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FORSCHEN FÜR DEN WANDEL Quelle: M. Garlick/Corbis Innovationen für unsere Zukunſt

Forschen für den Wandel (Broschüre 18/56) · Es basiert auf Neugier, ohne die Verantwortung für das Forschen und dessen Folgen auszublenden. Es hebt auf Vielfalt im Forschungs

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FORSCHEN FÜR DEN WANDEL

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Innovationen für unsere Zukunft

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Quelle:

KREATIVITÄT & ERFINDERGEIST SIND TREIBER DES WANDELS S. 4

ZEITENWENDE FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT S. 6

NEU & QUER DENKEN S. 9

NACHWUCHS FÖRDERN S. 10

PIONIERE DES WANDELS UNTERSTÜTZEN S. 12

MEHR BÜRGERWISSENSCHAFT S. 14

MEHR TRANSPARENZ S. 15

INNOVATIONSKRAFT KMU FÖRDERN S. 18

Foto: F. Kuttler/Corbis

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KREATIVITÄT UND ERFINDERGEIST ALS TREIBER DES WANDELSWissenschaft und Forschung sind die wichtigsten Ressourcen für die ökologi-sche und soziale Modernisierung. Nur mit Kreativität und Erfindergeist wird es gelingen, grüner zu wirtschaften und zu leben. Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als der wachsenden Weltbevölkerung ein gutes Leben auf diesem Planeten zu ermöglichen. Innovationen wie die Solarzelle oder Mik-rokredite, E-Autos oder E-Bikes sind ohne Forschung und Wissenschaft nicht denkbar. Als Ideengeber, Vorreiter und kritischer Begleiter spielen sie die Schlüsselrolle.

Das deutsche Innovationssystem hat einen guten Ruf, dennoch muss es ver-bessert und neu ausgerichtet werden. Heute orientiert sich Innovation vor allem am Export wissensintensiver Güter, an Patenten und Industriebeteili-gungen. Aber Forschung und Wissenschaft sind nicht bloß Input für die deut-sche Exportindustrie. Sie werden gebraucht, um die Lebensqualität weltweit zu verbessern, und zwar auf klimaverträgliche Weise. Innovationspolitik ist Zukunftsvorsorge. Jeder Prozess, der auf Erneuerung zielt, ist ein Suchprozess mit offenem Ausgang. Wie unsere Gesellschaft tatsächlich einmal aussieht, kann niemand vorwegnehmen. Wir haben aber eine grüne Vision davon.

Das Leitbild der grünen Bundestagsfraktion ist dem Schutz der kreativen Frei-räume von Wissenschaft und Forschung verpflichtet. Gleichzeitig nimmt es sie in die Verantwortung, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewäl-tigen: Die Klimakrise, die Verknappung der Ressourcen, die fortschreitende Urbanisierung, die Digitalisierung und der demografische Wandel verlangen nach Lösungen.

Wir wollen die Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik so gestalten, dass sie die Kreativität und den Erfindergeist der Gesellschaft freisetzen. Wir wollen Pio-nierland für grüne Innovationen werden.

Die Innovationsstrategie der grünen Bundestagsfraktion sieht vor, die Ausga-ben für Forschung und Entwicklung (F&E) deutlich zu steigern. Bis 2020 sollen mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Deutschland für F&E ausgegeben werden. Der Bund ist dabei der wesentliche Schrittmacher, um dieses Ziel gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft zu erreichen.

Im grünen Innovationssystem der Zukunft haben Universitäten, Fachhoch-schulen und Labore Freiraum, gewagte Forschungsideen zu testen und dis-ziplinäre Grenzen zu überschreiten. Neuentwicklungen sollen schneller und effektiver auf den Markt kommen. Neben technischen sind soziale Innovatio-nen elementar. Alle Menschen sollen im Alltag vor Ort davon profitieren.

Unser Innovationsverständnis führt verschiedene Perspektiven zusammen und fördert Querdenken. Es basiert auf Neugier, ohne die Verantwortung für das Forschen und dessen Folgen auszublenden. Es hebt auf Vielfalt im Forschungs-prozess ab. Eine Wissenschaft, die ihre Forschungsfragen und Lösungsangebote zusammen mit der Gesellschaft entwickelt, schafft nachhaltige Akzeptanz für Innovation und verbessert die Umsetzbarkeit der Ergebnisse.

