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NOVAcura 10/18 © 2018 Hogrefe Fokus 35 Logopädie und Pflege – mehr Austausch bitte! Zur Notwendigkeit, Dysphagie in der Langzeitpflege zu managen Cornelia Neff & Jürgen Steiner 45 % der Befragten empfanden es auch so, das heisst mehr als die Hälfte beklagte eine Einbusse von Lebens- qualität. Über ein Drittel der Betroffenen (36 %) vermied es, mit anderen Personen zu essen, und 41 % der Befragten lit- ten sogar unter Angst oder Panik während den Mahl- zeiten. 33 % benötigten Unterstützung beim Essen. 55 % waren nicht in der Lage, bestimmte Nahrungsmit- tel zu sich zu nehmen, wenn die Konsistenz nicht geän- dert wurde. 50 % assen weniger als normal üblich. • 33 % hatten nach den Mahlzeiten noch Hunger oder Durst. • 44 % hatten in den vergangenen zwölf Monaten Ge- wicht verloren. 32 % assen und schluckten langsamer als normal üblich. • 27 % nahmen einen Schluck Flüssigkeit zwischen den Bissen. 19 % kauten das Essen länger als normal üblich, bevor sie es schluckten. Eine alarmierende Tatsache neben diesen eindrückli- chen Zahlen ist Folgendes: Zwar war bei 40 Prozent der Befragten eine Schluckstörung diagnostiziert worden, aber nur 32 Prozent dieser Gruppe erhielten eine ärztliche Behandlung. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf eine Un- terversorgung. Zudem beklagten sich die Betroffenen bei fehlender objektiver Verbesserung der Dysphagie nicht mehr. Dies weist darauf hin, dass sie sich mit der Situ- ation abfanden, was wiederum eine Unterdiagnose und eine nicht adäquate Behandlung zur Folge hat. Deshalb ist eine kontinuierliche kritische Bewertung des Schluckens erforderlich. Gemäss Recherche der Autoren folgten keine weiteren Untersuchungen zur oben aufgeführten Studie. Es muss von einer gravierenden konzeptionellen Lücke im Kompetenz-Überschneidungsbereich im Versorgungs- netzwerk von Medizin, Pflege, Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie und Ernährungsberatung in der Langzeit- pflege ausgegangen werden. Im Folgenden stellen die Autoren fünf Kompetenzstu- fen für die Langzeitpflege vor, die durch Konzeption ins Leben gerufen werden müssen und anschliessend durch eine interdisziplinäre Forschung zu begleiten sind. Essen trägt wesentlich zur Lebensqualität bei. Un- sere Individualität, unser sozialer Austausch, die Pflege von Kultur und das Verwirklichen von Integ- ration gehen auch über den Kochtopf und das, was auf den Teller kommt. Wer eine Schluckstörung hat, muss somit eine erhebliche Einbusse hinnehmen. D ie Bearbeitung der Dysphagie ist zwar eine Auf- gabe der Logopädie. Mit dem konsiliarischen Be- such der Logopädin im Pflegeheim kann es aber unmöglich getan sein. Es braucht im Sinne von Präventi- on und Aufrechterhaltung eine zurückhaltende und doch konsequente tägliche Beobachtung und Sorge im Pflege- alltag. Dieser Beitrag hat zum Ziel, die Kompetenz von Langzeitpflegenden bezüglich einer sich ankündigenden oder erkannten beziehungsweise behandelten Dysphagie zu thematisieren und erweitern. Zudem wird ausdrücklich für die Implementierung eines Dysphagie Care-Manage- ments in der Langzeitpflege plädiert. Ausgangslage Pflege ist aus der Sicht der Kostenträger im Gesundheits- system teuer, gleichzeitig klagen Pflegefachpersonen über Unterbesetzung, Belastung und Zeitmangel. Die Frage, ob es angemessen sei, wenn hochqualifizierte Pflegefachper- sonen Essen bringen und beim Einnehmen helfen, ist von Spar-Politikern bereits in den Raum gestellt. Aus logopädi- scher und aus pflegerischer Sicht, aber vor allem auch aus Sicht der Betroffenen und deren Angehörigen gibt es nur eine Antwort: Ja, es braucht Kompetenz (Neff 2018) und Kompetenz kostet. In einer internationalen Multicenter-Studie (N=360) wurden die sozialen und psychologischen Auswirkungen bei Personen mit einer Dysphagie in Pflegeheimen und Kliniken aufgezeigt (Ekberg et al. 2002). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: 84 % der Betroffenen gaben erwartungsgemäss an, dass Essen eine angenehme Erfahrung sein sollte, aber nur

