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PRIVATE BANKING Viktor Dellos #Etoro („Dellos“) 1 243 220 % angebl. Gewinn seit 10/2012 99,2 % maximaler Verlust bisher 2000 Kopierer (fünftbeliebtester Trader) 53 000 Follower Riesengewinne, aber keine persönlichen Äußerungen: Viele halten Dellos für einen Computer. Die Wahrheit ist noch schräger.

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PRIVATE BANKING

Viktor Dellos#Etoro („Dellos“)

1243220 % angebl. Gewinn seit 10/2012

99,2 % maximaler Verlust bisher

2000 Kopierer (fünftbeliebtester Trader)

53000 Follower

Riesengewinne, aber keine persön lichenÄußerungen: Viele halten Dellos für einenComputer. Die Wahrheit ist noch schräger.

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Mit seinen Fans könnte Vik-tor Dellos ein ganzes Fuß-ballstadion füllen: Mehrals 53 000 Nutzer verfol-gen seine Devisenstrate-

gie auf dem Social-Trading-Portal Etoro,einer Art Facebook für private Investo-ren. Rund 2000 Anleger kopieren seineHandelsgeschäfte.

1 243 220 Prozent Gewinn soll Delloslaut Etoro in den vergangenen zwei Jah-ren gemacht haben. Wer genau sich hin-ter dieser phänomenalen Performanceversteckt, ist ein großes Geheimnis. Inseinem Händlerprofil verrät Viktor Del-los nur, dass er in Deutschland lebt, alsVersicherungsmakler gearbeitet hat undan Jesus Christus glaubt. Dellos habeeine „so unglaubliche Rendite, dass göttliche Hilfe vermutet werden kann“,schreibt Blogger Forexchef, der 10 Pro-zent seines Kapitals bei Dellos inves-tierte. Ein anderer namens Weiforexwundert sich, dass Dellos „nie mensch -liche Worte spricht“. Auf dessen Trader-Seite finden sich hauptsächlich Bibel -zitate, die auch ein mit einer Textdateigefütterter Roboter abspulen könnte.Viele Leute hätten den Verdacht, dassDellos ein Computerprogramm sei,schreibt Blogger Weiforex. Er vermutedas manchmal auch. Aber: „Who cares?Solange er weiter Geld für uns verdient!“

Die Plattform Etoro, auf der Delloshandelt, ist mit 3,5 Millionen NutzernWeltmarktführer im Social Trading. Sie

ermöglicht es Privatanlegern, ihr Ver -mögen von Gleichgesinnten verwaltenzu lassen. Seit Banker landauf, landab inVerruf stehen, gilt Social Trading in derSzene als das nächste große Ding. Das Internet hat die Medien, die Telekommu-nikation und den Handel revolutioniert,warum nicht auch die Geldanlage? Zu-mal ein Viktor Dellos mit seiner sagen-haften Rendite ja eine Alternative zu her-kömmlichen Anbietern zu sein scheint.

Plattformen wie Etoro, Ayondo oderWikifolio führen Gewinnranglisten, vondenen Fondsmanager nicht zu träumenwagen. Bei ihnen spekulieren Studentenebenso wie ehemalige Banker, Unterneh-mer oder Topmanager. Sie alle legen ihrDepot offen und lassen es kopieren. Da-für bekommen sie von den Plattformbe-treibern Geld. Populäre Trader erzielenso mehrere Tausend Euro im Monat. DieBetreiber wiederum kassieren Gebührenvon den Anlegern oder verdienen als Bro-ker beim Handel mit.

„JEDER KÖNNTE EIN TRADER SEIN“Hunderte Millionen Euro haben Anlegerbereits ins Social Trading investiert. DiePortale schwärmen von der Schwarm -intelligenz ihrer Nutzer. „Wenn die Besu-cher auf dem Markt das Gewicht einesOchsen schätzten, war der Durchschnittder Schätzungen meist erstaunlich nahan der Wahrheit“, sagt Robert Lempka(47), ehemals Trader bei Goldman Sachs,der von Frankfurt aus die Plattform

Ayondo leitet. Die Unternehmensbera-tung Horváth & Partners hat Ayondo ineiner Studie als eines der zwölf heißestenFintech-Start-ups identifiziert.

