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THEMEN CIS.doc # 06 Foodline Foodline 2009: Nomaden – Fooddesign in Bewegung Foodline 2010: Nach dem Prozess der Verdauung Foodline 2011 Open Food Design

Foodline - CIS.doc#6

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Die foodline eine kleine Veranstaltungsserie, die im Designmonat Graz stattfindet – und mit jeweils völlig unterschiedlichen Ansätzen und Aufgabenstellungen – bewiesen hat, dass kaum sonst das (vorläufige) Ende eines Designprozesses so sinnlich wahrnehmbar und zugleich vergänglich wie in der Küche ist. Die Publikation gibt einen Einblick in die Foodlines 2009 - 2011.

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Page 1: Foodline - CIS.doc#6

Themen

CIS.doc # 06

Foodline

Foodline 2009: nomaden – Fooddesign in Bewegung

Foodline 2010: nach dem Prozess der Verdauung

Foodline 2011 Open Food Design

Page 2: Foodline - CIS.doc#6

Creative Industries StyriaFoodline 2010

Seite 04

Vorwort Christian Buchmann

Seite 05

Vorwort Eberhard Schrempf

Seite 06 – 07

Foodline 2009 - Nomaden – Fooddesign in Bewegung

An 4 Abenden nomadisierten,

experimentierten und referierten

renommierte Köchinnen, Köche,

Kochkollektive und Food-expert-

innen.

Seite 08 – 09

From Kitchen with Love

Der weite Bogen von der exklusiven

Küche nomadisierender haubenkö-

che bis zur Straßenküche afrikani-

scher Agglomerationen.

Seite 10 – 11

Experimental Cuisine Radikal

2. Abend: Das Koch-Kollektiv Cooks

of Grind thematisiert die “steigende

Tendenz zum Verschwinden der Kör-

perlichkeit in der ernährung moder-

ner Stadtnomaden.“

Seite 12 – 13

Post Design-Food

3. Abend: martin Guixè - a fod desi-

gner is somebody working with food,

with no idea of cooking “

Seite 14 – 15

Speed Meals

4. Abend: Andreas hanakamp und

nina Gründler über die Optimierung

der nahrungsaufnahme-

Seite 16 -17

Foodline 2010 – Nach

dem Prozess der Verdauung

Andreas Fabianek und martin

Krammer im Gespräch

Seite 18 – 21

Veranstaltung 01 / Raw Power

Wer suchet der findet. Wiesengras

aus Andritz, Aloe Vera von den

Kanaren und der Beweis, dass Roh-

kost vielfältiger ist, als ernährungs-

beraterInnen und Karotten-nager-

Innen glauben.

Seite 22 – 25

Veranstaltung 02 / Angelika aus Grönland

Warum die grönländische Kräuter-

und Gewürzexpertin Anne-Sophie

hardenberg Angelika liebt und was

das mit der steirischen Wirtschaft zu

tun haben könnte.

Seite 26 – 29

Veranstaltung 03 / Steirische Fusion

Kochen wie zu hause. Bekommt die

Thai-Küche einen steirischen Akzent,

wenn sie nach Graz übersiedelt? Wo

liegt die Grenze zwischen der Verfäl-

schung des Originals und dem kreati-

ven Spiel mit neuen einflüssen

Seite 30 – 35

Veranstaltung 04 / Sammeln und Mischen

eklektische Küche. haya molcho

sagt als überzeugte Israelin: eine

israelische Küche gibt es nicht. Also

sammelt und mischt sie alles, was ihr

und uns schmeckt, shoppt täglich am

naschmarkt und serviert im neni –

oder im Lendloft.

Inhalt

Page 3: Foodline - CIS.doc#6

Seite 3 InhaltCreative Industries StyriaFoodline

Seite 36 – 37

Foodline 2011 – Open Food Design

In einem experimentellen Workshop

wird der Frage nachgegangen, wel-

ches entwicklungspotenzial in 3D

Open Source-Foodprintern steckt.

Seite 38 – 39

Stimmungsbilder aus der Zukunft

Kann man mit Wasabi drucken? –

Über die praktischen hindernisse in

einer experimentellen Phase.

Seite 40 – 41

beeing part of a revolution

Fluid Forms, Graz und Philip Stef-

fan, Berlin: Konzepte, erwartungen

und die Realität des experimentie-

rens

Seite 42 – 43

Wenn Maschinen mit Essen spielen

White elephant, Graz: Konzepte,

erwartungen und die Realität des

experimentierens

Seite 44 – 45

What about Tihuana?

Weitere einschätzungen und Inputs

der Workshop-Teilnehmer Gernot

Stangl, Günther Gölles, Franz Paier

und Raul Cardenos Osuna, Torolab

Tihuana

Seite 47

Impressum

Page 4: Foodline - CIS.doc#6

Seite 4 VorwortCreative Industries StyriaFoodline

Die creative industries sind eine Erfolgsgeschichte

der steirischen Wirtschaft. Das hohe kreative Po-

tenzial der Steiermark bildet ein Stärkefeld, das für

die Zukunft unseres Landes bedeutend ist: Es ist

treibende Kraft unserer wirtschaftlichen Zukunft,

schafft Wachstumsimpulse und erhöht unsere indi-

viduelle Lebensqualität.

Innovation lebt nicht nur in Maschinen, Fahrzeugen

und Computern, sondern auch in unserer Ernäh-

rung und Nahrungsmittelproduktion. Die Vielfalt

und Qualität in der landwirtschaftlichen Erzeu-

gung, die besonderen Qualitäten zwischen Bio und

Nachhaltigkeit unserer Landwirtschaft und die Ex-

porterfolge steirischer Spezialitäten vom Wein bis

zu den Produkten der einzelnen Genussregionen:

All dies wäre ohne die vielfältigen Beiträge von De-

signerInnen nicht möglich.

Die Creative Industries Styria ist die Netzwerkorga-

nisation der Kreativbranchen in der Steiermark und

Veranstalter des Designmonats. Die foodline als

Veranstaltungsreihe dieses Monats fördert das Zu-

sammenspiel von kreativer Dichte, Innovationsgeist

und hoher Lebensqualität in einem sehr grundle-

genden Feld unseres Lebens, der Ernährung. Die

Auseinandersetzung mit food design im Netzwerk

einer globalisierten Genusskultur ist eine notwen-

dige Grundlage, um die Identität unserer eigenen

Genusskultur laufend neu zu definieren und um

die wirtschaftlichen Chancen dieses Feldes in den

weltweiten Märkten nutzen zu können. Mit diesem

Magazin halten Sie einen Rückblick über die ersten

drei Jahre der foodline 2009-2011 in Händen. Drei

Jahre, in denen sich die foodline im Rahmen des

Designmonats Graz mit faszinierenden, verrück-

ten und zukunftsweisenden Themen auseinander

gesetzt und die internationale Vernetzung unserer

Designlandschaft voran getrieben hat.

Der Geschmack Des erfolGs

Christian BuchmannlaNDesraT für

WirTschafT, europa

uND kulTur

foto: Jorj Konstantinov

Page 5: Foodline - CIS.doc#6

Seite 5 VorwortCreative Industries StyriaFoodline

eberhard SchrempfGeschÄfTsführer Der

creaTiVe iNDusTries sTYria GmBh

Im Jahr 2008 saß ich mit Martin Krammer und An-

dreas Fabianek, den Kuratoren der foodline, zu-

sammen. Ich kannte zwar ihre Vorliebe für alles

Kulinarische, war aber überrascht von der theore-

tischen Qualität eines Diskurses zu diesem Thema.

Mir wurde bewusst, dass Design – eine Disziplin, die

ich selbst eher auf Architektur, Prozess- und Pro-

duktdesign reduziert hatte – in der Ernährung deut-

lich tiefer dringt als in allen anderen Bereichen: Wir

sind, was wir essen – also designen wir uns mit unse-

rer Ernährung selbst. Und das nicht nur im übertra-

genen, sondern auch im wortwörtlichen Sinn.

Für die Creative Industries Styria ist die foodline

eine aufregende Veranstaltungsserie, die nun schon

dreimal im Rahmen des Designmonat Graz – mit je-

weils völlig unterschiedlichen Ansätzen und Aufga-

benstellungen – bewiesen hat, dass kaum sonst das

(vorläufige) Ende eines Designprozesses so sinnlich

wahrnehmbar und zugleich vergänglich wie in der

Küche ist. Darüber verliert man leicht den theoreti-

schen Überbau aus den Augen – ich danke an dieser

Stelle den Kuratoren Andreas Fabianek und Martin

Krammer dafür, dass sie dieser Gefahr trotzten.

Zugleich ist die foodline eine Netzwerkveranstal-

tung par excellence, denn an keinem anderen Ort

kommt man so leicht ins Gespräch wie in der Küche.

Davon profitierten nicht nur die zahlreichen Vortra-

genden und Workshop-TeilnehmerInnen, sondern

auch die Gäste.

fooD DesiGN uND DarüBer hiNaus

foto: harry Schiffer

Page 6: Foodline - CIS.doc#6

Seite 6 einleitung 2009Creative Industries StyriaFoodline 2009

Nomaden – Fooddesign in Bewegung

proGramm:

from kiTcheN WiTh loVe

Vortrag:

„Erste Zutat: Liebe zum Beruf” – Herbert

Schmidhofer, Magnolia

Koch-experiment:

Kobe-Steak vs. afrikanisches Straßenbuffet –

Herbert Schmidhofer, Christine Wassermann,

Bibiane Kaptue und Marie-Claude Mutamba

experimaNTal cuisiNe raDikal

Vorträge:

„Marienstüberl in der Rose” – Martin Zettel, Mi-

chael Zöllner und Alojz Tekavec zur Verpflegung

obdachloser Menschen

„Kulinarische Erfahrungen in der Modelwelt“ –

Teresa Rotschopf

a n 4 a b e n de n nom a di s i e r t e n, e x p e r i m e n t i e r t e n

u n d r e f e r i e r t e n r e nom m i e r t e kö c h i n n e n, kö c h e,

ko c h kol l e k t i v e u n d f o od -e x p e r t i n n e n.

Nach Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden der zunehmenden

Sesshaftwerdung entwickeln sich im 21. Jahrhundert im Zuge

der Globalisierung der Gesellschaft immer neue Tendenzen zu

einer neuen Nomadisierung zumindest einzelner Gruppen.