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NOVAcura 10/18 © 2018 Hogrefe

Fokus 35

Logopädie und Pflege – mehr Austausch bitte!Zur Notwendigkeit, Dysphagie in der Langzeitpflege zu managen

Cornelia Neff & Jürgen Steiner

45 % der Befragten empfanden es auch so, das heisst mehr als die Hälfte beklagte eine Einbusse von Lebens-qualität.

• Über ein Drittel der Betroffenen (36 %) vermied es, mit anderen Personen zu essen, und 41 % der Befragten lit-ten sogar unter Angst oder Panik während den Mahl-zeiten.

• 33 % benötigten Unterstützung beim Essen.• 55 % waren nicht in der Lage, bestimmte Nahrungsmit-

tel zu sich zu nehmen, wenn die Konsistenz nicht geän-dert wurde.

• 50 % assen weniger als normal üblich.• 33 % hatten nach den Mahlzeiten noch Hunger oder

Durst.• 44 % hatten in den vergangenen zwölf Monaten Ge-

wicht verloren.• 32 % assen und schluckten langsamer als normal üblich.• 27 % nahmen einen Schluck Flüssigkeit zwischen den

Bissen.• 19 % kauten das Essen länger als normal üblich, bevor

sie es schluckten.

Eine alarmierende Tatsache neben diesen eindrückli-chen Zahlen ist Folgendes: Zwar war bei 40  Prozent der Befragten eine Schluckstörung diagnostiziert worden, aber nur 32 Prozent dieser Gruppe erhielten eine ärztliche Behandlung. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf eine Un-terversorgung. Zudem beklagten sich die Betroffenen bei fehlender objektiver Verbesserung der Dysphagie nicht mehr. Dies weist darauf hin, dass sie sich mit der Situ-ation abfanden, was wiederum eine Unterdiagnose und eine nicht adäquate Behandlung zur Folge hat. Deshalb ist eine kontinuierliche kritische Bewertung des Schluckens erforderlich. Gemäss Recherche der Autoren folgten keine weiteren Untersuchungen zur oben aufgeführten Studie. Es muss von einer gravierenden konzeptionellen Lücke im Kompetenz-Überschneidungsbereich im Versorgungs-netzwerk von Medizin, Pflege, Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie und Ernährungsberatung in der Langzeit-pflege ausgegangen werden.

Im Folgenden stellen die Autoren fünf Kompetenzstu-fen für die Langzeitpflege vor, die durch Konzeption ins Leben gerufen werden müssen und anschliessend durch eine interdisziplinäre Forschung zu begleiten sind.

Essen trägt wesentlich zur Lebensqualität bei. Un-

sere Individualität, unser sozialer Austausch, die

Pflege von Kultur und das Verwirklichen von Integ-

ration gehen auch über den Kochtopf und das, was

auf den Teller kommt. Wer eine Schluckstörung hat,

muss somit eine erhebliche Einbusse hinnehmen.

Die Bearbeitung der Dysphagie ist zwar eine Auf-gabe der Logopädie. Mit dem konsiliarischen Be-such der Logopädin im Pflegeheim kann es aber

unmöglich getan sein. Es braucht im Sinne von Präventi-on und Aufrechterhaltung eine zurückhaltende und doch konsequente tägliche Beobachtung und Sorge im Pflege-alltag. Dieser Beitrag hat zum Ziel, die Kompetenz von Langzeitpflegenden bezüglich einer sich ankündigenden oder erkannten beziehungsweise behandelten Dysphagie zu thematisieren und erweitern. Zudem wird ausdrücklich für die Implementierung eines Dysphagie Care-Manage-ments in der Langzeitpflege plädiert.