Auch der Wiener Wettbewerber Wiki-folio will an das Geschäft der Banken.„Wir stehen vor einer radikalen Verände-rung“, verkündet Entwicklungschef Ste-fan Greunz (35) auf dem Hamburger Bör-sentag im vergangenen Oktober. „Mussman immer zur Hausbank? Kann mandas in Zeiten von Facebook nicht auchschlauer machen? Gibt es da draußennicht Leute, die es besser können?“,fragte er. „Jeder von Ihnen“ könne ein Tra-der sein, rief Greunz ins Publikum, dasim Schnitt deutlich über 50 Jahre alt war.

Zu Wikifolios Vertriebspartnern ge-hört laut Greunz die Commerzbank-Tochter Comdirect. Die sparkassen -eigene Onlinebank S-Broker habe sogarSparpläne auf Wikifolio-Zertifikate auf-gelegt. 75 Prozent seiner Trader schlügenden Markt, behauptet der Marketing-mann stolz. Allerdings nur für den sta -tistisch wenig aussagekräftigen Zwei -wochenzeitraum vom 15. Juli bis zum 1. August 2014, wie die Fußnote seinerPräsentationsfolie verrät.

Mit solch selbst gestrickten Kurzfrist-betrachtungen gibt sich Yoni Assia (33)nicht zufrieden, wenn er die Überlegen-heit seines Geschäftsmodells beweisenwill. Der Gründer des BranchenprimusEtoro ist nicht nur der Größte, sondernauch der Lauteste der Branche. Der Is-

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SOCIAL TRADING Finanznetzwerke wie Wikifolio preisen ihre Starhändlerbereits als echte Alternative zu professionellen Fondsmanagern. Dochan der Börse scheitert die Schwarmintelligenz.

#AUSGESCHWÄRMT

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kleinen Peugeot und isstbeim Italiener am liebstenden Salat mit Meeresfrüch-ten.

Am 9. November 2011 er-öffnete Dellos mit 50 Dollarein eigenes Etoro-Konto. Erhatte sich vorher ein biss-chen schlaugemacht undeinen dort bereits aktivenFreund ausgefragt. „Ichhatte null Ahnung. Ich saßim Keller am Computer,diese Plattform vor mir, undich musste kaufen oder ver-kaufen“, erinnert sich Del-los. Er dachte, es sei Zeit zukaufen. „Aber meine Handmachte etwas anderes, undich verkaufte.“ Und das seikein Zufall gewesen, sagt er.

„Gott hat meine Hand ge-führt – hierhin, dahin. Eslief einfach wie geschmiert“,sagt Dellos und lächelt. Erhatte sich vorgenommen,auf Etoro Geld zu verdie-nen – für etwas Wohltäti-ges: Eine Begegnungsstättefür Ältere wollte er bauen.

Dem lieben Gott schien derPlan zu gefallen. Aus demHandgelenk heraus gelangDellos ein Trade nach dem an-deren. Er musste nicht einmaldie ganze Zeit vor dem Schirmsitzen. Beim Renovieren sei-ner Wohnung ließ er damalseinfach den eingeschaltetenLaptop im Raum stehen undhörte „das ‚kling kling kling‘,wenn eine Position im Plus ge-schlossen wurde“. Er legtmeist Stopppunkte fest, die ei-nen Trade bei einer bestimm-ten Gewinnhöhe beenden.

Dann habe Gott Dellos in ei-ner Vision offenbart, dass dasbritische Pfund von knapp1,50 Dollar auf mehr als 1,57Dollar steigen werde. Mit Vi-sionen weiß er umzugehen,einen Erlebnisbericht über dieBegegnungen mit Jesus unddem Gott vater hat er ins Webgestellt. Der Tipp mit demPfund wird darin nicht erwähnt, dabei war der wirk-lich gut. „Mit den Briten habeich viel Geld verdient“, sagtDellos. Nach einem Jahr lagen200 000 Euro auf seinem

raeli führt gern akademi-sche Autoritäten für sichins Feld. „Mehrere wissen-schaftliche Untersuchun-gen wie von Professor Sandy Pentland vom Mas-sachusetts Institute ofTechnology (MIT) oder wiedie von der Universität Bo-chum unterstreichen, dassSocial Trading tatsächlichzu einer Verbesserung derErträge führt“, behaupteteAssia in einem Interview.