Dieser Drang der Gesellschaft immer nomadischer zu werden,

sei es körperlich oder auch virtuell, bedingt, die Überlegungen

zu Nahrung grundlegend zu überdenken. Während der Zugang

zur Mobilität erleichtert ist, erschweren sich paradoxerweise die

Möglichkeiten an qualitätsvolle Nahrung und Nahrungsmittel

heranzukommen. Was ist überhaupt Qualität? Es ist ein Ziel die-

se Frage offen diskursiv zu betrachten. Ganz bewusst stellt sich

die Veranstaltungsserie die Aufgabe, eingeübte Begriffe (von

Molekular bis Bio) in Frage zu stellen und neue Aspekte zu ent-

wickeln und aufzuzeigen.

Die FOODLINE 2009 begab sich auf die kulinarischen Spuren

extremer Beispiele moderner Nomaden und machte ihre Kon-

zepte der Ernährung in Form von Vorträgen und Koch-Experi-

menten erlebbar.

Foodline 2009

Food Design by marti Guixe

Page 7: Foodline - CIS.doc#6

Seite 7 Creative Industries StyriaFoodline 2009

Performance:

„Die Potenzierung der reduzierten

urbanen Diätik“ – Cooks of Grind

posT-fooD-DesiGN

Vortrag:

“Martí Guixé on food design” –

Martí Guixé, Berlin/Barcelona

Koch-experiment:

„No-Made“, Franz Paier

Ort: Showroom Gaisrucker, Lendplatz

speeD meals

Vortrag:

“Expeditionsfood – Food Design – Sailing-

yacht – Yachtdesign – Designerfood - Foo-

dexpedition” – mit Andreas Hanakamp,

Nina Gründler und ??? (Ernährungsbera-

terin)

Koch-experiment:

„Kombüse mobil“ – Gisela und Andreas

Zöpnek, Schnabelweidedie drinnen ar-

beiten, nach außen bringt und auf der Au-

ßenfassade entlanggehen lässt. Aber die

Hauptgeschichte ist eben diese Kommuni-

kation von der kompletten Steiermark zu-

rück zum Sender. Man muss das natürlich

redaktionell bearbeiten … Und die Leute,

die nicht so laut sind, Leute, die in sozia-

len Randgruppen sind, Migranten, sollen

da auch eine Möglichkeit haben.

Ort: Kaiser-Josef-Platz, Stand 19-21

t o b i a s k e s t e l u n d g e r h a r d d r a x l e r

“WAS IST

ÜBERHAUPT QUALITäT?

”martin Krammer

einleitung 2009

Andreas Fabianek (l.) und martin Krammer (r.) lassen

Gedanken sprießen.

Page 8: Foodline - CIS.doc#6

Seite 8 From Kitchen with LoveCreative Industries StyriaFoodline 2009

Mit seinem Einleitungsreferat erzählte

Herbert Schmidhofer, Haubenkoch das

Grazer Magnolia, von einem Leben, in dem

sich das Private auf Kleidung im Koffer

und das eigene, immer mitwandernde Mes-

ser beschränkt. Im anschließenden Koch-

Experiment wurden die Haubenküche und

die afrikanische Straßenküche einander

gegenüber gestellt. Herbert Schmidhofer

bereitete mit einem Budget von EUR 350,-

vier Filets vom Kobe-Beef zu – serviert in

1 x 1 cm kleinen Würfelchen.

Im Gegenzug bereitete die freischaffen-

de Köchin Christine Wassermann unter-

stützt von Bibiane Kaptue/Kamerun und

Marie-Claude Mutamba/Ruanda auf Ba-

sis des gleichen Budgets ein afrikanisches

Straßenbuffet zu. „Polenta die for Yams,

beans de jump in between (and fish can

smile)“ lautet der Titel ihrer Kreation. In

Afrika würde das 350,- Budget ausreichen,

um eine Großfamilie einen Monat lang zu

verköstigen – an diesem Abend konnten

immerhin 50 Personen mit gebackenen

Kochbananen, Kaki-Mus und dutzenden

anderen Köstlichkeiten verwöhnt werden.

Mit dieser Gegenüberstellung von Viel-

falt und Übersättigung, Luxusfleisch und

einfachsten Lebensmitteln wurde auch

From Kitchen with Lovedi e e r st e v e r a n sta lt u ng de r f o odl i n e s pa n n t e e i n e n w e i t e n b o ge n von de r e x-k lu s i v e n k üc h e de r nom a di s i e r e n de n h au b e n kö c h e bi s z u r st r a s s e n k üc h e a f-r i k a n i s c h e r ag gl om e r at ion e n, i n de n e n di e m e n s c h e n z w i s c h e n a r b e i t, fa m i l i e, wa s s e r st e l l e n, äc k e r n u n d v i e h h e r de n e b e n fa l l s stä n dig ü b e r w e i t e st r e c k e n u n t e rw e g s s i n d.

“POLENTA DIE FOR YAMS, BEANS DE

JUMP IN BETWEEN (AND FISH

CAN SMILE)

”Bibiane Kaptue

Kobe-Beef um eUR 350,- ...

herbert Schmidhofer performt am Induktionsherd

Page 9: Foodline - CIS.doc#6

Seite 9 Creative Industries StyriaFoodline 2009

t o b i a s k e s t e l u n d g e r h a r d d r a x l e r

relaTeD liNkswww.augartenhotel.at/

der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert die

Küche bei uns bei Nomaden hat, welche unter-

schiedlichen Qualitätsbegriffe hier zugrunde lie-

gen. Dieser Gegenüberstellung folgte auch die un-

terschiedliche technische Ausstattung – während

Herbert Schmidhofer auf innovative Induktions-

technik zurückgriff, begnügte sich das Team rund

um Christine Wassermann mit einem schlichten

Propangaskocher. Fragen zum Hunger auf der

Welt und Adipositas, zu Verteilungsgerechtigkeit

und Überfluss mussten nicht extra gestellt wer-

den, um diskutiert zu werden.

protagonisten

herbert schmidhofer, küchenchef des

magnolia / augartenhotel graz

christine wassermann, geb. 1968

in weiz, celery’s _ the juice bar

(bis 2003), gesunde küche

international, als köchin

freischaffend;

bibiane kaptue, geb. 1978 in douala,

kamerun, köchin, catering und koch-

workshops afrikazentrum

chiala’afriqas (www.chiala.at);

marie-claude mutamba, geb. 1962 in

kigali, ruanda, interkulturelle koch-

kurse und buffets, projekt iku (verein

isop, www.isop.at/iku)

assisted by proto twayi, geb. 1968 in

bumba/gisenyi, ruanda, kellner und

barprofi, brot und spiele

Auch die Kunst des

einfachen führt zum

Genuss

... und als Kontrast das

afrikanische Straßenbuffet

Christine Wassermann mit Bibiane Kaptue und marie-Claude mutamba

Page 10: Foodline - CIS.doc#6

Seite 10 experimental Cuisine Radikal

Creative Industries StyriaFoodline 2009

oder Bier, die eigens entwickelte

Maschine verwandelte alles in

kleine, silbrig glänzende Kügel-

chen, die zwar wie üblich nur

nach Zucker schmeckten, aber

doch die geballte Energie und

Information des Ausgangspro-

dukts enthielten.

Während die „Cooks of Grind“

also die Nahrung oder zu-

mindest deren Form zum Ver-

schwinden brachten, demonst-

rierte erst Teresa Rotschopf, mit

welcher Nahrung sich Models

Bulemie-gefährdet mit Reis-

Experimental Cuisine Radikal

e r z w e i t e a b e n d w u r de k u l i na r i s c h

von wa lt e r sc h e r z u n d de n „co ok s of

gr i n d“ ge sta lt e t. t h e m a wa r di e „st e i-

ge n de t e n de n z z u m ve r s c h w i n de n de r

kör p e r l ic h k e i t i n de r er nä h ru ng mo -

de r n e r sta d t nom a de n“.

Gemeinsam mit Protagonisten des „Marienstü-

berls“ sowie Teresa Rotschopf, Musikerin bei

„Bunny Lake“ und Model, ging man der Frage

nomadischer Ernährung nach: Wie ernährt man

sich auf der Straße, wo finden Obdachlose etwas

Essbares? Und wie isst man abseits des Laufstegs?

Wie hetzt man von Fotoshooting zu Fotoshooting,

findet keine Zeit für ein beschauliches Mittagessen

und bleibt dabei die Göttin aus der Werbung?

Architekt und Dokumentarfilmer Martin Zettel

sowie Michael Zöllner und Alojz Tekavec, die bei-

de auf freiwilliger Basis im „Marienstüberl“ aus-

helfen und aus eigener Erfahrung wissen, was es

heißt, obdachlos zu sein, waren die Vortragenden

dieses Abends.

Die „steigende Tendenz zum Verschwinden“ wurde

von den „Cooks of Grind“ auf die Spitze getrieben,

“WO FINDEN

OBDACHLOSE ETWAS

ESSBARES

”martin Zettel

indem sie Lebensmittel von ihrer fest-

stofflichen Beschränktheit befreiten

und in homöopathische Potenz trans-

formierten. Egal ob Extrawurstsemmel

Die Potenziermaschine, bedient von Wojdel, Kassier, Sektion

Rock‘n‘Roll der Cooks of Grind

Page 11: Foodline - CIS.doc#6

Seite 11 Creative Industries StyriaFoodline 2009

t o b i a s k e s t e l u n d g e r h a r d d r a x l e r

experimental Cuisine Radikal

Experimental Cuisine Radikal

waffeln und Knäckebrot der Selbstauflösung annä-

hern. Dann stand die Küche jener im Mittelpunkt, die

die Gesellschaft längst zum Verschwinden gebracht

hat: Verpflegt sich ein obdachloser Mensch noma-

disch? Unbeachtet von einem Großteil der Grazer Be-

völkerung hat sich durch den 10-Cent-Mittagstisch im

Marienstüberl der Caritas das Essen zum Fixpunkt im

ansonsten sehr unstetigen Leben vieler Obdachloser

entwickelt. Martin Zettel stellte gemeinsam mit frei-

willigen Helfern und ehemaligen Obdachlosen eine

Institution der Grazer Armenverpflegung vor. Das

aktuelle Tagesmenü des „Marienstüberls“ – ein Teller

Chili und eine Semmel – war auch die kulinarische

Ergänzung der homöopathischen Kügelchen.