Wir Grüne im Bundestag wollen das Potenzial von Wissenschaft und Forschung für die Entwicklung einer grünen Wirtschaft und mehr Lebensqualität mobi-lisieren. So geben wir programmorientierter Forschung eine Richtung, Grund-lagenforschung sichern wir ein Höchstmaß an Autonomie und Wissenschafts-freiheit. Wir wollen mehr systemische, inter- und transdisziplinäre Forschung. In unserem Leitbild zählt gesellschaftliche Relevanz ebenso viel wie wissen-schaftliche Exzellenz und Originalität.

UNSERE ANSATZPUNKTE:

» eine Innovationsstrategie für mehr Nachhaltigkeit aufbauen

» Vielfalt und Freiheit in der Forschung erhalten

» Perspektiven für Talente schaffen

» interdisziplinäre Forschung stärken

» mehr Teilhabe in Forschung und Forschungsförderung ermöglichen

» Verantwortung und Transparenz gewährleisten

» die Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen fördern

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Foto: A. Burton/laif

UNSERE FORDERUNGEN:

» eine Neuausrichtung der Hightech-Strategie zu einer Innovationsstrategie für Nachhaltigkeit

» eine Neuausrichtung der dritten Säule der „Exzellenzinitiative“ und des „Pakts für Forschung und Innovation“ mit Schwerpunkten auf Transfer, Profil-bildung sowie die Aufnahme von Nachhaltigkeitskriterien bei der Förderung und Begutachtung

» eine Stärkung der Klimaforschung und Förderung der Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung an Hochschulen (BT-Drs. 18/7048)

» eine konsequente Ausrichtung des Energieforschungsprogramms auf die Energiewende (BT-Drs. 18/5211)

ZEITENWENDE FÜR MEHR NACHHALTIGKEIT Mit unserer Innovationsstrategie wollen wir eine Zeitenwende zu mehr Nach-haltigkeit einläuten. Denn sie ist der Gradmesser für unsere Zukunftsfähigkeit. Auch das Wissenschaftssystem der Zukunft muss diese Perspektive einnehmen. Fragen wie die Tragekapazität und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ökologi-scher, ökonomischer und sozialer Systeme müssen stärker in den Mittelpunkt rücken. Forschungsprogramme sollen auf die großen gesellschaftlichen Her-ausforderungen ausgerichtet werden und mehr Geld dafür erhalten.

Die Hightech-Strategie des Bundes greift zu kurz, wir wollen sie zu einer ganz-heitlichen Innovationsstrategie weiterentwickeln. Nachhaltigkeit und gesell-schaftliche Relevanz sollen dabei im Zentrum stehen, technische und soziale Innovationen gleichwertig sein. Gefragt sind auch neue Austauschformate, die Wissenschaftsbereiche untereinander und die Gesellschaft vernetzen.

Der Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung wollen wir zum Durch-bruch verhelfen. Für die ökologische und soziale Modernisierung bedeutende Forschungsbereiche müssen gestärkt werden. Hohe Relevanz hat die Klimafor-schung von der Polarforschung bis zur Klimakultur.

Programme wie die „Exzellenzinitiative“ und den „Pakt für Forschung und Innovation“ wollen wir so weiterentwickeln, dass sie auch den Transfer von Wissen zwischen Forschung, Gesellschaft und Wirtschaft verbessern.

Innovation in der Wirtschaft braucht klare Rahmenbedingungen. Verlässli-che, längerfristige Zielvorgaben sind entscheidender als finanzielle Förderung. Unerlässlich ist eine gute Infrastruktur, dazu gehören qualifizierte Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter und die ausreichende Versorgung mit Breitband-Telekommunikation.

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NEU & QUER DENKENInnovationen brauchen kreative Menschen. Unser stärkstes Pfund sind For-scherinnen und Forscher, die quer und neu denken. Kreativität entsteht dort, wo Talente sich entfalten können, wo es Freiräume für Vielfalt, Spontaneität und Unkonventionelles gibt. Universitäten und Fachhochschulen, Hochschulen für angewandte Forschung und Forschungsorganisationen bieten diese Mög-lichkeit. Sie sind der richtige Ort, um Gewissheiten ergebnisoffen zu hinterfra-gen. Wir müssen diese Orte und ihre Freiräume schützen.

Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit sind Wurzeln einer Innova-tionskultur. Zwar haben Hochschulen durch den Rückzug aus politischer und ministerieller Detailsteuerung Autonomie gewonnen. Sie sind in den vergan-genen Jahren aber durch stagnierende, teils rückläufige Grundfinanzierung unter Druck geraten. Die Länder haben zunehmend Kofinanzierungspflichten bei Forschungsförderprogrammen übernommen, die sie gemeinsam mit dem Bund aufgelegt haben. Das hat Spielräume für die Grundfinanzierung der Hochschulen eingeschränkt. Durch diese Form der Steuerung hat die öffentli-che Hand Drittmittel zulasten der Grundmittel gesteigert. Das Umsteuern weg von der Grundfinanzierung hat Freiräume der Hochschulen geschmälert: etwa zur Profilbildung oder auch bei der Fächervielfalt. Auch innerhalb der Diszipli-nen braucht es mehr Vielfalt anstelle einer Einfalt an „Denkschulen“.

Wissenschaft beruht auf Pluralität, Methodenvielfalt und konkurrierendem Wissen. Der Schutz dieser Prinzipien ist elementar, um Durchbrüche bei Prob-lemlösungen zu erzielen. Ausreichende finanzielle Freiräume für Grundlagen-forschung müssen daher auch künftig gewährleistet sein. Grundfinanzierung und gezielte Programmforschungsförderung müssen in Balance kommen. Öko-nomischer Nutzen und kommerzielle Verwertbarkeit dürfen die Ausrichtung öffentlicher Wissenschafts- und Forschungsförderung nicht dominieren.

UNSERE FORDERUNGEN:

» eine bessere Grundfinanzierung an Hochschulen

» eine Roadmap zum Schutz und einen Fonds zur Förderung von kleinen Fächern

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Foto: Corbis

NACHWUCHS FÖRDERN Wissenschaft als Beruf attraktiver zu machen ist wichtig, um Innovation zu för-dern. Doch der wissenschaftliche Nachwuchs kämpft mit schwierigen Bedin-gungen. Vor allem an den Hochschulen mangelt es an planbaren und sicheren Karrierewegen. Das Befristungsunwesen gefährdet Forschergeist und Denkräu-me und verschleudert Potenziale. Forschende brauchen verlässliche Arbeits-verträge und mehr unbefristete Beschäftigungsmöglichkeiten. Mit einem Bund-Länder-Programm für zusätzliche Nachwuchsstellen könnte man die Situation vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deutlich verbessern. Um faire Arbeitsbedingungen im Wissenschaftssystem zu schaffen, dem Befris-tungsunwesen ein Ende zu setzen und Familienfreundlichkeit zu forcieren, ist eine weitere Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes notwendig.

Ein „Land der Ideen“ braucht Technik, Toleranz und Talente. Wer auf Abschot-tung setzt, handelt einfältig und innovationsfeindlich. Chancen für alle, Internationalität, Weltoffenheit und Willkommenskultur sind konstitutiv für innovative Wissenschaft. Dazu gehört, die Spitzenpositionen unseres Wissenschaftssystems für Frauen zu öffnen, auch durch die Umsetzung von Gleichstellungsstandards. Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen insgesamt offener und durchlässiger werden. Das gilt insbesondere für bisher unterrepräsentierte Gruppen wie Arbeiterkinder, beruflich Qualifizierte, Ältere, Studierende und Forschende mit Flucht- oder Migrationsgeschichte. Aus Viel-falt erwächst mehr Kreativität.

UNSERE FORDERUNGEN:

» 10.000 zusätzliche Nachwuchsstellen, vom Mittelbau bis zur Tenure-Track-Professur, durch ein Bund-Länder-Programm. Hierfür soll der Bund zehn Jahre lang 500 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen (BT-Drs. 18/5207)

» eine umfassende Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (BT-Drs. 18/1463)

» verbindliche und überprüfbare Gleichstellungsziele im Pakt für Forschung und Entwicklung; ein Teil der finanziellen Mittel soll an die Erfüllung von Gleichstellungskriterien gebunden werden

» eine finanzielle Stärkung des Professorinnenprogramms

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Als Pioniere des Wandels haben sich außeruniversitäre, unabhängige und ökologische Forschungsinstitute bewährt. Mit ihrem interdisziplinären, nach-haltigen Ansatz sind sie wichtige Vorreiter ökologischer Modernisierung. Ihre Expertise liegt vor allem in der Transformationsforschung, die gesellschaftliche Umwandlungsprozesse ins Zentrum stellt. Diese Perspektive verknüpft techno-logische und gesellschaftliche Ansätze, bezieht externes Wissen ein und geht problemorientiert vor. Auf das Wissen und die Kompetenzen dieser unabhän-gigen Forschungsinstitute ist unsere Gesellschaft auch künftig angewiesen. Da sie über keine öffentliche Grundfinanzierung verfügen, setzen wir uns im Bundestag dafür ein, sie längerfristig zu unterstützen. Netzwerke zwischen Hochschulen und freien Forschungsinstituten wollen wir anreizen und fördern.

