiterinnen und Arbeiter in dem Mega-Schlachtbetrieb von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Dort, wo am Tag knapp 30.000 Schweine geschlachtet werden, musste we-gen der Pandemie alles stillgelegt werden. Infiziert waren vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter aus dem Ausland, die für wenig Geld in der Fabrik arbeiten und unter prekären Bedingungen wohnen. Die Deutsche Agrar-ministerin Klöckner verkündete einen grund-legenden Wandel in der Fleischindustrie, sogar ein „Fleisch-Gipfel“ wurde organisiert. Endlich der Moment für einen grundlegen-den Wandel? Leider nein. Durch den Kampf der Gewerkschaften endet nun die Zeit der Leiharbeit und der Werkverträge in den deutschen Schlachthöfen. Ein erster wichti-ger Schritt. Doch weiter geht der Umbau der deutschen Fleischindustrie nicht.

In Österreich ist die Situation nicht viel besser: Die Corona-Ausbrüche in oberösterrei-chischen Schlachthöfen im Juni zeigten ein-mal mehr, dass das System der industriellen Fleischproduktion an allen Ecken und Enden kracht. Es ist fast immer von extrem prekären und/oder gesundheitsgefährdenden Arbeits-bedingungen geprägt. Es basiert auf Ausbeu-tung – nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren und der Natur. Die Auswirkungen auf die Umwelt, die eine industrielle Produk-tion von Fleisch anrichtet, sind verheerend, wenn wir nur an die Zerstörung der Biodiver-sität, Wasservernichtung und Grundwasser-verschmutzung denken.

Die Corona-Aufregung erinnert an die vie-len anderen Skandale, die in den letzten Jahrzehnten ohne wirkliche Konsequenzen

an der Branche vorbeigezogen sind. Für uns ist es kaum nachvollziehbar, wie wenig sich ändert – trotz der seit nun fast zehn Jahren anhaltenden öffentlichen Kritik und der vie-len Skandale.

Uns hat in diesem Zusammenhang inter-essiert, wie die jüngere Generation mit ihrem beeindruckenden Engagement gegen die Klimakrise diese Beharrungskräfte der Fleischindustrie erlebt. Daher haben wir eine repräsentative Umfrage in Auftrag ge-geben, in der Meinungsbilder von Menschen zwischen 16 und 29 Jahren erhoben wurden.

D ie Ergebnisse zeigen, dass mehr als zwei Drittel der jüngeren Generation die heutige Fleischindustrie ablehnen.

Sie sehen in der Fleischproduktion eine Bedrohung für das Klima und ernähren sich doppelt so oft vegetarisch und vegan wie der Durchschnitt der gesamten Bevölkerung. Und sie sehen Handlungsbedarf beim Staat: Er soll Konsumentinnen und Konsumenten darin unterstützen, sich klimafreundlich zu ernähren. Das sind interessante Ergebnisse, denn im Gegensatz dazu proklamieren viele Politikerinnen und Politiker, dass Ernährung eine persönliche Entscheidung sei – und der Staat nichts gegen den Konsum von billigem Fleisch unternehmen könne.

Doch das ist falsch. So wie die Produk-tionsbedingungen kann der Staat auch den Konsum beeinflussen. Ernährung ist zwar individuell. Doch Gesetze und Regeln können unsere Konsumentscheidungen zugunsten von Nachhaltigkeit und Gesundheit steuern.

VORWORT

Trotz Skandalen und Corona – die Regierungen

wollen von einer „Fleischwende“ nichts mehr wissen.

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FLEISCHATLAS 2021 7

„Instrumente dafür gibt es zahlreiche: fiskalische, informatorische und rechtliche.

Vor allem aber bedarf es eines entschie-denen politischen Willens zur Veränderung. Doch die Regierungen wollen von einer „Fleischwende“ trotz der sichtbaren Probleme offenbar nichts wissen. Das ist auch im globalen Zusammenhang ein dramatischer Irrweg, weil die ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Folgen der industriellen Fleischproduktion ignoriert werden: Ohne Kurswechsel wächst die Fleischproduktion bis zum Jahr 2029 noch einmal um 40 Millionen Tonnen auf dann mehr als 360 Millionen Tonnen Fleisch pro Jahr. Die Folgen kann man sich kaum vorstellen, weil bereits jetzt die ökologischen Grenzen unseres Planeten überschritten werden und die Klima- und Biodiversitäts- krise für viele Menschen weltweit dramati-sche Auswirkungen hat.

I m Jahr 2015 haben sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf die globalen Entwicklungsziele (SDGs) geeinigt. Der

Schutz des Klimas, der Biodiversität, der Meere und allem voran das Ende von Hunger und absoluter Armut stehen auf der Liste der 17 Ziele. Die Landwirtschaft ist eng mit dem Erfolg der Ziele verknüpft, doch steht gerade die industrielle Fleischproduktion dem im Weg. Sie befeuert die Klimakrise, Waldrodungen, Pestizideinsätze und Biodiversitätsverluste, vertreibt Menschen von ihrem Land.

Die globalen Nachhaltigkeitsziele müssen wir in neun Jahren erreichen. Und das bedeutet, dass die Industrieländer ihren hohen Fleischverbrauch auf Kosten des Klimas, der Biodiversität, globaler Gerechtigkeit und des Tierwohls um mindes-tens fünfzig Prozent reduzieren müssen.

Vor acht Jahren haben wir den ersten Fleischatlas veröffentlicht. Seitdem hat sich in Deutschland einiges verändert. In Gesell-schaft, Medien und Wissenschaft ist Fleisch inzwischen als kritisches Thema etabliert. Konsumenten und Konsumentinnen greifen immer häufiger zu vegetarischen Produkten oder zu Fleisch aus besserer Haltung.

D aher soll dieser Atlas all diejenigen in ihrer Arbeit und ihrem Engagement unterstützen, die sich für Klimage-

rechtigkeit einsetzen. Er beleuchtet die Probleme, die aus der industriellen Fleisch-produktion entstehen, und liefert neue Daten und Fakten zu Themen, die wir auch zuvor schon aufgegriffen haben. Auch wenn es noch an positiven Trends mangelt – es wird deutlich, dass viele Menschen, die die Machenschaften der Fleischindustrie nicht mehr hinnehmen wollen, sich zunehmend für Klima, Nachhaltigkeit, Tierwohl und Ernährung interessieren und einsetzen. Das ist großartig. Darum möchten wir mit diesem Atlas vor allem ihr Engagement mit Informationen stärken.

Ernährung ist zwar individuell. Doch Gesetze

und Regeln können unsere Konsumentscheidungen steuern.

Barbara UnmüßigHeinrich-Böll-Stiftung

Agnes ZaunerGLOBAL 2000

Eva RosenbergVIER PFOTEN

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FLEISCHATLAS 20218

Die globale Fleischproduktion wächst. Doch KLIMA UND BIODIVERSITÄT können nur geschützt werden, wenn die Industrieländer ihren FLEISCHKONSUM HALBIEREN.

Der Einsatz von ANTIBIOTIKA IN DER TIERHALTUNG führt zu immer mehr RESISTENTEN KEIMEN. Dies bedroht die Wirksamkeit von Antibiotika, einem der wichtigsten Mittel der Humanmedizin.

Die führenden Anbauländer von Futter-mitteln gehören zu den größten Anwendern von PESTIZIDEN – zum Schaden von Grundwasser und BIODIVERSITÄT.

Je mehr Wälder für FUTTERMITTEL gerodet werden, desto mehr schrumpfen die LEBENSRÄUME der Wildtiere. Der Kontakt zwischen Menschen und Tieren wird enger – das begünstigt die Übertragung von Viren und die Entstehung neuer PANDEMIEN.

2

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Der STRUKTURWANDEL in der Landwirtschaft geht weiter. Wenige Betriebe – die ihre Tiere unter industriellen Bedingungen halten – wachsen noch.

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Die fünf größten FLEISCH- UND MILCHKONZERNE emittieren genauso viele KLIMASCHÄDLICHE GASE wie Exxon, der größte ÖLMULTI der Welt.

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ÜBER FLEISCH UND DIE WELT12 KURZE LEKTIONEN

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Trotz der globalen Auswirkungen hat kein Land der Welt eine STRATEGIE ZUR SENKUNG DES FLEISCHKONSUMS. Dabei können Regierungen durch GESETZE und finanzielle Anreize wichtige Beiträge dazu leisten.

Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen EMISSIONEN stammen in Österreich aus der Nutztierhaltung. Der Anbau von Futtermitteln im In- und Ausland verschlingt enorme LANDFLÄCHEN.

Unsere GEWOHNHEITEN, Rollenbilder und die Werbung sowie gesellschaftliche Traditionen regen zum FLEISCHESSEN an. Die Ernährungsindustrie profitiert vom Status quo.

Die konventionelle, intensive Schweinehaltung in Österreich ist in der Fleischindustrie mit MASSENPRODUKTION und PREISDRUCK begründet.

Junge Menschen ernähren sich doppelt so häufig VEGETARISCH UND VEGAN wie der Durchschnitt der Bevölkerung. Viele sehen Ernährung nicht nur als etwas Individuelles, sondern wollen, dass der Staat STÄRKER EINGREIFT.

Der Markt für FLEISCHERSATZPRODUKTE wächst schnell. Ein großer Teil der jungen Konsumentinnen und Konsumenten findet, dass sie GUT SCHMECKEN.

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7

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12

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ S

TOC

KMAR

|||||| SCHWEIN? GEHABT! ||||||

|||||| FREITAGS |||||| STOP!

||||| INLANDSFLÜGE NUR FÜR INSEKTEN ||||| ||| GRÜNKOHL STATT BRAUNKOHLE

FÜRS KLIMA |||

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FLEISCHATLAS 202110

D er weltweite Fleischkonsum hat sich in den vergange-nen 20 Jahren mehr als verdoppelt und erreichte 2018 320 Millionen Tonnen. Die Bevölkerung ist gewach-

sen, die Einkommen sind gestiegen – beide Faktoren haben die Zunahme zu ungefähr gleichen Teilen verursacht. Die Prognosen für die Fleischindustrie waren ohnehin schon gut – bis 2028 wird der Fleischkonsum möglicherweise noch einmal um 13 Prozent wachsen.

Doch noch immer ist Fleisch für viele Menschen auf der Welt ein Luxusgut, dessen Konsum stark vom Einkommen abhängt. Durch die weltweite Wirtschaftskrise im Zusam-menhang mit Covid-19 sind die Einkommen vieler Men-schen eingebrochen. Die Weltbank geht davon aus, dass bei anhaltender Krise rund 150 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze rutschen werden und viele weitere Millionen gravierende Ausfälle bei ihren Einkommen haben werden.

Das gilt auch für China, den Staat mit dem größten Fleischkonsum weltweit. Zusammen mit dem Ausbruch eines anderen Virus, der Afrikanischen Schweinepest, ist Covid-19 der maßgebliche Grund für den schwächeren Kon-sum von Schweinefleisch im Jahr 2020. Die Bekämpfung von Covid-19 ließ die Wirtschaft in China im ersten Halbjahr 2020 um über drei Prozent schrumpfen.

In den meisten Industrienationen liegt der Fleischkon-sum seit Jahrzehnten relativ konstant auf hohem Niveau. Während in Deutschland 2019 fast 60 Kilogramm pro Per-

son gegessen werden, sind es in den USA und Australien mehr als 100 Kilogramm. Seit einigen Jahren sinkt die Nach-frage in einigen Industrieländern leicht, weil die Bedenken bezüglich Gesundheit, Tierwohl und Umwelt zunehmen.

Das größte Wachstum des Fleischkonsums wird in den Ländern des Südens stattfinden. Der Industrieländerorgani-sation OECD zufolge steigt die Nachfrage dort bis 2028 vier Mal mehr als in den Industrieländern. Ausgehend von ei-nem viel geringeren Niveau, dafür aber mit deutlich größe-rem Bevölkerungswachstum als in den Industrieländern, ist der zusätzliche Konsum pro Person nicht sehr hoch. Auf dem afrikanischen Kontinent wird das besonders deutlich. Dort wächst die Nachfrage insgesamt zwar besonders schnell, aber pro Person steigt der Fleischkonsum in den nächsten zehn Jahren kaum – von 17 auf 17,5 Kilogramm.

Auf die bevölkerungsreichste Nation der Welt, China, entfällt fast ein Drittel des gesamten heutigen Fleischkon-sums und ein Drittel des Wachstums der vergangenen 20 Jahre, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch immer noch bei weniger als der Hälfte des Verbrauchs in den USA liegt. Die Nachfrage nach Fleisch wird wohl auch in China weiter stei-gen, das Wachstum jedoch deutlich geringer werden. Denn die Sorge um Übergewicht wächst, und ab 2030 wird die Be-völkerungszahl wieder zurückgehen.

In Afrika und Asien wird der Fleischkonsum die Produk-tion überholen. Daher werden auch die Importe zunehmen, besonders schnell in Subsahara-Afrika. Der Anstieg der Fleischimporte wird aber vom nichtchinesischen Asien an-getrieben. Auf die Region insgesamt werden bis 2029 rund 56 Prozent des Welthandels entfallen.

Die globalen Großtrends treffen nicht auf alle Fleisch-sorten in gleichem Maße zu. Während der Anteil von Rind

KONSUM

ALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT

Trotz einer mehr als fünfmal größeren Bevölkerung verbrauchen die ärmeren Länder nicht

einmal doppelt so viel Fleisch wie die reicheren

Die globale Nachfrage nach Fleisch steigt durch Wirtschafts- und Bevölkerungs-wachstum weiter an, allerdings langsamer als noch vor zehn Jahren. Geflügel macht dabei einen immer größeren Anteil aus. Die großen Unterschiede beim Pro-Kopf-Konsum zwischen Ländern und Bevölkerungsgruppen bestehen fort.

INDUSTRIELÄNDER SIND KEIN VORBILDFleischkonsum entwickelter und sich entwickelnder Länder, nach Fleischarten, Jahresdurchschnitt 2017–19, in 1.000 Tonnen

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ O

ECD,

FAO

Rind und Kalb Schwein

Geflügel Schaf

* nach der bis heute üblichen Einteilung der FAO, entwickelt: Kanada, USA, Europa, GUS, Japan, Israel, Südafrika, Australien, Neuseeland; sich entwickelnd: alle anderen

29.300 41.200 48.400 2.700

entwickelte Länder* gesamt: 121.600

40.200 75.100 76.000 12.300

gesamt: 203.600sich entwickelnde Länder*

26,6

68,6 Pro-Kopf-Verzehr

(Einzelhandelsgewicht), Kilogramm pro Jahr

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FLEISCHATLAS 2021 11

und Schaf am Gesamtkonsum abnimmt, essen die Men-schen immer mehr Schwein und Geflügel. Geflügel allein wird rund die Hälfte des globalen Zuwachses in den kom-menden zehn Jahren ausmachen. In den USA zum Beispiel ist der Pro-Kopf-Konsum von Rindfleisch in den vergange-nen 30 Jahren um etwa ein Drittel zurückgegangen, wäh-rend sich der von Geflügel mehr als verdoppelte. Das liegt unter anderem am Preisvorteil und dem niedrigeren Fett-anteil. Auf Schweinefleisch entfallen rund 28 Prozent des Wachstums in den kommenden zehn Jahren, angetrieben vor allem durch den steigenden Konsum im asiatischen Raum. In vielen asiatischen und afrikanischen Ländern es-sen die Menschen allerdings kaum Schweinefleisch, weil der Verzehr für große Teile der Bevölkerung aus religiösen Gründen nicht infrage kommt.

Die Daten zur Gesamtnachfrage und dem durchschnitt-lichen Konsum in einzelnen Ländern geben nur ein unvoll-ständiges Bild ab, denn auch innerhalb der Länder ist die Nachfrage mit Blick auf die sozioökonomischen Strukturen sehr unterschiedlich. In den industrialisierten Regionen nimmt der Fleischkonsum pro Kopf tendenziell mit höhe-rer Bildung und höherem Einkommen ab. Auch Frauen und Jugendliche essen weniger Fleisch als Männer. In Deutsch-land zum Beispiel verzehren Männer im Durchschnitt etwa doppelt so viel Fleisch und Wurst pro Tag wie Frauen. In den

USA – wo die Ernährung generell fleischlastig ist – sind es immer noch rund fünfzig Prozent mehr. In ärmeren Regio-nen der Welt sind die Einkommen extrem unterschiedlich, was sich auch im Pro-Kopf-Fleischkonsum widerspiegelt. Die Oberschicht kommt dabei auf Werte, die denen in den OECD-Ländern ähneln, wohingegen für die viel größere Un-ter- und untere Mittelschicht Fleisch ein seltener Luxus ist. Auch deswegen bleibt es für viele ein Statussymbol.

Der Fleischkonsum hat enorm zugenommen. Inzwischen ist als Ursache der zunehmende Wohlstand

kaum weniger wichtig als das Bevölkerungswachstum

Generell gilt: Je reicher, um so mehr Fleisch wird konsumiert. Aber viele weitere Faktoren

beeinflussen den Pro-Kopf-Verbrauch

GEFLÜGEL DOMINIERTZunahme des Weltverbrauchs nach Fleischarten,mit Knochen, in Millionen Tonnen

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ O

WID

1970 201820102000199019800

50

100

150

200

250

300

350

1961

Schafe und Ziegen Rinder und Büffel Schwein Geflügel andere

127,3

120,9

71,615,810,5

LANDSCHAFT, WIRTSCHAFT, TRADITIONENFleischverbrauch nach Ländern und Wirtschaftsleistung, pro Kopf, 2017

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ O

WID

100.0001.000 2.000 5.000 10.000 20.000 50.0000

140

120

100

80

60

40

20

0

Länder mit über 50 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern nach Wirtschaftsleistung in US-Dollar und Fleischverbrauch in Kilogramm pro Jahr, 2017

kg

US-Dollar

Südkorea

USA

Deutschland

Großbritannien

Italien

Frankreich

Brasilien

Russland

Japan

Mexiko

China

Nigeria

Vietnam

Türkei

Iran

Myanmar

Kenia

Südafrika

IndienIndonesien

Pakistan Thailand

Philippinen

Ägypten

Bangladesch

Äthiopien Tansania

Dem. Rep. Kongo (k. A.)

Kilogramm pro Jahr bis unter 20 20 bis unter 40 40 bis unter 60 60 bis unter 80 80 bis unter 100 über 100

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FLEISCHATLAS 202112

I m europäischen Vergleich liegt Österreich beim Fleisch-konsum im Spitzenfeld. 2019 lag der Verbrauch pro Kopf bei durchschnittlich 93,8 Kilogramm. Verzehrt wurden

davon 62,6 Kilogramm, der Rest sind Schlachtabfälle wie Knochen und Sehnen, oder er wird zum Beispiel als Tierfut-ter verwendet.

Am beliebtesten bei den Österreicherinnen und Öster-reichern ist das Schweinefleisch. Hiervon aßen sie 2019 im Durchschnitt 36,4 Kilogramm pro Person. Gerichte mit Schweinefleisch haben in der österreichischen Küche eine lange Tradition und sind von vielen schwer wegzudenken – besonders beliebt ist das Schweineschnitzel. An zweiter Stel-

le liegt Geflügel mit 12,4 Kilogramm pro Kopf, gefolgt von Rind und Kalb mit durchschnittlich 11,9 Kilogramm pro Kopf. Schaf und Ziege mit 0,8 Kilogramm und Innereinen mit 0,3 Kilogramm pro Person landen weniger häufig auf dem Teller. Zusätzlich werden diverse andere Fleischsorten gegessen, etwa Wild mit 0,7 Kilogramm pro Kopf.

Insgesamt blieb der jüngste Fleischkonsum in Öster-reich über 30 Jahre lang eher stabil, erst in den vergangenen 5 Jahren ist ein leichter Trend zu einem reduzierten Fleisch-verzehr erkennbar. Dieser lag im Jahr 2014 noch bei 65 Ki-logramm pro Kopf und ist seither um 3,7 Prozent gesunken. Allerdings gibt es je nach Fleischart große Unterschiede. Der Genuss von Schweinefleisch nimmt ab, bei Geflügel wird es eher mehr. Zusätzlich landeten bei den Österreicherinnen und Österreichern durchschnittlich 7,9 Kilogramm Fisch auf dem Tisch. Auch Umfragen zeigen einen Trend, der sich weg von Schwein und Innereien hin zu Fisch, Geflügel und Wild bewegt.

Insgesamt verspeist jede Österreicherin und jeder Öster-reicher also mehr als 70 Kilogramm Fleisch, inklusive Fisch, pro Jahr. Tatsächlich ist es bei einem durchschnittlichen Er-wachsenen wohl noch mehr, da zum Beispiel Kinder und Menschen, die überhaupt kein Fleisch essen, in der Berech-nung nicht gesondert berücksichtigt wurden. Ein Drittel der befragten Einwohnerinnen und Einwohner geben einer Studie zufolge an, mindestens einmal täglich Fleisch- oder Wurstprodukte zu konsumieren. Weitere 40 Prozent essen drei bis vier Mal pro Woche Fleisch oder Wurst.

Der Anteil von Fleisch und Geflügel aus biologischer Tierhaltung liegt im ersten Halbjahr 2020 bei 5,6 Prozent – das ist ein Anstieg von etwa 1 Prozent seit 2018. Der Bioan-teil bei Wurst und Schinken bleibt mit 3,2 Prozent stabil. Verglichen mit einem Anteil an Biomilch von mehr als 25 Prozent sind diese Zahlen ernüchternd. Im Supermarkt fällt die Entscheidung auf kostengünstigere Produkte aus kon-ventioneller Landwirtschaft.

Im Jahr 2019 wurden in Österreich 90,7 Millionen Hüh-ner, mehr als 5 Millionen Schweine, 680.000 Rinder und Käl-ber, 342.000 Schafe und Lämmer, 53.800 Ziegen und Kitze und 564 Pferde, Fohlen und sonstige Einhufer geschlachtet, das sind jede Sekunde circa 3 Tiere. Zählt man die Menge des erzeugten Fleisches zusammen, ist der Bedarf der Österrei-cher und Österreicherinnen zwar um 109 Prozent gedeckt. Doch auch hier zeigen sich Unterschiede bei den jeweiligen Tierarten.

Bei Hühnern überstiegen die Schlachtungen 2019 die des Vorjahres um 5,8 Prozent. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei Geflügel dennoch nur bei 72 Prozent, was zusätz-liche Importe erfordert. Anders ist das Verhältnis bei Rind- und Kalbfleisch: Hier werden 142 Prozent des Eigenbedarfs

KONSUM IN ÖSTERREICH

AUF DIE TELLER DER REPUBLIK

Männer essen deutlich mehr Fleisch als Frauen. Auch die Zahl der Vegetarierinnen ist viel höher als die der Vegetarier

Die Österreicherinnen und Österreicher essen nicht mehr ganz so viel Fleisch wie noch vor zehn Jahren. Zugleich bedroht der Strukturwandel viele Höfe. Dabei könnte eine extensivere Produktion Massentierhaltung vermeiden und die Natur besser schützen.

FLE

ISC

HAT

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2021

/ S

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STA,

STA

TIST

IK A

UST

RIA

JUNGE MÄNNER AN DEN FLEISCHTÖPFENHäufigkeit von Fleisch- und Wurstkonsum in Österreich nach Alters-gruppen und Geschlecht, Gesundheitsumfrage 2019, in Prozent

nie seltener 1 bis 4 Mal wöchentlich täglich

15- bis unter 30-Jährige

30- bis unter 45-Jährige

45- bis unter 60-Jährige

60- bis unter 75-Jährige

58,0

38,4

1,91,8

48,0

47,6

2,9

1,6

43,1

55,0

1,20,7

32,0

65,2

2,20,7

28,4

59,1

5,0

7,4

26,9

65,4

3,64,1

18,6

72,7

4,83,8

17,7

75,7

4,6

1,9

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FLEISCHATLAS 2021 13

produziert. Bei Schweinefleisch wäre der Bedarf gedeckt, trotzdem werden mehrere Hunderttausend Tonnen impor-tiert und exportiert. Der größte Überschuss herrscht bei den Innereinen, wo mehr als das Sechsfache des Bedarfs produ-ziert wird. Die österreichische Fischproduktion kann nur 6 Prozent des heimischen Bedarfs bedienen.

Vegetarisch ernähren sich Umfragen zufolge etwa 4 Pro-zent der österreichischen Bevölkerung, vegan zirka 1 bis 2 Prozent. Daran hat sich in den vergangenen fünf Jahren kaum etwas geändert. Der wirtschaftliche Anteil pflanz-licher Fleischersatzprodukte liegt bei rund einem Prozent des Gesamtumsatzes an Fleisch. Häufig wird die Massen-tierhaltung als Motiv für eine fleischlose Ernährungsweise erwähnt.

Die österreichische Landwirtschaft ist zwar im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch eher kleinstruktu-riert, dennoch gab es etwa im Jahr 1993 im Durchschnitt noch weniger als 20 Rinder pro Betrieb, während es 2018 bereits mehr als 30 Tiere waren. Ein noch deutlicheres Bild zeigt sich in der Schweinehaltung: Während 1993 auf jeden Schweinehalter durchschnittlich knapp über 30 Tiere ka-men, lag diese Zahl 2018 bei mehr als 125 Schweinen.

Dabei brächte eine extensive Viehwirtschaft nicht nur einen ethischen, sondern auch einen Vorteil für den Natur-schutz mit sich. Denn während zum einen stickstoffhaltige Ausscheidungen der Tiere zu Überdüngungen von Wiesen, Äckern und Weiden führen und Gewässer belasten, gehen zum anderen extensive Weideflächen verloren – und mit ihnen zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die auf diese Le-bensräume angewiesen sind. Dazu kommen Kohlendioxid und weitere potente Treibhausgase wie Methan und Lach-

gas, die massiv zum Klimawandel beitragen. Mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Emissionen gehen in Öster-reich auf das Konto der Nutztierhaltung. Die Erzeugung von Futtermitteln verschlingt enorme Landflächen, zusätzlich ist Österreich auf den Import eiweißreicher Nahrung für seine Tiere angewiesen. Eine ökologisch vertretbare Vieh-wirtschaft erfordert, dass Österreicherinnen und Österrei-cher den Fleischkonsum reduzieren. Das brächte mit großer Wahrscheinlichkeit auch Vorteile für die Gesundheit mit sich. Im Jahr 2019 standen Herz-Kreislauf-Erkrankungen an oberster Stelle der Todesursachen, gefolgt von Krebs.

Der Fleischverzehr in Österreich ist leicht rückläufig. Vor allem

Schweinefleisch wird weniger nachgefragt

Vom Schlachten zum Verbrauch: Zu den im Inland geschlachteten Hühnern sind bei 72 Prozent Selbstversorgung

noch mehr als ein Viertel Importe hinzuzuzählen

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STIK

ÖST

ERRE

ICH

DOMINANTE SCHWEINEEntwicklung des Fleischverzehrs in Österreich, in Kilogramm pro Kopf und Jahr

2004 2009 2014 2019

Rind Schwein Huhn gesamt

WO DAS TIER ZUR NAHRUNG WIRDErfasste Schlachtungen in Österreich, 2019, Auswahl, Zahl der Tiere

66,0

11,8 11,5

40,3

12,3 11,9

40,0

11,5 12,4

39,2

11,9 12,4

36,4

66,5 65,0 62,6

Hühner

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STIK

AU

STRI

A

Schweine

Rinder

Ziegen13.000

173.000

5.063.000

90.702.000680.000

Schafe

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FLEISCHATLAS 202114

Ü ber 20 Jahre hat es gedauert, bis die EU und die Merco-sur-Länder Argentinien, Brasilien, Uruguay und Para-guay ein Assoziierungsabkommen für ihre beiden

Wirtschaftsräume ausgehandelt haben. Es sieht vor, bei 92 Prozent der Importe aus dem Mercosur in die EU und bei 91 Prozent in Gegenrichtung die Zölle nach einer Übergangs-frist abzuschaffen. Dadurch wird der Export von Agrarpro-dukten wie Ethanol, Soja und Rindfleisch aus Südamerika und im Gegenzug der Export europäischer Produkte wie Autos, Maschinen oder Chemieprodukte in die Mercosur-Staaten enorm erleichtert. Wenn das Abkommen im EU-Ministerrat angenommen wird, müssen anschließend das EU-Parlament und die Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten sowie die Parlamente und Regierungen der Mercosur-Län-der zustimmen.

Das Abkommen würde die Fleischexporte aus dem Mer-cosur ausweiten. Zu den 200.000 Tonnen Rindfleisch, die bereits von dort in die EU gelangen, könnten weitere 99.000 Tonnen ohne oder mit geringen Zöllen importiert werden. Die im Juli 2020 von der EU publizierte Nachhaltigkeitsfol-genabschätzung (Sustainability Impact Assessment, SIA) erwartet nach den Einzelbestimmungen einen Anstieg der Rindfleischimporte um 30 bis 64 Prozent. Die französische

Regierung rechnet in einer eigenen Untersuchung damit, dass allein der erleichterte Marktzugang für Rindfleisch aus dem Mercosur die Abholzung im südamerikanischen Wirt-schaftsblock über sechs Jahre hinweg um mindestens 5 Pro-zent pro Jahr steigern könnte. Das sind weitreichende Fol-gen, obwohl der Anteil der Mercosur-Rindfleischexporte in die EU im Verhältnis zur gesamten Produktion dort – mehr als 11 Millionen Tonnen Lebend- und 7,8 Millionen Tonnen Schlachtgewicht – gering ist.