Ausgangslage

Pflege ist aus der Sicht der Kostenträger im Gesundheits-system teuer, gleichzeitig klagen Pflegefachpersonen über Unterbesetzung, Belastung und Zeitmangel. Die Frage, ob es angemessen sei, wenn hochqualifizierte Pflegefachper-sonen Essen bringen und beim Einnehmen helfen, ist von Spar-Politikern bereits in den Raum gestellt. Aus logopädi-scher und aus pflegerischer Sicht, aber vor allem auch aus Sicht der Betroffenen und deren Angehörigen gibt es nur eine Antwort: Ja, es braucht Kompetenz (Neff 2018) und Kompetenz kostet.

In einer internationalen Multicenter-Studie (N=360) wurden die sozialen und psychologischen Auswirkungen bei Personen mit einer Dysphagie in Pflegeheimen und Kliniken aufgezeigt (Ekberg et al. 2002). Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:• 84 % der Betroffenen gaben erwartungsgemäss an, dass

Essen eine angenehme Erfahrung sein sollte, aber nur

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36 Fokus

Kompetenzstufe 1: Nahrungsaufnahme beobachten und Dysphagie erkennen

Menschen im Alter haben eine individuelle Lebensge-schichte. Ebenso haben sie eine individuelle Motivations-, Lern- und Resilienzgeschichte. Problemfelder im Alter sind komplex. Häufig besteht Multimorbidität. Abwei-chungen von der Norm sollten ernst genommen werden, aber nicht in jedem Fall muss ihnen Krankheitswert zuge-schrieben werden.

Alterungsprozesse der Schluckorgane und Schluck-funktion sind vielfältig und individuell verschieden. Diese physiologischen Veränderungen können über längere Zeit kompensiert werden. Kommt jedoch eine gesundheitliche Störung hinzu, entweder eine akute Verschlechterung des Allgemeinzustandes (z. B. infolge Infektion, TIA, CVI) oder eine chronische Erkrankung (z. B. Demenz, M. Par-kinson), dann fehlen die entsprechenden Kompensations-mechanismen. Zudem werden Nebenwirkungen von Me-dikamenten auf die Nahrungsaufnahme und insbesondere auf das Schlucken häufig unterschätzt (Burger-Gartner & Heber 2011; Prosiegel & Weber 2013).

Schluckbeeinträchtigungen können zu Isolation, Ab-hängigkeit und Einschränkungen der Lebensqualität füh-ren. Im institutionellen Kontext stellen sie eine besondere Herausforderung für das Pflegepersonal dar. Die Logopä-die kann hier Unterstützung geben. Zunächst ist es wich-tig, Hinweise auf eine Dysphagie/Aspiration zu erkennen. Hunziker & Steiner erstellten 2014 die Zürcher Alters-checkliste Sprach- und Schluckfunktion (Z-ASS).

Wichtig für die Beurteilung des Schluckens ist nicht nur die Funktion, sondern auch die emotionale Beglei-tung: Essen und Trinken sollen Freude bereiten. Auch wenn Nahrung angepasst werden muss (bei diätetischen

Massnahmen), sollten hochwertige Speisen und Getränke serviert werden, die nicht nur einfach aufzunehmen sind, sondern auch appetitlich aussehen.

Kompetenzstufe 2: Interprofessioneller Austausch

Bei Verdacht auf eine Schluckproblematik sollte eine Checkliste, wie zum Beispiel die Zürcher Alterscheckliste Schluckfunktion (Z-ASS, siehe oben), als Beobachtungs-instrument vom Pflegepersonal eingesetzt werden. Ziel ist das rechtzeitige Beiziehen der Logopädie nach Rück-sprache mit dem Arztdienst. Die Logopädin klärt auf der Grundlage der Beobachtungen der Pflege die Indikation und bespricht Massnahmen mit der betroffenen Person und der Pflege im Sinne einer kollegialen Beratung. Der Logopäde unterstützt die Pflegefachperson bei der Durch-führung von Massnahmen (verstärkte Beobachtung, As-sistenz oder Anpassung von Nahrung). Das Prozedere wird dokumentiert und das Ergebnis der getroffenen Massnah-men laufend überprüft. Die Vorgehensweise kann abhän-gig von den institutionellen Gegebenheiten variieren.Eine Befragung von Pflegefachpersonal im Krankenhaus durch Mickel & Steiner (2003) stellte die Zusammenarbeit zwischen Pflegefachperson und Logopädin wie folgt dar:• 40  % der Pflegenden gaben an, dass ein gewünschter

fallbezogener Austausch mit dem Logopäden ausbleibt.• 80 % der Logopädinnen, die konsiliarisch gerufen wur-

den, nutzten nicht das Dokumentationssystem der Pfle-ge, um ihre therapeutischen Aktionen transparent zu machen.