Tatsächlich stehen viele interessanteDetails in den genannten Arbeiten, dieAssia allerdings lieber nicht erwähnt.„Insgesamt verlieren die meisten Inves-toren bei Etoro ihr Investment“, heißt esin der von Assia zitierten Studie des MITvon 2012. 84 Prozent der Kunden hättenzwischen August 2010 und Januar 2012Geld verloren. Eine andere Untersu-chung des MIT von Oktober 2014 bestä-tigte dieses Ergebnis für ein nicht na-mentlich genanntes Social- Trading-Netzwerk: „Ein großer Anteil von 85 Pro-zent der Trader sind Verlierer mit einemfinalen Nettoverlust.“ Basis sind die Da-ten von 81 300 Tradern zwischen Juni2010 und Oktober 2012.

„GOTT HAT MEINE HAND GEFÜHRT“Social Trading ist also weit davon ent-fernt, eine überlegene Alternative zuBanken, Fondsmanagern und Index-fonds zu sein. „Es ist für Anleger nichtmöglich, vorher zu wissen, welche Tra-der im nächsten Jahr die besten sein werden“, sagt Finanzwirtschaftler SaschaNeumann, der mit zwei Forschern eineStudie zum ema verfasst hat, mit Da-ten von Etoro und Ayondo. Weil jeder mit

einem Internetanschluss einfach los -traden könne, seien auf den Portalen relativ viele Scharlatane, vermutet Neu-mann. Das macht sie hochriskant.

Überlegen, wie Etoro-Gründer Assiabehauptet, sind Kopierer, die sich an an-dere Händler hängen, nur verglichen mitselbstständigen Spekulanten bei Etoro.Social Trader sollten die hohen Risikenmit einberechnen, die sie eingehen, umhohe Renditen zu erzielen, warnt dasMIT. Klar: Wer hohe zweistellige oder gardreistellige Jahresrenditen anpeilt, mussdavon ausgehen, dass ein Investmentnicht vielleicht, sondern sehr wahr-scheinlich auf Totalverlust hinausläuft.

Das gilt nicht zuletzt für den Etoro-Star Viktor Dellos. Obwohl sein Profil fürEnde Oktober 1 243 220 Prozent (wohlohne Abzug der Verluste aufaddierten)„Gewinn“ auswies, hat er das Investmentseiner Kopierer immer wieder vollstän-dig vernichtet. Der maximale Wochen-verlust beträgt mehr als 99 Prozent – egalwelchen Zeitraum man betrachtet: 3, 6,12, 24 oder 36 Monate. Kapitalvernich-tung gehört bei ihm dazu.

Dellos ist tatsächlich ein Mensch undkein Computerprogramm. Er ist ein 54Jahre alter, in Kasachstan geborenerDeutscher, war mal Versicherungsmak-ler, lebt seit Jahren in Rastatt, fährt einen

PRIVATE BANKING SOCIAL TRADING

110 manager magazin 12 / 2014

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: DAVID PAYR

Richard Dobetsberger#Wikifolio, („Umbrella“)

247 % Gesamtgewinn seit 16.9.2012

23 % maximaler Verlust seit 16.9.2012

7,8 Mio. € investiertes Anlegergeld

Beliebtester Trader auf Wikifolio

Der Pharmaforscher steckt das gesamteDepotkapital in nur acht Aktien – die starkeKonzentration birgt ein hohes Risiko.

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Hauptkonto und weitere 100 000 Euroauf einem zweiten Konto.

Follower und Kopierer wurden auf ihnaufmerksam. Viktor Dellos stieg mit Gottes Beistand zum erfolgreichstendeutschen Etoro-Trader auf, zeitweisesetzten mehr als 8600 Anleger Geld aufihn. Er erhielt Dankesbriefe von Men-schen, die mit seinen Handelsgewinnenihren Urlaub finanzierten. „Das SocialWeb killt den Kundenberater“, schriebder Schweizer „Tages-Anzeiger“.