protagonisten

cooks of grind, im jahr 2001 gegründetes

kochkollektiv, dass sich vom ursprünglichen

ansatz im freundeskreis füreinander zu ko-

chen zum koch-kunst-kollektiv weiterentwi-

ckelte. seit 2003 als verein organisiert, der

projekte und performances im kunstkontext

und im öffentlichen raum entwickelt und

umsetzt. die cooks of grind waren vertreten

durch walter „wojdel“ scherz, fozzey schloy-

er und roman klug

martin zettel, martin zettel ist architekt,

urbanist und dokumentarfilmer. zusammen

mit dem londoner architekten hannes mayer

produzierte und kuratierte er in enger zu-

sammenarbeit mit ehemals obdachlosen die

ausstellung „gregors stadt – die stadt graz

aus dem blickwinkel der obdachlosigkeit“.

michael zöllner und alojz tekavec, helfen

auf freiwilliger basis im marienstüberl aus.

beide haben über jahre hinweg am eigenen

leib erfahren, was es heisst, obdachlos zu

sein und vermitteln aus dieser position zwi-

schen hilfseinrichtung und gästen.

teresa rotschopf, alias suzy on the rocks

ist sängerin der band bunny lake,

model und stilistin

relaTeD liNkswww.cooksofgrind.org

Chilli, das Tagesmenü des marienstüberls

Teresa Rotschopf referiert über die nahrunsgaufnahme von models

Die Verwandlung von Bier, extra-wurstsemmel & Co in Globuli

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Seite 12 Post-Design-FoodCreative Industries StyriaFoodline 2009

relaTeD liNkswww.guixe.comwww.koch-art.at

“A F O O D D E S I G N E R I S S O M E B O D Y W O R K I N G W I T H F O O D ,

W I T H N O I D E A O F C O O K I N G “

”martì Guixè

Das Am dritten Abend der Foodline konfrontierte der

Star-(Food)-Designer Martì Guixè das Publikum mit

Beispielen seiner unorthodoxen Design-Ideen, in denen

Lebensmittel als Objekte und Gestaltungsmittel wahr-

genommen werden, die in jeden beliebigen Kontext ge-

stellt werden können. Da war etwa der Springbrunnen,

den Guixé in eine Eismaschine verwandelte, um das

Wasserbecken in ein Meer aus Eiswürfeln zu transfor-

mieren, in dem Champagner, Sekt und Prosecco gekühlt

wurden; oder die Geschäftseröffnung, bei der die Gäste

mit Hilfe des Buffets selbst die Wände designten, wobei

Guixé das so entstandene Werk anschließend versiegel-

te und als Dauergestaltung beließ. Während Guixé also

Appetit auf Unkonventionelles machte, stillte Koch-

weltmeister eben diesen Hunger mit Fingerfood aus der

mobilen Küche.

PostDesign-Food

marti Guixe, Barcelona - Berlin

Frisch aus der Design-Küche

Page 13: Foodline - CIS.doc#6

Seite 13 Creative Industries StyriaFoodline 2009

t o b i a s k e s t e l u n d g e r h a r d d r a x l e r

Post-Design-Food

protagonisten

martí guixé: im jahr 1964 in katalonien geboren, lebt der de-

signer, heute in seiner heimat barcelona sowie in berlin. er

schloss 1985 in barcelona das studium „interior design“ ab und

studierte anschliessend industriedesign an der scuola poly-

tecnica di design in mailand. guixé setzt sich seit 2005 intensiv

mit fooddesign auseinander. seine unkonventionellen arbeiten

waren unter anderem in ausstellungen im moma in new york bis

zum centre pompidou in paris zu sehen und wurden mit zahl-

reichen preisen ausgezeichnet. obwohl er sich seit 201 als ex-

designer bezeichnet, arbeitet martì guixé für alessi, camper,

cha-cha, chuba chups, droog design, imaginarium, kesselskra-

mer und vitra.

franz paier: der grazer wollte immer schon der beste koch der

welt werden. 20 jahre auslandserfahrung (u.a. bermudas, asien,

schweden, usa, kreuzfahrtschiff), 1996 kochweltmeister singa-

pur koch-olympiade ika berlin bronze in der diät-disziplin. 1997

küchenmeister, lehrbeauftragter für das dipl. diätkoch wifi

steiermark, dipl. hygiene-manager, haubenkoch im hofkeller

in graz; 2000 gründung der koch-art graz . credo: demokratie

fängt in der küche an – die küche kennt keine grenzen!

martin Krammer präsentiert marti Guixe

Blick auf eine unorthodox ausgestattete Küche

Franz Payer bei der akribischen Zubereitung seiner essenskreationen

Page 14: Foodline - CIS.doc#6

Seite 14 Speed mealsCreative Industries StyriaFoodline 2009

Speed Meals

sp i t z e n s p or t v e r l a ngt nac h de r op t i m i e-ru ng de r na h ru ng s au f na h m e, u m i n mö g -l ic h st k u r z e r ze i t mö gl ic h st v i e l e nä h r-st of f e u n d k a l or i e n b e i ge r i ng st e m ge n u s s z u s ic h z u n e h m e n.

Im Falle des Segelsports, also angesiedelt auf windge-

triebenen Hochleistungsrennmaschinen, kommen er-

schwerend hinzu: keine Küche, äußerst beschränkter

Stauraum, das Zählen jedes einzelnen Gramms Trans-

portgewicht und Schräglagen jenseits der 20 Grad und

alle 15 Sekunden eine Badewanne voll Wasser ins Ge-

sicht. Wer hält das aus? Wie lange hält man das aus?

Warum macht man das? In einer kulinarischen Erleb-

nisrundfahrt entführten Extremsegler Andreas Hana-

kamp und Ernährungsmedizinerin Nina Gründler in

die Welt des Volvo Ocean Race. Zur Veranschaulichung

der kulinarischen Wirklichkeit an Bord diente etwa die

Gegenüberstellung von einem Karton Expeditionsnah-

rung versus dem gleichen Angebot an Proteien, Vitami-

nen etc. in Form herkömmlicher Lebensmittel.

Auch wie sich Expeditionsnahrung zubereiten lässt,

demonstrierte Hanakamp anschaulich: Auf einem Ba-

lancebrett balancierend und im 15 kg schweren Segelo-

verall bereitete er sich eine Portion Fleischbällchen mit

Puree und Salat am Gasbrenner zu, während sich Nina

Gründler darum bemühte, mit dem Gartenschlauch den

nassen Angriff der Weltmeere zu kopieren.

Andreas Fabianek: „Fleischbällchen, Puree und Salat

sind ein strukturloser, brauner Brei, der nur mit Über-

windung im Mund landet – dann aber erstaunlicher Wei-

se alle Aromen entfaltet, mit denen man gar nicht mehr

gerechnet hat.“

Expeditionsmenüs der anderen Art bereitete die Schna-

belweide vor und zu: frisch gefertigte Portionen feiner

Speisen wurden vakuumverpackt und den Gästen am

Tisch zum Berg aufgetürmt und mit Scheren als Ess-

werkzeug serviert.

relaTeD liNkswww.segelwelt.atwww.dr-gruendler.at

“FLEISCHBäLLCHEN,

PUREE UND SALAT SIND EIN STRUKTURLOSER, BRAUNER BREI,

DER NUR MIT ÜBERWINDUNG IM MUND LANDET – DANN ABER

ERSTAUNLICHER WEISE ALLE AROMEN ENTFALTET, MIT DENEN

MAN GAR NICHT MEHR GERECHNET HAT.“

”Andreas Fabianek

essen mit Schere statt messer und Gabel

Page 15: Foodline - CIS.doc#6

Seite 15 Creative Industries StyriaFoodline 2009

t o b i a s k e s t e l u n d g e r h a r d d r a x l e r

Speed meals

protagonisten

andreas hanakamp: geboren 1966, lebt

in wiener neustadt. segelt, seit er 12

jahre alt ist, teilnahme an den olym-

pischen spielen 1996 und 2004; media

manager volvo ocean race 2001/2002;

volvo ocean race 2008/2009, skipper

team russia

nina gründler: geboren 1958, ärztin für

allgemeinmedizin, arbeits-, sport- und

alpin- und höhenmedizin mit ordination

graz. medizinische betreuung team

russia, volvo ocean race 2008/09

schnabelweide: die schnabelweide gibt

es am grazer bauernmarkt am kaiser-

josef-platz seit april 1990. erstklassige

heimische weine und gerichte, die mit

produkten vom bauernmarkt unmittel-

bar vor ort zubereitet werden, zeichnen

die besondere qualität der küche aus.

8010 graz, kaiser-josef-platz 16,

stand 19-21

Das vakuum-verpackte Buffet der Schnabelweide

Wie ernährt man sich bei 20° Schräglage?

Andreas hanakamp am Balancebrett, assistiert von nina Gründler

Das Team der Schnabelweide

Page 16: Foodline - CIS.doc#6

Seite 16 Krammer – FabianekCreative Industries StyriaFoodline 2010

Vier Workshop-Tage zu den Themen na-

türliche Ressourcen und Regionale Grund-

stoffe. mit welchem Ansatz habt Ihr euch

dem Thema Food Design heuer genähert?

andreas fabianek: Eigentlich ist der Be-

griff Food Design bzw. was man landläufig

darunter versteht, zu eng. Denn wir haben

uns ja nicht nur mit dem Design von Le-

bensmitteln, sondern mit den Grundlagen

der Ernährung beschäftigt.

martin krammer: Das, was Food Design

klassisch meint, ist ganz einfach die Ge-

staltung von Lebensmitteln, einerseits

ästhetisch-funktional, andererseits auf der

Produktionsebene. Das ist wie im Autode-

sign: Alle Komponenten müssen in einem

industriellen Formgebungsweg zusammen-

passen. Diese Industrialisierung der Ernäh-

rung führt zu Problemen auf den Ebenen

der Qualität und der Identität. Mit diesen

beiden Problemzonen haben wir uns heuer

intensiv auseinander gesetzt.

andreas fabianek: Damit wird Food De-

sign auch zu einer politischen Frage und zu

einer Frage der Haltung.

