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Forschung Linearbeschleuniger Forschung Linearbeschleuniger Sprecher: P. Schmüser, Univ. Hamburg Die Gruppe ,,Forschung Linearbeschleuniger“ (FDET) arbeitet an beschleunigerphysikalischen Untersuchungen, die von hoher Relevanz für den TESLA-Collider und den X-FEL sind. Eine Mit- arbeit besteht an der Weiterentwicklung der su- praleitenden Resonatoren zu höchsten Feldstärken und an systematischen Untersuchungen zu den kri- tischen Magnetfeldern von Niob. Die theoretisch vorhergesagten ,,wake fields“ in rauen Strahlroh- ren sind weltweit erstmals von der Gruppe ex- perimentell nachgewiesen worden. Ein zentrales Forschungsgebiet ist die Entwicklung höchstauf- lösender Zeitmessmethoden mit Hilfe der elektro- optischen Abtastung. Erste erfolgreiche Messungen sind am TTF1-Linac und an der Swiss Light Source durchgeführt worden. Seit September 2003 besteht eine enge Kooperation mit der Gruppe HERA-B mit dem Ziel einer Zu- sammenlegung beider Gruppen. Die angelaufenen gemeinsamen Aktivitäten werden in diesem Jahres- bericht noch nicht vorgestellt. Supraleitende Resonatoren für höchste Energien in TESLA Die entscheidende Maßnahme für die vorgesehene Energieerhöhung des TESLA-Colliders von 500 auf 800 GeV ist die Steigerung der Beschleunigungsfel- der in den supraleitenden Resonatoren. Um die benö- tigten Gradienten von 35 MV/m zu erreichen, kommt der Oberflächenpräparation im Innern der Resonato- ren eine herausragende Bedeutung zu. Die bisher ver- wendete chemische Beizung hat ihre Leistungsgrenze bei knapp 30 MV/m, die elektrolytische Politur (EP) der Nioboberfläche geht deutlich weiter. In Zusam- menarbeit mit mehreren Instituten (CEA, CERN, KEK, TJNAF) hat ein ehemaliger Doktorand unserer Gruppe (Lutz Lilje) seit Ende 1998 hervorragende Ergebnisse mit einzelligen Resonatoren (bis 42 MV/m) erzielt. In enger Zusammenarbeit mit dem japanischen Teilchen- physikzentrum KEK und einer japanischen Firma ist das Elektropolitur-Verfahren auf neunzellige Resona- toren übertragen worden. Vier neunzellige TESLA- Resonatoren haben 35 MV/m erreicht, einer dieser Re- sonatoren wurde in einem Dauertest mehr als 1000 Stunden beim Maximalfeld betrieben. Ein fünfter Re- sonator wurde in der neuen EP-Anlage bei DESY be- handelt und erreichte den Rekordwert von 40 MV/m bei 1.8 K und einem Gütefaktor von 10 10 . Die Daten werden in Abbildung 46 gezeigt. Abbildung 46: Gütefaktor des besten elektropolier- ten neunzelligen TESLA-Resonators als Funktion des Beschleunigungsfeldes. Experimentelle Untersuchung von Störwellenfeldern in rauen Strahl- rohren Der Freie-Elektronen-Laser (FEL) erfordert extrem kurze und intensive Ladungspakete, damit die Laser- 93

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Forschung Linearbeschleuniger

Forschung LinearbeschleunigerSprecher: P. Schmüser, Univ. Hamburg

Die Gruppe ,,Forschung Linearbeschleuniger“(FDET) arbeitet an beschleunigerphysikalischenUntersuchungen, die von hoher Relevanz für denTESLA-Collider und den X-FEL sind. Eine Mit-arbeit besteht an der Weiterentwicklung der su-praleitenden Resonatoren zu höchsten Feldstärkenund an systematischen Untersuchungen zu den kri-tischen Magnetfeldern von Niob. Die theoretischvorhergesagten ,,wake fields“ in rauen Strahlroh-ren sind weltweit erstmals von der Gruppe ex-perimentell nachgewiesen worden. Ein zentralesForschungsgebiet ist die Entwicklung höchstauf-lösender Zeitmessmethoden mit Hilfe der elektro-optischen Abtastung. Erste erfolgreiche Messungensind am TTF1-Linac und an der Swiss Light Sourcedurchgeführt worden.