Dellos schien der Beweis, dass LaienProfis nicht nur schlagen, sondern de-klassieren.

Es folgte der Totalverlust. Den erklärtder freundliche Herr Dellos so: „Ich habegesündigt. Ich habe 10 000 Euro raus -genommen, für private Zwecke.“ Dabeihatte er Gott doch versprochen, das Geldfür wohltätige Zwecke zu nutzen. „Ichhabe mein Wort nicht gehalten, undGott hat in einem Monat genommen,was er zuvor in einem Jahr gegebenhatte.“

Dellos ist kein leichtsinniger Mensch.Er ist geschieden und hält es als Katholikfür eine Sünde, wieder zu heiraten. SeinePersonalleasingfirma musste schließen,nachdem Ermittler 2009 Geschäfts -unterlagen beschlagnahmten, wegendes Verdachts auf Schwarzarbeit. Späterzogen sie die Anschuldigung zurück undwarfen ihm nur noch Veruntreuung vor.Das Urteil in dritter Instanz erwartet erEndes des Jahres, er rechnet fest mit Frei-spruch. Aus seinem Haus muss er jetztaber raus, es wird zwangsversteigert. BeiEtoro macht Dellos trotzdem weiter –sein Gottvertrauen ist unerschütterlich.

Dass er ein so hohes Risiko eingeht,liegt daran, dass er verlustbringende Trades nicht einfach schließt, um dasMinus im Depot zu begrenzen. Im Ge-genteil: Er schießt oft sogar Geld nach,weil er hofft, der Kurs dreht. Als ersich einmal mit dem japanischenYen verspekulierte, es war schonspät am Abend, ließ er die Positionoffen, stieg aus dem Keller und legtesich aufs Sofa, um zu beten. „Herr,lass mich ohne Verlust rauskom-men.“ Am nächsten Morgen war dieHandelsposition wieder auf null ge-klettert, er kam noch mal ohne Ein-bußen davon.

Sascha Neumann von der Ruhr-Universität Bochum hält diesesVerhalten für extrem gefährlich –

weil es oft zum Totalverlust führt. DieNeigung, Gewinne schnell mitzunehmenund an Verlustbringern festzuhalten, istauf Plattformen wie Etoro und Ayondoweitverbreitet. Dort stehen viele kleineGewinne wenigen großen Verlusten ge-genüber, wie die Studie der Ruhr-Unizeigt.

„PAPA IST ZICKZACKER“Wie viel Können und wie viel Glück sichhinter einer guten Performance verber-gen, lässt sich als Außenstehender nichtnachvollziehen. Aller Transparenz undKommentare zum Trotz. Wer hätteschon vermutet, dass bei Star-TraderDellos der liebe Gott die Hand führt?

Die mangelnde Planbarkeit des Erfolgsgilt auch für den Starhändler des Social-Trading-Portals Ayondo, Christian Stein-berger, besser bekannt unter seinemPseudonym „Patternicus“. Der gebürtigeMünchener hatte zehn Jahre lang als Aktienhändler für die heutige DZ Bankgearbeitet, bis er drei große Monitore inden Keller seines Hauses am Rande desTaunus schleppte und sich selbstständigmachte.

Steinberger ist kein religiöser Schwär-mer wie Dellos, sondern ein Vernunft-mensch. Seine Handelsstrategie zu erklä-ren fällt aber auch ihm schwer. An einemtypischen Tag macht Steinberger bei

Ayondo rund 20 Trades. Sobald er dieKinder in der Schule abgeliefert hat,kehrt er heim in sein Haus in einer Klein-stadt nördlich von Frankfurt und beob-achtet Aktienindizes, vor allem dendeutschen Leitindex. Es gehe darum,„den Chart zu lesen“, sagt er. Dazu gehörtviel Intuition und 16 Jahre Markterfah-rung. „So lange schaue ich mir täglichden Dax an.“

Was genau er da jetzt besser macht alsandere? Schwer zu erklären. Seine Kin-der hätten früher immer gesagt: „Papa istZickzacker.“

Anders als die meisten seiner Social-Trader-Kollegen versteht der Ex-Bankerimmerhin etwas von Risikomanage-ment. Er schließt Positionen schnell,wenn er falschliegt. Studien zufolge sinderfahrene Händler wie Steinberger bes-ser darin, sich Fehler einzugestehen undVerluste zu begrenzen. Deshalb sind siein der Regel auch als Chartanalytiker er-folgreicher.