Rindfleisch ist heute schon einer der Haupttreiber von Entwaldung. Sie führt zu einer Zerstörung der Lebens-grundlage indigener und kleinbäuerlicher Gemeinden. Im Amazonas grasen auf 63 Prozent aller entwaldeten Flächen Rinder. Zwischen 70 und 80 Prozent aller Rindfleischimpor-te in die EU kommen aus den Mercosur-Ländern. 50 Prozent der aus Brasilien in die EU gelieferten landwirtschaftlichen Produkte sind auf Abholzung zurückzuführen, vor allem Soja, Rindfleisch und Kaffee.

Auch die Exporte von Geflügel- und Schweinefleisch würden mit dem Abkommen steigen. 180.000 Tonnen Ge-flügelfleisch sollen zollfrei importiert werden dürfen, zu-sätzlich zu den bereits eingeführten 392.000 Tonnen. Bei Schweinefleisch kämen 25.000 Tonnen zu einem geringen Zollsatz hinzu. Dies entspräche fast einer Verdoppelung der Schweinefleischimporte aus dem Mercosur in die EU, die derzeit bei 33.000 Tonnen liegen.

Ähnlich sehen die Prognosen für Soja aus, das zu einem großen Teil als Tierfutter für die europäische Fleischindus-trie dient. Brasilien ist der größte Exporteur von Sojapro-dukten weltweit. Das SIA-Dokument der EU geht davon aus, dass der Import von Ölsaaten aus dem Mercosur um bis zu 5,9 Prozent ansteigen könnte und gravierende ökologische Folgen hätte. Einer Studie von 2019 zufolge werden fast zwei Drittel aller verkauften Pestizide in Brasilien im Anbau von Soja und Zuckerrohr eingesetzt. Mit dem Abkommen würden die Einfuhrzölle auf Pestizide in den Mercosur abge-schafft, die derzeit bei bis zu 14 Prozent liegen. Der Handel mit Pestiziden würde gestärkt, was der EU- und vor allem der deutschen Chemieindustrie zugute käme.

Das EU-Mercosur-Abkommen würde sich nicht nur ne-gativ auf die Waldbestände und die Biodiversität in Teilen Südamerikas auswirken. Auch das Klima würde in Mitlei-denschaft gezogen. Die zusätzlichen CO

2-Emissionen ent-stünden wegen weiterer Entwaldung, stärkerer Produk-tion und zunehmendem Transport. Die Folgeabschätzung Frankreichs hat sogar ergeben, dass unter diesen Bedingun-gen die Produktion eines Kilos Rindfleisch in Lateinamerika mit viermal höheren Treibhausgasemissionen verbunden wäre als eine Produktion in Europa. Dass das Abkommen in Kraft tritt, ist noch nicht ausgemacht.

HANDEL

IN DIE FALSCHE RICHTUNGBeim Assoziierungsabkommen zwischen der EU und vier Mercosur-Staaten geht es um viel Fleisch und Futtermittel, den Regenwald und das Klima. Aber die EU hat Angst vor billigen Importen, und der Widerstand wächst. Ob das Abkommen in Kraft tritt, ist deshalb fraglich.

Zwischen den drei weltgrößten Sojahändlern – den USA, Brasilien und, als Kunde, China – ist die EU eher unbedeutend. Scheitert das Handelsabkommen, bleibt es dabei

SOJA VOR DEN ZEITEN DER STRAFZÖLLEDie wichtigsten Handelsströme der Sojabohnen, 2017, in Millionen Tonnen

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2021

/ B

LOO

MBE

RG

China

EU-28

andere

5,037,5

USA

48,013,5

9,5

20,5

8,8

Brasilien

Argentinien22,5

Als 2018 die USA Strafzölle gegen China verhängten, kaufte China weniger in den USA und mehr in Südamerika. Die starken Schwankungen seither lassen derzeit keine Aussagen über Trends zu.

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FLEISCHATLAS 2021 15

Zu groß ist die Kritik. Landwirtinnen und Landwirte in Europa befürchten, aufgrund sinkender Preise nicht mit-halten zu können. Nichtregierungsorganisationen kritisie-ren die Vergünstigung von Pestizidexporten und die Folgen für das Klima. Immer mehr EU-Mitgliedsstaaten zeigen sich ebenfalls skeptisch bis kritisch. In Frankreich, den Nieder-landen, Belgien, Irland, Luxemburg und Österreich sind sich Regierungen oder Parlamente einig, dass das Abkommen in seiner derzeitigen Form nicht ratifiziert werden kann. Auch die deutsche Bundeskanzlerin äußerte Bedenken.

In nicht bindender Abstimmung votierte das EU-Parla-ment für Änderungen. EU-Handelskommissar Valdis Dom-brovskis hat allerdings betont, dass das Abkommen nicht erneut aufgemacht und nachverhandelt werde. Nachbes-serungen würden sich auf Protokollanhänge, Fahrpläne oder Ähnliches beschränken. So ist es auch aus anderen EU-Abkommen bekannt. Der Ratifizierungsprozess hat sich bereits in das Jahr 2021 verschoben. Auf Eis gelegt, wie es Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlamentes, forderte, ist das Abkommen damit allerdings keinesfalls.

Auf drei etwa gleich große Exporteure – die USA, die EU und Brasilien – entfallen fast

60 Prozent aller internationalen Fleischverkäufe

Fleisch und Soja gegen Autos und Maschinen – das Mercosur-Abkommen trägt dazu bei, eine solche Handelsstruktur aufrechtzuerhalten

DAS ABKOMMEN IM ÜBERBLICKAußenhandel im Mercosur-EU-Wirtschaftsraum, in Milliarden Euro, 2018

44,942,5

31,7 33,68,4 1,7 9,3 1,40,7 0,6

19,0 11,7 14,314,6 12,2 15,7

FLE

ISC

HAT

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2021

/ A

FP

Mercosur EU EU Mercosur

nach Ländern

nach Warengruppen

insgesamt

Nahrungsmittel Rohstoffe chemische Produkte Maschinen, Fahrzeuge sonstiges

Brasilien Argentinien Uruguay Paraguay

FLE

ISC

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2021

/ O

ECD,

FAO

ZENTREN DES FLEISCHHANDELS Staaten mit mehr als fünf Millionen Tonnen Fleischkonsum und/oder mehr als einer Million Tonnen Im- oder Exporte, Jahresdurchschnitt 2017–19, in Millionen Tonnen

Importe Exporte

0,1

1,1

0,3

2,2

0,0

1,2

0,7

2,0

3,1

0,0

0,0

1,6

3,9

0,6

0,8

0,3

1,8

0,8

1,6

6,7

2,0

0,4

0,0

6,1

0,1

0,7

2,0

7,5

USA

Indien

EU-28

Kanada

Brasilien

Russland

AustralienArgentinien

JapanGroßbritannien

Thailand

Mexiko

China

Neuseeland

1,5

0,0Vietnam

1,4

0,0Korea

Differenzen durch Rundung

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FLEISCHATLAS 202116

D ie globale Fleischproduktion ist im Jahr 2019 das ers-te Mal seit 1961 nicht gewachsen, sondern um zwei Prozent auf 325 Millionen Tonnen gesunken. Hierfür

ist die Afrikanische Schweinepest (ASP) und nicht ein rück-gängiger Konsum der Hauptgrund. So hat die ASP in China dazu geführt, dass die Produktion von Fleisch insgesamt um 10 Prozent, von Schweinefleisch sogar um mehr als 20 Pro-zent eingebrochen ist. Mitte 2019 waren mit 150 bis 200 Mil-lionen Schweinen mindestens 30 Prozent der chinesischen Schweinepopulation infiziert und die Produktion auf dem niedrigsten Niveau seit 2003. Vor der ASP-Epidemie war die Schweinefleischproduktion des Landes doppelt so groß wie die der EU und betrug mehr als das Fünffache der US-Menge. Trotz der jüngsten Einbrüche bleibt China aber mit 80 Mil-lionen Tonnen Fleischproduktion neben den USA, Brasilien, Russland und Deutschland eines der wichtigsten fleischpro-duzierenden Länder der Welt.

Auch der globale Handel mit Fleisch war und ist deut-lich vom Ausbruch der Schweinepest beeinflusst. Insgesamt wurden etwa 6,8 Prozent mehr Fleisch gehandelt. Allein China hat im Jahr 2019 zwei Millionen Tonnen – also 37 Pro-

zent – mehr Fleisch importiert als im Vorjahr. Am meisten profitiert haben die brasilianischen Erzeugerkonzerne, die Rekordmengen von Geflügel- und Schweinefleisch nach China lieferten. Aber auch die EU hat ihre Ausfuhren ausge-baut. Im ersten Halbjahr 2020 wuchsen die Schweinefleisch-exporte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 15 Pro-zent. Die Lieferungen nach China verdoppelten sich. Als die ASP im Spätsommer 2020 Deutschland erreichte, stoppten Importländer wie China, Südkorea und Japan die Einfuhren aus Deutschland. Daraufhin revidierte die EU-Kommission ihre positive Exportschätzung für das Jahr 2020 und sagte für 2021 ein Minus von 10 Prozent voraus. Ein Zeichen für Verwerfungen auf dem Weltmarkt ist das aber nicht: Insge-samt werden noch immer nur etwa 11 Prozent des weltweit produzierten Fleisches international gehandelt.

Rückblickend betrachtet ist die globale Fleischproduk-tion in den vergangenen Jahrzehnten rasant gewachsen. In den 1970er-Jahren betrug sie gerade mal ein Drittel der heu-tigen Menge. Die OECD geht davon aus, dass sie – etwas ver-langsamt bis 2029, also fast bis zum Referenzjahr 2030 der globalen Entwicklungsziele – um weitere 40 Millionen Ton-nen steigen wird. Dann wäre, wenn vorher nicht politisch umgesteuert wird, eine Produktion von etwa 366 Millionen Tonnen pro Jahr erreicht.

PRODUKTION

EINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG UND IHRE GROSSEN ERZEUGER

In vielen Gegenden der Welt nimmt die Fleischproduktion weitherin zu. In der EU ist dieser

Trend seit etwa 20 Jahren abgeschwächt

Globalisierung und Reformen in vielen Ländern Asiens und Osteuropas haben die Produktion tierischer Erzeugnisse in den letzten Jahrzehnten erhöht. Tierseuchen tragen dazu bei, dass die kleinbäuerlichen Betriebe verlieren.

BOOM-BUSINESS Entwicklung der Fleischproduktion in wichtigen Erzeugerländern und in der EU sowie in deren Mitgliedsstaaten, Auswahl*, in Millionen Tonnen

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2021

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WID

* zum Erhebungszeitpunkt noch mit Großbritannien. Deutschland vor 1990: mit DDR. Rückgang der ostdeutschen Fleischproduktion nach dem Beitritt der DDR zur BRD

20181970 1980 1990 2000 20100

20

30

50

70

10

40

60

80

90

1961 20181970 1980 1990 2000 20100

2

3

5

7

1

4

6

8

9

1961

USA

Frankreich

Deutschland

Italien

Niederlande

Polen

Spanien

Argentinien

Brasilien

China

EU-28

Indien

Russland

Großbritannien

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FLEISCHATLAS 2021 17

80 Prozent des Wachstums dürfte in den Ländern des Südens stattfinden. Die größten Produktionsländer bleiben China, Brasilien, die USA und die Mitgliedsstaaten der EU. Gemeinsam könnten sie 2029 noch 60 Prozent des weltwei-ten Fleisches produzieren.

Geflügelfleisch bleibt der Bereich mit dem stärksten Wachstum in der Fleischbranche. Fast die Hälfte der gesam-ten Zuwächse in der Fleischproduktion in den kommenden zehn Jahren soll im Geflügelsektor stattfinden. Niedrige Pro-duktionskosten, ein kurzer Produktionszyklus und damit auch niedrige Verkaufspreise tragen dazu bei, dass Geflügel zum Fleisch der Wahl sowohl für Produzentinnen und Pro-duzenten als auch Verbraucherinnen und Verbraucher ge-worden ist.

Die Afrikanische Schweinepest hat den Strukturwandel in der Fleischindustrie Chinas stark beschleunigt, heißt es in einer Analyse. Ihr zufolge werden kleinere Betriebe die Fol-gen der Notschlachtungen wirtschaftlich schlechter über-stehen und mehr als 55 Prozent die Schweinezucht nach der Tötung ihrer Tiere nicht wieder aufnehmen können. Im Jahr 2003 seien etwa 70 Prozent der chinesischen Schweinepro-duktion aus Betrieben mit bis zu 49 Tieren pro Jahr gekom-men und nur 3 Prozent aus Betrieben mit 10.000 oder mehr Tieren. Im Jahr 2022 hingegen würden etwa 42 Prozent der gesamten Produktion von Betrieben mit mehr als 10.000 Tieren stammen, während Betriebe mit unter 50 Tieren nur noch mit etwa 3 Prozent dabei seien – und diese Erwartun-gen stammen noch aus der Zeit vor dem ASP-Ausbruch.

Mittelbare Auswirkungen der ASP gibt es auch in Deutschland. Die Preise für Schweinefleisch sind infolge der Exportverbote und des großen Angebots auf dem Inlands-markt deutlich gesunken. Dies setzt besonders kleinere Be-triebe, die etwas teurer produzieren, unter Druck.

Viele Bereiche der Tierhaltung haben Erfahrungen mit Seuchen gemacht. Bei Rindern war es BSE, bei Geflügel die Vogelgrippe, und nun ist auch die Schweinepest aus-gebrochen. Aber die Pandemien sind nur ein Faktor des Strukturwandels, den die Fleischproduktion seit Jahren durchläuft.

Die Tierhaltung hat sich in den vergangenen 50 Jahren grundlegend geändert. Immer weniger Tiere werden auf der Weide gehalten. Der größte Teil des Fleisches kommt aus Stallhaltung oder der Haltung aus sogenannten „Feed-lots“, in denen die Tiere unter freiem Himmel auf ähnlich kleiner Fläche gehalten werden. Die konzentrierte Haltung und die wachsende Zahl der Nutztiere erfordern immer mehr Futtermittel aus Getreide oder Ölsaaten. Das wieder-um bedeutet, dass Landflächen wie Wälder oder Wiesen in Äcker umgewandelt werden. Aufgrund all der negativen Auswirkungen auf Klima und Umwelt ist Fleisch zu einem der besonders problematischen Konsumgüter unserer Welt geworden.

Wo Fleisch und Milch hergestellt werden, entstehen nicht nur Nahrungsmittel, sondern

auch Belastungen für Mensch und Natur

OSTEN IM ZENTRUMGrößte Produzentenländer für die wichtigsten tierischen Produkte, Jahresdurchschnitt 2017–19, in 1.000 Tonnen

Rind Schwein Geflügel Schaf

EU-27 ohne Großbritannien

FLE

ISC

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2021

/ O

ECD,

FAO

USA

11.800

11.900

21.800

70

Argentinien

2.900

600

2.100

50

Brasilien

9.100

4.000

13.800

120

EU-27

7.300

23.100

13.200

650

Indien

2.500

300

3.700

740

Russland

1.600

3.700

5.000

230

China

6.500

50.500

20.400

4.800

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FLEISCHATLAS 202118

M it einem Fleischkonsum von durchschnittlich 62,6 Kilogramm pro Person jährlich, davon 36,4 Kilo-gramm Schweinefleisch, liegt Österreich weltweit

im Spitzenfeld und deutlich über wissenschaftlichen Emp-fehlungen zu einer ausgewogenen Ernährung. Die Gesund-heit ist allerdings nicht das einzige Problem.

Mehr als 97 Prozent des in Österreich produzierten Schweinefleischs stammen aus konventioneller Tierhal-tung. Sie erlaubt sogenannte Vollspaltenböden, also Beton-böden mit eingelassenen Spalten, durch die der Schweine-kot nach unten fällt. Ebenso erlaubt ist die Ferkelkastration ohne Betäubung, und die Ringelschwänze werden trotz Ver-bot routinemäßig kupiert. Zuchtsauen werden im qualvol-len Kastenstand und damit praktisch in einem Käfig gehal-ten. Eine Einstreu für die Tiere ist nicht verpflichtend, ebenso wenig ein Außenbereich. Adäquates Beschäftigungsmate-

rial ist zwar vorgeschrieben, wird aber nicht oder nicht in ausreichender Qualität oder Quantität bereitgestellt. Einem Mastschwein bis 110 Kilogramm müssen 0,7 Quadratmeter, ab einem Gewicht von 110 Kilogramm ein Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden. Das entspricht ungefähr der Größe einer Duschkabine.

Aus Tierschutzsicht ist das alles selbstverständlich völlig ungenügend. Denn hier werden die Tiere dem Haltungssys-tem angepasst, sie müssen dafür sogar körperliche Eingriffe über sich ergehen lassen. Es sollte aber genau umgekehrt sein: Eine moderne, tierschutzkonforme Haltung sollte den Bedürfnissen der Tiere angepasst sein.

57 Prozent der in Österreich gehaltenen Schweine fris-ten ihr Leben auf Vollspaltenböden. Das bedeutet für die reinlichen Tiere ein Leben über ihren eigenen Fäkalien. Durch den harten und kalten Boden leiden sie unter Ge-lenksentzündungen, Lungenkrankheiten, ausgelöst durch die Ammoniakdämpfe, sowie Verhaltensstörungen. Ein Bo-den mit naturnaher, weicher Einstreu fördert nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden von Schweinen, sondern

MASTSCHWEINE IN ÖSTERREICH

EINE FRAGE DER HALTUNGDas meiste in Österreich verzehrte Fleisch stammt vom Schwein. Massenproduktion und Preisdruck sorgen für vielerlei Mängel bei der Stallhaltung und der Schweinemast insgesamt. Biologische Haltung ermöglicht ein artgemäßeres Leben, aber der Marktanteil ist gering.

An vielen Stellen reichen die Vorschriften nicht aus, um Tierhaltung deutlich stärker am Tierwohl

auszurichten. Viele Schritte sind möglich

EIN SCHWEINESTALL MIT ZUKUNFTElemente einer Schweinehaltung, die sich am Tierwohl ausrichtet, Schaubild

verschiedene Bodenbeläge

genügend Platz

Klimawechsel, vorzugsweise ins Freie

qualifizierteres Personal

keine Amputationen

weniger Medikamente

FLE

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BA, S

TOC

KMAR

keine Kastrierung ohne Betäubung

Angebote zum Spielen, Fressen, Putzen

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FLEISCHATLAS 2021 19

reduziert auch die Ausstöße von Methan. Laut aktuellen Stu-dien wird bei der Haltung auf Vollspaltenböden doppelt so viel Methan ausgestoßen wie in derjenigen auf Stroh.

Pro Jahr werden so gut wie alle 2,7 Millionen männlichen Ferkel in Österreich in den ersten Tagen ihres Lebens ohne Be-täubung kastriert, um das minimale Risiko des Ebergeruchs beim Schweinefleisch zu vermeiden. Die Tiere leiden dabei er-hebliche akute und länger andauernde Schmerzen sowie gro-ßen Stress. In Ländern wie Norwegen, der Schweiz und Schwe-den ist die betäubungslose Ferkelkastration bereits verboten. In Großbritannien und Irland kastrieren Landwirtinnen und Landwirte die Ferkel nicht, da das gesamte Produktionssystem schon vor vielen Jahrzehnten auf Ebermast umgestellt wurde. Neben der Ebermast gibt es mit der Immunokastration – die die Bildung von Geschlechtshormonen immunologisch ver-hindert – oder der Kastration unter Narkose oder durch Gabe von Schmerzmitteln andere praktikable Alternativen.

Die biologische Haltung garantiert dem Schwein ein et-was artgemäßeres Leben. Allerdings kommen in Österreich nur 2,7 Prozent der Tiere in diesen Genuss. Vollspaltenbö-den sind hier – wie auch bei speziellen Tierwohlprogram-men – verboten. Einem Schwein steht doppelt so viel Platz zu wie in konventioneller Haltung und ein Außenbereich. Die betäubungslose Ferkelkastration ist allerdings nicht einmal in der biologischen Haltung ausdrücklich verbo-ten. Auch unterscheiden sich weder der Transport noch die Schlachtung von den konventionellen Standards. Allerdings garantieren die biologische Haltung sowie auch die meisten gängigen Tierschutz-Gütesiegel eine zu 100 Prozent gen-technikfreie Fütterung. Denn 80 Prozent des für die konven-tionelle Tierhaltung importierten Sojaschrots in Österreich

stammen von gentechnisch veränderten Sojabohnen aus Südamerika. Um sie anzubauen, werden dort Regenwälder und anderer wertvoller Lebensraum vernichtet.

Der Grund für die weitgehend konventionelle und damit intensive Schweinehaltung in Österreich liegt im System Fleischindustrie, das sich vor allem auf Massenproduktion und Preisdruck stützt. Der Lebensmitteleinzelhandel und die Gastronomie befeuern dies zusätzlich mit zahlreichen Lockangeboten und Sonderaktionen für Fleisch. Der Preis-kampf zerstört nicht nur die Wertigkeit von Fleisch und er-höht den Druck auf Umwelt und Landwirtschaft, er zemen-tiert auch schlechte Standards bei der Haltung der Tiere. Ein Verzicht auf Billigfleisch-Rabatte wäre daher ein erster Schritt, um den Druck auf die Landwirtschaft zu verringern und angemessene Erzeugerpreise zu fördern.

Neben einer Förderung artgerechterer Haltungssyste-me wäre eine bessere Kennzeichnung auch Teil der Lösung. Während bei Frischfleisch in Österreich über die Herkunft informiert werden muss, gibt es bei verarbeiteten Produkten wie Grillwürsten, die in der Regel vor allem aus Schweine-fleisch bestehen, oder mariniertem Fleisch keine verpflich-tenden, flächendeckenden Angaben dazu. Sie allein greifen allerdings aus Sicht des Tier- und Konsumentenschutzes ebenfalls zu kurz. Nur eine zusätzliche Information über die Haltungsform schafft die nötige Transparenz, Verbrauche-rinnen und Verbrauchern bewusste Kaufentscheidungen zu ermöglichen.

Schweinehaltung findet in Österreich vor allem in drei Bundesländern statt. Zentrum ist Oberösterreich,

wo auch der Bestandsrückgang am niedrigsten war

Zahl der Tiere, 2019 700.000 bis 1,1 Millionen 40.000 bis 120.000 unter 10.000

Abnahme seit 1995 in Prozent

Gesamtbestand, Anzahl in Millionen Zahl der Betriebe, in 1.000

FLE

ISC

HAT

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2021

/ S

TATI

STIK

AU

STRI

A

Burgenland 41.300

4.700Vorarlberg

9.990Tirol 739.400Steiermark

113.300Kärnten

1.085.700Oberösterreich

9.600Salzburg

769.200Niederösterreich

SCHWEIN GEHABTBestand an Zuchtsauen, Ferkeln und Mastschweinen in Österreich und nach Bundesländern sowie Abnahme des Bestandes und der Zahl der Betriebe seit 1995

-67,1 %-64,0 %

-42,6 %

-27,7 %-77,2 %-74,7 %

-29,5 %

-8,0 %

1995 20192016201320102007200520031999

3,7 1073,4

833,2

61

3,2

46

3,2

38

3,0

30

2,9

26

2,8

21

3,1

53

Bundesländer: ohne Wien

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FLEISCHATLAS 202120

Ö sterreich exportiert jährlich rund 50.000 lebende Kälber, die das „ungewollte Nebenprodukt“ der hei-mischen Milchindustrie sind. Gleichzeitig importiert

das Land Fleisch von 110.000 bis 115.000 Kälbern aus dem Ausland. Der Grund ist einfach: In Europa haben sich man-che Länder auf die Mast von Kälbern spezialisiert und ex-portieren billig. Die heimischen Betriebe können mit den Preisen nicht mithalten, die Aufzucht der Kälber rechnet sich nicht.

Die billige Produktion im EU-Ausland ist möglich, weil dort Kälber mit einer Mischung aus Wasser, Milchpulver und Palmöl gefüttert werden dürfen, obwohl dies eine qual-volle Mangelernährung für die Tiere bedeutet. Ihr Ziel ist möglichst helles Fleisch. Das Gesetz in Österreich hingegen schreibt vor, dass Kälbern ab einem gewissen Alter nicht nur Milch, sondern auch eisenhaltiges Raufutter wie Gras oder Heu gegeben werden muss. Das Fleisch dieser natürlich ge-

fütterten Tiere ist dann rosarot, da Eisen das Fleisch dunkler färbt. Frau und Herr Österreicher bevorzugen jedoch tradi-tionell helles Kalbfleisch, das In Handel und Gastronomie als qualitativ hochwertig angeboten wird.

Was die Produktion von Kalbfleisch angeht, herrscht in Europa Arbeitsteilung. Länder mit großer Milchwirtschaft verursachen eine Überproduktion an Kälbern, die dann in Ländern mit „günstigen“ Bedingungen für die Mast – oft einhergehend mit niedrigen Tierschutzstandards – auf-gezogen werden. Diese wiederum schicken die Tiere in die Länder weiter, die sich auf die Schlachtung und Verarbei-tung konzentrieren. Von dort wird aus das Fleisch dann als fertiges Produkt wieder in ganz Europa verteilt. So kann der Weg eines in Österreich geboren Kalbes zum Beispiel zu-nächst nach Italien oder Spanien zur Mast gehen.

Abschließend kommt es in die Niederlande, den euro-päischen Hauptexporteur von Kalbfleisch, wo es geschlach-tet und verarbeitet wird. Von da geht es als Importfleisch wieder zurück nach Österreich, vor allem in die Gastrono-mie. Spanien nimmt in diesem Kreislauf eine Schlüsselrol-

KÄLBER AUS ÖSTERREICH

WIE DIE MILCHWIRTSCHAFT ZU TIEREXPORTEN FÜHRT

Die Spezialisierung auf Mast, Milch und Fleisch in unterschiedlichen Ländern führt zu

hohen Exporten und Importen, auch in Österreich

Zehntausende lebende Kälber verlassen jedes Jahr Österreich, um bei niedrigeren Tierschutzstandards gemästet zu werden. Eine Mangelernährung führt zum begehrten hellen Fleisch – das dann vielleicht wieder nach Österreich importiert wird.

FLE

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2021

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DIE KÄLBERBILANZImport und Export lebender und geschlachteter Kälber sowie Aufzucht und Schlachtung von Kälbern in Österreich, Anzahl der Tiere, 2016 und 2019

lebende Kälber geschlachtete Kälber

89.100 104.100 149.10055.300

11.200

2016

importiert exportiertselbst erzeugt selbst verbraucht

104.900 96.400 159.90045.4002019

4.100

selbst erzeugtimportiert exportiertselbst verbraucht

Differenzen durch Rundung

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FLEISCHATLAS 2021 21

le ein. Es ist eines dieser Länder, die sich nicht nur auf die Mast der Kälber, sondern auch auf deren Weitertransport in Drittstaaten spezialisiert haben. Unter den Zielländern sind auch sogenannte Hochrisikoländer wie Ägypten, Al-gerien oder Armenien, bei denen es wahrscheinlich ist, dass dorthin transportierte Tiere in tierquälerischer Wei-se behandelt und geschlachtet werden. Im Jahr 2019 ver-zeichneten die Lebendtiertransporte Spaniens in Dritt-länder einen Höchstwert von circa 190.000 Tieren. Die Hauptdestination ist Libyen, gefolgt vom Libanon, der Tür-kei und Algerien.

So können die Tiere möglichst unauffällig in Länder gebracht werden, in denen sowohl die Haltungs- als auch die Schlachtbedingungen weit unter den österreichischen Standards liegen. Einige deutsche Bundesländer haben be-reits Tiertransporte in diese Länder gestoppt, in Österreich lässt eine ähnliche Entscheidung auf sich warten. Da öster-reichische Kälber ohnehin meist erst Wochen oder Monate später über den „Zwischenstopp“ Spanien oder Italien dort landen, scheint das Problem bequem ausgelagert.

Europas Arbeitsteilung ist auch wegen der Transporte problematisch. Oft werden Saugkälber, die nicht älter als zwei Wochen und noch auf Milch angewiesen sind, über lange Strecken und viele Stunden befördert und können nicht mit Milch oder zumindest mit Milchersatzprodukten gefüttert werden. Nicht einmal die Versorgung mit Was-ser ist immer sichergestellt, da die Tränken so gut wie nie für Kälber, sondern für erwachsene Tiere ausgelegt sind und von den jungen Tieren noch nicht richtig bedient wer-den können. Die Kälber leiden dann an Durst und Hunger, immer wieder sterben sie an den Folgen. Studien haben

ergeben, dass die Sterblichkeit von transportierten Käl-bern zwei Wochen nach dem Langstreckentransport sie-ben Mal höher ist als bei Kälbern, die am Herkunftsbetrieb bleiben.

Die Lösung läge einerseits in einem Aufbau der Kälber-mast in Österreich, einer tiergerechten Haltung und in einem Tierwohlmonitoring für die Kälber. Dies muss mit Schlachtmöglichkeiten vor Ort gekoppelt werden, um die Transporte überflüssig zu machen. Es sollte zudem nur noch das dunklere Fleisch von gesunden Kälbern angeboten wer-den dürfen. Der Schlüssel für mehr Transparenz, mehr Ver-braucherinformation und mehr Tierwohl liegt zudem in ei-ner konsequenten Kennzeichnung der Herkunft, aber auch der Haltungsstandards von tierischen Produkten in allen Be-reichen – im Lebensmitteleinzelhandel und vor allem in der Gastronomie, denn hier wird mit Abstand das meiste Kalb-fleisch konsumiert. Nur wenn diese Transparenz gewähr-leistet ist, können sich Konsumentinnen und Konsumenten bewusst für Tierwohl und Qualität entscheiden.