Am deutlichsten hat in diesem Sinne der ers-

te Protagonist, Stefan hiene, Position bezo-

gen – ihm ging es nicht um Kulinarik, son-

dern um das Design des eigenen Körpers.

andreas fabianek: Als Person ist er ein Ge-

samtkunstwerk oder ein Gesamtsystem. Er

sagt: Die Gesellschaft fasst den Körper als

Maschine auf und die Ernährung als Treib-

stoff. Dieses simple, mechanische Bild ist

aber falsch, weil es auf die Kraft des Geis-

tes vergisst. Er widerlegt im Selbstversuch

den rein naturwissenschaftlichen Ansatz

und damit auch die schulmedizinischen

Empfehlungen zur Ernährung. Für ihn ist

Ernährung Teil eines Lebenskonzeptes: Er

isst quasi nur, was er am Wegrand findet,

kommt mit einem Monatsbudget von 200,-

Euro aus und betreibt dabei auch noch

Leistungssport als Mountainbike-Renn-

fahrer. Aus seiner Sportler-Geschichte

weiß er, wie viele Kalorien er sich zuführen

müsste um Rennen bestreiten zu können.

Tatsächlich bleibt er weit unter seinen Soll-

Werten. Er lebt aber sehr gut mit Energie-

bilanzen, die ihm keiner erklären kann.

martin krammer: Dabei betont er, dass er

kein allgemeingültiges Gesetz vertritt. Wie

er sich ernährt, funktioniert seiner Ansicht

nach nur für ihn selbst. Damit stellt er jede

Ernährungsempfehlung in Frage. Die The-

se ist: Man muss ein Gefühl für den eige-

nen Körper entwickeln und die Ernährung

daran anpassen, wonach der eigene Körper

verlangt. Wenn man das wie Stefan Hiene

zu Ende denkt und auch radikal umsetzt,

muss man hart daran arbeiten.

Was war der Ansatz der zweiten Veranstal-

tung Inuit am Lend?

martin krammer: In der europäischen

Kulinarik gibt es Trends. Früher stan-

den die Italiener im Mittelpunkt, dann

die Spanier, jetzt sind es die Skandina-

vier. Und wir wählten eben mit Grön-

land das extremste skandinavische Land.

Hier kristallisierten sich im Gespräch

mit Anne Sophie Hardenberg zwei zent-

rale Aspekte heraus: Die Landwirtschaft

Grönlands ist im Umbruch, denn auf-

grund der Erderwärmung entstehen neue

Möglichkeiten der landwirtschaftlichen

Nutzung in noch dazu unverseuchtem

Gebiet. Daraus resultiert eine große Neu-

gier und Anne Sophie Hardenberg sah bei

DIE INDUSTRIALISIERUNG

DER ERNäHRUNG FÜHRT

ZU PROBLEMEN AUF DEN

EBENEN DER QUALITäT

UND DER IDENTITäT.

martin, Krammer

Foodline 2010

Nach dem Prozess der Verdauung

Page 17: Foodline - CIS.doc#6

aus der Steiermark, Thailand, Pakistan,

Anatolien und Bulgarien gemeinsam koch-

ten und sich ständig wechselseitig in die

Kochtöpfe schauten.

Dieser verbindende Aspekt des Kochens

war auch am vierten Tag, bei Sammeln und

mischen mit haya molcho präsent ...

martin krammer: Hier war Vielfalt das

tragende Thema. Das begann schon damit,

dass Haya Molcho nur mit einer Sache, mit

Melanzani, gekocht hat. Diese eigentlich

geschmacklosen Melanzani werden zu ei-

ner Trägersubstanz für eine sehr varian-

tenreiche Küche. Dabei hatten wir – dank

der Agrarindustrie – nur eine einzige Sor-

te Melanzani zur Verfügung. In Wahrheit

gäbe es ja noch 50 andere Sorten, mit deren

Geschmacksnuancen man spielen könnte,

aber die werden immer mehr verdrängt.

andreas fabianek: Haya Molcho ist über-

zeugte Israelin. Dennoch definiert sie eine

Küche, in der sie mischt und sammelt und

die damit ein Sammelsurium einer Region

ist. Und das ist viel friedfertiger als die Po-

Seite 17 Krammer – FabianekCreative Industries StyriaFoodline 2010

uns viele innovative Ansätze. So entstan-

den rasch Ideen zu einer wirtschaftlichen

Vernetzung mit der Steiermark.

andreas fabianek: Auch das anders ge-

lagerte Basiskonzept der grönländischen

Küche ist spannend: Auf Grundlage der

extremen Lebensbedingungen ist sie

eher überlebens- als genussorientiert.

Was sie produzieren, ist zum überwie-

genden Teil Kraftnahrung. Diese Blau-

beer-Milch-Kräuter-Geschichte war für

uns einfach ein leckeres Dessert, dort ist

das die Kraftnahrung beim Wasa-Lauf

an den Labestationen.

Steirisch Fusion, der dritte Termin, stellte

den Prozess des „Übersetzens“ von Rezep-

turen aus Anatolien, Indien und Thailand

durch Protagonisten in den Vordergrund,

die seit einiger Zeit in Österreich leben.

andreas fabianek: Ja, das war der Ansatz:

Wie muss ich meine Rezepturen und Ge-

schmackserfahrungen übersetzen, wenn

ich im Ausland bin.

Franz Paier, der begleitende Koch, hat an

diesem Abend die starke Verwendung von

Fertigmischungen kritisiert ...

martin krammer: Wenn du irgendwohin

auswanderst, versuchst du, auf dein Hei-

matland zurückzugreifen, was dir nicht

gelingt. Und so verändern sich die Tradi-

tionen: Einwanderer der ersten Generati-

on sind gezwungen, mit Annäherungen an

ihre Geschmackserinnerungen zu leben.

Sie können nicht das Original nachkochen,

sondern nur Gerichte, die so ähnlich sind.

Für die nachfolgende Tradition wird nun

diese Küche bereits zum Original.

Bei uns laufen ähnliche Prozesse ab: Da-

durch, dass die Leute zunehmend aufhören

zu kochen, geht viel Wissen verloren. Wenn

du den Gaumen nicht trainierst oder das

Original gar nicht mehr kennst, bist du

auch mit dem zufrieden, was dir die Indus-

trie liefert.

andreas fabianek: Dieser Tag hatte aber

auch noch etwas Anderes, Auffälliges zu

bieten: Es war schön zu sehen, wie Leute

litik. Bei ihr definiert sich ein friedfertiges

Zusammenleben der Geschmäcker, indem

sie bereit ist, geschmackliche Ebenen in ihre

Küche aufzunehmen, die aus Palästina, dem

Libanon und der ganzen Welt stammen.

martin krammer: Das führt uns auch zu

unserem Umgang mit dem Fremden. Es

gibt beispielsweise in Oberitalien mit der

Lega Nord den Versuch, die Kebabs zu ver-

bieten. Es entsteht so etwas wie ein Food-

Faschismus, der Migration nicht nur ver-

hindern will, indem er Menschen aussperrt,

sondern der das Essen der Leute, die schon

da sind, aussperren will. Natürlich ist es

gut, das Eigene, das Regionale zu fördern.

Die Frage ist aber zugleich, wie wir das

Andere zulassen. Hier sind noch intensive

Diskussionen zu führen, denn wir können

ja nicht die Entwicklung unserer Esskultur

der politischen Rechten überlassen.

Gibt es schon einen Ausblick auf die food-

line 2011?

andreas fabianek: Im Rückblick habe ich

den Eindruck, dass die Veranstaltungen

umso spannender werden, je weniger die

Protagonisten Küchen-affin sind. Vielleicht

stellen wir Designer oder ganz andere Ty-

pen in den Mittelpunkt, die wieder ganz

neue Zugänge zu Food Design einbringen.

martin krammer: Die foodline darf kein

vorhersehbares Format werden, das irgend-

welche Erwartungshaltungen erfüllt. 2011

wird also alles wieder ganz anders werden.

martin krammer und andreas fabianek

FOOD DESIGN IST AUCH

EINE POLITISCHE FRAGE

UND EINE FRAGE DER

HALTUNG.”

andreas, Fabianek

Page 18: Foodline - CIS.doc#6

Seite 18 Veranstaltung 01 / Raw PowerCreative Industries StyriaFoodline 2010

Stefan Hiene ist der Ansicht, dass der

Mensch einem Donut gleicht: Auch wir

haben in der Mitte ein großes Loch vom

Mund bis zum Anus, das Teil unseres äu-

ßeren ist. Da wir aus allem, was wir hier

durchschleusen, unseren Körper regenerie-

ren, stellt sich die Frage, wer sich wirklich

aus e-Nummern und Industrieware laufend

neu erschaffen will.

Raw Power begann für Stefan Hiene im

Juni 2007 als 14-tägiges Experiment am ei-

genen Körper mit der Gewissheit, als Leis-

tungssportler beim nächsten Radrennen

vom Sattel zu fallen. Als er entgegen der

eigenen Erwartungshaltung beim nächs-

ten Moutainbike-Marathon in der Spitzen-

gruppe mitfuhr, erwachte sein Ehrgeiz erst

recht. Nach über 3 Jahren Rohkost ist er

sich in einigen Dingen ganz sicher:

erstens: Für ihn gilt das Wissen der Ernäh-

rungswissenschaften offensichtlich nicht,

denn auch langjährig erfahrene Sport-

mediziner können seine mit modernsten

wissenschaftlichen Methoden gemessenen

Leistungskurven nicht erklären. Zweitens:

Er will und kann von sich nicht auf andere

schließen. Drittens: Jeder muss seinen eige-

nen Weg finden – zu diesen Wegen gibt es al-

lerdings mehr Türen, als Gewohnheiten und

Nahrungsmittelindustrie glauben machen.

rohkost in der küche

Erst frisches Frühlingsgemüse, Obst und

Kräuter vom Lendplatz, dann Gras und

Wer suchet, der findet.

Löwenzahn von einer Wiese in Andritz

und Quellwasser aus Judendorf-Straßen-

gel. Stefan Hiene steuert Rezeptideen bei

und erzählt beiläufig, dass er auf Gran Ca-

naria auch ohne Sonnenschutzmittel kei-

nen Sonnbrand mehr bekommt, seit er Aloe

Vera isst. Wiesengras und äpfel gemeinsam

im Entsafter ergeben einen ebenso grünen

wie wohlschmeckenden Smoothie. Koch-

weltmeister Franz Peier meint zwar, dass

der Beginn der menschlichen Kultur mit

der Beherrschung des Feuers zusammen-

fällt, zaubert aber dennoch ein so vielfäl-

tiges Rohkost-Buffet in den Lendloft, dass

den abendlichen BesucherInnen weder

warme Küche noch Geschmacksvielfalt

abgehen. Die einzigen, die enttäuscht wer-

den, sind jene, die Rohkost als messianische

Religion verstehen wollen. Denn für Stefan

Hiene gibt es so viele richtige Ernährungs-

philosophien, wie es Menschen gibt. Aktu-

ell also 6,829.530.