Seit September 2003 besteht eine enge Kooperationmit der Gruppe HERA-B mit dem Ziel einer Zu-sammenlegung beider Gruppen. Die angelaufenengemeinsamen Aktivitäten werden in diesem Jahres-bericht noch nicht vorgestellt.

Supraleitende Resonatorenfür höchste Energien in TESLA

Die entscheidende Maßnahme für die vorgeseheneEnergieerhöhung des TESLA-Colliders von 500 auf800 GeV ist die Steigerung der Beschleunigungsfel-der in den supraleitenden Resonatoren. Um die benö-tigten Gradienten von 35 MV/m zu erreichen, kommtder Oberflächenpräparation im Innern der Resonato-ren eine herausragende Bedeutung zu. Die bisher ver-wendete chemische Beizung hat ihre Leistungsgrenzebei knapp 30 MV/m, die elektrolytische Politur (EP)der Nioboberfläche geht deutlich weiter. In Zusam-menarbeit mit mehreren Instituten (CEA, CERN, KEK,TJNAF) hat ein ehemaliger Doktorand unserer Gruppe

(Lutz Lilje) seit Ende 1998 hervorragende Ergebnissemit einzelligen Resonatoren (bis 42 MV/m) erzielt. Inenger Zusammenarbeit mit dem japanischen Teilchen-physikzentrum KEK und einer japanischen Firma istdas Elektropolitur-Verfahren auf neunzellige Resona-toren übertragen worden. Vier neunzellige TESLA-Resonatoren haben 35 MV/m erreicht, einer dieser Re-sonatoren wurde in einem Dauertest mehr als 1000Stunden beim Maximalfeld betrieben. Ein fünfter Re-sonator wurde in der neuen EP-Anlage bei DESY be-handelt und erreichte den Rekordwert von 40 MV/mbei 1.8 K und einem Gütefaktor von 1010. Die Datenwerden in Abbildung 46 gezeigt.

Abbildung 46: Gütefaktor des besten elektropolier-ten neunzelligen TESLA-Resonators als Funktion desBeschleunigungsfeldes.

Experimentelle Untersuchung vonStörwellenfeldern in rauen Strahl-rohren

Der Freie-Elektronen-Laser (FEL) erfordert extremkurze und intensive Ladungspakete, damit die Laser-

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Wirkung einsetzen kann und hinreichend Verstärkungvorhanden ist. Wandrauigkeiten im Vakuumrohr inner-halb der Undulatormagnete erzeugen intensive Stör-felder (,,wake fields“), die eine negative Auswirkungauf die Strahlqualität haben können. Dieser theoretischvorhergesagte Effekt ist von unserer Gruppe erstmalsexperimentell nachgewiesen worden.

Normalerweise liegt die Phasengeschwindigkeit elek-tromagnetischer Wellen in Hohlleitern oberhalb derLichtgeschwindigkeit.

In Wanderwellenbeschleunigern wird durch periodischangeordnete Blenden im Strahlrohr die Phasenge-schwindigkeit bei einer bestimmten Frequenz (3 GHzam SLAC-Linac) auf den Wert c herabgesetzt, so dasseine kontinuierliche Energieübertragung von der lau-fenden HF-Welle auf die mit gleicher Geschwindigkeitfliegenden Elektronen erfolgen kann. In theoretischenArbeiten an der TU Darmstadt und am SLAC wurdevorhergesagt, dass die Mikrometer-Wandrauigkeiten inengen Strahlrohren in gewisser Weise auch als Blen-den wirken können und bei Frequenzen um 500 GHzdie Phasengeschwindigkeit auf c absenken sollten. Diedadurch entstehenden wake fields würden nach denDarmstadt-Rechnungen die Strahlqualität ernsthaft be-einträchtigen, während vom SLAC-Modell nur relativschwache Effekte vorgesagt wurden. Wegen der großenBedeutung für den TESLA-Collider und Röntgen-FELwurde von unserer Gruppe ein spezielles Experimentmit künstlich aufgerauten Strahlrohren durchgeführt.Das überraschende Ergebnis war, dass die Wandrauig-keiten trotz ihrer stochastischenNatureineharmonischeStörwelle hervorrufen, deren Stärke mit der Vorhersagedes Darmstadt-Modells übereinstimmt. Die gemesse-nen, periodisch modulierten Energieprofile der Elektro-nenbunche werden in Abbildung 47 gezeigt. Die Elek-tronenbunche werden so geformt, dass sie ein scharfesMaximum an der Spitze haben, welches die harmo-nischen Störfelder anregt, und einen langen Schwanz,in dem die Störfelder eine periodische Dichtemodula-tion hervorrufen. Durch geeignete Wahl der HF-Phaseim 2. Beschleunigungsmodul wird daraus eine peri-odische Energiemodulation. Dargestellt ist die Zahlder Elektronen im Schwanz des Bunches als Funktionder von den wake fields hervorgerufenen Energie-verschiebung ∆E. Die durchgezogenen Kurven (a),(b), (c) zeigen die Messungen an aufgerauten Strahl-rohre von 3, 4, 5 mm Radius, Kurve (d) die Messung