Ein zweiter Ansatz zielt auf die entscheidende Rolle der öffentlichen Beschaffung. Öffentliche Einrichtungen haben mit ihrer Kaufkraft viel Einfluss am Markt, können der Land-wirtschaft Abnahmegarantien bieten und dienen als Best-Practice-Beispiel für die Gastronomie. Diese kann mit der Entscheidung für Tierwohl und Regionalität einen wesent-lichen Beitrag leisten, um Tiertransporte und qualvolle Mast zu reduzieren.

Die Zahl der Rinder in Österreich nimmt langsam, aber kontinuierlich ab, sogar dort, wo sie

ökologisch am nützlichsten sind: in den Almregionen

Zahl der Tiere, 2019 300.000 bis 550.000 150.000 bis 200.000 unter 100.000

Abnahme seit 1995 in Prozent

Gesamtbestand, Anzahl in Millionen Zahl der Betriebe, in 1.000

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ISC

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2021

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STIK

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STRI

A

Burgenland 18.700

64.200Vorarlberg

176.000Tirol 315.500Steiermark

183.700Kärnten

Bundesländer: ohne Wien

541.500Oberösterreich

160.100Salzburg

419.700Niederösterreich

EIN MINUS IN STÄLLEN UND AUF ALMEN Bestand an Rindern in Österreich und nach Bundesländernsowie Abnahme des Bestandes und der Zahl der Betriebe seit 1995

-47,5 %-8,5 %

-12,5 %

-20,8 %-10,4 %-0,8 %

-23,9 %

1995 20192016201320102007200520031999

2,3 1162,2

101 2,088

2,0

77

2,0

72

2,0

66

1,9

60

1,9

56

2,0

82

-22,0 %

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FLEISCHATLAS 202122

D er seit Jahren weltweit steigende Fleischkonsum treibt auch den Bedarf an Futtermitteln in die Höhe. In der intensiven Tierhaltung ist Soja eines der wich-

tigsten Protein liefernden Bestandteile des Futters. Seit 2001 hat sich sein Anteil im internationalen Handel mehr als ver-fünffacht. Soja wird als Lebensmittel, Treibstoff oder Indus-triematerial genutzt – fast 90 Prozent allerdings landen in den Trögen.

Die größten Anbauländer sind Brasilien mit 133 Mil-lionen Tonnen, die USA mit 117 und Argentinien mit 53 Millionen Tonnen. Fast 90 Prozent der weltweiten Sojaex-

porte stammten 2019 aus diesen drei Ländern. Brasilien ist mit 74 Millionen Tonnen der größte Exporteur, gefolgt von den USA. Mit der Ausweitung des Anbaus hat sich auch die Fläche vergrößert, die mit gentechnisch veränderten Soja-bohnen bewirtschaftet wird. In den USA hat sie einen Anteil von 94 Prozent erreicht, in Brasilien bestand 2017 die Ernte sogar zu 97 Prozent aus gentechnisch behandelten Sorten.

China ist der mit Abstand größte Produzent und Konsu-ment von Fleisch weltweit. Entsprechend groß ist der Bedarf an Futtermitteln, der China zum größten Sojaimporteur weltweit macht. Im Jahr 2019 kaufte das Land mit 74 Mil-lionen Tonnen knapp zwei Drittel aller Exporte, gefolgt von der EU mit 13 Millionen Tonnen. Entsprechend groß können Veränderungen in den weltweiten Handelsströmen sein: Zwischen Januar und Mai 2020 importierte China fast 37 Prozent mehr Soja aus Brasilien, weil das Land als Folge der handelspolitischen Spannungen mit den USA weniger von dort importierte.

Zu Futtermitteln verarbeitet und gehandelt wird Soja von Agrarhandelskonzernen, die weltweit in Häfen, Flotten und Logistik investieren. Die größten Agrarhändler sind die sogenannten ABCD-Konzerne, die vier Firmen Archer Da-niels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus Company. Im Jahr 2018 exportierten sie zusammen mit dem brasilia-nischen Händler Amaggi 56 Prozent des Sojas aus Brasilien.

Weil die Nachfrage zunimmt und eine Steigerung der Produktivität auf den bestehenden Flächen schwierig wäre, wird für den Sojaanbau immer mehr Platz benötigt. In den 20 Jahren bis 2019 sind die Anbauflächen von 77 auf 125 Millionen Hektar gewachsen. Mittlerweile steht der Soja-anbau nach der Viehwirtschaft an zweiter Stelle der Verur-sacher von Abholzung weltweit. Besonders in Brasilien und Argentinien werden Wald und Grasland in Sojafelder um-gewandelt.

Zwischen 2006 und 2017 wurden im Amazonas-Regen-wald und der brasilianischen Savanne Cerrado, eines wegen seiner Biodiversität sehr wertvollen Trockenwaldes, 220.000 Quadratkilometer Wald abgeholzt. Das entspricht mehr als 60 Prozent der Fläche Deutschlands. Zumeist entstanden Viehweiden, doch zehn Prozent der gerodeten Fläche wur-de einer Untersuchung der Initiative Trase zufolge direkt für den Sojaanbau verwendet. Die massive Abholzung im Cerra-do hat einen einfachen Grund: Das Amazonas-Moratorium, eigentlich ein großer Erfolg, verbietet den Handel mit Soja, das von Regenwaldflächen stammt, die nach 2008 gerodet wurden – aber eben nur im Amazonas. Die Sojaproduktion ist deshalb auf den Cerrado ausgewichen.

Keiner der großen Agrarhändler unterstützt die Forde-rung, das Handelsmoratorium auch auf den Cerrado aus-zuweiten. Cargill spricht sich sogar öffentlich dagegen aus.

FUTTER

ERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL ISTÜber ein Drittel aller Feldfrüchte weltweit landet in den Mägen von Nutztieren – allein eine Milliarde Tonnen Soja und Mais jährlich. Die Futtermittelindustrie und die Tierhalter wollen das noch steigern.

Während die industrielle Tierfutterproduktion in Amerika stagniert, ist Osteuropa – vor allem die Ukraine – zur neuen Boomregion geworden

FLE

ISC

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2021

/ IF

IF

STATUS UND TRENDMischfutterherstellung nach Ländern und Ländergruppen, in Millionen Tonnen

Mengenwachstum, Auswahl, Index 1999=100

2018

Brasilien

sonstige

restliches Amerika

restliches Europa

restliches Asien

Mexiko

Kanada

Japan

EU-28

USA

China

16568

61

188

177

22

18569

35

24

91

20182003 2012 20152009200650

100

150

200

250

300

1999

Nicht-EU-Europa

EU-28

China

Brasilien

USA

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FLEISCHATLAS 2021 23

Das Moratorium gilt allerdings auch im Amazonas nur für das Land, das explizit für den Sojaanbau abgeholzt wurde. Soja, das auf Flächen angebaut wird, die ursprünglich für andere Zwecke gerodet wurden, fällt nicht darunter. Daher dehnen sich die neuen Anbauflächen mehrheitlich auf ehe-maligem Weideland aus, für das ebenfalls Regenwald oder Savanne gerodet wurde.

Dass Fortschritte schnell zunichte gemacht sind, bele-gen auch die Waldbrände von 2019 und 2020, die vor allem das Resultat von Brandrodungen waren – unter anderem für Sojafarmen. Dies zeigt der Vergleich von Satellitenaufnah-men der Feuer einerseits und der Karten mit den größten Fleischfabriken und Sojasilos andererseits: Viele Feuer lo-derten in unmittelbarer Nähe der Fabriken, Lager und ihrer Infrastruktureinrichtungen. Unterstützt wird dies durch die Politik des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der die Bestimmungen zum Umweltschutz fortlaufend lockert. Er begrüßt die Ausdehnung des Agrobusiness in den Regen-wald und die tropische Savanne nicht nur, sondern legali-siert sie auch. Die Abholzungsrate in Brasilien stieg 2019 auf das höchste Niveau seit 2007/08, und die Prognosen sehen einen weiteren Anstieg voraus.

Laut einer Studie, die das renommierte Magazin Science im Jahr 2020 veröffentlichte, stammen 20 Prozent der So-jaexporte aus dem Amazonas und dem Cerrado in die EU von illegal abgeholztem Land. So steht der Fleischkonsum in Europa in direktem Zusammenhang mit der Abholzung in Brasilien – und den Folgekonflikten: Neben den negati-ven Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität führt

Entwaldung auch zu Landkonflikten und verletzt die Rech-te indigener Gemeinschaften. Der Nichtregierungsorgani-sation Global Witness zufolge nehmen Konflikte zwischen lokalen Gemeinschaften und Soja- oder Viehfarmern zu, genauso wie Drohungen und Gewalt gegen jene, die sich für ihr angestammtes Land und das Klima einsetzen. 2019 wurden in Brasilien 24 Umweltaktivisten und Um-weltaktivistinnen getötet – 90 Prozent davon in der Ama-zonas-Region.

Allein für Sojabohnen haben sich die Anbau-flächen seit 1990 mehr als verdoppelt. Inzwischen

sind sie dreimal so groß wie Deutschland

Nur rund 40 Prozent der Ernte der wichtigsten Feldpflanzen bleiben den Menschen zur

Ernährung. Fast ebenso viel geht an die Tiere

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ T

NI,

USS

OY

FELDFRÜCHTE MIT VIELEN INTERESSENTENWichtigste landwirtschaftliche Produkte nach Erträgen und Verwendungszwecken, Auswahl, Durchschnitt 2017–19, in Millionen Tonnen und Anteile in Prozent

Viehfutter menschliche Nahrung Treibstoff Industrie/andere

industrielle und dezentrale Produktion

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2021

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ECD,

FAO

Reis

Weizen

746

1.141

675

609348173

29

59

18

414

14977

9

236

5354

124

5

8359

9

511

80

142

181

143

512

20181994 1998 2002 2014201020060

5

10

15

25

20

30

35

40

1990

Indien

BrasilienArgentinien

USA

China

Hülsenfrüchte

Wurzeln und KnollenÖlsaaten (u. a .Soja)

DAS SOJALAND WÄCHST IMMER WEITERAnbauflächen der fünf wichtigsten Produktionsländer, in Millionen Hektar

Mais

1512,4 %

12,5 %

15,9 %

15,6 %

10,3 %1,2 %

59,2 %

57,1 %

18,1 %10,8 %

20,0 %3,5 %

80,9 %68,5 %

28,4 %

4,8 %9,7 %

2,1 %

22,5 %22,9 %

52,5 %

71,1 %

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FLEISCHATLAS 202124

O bwohl die zehn wichtigsten Unternehmen der Fleischbranche ihren Hauptsitz in nur wenigen Län-dern – in Brasilien, den USA, China, Japan und Län-

dern der EU – haben, dominieren sie die Märkte weltweit und sind in allen wichtigen fleischerzeugenden Regionen präsent. Diese Unternehmen sind für die industrielle Pro-duktion und Schlachtung einer riesigen Zahl von Tieren ver-antwortlich.

Das größte von ihnen, JBS aus Brasilien, stellt dabei alle anderen in den Schatten. Das Unternehmen ist in 15 Län-dern mit über 400 Niederlassungen vertreten und lässt täg-lich bis zu 75.000 Rinder, 115.000 Schweine, 14 Millionen Geflügeltiere und 16.000 Lämmer schlachten. Zusammen ergibt dies mehr als 210.000 Tonnen Fleisch pro Monat. Im Vergleich dazu bringt es der zweitgrößte Schlachter, der US-Gigant Tyson Foods, pro Tag „nur“ auf knapp 22.000 Rin-der, 70.000 Schweine und 7,8 Millionen Hühner.

Die größten europäischen Konzerne sind weltweit eher schwach vertreten, während JBS, Tyson, Cargill und die chi-nesische WH Group auch in ganz Europa Niederlassungen haben. Sie erwirtschaften hier Gewinne mit frischem und gefrorenem Fleisch, das in Europa produziert oder aus Län-dern wie Brasilien und Thailand importiert wird. Die beiden brasilianischen Konzerne BRF und Marfrig liefern über Ver-triebszentren oder direkt nach Europa. Doch auch in der EU dominieren Umsatzmilliardäre. So zählen Danish Crown (Dänemark), Groupe Bigard (Frankreich), Tönnies (Deutsch-land), Coren (Spanien) und Westfleisch (Deutschland) zu den größten Produzenten von Rind- und Schweinefleisch. Dawn Meats (Irland) ist europäischer Marktführer bei Rind- und Lammfleisch, während LDC (Frankreich), Plukon Food Group (Niederlande), Gruppo Veronesi (Italien) und die PHW-Gruppe (Deutschland) führend in der Geflügelver-arbeitung sind.

Durch Fusionen und Übernahmen kaufen sie immer mehr kleinere Unternehmen auf und festigen ihre Markt-macht. So hat beispielsweise Tyson seine Präsenz in Europa durch den Aufkauf der europäischen Betriebe von BRF ver-stärkt und beliefert den Markt nun mit tiefgefrorenem Hüh-nerfleisch aus seinen europäischen und globalen Lieferket-

KONZERNE

DAS ZIEL IST MARKTMACHT – VOM STALL BIS ZUM KÜHLREGAL

Auf nur fünf Großunternehmen entfallen zwei Drittel der deutschen

Schweinefleischproduktion

Globale Fleischkonzerne spielen eine wichtige Rolle bei der Frage, wie Fleisch und Futtermittel produziert, transportiert und gehandelt werden. Ernährung ist lukrativ: Unter den 100 größten Lebensmittel- und Getränkemultis der Welt finden sich auch die zehn umsatzstärksten Schlacht- und Weiterverarbeitungsbetriebe.

TOP 10 DER FLEISCHWIRTSCHAFT IN DEUTSCHLANDGrößte Unternehmen nach Umsatz, alle Tierarten, 2019, in Millionen Euro

Top 5 der Schweineschlachter nach Zahl der Tiere und Marktanteil, 2019

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FZ, A

GRA

RHEU

TE

* geschätzt

Tönnies-Gruppe7.300

Vion Food German2.800

Westfleisch2.790

PHW-Gruppe2.680

Heristo1.328

Rothkötter1.185

Zur-Mühlen-Gruppe1.000

Müller-Gruppe950

Kaufland*

849

Sprehe-Gruppe753

2,1 Mio.

3,3 Mio.

Danish Crown

Müller-Gruppe

andere

%

30,332,1

13,8

14,03,8

6,0

Tönnies-Gruppe

16,7 Mio.

7,7 Mio.Westfleisch

7,6 Mio.Vion Food German

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FLEISCHATLAS 2021 25

ten. In den USA liegt die Fleischverarbeitung in den Händen einiger weniger Konzerne. Bei Rindfl eisch sind es JBS, Tyson, Cargill und Marfrig, die zusammen 85 Prozent des Mark-tes beherrschen. Bei Schweinfl eisch bringen es JBS, Tyson und Hormel auf 66 Prozent, bei Hühnerfl eisch Tyson, JBS, Sanderson Farms und Purdue auf 51 Prozent. In Deutsch-land kontrollieren nur fünf Unternehmen, nämlich Tönnies, Westfl eisch, Vion, die Müller-Gruppe und Danish Crown, zwei Drittel der Schweinefl eischverarbeitung.

Mit einer derartigen Marktmacht sind diese Unterneh-men in der Lage, niedrige Erzeugerpreise durchzusetzen und die Zuchtbetriebe manchmal selbst unter deren Pro-duktionskosten zu zwingen. Daher produzieren die Land-wirtinnen und Landwirte eine große Zahl von Tieren, um mit ihren Großkunden im Geschäft zu bleiben, oft mithilfe von öffentlichen Subventionen. Nach einem Bericht des internationalen Netzwerkes Agri Benchmark von 2019 haben die EU-Agrarsubventionen dafür gesorgt, dass die Landwirtschaftsbetriebe trotz der Verluste bei der Kuh- und Kälberaufzucht unterm Strich Gewinne verzeichnen konnten.

Die Rindfl eischveredelungsbetriebe erlitten sogar noch größere Verluste als die Kuh- und Kälbermastbetriebe. Sie profi tierten aber stärker von den Subventionen, da viele von ihnen auch noch als Produzenten von Futtergetreide aktiv sind. Die Schweinezuchtbetriebe verloren im Jahr 2016 in fast allen europäischen Ländern – mit Ausnahme von Bel-gien, Dänemark und Spanien – bei einem EU-weiten Durch-

schnittspreis von nur 1,48 Euro durchschnittlich sieben Cent bei jedem Kilogramm Schweinefl eisch.

Über diese indirekte Subventionierung hinaus profi -tieren die globalen Giganten gelegentlich von speziellen staatlichen Hilfsmaßnahmen. So erhielt JBS 78 Millionen US-Dollar an Zahlungen aus dem von der Trump-Regierung während des US-chinesischen Handelskriegs aufgelegten Rettungspaketes für landwirtschaftliche Betriebe. 20 Pro-zent von JBS befi nden sich im Übrigen in Besitz der Brasilia-nischen Entwicklungsbank, die sich aus Steuergeldern des Landes fi nanziert. 2017 hatte die brasilianische Staatsan-waltschaft eine der höchsten Geldstrafen in der Unterneh-mensgeschichte wegen Korruption verhängt, als festgestellt wurde, dass die JBS-Chefs für ihre Geschäfte fast 1.900 Regie-rungsbeamtinnen und -beamte bestochen hatten.

Manche Fleischgiganten, etwa Cargill, befi nden sich vollständig in Privatbesitz. Andere sind zumindest teilweise börsennotiert. Nach Angaben der Nichtregierungsorgani-sation Feedback investierten mehr als 2.500 Investment- und Privatbanken sowie Pensionsfonds aus aller Welt zwi-schen 2015 und 2020 insgesamt 478 Milliarden US-Dollar in Fleisch- und Molkereiunternehmen. Zu den größten Inves-toren gehören Black Rock, Capital Group, Vanguard und der Pensionsfonds der norwegischen Regierung.

Vollständigkeit nicht möglich – weil Daten fehlen, stellen Chinas Fleischkonzerne, sofern sie nicht an einer

Börse notiert sind, noch immer große Unbekannte dar

MULTIS DER ERNÄHRUNGUmsätze der größten Fleisch- und Molkereikonzerne 2019/20, in Milliarden US-Dollar

FLE

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2021

/ F

OO

DEN

GIN

EERI

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MAG

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M

CP Foods

17,2

Tönnies-Gruppe

8,68,5

Danish Crown

Cargill

31,7

Tyson Foods

42,4

JBS

48,8BRF

8,5

Fleischkonzerne Molkereikonzerne

Nestlé

22,1

11,8Arla

11,3

Saputo

Dairy Farmers of America

20,1

6,5DMK

Danone

18,2

5,9Meiji

NH Foods

10,9

7,8Itoham Yonekyu

Fonterra

13,2

5,5GCMMF

Mengniu

11,9Yili

13,4

Hormel Foods

9,5OSI Group

6,3

5,4Kraft Heinz

Lactalis

21,0

5,8Sodiaal

FrieslandCampina

12,6Vion

5,6

Marfrig

12,6

* Smithfi eld/WH Group ist ein US-Konzern in chinesischem Besitz

Smithfi eld/WH Group*

23,3

*

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FLEISCHATLAS 202126

H einz Reitbauer, Max Stiegl, Thomas Dorfer und Ri-chard Rauch eint mehr als die Liebe zur Kochkunst. Sie alle widmen sich intensiv der österreichischen In-

nereienküche und damit den Zutaten von den „minderwer-tigen“ Teilen der Tiere. Während Österreichs Supermärkte immer mehr den Eindruck vermitteln, Schwein und Rind bestünden nur aus den Edelteilen wie Schinken und Roast-beef und Hühner lediglich aus Brust und Keulen, verfeinern die Spitzenköche Österreichs immer weiter das, was die Ita-liener „Quinto Quarto“ nennen: das fünfte Viertel.

Das ist auch mit Blick auf die Klimabilanz des Essens durchaus sinnvoll, denn in all diese Teile wurden eben-so viel Wasser und Futter investiert wie in ein Steak oder Schnitzel. Und es geht dabei um große Mengen, die übli-cherweise entweder als Schlachtabfälle zu Dünger oder che-mischen Produkten verarbeitet oder in Länder des Globalen Südens exportiert werden, wo diese billigen Proteinquellen die Lebensgrundlage der heimischen Bauern nachhaltig zerstören. Die Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, geht von 1,3 Milliarden Tonnen solcher Ex-porte weltweit jährlich aus.

In Österreich werden diese Teile ebenfalls nicht alle ver-zehrt: Rund 60 Prozent des tierischen Rohfettes steckt in Fleisch und Wurstwaren, der Rest wird entweder exportiert und anders verwertet. Blut wird zu 20 bis 30 Prozent für die Ernährung des Menschen genutzt, von den Innereien wer-den in Österreich nur circa 26 Prozent gegessen. Dabei wer-den für die Produktion einer Tonne Fleisch derzeit mindes-tens 1,7 Tonnen Soja erzeugt und dafür 6.600 Quadratmeter Regenwald gerodet.

Wer also heute noch Fleisch isst, sollte sich von den Spit-zenköchen Österreichs inspirieren lassen und nicht aus-schließlich Edelteile der Tiere in seinem Speisezettel aufneh-men. Ein Huhn, das in der Ernährung eine immer größere Rolle spielt, besteht nur zu 23 Prozent aus Brustfleisch und zu 33 Prozent aus Keule. Der Rest sind Karkasse (32 Prozent) und Flügel (12 Prozent). Noch vor 20 Jahren haben die Kon-sumentinnen und Konsumenten zu nahezu 100 Prozent ganze Hühner erworben und aus den Resten schmackhafte Hühnersuppen gemacht. Heute kaufen 85 Prozent der Kon-sumentinnen und Konsumenten nur noch einzelne Hüh-nerteile.

Wer heute die Kühlregale der Supermärkte mustert, in denen der Großteil des in Privathaushalten verzehrten

Fleisches angeboten wird, stellt fest: Ein ganzes Tier könnte man mit den angebotenen Teilen nicht mehr „zusammen-setzen“. Es dominieren die Stücke zum Kurzbraten oder Faschiertes. Ab und zu wird schieres Suppenfleisch (meist ohne Knochen) angeboten und ein paar Packungen Schnit-zelfleisch, undefinierbare Würfel für „Gulasch“ oder Wok vom Jungrind und vom Schwein. Knochen für Suppen sucht man ebenso vergebens wie jede Art von Innereien.

Das ist kein Zufall. Während im Jahr 2000 aus Österreich 33.770 Tonnen an Innereien exportiert wurden, verließen 15 Jahre später bereits 95.580 Tonnen das Land. Von 2004 bis 2014 ging der inländische Innereienverzehr von 6.600 auf 2.800 Tonnen insgesamt und damit von 0,8 auf 0,3 Ki-logramm pro Kopf zurück. Doch diese beiden Kennzahlen sind von 2014 bis 2019 nicht mehr weiter gesunken – der Tiefpunkt und gleichzeitig eine Stabilisierung auf sehr nied-rigem Niveau könnten erreicht sein.

Dazu passt, dass Spitzenköche schon seit einigen Jahren das „Nose to Tail“-Prinzip betonen und der höchstdekorier-te Koch Österreichs, Heinz Reitbauer, auf die inneren Werte der Tiere größten Wert legt. Wie er anlässlich eines Koch-campus im Herbst 2020 demonstrierte, lässt sich aus ihnen am besten ablesen, wie gesund ein Tier ist. Bei der Veranstal-tung blies er eine Kalbslunge mittels Kompressor auf Medi-zinballgröße auf und zeigte so, dass sie ohne Narben und Verfärbungen war – was auf einen perfekten Gesundheits-zustand des Tieres schließen lasse.

Die fachgerechte Zubereitung der Innereien erfordert, anders als das Kurzbraten von Filets, tatsächlich Fachwis-sen und im Einzelfall auch langjährige Übung. Viele Teile können aber auch von engagierten Hobbyköchinnen und -köchen dank moderner Techniken leicht zu köstlichen Speisen veredelt werden. Bauchlappen und Fledermaus – in Wien eine beliebte Spezialität beim Backen (vom Schwein) und Kochen (vom Rind) – verdienen unbedingt einen Platz in den Kochtöpfen der Österreicherinnen und Österreicher. Auch die alte Kunst der Zubereitung von Suppen sollte wie-der neu belebt werden. Eine lang gekochte Hühner- oder Rindssuppe aus Knochen ist mit keinem Industrieprodukt zu vergleichen.

Österreichs Spitzenköche wissen das und versuchen, eine wachsende Zahl von neugierigen Gästen von den Vor-zügen des „Nose to Tail“-Konzeptes zu überzeugen. Sie set-zen ihr gesamtes Können in die Entwicklung neuer, aufre-gender Kompositionen und scheuen sich auch nicht, lang Vergessenes auf die Speisekarten zu setzen, um den Gästen die Wertschätzung für ein ganzes Tier zu vermitteln.

WERTSCHÄTZUNG IN ÖSTERREICH

DELIKATESSEN VON FRÜHER – UND HEUTEInnereien galten lange als wenig attraktive Speisen. Sie erfordern Fachwissen, Übung und Lust an der Zubereitung und sind damit der schnellen Küche unterlegen. Doch die „Nose to Tail“-Bewegung möchte wieder das ganze Tier als Nahrungsmittel betrachten.

Die „billigen Teile“ der Tiere haben in den Küchen österreichischer Wirtshäuser eine große

Tradition. Spitzenköche schließen nun daran an

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FLEISCHATLAS 2021 27

Füße

Magen

Herz

Karkasse

Leber 14

11

20

19

6

Herz

Schwanz

Backe

Niere

Euter

Kutteln

Nierenzapfen

Saum- oder Kronfleisch

Lunge

Markknochen

1

2

3

4

10

13

97

8

11

ZungeMaul

6 5

SPEZIALITÄTEN VON DER NASE BIS ZUM SCHWEIFSelten gewordene, fast vergessene und neu entdeckte Produkte von Rind, Schwein und Huhn

19 Nach dem Auslösen von Brust sowie Haxerln und Flügerln bleibt etwa ein Drittel des Huhns über. Aus dieser Karkasse kann eine gehaltvolle Hühnersuppe werden.

6 Zunge von Rind und Schwein ist geselcht als Aufschnitt oder warm beliebt. Schweinszunge kommt auch in Leberwurst zum Einsatz, Rindszunge in Zun-genwurst. Rindszunge ist zudem in der feinen Küche in Madeirasauce ein Klassiker und unentbehrlich bei der klassischen Kärntner Osterjause.

5 Das ausgelöste Fleisch des Ochsen-mauls wird gekocht, manchmal auch gepökelt, und dünn aufgeschnitten mit Zwiebel und einer Essigmarinade zum Ochsenmaulsalat.

4 Geschmort sind Backerl (Wangen) wieder beliebt geworden. Schweinswangerl haben geschmort eine zarte Konsistenz. Aus dem Fleisch vom Kalbskopf – gekocht und gepresst und nachher paniert – wird der gebackene Kalbskopf, ein Wiener Wirtshausklassiker.

10 Die Spitzenküche setzt das Rindsherz gerne kurz-gebraten ein. Die Wirtshaus-küche kennt das Rahmherz, das mit Wurzelwerk und Rahm auch Innereien-skeptiker überzeugen kann. Das Schweinsherz findet in Ragouts Verwendung und wird ähnlich wie Wild gespickt und in Wurzelsauce zubereitet. Auch Hühnerherz wurde in Suppe und Ragouts verarbeitet.

2 Der Nierenzapfen (Onglet) des Rindes liegt oberhalb des Kronfleischs und wird eher seit jüngerer Zeit zu Schmor-gerichten nach französischen Rezepten verarbeitet. Im Bruckfleisch fand es immer schon Verwendung.

3 Aus Lunge wird das Wiener Riesling-beuschel, aber auch die Suppeneinlage Lungenstrudel gemacht.

1 Die Nieren von Kälbern gelten als Delikatesse. Rinder- und Schweine-nieren werden als geröstete Nierndln oder saure Nieren zubereitet. Sie sind wie Nierndln mit Hirn ein klassi-sches Wirtshausessen.

7 Euter, ge-putzt, gekocht und paniert, steht selten auf Wirtshaus-karten.

20 Schweinefüße werden gekocht in der Sulz verarbeitet und geben der Steirischen Klachl-suppe ihre Kraft. Hühnerfüße wurden früher in der Suppe mitgekocht. Heute werden sie meist als Delikatesse in asiatische Länder exportiert.

14 In Österreich nicht sehr geläufig, wird der Sauma-gen in manchen Gegenden Deutschlands gefüllt und mit Sauerkraut serviert.

15 Verschiedene Därme werden gereinigt als Natur-darm für zahlreiche Würste verwendet. Sie umhüllen Brat-, Blut- und alle Würste, die gegrillt werden.

21 Speckschwarten vom Schwein dienten zum Einfetten von Pfannen. Der Speck als Fett zwischen Haut und Muskeln ist als Frühstücks-„Bacon“ beliebt. Ein Brotaufstrich aus Haut ist Grammelschmalz mit Zwiebeln und Äpfeln.

16 Aus der Milz von Schwein oder Kalb wird traditionell die Milzschnitte, eine Suppeneinlage, gemacht.

18 Der Schweinskopf zierte früher gerne im Ganzen das Buffet. Seit der BSE-Krise ist er nur mehr geteilt handelbar. Das zarte Fleisch und die Schwarten werden in Sulz und Leberwürsten verwendet.

