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Wolf D. Oswald, Andreas Ackermann und Barbara Süß Selbständigkeit im höheren Lebensalter für Pflegeheimbewohner (SimA ® -P) Forschungsprojekt „Rehabilitation im Altenpflegeheim“ SimA ® -P in Stichworten Leitung: Prof. Dr. Wolf D. Oswald zusammen mit Dr. Andreas Ackermann Das zugrunde liegende Forschungsprojekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung gefördert (Förderkennziffer BMGS 524-58640). Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Projektleitung. © 2012 SimA ® -Akademie e.V. SimA ® – Akademie e.V.

Forschungsprojekt „Rehabilitation im Altenpflegeheim“ SimA ... · Wolf D. Oswald, Andreas Ackermann und Barbara Süß Selbständigkeit im höheren Lebensalter für Pflegeheimbewohner

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Wolf D. Oswald, Andreas Ackermann und Barbara Süß

Selbständigkeit im höheren Lebensalter fürPflegeheimbewohner (SimA®-P)

Forschungsprojekt „Rehabilitation im Altenpflegeheim“

SimA®-P in Stichworten

Leitung: Prof. Dr. Wolf D. Oswald zusammen mit Dr. Andreas AckermannDas zugrunde liegende Forschungsprojekt wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Gesundheit

und soziale Sicherung gefördert (Förderkennziffer BMGS 524-58640).Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Projektleitung.

© 2012 SimA®-Akademie e.V.

SimA® – Akademie e.V.

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für

Pflegeheimbewohner

Korrespondenz an:

Univ.-Prof. Wolf D. OswaldForschungsgruppe Prävention & DemenzWallensteinstr. 61-63D-90431 Nürnberg

Fon: +49 (0) 911 5282-670Fax: +49 (0) 911 5282-671E-Mail: [email protected]: www.wdoswald.de

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SimA®-P in StichwortenZiel des vom Bundesministerium für Gesundheit und Sozia-le Sicherung geförderten Forschungsprojektes war es, einTherapiekonzept für Bewohner der stationären Altenhilfe zuentwickeln und zu evaluieren, welches in der Lage sein soll-te, die verbliebene Selbständigkeit der Bewohner zu stabili-sieren und zu fördern. Weitere Zielsetzungen waren dieVerbesserung der Lebensqualität und des Wohlbefindens derBewohner sowie Tendenzen von Isolation und Vereinsa-mung vorzubeugen. Ferner sollte das Konzept zu einer Ver-ringerung der Arbeitsbelastung des Pflegepersonals durchverbesserte Mitarbeit der Bewohner bei den Grundpflegetä-tigkeiten führen.

Studienziele

Das Gefühl von Selbständigkeit wird bei Heimbewohnernvor allem durch die Wahrnehmung eigener Kompetenz beiAktivitäten des täglichen Lebens positiv beeinflusst. Umge-kehrt führt die Abhängigkeit bei einfachsten Tätigkeiten wieEssen, Anziehen oder Toilettengang zu einem Gefühl derHilflosigkeit. Ausreichende geistige und körperliche Leis-tungsfähigkeit sind die Grundlagen zur Bewältigung dieserTätigkeiten. Vor diesem Hintergrund wurde ein kombinier-ter Therapieansatz mit kognitiven und psychomotorischenAnteilen erarbeitet und in Form von drei Therapieleitfädenrealisiert:

Trainings-entwicklung

Um ein umfassendes und gleichmäßiges Therapieangebotfür Pflegeheimbewohner sicherstellen zu können, wurde fürjeden Therapiebereich ein Leitfaden konzipiert, der wissen-schaftlich basiert und theoriengeleitet alle wichtigen Funkti-onsbereiche schult. Da sich Pflegeheime durch einen großenAnteil an demenziell eingeschränkten Bewohnern auszeich-nen (Schätzungen gehen von 70-80% aus), wurde für diesenPersonenkreis ein spezifisches Konzept erarbeitet, das derreduzierten kognitiven Leistungsfähigkeit dieser BewohnerRechnung trägt. Für kognitiv leicht bis mittelgradig einge-schränkte Pflegeheimbewohner wurde eine kognitive Akti-vierung konzipiert, dessen Schwerpunkt auf der Stabilisie-rung von sogenannten fluiden Leistungen – also Leistungendie vor allem tempoabhängig sind und von denen bekanntist, dass sie für die Bewältigung von Alltagsanforderungeneine übergeordnete Rolle spielen – liegt.