Wiesengras aus Andritz, Aloe Vera von den Kanaren und der Beweis, dass Rohkost

vielfältiger ist, als ernährungsberaterInnen und Karotten-nagerInnen glauben.

ICH BIN HIER, UM

ZU ENTDECKEN,

WAS DIE NATUR

HERGIBT.

stefan, Koch

Page 19: Foodline - CIS.doc#6

Seite 19 Veranstaltung 01 / Raw PowerCreative Industries StyriaFoodline 2010

bio

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Page 20: Foodline - CIS.doc#6

Seite 20 Creative Industries StyriaFoodline 2010

Sammeln und mischen

Wiesenkräuter sammeln in

Andritz rund um den natur-

erlebnispark beim Rielteich

Page 21: Foodline - CIS.doc#6

Seite 21 Creative Industries StyriaFoodline 2010

Sammeln und mischen

Die Rohverkostung am

Abend im Lendloft bietet

überraschende Vielfalt.

kalte Rohkost-

Cremesuppe

ausnahmsweise etwas

nicht essbares: die

„Pusteblume“

Stefan hiene beim

Kräuterstand am

Lendplatz.

Page 22: Foodline - CIS.doc#6

biografie

anne sophie hardenberg, kulinarische botschafterin grönlands und der neuen skandinavischen küche,

ist kochbuchautorin und expertin für kräuter und gewürze aus grönland.

Seite 22 Inuit am LendCreative Industries StyriaFoodline 2010

Anne-Sophie Hardenberg ist eine echte

Dame. Charmant und adrett gekleidet be-

grüßt sie des Abends das Publikum, das

schon gespannt auf die Aromen Grönlands

wartet. Nur wer den Blick senkt, stellt fest,

dass Grönland doch etwas anders ist. Denn

Anne-Sophie referiert barfuß über das We-

sen der Grönländischen Küche. Ihr Motto:

„Keep it simple!“

Mitgebracht hat sie neben ihrer guten Lau-

ne und der Freude daran, internationale

Kontakte zu knüpfen, vielerlei Kräuter und

Gewürze. Im Mittelpunkt steht Angelika

– eine Pflanze, die auch bei uns in höheren

Regionen wächst und als Engelswurz eher

in der Volksmedizin als in der Küche be-

heimatet ist. Genau das passt zur Grönlän-

dischen Kulinarik, denn im rauen Norden

steht auch heute noch das functional food

im Vordergrund. Die Nahrung muss Kraft

geben und gegen Krankheiten vorbeugen –

kein Wunder, so nahe am ewigen Eis.

Was Anne-Sophie Hardenberg durch die

ganze Welt führt, ist die Lust, Netzwer-

ke aufzubauen und Kontakte zu knüpfen.

Denn das Eis ist auch in Grönland nicht

mehr ganz so ewig. Dank des Klimawan-

dels steigen die Durchschnittstemperatu-

ren, die Sonnenstunden nehmen zu und die

Wachstumsperiode verlängert sich. Und

damit ist Anne-Sophie Hardenberg immer

auf der Suche nach neuen Impulsen für ihr

ergrünendes Grönland.

Gott sei Dank kein Walfleisch.

Was wir lernen: Vom Kohlrabi ist nicht nur

die Knolle essbar, aus den grünen Blättern

lässt sich eine ausgezeichnete Cremesup-

pe zubereiten. Von Angelika lassen sich

die Blätter, die Samen und die Wurzel als

Gewürz verwenden. Algen sehen nicht gut

aus, schmecken aber trotzdem. Arktischer

Thymian hat ein leichtes Lavendelaroma.

Kocht man Rhabarberkompott dick ein, ist

es eine hervorragende Beilage zu Lamm-

braten.

Grönland goes styria

Dank Kürbiskern & Co gibt es in der Stei-

ermark gewisse Erfahrungen in der Her-

stellung und internationalen Vermarktung

von Powerriegeln. Anne-Sophie Harden-

berg plant ihrerseits einen Grönländischen

Powerriegel auf der Basis von Schwarzbee-

ren und sucht einen erfahrenen Partner für

Produktion und Vertrieb. Ein mögliches

Food-Design-Network ganz nach dem Ge-

schmack der CIS?

Angelika aus Grönland

Warum die grönländische Kräuter- und Gewürzexpertin

Anne-Sophie hardenberg Angelika liebt und was das mit der

steirischen Wirtschaft zu tun haben könnte.

Page 23: Foodline - CIS.doc#6

Seite 23 Inuit am LendCreative Industries StyriaFoodline 2010

handarbeit schafft nähe zum ProduktAm Lendplatz wird gekauft, was vielleicht

auch bald in Grönland wächst

Rhabarberkompott, dick eingekocht als

Beilage zu Lammbraten

“NEUE QUALITäT

DURCH TRADITION IN

NEUEM KONTExT

Page 24: Foodline - CIS.doc#6

Seite 24 Inuit am LendCreative Industries StyriaFoodline 2010

marion Fabianek, guter

Geist der foodline, mit

Anne-Sophie hardenberg

und Andreas Fabianek.

Das Füllen des eismeer-Saiblings

Von der natur designte

Zitronenpresse

Anne-Sophie hardenberg

am Bauernmarkt

Page 25: Foodline - CIS.doc#6

Seite 25 Inuit am LendCreative Industries StyriaFoodline 2010

Ferdinand Fischleder, hausherr des Lendloft, und Anne-Sophie

bunter Salat a la

Anne-Sophie

Die grönländische Küche ist vom

funktionalen Aspekt des Designs geprägt:

nahrung wird gestaltet, um zu überle-

ben. hört man Anne-Sophie hardenberg,

unserem Gast des zweiten Termins zu,

steht das Fooddesign Grönlands vor einer

großen herausforderung:

mit der erderwärmung ändern sich die

klimatischen Voraussetzung für die Land-

wirtschaft und mit der Landwirtschaft

ändert sich die ernährung.

Page 26: Foodline - CIS.doc#6

Seite 26 Steirische FusionCreative Industries StyriaFoodline 2010

Kochen wie zuhause

Bekommt die Thai-Küche einen steirischen Akzent, wenn sie nach

Graz übersiedelt? Wo liegt die Grenze zwischen der Verfälschung des

Originals und dem kreativen Spiel mit neuen einflüssen?

Page 27: Foodline - CIS.doc#6

Seite 27 Steirische FusionCreative Industries StyriaFoodline 2010

Steirisch Fusion muss man von zwei Seiten

betrachten: Die eine Seite ist das multikul-

turelle Miteinander, wenn zwei Thailän-

derinnen, ein Pakistani und ein Anatolier,

unterstützt von einer bulgarischen Work-

shop-Teilnehmerin, nebeneinander und

miteinander kochen. Interessierte Blicke

in Bratpfannen und Kochtöpfe, neugieri-

ges Naschen und viele Fragen bereichern

den Workshop-Alltag. Dabei war dieses

Miteinander gar nicht so einfach zustande

zu bringen, denn die ursprünglich eingela-

dene indische Köchin sagt kurzfristig ab –

Kochen zur Unterhaltung passte doch nicht

ins kulturelle Konzept. Zum Glück tauchte

irgendwo aus dem Netzwerk der Kuratoren

am Vortag der Veranstaltung der Pakistani

Nasir Budd auf und brachte die Idee für ge-

backenen Zander in Curry-Sauce mit.

Die andere Seite beschäftigt sich mit der

Frage nach dem Umgang mit der eigenen

Küche in der Fremde: Der Anatolier Murat

Aygan ist kein Koch, sondern Übersetzer

und Musiker. Die Lust am Improvisieren

und der Spaß am Übersetzen ist in jedem

Gericht freudvoll erlebbar. Schwieriger

zeigt sich die Umsetzung fernöstlicher

Küche: Frische, authentische Zutaten sind

vielleicht für Spitzenköche und deren zah-

lungskräftiges Publikum greifbar, im All-

tag der MigrantInnen stehen Fertigsaucen

und ebensolche Gewürzmischungen im

Vordergrund, die nur noch die Qualität

einer verblassenden Erinnerung zulassen.

Und vielleicht steigt auch mit der Entfer-

nung von der Heimat der Drang zur Be-

wahrung von Traditionen, die letztlich

nicht haltbar sind.

Die protagonisten:

murat Aygan, Anatolien, Übersetzer und

Musiker, seit 1979 in Österreich, seit 1991

in Graz. Seine Eltern sind wieder nach

Anatolien zurückgekehrt, um eine Land-

wirtschaft zu betreiben – sehr zu seinem

kulinarischen Vorteil.

Wir alle fahren gerne auf

Urlaub und genießen die Köst-

lichkeiten fremdländischer

Küche. Diese eindrücke ver-

ändern unseren Geschmacks-

sinn und unsere essgewohn-

heiten. „Steirisch Fusion“

drehte den Spieß um und sah

nach, wie in Graz lebende

migrantInnen kochen.

Pranee Stoiser Rapepan Bergmann nasir Budd murat Aygan

nasir Budd, Pakistan, Koch im

Ganesha, Graz

Rapepan Bergmann, Bangkok,

Inhaberin des AOY Chinashops,

Graz

Pranee Stoiser, Bangkok

Die Workshop-Teilnehmerinnen:

michaela Zingerle

Andrea Wiegelmann

Bernadette Orthaber

heidi hütter

Jasmina Brandstätter, Bulgarien

Die Zutaten:

Äpfel, Apfelessig, Bohnschoten,

Butter, Chiliöl, Curry, Fischsau-

ce, Freilandeier, Gargand, Germ,

Gurken, honig, huhn aus dem

Sulmtal, Ingwer, Joghurt, Jung-

zwiebel, Karotten, Kefir,

Kokoscreme, Kokosmilch, Korian-

der, Kreuzkümmel, Kürbiskerne,

Kürbiskernöl, Kurkuma, Limet-

ten, mehl Typ 480, milch, Papri-

ka, Paradeiser, Pfeffer, Pfefferoni,

Pistazien, Rapsöl, Walnüsse, Reis,

Reisessig, Rosinen, rote Zwiebel,

Salat, Salz, Schafkäse, Senf, Se-

sam, Sojasauce, Sonnenblumenöl,

Sumach, Tapioka, Weizer Lamm,

Zander aus Wildbach, Zitrone,

Zitronengras

Page 28: Foodline - CIS.doc#6

Seite 28 Steirische FusionCreative Industries StyriaFoodline 2010

Bulgarien, Anatolien und Graz vereint am Gemüsestand Abend im Lendloft: Gemeinsames essen führt immer zu Kommunikation

Asiatische Pilze schneiden sich auch nicht anders als steirische.