9 Markknochen geben Suppen Geschmack. In der Gastronomie wird der Markknochen gerne der Länge nach auf-geschnitten und gegrillt serviert.

12 Geröstete und gebackene Leber von Huhn, Schwein und Rind auch heute noch auf vielen Speisekarten vertreten. Leberknödel werden gekocht und gebacken als Suppeneinlage geschätzt. „Jüdische Hühnerleber“ mit gehacktem Ei, aus der jüdischen Festtagsküche stammend, ist ein beliebter Brotaufstrich, gebackene Hühnerleber ist auch heute noch gang und gäbe. Leberstreichwurst enthält ebenfalls Anteile an Leber.

8 Kronfleisch, das Muskel-fleisch im Zwerchfell des Rinds, wird in einem Wiener Wirtshausklassiker der Innereienküche eingesetzt.

Bruckfleisch, ein klassisches Schlachtessen, hat seinen Namen von der Schlachtbrücke für Ochsen und Rinder in Wien über den Donaukanal. Bruckfleisch besteht aus Kron-fleisch, Lichtln (den Aorten) sowie je nach Rezept, Nieren, Leber, Milz und Bries. Gebunden wurde oftmals mit Blut.

11 In Vorarlberg werden die Pansen vom Rind tradi-tionell als saure Kutteln, geröstete oder knusprige Kutteln gegessen. Kuttelflecksuppe kommt aus der böhmischen Küche. Die italienische Art, sie in Tomatensauce mit Parmesan bestreut zu servieren, setzt sich in Österreich zunehmend durch.

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

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REEN

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13 Als Schwafferl vom Schwein wurde der Schwanz oft wie ein Schweinsbraten gewürzt und gebraten oder in Sulzen verwendet. Der Ochsenschlepp wird zu einer edlen Suppe oder zu gehaltvollen Ragouts.

17 Schweinehirn mit Ei oder zart gebacken ist einer der Klassiker der Wiener Wirts-hausküche, die langsam wieder zurück ins Gasthaus finden. Hirn wurde – auch gemeinsam mit Nierndln – früher für Suppenein-lage zu Pofesen verarbeitet.

Herz

Schwanz

Leber

Füße

ZungeBacke

NiereHirn

Magen

Därme

Schwarte

Kopf

4

6

10

12

1 17

13

15

14

20

21

18

Milz

Milz16

16

Leber

12

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FLEISCHATLAS 202128

D ie Anfänge des Pastoralismus lassen sich über mehr als zehn Jahrtausende zurückverfolgen. Er entstand am Rande der frühesten festen Siedlungen im Nahen

Osten. Vermutlich waren es Frauen, die zuerst Ziegen und Schafe domestizierten, indem sie mutterlose Jungtiere auf-zogen. Später begannen Teile der Bevölkerung, den Herden zu saisonalen Weidegebieten in der Wüste zu folgen. Sie bildeten den Ursprung zahlreicher Hirtenkulturen, die seit-her mit ihren Nutztieren Produkte wie Fleisch, Milch, Wolle, Häute, Dünger und Brennstoff erzeugen.

Der Begriff Pastoralismus beschreibt eine ökonomische Tätigkeit und eine kulturelle Identität. Gemeint ist die häu-fig mobile und extensive Haltung von lokal angepassten Tieren auf natürlich gewachsenem Busch- und Grasland. Auf jedem Kontinent der Welt – vor allem in den trockens-ten, steilsten, kältesten und heißesten Gebieten – gibt es Hirtenvölker, die mit Herden von Alpakas, Kamelen, Rentie-ren, Rindern, Schafen, Wasserbüffeln, Yaks und Ziegen die Gebiete der Erde bewirtschaften, die kaum anders genutzt werden können. Es handelt sich um mehr als 26 Millionen Quadratkilometer, das ist mehr als die gemeinsame Fläche der USA, Chinas und der EU.

Trotz der häufig marginalen Produktionsflächen spielt Pastoralismus in vielen Ländern auch ökonomisch eine

zentrale Rolle. In Burkina Faso werden mehr als 70 Prozent der Tiere in pastoralen Systemen gehalten, in Niger und im Tschad mehr als 80 Prozent, und im Sudan, in Tansania und Somalia sogar über 90 Prozent. In Indien, dem Land mit der größten Zahl armer Nutztierhalterinnen und -halter, stam-men mehr als die Hälfte der Milch und mehr als 70 Prozent des Fleisches aus pastoralen Systemen.

Geschätzt leben weltweit mehr als 200 Millionen Men-schen als Pastoralistinnen und Pastoralisten. Die UN-Organi-sation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) geht davon aus, dass etwa eine Milliarde Tiere in pastoralen Gesellschaf-ten leben. In den ganzjährig trockenen und den von jährli-chen Trockenzeiten geprägten Gebieten Afrikas und Asiens, aber auch in den Anden Südamerikas und der Arktis sind sie für die Ernährung und das Einkommen vieler Menschen von großer Bedeutung. Beides, Ernährung und Einkommen, ist bei den pastoralistisch Wirtschaftenden im nördlichen Sa-hel sicherer als bei den sesshaften Bäuerinnen und Bauern derselben Region.

Viele Pastoralistinnen und Pastoralisten nehmen für das Wohlergehen der Herden große Mühen und eine mobile Lebensweise mit wenigen materiellen Besitz-tümern auf sich. Entscheidungen über die Weideflä-chen und Wege basieren auf traditionellem Wissen und Erfahrungen mit Tierverhalten, Wetterverhältnissen und dem Nährwert der Vegetation. Wichtig sind auch soziale Netzwerke, die über viele Generationen aufgebaut wur-

PASTORALISMUS

KARGES LAND UND REICHER NUTZEN

Ziegen und Rinder machen den Hirtenfamilien in der Mongolei etwa gleich viel Arbeit –

aber wer Rinder hat, verdient mehr an ihnen

Mobile Hirtenvölker ziehen mit ihren Nutztieren noch über die abgelegensten Weiden. Diese Wirtschaftsform, der Pastoralismus, ist ökonomisch bedeutend und klimafreundlich, aber auch stark bedroht.

BLICK IN DEN HAUSHALTEinkommensvielfalt aus pastoralistischer Tierhaltung in der Provinz Bulgan in der Mongolei, 200 repräsentativ ausgesuchte von 943 Haushalten, 2016, Daten: 2012

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ G

ON

CH

IGSU

MLA

A

Ertrag pro Haushalt und Jahr

Ziege Schaf Rind Pferd Kamel

Gewinn pro Schafeinheit* (in Euro)

Arbeitskosten berücksichtigt Arbeitskosten nicht berücksichtigt

Ziege: Kaschmir, Pferd: Haar

* Schafeinheiten (SE) dienen der besseren Vergleichbarkeit der Tiere. Umrechnung: 1 Kamel = 7 SE, 1 Rind/Pferd = 5 SE, 1 Schaf = 1 SE, 1 Ziege = 0,9 SE (ausgewachsene Tiere)

Ziege

Schaf

Rind

Pferd

Kamel

6,9

5,2

18,4

1,9

1,6

28,4

12,9

27,3

3,0

2,3

Fleisch (Kilogramm)

Milch (Liter)

244 10 6 5

1.876

307

81

147

315

Wolle (Kilogramm)

225

24

7

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FLEISCHATLAS 2021 29

den und Zugang zu bestimmten Weidegebieten ermög-lichen.

Pastoralismus ist auch ökologisch von besonderer Be-deutung. So spielt der von Weidetieren in der Landschaft verteilte Dünger eine wichtige Rolle. Er erhält Insekten, die wiederum die Nahrung für Vögel, Amphibien und Reptilien sind. Außerdem ist das beweidete Grasland eine wichtige Kohlenstoffsenke.

Bedroht wird die pastorale Lebensweise vor allem durch die zunehmende Fragmentierung ihrer Weidegründe. Mit steigender Nachfrage nach Agrarprodukten wurde seit etwa 2005 auf den wertvollsten Weidefl ächen viel in die in-dustrielle Landwirtschaft investiert. In den seltensten Fällen haben Pastoralistinnen und Pastoralisten selbst ein Mitspra-cherecht, was mit ihren über viele Generationen genutzten Weidefl ächen passiert. Häufi g reklamiert der Staat den Be-sitz der Ländereien für sich und entscheidet über Investitio-nen und Nutzung.

Dabei bräuchten die pastoralistisch Wirtschaftenden in Zeiten des Klimawandels möglichst vielfältige und zusätzli-che Möglichkeiten, ihre Mobilität und ihre Weidekonzepte den sich verändernden Futter-, Wasser- und Wetterbedin-gungen anzupassen. Einige Wissenschaftler und Wissen-schaftlerinnen gehen davon aus, dass Pastoralistinnen und Pastoralisten zu den Bevölkerungsgruppen der Welt

gehören, die am meisten durch den Klimawandel be droht sind. Neue Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse ver-ändern Futter und Wasservorräte, sie beeinfl ussen das Auf-kommen von Krankheiten und die Reproduktionsleistung der Tiere und damit letztlich die Herdengröße. Der Rück-gang der Tierzahlen wiederum wirkt sich auf die Ernäh-rungssicherheit und das Einkommen der Menschen aus. Andere Fachleute halten ihre mobile Wirtschafts- und Le-bensweise für besonders geeignet, auf die Folgen des Klima-wandels zu reagieren

Pastoralismus erhält sowohl vonseiten der Wissenschaft als auch von UN-Organisationen wie der FAO immer mehr Zuspruch. Doch die politischen Rahmenbedingungen sind in vielen Ländern der Welt unzulänglich. Wenige Länder erkennen pastoralistisch genutzte Weidegründe formell an und integrieren sie in ihre Politik zur ländlichen Entwick-lung. Für Pastoralistinnen und Pastoralisten aber wären Landrechte, die eine gemeinschaftliche Nutzung stärken, und eine Förderung des Wissensaustausches zwischen den Beteiligten die besten Rezepte, um in Zeiten des Klimawan-dels weiter nachhaltig leben zu können.

Vieh verbindet – Rinder-, Schaf- und Ziegenherden bilden den wichtigsten intraregionalen

Wirtschaftsfaktor in Westafrika und der Sahelzone

18

33 2610

114

3

510

23

3

5

11

210

11

8

20

2

2

9

2

6

3

Mauretanien

Gambia

LiberiaZentralafrikanische

Republik

Kamerun

Sierra Leone

Guinea-Bissau

Niger

Tschad

NigeriaBenin

TogoGhana

Burkina Faso

Côte d’Ivoire

Guinea

Senegal

Mali

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ P

RAPS

Rinder und BüffelSchafe und Ziegen

Afrika

gehandelte Rinder pro Jahr über 300.000 über 100.000 bis 300.000 20.000 bis 100.000 unter 20.000

gehandelte Ziegen und Schafe pro Jahr über 2 Millionen über 300.000 bis 2 Millionen über 100.000 bis 300.000 20.000 bis 100.000

NAHRUNG FÜR DIE STÄDTEPastoralistisch gehaltene und gehandelte Viehbestände in Westafrika und dem Sahel,Auswahl, Tiere in Millionen

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FLEISCHATLAS 202130

D er UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) zufolge trug die Viehzucht im Jahr 2013 mit 14,5 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissio-

nen bei. Nach ihren Schätzungen stammen 45 Prozent die-ser Emissionen aus der Produktion und Verarbeitung von Futtermitteln und 39 Prozent aus der enterischen Fermen-tation, also Emissionen, die aus dem Verdauungstrakt von Wiederkäuern wie Rindern, Ziegen und Schafen freigesetzt werden. Weitere 10 Prozent lassen sich auf die Lagerung und Verarbeitung von Dung zurückführen. Zusammen ma-chen diese Emissionen 56 bis 58 Prozent der gesamten Treib-hausgasemissionen des Nahrungsmittelsektors aus – und das, obwohl die Viehwirtschaft nur 37 Prozent des Proteins und 18 Prozent der Kalorienversorgung der Weltbevölke-rung bereitstellt. Dem Weltklimarat IPCC zufolge beträgt der Anteil des Ernährungssektors am globalen Treibhaus-gasausstoß zwischen 21 und 37 Prozent.

Etwa 70 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche – Grasland als Weiden sowie Äcker für den An-bau von mehr Futter – werden für die Viehzucht genutzt. Ihre Ausweitung hat zu deutlichen Veränderungen bei der Landnutzung geführt und trägt zu steigenden Emissionen und einem massiven Verlust an biologischer Vielfalt bei. In-zwischen werden rund 40 Prozent des Ackerlandes auf der Welt zur Futtermittelproduktion genutzt. Während Wie-derkäuer selbst große Mengen an Treibhausgasen aussto-ßen, stellen die Futtermittel das Hauptproblem der indus-triellen Geflügel- und Schweineproduktion dar. Parallel zu deren rasantem Wachstum steigen die Treibhausgasemis-sionen, weil mehr Futterpflanzen angebaut und dafür mehr Düngemittel eingesetzt werden.

Im Jahr 2018 berechneten die Nichtregierungsorgani-sation GRAIN und das Institute for Agriculture and Trade Policy die Emissionen von 35 der weltgrößten Fleisch- und Milchproduzenten. Dazu benutzten sie GLEAM, ein Modell, das auch die FAO einsetzt und das die Auswirkungen der weltweiten Viehwirtschaft auf die Umwelt berechnet. Die Ergebnisse waren erschreckend: Die fünf großen Fleisch- und Milchkonzerne JBS, Tyson, Cargill, Dairy Farmers of America und Fonterra zusammen verursachen im Jahr mehr Emissionen als ein großer Ölkonzern wie Exxon, Shell oder BP. 20 dieser Unternehmen sind zusammen für mehr Treibhausgasemissionen verantwortlich als Deutschland, Großbritannien oder Frankreich. Von diesen 20 Unterneh-men haben (übrigens) sechs ihren Hauptsitz in der EU.

Rund 90 Prozent der Emissionen von Fleischproduzen-ten stammen aus der Lieferkette oder von den Tieren selbst. Nur wenige Unternehmen geben diese Emissionen an, von Reduktionszielen ganz zu schweigen. Nur drei Fleischunter-nehmen haben einen Teil ihrer Emissionen aus der Liefer-kette gemeldet (JBS, Marfrig und NH Foods), wobei nur eines (NH Foods) glaubwürdige Zahlen vorweisen konnte, die mit den Berechnungen der Forscher übereinstimmten. Die von JBS gemeldeten Emissionen hingegen beliefen sich auf nur drei Prozent und die von Marfrig auf 37 Prozent der von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geschätzten Menge. Keiner der Fleischkonzerne mit Hauptsitz in der EU hat bislang die gesamten Emissionen seiner Lieferkette ge-meldet. Weltweit verlangt bis heute auch keine einzige Re-gierung von ihren Fleischunternehmen, ihre Emissionen zu dokumentieren oder Emissionsreduktionsziele zu standar-disieren, um einen brancheninternen Vergleich zu ermög-lichen.

Lösungsvorschläge für das Klimaproblem der Vieh-zucht lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Die eine Möglichkeit, die von den Fleischkonzernen favorisiert wird, ist die Intensivierung, das heißt höhere Futtermittel-

KLIMA

DER FUSSABDRUCK DER TIERE

Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch tragen auf sehr verschiedenen Wegen zur Erderwärmung bei – mit vielen wechselseitigen Abhängigkeiten

Der Anteil der Viehzucht an den globalen Treibhausgasemissionen wird oft unterschätzt, doch in der Klimarechnung hinterlassen die Nutztiere und ihr Futter deutliche Spuren. Es gibt Vorschläge, das zu ändern.

KLIMABILANZEN IM VERGLEICHTreibhausgasemissionen bei der Produktion des Fleisches von drei Tierarten, Bestandteile in CO2-Äquivalente umgerechnet, weltweite Durchschnitte, in Prozent

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ R

OJA

S-D

OW

NIN

G E

T AL

.

CO2: Kohlendioxid, CH4: Methan, N2O: Distickstoffmonoxid (Lachgas)

Futter: Reis, CH4

Lebensmittel- verarbeitung, CO2

direkter und indirekter Energieaufwand, CO2

Güllemanagement (u. a. Lagerung, Aufbereitung)

CH4

N2O

Gasbildung der Wiederkäuer, CH4

Änderung der Landnutzung: für Weiden, CO2

für Sojabohnen, CO2

Futter, CO2

Dünger und Ernterückstände, N2O

ausgebrachte und deponierte Gülle, N2O

Rind Schwein Huhn

0

20

30

50

70

10

40

60

80

90

100

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FLEISCHATLAS 2021 31

und Herdenproduktivität und damit mehr Fleisch zu den gleichen Belastungen. Die andere setzt beim Verbrauch an und spricht sich dafür aus, tierische Erzeugnisse drastisch zu reduzieren.

Andere Studien empfahlen noch einen dritten Weg. Danach soll die Produktion und damit auch der Verbrauch tierischer Produkte durch Maßnahmen begrenzt werden, die die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Futter-mittelerzeugern im Land vermeiden. Für den menschlichen Verzehr ungeeignete Biomasse wie etwa Ernterückstände, Essensreste oder Pfl anzenteile, die nach der Verarbeitung der Feldfrüchte übrig bleiben, sollen zu Viehfutter verarbei-tet werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schätzen, dass auf diese Weise 9 bis 23 Gramm tierisches Protein pro Person und Tag bereitgestellt werden könnten – bei einem täglichen Proteinbedarf von 50 bis 60 Gramm. Sie fanden außerdem heraus, dass diese kostengünstige Verfüt-terung bei gleichzeitiger Vermeidung der Konkurrenz zwi-schen Futter- und Lebensmittelanbau zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um 19 bis 50 Prozent führen könnte.

Darüber hinaus könnten gute Tierhaltungspraktiken den derzeitigen Klimafußabdruck des Viehbestands um mehr als die Hälfte verringern. Die „adaptive Mehrweide-haltung“ beispielsweise ist ein System, bei dem das Vieh zwi-schen abgegrenzten Weidefl ächen wechselt. Es verhindert Überweidung, fördert das Wachstum von Futtermitteln zwischen den Weidezyklen und ahmt die Bewegung von Weidetieren in natürlichen Systemen nach. Es hat sich ge-

zeigt, dass dieses System im Vergleich zum bislang üblichen hohen Viehbestand auf Dauerweiden auch für eine bessere Weideproduktivität, Kohlenstoffbindung und Futterqua-lität sorgt. Der Verzicht auf Getreide und sein Ersatz durch stickstoffbindende Leguminosen und verschiedene mehr-jährige Gräser in einem integrierten Viehhaltungssystem könnte die Ernten zudem auch widerstandsfähiger gegen den Klimawandel machen.

Auch die industrielle Nutztierhaltung muss ihre Emissionen senken. Ignoriert sie diese Aufgabe, könnte sie

2050 zum größten klimapolitischen Problemfall werden

Fleischrinder und Milchkühe sowie der auf den Äckern für Tierfutter eingesetzte Kunstdünger dominieren

die Treibhausgasemissionen des Agrarsektors

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ IA

TP, G

RAIN

Basisjahr 2016 Szenario: Erderwärmung maximal 2 Grad Celsius Szenario: Erderwärmung maximal 1,5 Grad Celsius

jeweiliger Emissionsanteil der Fleisch- und Milchindustrie

SCHWERGEWICHTE ERHITZEN DIE WELT Treibhausgasemissionen 20 führender Unternehmen der Fleisch- und Milchwirtschaft*

im Vergleich mit Emissionen von Staaten und Ölkonzernen, in Megatonnen, Daten von 2015 (Staaten) und 2016 (Firmen)

* Firmen, deren Berichterstattung Berechnungen zuließ. ** US-Konzern in chinesischem Besitz FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ IA

TP, G

RAIN

Fleisch- und Milchkonzerne

Staaten Ölkonzerne

42Fonterra

Emissionen in Megatonnen im Vergleich

Top 5 der Fleisch- und Milchindustrie

Top 20 der Fleisch- und Milchindustrie

Deutschland

Exxon

Shell

Frankreich

Großbritannien

BP

20

FrieslandCampina

15Vion

280JBS

23

BRF

35

Minerva

39Marfrig

86Cargill

52Dairy Farmers of America

118Tyson

15

California Dairies

30

Smithfi eld/WH Group**

41National Beef

15Saputo

24

Lactalis

17

Danish Crown22

Arla

22

Nestlé

18

Yili

448

932

902

578

577

508

507

464

51 Gt14 %

38 Gt23 %

23 Gt45 %

31 Gt27 %

13 Gt81 %

2030 2050

2016

19Dean Foods

HANDLUNGSBEDARF VON HEUTETreibhausgasemissionen in Gigatonnen und Anteil der Fleisch- und Milchwirtschaft in Prozent

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FLEISCHATLAS 202132

S eit 1990 hat sich der Einsatz von Pestiziden weltweit verdoppelt. Heute beläuft er sich auf mehr als vier Mil-lionen Tonnen jährlich. Es ist purer Pestizid-Wirkstoff,

umfasst also die Substanzen, die Unkräuter, Insekten oder Pilzkrankheiten bekämpfen. Die Handelsmengen sind viel größer: Um die Anwendung zu vereinfachen und die Wirk-samkeit zu verbessern, werden die Pestizide mit weiteren Chemikalien und Wasser gemischt. Während der Einsatz in vielen Ländern der Europäischen Union (EU) in den ver-gangenen 30 Jahren stagnierte, hat er in anderen Teilen der Welt stark zugenommen.

Dieser Anstieg beruht auch auf der weltweit wachsen-den Nachfrage nach Fleisch. Denn sie fördert den Bedarf

an proteinhaltigen Futtermitteln aus Soja, dessen wichtigs-te Anbauländer USA, Brasilien und Argentinien sind. Diese drei Länder gehören zu den größten Pestizidverbrauchern überhaupt. An Herbiziden, den Unkrautvernichtungsmit-teln, wurden in den USA mehr als 250.000 Tonnen verwen-det, in Brasilien knapp 230.000 und in Argentinien 161.000 Tonnen, zusammen knapp 70 Prozent des Weltverbrauchs.

Dort kommen die Agrarchemikalien in der Produktion zahlreicher Nutzpflanzen zum Einsatz. Das meistens zu Futtermittel weiterverarbeitete Soja spielt eine besondere Rolle. So sind etwa in Brasilien 52 Prozent der gesamten Pes-tizidverkäufe für die Anwendung im Sojaanbau bestimmt. Parallel zur Sojaproduktion, die sich seit 1990 fast versechs-fachte, werden heute in Brasilien neun Mal mehr Pestizide gespritzt als vor 30 Jahren.

Die Zunahme des Pestizidverbrauchs in Brasilien und Argentinien hängt mit der Einführung von gentechnisch modifizierten (GM) Sojapflanzen Ende der 1990er-Jahre zu-sammen. Sie sind resistent gegen Glyphosat. So kann das Totalherbizid auch während der Wachstumsphase der Soja-pflanze gespritzt werden, um konkurrierende Pflanzen zu vernichten. Doch je mehr Glyphosat zum Einsatz kommt, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Unkräuter gegen das Herbizid resistent werden – weshalb die Landwirtinnen und Landwirte wiederum auf größere Mengen und andere Unkrautvernichter zurückgreifen. So ist ein Teufelskreis ent-standen.

Davon profitieren die Hersteller der Pestizide. Allen voran sind es die Unternehmen Syngenta mit Sitz in der Schweiz, Bayer und BASF aus Deutschland sowie Corteva und FMC aus den USA. Die fünf Konzerne kontrollieren mehr als 70 Prozent des globalen Pestizidmarktes, dessen Wert 2019 auf 60 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde. Syngenta ist Weltmarktführer und erzielt allein ein Viertel des Branchenumsatzes.

Die Pestizide, die die fünf Konzerne verkaufen, unter-scheiden sich in ihrer Wirkungsweise ebenso wie in ihrer Gefährlichkeit. Zivilgesellschaftliche Organisationen schät-zen, dass die Unternehmen 2018 zusammen 35 Prozent ihrer weltweiten Pestizidumsätze mit den Substanzen er-zielten, die als besonders schädlich für Menschen oder die Umwelt gelten. Die Nichtregierungsorganisation Pesticide Action Network (PAN) stuft sie als „hochgefährlich“ ein und stützt sich dabei auf nationale und internationale Bewer-tungen verschiedener Behörden.

Das Geschäft dieser „CropLife-Konzerne“ mit hochge-fährlichen Pestiziden läuft beim Anbau von Futtermittel-

PESTIZIDE

IN DER EU VERBOTEN, IN SÜDAMERIKA ERLAUBT

Global steigt der Pestizidverbrauch nicht mehr.Für Hersteller bedeutet das Verdrängungs-wettbewerb und Suche nach neuen Märkten

Weltweit steigt die Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Einige der gefährlichsten Stoffe wurden in der EU bereits verboten, kommen in anderen Teilen der Welt aber im großen Stil zum Einsatz. Viele sind für den Anbau von Soja und Mais bestimmt, die meist im Futtertrog von Nutztieren landen.

CHEMISCHE KEULENEinsatz von Pestiziden, in 1.000 Tonnen

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ FA

OST

AT

20181995 2000 2005 2010 20150

1.000

5.000

6.000

7.000

2.000

3.000

4.000

8.000

1990

Welt

China

USA

BrasilienArgentinien

173

377

1.704

408

368

4.122

EU-28

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FLEISCHATLAS 2021 33

pflanzen besonders gut. Die Verwendung für Soja und Mais macht fast die Hälfte aller ihrer Verkäufe an hochgefährli-chen Pestiziden aus. In ihrem größten Markt Brasilien ent-fielen sogar fast zwei Drittel auf den Sojaanbau.

Spitzenreiter war Glyphosat, das von der Internationa-len Agentur für Krebsforschung als „wahrscheinlich krebs-erregend“ eingestuft wurde. Neben der Bayer AG, die den größten Teil ihres Glyphosatgeschäftes über den aufgekauf-ten US-Konzern Monsanto erworben hat, vertreiben längst Hunderte andere Firmen das umstrittene Herbizid. Allein in Brasilien und allein für den Sojaanbau sind 246 glyphosat-haltige Pestizidprodukte von 50 verschiedenen Unterneh-men zugelassen.

Es kommen auch zahlreiche andere hochgefährliche Stoffe zum Einsatz. Beliebt ist zum Beispiel Paraquat. Dieses 1955 entwickelte Herbizid wurde wegen seiner hohen aku-ten Toxizität bereits in über 50 Ländern verboten, darunter die EU-Staaten und die Schweiz, China und seit September 2020 schließlich auch Brasilien. Trotzdem verkaufen es Syn-genta und andere Firmen weiterhin in Ländern, in denen die Regulierung und ihre Umsetzung schwächer sind. Auch die deutschen und US-amerikanischen Konzerne vertreiben zahlreiche Pestizide, die in ihren Heimatmärkten wegen be-kannter Risiken verboten sind. So verkauft die deutsche Bay-er AG in Südamerika Insektizide, die innerhalb der EU verbo-ten wurden, weil sie für Bienen höchst giftig sind.

Viele dieser Pestizide werden in der EU produziert und anschließend exportiert. Mit dem EU-Mercosur-Abkommen könnte dieser Handel weiter zunehmen, weil die Zölle für

Chemieprodukte – einschließlich der für Pestizide – redu-ziert werden sollen. Immerhin: Die europäische Kommis-sion will die Produktion von EU-weit verbotenen Chemi-kalien, darunter hochgefährliche Pestizide, für den Export stoppen. Erste Erfolge: In Frankreich tritt ein solches Verbot 2022 in Kraft. Der Export aus der Schweiz wird ab 2021 ver-schärft und für fünf Pestizide verboten.

Bei Soja und Mais sind rund die Hälfte aller eingesetzten Pestizide hochgefährlich. Atrazin

ist seit 2004 in der gesamten EU verboten

Nach vielen Fusionen sind fünf global tätige Pestizidhersteller übrig geblieben. Die Kleineren sind

vorwiegend in ihren nationalen Märkten aktiv

* identifizierbare Produkte der Hersteller Bayer, BASF, Syngenta (Europa) sowie Corteva und FMC (USA); auf dem weltgrößten Markt China haben inländische Hersteller einen Marktanteil von 90 Prozent

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ P

UB

LIC

EYE

Verkäufer Anteil hochgefährlicher

Pestizide

Käufer Anteil hochgefährlicher

Pestizide

Brasilien 3.330

49,0 %

USA 2.890

36,0 %

Kanada 625

23,0 %

Frankreich 784

11,0 %

BRISANTE CHEMIE FÜRS VIEHFUTTER Pestizidumsätze und Anteile hochgefährlicher Stoffe daran, nach Einsatzbereichen, 5 größte internationale Hersteller*, in Milliarden US-Dollar und Prozent

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ P

UBL

IC E

YE

Atrazin Acetochlor andere

Glyphosat Paraquat Glufosinat Mancozeb

* identifizierbare Produkte der Hersteller Bayer, BASF, Syngenta (Europa) sowie Corteva und FMC (USA)

49,7 %

5,0

3,5Mais

davon

davon

Soja

51,2 %

36,2 %

0,93

0,4327,7 %

Deutschland 649

12,0 %

36,7 %

39,2 %

Bayer Crop Science 4.600

24,9 %

BASF 2.570

32,0 %

Corteva 1.850

51,5 %

FMC 971

DIE TOP 5 DER PESTIZID-PRODUZENTEN UND -ABNEHMERKombinierte Umsätze der fünf größten internationalen Pestizid-Produzenten auf ihren fünf wichtigsten Märkten, in Millionen US-Dollar, 2018, und Anteil verkaufter bzw. gekaufter hochgefährlicher Pestizide, in Prozent

Syngenta (ChemChina) 3.410

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FLEISCHATLAS 202134

I m Allgemeinen muss für die Produktion von Fleisch mehr Wasser eingesetzt werden als für Nahrungsmittel auf pflanzlicher Basis, also etwa Getreide oder Hülsenfrüchte.