Abbildung 47: Experimenteller Nachweis der periodi-schen wake fields in rauen Strahlrohren. Dargestelltist die Zahl der Elektronen im Schwanz des Bunchesals Funktion der von den wake fields hervorgerufenenEnergieverschiebung ∆E. Durchgezogene Kurven (a),(b), (c): aufgeraute Strahlrohre von 3, 4, 5 mm Radius;Kurve (d): glattes Referenzrohr von 4 mm Radius. Ge-strichelte Kurven: Simulationsrechnungen. Für Detailssiehe Text.

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an einem glatten Referenzrohr von 4 mm Radius. Diegestrichelten Kurven zeigen Simulationsrechnungen.Die bei dem glatten Referenzrohr sichtbaren Struktu-ren werden durch wake fields in strahlaufwärts befindli-chen Beschleunigerkomponenten wie z. B. dem Bunch-Kompressor verursacht. Wegen der Komplexität dieserKomponenten ist die theoretische Beschreibung sehrunvollkommen.

Arbeiten zur elektro-optischenAbtastung der Elektronenpaketein Linearbeschleunigern

Ein wesentliches Anliegen der Beschleuniger-Diagnos-tik ist die Vermessung der longitudinalen Ladungsver-teilung in den ultrakurzen Elektronenpaketen (,,bun-ches“). Dazu nutzt man die von dem Elektronenbunchmitgeführten Ladungsfelder oder die an Metallfolienemittierte Übergangsstrahlung aus, die elektromagne-tischen Impulsen im THz-Bereich mit Pikosekunden-Dauer entsprechen. Die elektro-optische Abtastung(electro-optic sampling EOS) ermöglicht die Messungdieser Felder mit sehr guter Zeitauflösung. Die grundle-gende Idee besteht darin, einen nichtlinearen optischenKristall wie ZnTe zu verwenden, der durch das elek-trische Feld doppelbrechend wird und dessen Polari-sationsanisotropie durch einen polarisierten Femtose-kundenlaserpuls abgetastet wird. Der Abtastpuls musshochpräzise mit dem Elektronenbunch synchronisiertsein. Die relative zeitliche Lage von THz-Puls und La-serpuls kann durch Variation der Hochfrequenzphasekontinuierlich variiert werden.

Der schematische Aufbau eines Experiments zurelektro-optischen Abtastung von kohärenter Über-gangsstrahlung (coherent transition radiation CTR)wird in Abbildung 48 gezeigt.

Am TTF1-Linac ist 2002 das erste EOS-Experiment beiDESY durchgeführt worden. Um die Koinzidenz zwi-schen dem 15 fs-Titan-Saphirlaserpuls und dem meh-rere Pikosekunden langen CTR-Puls zu finden, wurdedie relative Verzögerung der beiden Pulse in Schrit-ten von 0.3 ps durchgefahren. Abbildung 49 zeigt dieAmplitude des Detektorsignals als Funktion der Ver-zögerung.