Therapie-leitfäden

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Da ein derartiger Ansatz bei Personen mit fortgeschrittene-ren kognitiven Einbußen im Sinne einer schweren Demenzaufgrund der Unmöglichkeit neue Informationen aufzu-nehmen und zu verarbeiten kontraindiziert ist – man würdehier nur Frustration und Demotivation erreichen –, wurdefür diesen Personenkreis ein spezifischer Ansatz der Bio-graphieorientierten Aktivierung erarbeitet. Bei diesemwurde der Schwerpunkt auf persönlich bedeutsame Lang-zeitgedächtnisinhalte gelegt, die auch bei Demenzpatientennoch relativ lange abrufbar sind.

Für kognitiv gesunde, aber auch für demenziell beeinträch-tigte Bewohner gut durchführbar ist die PsychomotorischeAktivierung, deren Schwerpunkt auf der Förderung vonKraft, Beweglichkeit und Gleichgewicht sowie der Schu-lung von Alltagstätigkeiten liegt. Im Folgenden werden dieeinzelnen Leitfäden näher beschrieben:

KognitiveAktivierung

Das Programm zur kognitiven Aktivierung fördert dieWahrnehmungsleistungen, Aufmerksamkeit und Konzen-tration sowie Informationsaufnahme- und Verarbeitungs-leistungen als auch Leistungen des Kurz- und Langzeitge-dächtnisses bei Pflegeheimbewohnern. Dies geschieht un-ter Berücksichtigung der Ressourcen und Einschränkungender in der Regel kognitiv beeinträchtigten Pflegeheimbe-

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bewohner. Neben der Aktivierung von kognitiven Leistun-gen durch besondere Übungen, wird eine über die Grup-penstunden hinausgehende allgemeine Stabilisierung oderErhöhung der Wahrnehmungsbereitschaft und -fähigkeit,der Reaktionsfähigkeit und insgesamt der allgemeinenkognitiven Leistungsbereitschaft angestrebt, die sich auchim Hinblick auf Alltagsaktivitäten und eine stärkere Selb-ständigkeit bei Grundpflegetätigkeiten ausdrückt.

Auf die Vermittlung von spezifischen Gedächtnisstrate-gien, die Bestandteil des genuinen SimA®-Gedächtnistrai-nings sind, wird in diesem Konzept verzichtet, da bei kog-nitiv bereits eingeschränkten Pflegeheimbewohnern hierfürin der Regel die notwendigen Leistungsressourcen (etwaim Hinblick auf die Verarbeitung und dauerhafte Speiche-rung komplexer Informationen) nicht mehr vorhanden sind.

Nicht nur um die Übungen abwechslungsreich zu gestalten,sondern gleichzeitig auch eine umfassende kognitive Akti-vierung zu erreichen, werden neben Aufgaben auf verbalerEbene, bei den Übungen auch unterschiedliche Sinnesfunk-tionen angesprochen (visuell, auditiv, taktil, olfaktorisch).Damit soll der bei kognitiv eingeschränkten Pflegeheim-bewohnern häufig anzutreffenden Reizverarmung entge-gengewirkt werden.

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Mit dem Programm zur Biographieorientierten Aktivierungsollen demenziell erkrankte Pflegeheimbewohner mit er-heblichen kognitiven Einbußen (psychometrisch definiertdurch einen MMST-Wert von 10 Punkten oder weniger) inihrer Wahrnehmung, ihrer Aufmerksamkeit und im Bereichdes Langzeitgedächtnisses aktiviert werden.

Biographie-orientierteAktivierung

Vor allem persönlich bedeutsame Themen aus der Biogra-phie werden hierbei einbezogen. Damit sollen bestehendekognitive Ressourcen stabilisiert und dadurch zeitlich solange wie möglich aufrechterhalten werden. Die Biogra-phieorientierte Aktivierung versteht sich damit als Alterna-tive zu einem spezifischen kognitiven Training, das beifortgeschrittenen demenziellen Prozessen aufgrund dereingeschränkten Fähigkeiten zur Verarbeitung und lang-fristigen Speicherung komplexer Informationen und Fer-tigkeiten als nicht mehr adäquat betrachtet wird.