So ist der durchschnittliche Wasserfußabdruck pro Kalorie bei Rindfleisch zwanzigmal größer als bei Getreide. Doch Fleisch ist nicht gleich Fleisch, je nach Tierart und Haltung unterscheidet sich der Wasserbedarf erheblich.

So verbraucht die Produktion eines Kilogramms Rind-fleisch im Schnitt 15.415 Liter Wasser, die des gleichen Ge-wichtes an Schaf- oder Ziegenfleisch fast 9.000, bei Schwei-nefleisch sind es 6.000 und bei Huhn 4.300 Liter Wasser. Insgesamt entfallen 92 Prozent des globalen Wasserfuß-abdrucks auf die Landwirtschaft, 29 Prozent davon gehen in die Tierproduktion. Nach anderen Berechnungen nutzt die Landwirtschaft 70 Prozent des verfügbaren Süßwassers, dreimal mehr als vor 50 Jahren.

Allerdings ist auch ein Stück Rindfleisch nicht unbedingt mit einem anderen zu vergleichen. Der genaue Wasserfuß-abdruck hängt von dem Produktionssystem ab, aus dem das Fleisch stammt. Stand das Tier auf der Weide, in einem gemischten System mit Pflanzenanbau, oder befand es sich in einem industriellen System mit hohen Tierzahlen pro Hektar, in denen über 90 Prozent des Futters zugekauft wur-den? Ebenso wichtig sind die Zusammensetzung und die Herkunft des Futters.

Ein Beispiel: Bei der Berechnung für das Kilogramm Steak, das 15.455 Liter Wasser benötigt, wird davon aus-gegangen, dass ein Rind etwa drei Jahre alt ist, wenn es ge-schlachtet wird. In dieser Zeit hat es 1.300 Kilogramm Kraft-futter aus verschiedenen Getreiden und Soja gefressen, dazu 7.200 Kilogramm Raufutter (Gras, Heu, Silage), und 24.000 Liter Wasser getrunken. Sein Stall musste gesäubert und ausgespritzt werden. Das allermeiste Wasser aber, 94 Pro-zent, ist der Futterproduktion zuzurechnen. Bei dieser Be-rechnung muss allerdings bedacht werden: Ein Fleischrind, das sein Leben in einer feuchten Region auf einer Weide verbracht hat, wird einen vergleichsweise großen Wasser-fußabdruck hinterlassen, denn die häufigen Niederschläge auf seiner Weide werden dem Tier angerechnet. Zudem verwendet es sein Weidefutter wenig effizient und benötigt eine lange Zeit bis zur Schlachtreife. Daher muss der Blick auf den Wasserfußabdruck präzisiert werden.

Fachleute unterscheiden zwischen grünem, blauem und grauem Wasser. Grünes Wasser bezeichnet Regenwasser,

das den Pflanzen durch Niederschlag zur Verfügung steht. Blaues Wasser ist jenes, das im Bewässerungsanbau einge-setzt wird. Graues Wasser meint das Volumen, das rein rech-nerisch benötigt würde, um eingetragene Schadstoffe auf ein unschädliches Maß zu verdünnen, sodass es die Grenz-werte für die Wasserqualität einhalten könnte.

Bei dem Blick auf den Fußabdruck bei der Fleischpro-duktion ist also entscheidend zu wissen, ob er durch grünes, blaues oder graues Wasser erzeugt wird, um beurteilen zu können, ob die begrenzten Wasserressourcen übernutzt wurden. Zwar sind zwei Drittel der Erde mit Wasser bedeckt, aber das meiste davon ist Salzwasser in den Meeren. Nur ein winziger Anteil von 0,4 Prozent ist Trinkwasser. Diese 0,4 Prozent zirkulieren in lokalen, regionalen und globalen Wasserkreisläufen und versorgen Pflanzen, Tiere und Men-schen.

Weil Rinder in industrieller Haltung ihr Kraftfutter ef-fizienter verwerten, ist ihr Wasserfußabdruck in der Regel kleiner als der der Rinder aus den anderen Haltungsformen, etwa aus einer ökologischen Produktion, in der die Tiere viel Zeit auf der Weide verbringen. Allerdings stammt ihr Futter häufig aus Ackerkulturen, die gewässert, gedüngt und mit Ackergiften behandelt werden. Das heißt, der Fußabdruck der Futterproduktion für die industrielle Tierhaltung ent-hält große Anteile blauen und grauen Wassers. Der Fuß-abdruck des blauen Wassers ist beim Kraftfutter 43-mal so groß wie beim Raufutter, beim grauen Wasser gar 61-mal so hoch. Daher ist Fleisch aus Weidehaltung dem aus industri-eller Haltung auch deswegen in der Regel vorzuziehen, weil es die Wasserressourcen schont.

Problematisch für die Ökosysteme und die Böden wird es, wenn in trockenen Regionen blaues Wasser für den An-bau von Futtermitteln genutzt und den regionalen Kreisläu-fen entzogen wird. Wiederkäuer, deren Futter aus Bewässe-rungsanbau stammt, werden vor allem in den USA, China und Indien aufgezogen. Schweine aus industrieller – und damit bewässerungsintensiver – Tierhaltung stammen vor allem aus dem Nordosten der USA, Europa und China.

Die Folgen für Flüsse, Feuchtgebiete und den Grund-wasserspiegel in diesen Regionen sind verheerend. Der UN-Welternährungsorganisation zufolge leiden beispiels-weise die Mitte der USA und der Westen Chinas wegen des Bewässerungsanbaus mit Grundwasser unter versalzenden Böden. Und wenn auch noch Wasserspeicher wie Brasiliens Wälder oder Moore rund um die Welt in Ackerland umge-wandelt werden, ist die Übernutzung der Wasserressourcen besonders schwerwiegend.

WASSER

DER UNSICHTBARE DURST DER TIERE – UND IHRES FUTTERSIn allen tierischen Produkten steckt auch ein Wasserfußabdruck. Dabei ist nicht die Gesamtmenge zu betrachten, sondern nach Wasserkategorien zu unterscheiden. Grünes Wasser gibt es genug – auf möglichst wenig blaues und graues Wasser kommt es an.

Schweine- und Rindfleisch hinterlassen den größten blauen und grauen Wasserfußabdruck. Bei den

Futterpflanzen sind es die eiweißreichen Hülsenfrüchte

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FLEISCHATLAS 2021 35

PROBLEME IN BLAU UND GRAUWassereinsatz bei der Herstellung landwirtschaftlicher Produkte, globale Durchschnittswerte, nach Kategorien der Nutzung, in Litern pro Kilogramm tierisches bzw. pflanzliches Produkt

Eine Badewanne entspricht etwa 140 Litern Wasser

grün: natürlich vorkommendes Regen- und Bodenwasser blau: Grund- oder Oberflächenwasser, das entnommen,

zur künstlichen Bewässerung und zur Produktion genutzt und nicht mehr in ein Gewässer zurückgeführt wird

grau: Wassermenge, die bei der Herstellung verschmutzt wird oder zur Säuberung eingesetzt werden müsste

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ FA

O, M

EKO

NN

EN E

T AL

.

Huhn 4.325

Schwein 5.988

Milch 1.020

Rind 15.415

Eier 3.265

Butter 5.553

Hülsenfrüchte 4.055

Ölsaaten 2.364

Zuckerfrüchte 197

Früchte 962

Gemüse 322

Wurzeln 387

Schaf, Ziege 8.763

Getreide 1.644

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FLEISCHATLAS 202136

M oore haben infolge eines hohen Wasserstandes über Jahrtausende Pfl anzenreste zu Torf umgewandelt und speichern nun große Mengen Kohlenstoff. Doch

seit dem 17., vor allem seit dem 18. Jahrhundert wurden in Deutschland Moore für Torfabbau, Landwirtschaft und als Siedlungsgebiete trockengelegt. Bis heute werden Moor-böden und andere kohlenstoffreiche organische Böden in Deutschland zu etwa 72 Prozent landwirtschaftlich genutzt. Hierfür werden die Wasserstände dauerhaft abgesenkt, Luft dringt in den Torfboden ein, Kohlenstoff oxidiert und trägt als CO2 zum Klimawandel bei.

Obwohl der Anteil solcher organischen Böden an der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland nur 7 Prozent beträgt, ist ihre Entwässerung für 37 Prozent der Treibhaus-gasemissionen in den Sektoren Landwirtschaft und agrari-sche Landnutzung verantwortlich. Eine ähnliche Situation fi ndet sich in vielen anderen EU-Ländern. Die Wiederver-nässung von durchschnittlich nur 3 Prozent der landwirt-schaftlichen Flächen der EU-Mitgliedsstaaten würde bis zu 25 Prozent dieser Emissionen reduzieren.

Überwiegend produzieren auf den landwirtschaftlich genutzten Moorböden Betriebe, die Futter anbauen. Milch-

kühe stellen hohe Anforderungen an die Qualität ihres Fut-ters, besonders an dessen Energiegehalt. Intensivgrünland und Äcker auf Moorböden sind mit Treibhausgasemissio-nen von 20 bis 50 Tonnen CO2-Äquivalent je Hektar und Jahr besonders schädlich für das Klima – und meist auch ohne Wert für die Biodiversität. Daher ist der CO2-Fußabdruck von 1 Kilogramm Moor-Milch mit rund 4 Kilogramm ungefähr fünfmal so hoch wie für Milch von Mineralböden mit etwa 0,6 bis 1,5 Kilogramm. Auch für andere Milchprodukte ist der CO2-Fußabdruck entsprechend höher, wenn das Futter auf entwässerten Moorböden gewachsen ist: Je Kilogramm Käse liegt er bei 45 statt 9 Kilogramm CO2 und je Kilogramm Butter bei 97 statt 25 Kilogramm.

Der Anteil der Moorböden an der Ackerfl äche ist mit 1 bis 2 Prozent selbst in den moorreichen Bundesländern sehr gering, aber aus klimapolitischer Sicht überpropor-tional bedeutsam. Ihr Anteil an der Grünlandfl äche liegt in einigen Bundesländern bei bis zu 50 Prozent. Wie groß die Abneigung der Landwirtinnen und Landwirte gegen eine Wiedervernässung ist, geht aus einer Befragung nordwest-deutscher Betriebsleitungen im Jahr 2018 hervor. Die Höhe der Zahlungen, die notwendig wären, damit sie einer An-hebung des Wasserstands auf ihren Flächen zustimmen und ein Düngungsverbot akzeptieren, liegt deutlich über dem Betrag, den die Betriebe mit der jeweiligen Fläche er-

MOORE

WIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCE

Auf trockengelegten Moorfl ächen stehen häufi g Milchrinder. Deren „Moor-Milch“ ist mehrfach

CO2-intensiver als die Milch der Kühe auf anderen Weiden

In vielen Teilen Europas werden Rinder auf entwässerten Moorböden gehalten. Seit ihrer Trockenlegung emittieren die Torfböden enorme Mengen an Treibhausgasen. Die klimaverträgliche Nutzung dieser Flächen zu organisieren, wäre Aufgabe der Agrarpolitik.

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ M

ILC

HTR

END

S.D

E, G

MC

Milchproduktion in Kilogramm je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfl äche, 2018

bis 500 über 500 bis 1.500 über 1.500 bis 3.000 über 3.000 bis 4.500 über 4.500 keine Angaben

Verbreitung von Moorböden

Fußabdruck von 1 Kilogramm Milch in Kilogramm CO2-Äquivalent

ZUSAMMENHANG VON MILCH UND MOORRäumliche Überschneidung der Schwerpunkte von Milchproduktion und organischen Böden in Deutschland

0,6–1,5

ca. 4von Mineralböden

von Moorstandorten

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wirtschaften könnten. Auch wenn entwässerte Moorböden deutschlandweit nur einen geringen Anteil an der land-wirtschaftlichen Fläche ausmachen, ist ein Verzicht auf ihre Nutzung für viele dort wirtschaftende Betriebe keine Opti-on. Eine weitere Beweidung nach der Wiedervernässung ist nur in Randbereichen oder mit bestimmten Tieren denkbar, zum Beispiel mit Wasserbüffeln.

Für die Nutzung großer Moorgebiete sind also Alterna-tiven jenseits der Tierhaltung gefragt. Daher werden soge-nannte Paludikulturen („palus“ ist das lateinische Wort für Sumpf oder Morast) getestet, also Pflanzenarten, die sich für eine produktive Nutzung wiedervernässter Moorstandorte eignen. Rohstoffe aus Paludikultur können zur Dekarboni-sierung unserer Wirtschaft beitragen. Dazu gehören Torf-moose, die auf ehemaligem Hochmoorgrünland kultiviert werden und den derzeit hauptsächlich verwendeten klassi-schen Torf im Gartenbau ersetzen. Süß- und Sauergräser von Nasswiesen eignen sich als Fasern für Papier und Pappe, Ein-weggeschirr und Bauplatten. Schilf und Rohrkolben liefern Ausgangsmaterial für Bau- und Dämmstoffe.

Über die klimaverträgliche Nutzung der Moorböden und deren sozialverträgliche Umgestaltung entscheidet letztlich die Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Wissen-schaft und zivilgesellschaftliche Organisationen sind sich weitgehend einig, dass die Förderpraxis eine Schlüsselrolle innehat. Paludikulturen und zeitweilig überstaute Flächen

sollten zukünftig gefördert, Subventionen für entwässer-te Moore hingegen abgebaut werden. Für einen solchen Wandel benötigen die Landwirtschaftsbetriebe Unterstüt-zung – angefangen bei der individuellen Beratung über Investitionsbeihilfen bis zur angemessenen Honorierung ihrer Umwelt- und Klimaleistungen. Denn der Schutz der Moorböden liegt nicht in der Verantwortung der einzelnen Landwirtinnen und Landwirte, sie ist vielmehr eine gesamt-gesellschaftliche Aufgabe.

Rund 50 Millionen Hektar Moorlandschaft sind bisher menschlichen Aktivitäten zum Opfer gefallen. Der größte Teil wurde zu Äckern, Wiesen und Weiden

Durch die Wiedervernässung von Mooren, einem nur kleinen Teil der EU-Agrarfläche, kann die Emission enormer

Mengen klimaschädlicher Gase vermieden werden

SPEKTRUM DER BEGEHRLICHKEITEN Weltweite Umnutzung von Moorflächen, Flächen in Millionen Hektar und Anteile in Prozent, gerundet

FLE

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HAT

LAS

2021

/ G

EC, W

I

Waldwirtschaft15

Torfabbau5

Flutflächen und Reservoire

1,5

sonstige1Urbanisierung und Infrastruktur

2

50 %

10 %

30 %

3 %

2 %5 %

Landwirtschaft25

UNSICHTBAR KLIMASCHÄDLICH Treibhausgasemissionen landwirtschaftlich genutzter Moorböden je EU-Land, in Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, 2019, und Anteile dieser Emissionen an den gesamten landwirtschaftlichen Emissionen

Anteile im Vergleich zur gesamten Landwirtschaft, in Prozent

landwirtschaftlich genutzte Moorfläche Treibhausgasemissionen dieser Fläche

Treibhausgas-emissionen, Millionen Tonnen

0 bis 0,5 über 0,5 bis 5 über 5 bis 20 über 20 bis 40

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ G

MC

25 %3 %

EU-28

65 %

5 %

Estland

71 %

6 %

Lettland

41 %

4 %

Polen

38 %

5 %

Schweden

37 %

7 %

Deutschland

34 %

15 %

Niederlande

32 %

7 %

Irland

29 %

4 %

Dänemark

53 %

6 %

Litauen

62 %

12 %

Finnland

49 %

4 %

Rumänien

24 %1 %

Ungarn

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FLEISCHATLAS 202138

D ie weltweite Krise infolge der Covid-19-Pandemie zeigt, wie gefährlich es wird, wenn wirksame Medika-mente für kranke Menschen fehlen. Eine ähnlich glo-

bale Gesundheitskrise, an deren Folgen schon heute jedes Jahr 700.000 Menschen sterben, haben Resistenzen gegen Antibiotika ausgelöst. Immer öfter ist die Wirkung dieser Medikamente gegen Bakterien eingeschränkt, weil sie über-mäßig und falsch angewendet wurden und die Krankheits-erreger widerstandsfähig geworden sind. Die Weltgesund-heitsorganisation (WHO) weist seit Jahren darauf hin, dass diese Resistenzen sich immer weiter ausbreiten.

Umso schwerer wiegt, dass 73 Prozent aller weltweit ver-kauften Antibiotika für Tiere genutzt werden und nicht für kranke Menschen. Weltweit wächst der Anteil der industri-

ellen Tierhaltung mit routinemäßigem Antibiotikaeinsatz. Marktanalysen für Pharmaunternehmen zeigen, dass der Weltmarkt für Tierarzneimittel in den vergangenen Jahren um 5 bis 6 Prozent jährlich gewachsen ist. Wenn Regierun-gen nicht regulierend eingreifen, erwartet die Wissenschaft einen Anstieg des Antibiotikaverbrauchs bei Nutztieren um 67 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2010.

Bakterien passen sich fortlaufend an. Sie entwickeln Re-sistenzgene, die sie auch artübergreifend an andere Bakte-rien weitergeben können. Besonders problematisch ist das bei Zoonosen – also Erregern, die sowohl Tiere wie Men-schen besiedeln und daher Resistenzen aus dem Tierreich auf den menschlichen Körper übertragen können.

Resistenzen in Tierhaltungen nehmen in vielen Ländern seit der Jahrtausendwende deutlich zu. An erster Stelle ste-hen derzeit Nordostchina und Nordostindien, aber auch die Zahlen in Brasilien und Kenia steigen schnell. Die WHO warnt, dass eine übermäßige und missbräuchliche Verwen-dung von Antibiotika bei Nutztieren die Handlungsfähig-keit der Humanmedizin zunehmend bedroht. Denn in der Tierhaltung werden die Bakterien gegen die Antibiotika resistent, die bei Menschen regelmäßig zur Behandlung von Infektionskrankheiten eingesetzt werden.

Besonders problematisch ist der Einsatz von sogenann-ten Reserveantibiotika. Der WHO zufolge sollen diese Not-fall-Antibiotika dem Menschen vorbehalten sein, wenn an-dere Antibiotika nicht mehr wirken. Laut EU-Behörden aber steigt ihr Einsatz in der Tierhaltung in einigen EU-Ländern weiter. Fachleute weltweit, auch in der EU, drängen darauf, diese Mittel bei Lebensmittel-Tieren zu verbieten.

Einer Studie der Organisation Germanwatch zufolge fanden sich auf 51 Prozent der Hähnchenfleischproben führender europäischer Geflügelkonzerne aus fünf EU-Län-dern Krankheitserreger mit Antibiotikaresistenzen. Auf 35 Prozent der Laborproben waren es sogar Erreger, die gegen Reserveantibiotika resistent sind. Die Krankheitserreger können also auch diese letzten Mittel unwirksam machen. Das Fleisch der Geflügelkonzerne schleppt die resistenten Krankheitserreger in die Lebensmittelkette ein – bis in die Küchen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Menschen können multiresistente Erreger bei der Zubereitung und beim Verzehr des rohen Fleisches aufnehmen. Die resisten-ten Keime können schwere Infektionen auslösen, gegen die kaum noch ein Antibiotikum wirkt. Oder die Resistenzgene bleiben im Darm und können bei einer Antibiotikabehand-lung des Menschen wegen einer anderen Infektion die ein-gesetzten Mittel wirkungslos machen.

ANTIBIOTIKA

ZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – UND EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHEN

Jede zweite Hähnchenfleischprobe ist mit antibiotika-resistenten Krankheitserregern belastet. In einem Drittel der Fälle sind diese sogar gegen Reserveantibiotika gewappnet

Antibiotika helfen bei vielen Erkrankungen. Das große Problem: Erreger in Menschen und Tieren können gegen Antibiotika resistent werden, eine tödliche Gefahr. Doch in der Nutztierhaltung werden sie noch immer nicht sparsam genug eingesetzt.

KEIMZEIT IM FLEISCHREGALGegen Antibiotika und Reserveantibiotika resistente Erreger auf Hähnchenfleisch dreier marktführender EU-Fleischkonzerne, Zahl der Proben und Ergebnisse in Prozent, 2020

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ G

ERM

ANW

ATC

H

Anzahl der Proben ohne Keime, die gegen Antibiotika resistent sind mit Keimen, die gegen Antibiotika und Reserve-

antibiotika aus der Gruppe der Chinolone resistent sind

26 %

33 %

41 %

12 %

45 %

43 %

11 %

25 %

64 %

16 %

35 %

49 %

165555654

Plukon-Gruppe, Niederlande,

u. a. „Friki”

zusammen

LDC-Gruppe, Frankreich, u. a.

„Le Gaulois“

PHW-Gruppe,Deutschland,

u. a. „Wiesenhof“

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FLEISCHATLAS 2021 39

Besonders häufig sind die Beschäftigten in Ställen und Schlachthöfen, Tierärzte und -ärztinnen sowie Menschen in Regionen mit höherer Tierdichte von resistenten Erregern befallen. In Ställen ist die Gefahr mehr als 100-mal so hoch wie in demselben Umfeld ohne Tierkontakt. Zu den mise-rablen Arbeitsbedingungen für Beschäftigte in Schlachthö-fen, die im Zuge der Corona-Krise offenbar geworden sind, kommen also noch überdurchschnittliche Gesundheitsbe-lastungen durch resistente Erreger.

Seit 2007 ist keine neue Antibiotikaklasse gegen Infek-tionen bei Menschen und Tieren auf den Markt gekommen. Es gibt also keine neuen Wirkungsmechanismen oder Wirk-stoffe. Im Gegenteil: Der Patentschutz für viele Antibiotika ist ausgelaufen, und die Medikamente sind für wenig Geld verfügbar. Aus unternehmerischer Sicht lohnt es sich nur, Reserveantibiotika und neue Antibiotika zu erforschen und herzustellen, wenn davon möglichst viel verbraucht wird. Die Marktlogik widerspricht daher dem Ziel, die Wirksam-keit der vorhandenen Mittel möglichst lange zu erhalten, indem man sie nur im Notfall einsetzt.

Antibiotika senken die Kosten der Tierproduktion auf vielfältige Weise. Sie können Missstände bei Hygiene, Hal-tung und Betreuung des Viehs kurzfristig überdecken und verursachen dennoch nur ein bis drei Prozent der gesamten Erzeugungskosten. In einigen Ländern, darunter auch Brasi-

lien, ist ihr Einsatz zur Leistungssteigerung erlaubt. Die Tie-re verwerten ihr Futter besser und nehmen schneller zu; in der EU ist diese Anwendung verboten. Human- und Veteri-närärztinnen und -ärzte sowie Verbraucherschutz- und Um-weltverbände weltweit fordern bessere Tierschutzgesetze, ein Verbot der Reserveantibiotika im Stall und hohe Abga-ben auf andere Antibiotika, damit Tierschutz mit möglichst wenig Antibiotika für die Landwirtschaft attraktiver wird.

Fast die Hälfte der Antibiotika, die Tiere in den USA erhalten, dienen nicht der Behandlung, sondern

der Prophylaxe – oder als Mastbeschleuniger

Die EU-Kommission will den Antibiotika-verbrauch bei Tieren bis 2030 halbieren.

Dafür schlagen Fachleute Maßnahmen vor

SKRUPELLOSE ANWENDUNGEinsatz von Antibiotika in den USA, 2017 (Menschen), 2018 (Tiere), in Prozent

Menschen Rinder Schweine Hühner Truthühner andere Tiere

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ N

RDC

VERHÄNGNISVOLLE MILLIGRAMMAntibiotikaverbrauch für 1 Kilogramm Fleisch in elf großen Erzeugerstaaten in Milligramm pro Kilogramm Nutztier, 2017/18

Prognose des Antibiotikaverbrauchs weltweit im Jahr 2030 und Möglichkeiten, ihn zu senken, in Tonnen

* z. B. Prophylaxe für ganze Herden, Einsatz in der Tiermast

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ N

RDC,

WAL

LIN

GA

ET A

L., G

UG

LIEL

MI

Verbrauch 2030 ohne politische Interventionen 200.000

Limit von 50 Milligramm Antibiotika pro Kilogramm tierische Produkte* 81.000

Fleischverbrauch maximal 165 Gramm/Tag 157.000

50 Prozent Steuer auf Antibiotika 138.000

alle Maßnahmen kombiniert 40.000

Frankreich

69

90

Rumänien

230Spanien

141

Kanada

172USA

Großbritannien

33

Dänemark

39

165Polen

89

Deutschland

Niederlande

56

274Italien

22,0 %

22,7 %

2,8 %

2,4 %9,4 %

17,0 %

16,0 %1,5 %1,7 %

4,5 %

* nur für die Industrieländer der OECD und für China berechnet

China: keine Angaben

Verbrauch 2020, geschätzt 160.000

40,7 %medizinischbegründet

37,3 %nicht medizinisch

begründet*

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FLEISCHATLAS 202140

D ie internationale Organisation für Tiergesundheit (OIE) schätzt, dass 60 Prozent aller beim Menschen existierenden Infektionskrankheiten Zoonosen sind,

also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden und umgekehrt. Sie verursachen etwa 2,5 Milliar-den Krankheitsfälle bei Menschen – von der Malaria- bis zur Covid-19-Infektion – und 2,7 Millionen Todesfälle jedes Jahr.

Eine der wohl bekanntesten zoonotischen Infektions-krankheiten ist die Tollwut. In Deutschland kommt sie seit einigen Jahren nicht mehr vor, in vielen anderen Ländern der Welt hingegen schon. Viele solcher Krankheiten sind aber erst vor Kurzem aufgetreten, wie die Vogelgrippe, das Schwere Akute Respiratorische Syndrom (SARS, auch Atem-wegssyndrom), das West-Nil-Virus, der „Rinderwahn“ (BSE) oder eben Covid-19. Der Ursprung dieser Infektion wird auf dem Wildtiermarkt der chinesischen Stadt Wuhan vermu-tet, wo das Virus durch den Konsum von Wildfl eisch auf den Menschen übergesprungen sein soll.

Bei der Übertragung von Zoonosen auf den Menschen spielen die Umstände von Fleischproduktion und -konsum

eine zentrale Rolle. Untersuchungen haben ergeben, dass fast 75 Prozent der verschiedenen bekannten Zoonosen von Wildtieren stammen, beispielsweise durch den Konsum ihres Fleisches. Da immer mehr Flächen für die landwirt-schaftliche Produktion genutzt und so die Lebensräume von Wildtieren zerstört werden, überschneiden sich die Lebens-räume von Wildtieren und Menschen zunehmend. So steigt die Gefahr, sich bei infi zierten Tieren anzustecken. Auch Zwischenwirte wie Zecken oder Mücken spielen eine Rol-le. Der Anteil von Zoonosen an menschlichen Krankheiten wird sich mit steigender Weltbevölkerung und veränderten Konsummustern hin zu mehr Fleisch noch erhöhen, wenn nicht politisch umgesteuert wird.

Ein Beispiel für den Zusammenhang zwischen Umwelt-zerstörung und Zoonosen ist der gut untersuchte Ausbruch des Nipah-Virus in Malaysia. Brandrodung und eine starke Dürre in Indonesien vernichteten von August bis Oktober 1997 etwa fünf Millionen Hektar Wald. Die riesigen Rauch-schwaden verhinderten, dass in Malaysias Wäldern ausrei-chend Blüten und Früchte gedeihen konnten. Flughunde, die das Nipah-Virus in sich trugen, suchten jetzt in Mango-farmen nach Nahrung. Das Virus wurde dort entweder durch ihren Speichel oder ihren Urin auf die Hausschwei-ne übertragen, die ebenfalls Mangos fraßen. Die Schweine wiederum infi zierten Bauern und Bäuerinnen, die an einer Enzephalitis erkrankten. Diese Gehirnentzündung verur-sachte Hunderte von Todesfällen, die Sterblichkeitsrate lag bei etwa 40 Prozent.

Stärkere Präsenz der Menschen, Verkleinerung der Lebensräume von Wildtieren und eine größere Zahl an Nutztieren: Diese drei Faktoren machen die Übertragung von Infektionskrankheiten von Tieren auf Menschen wahr-scheinlicher. Einer im Wissenschaftsmagazin Nature ver-öffentlichten Recherche zufolge können Rodungen oder Trockenlegungen von Flächen für die Landwirtschaft sowie die landwirtschaftliche Produktion mit mehr als 25 Prozent aller Infektionskrankheiten und mehr als 50 Prozent aller zoonotischen Infektionskrankheiten beim Menschen in Ver-bindung gebracht werden.

Auch die industrielle Nutztierhaltung erhöht das Risiko der Übertragung. Während sich die Weltbevölkerung in den vergangenen 50 Jahren verdoppelt hat, nahm die glo-bale Fleischproduktion um mehr als das Dreifache zu. In Tierzahlen heißt das, dass im Jahr 2017 weltweit etwa 1,5 Milliarden Rinder, eine Milliarde Schweine, fast 23 Milliar-den Gefl ügeltiere sowie mehr als 2 Milliarden Schafe und Ziegen gehalten wurden, vielfach in Gruppen von vielen Zehntausend Tieren auf engem Raum.