Abbildung 48: Schematische Darstellung der elektro-optischen Abtastung von Übergangsstrahlungs-Pulsenim THz-Bereich. Nach Durchlaufen des ZnTe-Kristallswerden die Titan-Saphir-Laserpulse mit einem balan-cierten Diodendetektor nachgewiesen. Der grobe Zeit-abgleich (0.7 ns Genauigkeit) wird mit einem Photomul-tiplier PM vorgenommen, der die Laserpulse und dieSignale der optischen Übergangsstrahlung registriert.

Es wurde ein klares Koinzidenzsignal beobachtet, aberbei dieser Messung waren die zeitlichen Schwankungen(time jitter) von 700 fs (rms) noch zu groß, um einegenaue Bestimmung der Bunchlänge zu erlauben.

EOS-Experimente stellen extrem hohe Anforderungenan die Qualität der Synchronisation zwischen den Elek-tronenpaketen und den Laserpulsen. Für die Experi-mente, die gegenwärtig in Kooperation mit dem Paul-Scherrer-Institut am 100 MeV-Linac der Swiss LightSource durchgeführt werden, wird ein Femtosekun-denlaser mit 81 MHz Repetitionsrate benutzt. Die Syn-chronisation der Lasers mit der 500 MHz Hochfrequenzdes PSI-Linacs wird über eine Vergleichsfrequenz von3.5 GHz bewerkstelligt, die die 7. Harmonische derLinac-HF und die 43. Harmonische der Laserfrequenzist. Sind beide 3.5 GHz Signale nicht exakt frequenz-gleich, liefert ein Mischer ein Signal, mit dessen Hilfedie Resonatorlänge des Lasers über einen Piezospiegelnachgeregelt wird. Die gemessenen Zeitschwankungenin der Laser-Synchronisation (time jitter) liegen bei we-niger als 200 fs. Die erste erfolgreiche Abtastung derElektronenbunche am PSI-Linac ist vor kurzem gelun-gen. Abbildung 50 zeigt die Signale des zeitdefinie-renden Photomultipliers und des Diodendetektors aufeinem 2 GHZ-Oszilloskop.

Die Analyse der Daten ist noch in Arbeit.

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-500 0 500 1000 1500-2.5

-2

-1.5

-1

-0.5

0

time [ps]

ampl

itude

[a.u

.]

-53 -52 -51 -50 -49 -48 -47-2.6

-2.4

-2.2

-2

-1.8

-1.6

-1.4

-1.2

-1

-0.8

-0.6

time [ps]

ampl

itude

[a.u

.]

Abbildung 49: Links: Die Signalamplitude des Detektors als Funktion der relativen Ver-zögerung ∆t zwischen Laser- und CTR-Puls. Rechts: vergrößerte Darstellung des Koinzi-denzbereichs bei ∆t = −50 ps. Die Struktur innerhalb des Bunches ist nicht real, sondernvermutlich durch time jitter verursacht.

Abbildung 50: Signale des zeitdefinierenden Photomul-tipliers (obere Spur) und des Diodendetektors (mittlereSpur). Die Pulse des Titan-Saphir-Lasers (TiSa) ha-ben einen Abstand von 12.3 ns. In der Mitte des Bil-des bei t ≈ 0 sieht man die Überlappung des TiSa-Signals mit dem Puls der optischen Übergangssstrah-lung. Die Diodendetektor hat bei t ≈ 0 ebenfalls eingroßes Signal: dies ist ein Beweis dafür, dass der TiSa-Puls genau zu dem Zeitpunkt den ZnTe-Kristall durch-läuft, bei dem dieser durch den CTR-Puls des Bun-ches doppelbrechend gemacht worden ist. Damit istdie Überlappung von TiSa- und CTR-Puls auf einerPikosekunden-Zeitskala realisiert.

Messung der Kohärenzder FEL-Strahlung

Der VUV-FEL bei DESY arbeitet nach dem Prinzipder Self Stimulated Spontaneous Emission (SASE), daseinen sehr langen Undulatormagneten und einen sehrfein kollimierten Elektronenstrahl mit hoher Ladungs-dichte voraussetzt. Im ersten Abschnitt des Undula-

x / mm

y / m

m

a)

-3 -2 -1 0 1 2 3

-3

-2

-1

0

1

2

3

x / mm

y / m

m

b)

-3 -2 -1 0 1 2 3

-3

-2

-1

0

1

2

3

Abbildung 51: Gemessene Beugungsbilder für Dop-pelspalte mit 0.5 mm bzw. 1 mm Abstand. Die 100 nmFEL-Strahlung wird in einem Fluoreszenzkristall insichtbares Licht umgewandelt.