Das Dilemma für Portale wie Ayondo,Etoro und Wikifolio: Wer dort das Zeugzum Profi hat, träumt zumeist (andersals Steinberger, der eher die Ausnahmeist) von einem hoch bezahlten Job in derFinanzindustrie. Dieser Versuchungkönnte schon bald der aktuell zweit -populärste Trader auf Etoro erliegen:Christian Fahrner (25) wird im März mit

Christian Fahrner#Ayondo („FCInvestment2012“)

66 % Gesamtgewinn seit 4/2014

22 % maximaler Verlust seit 4/2014

Nr. 2 (Follower) bei Ayondo und Etoro

372 Follower bei Ayondo

Der Student analysiert von seinem Zimmerin einer Wohngemeinschaft aus die Chartsvon Dax und Dollar.

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: PRIVAT

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Bei Wikifolio tummeln sich be-reits mehrere solcher Geldmana-ger, bei Ayon do soll der Hambur-ger Vermögensverwalter StefanRiße in den kommenden Mona-ten Kollegen für die Plattformwerben. Am Ende könnten dieSocial- Trading-Portale sehr vielÄhnlichkeit mit altbackenenOnline fonds vermittlern bekom-men, wo neben wenigen Exotendie gleichen Namen vermarktetwerden wie überall, ähnlichteuer wie Investmentfonds, nuranders verpackt.

Ayondo entfernt sich auch ineinem weiteren Punkt von derSchwarmintelligenz. Das Frank-furter Unternehmen will sichnicht mehr darauf verlassen,dass es der „Crowd“ von selbstgelingt, gute von schlechtenHändlern zu unterscheiden. Sohat Ayondo fünf Karrierestufeneingeführt. Um das Topniveau„Institutional“ zu erreichen, be-nannt ausgerechnet nach denangeblich überflüssigen Großan-legern, muss ein Trader mindes-tens ein Jahr Handelserfahrung

vorweisen und soll unter ande-rem 6 Prozent Gewinn undnicht mehr als 25 Prozent Ver-lust machen. Anfang Novem-ber erfüllten von den mehr als1000 Tradern nur elf die Bedingungen, darunter Ex-Banker Steinberger.

„Patternicus“ ist skeptisch,dass es Ayondo gelingt, die er-hofften ein oder zwei DutzendToptrader heranzuzüchten. „Eswerden wenige sein, die denAnlegern langfristig Freudemachen“, sagt Steinberger. Dasgeht auch gar nicht anders: Werdem Schwarm folgt, kann nichtauf eine bessere Rendite als diedes gesamten Marktes und derMasse hoffen. Um besser ab -zuschneiden, müsste man ein-zelne, außerordentlich begabteInvestoren finden. Dabei ist der Schwarm keine große Hilfe.

Mark Böschen

seinem Studium an der Universität Hohen-heim fertig und wird bereits hoch gehandelt.Bislang dealte er meist vom Zimmer in sei-ner Vierer-WG aus. Bis zu 2500 Euro verdientder Student im Monat mit dem Social Tra-ding. „Aber wenn ich im März mit dem Bachelor fertig bin, ist das zu wenig“, sagtFahrner. Er hat den Wunsch, Trader zu bleiben. „Ich möchte meine Strategie umset-zen.“ Warum nicht künftig als Hedgefondsmanager?

Zu einem Hedgefonds hat sich bereits derlange Zeit populärste Wikifolio- Trader ver-abschiedet: der Düsseldorfer MarkusStrauch (29). Ihn konnten auch mehr alszehn Millionen Euro Anlegergeld nicht da-von abhalten, ins Profilager zu wechseln undbei einem Schweizer Vermögensverwalteranzuheuern. „Wikifolio ist ein gutes Sprung-brett“, sagt Strauch.