Page 29: Foodline - CIS.doc#6

Seite 29 Steirische FusionCreative Industries StyriaFoodline 2010

An diesem Abend gab es unter anderem:

s t e i r i s c h - p a k i s t a n i s c h e s z a n d e r c u r r y

t o m k h a g a i - i n g w e r h e n d l s u p p e

a n a t o l i s c h - w e i z e r - l a m m a u f l a u f

a n t e p - h e n d l

h a l t e r b u a m s a l o d

ein eintopf ist

kein einheitsbrei.

naschmarkt im Lendloft

Page 30: Foodline - CIS.doc#6

Seite 30 Sammeln und mischenCreative Industries StyriaFoodline 2010

EklektischeKüchehaya molcho sagt als überzeugte Israelin: eine israeli-

sche Küche gibt es nicht. Also sammelt und mischt sie

alles, was ihr und uns schmeckt, shoppt täglich am

naschmarkt und serviert im neni – oder im Lendloft.

haya molcho

haya molcho goes Lendplatz

statt naschmarkt

Page 31: Foodline - CIS.doc#6

Seite 31 Sammeln und mischenCreative Industries StyriaFoodline 2010

Mit der israelischen Küche ist das ähnlich

wie mit der österreichischen: Die eine ist

ein Sammelsurium der Kochtöpfe der Do-

naumonarchie, die andere wird von den

Rezepten der Juden, die aus aller Welt nach

Israel kamen, befüllt. So ist das Sammeln

und Mischen in der israelischen Küche eine

zwar junge, aber umso lebendigere Tradi-

tion, stark beeinflusst von Obst, Gemüse,

Kräutern und Gewürzen des Orients. Haya

Molcho ergänzt diese Vielfalt um weitere

Einflüsse, die sie von ihren Reisen in alle

Welt mitbringt.

Sie überrascht die foodline mit der Idee,

ein ganzes Menü rund um Melanzani zu

zaubern, knapp 20 Kilo werden insgesamt

verarbeitet. In Israel gibt es rund 200 Me-

lanzani-Rezepte, die 10 Workshop-Teil-

nehmerInnen können also aus dem Vollen

schöpfen: Baba Ganusch, asiatische Me-

lanzani süß-sauer, Melanzani-Falafel und

eine Melanzani-Cremesuppe stehen unter

anderem am Speiseplan. Haya mag es,

wenn Melanzani rauchig schmecken, also

werden dutzende der Früchte ohne Pfanne

direkt auf der Gasflamme angebraten bis

sie verkohlen und zu brennen beginnen.

Keine Sorge: Gegessen wird dann natür-

lich nur das durchgegarte Innere. Franz

Peier und Haya Molcho erfinden extra für

die foodline die neue israelisch-österrei-

chische Küche: Rittergulasch, kongenial

begleitet von Melanzani-Püree.

EklektischeKüche

biografie

haya molcho ist rumänischer ab-

stammung und wurde 1955 in tel

aviv geboren. mit 9 jahren zog sie

mit ihren eltern nach bremen und

studierte psychologie. 1978 heira-

tete sie samy molcho und liess sich

mit ihm in wien nieder. sie beglei-

tete samy auf seinen tourneen und

erkundete die küchen der welt.

nach der geburt ihrer vier söhne

gründete sie vor 9 jahren ihr cate-

ring und eröffnete 2009 das neni

am wiener naschmarkt.

ihren zugang zum kochen verdankt

sie ihrer familie: ihr grossvater

war zahnarzt am land und wurde

oft mit obst und gemüse entlohnt.

so lernte sie mit ihrer grossmut-

ter und mutter, wie man steigen-

weise paradeiser, melanzani und

co frisch vom feld variantenreich

verarbeitet.

Franz Payer und haya

molcho als kongeniales

Duo am herd

MISCHEN POSSIBLE –

GRENZÜBER-

SCHREITENDES

SAMMELN ALS

FRIEDENSPROJEKT

Zwischenverkostung

Page 32: Foodline - CIS.doc#6

Seite 32 Creative Industries StyriaFoodline 2010

Sammeln und mischen

new Yorker Cheese-Cake

eine der melanzani-

Variationen dieses Tages

Workshop, äußerst gut besucht

Page 33: Foodline - CIS.doc#6

Seite 33 Creative Industries StyriaFoodline 2010

Sammeln und mischen

einfach nur Zwiebel ...

Vielfalt führt

zu Genuss

Franz Payer kümmert

sich rührend um sein

Ritter-Gulasch.

So gelangen die Röstaromen

ins spätere melanzani-Pürree.

Page 34: Foodline - CIS.doc#6

Seite 34 Creative Industries StyriaFoodline 2010

Sammeln und mischen

Tipp!haya molchos

Neni-Kochbuch „Lust auf fremde

Küche“Amalthea Verlag,

ISBN 978-3850027038

haya molcho demonstrierte

das friedliche Miteinander

von Israel und seinen

Nachbarländern in der Küche.

„Sammeln und Mischen“,

das Motto des Abends, ist

letztendlich eine Grundhaltung

aller kreativen Menschen.

Page 35: Foodline - CIS.doc#6

Seite 35 Creative Industries StyriaFoodline 2010

Sammeln und mischen

r e z e p t e

Krauthäuptel-WrapsGrößere Blätter vom Grazer krauthäuptel

auflegen und mit klein gewürfelten para-

deiser und Gurken, geriebenen kürbisker-

nen, etwas frischkäse, frischen kräutern

und ein wenig olivenöl belegen. Salatblatt

an den Enden einklappen, zusammenrollen

und mit schnittlauch zubinden.

Kohlrabi-CremesuppeGeschnittene kohlrabi-Blätter und klein

gehackte Zwiebel in Butter anschwitzen,

mit Gemüsefond aufgießen und mit ange-

lika-Blättern (frisch oder getrocknet) wür-

zen. Köcheln, mit schlagobers aufmixen

und weiterköcheln. Vor dem Servieren mit

salz , pfeffer und geriebenem muskat ab-

schmecken.

huhn in honig-Senf-Saucehühnerbrust in nussgroße Stücke schnei-

den und durch verquirltes ei ziehen. Lang-

sam in einer Öl-Butter-Mischung anbraten,

bis die Stücke cross sind.

senf und honig im Verhältnis 1:3 zu einer

sämigen Sauce verrühren, mit etwas Zitro-

nensaft, Zitronenzesten und Granatapfelsi-

rup verfeinern.

Rittergulasch mit melanzani-PüreeAus paprikapulver und Gulaschfleisch vom

Wadl mit der gleichen Menge an Zwiebel

nach klassischem Rezept ein Gulasch zube-

reiten. Das Gulasch mit rotwein, ingwer,

kreuzkümmel und koriander verfeinern.

Paprika anrösten, die Haut abziehen und

pürieren, dieses Püree zum Schluss unter

das Gulasch rühren. Für das Melanzani-

Püree ganze melanzani rösten oder grillen.

Die angeröstete Haut abziehen, das gare

Fruchtfleisch klein schneiden.

Eine Bechamel zubereiten, mit den Me-

lanzanistücken pürieren und mit Salz und

Pfeffer abschmecken. Das Püree wird als

Beilage zum Gulasch serviert.

Tipp für melanzani:

Je leichter die früchte sind, desto

weniger kerne stecken drin!

new Yorker Cheese-Cake1 Packung Butterkekse mit einem Cutter

zerkleinern, mit einem Esslöffel zerlasse-

ner Butter und einem Esslöffel Zucker ver-

mischen. Die Masse mit den Händen fest

auf einen Tortenblech-Boden drücken, so-

dass ein millimeterdünner Boden entsteht.

Diesen Boden im Rohr bei 180°C für 5 Mi-

nuten backen.

Für die Cheese-Masse 4 eier mit 10 dag

Zucker mixen, bis eine sämige, hellgelbe

Creme entsteht. 38 dag ricotta, 13 dag phi-

ladelphia und 63g zerlassene Butter beige-

ben und gut durchrühren.

Diese Masse über den Boden verteilen und

das Ganze bei 170°C 45 Minuten lang im

Ofen backen.

Danach erkalten lassen und als Glasur ei-

nen Becher sauerrahm, mit etwas Zucker

gesüßt, über den Kuchen geben.

Page 36: Foodline - CIS.doc#6

Seite 36 Creative Industries StyriaFoodline 2011

einleitung

Open | food| Design

di e h e r st e l lu ng von na h ru ng s m i t t e l n a l s i n du st-r i e l l e r p roz e s s u n t e r l i e gt e b e n s o st r e nge n c op y-r igh t s w i e j e de r a n de r e i n du st r i e l l e de s ign p ro -z e s s. di e r ez e p t u r, de r h e r st e l lu ng s p roz e s s, di e da z u e r f or de r l ic h e n m a s c h i n e n, da s e n dr e su ltat: di e l e b e n s m i t t e l kon z e r n e s ic h e r n s ic h a l l e r e c h t e.

Doch auch hier gibt es Open Source Lösun-

gen: 3D Food Printer sind Roboter, mit de-

ren Hilfe essbare 3D Fooddesignobjekte er-

schaffen werden. Sowohl die Baupläne wie

auch die Steuerungssoftware sind als Open

Source verfügbar.

Das lädt zum Spielen ein: Bei der Foodline

2011 wurde mithilfe mehrerer selbstgebau-

ter 3D Food Printer im Rahmen des Work-

shops OPEN | food | DESIGN einenhalb

Tage lang experimentiert. Die Designmög-

licheiten, die die Maschinen bieten, wurden

erforscht und ausgelotet.

Natürlich korrelierte die Bestandszeit der

Designobjekte umgekehrt proportional mit

der Qualität des Geschmacks: Essbare De-

sign-Mandalas, im Open Source Raum kom-

poniert und in Graz postwendend verspeist:

Die Objekte konnten beim abendlichen

Event am Samstag, den 21. Mai ab 18.00 Uhr

sowohl betrachtet als auch im Rahmen des

von Franz Paier kreierten robotic dinner

verköstigt werden.