UNSERE FORDERUNGEN:

» eine Stärkung der Interdisziplinarität in der Projektförderung

» die Förderung von Netzwerken zwischen Hochschulen und freien For-schungsinstituten und die Einrichtung von interdisziplinären Kooperati-onsplattformen, die sich den großen gesellschaftlichen Herausforderungen widmen

» die Förderung gewagter Forschungsideen jenseits des Mainstreams durch einen Experimentier-Fördertopf

PIONIERE DES WANDELS UNTERSTÜTZEN

Unser Wissenschaftssystem folgt fest umrissenen Disziplinen. Große Herausfor-derungen halten sich aber nicht an disziplinäre Grenzen. Nachhaltige Lösun-gen erfordern interdisziplinäre Brückenschläge, Forschung sollte sich an Wis-sensfeldern statt an Disziplinen orientieren. Innovationen lassen sich zudem nicht auf reine Technikansätze oder naturwissenschaftliche Herangehenswei-sen verengen. Gerade gesellschaftliche Perspektiven tragen zur Gestaltung von Innovationsprozessen bei. Daher sind der Transfer und gemeinsame Projekte zwischen MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Tech-nik) sowie Sozial- und Geisteswissenschaften so wichtig.

Zu oft wurden bisher in der Planung die Bedürfnisse der Menschen ausgeblen-det. Bei der Entwicklung des Körperscanners zur Fluggastkontrolle zum Beispiel hat man das Unbehagen von Passagieren und Datenschützern zunächst miss-achtet. Mögliche Akzeptanz- und Ethikprobleme blieben außen vor. Das zeigt: Rein technische Anwendungsdesigns ohne Technikfolgenabschätzung schmälern die Erfolgsaussichten von Erfindungen und ihre Akzeptanz bei Markteinführung.

Projekte, die inter- und transdisziplinär vorgehen und sich an der Lebenswelt der Menschen orientieren, wollen wir daher finanziell stärken. Neue Formate von Zusammenarbeit und Austausch sollen helfen, Wissen schneller zu über-tragen. Zu zentralen Zukunftsthemen wollen wir transdisziplinäre Forschungs-netzwerke als Plattformen des Austauschs etablieren.

Für den ökologisch-sozialen Wandel sind alternative Betrachtungsweisen zentral, die vom Mainstream der etablierten Forschung abweichen. Mit einem Experimentiertopf auf Bundesebene könnten solche neuen, gewagten For-schungsideen gefördert werden. Zudem sollten Kriterien der Inter- und Trans-disziplinarität bei Begutachtungsprozessen in Wissenschaft und Forschung berücksichtigt werden.

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MEHR BÜRGERWISSENSCHAFT Bürgerinnen und Bürger sollen künftig die Innovationsagenda stärker mitbe-stimmen können. Politik täte deshalb gut daran, schon im Vorfeld großer For-schungsprogramme mehr Bürgerbeteiligung zu ermöglichen. Deshalb wollen wir Gremien und Foren, die über Forschungsprogramme entscheiden, aktiv für VertreterInnen der Zivilgesellschaft öffnen. Es muss dabei um Beteiligungs-prozesse gehen, die auf mehr Teilhabe abzielen. Scheinbeteiligung, die nur Akzeptanz für umstrittene Technologien organisieren soll, lehnen wir ab.

Teilhabe erfordert Transparenz. Zuständigkeiten, Entscheidungskorridore und politische Umsetzung sind vorab zu klären. Mehr Beteiligung in Forschung und Forschungsförderung zu ermöglichen, bedarf einer Stärkung zivilgesellschaft-licher Akteure. Verbände brauchen mehr Kapazitäten, um aktiv mitwirken zu können. Gefragt sind auch neue Formate der Teilhabe: Kooperationen zwi-schen Zivilgesellschaft und Wissenschaft, etwa unter dem Stichwort Citizen Science, müssen stärker gefördert werden. Wir schlagen dazu auch einen For-schungsfonds vor, bei dem zivilgesellschaftliche Akteure im Rahmen eines Ko-Designs Forschungsfragen mitgestalten können. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich an wissenschaftlichen Projekten. Ob beim Sammeln von Mücken, Beobachten des Sternenhimmels oder Beschreiben von Kunst-werken. Die Fortentwicklung digitaler Technologie erweitert ihre Möglichkei-ten. Eine Öffnung der Wissenschaft mittels einer Open-Access-Strategie würde ihren Zugang zu Erkenntnissen weiter verbessern.