Therapeutische Methoden in der Arbeit mit Demenzpatien-ten weisen darauf hin, dass die Beschäftigung mit biogra-phisch relevanten Themen und die entsprechende Aktivie-rung biographischen Wissens auch eine Förderung kogniti-ver Funktionen bewirken kann. Deshalb stehen im Pro-gramm der Biographieorientierten Aktivierung biogra-phisch bedeutsame Themen im Mittelpunkt. Sie werden als„Stimulusmaterial“ genutzt, mit denen kognitive Aktivitä-ten angeregt werden sollen und sind deshalb auch nicht ex-plizit individualisiert, wobei individuelle Erfahrungen abereingebracht werden können.

Da die im Langzeitgedächtnis gespeicherten Lebenserfah-rungen und Gewohnheiten auch im Rahmen eines demen-ziellen Krankheitsprozesses noch relativ lange erhaltenbleiben, bilden sie eine geeignete Basis für die Aktivierungbestehender kognitiver Ressourcen. Besondere Wichtigkeiterhalten biographische Inhalte durch die Tatsache, dass siedie Identität und das Selbst ausmachen. Das Individuum istgeprägt durch seine Erfahrungen und Erinnerungen. Sinddiese nicht mehr vorhanden, geht auch die Identität verlo-ren. So muss es ein Hauptanliegen der Biographiearbeitsein, diese Gedächtnisinhalte zu erhalten und zu aktivieren.

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Neben den kognitiven Einbußen, ist das Erleben von Kom-petenzverlust mitunter Quell für eine zusätzliche psychi-sche Problematik bei einem demenziell erkrankten Men-schen und somit ein bedeutsamer Faktor für Verhaltensauf-fälligkeiten. Durch die Thematisierung biographisch be-deutsamer Themen soll eine Stützung des Selbstwertge-fühls sowie des Selbsterlebens der Teilnehmer erreicht undihnen ein Gefühl von Kompetenz vermittelt werden. DieBiographieorientierte Aktivierung nach SimA®-P enthält24 verschiedene Stundenthemen und vier zusätzliche jah-reszeitliche Themen, die zu gegebener Zeit passend einge-fügt werden können.

Durch die Einbeziehung psychomotorischer Übungen indas SimA®-P Aktivierungsprogramm wird versucht, denganzen Menschen zu erfassen. Die Psychomotorik schließtvon motorischen Äußerungsformen auf aktuelle psychischeZustände und versucht durch entsprechende motorischeAktivitäten wiederum die Psyche positiv zu beeinflussen.Bewegung dient dem psychischen und sozialen Erleben.Altern im psychomotorischen Bereich bedeutet, dass nach-lassende Fähigkeiten im motorischen Handeln ihren Nie-derschlag in psychischen Verhaltensweisen finden und imschlimmsten Fall zur Selbstaufgabe und Depression führenkönnen. Körperliche Betätigung und der Erhalt motorischerFähigkeiten stabilisieren hingegen die Psyche.

Psycho-motorischeAktivierung

Die Psychomotorische Aktivierung in der hier vorliegen-den Form dient vor allem dem Erhalt und der Verbesserung

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von motorischen Leistungen bei Pflegeheimbewohnern.Vor allem Koordination, Beweglichkeit und Gleichgewichtspielen in der Ausführung von Alltagstätigkeiten, wie. z.B.das Kämmen oder Anziehen, eine große Rolle. Zur Auf-rechterhaltung der Gehfähigkeit bedarf es weiterhin an aus-reichend Kraft und Ausdauer.

Insbesondere vor dem Hintergrund des hohen Sturzrisikosbei Menschen mit Einschränkungen der Wahrnehmung, derMobilität und der kognitiven Leistungsfähigkeit erhält diePsychomotorische Aktivierung nach SimA®-P einen hohenStellenwert im Rahmen der Rehabilitation von Pflegeheim-bewohnern. Fähigkeiten und Fertigkeiten, die benötigtwerden um wichtige Tätigkeiten des alltäglichen Lebensselbständig und ohne fremde Hilfe zu bewältigen, stehen inder Gefahr im Alter verloren zu gehen. Gerade Pflege-heimbewohner sind häufig mit dieser Tatsache konfron-tiert. Die Psychomotorische Aktivierung dient dazu, etwasgegen das Fortschreiten dieser Beeinträchtigungen zu tun.

Die Therapieeinheiten setzen sich aus einem AnteilPsychomotorischer Aktivierung und einem Anteil Kogniti-ver bzw. Biographieorientierter Aktivierung zusammen.

Aufbau derTherapie-einheiten

Kognitive Aktivierung(MMST > 10)

PsychomotorischeAktivierung

BiographieorientierteAktivierung

(MMST ≤ 10)

Begonnen wird jeweils mit der Psychomotorischen Akti-vierung. Diese wird im Stuhlkreis durchgeführt und dauertetwa 20 Minuten. Sie beginnt mit einer ritualisierten Auf-wärm- und Dehnübung, danach folgen motorische Basis-übungen.