“DER DESIGNER ALS

UNIVERSALGESTALTER? OPEN DESIGN ALS

VIRTUELLE KREATIVEN-ZYKLOPäDIE? WARUM

NICHT!

”martin Krammer

Foodline 2011

Weingelee, bedruckt mit

maronipuree - ein Projekt

von Florian Puschmann,

White elephant

Teekanne aus erdäpfelpuree, printed by makerbot

Page 37: Foodline - CIS.doc#6

Seite 37 Creative Industries StyriaFoodline 2011

einleitung

relaTeD liNkswww.white-elephant.atwww.fluid-forms.com

2D-Vorlage der

3D-Teekanne

proGramm:

1. Workshop

mit Spontanvorträgen von White Elephant,

Fluid Forms, Philip Steffan von Open Design

City, Berlin, etc:

2. opeN proDucTioN

3. roBoTic DiNNer

Kochweltmeister Franz Peier bringt Open

Design geschmacklich zur Entfaltung.

Ort Lendloft, Lendplatz 40, 8020 Graz

protagonisten

martin krammer: „open food design war ein riesenexperiment, das gezeigt hat,

welches entwicklungspotenzial in der idee der open source 3d drucker sache

steckt. während es heute noch etwas schwierig erscheint, werden schon bald

3d drucker die haushalte und küchen erobern. besonders fein war, dass so viele

ihre drucker gebracht und mitgemacht haben.“

andreas fabianek:, „die foodline 2011 hat gezeigt, welches potenzial im

zusammenführen von kreativen kräften aus unterschiedlichsten fachgebieten

liegt. der offene zugang zu einem vermeintlich artfremden thema öffnet scheu-

klappen und führt erstaunlich schnell zu ergebnissen, die inspirieren und mög-

lichkeiten zeigen wie sich einzementierte systeme und prozesse erneuern lassen.

der designer als universalgestalter? open design als virtuelle

kreativenzyklopädie? warum nicht!“

eines der unerlässlichen

Tools, um Open Source-

3D-Drucker am Laufen zu

halten.

Page 38: Foodline - CIS.doc#6

Seite 38 Creative Industries StyriaFoodline 2011

Stimmungsbilder ausder Zukunft

Wer sich Designschmieden so vorstellt, wie es Filmregisseure

gerne tun, lernt hier eine gänzlich andere Wirklichkeit kennen:

Ein langer Tisch, ein paar Bänke und Stühle, jede Menge Laptops

und drei seltsam anmutende, ratternde, blinkende und leuchtende

Holzkistchen, die ungefähr so visionär aussehen wie Seifenkisten.

Davor (ausschließlich) Männer jüngeren Alters, die Starwars-Me-

lodien summen, in die Tasten hauen um gleichzeitig zu program-

mieren, blogs zu füllen und via facebook zu kommunizieren. Wer

gerade nicht in die Tasten hämmert, hat zwei Optionen: in der Kü-

che Pasten fabrizieren, die fein genug sind, um klumpenfrei durch

die Druckköpfe der 3D Printer zu laufen oder fasziniert zusehen,

wie das Drucken in seltenen Fällen doch funktioniert.

WomiT DruckeN 3D-fooD priNTer?

Faktum ist, dass sich selbst fabrizierte Pasten kaum zum Drucken

eignen, denn haushaltsübliche Mixer und Cutter pürieren selten

fein genug um Konsistenzen herzustellen, die durch enge Druck-

nadeln passen.

Was VoN DeN leBeNsmiTTelTesTs BlieB:

1. Nutella lässt sich wunderbar drucken, aber nur zu zweidimensi-

onalen Bildchen. Dafür kann mit Nutella so fein gedruckt werden,

dass auf der Basis bildbearbeiteter Fotos auch wieder erkennbare

Portraits entstehen.

2. Feine Leberstreichwurst ist nur in Ausnahmefällen wirklich

fein genug – meist klemmen doch feine Knorpel in der Nadelspitze.

Industrie-Kartoffelpüree erweist sich als ideal, weil auch dreidi-

mensionale Formen druckbar sind, die anschließend im Backofen

knusprig aushärten können.

3. Maroni-Püree funktioniert so lala – einfache, zweidimensionale

Muster sind jedenfalls machbar.

4. Da die Drucker ursprünglich Kunststoffschnüre schlucken, die

sie schmelzen und anschließend als Druckmaterial verwenden,

startet ein Versuch mit Fruchtgummi-Schnüren, die allerdings

nicht steif genug sind, um den Transportmechanismus im Drucker

zu überstehen.

Stimmungs-bilder aus

der Zukunftdas l en dlof t w u rde dr ei tage von erf i n dergeist du rch w eh t, a b u n d zu a ngef eu-

ert von dr aussen toben den gew i t t ern. u n d w er w eiss, was passi ert wä r e, h ät t e ei n

bli tz i n ei n en der 3d-foodpri n t er ei ngesch l agen.

relaTeD liNkswww.opendesigncity.de

nein, es ist nicht wurscht,

womit man druckt.

Page 39: Foodline - CIS.doc#6

Seite 39 Creative Industries StyriaFoodline 2011

Stimmungsbilder ausder Zukunft

Testmaterial für

DruckköpfeDer Druckkopf

des makerbot

Social networking: ein

permanenter Begleiter

der Foodline

“OB MAN MIT

WASABI AUCH DRUCKEN

KANN?

”Franz Payer

5. Topfencremen, Frischkäse, Teigvarianten

und Wasabi-Paste standen in der Wartschlei-

fe, konnten jedoch nicht mehr ausreichend

ausgetestet werden.

NichTs isT eiNfach

Wir leben in einer Welt, in der wir die Tech-

nik dazu drängen, auf Knopfdruck und mög-

lichst simpel zu funktionieren. Der Workshop

zum Open Food Design machte allerdings

eindrucksvoll sichtbar, wie weit der Weg von

einer ersten Idee zu einem Produkt für den

Haushalt wohl wirklich sein muss.

Nehmen wir als Beispiel den gelungensten

Versuch, den 3D-Druck mit Kartoffelpüree:

Freitag Nachmittag: Das angerührte Pü-

ree hat sehr zufällig eine Konsistenz, die

sich wunderbar drucken lässt. Nach ersten

Tests gelingt der 3D-Druck einer Miniatur-

Teekanne, die aufgrund ihrer komplexen

Form als Referenzobjekt des 3D-Druckens

schlechthin gilt. Was leider unbekannt ist:

Wie viele Kartoffelflocken wurden mit wie

viel Wasser angerührt? Spielen Raumtem-

peratur, Luftdruck und relative Luftfeuchte

auch eine Rolle?

Samstag Vormittag: Das flugs neu angerühr-

te Püree erweist sich als zu fest und daher

nicht druckbar. Die richtige Rezeptur wieder

zu finden, dauert eine kleine Ewigkeit.

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Seite 40 Creative Industries StyriaFoodline 2011

Stimmungsbilder ausder Zukunft

beeing part of a revolution

fluiD forms

Fluid Forms wurde im Jahr 2005 gegründet. Auf

fluidforms.com kann jeder Produkte wie Schmuck,

Leuchten, Möbel und Accessoires selbst gestalten,

die dann mittels 3D-Drucker, Lasercutter oder CNC-

Fräse als Einzelstück produziert werden.

haNNes WalTer, fluiD forms

Hannes Walter, einer der Gründer von Fluid Forms,

bezeichnet sich selbst als „digitalen Handwerker“. Er

studierte Mediendesign in Vorarlberg und die Grund-

idee zu Fluid Forms war Thema seiner Diplomarbeit

und agiert auch als Product Manager bei Evolaris. „Es

ist spannend bei einer neuen Revolution dabei zu sein,

die weg vom Massenprodukt hin zur individuellen

Fertigung führt – on demand statt Überproduktion.“

Die bei der Foodline verwendeten 3D Foodprinter sieht

er als lustiges Utensil, das sich privat ebenso wie in

Restaurants einsetzen lassen. Sie sind sozusagen der

Anfang einer neuen Geschichte, die bis zu den Repli-

katoren von Startrek führen, die Nahrung in jeder ge-

wünschten Gestalt erzeugen. Vielleicht ergibt sich ja

daraus eine digitale Variante zur molekularen Küche.

sTepheN Williams, fluiD forms

Stephen hat Informatik und Design studiert. Sein Spezialgebiet

ist die „generative Gestaltung“, also das Schreiben von Software,

die die Aufgaben unserer Hände weiterführt. Im Rahmen der

Foodline widmete er sich folgenden Projekten:

– 3D-Modelling einer Kuh, um sie in mehreren zusammen-

zusetzenden Teilen auszudrucken;

– Durchführung von Materialtests wie z.B. Leberpastete

(gescheitert);

– Generierung von nachträglich in der Küche befüllbaren

Hohlformen

philip sTeffaN, opeN DesiGN ciTY / BerliN

Open Design City ist eine offene Creativwerkstatt in Berlin, in der

Arbeitsplätze und Maschinen bereit stehen, mit denen jeder Ide-

relaTeD liNkswww.makerbot.com

mach mal Pause: Das Workshop-Team

auf der Terrasse des Lendloft

Tobias Kestel, White elephant und Philip

Steffan, Open Design City

Page 41: Foodline - CIS.doc#6

Seite 41 Creative Industries StyriaFoodline 2011

Stimmungsbilder ausder Zukunft

en ausprobieren und verwirklichen kann. Das Aufeinandertref-

fen unterschiedlichster Projekte führt zu immer neuen und oft

überraschenden Ideen. Philip Steffan hat seit zwei Jahren einen

3D-Printer in Betrieb, der üblicherweise Kunststoffmodelle pro-

duziert. Die Versuche, statt mit Kunststoff mit Lebensmitteln

zu drucken, sind neu – der Druckkopf, der dazu in der Lage ist,

steht erst seit Donnerstag, 19. Juni zur Verfügung.

Philips Erfahrungen:

Das größte Problem war, Druckmaterial, Druckkopf und Druck-

parameter aufeinander abzustimmen. Dabei galt es, folgende

Parameter aufeinander abzustimmen: Konsistenz des Druck-

materials, Durchmesser der Kanüle, Anpressdruck, Druckge-

schwindigkeit und Temperatur.

„3D-Foodprinting eignet sich zur Individualisierung von z.B.