• 80  % der Pflegenden wurden nicht mit fallbezogenen Tipps des Logopäden versorgt.

• 95 % der Pflegenden gaben an, dass die Ressource Zeit zum Austausch fehlt.

Eine Verbesserung der Situation seit 2003 ist kaum er-kennbar. Zeitmangel und ungenügender Informations-fluss zwischen beiden Professionen (Logopädie und Pfle-ge) wirken sich zu Ungunsten der Betroffenen aus.

Pflegefachpersonen und Ärzte sollten wissen, welche Logopädinnen ein Angebot für schluckbeeinträchtigte (ältere) Menschen bereitstellen, zum Beispiel können Be-rufsverbände für Adressen angefragt werden.

Zürcher Alterscheckliste Schluckfunktion (modifiziert und erweitert nach Hunziker & Steiner 2014)

Kriterien für eine Schluckproblematik:1. vermehrter Rückzug in Essenssituationen2. Appetitlosigkeit, Vermeiden bestimmter Spei-

sen oder reduzierte Trink-/Essmenge3. verlängerte und/oder ungeschickt wirkende

Nahrungsaufnahme4. Austritt von Nahrung/Speichel aus dem Mund5. Verlust von Flüssigkeit beim Trinken6. Verbleiben von Nahrungsresten im Mundraum7. Anstrengung beim Schlucken8. Hochwürgen von Nahrung9. Kloss-/Fremdkörpergefühl im Hals10. Aufstossen/Sodbrennen11. Husten/Räuspern während oder nach der

Nahrungsaufnahme

12. Veränderung der Stimme nach dem Schlucken13. ungewollte Gewichtsabnahme14. Beklagen von Schwierigkeiten seitens der be-

troffenen Person15. unklares Fieber, wiederkehrende Bronchitiden/

Pneumonien (evtl. Verdacht auf stille Aspiration)

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Fokus 37

Kompetenzstufe 3: Qualifizierte Ausbildungen mit interprofessioneller Synergie

Eine qualifizierte Ausbildung ist die Voraussetzung für professionelles Arbeiten. Dysphagiewissen für Pflegende und Pflegewissen für Logopäden sind die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit. Dieses Wissen muss durch fallbezogenes, interprofessionelles Lehren und Lernen er-weitert werden. Voraussetzung dafür sind kooperierende, Synergie-suchende Hochschulen, die im Gesamtcurricu-lum gemeinsame Module konzipieren. Die (ungünstigere) Alternative ist die Auslagerung in die Weiterbildung.

Ein Blick in das Weiterbildungsangebot, zum Beispiel in der Deutschschweiz, zeigt, dass zum Thema Dysphagie nur wenige Kurse mit wenigen Plätzen zur Verfügung ste-hen, die zudem unter den verschiedenen Berufsgruppen (Pflege, Ergo-, Physiotherapie) aufgeteilt werden müssen. Da die Dozierenden dieser Kurse oft in Akutspitälern oder Rehakliniken beschäftigt sind, legen sie ihren Fokus in der Regel weniger auf die spezielle Situation in der Langzeit-pflege. Es braucht dringend mehr Weiterbildungsangebo-te, die dieser Problematik, insbesondere der Pflege von Personen mit neurodegenerativen Erkrankungen, Rech-nung tragen.

Die Qualifizierung im angesprochenen Thema in der Ausbildung ist dringend notwendig, da im Moment die Betreuung und Pflege von Bewohnerinnen und Bewoh-nern mit Schluckstörungen in Heimen durch Personal mit sehr unterschiedlichen Qualifikationen gewährleis-tet wird. Berücksichtig werden sollte insbesondere das Pflegeassistenzpersonal.