Die Weltgesundheits- und die Welternährungsorga-nisation der Vereinten Nationen warnen schon seit Jahren

PANDEMIEN

GEFÄHRLICHE KONTAKTE

Nicht bei allen Zoonosen ist klar, von welchem Tier das auslösende Virus stammt und ob es Zwischenträger gab

Viehzucht und Fleischverzehr sind Ursachen für den Ausbruch von Krankheiten, die von Wildtieren auf Menschen übergehen. Solche Zoonosen können katastrophal sein – wie im Fall von Covid-19.

CHRONOLOGIE DER TIER-ZU-MENSCH-SEUCHENEntdeckung oder erster großer Ausbruch von bekannt gewordenen Zoonosen, Ausgangstiere und Überträger

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ U

NEP

, WIK

IPED

IA

2019

1878

1920er-Jahre

1931

1937

1947

1976

1986

1994

1997

1998

2003

2012

2016

Vögel

Gefl ügel

Vögel, Pferde

Affen, dann Mücken

Fledertiere, AffenRinder, Schafe

Flughunde, Pferde

Flughunde, Haustiere

Flughunde, Haustiere

Fledertiere, dann Schleichkatzen

vermutlich Fledertiere, dann Dromedare

Wildtiere, noch unbestimmt

vermutlich Fledertiere, Ferkel

AffenGefl ügelpest (HPAI)

Acquired Immune Defi ciency Syndrome (AIDS)

Infektiöse Bronchitis

West-Nil-Fieber

Zikafi eber

Ebolafi eber

Rinderwahn (Bovine spongiforme Enzephalopathie, BSE)

Hendravirus-Infektion

Vogelgrippe (H5N1), eine Form der Gefl ügelpest

Nipahvirus-Infektion

Schweres akutes Atemwegssyndrom (SARS)

Nahost-Atemwegssyndrom (MERS)

Akutes Diarrhoe-Syndrom der Schweine (SADS)

Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19)

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FLEISCHATLAS 2021 41

vor Pandemien im Zusammenhang mit industrieller Tier-haltung – vor allem von Gefl ügel und Schweinen. Besonders problematisch sind intensive Tierhaltungssysteme, in de-nen die genetische Vielfalt der Tiere sehr gering ist. Dringt in diese Systeme ein Virus ein, kann es sich leicht ausbreiten, weil es auf einen Schlag viele passende Wirtszellen fi ndet. Ein enger Kontakt schafft dann auch für den Menschen ein hohes Risiko.

Außerdem trägt der Handel sowohl mit lebenden Tieren als auch Fleischprodukten potenziell zur globalen Verbrei-tung von Zoonosen bei. Die der UN zuarbeitende wissen-schaftliche Arbeitsgruppe für aviäre Infl uenza bei Wild-vögeln ist überzeugt, dass die Vogelgrippe-Viren nicht nur durch Wild- und Zugvögel übertragen werden. Sie sieht

auch in dem internationalen Handel mit Gefl ügel eine Ge-fahr, ebenso in den Infektionen in Gefl ügelbetrieben. Die Viren gelangen von dort in die Natur und werden dann auf Wildvögel übertragen.

Wie gefährlich die Vogelgrippe ist, hängt einerseits vom Erreger ab, andererseits vom Kontakt der Menschen mit krankem oder verendetem Gefl ügel. An der Vogelgrippe mit ihrem Erreger H5N1 erkrankten seit 2003 weltweit rund 850 Menschen, von denen etwa 450 starben, also mehr als die Hälfte. Wenn aber auch die Infektion von Mensch zu Mensch hinzukommt, drohen Millionen Tote. Spätestens die Covid-19-Infektion hat gezeigt, was bisher oft übersehen wurde: Um das Risiko künftiger Pandemien zu verringern, muss die Biodiversität unseres Planeten geschützt und die industrielle Tierhaltung umgebaut werden.

Infektionen, die von Wildtieren auf Menschen übertragen werden, lassen sich auf wiederkehrende Umstände zurückführen – allerdings sind sie unterschiedlich wichtig

Wenn viele Menschen und viele Nutztiere auf Erreger stoßen, die von Wildtieren stammen, ist das

Risiko eines infektiösen Krankheitsausbruchs hoch

MEHR ÄCKER UND WEIDEN, MEHR INFEKTIONENHauptgründe für die Verbreitung von Zoonosen in 183 dokumentierten Fällen, 1940 bis 2004

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ L

OH

ET

AL.

WO DIE ZOONOSEN DROHENRisiko der Entstehung von für Menschen gefährliche Krankheiten, die von Wildtieren ausgehen, geografi sche Verteilung der Hotspots

niedrigesRisiko

hohesRisiko

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ U

NEP

31 %

15 %

13 %11 %

7 %

6 %

4 %

3 %3 %

7 %

geänderte Landnutzung:Expansion von Agrar-fl ächen, Urbanisierung, Entwaldung, Fragmentie-rung der Landschaft

Landwirtschaft:Tierweiden in der Nähe von Wäldern und Sümpfen, Herdeninfektionen, durch Zäune ver-änderte Wildtier-habitate

Internationales: Ausfuhr von Lebend-wildtieren und Wildtierprodukten

Anfälligkeit des Menschen für Infektionen: mangelhafte sani-täre Anlagen, Übervölkerung in abgelegenen Industriesiedlungen. Durch Antibiotika-Einsatz genetische Auslese resistenter Erreger

Krieg und Hunger: Flucht in den Wald, Kämpfe und Nahrungssuche dort, Folge von Verwundungen und Hungerschwäche

Klima und Wetter: vorteilhafte Bedingungen für die Verbreitung von Erregern in Trägern und Zwischenträgern

Bevölkerungsentwicklung und menschliches Verhalten: Siedlungen und Wege in Wildtiernähe

Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitswesens:Wegfall von Behandlungen und Vorsorgemaßnahmen

„Bushmeat“: habitatnaher Verzehr des Fleisches wilder und exotischer Tiere

andere

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FLEISCHATLAS 202142

D as Ziel, den Konsum tierischer Produkte um bis zu 50 Prozent zu verringern, ist entscheidend für eine nach-haltige Ernährung. Auf dem Weg dorthin ist der Blick

auf die Ernährung der jungen Generation besonders wich-tig. Exklusiv für den Fleischatlas wurden daher 1.227 junge Deutsche im Alter von 15 bis 29 Jahren im Oktober 2020 zu diesem Thema interviewt. Die Onlineumfrage ist hinsicht-lich des Geschlechts, der Region und Bildung repräsentativ.

Die Ergebnisse zeigen: Fleischverzicht liegt bei den Ju-gendlichen und jungen Erwachsenen im Trend. 10,4 Pro-zent ernähren sich vegetarisch, 2,3 Prozent vegan. Zusam-men verzichten damit knapp 13 Prozent auf Fleisch – rund doppelt so viele wie in der Gesamtbevölkerung. Insgesamt steigt ihre Zahl an: Vor zehn Jahren lag sie bei 4,3 Prozent, heute nach verschiedenen Studien bei etwa 6 Prozent. Die Bewegung „Fridays for Future“ und ihr Umfeld sind damit zu einem wichtigen Treiber für pflanzlich dominierte Er-nährungsstile geworden. Rund ein Drittel derjenigen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, haben erst im ver-gangenen Jahr auf fleischfrei umgestellt.

Zur Verringerung des Fleischkonsums trägt auch der Anteil der Flexitarier und Flexitarierinnen bei, der bei den jungen Menschen rund 25 Prozent beträgt. Sie essen nur manchmal Fleisch, vor allem in Gemeinschaft, und dann sol-ches, von dem sie wissen, wo es herkommt. Von denen, die Fleisch essen, wollen 44 Prozent künftig den Konsum redu-zieren. Bei rund der Hälfte dieser Generation ist die Reduk-tionsbotschaft also angekommen, auch wenn es ihr nicht leichtfällt: Selbst von denen, die sich vegetarisch ernähren, gibt rund die Hälfte an, dass ihnen Fleisch gut schmeckt. Umgekehrt sind Geschmack, Grill-Leidenschaft und das Ge-fühl, dass Fleisch besonders satt macht und gesund sei, Trei-ber eines hohen Fleischkonsums.

Wer gehört zu denen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren? Rund 70 Prozent in beiden Gruppen sind Frau-en, zudem sind die Jüngeren etwas stärker vertreten. Unter den Studierenden gibt es etwas mehr Veganer und Vega-nerinnen, unter denjenigen mit Berufsausbildung etwas häufiger Omnivoren und Omnivorinnen, also Menschen, die nicht auf Fleisch und tierische Produkte verzichten und grundsätzlich alles essen. Wer sich für Technik und Hand-werk interessiert, isst tendenziell mehr Fleisch. Insgesamt gibt es aber nur erstaunlich geringe Unterschiede bei den soziodemografischen Merkmalen. Auch eine Spaltung zwi-schen Stadt und Land hat die Umfrage nicht ergeben. Kleine Unterschiede zeigen sich nur für die Gruppe derjenigen, die sich flexibel ernähren, also nur manchmal Fleisch essen – sie sind in den Metropolen etwas stärker vertreten. Bei vegetari-

scher oder veganer Ernährung sind keine Unterschiede aus-zumachen. Fleischkonsum ist keine Stadt-Land-Frage – und auch kein Ost-West- oder Nord-Süd-Thema.

Stattdessen ist auffallend, wie stark der Fleischkonsum mit politischen Einstellungen verknüpft ist. Wer wenig Fleisch konsumiert, ist umwelt- und insbesondere ernäh-rungs- und tierschutzbewusster. Bei den Veganern und Ve-ganerinnen sehen sich 75 Prozent als Teil der Klimaschutz-bewegung, bei den Vegetariern und Vegetarierinnen fast 50 Prozent; bei den Omnivoren und Omnivorinnen sind es nur 15 Prozent. 42 Prozent der Menschen, die sich vegeta-risch ernähren und sogar 63 Prozent derjenigen, die vegane Ernährung bevorzugen, engagieren sich gegen Lebensmit-telverschwendung; bei denen, die nicht verzichten, nur 29 Prozent. Bei den Vegetariern und Vegetarierinnen lehnen 92 Prozent die Arbeitsbedingungen in der Fleischwirtschaft ab, 96 Prozent sind es bei denen, die sich vegan ernähren, 64 Prozent bei denen, die alles essen.

Ganz offensichtlich ist der Fleisch- oder Nicht-Fleisch-konsum heute ein stark politisches Thema, keine private „Geschmacksfrage“. Anhängerinnen und Anhänger der vegetarischen und veganen Ernährung sind deutlich nach-haltigkeitsorientierter und sehen sich auch selbst als Pio-niergruppe eines zukunftsfähigen Ernährungsstils. Die Vertreter und Vertreterinnen der veganen Ernährung sind darüber hinaus besonders stark an Ernährung interessiert, diejenigen der Gruppe, die alles essen, deutlich weniger.

Große Unterschiede gibt es bei der Frage nach der Zu-kunft der Tierhaltung insgesamt: 96 Prozent aller Anhänger der veganen und 49 Prozent der vegetarischen Ernährung würden die Nutztierhaltung am liebsten abschaffen. Bei de-nen, die sich flexibel ernähren, sind dies nur 15 Prozent und bei denen, die auf nichts verzichten, 4 Prozent.

Was diese Generation eint, ist die Ablehnung der heuti-gen Form der Tierhaltung. Fast niemand findet sie in Ord-nung. Und die in der Landwirtschaft zum Teil geäußerte Po-sition, man solle die Tierhaltung noch effizienter machen, also Kühe sollten noch mehr Milch geben, Schweine und Hühner noch schneller gemästet werden, um das Klima zu schützen, wird fast durchgängig abgelehnt.

Die jungen Menschen sehen den Staat in der (Mit-)Ver-antwortung für eine nachhaltige Ernährung. Entsprechend findet sich eine deutliche Zustimmung zu vielen, allerdings nicht zu allen abgefragten Politikinstrumenten, die einen nachhaltigen Konsum unterstützen könnten. Sie befür-worten eine Klimakennzeichnung von Lebensmitteln und strengere Tierschutzgesetze – ebenso, Containern zu zulas-sen und ein Tierschutzlabel zur Pflicht zu machen. Ein obli-gatorischer „Veggie Day“ wird kritischer gesehen.

Weitere Grafiken zur Jugendumfrage auf den folgenden Doppelseiten.

JUGENDUMFRAGE

WENIGER FLEISCH, MEHR FUTUREIm Vergleich mit der Gesamtbevölkerung ernähren sich doppelt so viele 15- bis 29-Jährige vegetarisch oder vegan. Für viele junge Erwachsene ist der Verzicht auf Fleisch ein politisches Statement.

Der Schulstreik hat Millionen junger Menschen geprägt. Neue Präferenzen zeigen sich beim Wunsch

nach klimabewusster Ernährung und engagiertem Staat

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FLEISCHATLAS 2021 43

JUNG UND KRITISCH Umfrage unter 15- bis 29-Jährigen über Klimaproteste, Ernährung und Tierhaltung

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

stimme voll und ganz zu stimme eher zu

teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

Veganer/innen Vegetarier/innen Flexitarier/innen Omnivor/innen

Differenzen durch Rundung

Veganer/innen

46,2 %

Vegetarier/innen

69,7 %

Flexitarier/innen

49,0 %

Omnivor/innen

27,1 %

„Fridays for futureist eine wichtige Bewegung.“

„Da mache ich mit.“

seit diesem Jahr seit einigen Jahren seit vielen Jahren,

schon immer Veganer/innen

Vegetarier/innen

Flexitarier/innen

Omnivor/innen„Ich ernähre mich so ...“ 89,3 %

22,1 %

32,3 %

32,1 %

42,5 %

37,9 %

39,3 %

35,3 %

29,8 %

28,6 %

3,9 %

6,6 %

%

40,5

39,6

15,3

3,4

1,1

%

6,1

19,3

38,5

3,3

32,9

Frauen Männer

Veganer/innenVegetarier/innenFlexitarier/innenOmnivor/innen

70,4 %40,5 %

62,3 % 69,4 %29,6 %

59,5 %37,7 % 30,6 %

26,2 % 24,4 % 23,4 % 12,5 % 13,5 %

12,3 %4,5 % 30,3 % 21,3 % 31,7 %

alle (15- bis

29-Jährige)

25- bis 29-Jährige (Jahrgang 1991

bis 1995)

20- bis 24-Jährige (Jahrgang 1996

bis 2000)

15- bis 19-Jährige (Jahrgang 2001

bis 2005)

61,7 % 60,9 %

18,6 %

18,6 %

1,9 %

25,7 %

10,4 %

2,3 %

60,9 %

27,0 %

9,7 %

2,4 %

62,3 %

26,5 %

8,7 %

1,4 %

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ Z

ÜH

LSD

ORF

„Es sollte staatliche Werbekampagnen geben, um den Fleisch-konsum zu reduzieren.“

„Die Politik sollte dafür sorgen, dass Lebens-mittel umweltgerecht erzeugt werden.“

„Der Staat soll dieMenschen unterstützen, sich klimafreundlicher zu ernähren.“

„Ich gehöre zu den ...“

stimme voll und ganz zu, stimme eher zu

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FLEISCHATLAS 202144

D ie Nutztierhaltung ist ein wichtiges Standbein der deutschen Landwirtschaft. Ihr Anteil an den erzeug-ten Waren und Dienstleistungen des Agrarsektors lag

in den vergangenen zehn Jahren konstant zwischen 45 und 50 Prozent. In der EU nimmt Deutschland die Spitzenposition bei der Erzeugung von Schweinefleisch und Milch ein und erreicht Marktanteile von 21 beziehungsweise 20 Prozent. Bei Rindfleisch und Eiern liegt es mit 15 beziehungsweise 12 Prozent nach Frankreich auf Platz zwei, bei Geflügelfleisch mit 12 Prozent nach Polen und Frankreich auf Platz drei. Zudem ist Deutschland ein Exportland für Fleisch. Es pro-duziert 16 Prozent mehr, als im Inland konsumiert wird. Bei Schweinefleisch liegt der Wert sogar bei 19 Prozent.

Je nach Region werden die Tierbestände unterschiedlich konzentriert gehalten. Gemessen wird in Großvieheinhei-ten (GVE) pro 100 Hektar; eine GVE entspricht einer Lebend-masse von 500 Kilogramm, so viel wie ein ausgewachsenes Rind, etwa sechs ausgewachsene Mastschweine oder 320 Legehennen. Bei der Tierdichte liegt Deutschland im EU-Vergleich im oberen Drittel. Mit 109 GVE je 100 Hektar ist Deutschland jedoch weit von der Spitzenposition der Nie-derlande mit 380 GVE entfernt. Die Tierbestände sind zu-dem in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt: Regionen in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen erreichen Wer-te wie in den Niederlanden, in anderen wie der Uckermark in Brandenburg gibt es nur sehr wenig Vieh.

In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen werden rund 60 Prozent aller Schweine und Hühner, in Bayern und Niedersachsen fast 50 Prozent aller Rinder und Milchkühe gehalten. Die Bestände pro Betrieb sind sehr unterschied-lich. Ein Beispiel: In Niedersachsen hält ein durchschnitt-licher Betrieb etwa 95 Kühe, in Bayern sind es nur 42. Mehr als 40 Prozent der bayrischen Milchkühe leben dabei in An-bindehaltung, die aus Sicht des Tierschutzes nicht zu akzep-tieren ist.

In Ostdeutschland hat die Nutztierhaltung eine gerin-gere Bedeutung als im Westen. Es gibt mit 64 GVE je 100 Hektar weniger Tiere pro Fläche als in den westdeutschen Bundesländern mit ihren 128 GVE. Im Durchschnitt werden jedoch in den neuen Ländern pro Betrieb von allen Arten deutlich mehr Tiere gehalten. So leben dort über 90 Prozent der Schweine in Beständen von mindestens 200 GVE, also beispielsweise 1.400 Mastschweinen oder 660 Sauen. Solche hohen Zahlen pro Betrieb werden in den alten Bundeslän-dern bei Weitem nicht erreicht.

Die gesamte deutsche Nutztierhaltung durchläuft seit Jahren einen enormen Strukturwandel. Während die Tier-bestände abnehmen, hält eine immer geringere Anzahl an Betrieben zunehmend größere Viehbestände. Beispiel Rin-der und Milchkühe: Von 2010 bis 2020 sank die Zahl der Rin-der um knapp 11 Prozent, die der Milchkühe um 5 Prozent. Im gleichen Zeitraum gaben rund 35.000 Betriebe die Hal-tung von Milchkühen auf, während die durchschnittliche Herdengröße von 45 auf 68 Kühe stieg.

Bei der Schweinehaltung ist der Strukturwandel noch deutlicher. Zwar gingen die Schweinebestände in Deutsch-land um knapp 4 Prozent zurück, die der Zuchtschweine allerdings um etwa 21 Prozent. Die Zahl der Mastschweine blieb jedoch konstant. Die zur Mast benötigten Ferkel wer-den also zunehmend nicht mehr in Deutschland produziert. Bereits 2018 stammten 20 Prozent der in Deutschland ge-mästeten Ferkel aus Importen. Immer mehr Betriebe haben diesen Produktionszweig aufgegeben. Die Folge ist ein star-ker Konzentrationsprozess mit immer größeren Beständen. So stieg die Tierzahl pro Betrieb bei Zuchtschweinen von 142 auf 256, bei Mastschweinen ab 50 Kilogramm von 398 auf 653. Bedenklich ist, dass die Zahlen bei Schweinen gera-de in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen so gestiegen sind, wo die Konzentration bei der Tierhaltung ohnehin schon sehr hohe Werte erreicht.

Auch die Geflügelhaltung spielt in Deutschland eine grö-ßere Rolle, vor allem die von Legehennen für Eier und Hähn-chen zur Geflügelfleischerzeugung. Die Haltung von Scha-fen lässt hingegen deutlich nach. Seit 2010 sank ihre Zahl um 25 Prozent. Insbesondere ihre Haltung als Weidetiere gestal-tet sich aus vielen Gründen zunehmend problematisch.

PRODUKTION IN DEUTSCHLAND

RABIATER STRUKTURWANDELDie Zahl der Tierhaltungen in Deutschland sinkt seit Jahrzehnten – und zwar schnell.Finanzkräftige Betriebe vergrößern dagegen ihre Bestände noch. Bei der Verteilung der Tiere und beim Ökoanteil unterscheiden sich die Regionen stark.

In nur 17 Jahren hat sich der Mast-hühnerbestand nahezu verdoppelt, während fast drei Viertel der Betriebe aufgaben

DIE MENGE IST DAS ZIELZahl der Betriebe mit Masthühnern und Anzahl Masthühner, Index 1999 = 100

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ T

NEN

keine jüngeren Daten verfügbar

20162003 2007 2010 20130

50

100

150

200

1999

190

28

Masthühner

Betriebe

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FLEISCHATLAS 2021 45

Um Defizite im Umwelt- und Tierschutz zu verringern, könnte die ökologische Tierhaltung ausgebaut werden. Der Ökolandbau hat klare Vorgaben, wie viele Tiere maximal pro Hektar gehalten werden dürfen. Er schreibt ebenfalls vor, dass ein großer Teil des Futters von betriebseigenen Flä-chen kommen muss. Häufig hat er auch schärfere Regeln, um für das Wohl der Tiere zu sorgen.

Diese Haltungsform fristet allerdings noch immer ein Nischendasein. Nur fünf Prozent des gesamten Viehbestan-des werden in ökologisch wirtschaftenden Betrieben gehal-

ten, bei Rindern sind es etwa sechs Prozent, bei Schweinen ist es sogar nur ein Prozent. Ziegen kommen auf einen An-teil von 33, Schafe auf 12 Prozent. Es gibt jedoch Vorreiter unter den Bundesländern. So werden in Mecklenburg-Vor-pommern, Hessen und im Saarland mehr als zehn Prozent der Tierbestände in Ökobetrieben gehalten. Beim Geflügel sticht Mecklenburg-Vorpommern heraus. Dort werden 16 Prozent der Legehennen in Ökobetrieben gehalten. Bei Schweinen gehen das Saarland mit sieben Prozent und wie-derum Mecklenburg-Vorpommern mit sechs Prozent voran. Bundesweit ist also noch viel Luft nach oben.

In nur zehn Jahren sind viele Zehntausend Tierhaltungen verschwunden. Größere

Betriebe übernehmen ihre Marktanteile

Junge Menschen lehnen die jetzige Tierhaltung ab und sprechen sich gegen die preisdrückenden großen Handelsketten aus

DIE KLEINEN VERSCHWINDENRückgang von Tierhaltungen in landwirtschaftlichen Betrieben, 2020 gegenüber 2010

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ D

ESTA

TIS,

LU

CKM

ANN

ÜBERWIEGEND UNZUFRIEDEN Ergebnisse der Jugendumfrage

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

Differenzen durch Rundung

nur Flächenländer

Veganer/innen

89,3 %

Vegetarier/innen

94,4 %

88,2 %80,8 %

„Tiere zukünftig artgerechter halten, auch wenn das Fleisch etwas teurer wird.“

„Der Lebensmittel-einzelhandel ist unfair zu den Landwirt/innen.“

%

42,6

17,7

34,0

4,5

1,2

%

22,436,1

36,3

0,8

4,4

„Die heutige Tierhaltung ist im Grundsatz in Ordnung, so wie sie ist.“

-1.700

-3.300

-900

-400 bis -600

-3.400

-2.200-1.400

-540

-400 -640

-130

-6.700

-17.000

-1.600

-190

-2.700

-2.200

-5.600

-5.000

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ Z

ÜH

LSD

ORF

1516

10

54 3

1314

11

69

21

78

12

1 Schleswig-Holstein2 Mecklenburg- Vorpommern3 Hamburg4 Bremen 5 Niedersachsen6 Sachsen-Anhalt7 Berlin8 Brandenburg

9 Nordrhein- Westfalen10 Hessen11 Thüringen12 Sachsen13 Rheinland-Pfalz14 Saarland15 Baden-Württemberg16 Bayern

Bei Rindern werden nicht Betriebe, sondern die Haltungen (Stallungen) erfasst. Mehrere dieser räumlich getrennten Tierbestände können zu einem Betrieb gehören. Die Zahl der Schweinehaltungen entspricht in etwa der Zahl von Betrieben. Rückgänge bei Tierhaltungen und Betrieben sind vergleichbar.

aufgegebene Betriebe und Haltungen, in Prozent

unter 10 10 bis unter 20 20 bis unter 30

keine genauen Angaben, Rückgang um bis zu 300 Betriebe

30 bis unter 40 40 bis unter 50 über 50

Rinderhaltungen

Schweinehaltungen

Flexitarier/innen

stimme voll und ganz zu, stimme eher zu

Omnivor/innen

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FLEISCHATLAS 202146

I m Jahr 2019 wurden in Deutschland mehr als zwei Mil-lionen Tiere pro Tag geschlachtet, darunter 1,7 Millionen Hühner, 151.000 Schweine und 94.000 Puten. Getötet,

zerlegt und verarbeitet werden die Tiere meist in einem der großen Fleischunternehmen. Durch Übernahmen und Fu-sionen wachsen die Schlachtkonzerne stetig und bauen ihre Marktmacht aus. Allein auf die drei größten Unternehmen – Tönnies, Westfleisch und Vion – entfällt ein Marktanteil von 57,1 Prozent. Die zehn größten Schweineschlachtbe-triebe haben 2018 zusammen einen Marktanteil von 78,9 Prozent erreicht.

Ein wichtiger Faktor für den Erfolg der deutschen Schlachtindustrie sind die niedrigen Arbeitskosten. In der Branche sind fast 90.000 Menschen beschäftigt. Beinahe zwei Drittel dieser Beschäftigten sind von Subunternehmen über Werkverträge oder durch Arbeitnehmerüberlassung angestellt und kommen aus Mittel- und Osteuropa. Bei der Arbeitnehmerüberlassung stellt ein Arbeitgeber, der Ver-leiher, seine Beschäftigten zur Erbringung einer Arbeitsleis-

tung einem Dritten, dem Entleihenden, zur Verfügung. Dies ist innerhalb der Europäischen Union legal.

Die Schlachthöfe wiederum schließen Verträge mit den Entleihfirmen, die üblicherweise als Personaldienstleister auftreten. Genaue Daten, wie viele Beschäftigte von diesem System betroffen sind, liegen nicht vor. Tarifliche Regelun-gen für die Werkverträge gibt es nicht, aber nach Auskunft der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststät-ten (NGG) wird meist der gesetzliche Mindestlohn gezahlt.

Die NGG und andere zivilgesellschaftliche Organisatio-nen kritisieren die prekäre Situation, in der die Beschäftig-ten durch Leiharbeit und Werkverträge stecken. Zum einen werden häufig weder Urlaub noch Feier- oder Krankheits-tage gezahlt, zum anderen offenbar häufiger die Überstun-den nicht richtig abgerechnet. Oft werden die Kosten für die Unterkunft vom Lohn abgezogen. Der Regelmietsatz für eine Matratze in einem Mehrbettzimmer beträgt 230 bis 300 Euro im Monat. Außerdem können Kosten für die per-sönliche Arbeitsschutzausrüstung anfallen, das An- und Auskleiden wird häufig nicht als Arbeitszeit gerechnet. Auch werden Nutzungsgebühren für Arbeitswerkzeuge wie etwa Fleischermesser fällig. Bereits 2004 wurde im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zwei Schlachthofbetreibern und einem Subunternehmer nachgewiesen, dass sie die Beschäf-tigten mit Werkverträgen für einen Euro pro Stunde ent-lohnt hatten.

Für diese Kritik gibt es teilweise Belege. Das gesamte System der Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge in Deutschland ist bisher wissenschaftlich und lebenswelt-lich wenig erforscht. Es bleibt intransparent, auch weil die Betroffenen nicht gewerkschaftlich organisiert sind – was durchaus im Sinne der Fleischunternehmen liegt. Men-schen, die sich gewerkschaftlich organisieren, laufen Ge-fahr, kurzfristig gekündigt zu werden. Die NGG, die sich für die Beschäftigten der Fleischbranche einsetzt, zieht ihre Informationen vor allem aus persönlichen Gesprächen, Ar-beitsgerichtsverfahren und Erfahrungsberichten.

In Nachbarländern mit großer Fleischproduktion wie den Niederlanden oder Dänemark sind Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungen nur sehr eingeschränkt mög-lich. Daher hat zum Beispiel die Firma Danish Crown einen Teil ihrer Produktion nach Deutschland verlegt. Denn durch die hohen Standards im Heimatland Dänemark – gute Tarif-verträge, hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad – lie-gen die Arbeitskosten in Deutschland bei nur der Hälfte der dänischen. Für einschlägige Unternehmen in den Nachbar-staaten ist Deutschland ein Billiglohnland. Als Folge wurden in Dänemark und den Niederlanden viele Schlachthöfe ge-schlossen. Allein in Dänemark verschwand die Hälfte der 20.000 Arbeitsplätze. In den Jahren 2000 bis 2018 sind die

SCHLACHTHÖFE IN DEUTSCHLAND

KLIMA DER ANGSTDie Corona-Infektionen haben ein grelles Licht auf die schlechten Arbeitsverhältnisse in deutschen Schlachthöfen geworfen. Es müsste, gegen den Trend, mehr staatliche Kontrollen geben.