Im Modell der „Reallabore“ vernetzen sich beispielhaft Wissenschaft und Gesellschaft. Stadtteile oder Regionen, Unternehmen oder Dienstleistungs-systeme werden auf diese Weise zum Experimentierfeld für Innovationen. Das können Klimaschutz-Strategien, moderne Stadtentwicklung, neue Mobilitäts- und Konsummuster oder Digitalisierungsstrategien sein, die in Reallaboren erprobt, durch Begleitforschung beobachtet und ausgewertet werden.

UNSERE FORDERUNGEN:

» neue Kooperationsformate mit nichtwissenschaftlichen Akteuren und einen zivilgesellschaftlichen Forschungsfonds für Ko-Design-Projekte

» eine Open-Access-Strategie in der Wissenschaft, die BürgerInnen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ermöglicht (BT-Drs. 18/5105)

» die Förderung von Reallaboren, die Wissenschaft und Gesellschaft vernetzen

MEHR TRANSPARENZForschungsfreiheit, gesellschaftliche Werte und Verantwortung in der Wis-senschaft stehen in einem Spannungsverhältnis. Es auszutarieren ist nicht immer leicht. Wenn Wissenschaft den Rahmen verlässt, den eine Gesellschaft ethisch-moralisch vertretbar findet, gerät sie unter verstärkten Rechtferti-gungsdruck und büßt Vertrauen ein. Für die Legitimierung öffentlicher For-schung ist zudem ein transparenter und verantwortungsvoller Umgang mit Fördermitteln wichtig.

Um Innovationen zu ermöglichen, ist Forschung auch auf Kooperation mit Unternehmen angewiesen. Damit diese Forschungsergebnisse glaubwürdig sind, ist jedoch Transparenz elementar: Förderwege müssen nachvollzieh-bar sein, nur so können mögliche Einflussnahme und Interessenkonflikte im Bereich öffentlich finanzierter Forschung vermieden werden.

Wenn nicht auszuschließen ist, dass Forschungsmethoden unerwünschte Folgen für Mensch und Umwelt haben könnten, ist eine Bewertung vonnöten. Wissen-schaftsfreiheit und Innovation dürfen daher nicht zu „Sachzwängen“ erklärt werden. Forschungsergebnisse können von Dritten zu schädlichen Zwecken genutzt werden (Dual-Use-Problematik), aktuell spielt diese Frage zum Beispiel bei der Biosicherheit eine große Rolle. Forschende sollten deshalb ihre Tätigkeit auf Risiken hin analysieren und sie weitestgehend in Grenzen halten.

Ob Innovationen in Konflikt mit dem Vorsorgeprinzip geraten, lässt sich durch Technikfolgenabschätzung, Transparenz und Wissenschaftskommunikation frühzeitig erkennen. Risikoforschung und Technikfolgenabschätzung sollten also die Anwendung neuer Techniken von Beginn an begleiten. Ihre Ergeb-nisse sollten öffentlich zugänglich sein. Eine von kommerziellen Interessen unabhängige Risikoforschung ist für uns elementar. Diesem Anspruch wird die gängige Praxis nicht immer gerecht, etwa bei der Risikobewertung von Chemi-kalien oder gentechnisch veränderten Organismen. Unser Ziel ist es, hier mehr Transparenz und Unabhängigkeit zu erreichen.

UNSERE FORDERUNGEN:

» eine Datenbank, in der Hochschulen ihre Kooperationen mit Dritten und wesentliche Forschungsinhalte offenlegen

» für biosicherheitsrelevante Projekte die Einrichtung einer zentralen Bera-tungs-Kommission für Forschende (BT-Drs. 18/6204)

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Kleine und mittlere Unternehmen fallen in Deutschland zu häufig durchs Raster der Forschungsförderung. Das wollen wir ändern.