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Abbildung 52: Links: Kohärenzgrad der 100 nm FEL-Strahlung als Funktion des Spaltab-stands. Rechts: Entwicklung der Kohärenz als Funktion der Undulatorlänge für Spaltab-stände von 0.5, 1 und 2 mm.

tors wird spontane Undulatorstrahlung erzeugt, die imweiteren Verlauf des Undulators mit dem Elektronen-bunch wechselwirkt und eine räumliche Ladungsdich-temodulation (,,microbunching“) bewirkt. Dies hat einekohärente Abstrahlung der Elektronen und ein expo-nentielles Anwachsen der Lichtintensität zur Folge. DerSASE-Prozess ist hochgradig nichtlinear und nur mitaufwändigennumerischenRechnungenzubeschreiben.

Zur Bestimmung der transversalen Kohärenz der FEL-Strahlung sind Beugungsexperimente an Doppelspal-ten, Kreisblenden und kreuzförmigen Öffnungen vor-genommen worden. Hinter dem beugenden Objekt trifftdie UV-Strahlung des FEL auf einen Fluoreszenzkris-tall, wo sie in sichtbares Licht umgewandelt und überein hochauflösendes Nahaufnahme-Objektiv auf einenCCD-Sensor abgebildet wird. Die Beugungsbilder sindim Nahfeld-Bereich (Fresnel-Beugung) gemessen wor-

den, daher ist eine analytische Beschreibung im Rah-men der Fraunhofer-Näherung nicht möglich. Die nu-merische Behandlung wurde mit einem eigenen Pro-gramm, das auf der Kirchhoff’schen Beugungstheo-rie beruht, sowie mit einem kommerziellen Programm(GLAD) vorgenommen. Das Auflösungsvermögen desObjektivs sowie die Verbreiterung der Interferenzlinienim Fluoreszenzkristall und die Verringerung ihres Kon-trastes durch Streulicht sind in einem Testaufbau ermit-telt worden. Die Ergebnisse werden zur Entfaltung deram FEL gemessenen Interferenzbilder verwendet.

Interferenzbilder bei verschiedenen Spaltabständen(siehe Abb. 51) und Blendenöffnungen sind mitSimulationsrechnungen verglichen worden, die mit dentheoretisch berechneten Wellenfronten der 100 nm-FEL-Strahlung am Ausgang des Undulators begin-nen und die den experimentellen Aufbau mit Doppel-

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spalt, Fluoreszenzkristall und CCD-Kamera inklusivealler Auflösungsbegrenzungen und anderer Störeffektemöglichst wirklichkeitsnah nachbilden. Die berechne-ten und gemessenen Interferenzbilder stimmen sehrgut überein. Der transversale Kohärenzgrad der FEL-Strahlung ist in Abbildung 52 als Funtion des Spaltab-stands aufgetragen. Er liegt bei 90% im exponentiel-len Anstiegsbereich der FEL-Verstärkungskurve undsinkt auf 80% im Bereich der Sättigung. Die Ergeb-nisse sind in guter Übereinstimmung mit Simulations-rechnungen zum SASE-FEL-Prozess. Die hohe räumli-che Kohärenz ist von großer Bedeutung für zukünftigeExperimente am VUV-FEL.

Oberflächensupraleitungvon Niobproben

In Zusammenarbeit mit dem Institut für AngewandtePhysik der Universität Hamburg (Arbeitsgruppe Prof.J. Kötzler) sind systematische Untersuchungen zu densupraleitenden Eigenschaften der Niobbleche durch-geführt worden, die zum Bau der TESLA-Resonatorenverwendet werden. Die zylindrischen Proben wurdenden gleichen Behandlungsschritten unterworfen wie dieResonatoren: chemische Beizung (buffered chemicalpolishing BCP), Elektropolitur (EP), Ausbacken beiniedrigen Temperaturen (bake). Die Magnetisierungs-kurven und die komplexe magnetische Suszeptibilitätwurden über einen weiten Temperatur- und Magnet-feldbereich vermessen. Die Volumenparameter stim-men mit Literaturwerten überein, z. B. Tc = 9.26 Kund Bc2(0) = 410 mT. In allen Proben wird Oberflä-chensupraleitung beobachtet, aber das kritische Ober-lächenfeld Bc3 ist größer als nach der Ginzburg-Landau-Theorie erwartet (Bc3 = 1.7Bc2), siehe Abbildung 53.