„WACHSTUM MIT NUR EINER AKTIE“Für die Plattform war sein Abschied einschwerer Verlust. „Es hat sich gezeigt, dasssich die Investoren auf wenige erfolgreicheHändler konzentrieren“, sagt Philipp Do-ering, Koautor der Bochumer Social-Tra-ding-Studie. Das werde auch durch die Ren-diteranglisten gefördert.

Um überhaupt Beachtung zu finden, ge-hen „Nobodys“ oft volles Risiko, zumalsie anfangs meist nur Spielgeld einset-zen. Bei Wikifolio stehen fast aus-schließlich solche Trader ganz oben, dieihr Kapital in eine Handvoll Aktien ste-cken. Aus Sicht der Finanzwissenschaftist eine derart hohe Konzentration desPortfolios nicht sinnvoll: Wer wenigerals 20 oder 30 Aktien hält, geht ein Risikoein, das nicht durch eine entsprechendhöhere Rendite entschädigt wird(„Overconcentration“). Um bei WikifolioErfolg zu haben, ist ein solches Konzen-trationsrisiko aber geradezu geboten,wie die Top Ten der Real-Money-Depotsmit den höchsten investierten Vermö-gen zeigen: Der hauptberufliche Phar-maforscher Richard Dobetsberger ausWien (33, „Ritschy“) rangiert dort mitmehr als sieben Millionen Euro aktuellauf Platz eins. Er hat lediglich acht Ak-tien in seinem Depot „Umbrella“. Nochenger zugeschnitten, nämlich auf nurfünf Aktien, hat der Chemnitzer Verwal-tungsangestellte Ralf Werner sein De-pot „Antizy klische Chancen“, mit knappdrei Millionen Euro immerhin das dritt-größte. Der Finanzjournalist und Wiki-folio-Guru Christian Scheid hat die ex-tremst mögliche Konzentration sogarzu seinem Markenzeichen gemacht: Sein„Wachstum mit nur einer Aktie“ ist dassechstgrößte Real-Money-Depot, mit 1,8

PRIVATE BANKING SOCIAL TRADING

Millionen Euro Anlegergeld. Die Variante„Wachstum mit 1 Aktie long/short“, beider Scheid auch auf fallende Kurse wet-tet, liegt mit 4,5 Millionen Euro Investo-renkapital sogar auf Rang zwei.

Alles auf eine Karte zu setzen „wider-spricht sämtlichen Grundsätzen derPortfoliotheorie“, kritisiert Neumann.Seit November 2013 erzielte Scheid mitseinem Long-Short-Depot mehr als 400Prozent Rendite. Wie hoch dabei aber dieVerlustgefahr ist, erwies sich im Oktober,als er kurz vor Veröffentlichung desQuartalsergebnisses auf die Aktie desOnlinenetzwerks Twitter wettete. DieZahlen enttäuschten, Scheid verkauftemit mehr als 15 Prozent Verlust.

Für die meisten Social-Trading-Platt-formen gilt also: Den Ton bestimmenHochrisikospekulanten, die Weisheit der„Crowd“ steht hinten an.

Ayondo und Wikifolio reagieren nunauf dieses Manko, indem sie vom Ur-sprungsmodell der Schwarmintelligenzabrücken und um professionelle Ver -mögensverwalter buhlen. Klasse stattMasse, Profis statt Amateure: Die Betrei-ber haben ausgeschwärmt, sie mutierenvon Revolutionären zu Realisten.

WIKIFolIoS STARTRADER1

422 %Rendite s. 14.11.13

25 %Max. Verlust

10 %Rendite 6 Monate

4,3 Mio. €Inv. Anlegergeld

Chr. Scheid „Wachstum mit 1 Aktie l/s“

87 %Rendite seit 16.5.12

26 %Max. Verlust

-11 %Rendite 6 Monate

3,0 Mio. €Inv. Anlegergeld

Ralf Werner „Antizyklische Chancen“

264 %Rendite seit 27.2.14

97 %Max. Verlust

-86 %Rendite 6 Monate

1,7 Mio. €Inv. Anlegergeld

N. Schlippe „Daxen mit Tagesausblick“

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1Rang 2 bis 4. Platz 1: Dobetsberger. Stand 11.11.2014 Quelle: Wikifolio

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