Gebäck und Süßigkeiten in Form, Farbe und Geschmack. Aber

wer weiß, was sich daraus entwickelt: Auch der Synthesizer wur-

de als Instrument entwickelt, das wie eine Geige klingen sollte

– tatsächlich brachte er eine neue Qualität mit eigenen Klang-

räumen in die Musik ein.“

“ES IST SPANNEND BEI EINER NEUEN REVOLUTION DABEI

ZU SEIN, DIE WEG VOM MAS-SENPRODUKT HIN ZUR IN-DIVIDUELLEN FERTIGUNG

FÜHRT – ON DEMAND STATT ÜBERPRODUKTION.

”hannes Walter

Wenn Lasercutter aus

Waffeln spielen ...

Buffet-Werkzeug, beigesteuert

von Günther Gölles

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Seite 42 Creative Industries StyriaFoodline 2011

Wenn maschinen mit essen spielen

Wenn Maschinen mit Essen spielen

WhiTe elephaNT

Every Body is a Universe – White Elephant stellt Metho-

dik und Philosophie ins Zentrum der Gestaltungsprozes-

se. Das Team ist dem Wesen des Materials verpflichtet

und dabei auf der permanenten Suche nach dessen ver-

borgenen Qualitäten – ein dauerhafter Zustand der Re-

cherche, der sich in Beschaffenheit, Form und Funktion

der Objekte niederschlägt. Dies bedeutet: Das Spiel der

Kräfte zu beobachten, Qualitäten aufzuzeigen, Poten-

ziale freizulegen. Es bedeutet Produkte zu schaffen, die

abseits von Moden und kurzlebigen Trends, nachhaltige

Gültigkeit und Verständlichkeit beweisen.

floriaN puschmaNN, WhiTe elephaNT

Florian Puschmann näherte sich dem Foodline-Projekt

mit einer Fülle konzeptiver Ansätze, deren Umsetzung

jedoch an der zeitaufwändigen Auslotung der prakti-

schen Möglichkeiten (vorerst) scheiterte.

Nicht umgesetzte Ideen waren:

1) das Spiel mit der Entfremdung von Essen – also Karot-

ten aus Kartoffeln, Kartoffel aus Sellerie – Sellerie aus

Faschiertem etc.

2) das Schaffen offenporiger, schaumiger Strukturen, die

in Folge mit Flüssigkeiten befüllbar sind

3) Das Drucken von Portraits Prominenter mit dem pü-

rierten Lieblingsessen der jeweiligen Person als Druck-

material.

Realisiert hat Florian Puschmann schwebende Weinge-

lee-Ornamente. Das heißt er produzierte in der Küche

eine Schicht Weingelee, die mit Ornamenten aus Maroni-

creme bedruckt wurden.

Kleiner Löffel,

selbst gedruckt

So also sieht ein 3D-

Drucker aus, den man

selbst basteln kann.

Page 43: Foodline - CIS.doc#6

Seite 43

ToBias kesTel, WhiTe elephaNT

Der Industrial Designer war für das Forellenprojekt

der Foodline zuständig und demonstrierte damit

sozusagen die Ebene der Druckvorstufe. Auf Basis

der Umrisse und Fotos einer real existierenden Fo-

relle gestaltete er ein essbares 3D-Objekte. Dieses

Objekt ist ideal an die Form der Forelle angepasst

und in Kammern unterteilt. Diese Kammern wer-

den in der Küche mit passenden Dips befüllt und

auf dem Objekt wird die Forelle serviert.

“3D-FOODPRINTING EIGNET SICH ZUR INDIVIDUALISIE-

RUNG VON Z.B. GEBäCK UND SÜSSIGKEITEN IN FORM,

FARBE UND GESCHMACK. ABER WER WEISS, WAS SICH

DARAUS ENTWICKELT.

”Philip Steffan

Printing in progress

Theoretischer Diskurs über das

praktische Befüllen des makerbot

Franz Paayer produziert analoge

Stärkung für kreative Köpfe

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Seite 44 Creative Industries StyriaFoodline 2011

Stimmungsbilder ausder Zukunft

“UMAN WEISS JA NIE, WOHIN DIE DINGE FÜHREN.

”Wolfgang Thiel

“FA K T E N E R H E B E N , Z I E L G R U P P E N E R FA S S E N , M A R K T P O T E N Z I A L

H E R A U S F I L T E R N . D A S I S T U N S E R E H E R A N G E H E N S W E I S E .

”motion code: blue

GerNoT sTaNGl, Tu GraZ

He has a degree in architecture from the technical

university in graz, where he is also teaching. has

done many things. he is middle aged and no photos of

him exist. Gernot Stangl hat an der TU mittels eines

Drei-Arm-ABB - Industrieroboters Präsizionsfritat-

ten, perforierte Noriblätter, und dem Waffelmuster

folgend Waffeln geschnitten und all dies letztlich

beim samstagabendlichen Event präsentiert.

GüNTher GÖlles

Günther Gölles von innovativ.at – Innovationsbe-

ratung und Medienproduktion ist stolzer Besitzer

zweier 3D-Printer. Die Kunststoffteile des neueren

Modells wurden vom älteren Modell produziert. Er

erfuhr vom Foodline-Projekt und stieß am Samstag

aus Eigeninitiative hinzu. Ihn fasziniert 3D-Prin-

ting als Möglichkeit, Ideen angreifbar zu machen.

Er produzierte auf seinem Makerbot einen Kunst-

stofflöffel.

FraNZ paier, kochWelTmeisTer / GraZ

Was sagt nun einer, der ein echter Experte in Sachen

Kochen ist, zu Experimenten, bei denen Fertig-Kar-

toffelpüree von seltsamen Maschinen in seltsame

Formen gebracht wird? Franz Paier begleitete die

abendliche Vernissage der Druckerzeugnisse mit ei-

nem gewohnt eindruckvollen Menü, bei dessen Zu-

bereitung er ebenfalls auf verschiedenste Stilmittel

der Verfremdung zurück griff. Leuchtend rot einge-

färbte Polenta und mit dem Heißluftföhn knusprig

gebratene oder mit dem Bügeleisen bearbeitete Fo-

rellen. Sein Kommentar zum 3D-Food-Printing ist

lapidar: „Man weiß ja nie, wohin die Dinge führen.

Am Anfang der Schönheitschirurgie stand auch

Dr. Frankenstein mit seinem Monster und heute

haben wir Pamela Anderson.“

WhaT aBouT TihuaNa?

Im Laufe des Events am Samstag Abend versuch-

te Kurator Martin Krammer verbissen mit Raul

Cardenos Osuna vom Torolab (www.torolab.org)

Kontakt aufzunehmen. Schließlich hätte man

jeden Makerbot zumindest theoretisch von je-

dem Online-Platz der Welt aus steuern können.

Hier die Idee, die aus Tihuana kam: Raul wollte

im Lendloft als Gruß aus Mexico das 3D-Modell

What about Tihuana?

Die heißluftpistole als

alternatives Küchengerät

Page 45: Foodline - CIS.doc#6

Seite 45 Creative Industries StyriaFoodline 2011

einer Cola Light-Flasche drucken lassen. Warum

das Sinn gemacht hätte, ist leicht erklärt: Jeder Me-

xikaner konsumiert 160 Liter Softdrinks im Jahr

– damit wechselt sich Mexiko mit den USA in der

Weltführerschaft im Pro-Kopf-Verbrauch ab. Der

letzte National Health and Nutrition Survey zeigte,

dass Familien mit niedrigem Einkommen 7,5% ihres

Budgets für Softdrinks ausgeben, Softdrinks Milch

ersetzt haben und Diabetes Mellitus ein Verbrei-

tungsniveau erreicht hat, dass von der Regierung als

Epidemie bezeichnet wird.

aBouT TorolaB

Torolab, is a collective workshop/laboratory of con-

textual studies that identifies situations or phenome-

na of interest for research. The result of this inves-

tigation should, in some way, enhance the „quality

of life“ (starting with our own). The projects are

being developed according to our own competences

and collaboration with other artists and experts in

the fields that we are studying and investigating.

The themes that we have developed until now range

from research on the identity of the border region,

to housing and security to community building and

survival-the areas of concern are as broad

and varied as the lifestyles and environs

we‘re studying. The traces we leave behind

with these investigations go from such things

as Urban Interventions, Media Projects,

Construction Systems, Survival Units to eve-

ryday things like furniture and clothing.

makerBoT iNDusTries

3D-Objekte aus Kunststoff zu drucken ist

längst nichts Neues mehr. Dank MakerBot

Industries, 2009 gegründet, und anderer Un-

ternehmungen wurden die teuren 3D-Dru-

cker aber plötzlich leistbar. Denn sowohl die

Steuerungssoftware als auch die Baupläne

für die Hardware stehen als Open Source-

Daten im Web. Und wer sich seinen eigenen

„Thing-o-matic“ 3D-Drucker nicht selbst

bauen will, kann auf fertig zusammenge-

stellte Bausätze um $1299,- zurückgreifen.

Die Open Source 3D-Drucker bieten dabei

die gleichen Stärken wie alle Open Source-

Projekte: Hard- und Software werden in

der User-Comunity laufend weiter entwi-

ckelt und an individuelle Aufgabenstel-

lungen angepasst, sodass letztlich kein

MakerBot dem anderen gleicht. Auch bei

der Foodline waren unterschiedliche Ge-

nerationen im Einsatz, wobei die Kunst-

stoffteile der neuesten Version am Vorgän-

germodell gedruckt worden sind.

ein Workshop, der eindeutig mehr

als heiße Luft produzierte

Da sich Pasta-Teig nicht

drucken lässt, wurde er

traditionell verarbeitet.

Die schmackhaftesten 3D-Objekte

kommen noch immer aus der natur.

Page 46: Foodline - CIS.doc#6

“fooddesign ist vielleicht der

nachhaltigste von allen designprozessen. denn es wird von

makroökonomischen strukturen ebenso geprägt,

wie es zugleich bis tief in die zelluläre architektur

unseres körpers eindringt.

martin Krammer & Andreas Fabianek

Page 47: Foodline - CIS.doc#6

– konzept:Projektmanagement: Barbara TscherneText: Andreas BraunendalFotos: Andreas Braunendal, Josef heiglGrafik Design: moodley brand identity

– impressum:herausgeber: Creative Industries Styria GmbhGeschäftsführer: eberhard Schrempf marienplatz 1, 8020 Graz, Austria T: +43 316 890 598, e: [email protected], Dezember 2011

Page 48: Foodline - CIS.doc#6

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