In der Logopädie-Ausbildung und in Weiterbildungen sollten der Pflegealltag und damit verbunden auch ethi-sche Fragestellungen angesprochen werden, wie zum Beispiel die Ernährung per os versus PEG-Sonde. Bei ethischen Fallbesprechungen sollte die Logopädie mit ein-bezogen werden.

Die logopädische Fachperson wird in der Regel gerufen, wenn Pflegefachpersonen bei Schluckgefährdungen res-pektive Schluckstörungen Unterstützung benötigen. Die-ses Konzept entspricht einer reinen Holschuld und wird den Ansprüchen in der Langzeitpflege oft nicht gerecht. Um eine kontinuierliche Beziehung zwischen Pflege und Logopädie zu schaffen, ist eine regelmässige logopädische Visite im Heim erstrebenswert. Das Ziel ist die lücken-lose Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner und auch die fachliche Unterstützung der Pflegefachpersonen. Nicht zu unterschätzen ist, dass durch die regelmässige logopädische Visite eine Integration der Logopädie in das Pflegeteam des Heimes stattfinden kann und dadurch die Hemmschwelle für die Kontaktaufnahme bei Problemen vermutlich sinkt.

Eine logopädische Visite im Heim könnte zum Beispiel einmal pro Monat stattfinden. Während der Visite können Schluckprobleme besprochen werden. Im Idealfall würde ein Bedside Teaching erfolgen, insbesondere mit denjeni-gen Personen, die für die Essensbegleitung zuständig sind. Mit diesem Vorgehen würde dem Pflegeassistenzpersonal Anerkennung und Wertschätzung in Bezug auf ihre wich-tige Funktion bei der Essensbegleitung entgegengebracht.

Diese Bring- und Holschuld mit Bedside Teaching mag nicht in allen Institutionen notwendig sein, jedoch scheint in den meisten Institutionen ein Handlungsbedarf vorzuliegen.

Kompetenzstufe 4: Dysphagie Care-Management als Qualitätsmerkmal der Institution

Trotz der grossen Heterogenität bezüglich des Wissens-standes zur Dysphagie der Pflegenden aufgrund sehr un-terschiedlicher Ausbildungsabschlüsse kann davon ausge-gangen werden, dass Kompetenz im Hause vorhanden ist. Eine Vision ist, mindestens eine Person im Heim zur Fach-beauftragten Dysphagie weiter zu qualifizieren. Im tägli-chen Dysphagiemanagement ist diese Person in der Lage, Gefährdungen zu erkennen, das Team zu schulen sowie diagnostische und therapeutische Interventionsschrit-te zu delegieren. Generell kümmert sie sich um Risiken und Massnahmen zur Risikominderung im Rahmen der Dysphagie. Insbesondere ist sie in präventiver Hinsicht ge-schult und kennt die Überschneidungsbereiche der Kom-petenz zwischen verschiedenen Berufsgruppen, insbeson-dere der Berufsgruppen Pflege und Logopädie.

Zur Qualitätssicherung gehört das Erkennen möglicher Fehlerquellen. Newesely et al. (2011) beschreiben welche gefährlichen Situationen und risikoreichen diagnostischen

Internet-Adressen für Diagnostik- und Therapieangebote bei Dysphagie

Schweiz: www.logopaedie.ch www.arld.ch www.alosi.ch www.dysphagie.ch www.hfh.ch/de/unser-service/

expertenwissen-online/sprache-und-demenz

Kontakt: [email protected]

Deutschland: www.dbl-ev.de www.gfo-kliniken-troisdorf.de/

zentren-schwerpunkte/schluckambulanz

Kontakt: birkmann@ johannes-krankenhaus.com

Österreich: www.logopaedieaustria.at www.dysphagie-trapl.at Kontakt: [email protected]

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© 2018 Hogrefe NOVAcura 10/18

38 Fokus

Prof. Dr. habil. Jürgen Steiner arbeitet als Dozent im Studiengang Logopädie an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH) und führt die Beratungsstelle Sprache und Demenz.

[email protected]

Dr. med. vet. Cornelia Neff, dipl. Logopädin, arbeitet zurzeit mit Kin-dern und Jugendlichen mit einer Hör- oder schweren Spracherwerbs- Beeinträchtigung.