Es gibt nur noch ein Prozent Azubis in Schlachthöfen. Gegen den Personalmangel hilft nur Personal aus dem Ausland, das für wenig Geld arbeiten muss

DIE JUNGEN WOLLEN LÄNGST NICHT MEHRBeschäftigte und Auszubildende in Schlachthöfen, nach Bundesländern, 2018

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Beschäftigte Auszubildende

Im Inland sozialversicherte Vollbeschäftigte, ohne Teilzeitkräfte. Einige Bundesländer ohne Angaben

Sachsen-AnhaltNordrhein-

Westfalen

HessenThüringen

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Baden-Württemberg

Sachsen

Brandenburg

Bayern

700

10.500

2.700

1.000

4.700

1.100

1.100

400

1.400 900

800

500

22

68

20

45

9

0

9 15

19

104

12

Bremen

Saarland

10.000

116900

Rheinland-Pfalz

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FLEISCHATLAS 2021 47

Schlachtungen von Schweinen von 21 Millionen auf rund 18 Millionen Tiere gesunken. Dafür hat Dänemark den Export lebender Schweine nach Deutschland ausgebaut.

Die Gewerkschaft NGG fordert seit Langem mehr staat-liche Kontrollen in der Fleischindustrie. In den vergange-nen Jahren hat sich ihre Zahl jedoch fast halbiert, weil der Zoll – der für die Kontrolle der Schwarzarbeit zuständig ist – zu wenig Personal hat. Auch aufseiten der Betriebe ist trotz langjähriger Bemühung der NGG und trotz zahlreicher Me-dienberichte lange nichts passiert.

Eine Veränderung haben erst die Corona-Skandale ge-bracht. Sie haben die prekären Arbeits- und Wohnbedin-

gungen der Beschäftigten ins Rampenlicht gerückt. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht nun ein voll-ständiges Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in Fleischfabriken vor. Einzelhandelsketten haben mit ihren Frischfleisch- sowie Frischgeflügel-Lieferanten vereinbart, ab Januar 2021 auf Werkverträge in den Kernprozessen Schlachtung, Zerlegung und Verpackung zu verzichten. Zahlreiche Unternehmen haben zudem angekündigt, Werkvertragsbeschäftigte in Festanstellungen zu über-nehmen. Würden die Beschäftigten aus Süd- und Osteuro-pa künftig fest angestellt und für 20 Prozent mehr Lohn arbeiten, stiege der Preis eines Schnitzeln auch nur um ein Prozent.

Selbst unter jungen Fleischessern lehnen fast zwei Drittel die Bedingungen ab, unter denen ihr Essen entsteht

Im Westeuropa-Vergleich ist das Schlachten in Deutschland finanziell attraktiv. Daher steigen

Mengen und Umsätze – vor allem bei Hühnern

MASSENHAFTES TÖTEN ZUM DUMPINGPREISGeschlachtete Tiere in Deutschland, 2019, in Millionen pro Symbol

Ohne Hausschlachtungen. Schafe einschl. Lämmer; ohne Pferde FLE

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RUINIERTES IMAGE EINER BRANCHEErgebnisse der Jugendumfrage

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

* nur Vegetarier/innen und Veganer/innen Differenzen durch Rundung

Veganer/innen

95,8 %

Vegetarier/innen

92,2 %

80,1 %64,4 %„Ich will die Fleisch-wirtschaft nicht unterstützen.“*

„Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie stoßen mich ab.“

652.700.000 Hühner

55.131.000 Schweine

3.386.000 Rinder594.000 Gänse23.000 Ziegen 1.121.000 Schafe

15.876.000 Enten

34.226.000 Puten

%

56,3

12,3

17,8

9,14,5

%37,322,2

34,2

4,9

1,5

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Flexitarier/innen

stimme voll und ganz zu, stimme eher zu

Omnivor/innen

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FLEISCHATLAS 202148

Z u Beginn der 1990er-Jahre schockierten Bilder von hunderttausenden getöteten Rindern und Kühen die Menschen in Europa. Doch BSE, der „Rinderwahn“,

war nicht die letzte Tierseuche, die dazu führte, dass große Bestände getötet wurden, ohne für den menschlichen Kon-sum genutzt werden zu können. Nach BSE kam die Vogel-grippe und dann die Afrikanische Schweinepest. Fachleute gehen davon aus, dass aufgrund dieser für Schweine hoch ansteckenden Krankheit im Jahr 2019 in China bis zu 200 Millionen Schweine verendeten oder vorsorglich getötet und beseitigt wurden.

Auch ohne pandemische Ereignisse sterben allein in Deutschland Jahr für Jahr fast 100 Millionen Tiere, ohne dass ihr Fleisch verzehrt wird. Dies sind zum einen Tiere, die während der Mast verenden oder aus wirtschaftlichen Gründen getötet und beseitigt werden. Jährlich müssen bis zu 200.000 männliche Milchrasse-Kälber und 45 Millionen männliche Küken sterben, weil sich ihre Mast aufgrund des geringen Fleischansatzes nicht lohnen würde.

Zum anderen führen schlechte Haltungsbedingungen und auf Hochleistung gezüchtete Rassen dazu, dass Tiere während der Aufzucht sterben. So liegt der Verlust von Fer-keln bei etwa 16 Prozent; das sind rund 8,6 Millionen tote Tiere pro Jahr. Der Effizienz wegen wurden Sauen gezüch-

tet, die immer mehr Nachwuchs auf die Welt bringen. In Deutschland liegt die durchschnittliche Wurfgröße jetzt bei über 15 Ferkeln. Das sind 3 mehr als noch vor zwölf Jahren. Das Resultat: Viele der Tiere sind kleiner und anfälliger und verenden in den ersten Tagen nach oder schon bei der Ge-burt. Die addierten Verluste entlang der Produktionsstufen in der Schweinemast liegen bei etwa 28 Prozent.

Und auch nach der Schlachtung entsteht viel Abfall, denn bei Weitem werden nicht alle Teile des Tieres verzehrt. Weil Fleisch vergleichsweise günstig geworden ist, essen die Menschen in vielen Industrieländern nur noch ausgewähl-te Stücke. Während im Jahr 2019 pro Kopf in Deutschland 7 Prozent weniger Fleisch verzehrt wurde als 1991, sank der Verzehr von Innereien von 1,4 Kilogramm auf 160 Gramm, also um fast 90 Prozent. Geflügel hingegen wird immer beliebter. Hier lag der Pro-Kopf-Verzehr 2019 bei 13,8 Kilo-gramm. Das sind 90 Prozent mehr als 1991. Beliebt ist vor allem die Brust. Andere Teile, zum Beispiel Flügel und Füße, werden tiefgefroren und dann nach Asien und Afrika ex-portiert. Auch nur etwa 60 Prozent eines geschlachteten Schweines landet in Deutschland schließlich als Fleisch und Wurst auf dem Teller.

Was von den Knochen über einige Organe bis hin zu Klauen und Krallen nicht für den menschlichen Verzehr ge-eignet ist, wird zu Haustier- und Fischfutter verarbeitet, in der Chemie- und Düngemittelindustrie verwendet oder als Biokraftstoff in den Tank gefüllt. Im Jahr 2019 wurden bei 8,6 Millionen Tonnen Schlachtgewicht rund 2,6 Millionen Ton-nen dieser „tierischen Nebenprodukte“ weiterverwertet.

Im Handel und im Endverbrauch entstehen weitere Verluste, weil Haltbarkeitsdaten überschritten oder ver-brauchsfertige, aber nicht verzehrte Nahrungsmittel weg-geworfen werden. Weltweit gingen im Jahr 2016 – das ist die aktuelle Zahl – 11,9 Prozent der Fleischproduktion zwischen Schlachtung und Einzelhandel verloren, 39 Mil-lionen Tonnen oder, legt man dieselbe Verlustrate für alle Tierarten zugrunde, 8,7 Milliarden Tiere. Diese Menge lie-ße sich auch in 115 Millionen Rinder oder 413 Millionen Schweine umrechnen.

Durch die hohen Verlustraten werden enorme Ressour-cen verschwendet, denn diese Tiere werden aufgezogen und gefüttert, obwohl sie nicht für den menschlichen Kon-sum genutzt werden. Während in den Ländern des Südens meist die unzureichend organisierten Kühlketten für die Fleischverluste verantwortlich sind, ist es in den Industrie-ländern vor allem das Wegwerfen. Studien schätzen die-sen Anteil in Europa auf 4 bis 11 Prozent der konsumierten Menge. Dies liegt auch daran, dass Fleisch als Lebensmittel infolge der vergleichsweise günstigen Preise eine immer ge-ringere Wertschätzung erfährt.

VERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND

VIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDEN

Rund ein Viertel der Schweine wird tot geboren oder stirbt vor der Schlachtung. Die Kadaver landen in Tierkörperbeseitigungsanstalten

Entlang der gesamten Wertschöpfungs-kette verenden Tiere und werden Hunderttausende Tonnen Fleisch vergeudet. Die Verschwendung von Ressourcen für deren Produktion ist enorm.

SCHICKSALE IM SCHWEINESTALLVerendete Tiere in der Mast

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tot geboren Tod in der Säugephase Tod in der Ferkelmast Tod in der Schweinemast Schlachtung

Eine Zuchtsau bekommt in ihrem Leben 101 Ferkel

9

73

14

2 3

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FLEISCHATLAS 2021 49

Auf jeder Ebene der Wertschöpfungskette können Ver-luste und Verschwendung reduziert werden: bessere Kühl-ketten und tiermedizinische Versorgung im Süden, im Nor-den Haltungssysteme, die hohe Verlustraten vermeiden, und robustere Rassen, bei Schweinen mit weniger großen Würfen. Mehrnutzungsrassen bei Kühen und Hühnern könnten verhindern, dass die männlichen Tiere getötet wer-den. Zunehmend kommen etwas teurere Eier von Zweinut-zungshühnern auf den Markt, die weniger Eier legen, bei denen aber auch die Hähne Fleisch ansetzen. Ab 2022 wird

dann das Töten von Eintagsküken in Deutschland generell verboten.

Die Verschwendung von Lebensmitteln kann vor allem durch eine bessere Wertschätzung vermieden werden. So könnten sich Konsumenten und Konsumentinnen auf die früher übliche Nutzung des ganzen Tieres besinnen und etwa mit einem wieder zunehmenden Verzehr von Inne-reien einen wichtigen Beitrag leisten. Vegetarische Fleisch-ersatzprodukte sind nicht immer eine Alternative, weil sie häufig zu einem großen Teil aus Ei bestehen – was wiederum mit der Tötung von Küken einhergeht.

Eine Dreiviertelmehrheit unter jungen Menschen ist dafür, die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern zu legalisieren

Je billiger das Fleisch wird, desto weniger Wertschätzung erfährt es – und

landet umso schneller im Abfall

SYMPATHIEN GEGEN VERSCHWENDUNGErgebnisse der Jugendumfrage

Differenzen durch Rundung

Veganer/innen

62,5 %

Vegetarier/innen

41,7 %

35,7 %28,8 %

„Der Staat sollte dafür sorgen, dass Containern erlaubt ist.“

„XXL-Schnitzel sollten verboten werden.“

„Ich engagiere michgegen Lebensmittel-verschwendung.“

% 16,7

23,6

23,7

21,2 14,9

%

22,4 53,4

17,8

3,9

2,6

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stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

8.900.000

640.000

450.000

360.000

150.000

53.300

32.200

bis zur Schlachtung*

Einzelhandel

Verarbeitung**

* ohne Knochen **alle Abfälle; vermeidbarer Abfall in der Lebensmitttelbranche insgesamt: 55 Prozent

Vermeidbare Verluste in Industrie und Handel, 2015, in Tonnen

PRODUZIERT FÜR DEN MÜLLFleisch- und Wurstabfälle in Deutschland

Jahresmenge der Fleisch- und Wurstabfälle in Privathaushalten in Deutschland, umgerechnet in ganze Tiere

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NEN

50.00052.000Hühner

Schweine

Puten

Enten

Rinder

71.000

Gänse

Schafe und Ziegen

Flexitarier/innen

stimme voll und ganz zu, stimme eher zu

Omnivor/innen

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U m die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen und die Ökosysteme der Welt zu schützen, muss der Konsum von Fleisch, Milch und Käse reduziert werden. Dies

gilt vor allen Dingen in den Industrieländern – dort, wo die Menschen besonders viel konsumieren. Die Transforma-tion hin zu einer stärker pflanzenbetonten Ernährung ist eine gewaltige Herausforderung. In keinem Industrieland der Welt ist bisher ein größerer Rückgang des Konsums zu beobachten. So hat sich in Deutschland zwar der Fleischver-zehr seit 1991 um sieben Prozent reduziert. Den klimawis-senschaftlichen Empfehlungen zufolge sollten im Durch-schnitt nur bis zu 15 Kilogramm pro Kopf und Jahr gegessen werden. Und nicht knapp 60, wie derzeit.

Fachgremien wie der Weltklima- und der Weltbiodiver-sitätsrat empfehlen deutlich stärkere Interventionen von-seiten der Politik, weil sie davon ausgehen, dass andernfalls derart weitreichende Umstellungen bei der Ernährung in der Breite der Bevölkerung nicht gelingen könnten. Bisher gibt es jedoch weltweit kein Land, das Reduktionsziele für den Fleischkonsum festgelegt hat und diese mit einer um-fassenden Strategie verfolgt. Im Gegenteil, politische Inter-ventionen werden von vielen Politikern und Politikerinnen mit der Begründung abgelehnt, Konsumentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger sollten nicht beeinflusst wer-

den. Sie müssten lediglich informiert werden, ihre Ernäh-rungsentscheidungen träfen sie dann „frei“.

Das Konzept des „souveränen Konsumierenden“ igno-riert jedoch, dass Konsum- und Ernährungsentscheidun-gen maßgeblich vom persönlichen Umfeld beeinflusst wer-den. Hierzu gehören gesellschaftliche Normen und Werte, aber auch die sozialen und materiellen Bedingungen, in denen das Ernährungsverhalten erlernt und praktiziert wird.

Derzeit werden viele dieser Umweltfaktoren stark von der Privatwirtschaft beeinflusst. Das Ergebnis ist wenig nachhaltig und in weiten Teilen auf das Essen von Fleisch ausgerichtet. Das verfügbare Angebot, die Preise, die Bil-dersprache und das gesamte Einkaufssetting beeinflussen Kaufentscheidungen mehr als das grundsätzliche Wissen über Umwelt, Tierwohl und Gesundheit.

Hinzu kommt, dass Fleisch rund um den Globus eine hohe soziokulturelle Symbolik hat. Untersuchungen aus Industrienationen zeigen beispielsweise, dass sich die As-soziation von Fleisch und Männlichkeit weiter fortschreibt. Als kulturell tradierte und frühkindlich geprägte Alltags-praktik erfährt das Essen von Fleisch damit seine tägliche Renaissance – am Familientisch, in der Werbung, in Kita und Schule und in öffentlichen Kantinen. Sowohl die akute Einkaufs- und Esssituation als auch gesellschaftliche Nor-men und privatwirtschaftliches Marketing setzen starke Anreize.

Informationskampagnen, die Wissen über die Gesund-heits- und Klimaeffekte eines zu hohen Fleischkonsums vermitteln wollen, reichen daher bei Weitem nicht aus, um Konsumverhalten dauerhaft zu verändern. Problematisch ist zudem, dass sich Informationskampagnen häufig stark am Leitbild der bürgerlichen Mittelschicht orientieren. So-zioökonomisch benachteiligte Gruppen werden zumeist als „aufklärungsresistent“ eingeschätzt. Zu bedenken ist dabei, dass die derzeitige Kommunikation über Ernährung weit-gehend an ihren materiellen und sozialen Realitäten vor-beigeht. Sozial benachteiligte Gruppen werden selten ge-hört und unterstützt. Die derzeitigen Hartz-IV-Sätze reichen nicht aus für eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Ernährung.

Um den Fleischkonsum weitgehend und dauerhaft zu verringern, muss sich die „gesellschaftliche Infrastruktur“ des Fleischessens verändern. Dazu gehört, dass staatliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Verhält-nisse ändern, in denen Konsumenten und Konsumentinnen ihre Entscheidung treffen. Preise für Fleisch könnten die ökologischen und sozialen Kosten widerspiegeln, Werbung und Bebilderung sich an realistischen Produktionsbedin-gungen orientieren und Sonderangebote im Supermarkt so

KULTURWANDEL

VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIKKritik am Fleischverbrauch muss es mit vielem aufnehmen: mit geschicktem Marketing, gesellschaftlichen Werten und Traditionen. Für einen reduzierten Fleischkonsum müssen sich langfristig die sozialen Normen ändern.

Männer assoziieren Fleisch spontan viel ausgeprägter mit positiven Attributen als Frauen. Bewusst entschieden sind die Unterschiede nicht mehr ganz so groß

FLEISCH UND GENDEREinschätzung von Fleischspeisen unter Einsatz von Bildern, australische Studie mit 123 Erwachsenen, 2018

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, SU

LIKO

WSK

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0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0Intensität: 1,0 = maximal

0

1

2

3

4

5

6

7

8Einordnung: 8 = maximal

Männer Frauen

bewusste Entscheidungspontane Entscheidung

„gesund“ „gesund“„lecker“ „lecker“

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FLEISCHATLAS 2021 51

reguliert werden, dass sie nicht unter dem Produktionspreis verkauft werden. Umwelt-, Arbeits- und Tierschutzgesetze könnten eine Produktion garantieren, die den gesellschaft-lichen Ansprüchen genügt, Tierwohl- und Klimalabel einen Beitrag für eine bessere Wahlfreiheit im Supermarkt leisten.Eine Besteuerung von tierischen Produkten und im Gegen-zug günstige Preise für Obst und Gemüse eröffnen Chancen auf einen geringeren Fleischkonsum.

Für eine weitreichende Reduktion des Fleischkonsums müssen sich langfristig die sozialen Normen verändern. Handlungsorientierte Bildung in Kitas und Schulen leistet einen wichtigen Beitrag genauso wie eine Gemeinschafts-verpflegung (Kita, Schule, Altersheime, Krankenhäuser,

öffentliche Kantinen), in der eine pflanzenbasiertere Ernäh-rung nicht die Ausnahme, sondern die Norm ist.

Eine umfassende Studie des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik und Ernährung der deutschen Bundesre-gierung aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass die Verantwortung für Ernährungsfragen derzeit zu stark indi-vidualisiert ist. Auch sie sieht den Staat in der Pflicht, Um-gebungen, die die Ernährung beeinflussen, fair zu gestalten und soziale Ungleichheiten stärker anzugehen. Die Studie empfiehlt unter anderem, zielgruppenspezifische Infor-mationskampagnen zu entwickeln, Einnahmen aus einer höheren Besteuerung von Fleisch an einkommensarme Be-völkerungsgruppen zurückzuführen und die Hartz-IV-Sätze anzuheben.

Wovon auch immer junge Menschen sich ernähren – es dominiert das Bedürfnis, über die angebotenen Lebensmittel besser aufgeklärt zu werden

Entscheidungen über die Ernährung mit Fleisch werden von vielen Faktoren beeinflusst. In diesem Sinne

sind „freie“ Ernährungsentscheidungen eine Illusion

ZWISCHEN GIER, SOCIAL MEDIA UND REKLAMEEinflüsse und Verhaltensweisen von Fleischkonsument/innen, Beispiele

Wirksamkeit von zwei Hackfleisch-Sonderangeboten bei Lidl, Verkäufe 1. bis 17. Woche 2017, in Tonnen

Fleisch- und Gemüseverzehr nach Restaurantformen, in Gramm pro Mahlzeit

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K, R

EIN

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HUNGER NACH INFORMATIONENErgebnisse der Jugendumfrage

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

Differenzen durch Rundung

Veganer/innen

88,9 %

Vegetarier/innen

88,0 %

80,6 %69,9 %

„Es sollte ein verpflichtendes Tierschutzlabel geben.“

„Marketing fürtierische Produkte nur mit Bildern, die der Realität der Tierhaltung entsprechen.“

„Ich fände es gut, wenn klimafreundliche Lebensmittel klarer ge-kennzeichnet wären.“

7,0

19,1

33,2

3,3

37,4

%

%

38,4

42,5

13,5

3,3

2,3

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LSD

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KW 1 KW 5 KW 9 KW 13KW 2 KW 6 KW 10 KW 14KW 3 KW 7 KW 11 KW 15KW 4 KW 8 KW 12 KW 17KW 16

À-la-carte-Restaurant Selbstbedienungsrestaurant Buffetrestaurant

146 159

277

109

60 75

Fleisch, Fisch Gemüse

1,0 MillionenInstagram

6,9 MillionenFacebook

Twitter 63.500

Anzahl der Follower von Lebensmittel-anbietern (Aldi Nord, Aldi Süd, Edeka, real, Rewe, Lidl, vier Online- und Lieferdienste)

490

329 369 415319

374

612

302

483

284 266

438387

625

329 341 348

ab Donnerstag:gemischtes Hackfleisch

3,39 €/kg

„Super Samstag“:gemischtes Hackfleisch

3,39 €/kg

Flexitarier/innen

stimme voll und ganz zu, stimme eher zu

Omnivor/innen

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D er Markt für Fleischersatzprodukte entwickelt sich so dynamisch wie nie zuvor. Fachleute sehen in den kommenden Jahren bei den pflanzenbasierten Alter-

nativen weltweit eine jährliche Wachstumsrate von 20 bis 30 Prozent. 2017 betrug der weltweite Absatzmarkt bereits 4,6 Milliarden US-Dollar. Dies ist im Vergleich zu der rund eine Billion Dollar des globalen Fleischmarktes noch immer gering, auch wenn dieser weitaus weniger wächst und in ei-nigen Ländern stagniert.

Ersatzprodukte werden also immer beliebter, aus ver-schiedenen Gründen. Die Fleischindustrie steht wegen der Arbeitsbedingungen, der ihr zugrundeliegenden Tierhal-tung sowie der Klima- und Umweltauswirkungen in der Kri-tik. Deutlich mehr Menschen können sich mit Alternativen anfreunden, die sich technisch wie geschmacklich und in ihrer Textur auch spürbar weiterentwickelt haben. Inzwi-schen gibt es eine große Auswahl unterschiedlicher Produk-te im Angebot.

Neben den seit vielen Jahren verfügbaren Fleischer-satzprodukten – zum Beispiel aus Seitan (Weizenprotein), Quorn (fermentiertem Pilzmyzel) und Soja – sind neue auf den Markt gekommen, die tierischem Fleisch sehr ähnlich sind. Proteine werden so verändert, dass sie an Muskel-

stränge erinnern. Auch gibt es neue Inhaltsstoffe, etwa Erb-sen- und Lupinenproteine oder ein pflanzlich gewonnenes Hämoprotein, das – ähnlich wie der Blutfarbstoff Hämoglo-bin – dem Produkt nicht nur das blutige Aussehen, sondern auch einen fleischigen Geschmack gibt. Noch nicht auf dem Markt erhältlich, aber umkämpft bei Investoren, ist das In-vi-tro-Fleisch: Ende 2019 waren bereits 55 Unternehmen damit befasst, im Labor künstlich erzeugte Fleischprodukte aus tie-rischen Stammzellen zu gewinnen. 20 von ihnen sind Neu-gründungen aus dem Jahr 2019.

Welche Rolle Fleischersatzprodukte in Deutschland spielen werden, hängt stark davon ab, wie sich die Nach-frage entwickelt. Umfragen zeigen, dass vor allem pflanzli-che Produkte akzeptiert werden. 15 Prozent sehen in ihnen einen guten Ersatz, und 26 Prozent würden sie probieren. In-vitro-Fleisch oder Insekten halten nur 6 beziehungswei-se 5 Prozent der Befragten für eine Alternative, aber 27 be-ziehungsweise 25 Prozent würden sie einmal probieren. Es hat sich gezeigt: Je höher der individuelle Fleischkonsum, desto stärker sind Skepsis und Ablehnung. Aufgeschlossen sind am ehesten junge Bevölkerungsgruppen mit höherer Bildung.

Im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch sind Fleisch-ersatzprodukte in der Regel deutlich umweltfreundlicher. Rein pflanzlicher Fleischersatz, also Produkte, die auch auf Ei und Milch verzichten, schneiden am besten ab. Im Ver-gleich zu Rindfleisch entstehen bei der Herstellung über 90 Prozent weniger Treibhausgase, und der Verbrauch von Wasser und Flächen ist viel geringer. Oft sind diese Produkte jedoch stark verarbeitet und mit zahlreichen Zusatzstoffen versehen. Etwas schlechter als pflanzliche Ersatzprodukte wird in Studien der Fleischersatz auf Insektenbasis bewer-tet. Die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit von In-vitro-Fleisch sind bislang noch schwer abzuschätzen, da die Forschung ganz am Anfang steht.

Ob Fleischersatzprodukte das Ernährungssystem der Zu-kunft bestimmen werden, hängt davon ab, welche Unter-nehmen die Märkte prägen werden. Die Finanzkraft und Marktpräsenz großer und etablierter Akteure können dazu führen, dass sich ihre Produkte schneller durchsetzen. Grö-ße und Zahl der Unternehmen haben auch Einfluss auf die Diversität oder Monopolisierung der Märkte – mit allen ih-ren Folgewirkungen. Derzeit drängt eine große Zahl neuer Akteure und Start-ups auf den Markt. Großkonzerne aus der Tech- und der Fleischindustrie wie Google, Nestlé oder Car-gill investieren. Auch Pharmaunternehmen werden aktiv und entwickeln Nährmedien für die Herstellung von In-vi-tro-Fleisch.

So ist die PHW-Gruppe, der größte deutsche Geflügel-zucht- und Verarbeitungskonzern, Partnerschaften mit Be-

ERSATZPRODUKTE

ÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERTVeganer und vegetarischer Ersatz für Fleisch und Wurst wird schnell beliebter – und für Großkonzerne attraktiv. Als Nächstes entbrennt wohl die Konkurrenz mit In-vitro-Fleisch. Start-ups mit Produkten aus dem Labor sprießen aus dem Boden.

Perspektive 2040: Auf nur noch 40 Prozent des Marktes könnte der Anteil konventionellen Fleisches schrumpfen

BOOM ERWARTETGlobale Markttrends für Fleisch und Fleischersatz, in Billionen US-Dollar und Prozent, sowie durchschnittliches jährliches Wachstum bis 2040, Prognose

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gezüchtetes (Labor-)Fleisch vegane Ersatzprodukte herkömmliches Fleisch

Wachstum im langjährigen Durchschnitt

204020302025 2035

1,8

1,6

+3 %

1,4

1,2

90 %

10 %

72 %

18 %10 %

55 %

23 %

22 %

40 %

25 %

35 %

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FLEISCHATLAS 2021 53

yond Meat sowie dem Unternehmen Super Meats eingegan-gen, das an In-vitro-Geflügelfleisch arbeitet. Nordamerikas größter Fleischproduzent Tyson investierte erst ebenfalls in Beyond Meat und führte dann seine eigene Marke für Fleischersatzprodukte ein: Raised & Rooted. Der Agrarkon-zern Cargill beteiligte sich an dem In-vitro-Fleisch-Unter-nehmen Memphis Meats. Ein veganes Angebot hat der Le-bensmittel-Multi Nestlé mit der Marke Garden Gourmet auf den Markt gebracht und mit McDonald’s in Deutschland die Lieferung veganer Burger vereinbart.

Der Hersteller Rügenwalder Mühle machte im Juli 2020 erstmals mehr Umsatz mit veganen und vegetarischen Fleischalternativen als mit klassischem Aufschnitt oder Tee-wurst. Und das, obwohl das Familienunternehmen erst 2014 in die Produktion von Veggie-Fleisch und -Wurst eingestie-gen ist. Die Tierschutzorganisation PETA möchte nicht auf vergleichbare Schritte bei anderen Unternehmen warten: Im Mai 2020 kaufte sie Aktien der Fleischkonzerne Tyson und Smithfields, um als kritische Anteilseignerin die Unter-nehmen zu einem stärkerem Engagement für pflanzenba-sierte Fleischersatzprodukte zu bewegen.

Alternativen zur Milch stoßen auf eine höhere Akzeptanz als Ersatzprodukte für Fleisch und Wurst. Doch auch sie sieht ein Drittel der Jugendlichen positiv

Als Fleischersatz konzipierte Produkte haben ihr Nischendasein aufgegeben. Die Verfügbarkeit im

Supermarkt wird über ihre Zukunft entscheiden

GLEICHE FORM, ANDERER INHALTEntwicklung des Marktes für Fleischersatzprodukte in Deutschland

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AM

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WOHLWOLLEN FÜR DEN ERSATZErgebnisse der Jugendumfrage

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

Differenzen durch Rundung

„Ersatzprodukte schmecken mir gut, oder ich könnte mir vorstellen, dass sie gut schmecken.“

„Ersatzprodukte können meinen Appetit auf das Original nicht stillen.“

Fleisch

Wurst

Milch

14,6 % 30,6 % 29,8 % 13,2 % 11,8 %

12,1 % 25,6 % 31,8 % 17,3 % 13,2 %

19,3 % 29,7 % 27,6 % 19,4 %4,1 %

14,4 % 18,1 % 28,7 % 20,8 % 18,0 %

14,3 % 21,9 % 26,6 % 18,2 % 19,0 %

7,9 % 20,4 % 31,8 % 23,4 % 16,4 %

konventionell bio

273 Millionen EuroFleischersatzprodukte

40,1 Milliarden Euroherkömmliches Fleisch

Jahresumsätze, 2019 Produktionsmengen

Privatkäufe von Fleisch- und Wurstersatz, in 1.000 Tonnen

14.700 Tonnen

20.000 Tonnen1. Quartal 2020

1. Quartal 2019+37 %

2012

8,3

11,02,7

2013

9,9

13,33,5

2014

11,5

16,0

4,5

2015

11,6

21,4

9,9

2016

10,3

23,5

13,2

2017

9,5

21,7

12,2

2018

9,5

21,4

12,0

2019

11,3

26,6

15,3

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ Z

ÜH

LSD

ORF

Differenzen durch Rundung

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FLEISCHATLAS 202154

D er gesellschaftliche Wunsch nach einer klima- und umweltfreundlichen sowie artgerechten Tierhal-tung erfordert eine weitreichende politische Neuaus-

richtung der Agrarpolitik. Die derzeitigen niedrigen Preise machen es den Bäuerinnen und Bauern schwer, auf die ge-stiegenen nationalen Anforderungen nach mehr Umwelt-schutz und mehr Tierwohl zu reagieren. Der Umbau muss sowohl beim Konsum als auch bei der Produktion ansetzen und bedarf einer umfassenden politischen Strategie.