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Den Hauptteil bildet der psychomotorische Stunden-schwerpunkt, in dem neben motorischen Inhalten zusätz-lich auch spezifisch psychomotorische Übungen durchge-führt werden.

Die Psychomotorische Aktivierung ist gleichermaßen fürmobile wie immobile (aber sitzfähige) Teilnehmer geeig-net. Sie kann auch unter Berücksichtigung einiger wenigerEinschränkungen mit Demenzpatienten durchgeführt wer-den.

Auch der kognitive/biographische Teil wird mit einermündlichen Aufwärmübung begonnen. Danach folgen inder Kognitiven Aktivierung Übungen zu unterschiedlichenThemen und kognitiven Funktionsbereichen; in der Bio-graphieorientierten Aktivierung wird das Thema der jewei-ligen Stunde behandelt. Dieser Teil nimmt etwa 30 Minu-ten in Anspruch.

Zum Abschluss erfolgt eine 10-minütige Entspannung, diebeispielsweise eine Phantasiereise, eine Geschichte oderein Gedicht beinhalten kann.

Trainings-beispiel

„Labyrinth“

Die im Rahmen des Projektes entwickelten Trainingspro-gramme sind theoretisch begründet und wissenschaftlichgeprüft. Theoretisch basieren sie auf den Erkenntnissen desSimA-Projektes. Die Labyrinth-Aufgabe (siehe oben) stellt

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ein Beispiel für die Übungen des Gedächtnistrainings dar.Die Aufgabe besteht darin, die Verbindung von der Mittezum Ausgang möglichst rasch zu finden. Diese Übung trai-niert die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung.

Die insgesamt 294 Teilnehmer (79,5% Frauen) waren beiStudienbeginn 2002 zwischen 70 und 99 Jahren alt, dasDurchschnittsalter lag bei 82,4 (9,7) Jahren. Alle Teil-nehmer waren pflegebedürftig im Sinne einer Einstufung indie Pflegeversicherung und lebten in einer Einrichtung derstationären Altenhilfe. Die Teilnahme an der Studie erfolgtefreiwillig und anhand medizinisch/pflegerischer Kriterien.

Teilnehmerund Studien-

design

Die Teilnehmer durften beispielsweise keine schweren, le-bensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisenund mussten im Rahmen der Therapieanlage sitzfähig sein.Die Studienteilnehmer wurden in einem zweiten Schritt an-hand von Alter, Pflegestufe, funktionellem und kognitivemStatus möglichst gleichmäßig in eine Behandlungs- und ei-ne Wartegruppe eingeteilt.

Von den ursprünglich 294 Teilnehmern nahmen nach 12Monaten noch 137 Teilnehmer an der Abschlussuntersu-chung teil. Mittleres Alter und Geschlechtsverteilung sowiekognitive und funktionelle Ausgangswerte unterschiedensich hierbei nicht von der Ausgangsstichprobe.

Selektivitätund Dropout

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Die Studienteilnehmer bilden ein repräsentatives Bild einerPflegeheimklientel der Pflegestufen I und II ab. Da sich einGroßteil der Bewohner mit Pflegestufe III durch Bettläge-rigkeit und stark reduzierten Allgemeinzustand auszeich-net, ist diese Gruppe in der Studie unterrepräsentiert. Fürdiesen Personenkreis ist eine Einzelbetreuung indiziert.Die Gruppe der nach 12 Monaten untersuchten Teilnehmerunterscheidet sich in der Altersstruktur von der ursprüngli-chen Anfangsstichprobe dahingehend, dass vor allem dieHochaltrigen im Laufe der Intervention ausgefallen sind.Jedoch ergaben sich keine Unterschiede im gesundheitli-chen Zustand sowie in der kognitiven oder funktionellenLeistungsfähigkeit zwischen den verbliebenen und denausgeschiedenen Teilnehmern.

Nach Beendigung der Intervention konnte eine Reihe spe-zifischer Trainingseffekte nachgewiesen werden. So konn-ten die Therapieteilnehmer ihre kognitive und funktionelleLeistungsfähigkeit signifikant besser erhalten, als es bei derKontrollgruppe der Fall war. Zusätzlich verbesserte sichdie Stimmung und selbst eingeschätzte Lebensqualität. So-gar das Pflegepersonal bemerkte die Verbesserungen in denTreatmentgruppen. Dies ist besonders bemerkenswert, dader Transfer von Therapieeffekten in den Alltag der Teil-nehmer in der Regel nur bei wesentlichen Veränderungenfestgestellt werden kann.