[email protected]

und therapeutischen Interventionsschritte im Dyspha-giemanagement vorkommen können und welche Mass-nahmen zur Risikominderung getroffen werden können. Dieses Wissen gehört zum Kompetenzprofil der verant-wortlichen Person im Dysphagiemanagement.

Die Gesundheitsversorgung in der Langzeitpflege erfor-dert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Angehö-rigen aller Gesundheitsberufe, die ihre unterschiedlichen Fachkompetenzen und Sichtweisen einbringen. Beim Dys-phagiemanagement ist die Logopädie als beratende Ins-tanz gefragt.

Kompetenzstufe 5: Interdisziplinäre Forschung Pflegewissenschaft und Logopädie, Wissenstransfer

Die Notwendigkeit von Bedarfsanalysen, Erhebungen zum IST-Stand der Praxis, Konzeptionierungen, Formu-lierung von Qualitätsstandards, Begleitung von Projekten und Feststellen von Evidenzen hin zu Standards, good practice und Leitlinien sind Facetten eines interdisziplinä-ren Forschungsauftrages, der nach diesen Darstellungen offensichtlich ist.

Diese grossen Herausforderungen können nur gemein-sam, das heisst interdisziplinär und interprofessionell, ge-löst werden.

Ausblick

Aufgrund der demografischen Entwicklung ist mit einer Zunahme an Menschen mit Schluckstörungen in der Lang-zeitpflege zu rechnen. Demgegenüber steht der Fachkräf-temangel, der sich im Verlauf der kommenden Jahre noch weiter verschärfen dürfte. In diesem Spannungsfeld sind dringend Lösungen gefragt, um eine adäquate Versorgung auch in Zukunft zu gewährleisten. Eine Möglichkeit be-steht sicherlich darin, alle Berufsgruppen der Pflege für das Thema Dysphagie zu sensibilisieren und hinsichtlich Diagnostik und Therapie die Kooperation zwischen Pflege und Logopädie zu etablieren.

Durch logopädische Visiten in Institutionen (Bring- und Holschuld mit Bedside Teaching) wird Wissen im Haus implementiert. In Anbetracht der sich anbahnenden Res-sourcenknappheit der Fachpersonen könnte so in Zukunft der prekären Situation in der Langzeitpflege zumindest teilweise begegnet werden.

Literatur

Burger-Gartner, J. & Heber, D. (2011). Schluckstörungen im Alter: Hintergrundwissen und Anwendung in der Praxis. Stuttgart: Kohlhammer.

Ekberg, O., Hamdy, S., Woisard, V., Wuttge-Hannig, A. & Ortega, P. (2002). Social and Psychological Burden of Dysphagia: Its Im-pact on Diagnosis and Treatment. Dysphagia, 17, 139–146.

Hunziker, E. & Steiner, J. (2014). Ein Gewinn für alle: Die Logopädie als Partnerin der Pflege im Altersheim. NOVAcura, 45 (6), 9–12.

Mickel, B. & Steiner, J. (2003). Sprachheilpädagogik/Logopädie als Beratung am Beispiel Aphasie: Mit einer empirischen Untersu-chung zum Kooperationsbedarf des Pflegepersonals in Kran-kenhäusern. L.O.G.O.S interdisziplinär, 11 (3), 164–175.

Neff, C. (2018). Dysphagie in der Langzeitpflege: Wie kann die Inter-disziplinarität zwischen Logopädie und Pflege optimiert werden? Bachelor-Arbeit. Zürich: Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik.

Newesely, G., Weinert, M., Motzko, M. & Holzer, A. (2011). Zur Risi-kovermeidung im Dysphagiemanagement. Forum Logopädie, 3, 14–21.

Prosiegel, M. & Weber, S. (2013). Dysphagie: Diagnostik und Thera-pie: Ein Wegweiser für kompetentes Handeln. Berlin: Springer.

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Maja Storch, Dr. phil., ist Diplom-psychologin, Psychodrama therapeutin und Jungsche Psycho analytikerin. Sie arbeitet als Projektleiterin von ZRM research an der Uni versität Zürich. Sie ist Inhaberin des Instituts für Selbstmanagement und Motivation Zürich (ISMZ GmbH), eines Spin-off der Universität Zürich (www.ismz.ch). Sie lebt in Süddeutschland.

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