Als wichtigste Maßnahme schlagen Nichtregierungs-organisationen und Wissenschaft vor, den Konsum tieri-scher Produkte bis 2050 zu halbieren. Würde der Fleischver-brauch von etwa 1,1 Kilogramm auf 600 Gramm pro Woche reduziert, könnten die Schweine- und Mastgeflügelbestän-de um mehr als 40 Prozent verringert werden. Zwar geht der Konsum seit Jahren leicht zurück, doch derart massive Verhaltensänderungen in der Bevölkerung müssten wohl gezielt gesteuert werden.

Die Bundesregierung hätte verschiedene politische Instrumente zur Verfügung. Sie könnte zielgruppenspe-zifische Informationskampagnen entwickeln, die Mehr-wertsteuer erhöhen und pflanzliche Ernährung in Kitas, Schulen und Krankenhäusern fördern. Die derzeitige Strategie bewirkt das Gegenteil: Tierische Lebensmittel

werden wie fast alle Lebensmittel mit einem reduzier-ten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent belegt. Doch eine Vergünstigung von Fleisch und Wurst ist sinnlos, wenn ohnehin zu viel davon konsumiert wird. Eine Anhebung der Mehrwertsteuer würde einen leichten Rückgang des Konsums bewirken. Der Gewinn für die Umwelt wäre aller-dings sehr begrenzt, weil diese Maßnahme die Qualität der Produktion nicht beeinflusst. Im Gegenteil: Der Preisunter-schied zwischen konventionell und ökologisch produzier-tem Fleisch würde sich weiter vergrößern und die billigere – aber weniger nachhaltige – Variante attraktiver machen. Anstatt tierische Produkte mit einer reduzierten Mehr-wertsteuer zu belegen, könnte sie für pflanzliche Produkte wie Hafermilch reduziert werden und so einen Anreiz für eine pflanzenbasierte Ernährung schaffen.

Um die Tierhaltung ökologischer zu gestalten, fordern Nichtregierungsorganisationen als eines der wichtigsten Instrumente, die Tierhaltung an die Fläche zu binden. Ein landwirtschaftlicher Betrieb müsste also genug Flächen nachweisen, auf denen er seine Tiere ernähren und den Dung ausbringen kann. Nicht mehr als zwei Großviehein-heiten (GVE) sollten pro Hektar erlaubt sein, auf besonders mageren Standorten noch weniger. Eine Großvieheinheit entspricht einem Rind, etwa sechs Schweinen oder zehn Schafen.

Die Flächenbindung wurde erst 2006 aufgehoben. Das hat in einigen Regionen Deutschlands dazu geführt, dass die Tierzahlen massiv angestiegen sind. Neben der schritt-weisen Wiedereinführung dieser Flächenbindung sollten landwirtschaftliche Betriebe auch dabei unterstützt wer-den, ihre Tierhaltung zu ändern – mit weniger Tieren und einer Ausrichtung auf besseres Tierwohl. Obwohl auch viele Agrarfachleute verschiedener Parteien die Flächenbindung als einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Umwelt- und Kli-makrise sehen, hat die Politik dafür bisher noch keine kon-kreten Pläne vorgelegt.

Der Ökolandbau sieht derzeit 1,5 GVE pro Hektar vor. In den Landkreisen mit zu hohen Tierzahlen würde eine der-artige Reduktion zu 13 Prozent weniger Schweinen und 9 Prozent weniger Rindern führen. Produktion und Ver-brauch im Land würden sich annähern, und das Ziel, sich zu 100 Prozent selbst zu versorgen, geriete in Sichtweite. Gegenwärtig werden für Fleisch 114 Prozent gemeldet, für Schweinefleisch sogar 119 Prozent.

Die Möglichkeiten der Flächenbindung können aber nur dann ausgeschöpft werden, wenn sich auch die Kon-sumgewohnheiten ändern. Denn ein signifikanter Anteil der exportierten Erzeugnisse sind sogenannte Kuppelpro-dukte von Gütern, die für den Inlandsmarkt erzeugt wer-den. So gehen kaum Schweinefilets in den Export, sondern

POLITIK

NÄCHSTE SCHRITTELängst haben zivilgesellschaftliche Organisationen Vorschläge für eine klima- und umweltfreundliche Tierhaltung ausgearbeitet. Doch Fortschritte zeichnen sich nur bei den Haltungssystemen ab.

Preiserhöhungen in Prozent benachteiligen die Qualität, Preiserhöhungen in festen Beträgen belasten die Billigkäufe

BESTEUERN UND VERTEUERN?Preisnachteile für höherwertige Produkte, wenn die Mehrwertsteuer auf Fleisch von 7 auf 19 Prozent erhöht würde; Beispiel: Preise für 700 Gramm Schweinekotelett in vier Gütestufen

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ A

RCH

IV

Bruttopreis mit 19 % MwSt. Bruttopreis mit 7 % MwSt. Nettopreis

Verteuerung

3,55 €3,80 €4,23 €

Tiefpreis, Standard-angebot

4,49 €

4,80 €5,34 €

gehobenes Standard-angebot

5,79 €

6,20 €6,90 €

besonders artgerecht

7,85 €

8,40 €

9,34 €

ausökologischem

Landbau

+ 0,43 €

+ 0,54 €

+ 0,70 €

+ 0,94 €

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FLEISCHATLAS 2021 55

beispielsweise Schweinsköpfe und -füße, die in Deutschland nicht mehr gegessen werden.

Die ökologischen Aspekte der Tierhaltung machen keine großen Fortschritte. Dafür gibt es aber inzwischen konkre-te Pläne für Haltungssysteme, die dem Tierwohl gerechter werden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, beste-hend aus Fachleuten, Umwelt- und Verbraucherschutzorga-nisationen sowie Branchenvertretern und -vertreterinnen, erarbeitete ein Jahr lang ein gemeinsames Konzept. Es sieht vor, dass die Standards bei der Haltung bis 2040 schrittweise verbessert werden. Viele der heute üblichen Tierhaltungs-anlagen werden unter dem vereinbarten Kompromiss nicht

mehr existieren. Finanziert werden soll der Umbau durch eine Verbrauchssteuer auf tierische Produkte von etwa 40 Cent pro Kilogramm Fleisch. Der Bundestag hat diesem Vor-schlag im Sommer 2020 zugestimmt.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen fordern zu-sätzlich eine verbindliche staatliche Kennzeichnung von Fleisch, die anzeigt, wie die Tiere gehalten wurden. Wie bei Eiern sollen die Kriterien so ausgestaltet sein, dass sie Anrei-ze schaffen, das Wohl der Tiere stärker zu berücksichtigen. Für die Kundschaft im Einzelhandel wäre diese Kennzeich-nung wichtig, weil sie mit ihrer Hilfe Fleisch aus artgerech-ter Haltung erkennen und die Entscheidung für eine bessere Haltung treffen könnte.

Fleisch soll teurer und Vegetarisches sichtbarer werden, finden junge Menschen. Was für Zigaretten gilt, ist für Fleisch wenig erwünscht: ein Werbeverbot

Wer sich im Fleischverbrauch an den empfohlenen 600 Gramm orientiert, lebt

gesünder und ökologischer zugleich

WAS WENIGER FLEISCHVERBRAUCH BEWIRKTFolgen einer Reduktion des Fleischverzehrs auf durchschnittlich 600 Gramm pro Person und Woche gemäß Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und daher Senkung um 48 Prozent, für 2017 berechnet, Auswahl

* Verbrauch: Gewicht vor Schlachtung ** von Schlachtungszahlen abweichend, weil Produktionszyklen kürzer (Schweine, Hühner) oder länger (Rinder) als ein Jahr sind

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ Ö

KO-IN

STIT

UT

ENTSCHEIDUNGEN FÜR DEN SUPERMARKTErgebnisse der Jugendumfrage

stimme voll und ganz zu stimme eher zu teils, teils lehne eher ab lehne ganz und gar ab

Differenzen durch Rundung

Veganer/innen

88,9 %

Vegetarier/innen

63,4 %

48,9 %24,6 %

„Supermärkte solltenVeggie-Produkte in den Regalen bevorzugen und auffälliger platzieren.“

„Es soll ein Werbeverbot für klimaschädliche Pro-dukte wie Fleisch geben.“

„Der Staat soll durch eine Steuer den Fleischpreis erhöhen und das Geld für mehr Klimaschutz einsetzen.“

%

30,7

15,4

26,0

17,110,9

%

24,4

15,8

24,8

14,4 20,7

FLE

ISC

HAT

LAS

2021

/ Z

ÜH

LSD

ORF

7,610,9

25,9

1,3

45,7

14,620,9

49,7

2,6

87,8

- 48 %

bisher empfohlen Rind Schwein Geflügel sonstiges

12,3

8,2 4,3

22,8 9,1

52,26,4

0,14

0,07

2,91,5

106,2

Treibhausgasemissionen, in Millionen Tonnen

Stallplätze, in Millionen**

Pro-Kopf-Verbrauch*, in Kilogramm

Flexitarier/innen

stimme voll und ganz zu, stimme eher zu

Omnivor/innen

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FLEISCHATLAS 202156

AUTORINNEN UND AUTOREN, QUELLEN VON DATEN, KARTEN UND GRAFIKENAlle Internetquellen wurden zuletzt im Dezember 2020 abgerufen. Der Fleischatlas ist im PDF-Format unter den Download-Adressen herunterzuladen, die im Impressum aufgeführt sind. Im PDF sind alle Links anklickbar.

10–11 KONSUMALLTAGSESSEN UND LUXUSGUT von Lisa Tostado S. 10: OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, https://bit.ly/3owfvzc, S.16, Annex C, S. 10. S. 11 o., u.: OWID, https://bit.ly/2IjaQkR.

12–13 KONSUM IN ÖSTERREICHAUF DIE TELLER DER REPUBLIKvon Anna SteinacherS. 12: Österreichische Gesundheitsbefragung 2019, Annex S. 180, https://bit.ly/2Jzgdgw. S. 13 o.: Statistik Austria, Schlachtungen 2019, https://bit.ly/3o5D0PZ. S. 13 u.: 2004: Statistik Austria, Statistik der Landwirtschaft, Wien 2007, https://bit.ly/2X3uS6x. 2009: Statistik Austria, Versorgungsbilanz für Fleisch nach Arten, https://bit.ly/3nWV6DI. 2014, 2019: ebenso, https://bit.ly/3mYXecH.

14–15 HANDELIN DIE FALSCHE RICHTUNGvon Bettina Müller und Lia PolotzekS. 14: Bloomberg, Soybean Destinations, https://bit.ly/3ghUDJt. S. 15 o.: OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, https://bit.ly/3owfvzc, S. 50 f. S. 15 u.: AFP, nach EDNH, https://bit.ly/3qwBic7.

16–17 PRODUKTIONEINE PROBLEMATISCHE NAHRUNG UND IHRE GROSSEN ERZEUGERvon Christine Chemnitz S. 16: OWID, https://bit.ly/2IjaQkR. S. 17: OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, https://bit.ly/3owfvzc, S. 52–58.

18–19 MASTSCHWEINE IN ÖSTERREICHEINE FRAGE DER HALTUNGvon Sabine Großhaupt, Sarah Neuhuber, Elisabeth Penz und Veronika Weissenböck S.18: Fleischatlas 2018, S. 24, https://bit.ly/3aRkeYV, modifiziert. S. 19: Statistik Austria, Schweinebestand nach Bundesländern, https://bit.ly/3804oZY. Statistik Austria, Ausgewählte Eckdaten der Agrarstruktur-erhebung im Zeitreihenvergleich, https://bit.ly/3pOklJ9.

20–21 KÄLBER AUS ÖSTERREICHWIE DIE MILCHWIRTSCHAFTZU TIEREXPORTEN FÜHRTvon Sabine Großhaupt, Sarah Neuhuber, Elisabeth Penz und Veronika WeissenböckS. 20: Bundesanstalt für Agrarwirtschaft, Kälber: Schlachtungen und Außenhandel, https://bit.ly/38KVA9L, https://bit.ly/2WZB9QV. S. 21: Statistik Austria, Rinderbestand nach Bundesländern, https://bit.ly/3hs0lJg. Ebd., Ausgewählte Eckdaten der Agrarstrukturerhebung im Zeitreihenvergleich, https://bit.ly/3pOklJ9. 2019: Ebd., Viehbestand 2019, https://bit.ly/2L8ql0d.

22–23 FUTTERERNTEN, BIS DER VIEHTROG VOLL ISTvon Silvie Lang S. 22: IFIF, https://bit.ly/2LedLfR. S. 23 o.: OECD-FAO Agricultural Outlook 2020–29, https://bit.ly/3owfvzc, S. 28. S. 23 u.: TNI, https://bit.ly/345vgFV S. 10. ussoy.org, https://bit.ly/2ImYnga.

24–25 KONZERNEDAS ZIEL IST MARKTMACHT – VOM STALL BIS ZUM KÜHLREGALvon Shefali SharmaS. 24: AFZ/agrarheute, https://bit.ly/3gi9KlX. S. 25: foodengineeringmag.com, https://bit.ly/3go1h0D. Rabobank, https://bit.ly/2L4bsf8.

26–27 WERTSCHÄTZUNG IN ÖSTERREICHDELIKATESSEN VON FRÜHER – UND HEUTEvon Dagmar Gordon S. 27: Fleischatlas 2018, S. 19, https://bit.ly/3aRkeYV, modifiziert. Kleintexte: Dagmar Gordon.

28–29 PASTORALISMUSKARGES LAND UND REICHER NUTZENvon Ilse Köhler-RollefsonS. 28: Ganzorig Gonchigsumlaa, Competitiveness of pastoral livestock, https://bit.ly/39UhB7Y, S. 8 f., 16, 55. S. 29: PRAPS/Inter-réseaux, https://bit.ly/39PS7J0, S. 3, 12.

30–31 KLIMADER FUSSABDRUCK DER TIEREvon Shefali SharmaS. 30: M. Rojas-Downing et al., Climate change and livestock, https://bit.ly/3mPTon0, https://bit.ly/36NpTgf. S. 31 o., u.: IATP, GRAIN, https://bit.ly/3qsfq1z.

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FLEISCHATLAS 2021 57

32–33 PESTIZIDEIN DER EU VERBOTEN, IN SÜDAMERIKA ERLAUBTvon Carla HoinkesS. 32: Faostat, https://bit.ly/2VIXamf. S. 33 o., u.: Public Eye, https://bit.ly/3giFyaq.

34–35 WASSERDER UNSICHTBARE DURST DER TIERE – UND IHRES FUTTERSvon Heike HoldinghausenS. 35: FAO, SOFA 2020, Mekonnen et al.,https://bit.ly/3lOB8ZO, S. 11.

36–37 MOOREWIEDERVERNÄSSUNG ALS CHANCE von Sabine WichmannS. 36: milchtrends.de, https://bit.ly/3gfIvbE. Tegetmeyer et al., Aggregierte Karte der organischen Böden, https://bit.ly/2VIZcTp, S. 8. S. 37 o.: GMC, https://bit.ly/2JRCcz9. S. 37 u.: GEC, WI, Assessment on Peatlands, https://bit.ly/3mPqZxA.

38–39 ANTIBIOTIKAZU VIEL DAVON IM TIERSTALL – UND EINE GEFAHR FÜR DIE MENSCHENvon Reinhild BenningS. 38: Germanwatch, https://bit.ly/3mS0veE. S. 39 o.: NRDC, David Wallinga et al., Very High Livestock Antibiotic Use Undercuts Effective Drugs, https://on.nrdc.org/3lPOAN4. Giorgia Guglielmi, Are antibiotics turning livestock into superbug factories?, https://bit.ly/2JYvNlt. S. 39 u.: NRDC, https://on.nrdc.org/37Gfq5f.

40–41 PANDEMIENGEFÄHRLICHE KONTAKTEvon Christine Chemnitz und Inka Dewitz S. 40: UNEP, Preventing the next pandemic, https://bit.ly/37Fau0D, S. 22 f. S. 41 o.: ebd., S. 14. S. 41 u.: UNEP Frontiers 2016 Report, https://bit.ly/36MQnya, S. 22, von: H. Loh et al., Targeting Transmission Pathways for Emerging Zoonotic Disease Surveillance and Control, https://bit.ly/36KIqtx, S. 432.

42–43 JUGENDUMFRAGEWENIGER FLEISCH, MEHR FUTUREvon Achim Spiller, Anke Zühlsdorf, Kristin Jürkenbeck und Maureen SchulzeS. 43: Universität Göttingen und Zühlsdorf + Partner, Ergebnisse der Umfrage „Fleischkonsum in der Generation Fridays for Future“ für die Heinrich-Böll-Stiftung, 2020, unveröff.

44–45 PRODUKTION IN DEUTSCHLANDRABIATER STRUKTURWANDELvon Astrid Häger und Julia SchmidS. 44: Thünen, Steckbriefe zur Tierhaltung in Deutschland: Mastgeflügel, 2020, https://bit.ly/3lNSB4P, S. 8. S. 45 o.: Destatis, 2010, https://bit.ly/3gkOUTc, 2020, https://bit.ly/3lPeiBB, J. Luckmann, eigene Berechnungen. S. 45 u.: s. S. 35.

46–47 SCHLACHTHÖFE IN DEUTSCHLANDKLIMA DER ANGSTvon Matthias BrümmerS. 46: BMAS, Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, https://bit.ly/3oqRuK4. S. 47 o.: https://bit.ly/2VOTEa0 (Vieh), https://bit.ly/36O7sYC (Geflügel). S. 47 u.: s. S. 35.

48–49 VERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLANDVIEL ZU WENIG WIRD VERMIEDENvon Jonas LuckmannS. 48: J. Luckmann, eigene Berechnungen. S. 49 o.: ebd.; Thünen Report 71, https://bit.ly/2VLD1MA, Tab. 22, 24 f. S. 49 u.: s. S. 35.

50–51 KULTURWANDELVERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIKvon Julia SchmidS. 50: Hamish J. Love, Danielle Sulikowski, Of Meat and Men, https://bit.ly/3gpatly. S. 51 o.: AMI, Aktionspreise Fleisch im LEH, https://bit.ly/33RURll. Rentenbank, Die künftige Rolle des LEHs, https://bit.ly/2Ihq1uO, S. 139. Machiel J. Reinders, Portioning meat and vegetables in four different out of home settings, https://bit.ly/33L7Y7J. S. 51 u.: s. S. 35.

52–53 ERSATZPRODUKTEÜBERALL WIRD EXPERIMENTIERTvon Stephanie Wunder S. 52: Kearney, https://bit.ly/37Cq516. S. 53 o.: Destatis, https://bit.ly/37HnO4y. AMI, nach oekolandbau.de, https://bit.ly/3qySNbS. S. 53 u.: s. S. 35.

54–55 POLITIKNÄCHSTE SCHRITTEvon Katrin Wenz und Christian Rehmer S. 54: Fleischatlas 2018, https://bit.ly/3ou6ZRC. S. 55 o.: Öko-Institut, https://bit.ly/3ggFO9T, S. 11. S. 55 u.: s. S. 35.

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FLEISCHATLAS 202158

Klimaschutz und Fleischkonsum – wie geht das zusammen? Um diese Frage wird es in unserem Böll.Fokus zum Fleischatlas gehen.

Diesen und weitere Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung können Sie auf unserer Webseite, bei Soundcloud, Spotify, Apple-Podcasts oder in der Podcast-App Ihrer Wahl abonnieren.

Scannen Sie den QR-Code, um den Podcast zum Fleischatlas zu hören, oder geben Sie folgenden Link ein:boell.de/fl eischatlas-2021-podcast

DER PODCAST ZUM FLEISCHATLAS

Demokratie und Menschenrechte durchsetzen, gegen die Zerstörung unseres globalen Ökosystems angehen, patriarchale Herrschaftsstrukturen über-winden, die Freiheit des Individuums gegen staatliche und wirtschaftliche Übermacht verteidigen – diese Ziele bestimmen das Handeln der grünnahen Heinrich-Böll-Stiftung.

Mit derzeit 32 Auslandsbüros verfügt sie über ein weltweites Netz für ihr Engagement. Sie arbeitet mit ihren Landesstiftungen in allen deutschen Bundes-ländern zusammen, fördert gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Aus-

land und erleichtert die soziale und politische Teilhabe von Immigrantinnen und Immigranten.

Ein besonderes Anliegen ist ihr die Verwirklichung einer demokratischen Einwanderungsgesellschaft sowie einer Geschlechterdemokratie als eines von Abhängigkeit und Dominanz freien Verhältnisses der Geschlechter. Darüber hinaus fördert die Stiftung Kunst und Kultur als Element ihrer politischen Bildungsarbeit und als Ausdrucksform gesellschaftlicher Selbstverständigung.

Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstr. 8, 10117 Berlin, Deutschland, www.boell.de

HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG

GLOBAL 2000 ist eine unabhängige und gemein-nützige österreichische Umweltschutzorganisation mit Sitz in Wien. Wir engagieren uns seit 1982 für die Ökologisierung der Landwirtschaft und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, für die Reduktion des Pestizid-Einsatzes und den Schutz der Biodiversität. Klimaschutz, der Kampf gegen Gentechnik , der umweltverträgliche Einsatz von Chemikalien in allen Bereichen sowie der sinnvolle Einsatz von Ressourcen sind Hauptthemen der Arbeit von GLOBAL 2000. Unterstü tzt wird unser Team dabei von AktivistInnen und freiwilligen MitarbeiterInnen in ganz Österreich.

Unsere ExpertInnen erarbeiten gemeinsam mit PartnerInnen aus Forschung und Praxis zukunftsfähige Lösungen. Mit den GLOBAL-2000-Umwelttests und den Gütesiegelchecks bieten wir Orientierung für Kon-sumentInnen. Unsere CampaignerInnen arbeiten daran, dass auch die Politik ihren Teil der Verantwortung für eine bessere und lebenswerte Zukunft übernimmt. Als aktives Mitglied von „Friends of the Earth International“ kämpfen wir für eine intakte Umwelt, eine zukunftsfähi-ge Gesellschaft und nachhaltiges Wirtschaften.

GLOBAL 2000 – FRIENDS OF THE EARTH AUSTRIA

GLOBAL 2000 – Friends of the Earth AustriaNeustiftgasse 36, 1070 Wien, Österreich, www.global2000.at

VIER PFOTEN ist die globale Tierschutzorganisation für Tiere unter direktem menschlichen Einfl uss, die Missstände erkennt, Tiere in Not rettet und sie beschützt. Die 1988 von Heli Dungler in Wien gegründete Organisation tritt für eine Welt ein, in der Menschen Tieren mit Respekt, Mitgefühl und Verständnis begegnen.

Im Fokus ihrer nachhaltigen Kampagnen und Projekte stehen sogenannte Nutztiere, Streunerhunde und -katzen sowie Heim- und Wildtiere aus nicht artgemäßer Haltung sowie aus Katastrophen- und Konfl iktzonen. Mit Büros in Österreich, Australien,

Belgien, Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Koso-vo, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, Thailand, der Ukraine, Ungarn, den USA und Vietnam sowie Schutzzentren für notleidende Tiere in zwölf Ländern, sorgt VIER PFOTEN für rasche Hilfe und langfristige Lösungen. In Österreich gehören Tiertransporte und die Schweinehaltung zu den Arbeitsschwerpunkten. VIER PFOTEN hat eine Petition für eine bessere Schwei-nehaltung ins Leben gerufen, in der die Forderungen der Tierschutzorganisation zusammengefasst sind.

VIER PFOTEN – STIFTUNG FÜR TIERSCHUTZ

VIER PFOTEN – Stiftung für TierschutzLinke Wienzeile 236, 1150 Wien, Österreich, www.vier-pfoten.at

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BISHER ERSCHIENEN

MEERESATLASDaten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean 2017

OCEAN ATLASFacts and Figures on the Threats to Our Marine Ecosystems 2017

FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2016

DEUTSCHLAND REGIONAL

EXTRA: ABFALL UND VERSCHWENDUNG

ET ATLASIYediğimiz hayvanlar hakkında gerçekler ve rakamlar

La réalité et les chiffres sur les animaux que nous consommons

ATLAS CARNEHechos y cifras sobre los animales que comemos

DELAMEAT ATLAS

Facts and fi gures about the animals we eat

FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014

NEUE THEMEN

FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2013

KOHLEATLASDaten und Fakten über einen globalen Brennstoff 2015

WIE WIR

DAS KLIMA

VERHEIZEN

COAL ATLASFacts and figures on a fossil fuel 2015

HOW WE ARE

COOKING

THE CLIMATE

ATLAS UHLÍPříběhy a fakta o palivu, které změnilo svět i klima 2015

JAK SIOHŘÍVÁMEPLANETU

ATLAS WEGLADane i fakty o globalnym paliwie 2015

JAK

PRZEGRZEWAMY

KLIMAT

Činjenice i podaci o fosilnom gorivu 2016

KAKO ŽRTVUJEMO

KLIMU

KOHLEATLASDaten und Fakten über einen verhängnisvollen Rohstoff 2017

SACHSEN

KLIMA

WIRTSCHAFT

ARBEIT

Daten und Fakten über die Erneuerbaren in Europa

ENERGIEATLAS2018

FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2018

REZEPTE FÜR

EINE BESSERE

TIERHALTUNG

ENERGY ATLASFacts and figures about renewables in Europe 2018

ATLAS DE L’ÉNERGIEFaits et chiffres sur les énergies renouvelables en Europe 2018

Fakty i dane o energetyce odnawialnej w Europie

ATLAS ENERGII2018

ATLAS CARNEFatos e números sobre os animais que comemos

DA ATLAS MASAPříběhy a fakta o zvířatech, která jíme

AGRAR-ATLASDaten und Fakten zur EU-Landwirtschaft 2019

REFORMEN

FÜR STÄLLE,

ÄCKER UND

NATUR

KONZERNATLASDaten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie 2017

BODENATLASDaten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015

SOIL ATLASFacts and fi gures about earth, land and fi elds 2015

BODENATLASDaten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

L’ATLAS DU SOLFaits et chiffres sur la terre, les sols et les champs 2016

ATLAS PUDYFakta a čísla o zemi, půdě a životě 2018

°

AGRIFOOD ATLASFacts and figures about the corporations that control what we eat 2017

ATLAS DOAGRONEGÓCIOFatos e números sobre as corporações que controlam o que comemos 2018

ATLANTE DELLA PACDati e fatti della Politica Agricola Comune UE 2019

VERSO

UNA RIFORMA

AGRICOLA

ECOLOGICA

AGRAR-ATLASDaten und Fakten zur EU-Landwirtschaft 2019

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

REFORMEN

FÜR STÄLLE,

ÄCKER UND

NATUR

ATLAS DE LA PACHechos y cifras sobre la Política Agrícola Común 2019

PANORAMA

DE LA

AGRICULTURA

EUROPEA

ATLAS DE LA PACChiffres et enjeux de la Politique Agricole Commune 2019

L’AGRICULTURE

EUROPÉENNE EN

PERSPECTIVE

AGRICULTURE ATLASFacts and figures on EU farming policy 2019

REFORMS

FOR A

SUSTAINABLE

FUTURE

ATLAS ROLNYDokąd zmierza europejska wspólna polityka rolna 2019

ROLNICTWO

DLA ZRÓWNO-

WAŻONEJ

PRZYSZŁOŚCI

Daten und Fakten für die Verkehrswende

MOBILITÄTSATLAS2019

FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2021

JUGEND,

KLIMA UND

ERNÄHRUNG

2020

INSEKTENATLASDaten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft

2020

INSEKTENATLASDaten und Fakten über Nütz- und Schädlinge in der Landwirtschaft

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

2020

INSECT ATLASFacts and figures about friends and foes in farming

EUROPA-ATLASDaten und Fakten über den Kontinent

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Oft infizieren Wildtiere Menschen, weil die Landwirtschaft viele Habitate zerstört.

aus: GEFÄHRLICHE KONTAKTE, Seite 40

Um den Fleischkonsum weitreichend zu reduzieren, müssen sich langfristig die sozialen Normen verändern.

aus: VERHÄNGNISVOLLE SYMBOLIK, Seite 50

Junge Menschen ernähren sich doppelt so oft vegetarisch und vegan wie der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.

aus: WENIGER FLEISCH, MEHR FUTURE, Seite 42

Die österreichische Landwirtschaft ist im europäischen Vergleich noch eher kleinstrukturiert.

aus: AUF DIE TELLER DER REPUBLIK, Seite 13

2,91,5

22,8 9,120181995 2000 2005 2010 2015

0

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6.000

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377

1.704

408

368

4.122

14,6 %30,6 % 29,8 % 13,2 % 11,8 %

12,1 % 25,6 % 31,8 % 17,3 % 13,2 %

19,3 % 29,7 % 27,6 % 19,4 %4,1 %

14,4 % 18,1 % 28,7 % 20,8 % 18,0 %

14,3 % 21,9 % 26,6 % 18,2 % 19,0 %

7,9 % 20,4 % 31,8 % 23,4 % 16,4 %