Ein wichtiges Ergebnis ist, dass die beiden wesentlichenPräparationsschritte, die zu hohen Gradienten in den su-praleitenden Resonatoren führen, nämlich die Elektro-politur und das Ausbacken, auch das Oberflächenfeldin den Niobproben erhöhen. Aus der in Abbildung 54gezeigtenMagnetfeldabhängigkeit der komplexenLeit-fähigkeit bzw. Resistivität im Bereich Bc2 < B < Bc3

kann man weiterhin folgern, dass es zwei verschiedenePhasen der Oberflächensupraleitung gibt: eine kohä-rente Phase für Bc2 < B < Bcoh

c3 = 0.81Bc3, die in einerdünnen Oberflächenschicht des Niobzylinders vorliegt

Abbildung 53: Imaginär- und Realteil der komple-xen Suszeptibilität bei T = 5 K für verschiedene Niob-proben: BCP, BCP-bake, EP, EP-bake. Die oberenkritischen Felder Bc3 sind durch Pfeile angedeutet.Die Ginzburg-Landau-Theorie sagt Bc3 = 1.7 Bc2 ≈0.39 Tesla bei T = 5 K voraus.

und Abschirmströme erlaubt, welche den gesamtenZylinder umlaufen, und eine inkohäherente Phase fürBcoh

c3 < B < Bc3, bei der nur noch kleine, getrennte Be-reiche in dieser Oberflächenschicht supraleitend sind.Die kohärente Phase ist bei den elektropolierten Pro-ben wesentlich deutlicher ausgeprägt, und dies erklärtauch die Überlegenheit der EP-Resonatoren.

MikroskopischeOberflächenanalyse

Die Oberflächenanalyse von Niobproben ist ein wich-tiges Hilfsmittel zum Verständnis der Vorgänge in su-praleitenden Resonatoren. Am Institut für AngewandtePhysik (IAP) steht eine Ultrahochvakuumanlage zurOberflächenanalyse und -präparation zur Verfügung,die von DESY im Rahmen eines Kooperationsvertra-ges genutzt werden kann. Sie besteht aus vier Teilrezi-pienten, die durch ein Probentransfersystem verbundensind:

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Abbildung 54: Oben: Der Realteil ρ′ der komple-xen Resistivität und der Imaginärteil σ ′′ der Leitfähig-keit als Funktion des Magnetfeldes. Unten: Schema-tische Darstellung der kohärenten und inkohärentenOberflächensupraleitung.

– Luftschleuse

– RHEED-System (Reflected High Energy ElectronDiffraction)

– XPS-System (X-ray Photoelectron Spectroscopy)mit Argon-Ionenkanone und vorgeschalteter Präpa-rationskammer

– STM-System (Scanning Tunneling Microscope)

Im Jahr 2003 ist das nicht mehr funktionsfähige XPS-System von uns repariert und in Betrieb genommenworden. Bei Testmessungen an einer Niobprobe wur-den Oberflächenbeschaffenheit und chemische Wertig-keit der Konstituenten bestimmt. Für die Gruppe MVPwurde eine Probe untersucht, die von einem kupferbe-schichteten TTF-Edelstahlbalg stammt. An der Ober-fläche und bis in 200 nm Tiefe zeigte sich Kohlenstoffals dominierende Verunreinigung. Der Aussagewert derMessungen ist allerdings durch das bislang erzielte Ar-beitsvakuumvon10−8 mbar gemindert.Zur Zeit wirdander Verbesserung des Vakuums gearbeitet. Diese Ap-paratur wird auch für künftige Materialanalysen vongroßem Nutzen für DESY sein.

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