Systementwicklung eines Mittelständlers aus NRW zur optischen Materialprüfung. Foto: Oberhaeuser/Caro

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„Um Pionierland grüner Innovationen

zu werden, braucht es mehr Forschung –

für höhere Lebensqualität und zur

Bewältigung der großen

Herausforderungen.“

INNOVATIONSKRAFT KMUKaum irgendwo sonst auf der Welt werden so viele Patente pro Kopf angemeldet wie hierzulande. Unternehmen profitieren von der guten Forschungsinfrastruktur und sind Treiber für Innovationen. Zugleich haben es vor allem neue Techno-logien schwer, an Risikokapital und vor allem an Anschlussfinanzierungen heran-zukommen. Dabei wirkt gerade im Hochtechnologiebereich eine lebendige Start-up-Szene als Frischzellenlieferant. Doch während die Hausbanken für klassische Investitionen genug Geld zur Verfügung stellen, fehlen ihnen im Hochtechno-logiebereich das Knowhow und der Mut zur Bereitstellung von Krediten.

Eine neue Innovationskultur setzt auch auf den Ideenreichtum von Start-ups sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Sie sind es, die alter-native Angebote auf den Markt bringen, Zukunftsbereiche erschließen und lokale Wertschöpfung unterstützen. Doch gegenüber großen Konkurrenten kämpfen sie mit Wettbewerbsnachteilen. Häufig fallen sie durchs Raster der Forschungsför-derung. Zahlreiche Start-ups und Ausgründungen müssen aufgeben, weil ihnen eine systematische Beratung oder Begleitung fehlt – etwa dabei, Forschungs-ergebnisse zu marktfähigen Produkten und Verfahren weiterzuentwickeln. Ihr Potenzial gilt es auszuschöpfen. Auch soziales Unternehmertum beziehungsweise Sozialunternehmertum (Social Entrepreneurship) wollen wir unterstützen.

In unserem Fraktionsbeschluss „Grüne Mittelstandspolitik“ (5.5.2015) fordern wir Maßnahmen, um Innovationen im Mittelstand zu fördern und Gründungen zu erleichtern: von der Weiterentwicklung des Zentralen Innovationsprogramms Mit-telstand (ZIM) über die Schaffung einer Steuergutschrift für F&E („Forschungsbo-nus“) bis hin zur Etablierung einer Austausch-Plattform für junge Unternehmen.

Die grüne Bundestagsfraktion schlägt eine steuerliche Forschungsförderung für kleine und mittelständische Unternehmen vor, die ihnen den Zugang zu For-schungsförderung erleichtert und die Projektforschungsförderung ergänzt. Der

„Forschungsbonus“ soll für alle nachgewiesenen Forschungs- und Entwicklungs-aufwendungen gelten und 15 Prozent betragen.

UNSERE FORDERUNGEN:

» Steuergutschrift („Forschungsbonus“) für F&E-Aufwendungen für kleine und mittelständische Unternehmen

» Verlustvortrag für junge, innovative Unternehmen bei Eigentümerwechsel

» einen Fördertopf für Social Entrepreneurship

„Um unser Land sozial, ökologisch

und digital zu modernisieren, müssen wir

anders wirtschaften und anders forschen.“

KAI GEHRING MDB Sprecher für Hochschule,

Wissenschaft und Forschung

1918

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NOCH FRAGEN?Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Kai Gehring MdB, Sprecher für Hochschule, Wissenschaft und Forschung Arbeitskreis 5: Wissen, Generationen und Gesundheit TEL 030/227 56789, FAX 030/22756552, [email protected]

ZUM WEITERLESEN:

» Beste Unis für alle Studis (Flyer 18/67) » Heute für morgen investieren (Flyer 18/37) » Forschen für den Wandel (Fraktionsbeschluss 03.12.2015)

» gruene-bundestag.de » Themen » Forschung

BUNDESTAGSDRUCKSACHEN:

18/7872 KMU-Forschungsförderungsgesetz (Gesetzentwurf)18/8711 Innovationspolitik neu ausrichten –

Forschen für den Wandel befördern (Antrag)18/7048 Klima- und Klimafolgenforschung (Antrag)18/6204 Biosicherheit bei Hochrisikoforschung stärken (Antrag)18/5211 Energieforschung in Richtung Energiewende weiterentwickeln

(Antrag)18/5207 Ein Wissenschaftswunder initiieren (Antrag)18/5105 Internet und digitale Gesellschaft (Antrag)18/1463 Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (Gesetzentwurf)

Diese Veröffentlichung informiert über unsere parlamentarische Arbeit im Deutschen Bundestag. Sie darf im Wahlkampf nicht als Wahlwerbung verwendet werden.

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IMPRESSUM: Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1, 11011 Berlin Gestaltung: Jakina U. Wesselmann Stand: Juli 2016, 2. akt. Aufl., Schutzgebühr: 0,15 €