Ergebnissenach Trai-ningsende

Im Rahmen der Verlaufsuntersuchung wurden pflegerische,funktionell-motorische und psychometrische Erhebungs-verfahren durchgeführt. Aus den umfangreichen Verlaufsa-nalysen werden hier nur die wesentlichsten Ergebnisse derAbschlussuntersuchung (N=137) vorgestellt.

Einzelergeb-nisse der

untersuchtenFunktions-bereiche

Die Diagramme lesen sich wie folgt: Die in der Abszisse(vertikale Achse) aufgezeigten Werte stellen den jeweiligenTestwert dar. Hohe Abszissenausprägungen weisen auf ei-nen besseren Testwert hin. Die in den Diagrammen aufge-führten p-Werte beschreiben die Aussagekraft der gemes-senen Veränderungen: So sind Werte unter 0.05 signifi-kant, d.h. sie sind nicht aus Zufall entstanden, sondern re-sultieren nachweislich aus der durchgeführten Therapie.

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Bei 70 Prozent der im Rahmen der Studie psychometrischuntersuchten Teilnehmer traten kognitive Beeinträchtigun-gen im Sinne einer demenziellen Symptomatik auf. Darun-ter versteht man Symptome, die im Vorfeld einer dementi-ellen Erkrankung sichtbar bzw. diagnostizierbar werden;hierzu zählen z.B. zunehmende Gedächtnisstörungen bzw.Hirnleistungsstörungen. Meist muss von einem progredien-ten Verlauf ausgegangen werden.

KognitiveLeistungs-fähigkeit

Dieser Verlauf setzte sich in der Kontrollgruppe über den12-Monate-Zeitraum erwartungsgemäß fort. Die Interven-tionsteilnehmer hingegen konnten ihren Ausgangsstatusweitgehend erhalten. Dies muss vor dem Hintergrund deshohen Alters und der bisweilen starken Pflegebedürftigkeitder Teilnehmer als besonders bedeutsam erachtet werden!

16

17

18

19

20

21

22

23

Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Tes

twer

tMM

ST

Diff. 0-6: p = .027Diff. 0-12: p = .032

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Allgemeinekognitive

Leistungen

Gegenüber den Teilnehmern in der Kontrollgruppe konntendie Teilnehmer der kombinierten kognitiven und psycho-motorischen Intervention ihren allgemeinen kognitiven Sta-tus (hier gezeigt am Mini-Mental-Status-Wert) über denGesamtzeitraum erhalten. Die Werte der Kontrollgruppesanken im Interventionsverlauf erwartungsgemäß stetig ab.

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13

2,5

2,7

2,9

3,1

3,3

3,5

3,7

3,9

4,1

4,3

4,5

Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Tes

twer

tBT

Diff. 0-6: p = .129Diff. 0-12: p = .029

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Gedächtnis-leistungen

Bei spezifischen Gedächtnisleistungen verbesserten sichdie Leistungen der Treatmentgruppe sogar beständig überden Interventionsverlauf, während sich die der Kontroll-gruppe nicht veränderten. Während die Verbesserungenvon Aufmerksamkeit und Konzentration vor allem in denFremdbeurteilungen durch das Pflegepersonal deutlichwurden, konnten in den Bereichen Primär- und Sekundär-gedächtnis auch psychometrisch signifikante Verbesserun-gen nachgewiesen werden.

Selbständigkeit wurde in der Verlaufsanalyse vor allemdurch die Fähigkeit der Teilnehmer zur selbständigenDurchführung von Aktivitäten des täglichen Lebens defi-niert. Die ADL-Leistungen wurden in drei Obergruppenzusammengefasst: Mobilität, Essen/Kleiden und Hygiene.

Aktivitäten destäglichenLebens(ADL)

1,5

1,6

1,7

1,8

1,9

2,0Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Pun

ktsc

ore

AD

L-M

obili

tät

Diff. 0-6: p = .444Diff. 0-12: p = .020■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

ADL-Mobilität

Wie man der Abbildung entnehmen kann, erreichten die In-terventionsteilnehmer der kombinierten kognitiven undpsychomotorischen Aktivierung einen signifikanten Erhalt

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und sogar eine leichte Verbesserung ihrer Mobilität überden 12-Monate-Verlauf, während sich die Teilnehmer derKontrollgruppe stetig verschlechterten.

1,8

1,9

2,0

2,1

2,2

2,3

2,4

2,5

2,6Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Pun

ktes

core

AD

L-K

leid

en/E

ssen

Diff. 0-6: p = .112Diff. 0-12: p = .060■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

ADL-Essen/Kleiden

Auch im ADL-Bereich „Essen und Kleiden“ konnten in derTreatmentgruppe die Leistungen über den Interventions-zeitraum hinweg weitgehend erhalten werden, während dieder Kontrollgruppe stetig abnahmen.

Lediglich im Bereich der Hygiene konnten keine signifi-kanten Veränderungen erreicht werden. Dies erklärt sichzum einen daraus, dass für eine Verbesserung der Konti-nenz spezielle Übungen in Einzeltherapie durchgeführtwerden müssten, zum anderen, dass wegen der hohen Un-fallgefahr beim Baden selbst bei nicht oder wenig vorhan-denen Unterstützungsbedarf Hilfe gewährt wird.

Hygiene

Ein bedeutsames Zielkriterium der Interventionsstudie wardie Wirkung der Therapie auf die Befindlichkeit der Be-wohner:

Befindlichkeit

0

10

20

30

40

50

60

70

verschlechtert nicht verändert verbessert

Ant

wor

ten

in%

Durch die Therapie hat sich das psychischeBefinden der Bewohner...

Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen: N=214

p = .001

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

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Es zeigte sich in der Fremdbeurteilung durch das Pflege-personal ein signifikanter Unterschied in der Einschätzungder Befindensveränderung der Bewohner zwischen Treat-ment- und Kontrollheimen.

Die positive Einschätzung des Pflegepersonals ließ sichauch in der subjektiven Befragung der Studienteilnehmermittels zweier Fragebögen zur Depressivität (GDS) undLebensqualität (NLQ) bestätigen.

5

5,5

6

6,5

7

7,5Beginn nach 6 Monaten

Testzeitpunkt

GD

S-W

ert

p6 Mon = .014

N=121

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Depressivität

Mittels GDS zeigte sich, dass die Treatmentgruppe über ei-nen Zeitraum von sechs Monaten ihren Status aufrecht-erhalten konnte, während in der Kontrollgruppe eine starkeVerschlechterung der Stimmung eintrat.

45

46

47

48

49

50

51Beginn nach 6 Monaten

Testzeitpunkt

NL

Q-W

ert

p6 Mon = .078

N=122

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Lebensqualität

Beim NLQ konnte die Treatmentgruppe sogar eine Verbes-serung erzielen, während sich die Kontrollgruppe analogzur GDS verschlechterte.

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Eine ausreichende funktionelle Leistungsfähigkeit ist fürdie Bewältigung von Alltagsanforderungen unabdingbar.Aus diesem Grund wurde zur Erhebung neben den kogniti-ven Parametern auch eine Reihe motorischer Variablen er-hoben.

FunktionelleLeistungs-fähigkeit

Wichtige motorisch-funktionelle Faktoren des Erhalts derSelbständigkeit sind Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit,Gleichgewicht und Koordination. In der Alltagsbewälti-gung verbinden sich kognitive und motorische Fähigkeiten,da für Handlungsplanung und -ausführung sowohl eineausreichende kognitive wie auch motorische Leistungsfä-higkeit gegeben sein muss. Im Folgenden werden die wich-tigsten motorisch-funktionellen Ergebnisse aufgezeigt:

20

22

24

26

28

30

32Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Tes

twer

tCha

ir-S

tand

-Tes

t

Diff. 0-6: p = .019Diff. 0-12: p = .021

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Kraft

Kraft und Kraftausdauer sind motorische Leistungen, die inbesonderem Maße einem Altersabbau unterworfen sind.Durch Bewegungsmangel wird der Abbau zusätzlich be-schleunigt. Im Rahmen der Untersuchung konnte eine sig-nifikante Verbesserung der Kraftleistungen bereits nachkurzer Interventionsdauer erzielt werden; diese Verbesse-rungen erwiesen als sehr stabil. In der Kontrollgruppe hin-gegen sanken die Leistungen über den gesamten Verlaufstetig ab. In der Abbildung (oben) wird die Zunahme derKraft in den unteren Extremitäten dargestellt. Diese Kraftist für den Erhalt der Mobilität in besonderem Maße wich-tig. Gleichermaßen reduziert sich bei ausreichendem Kraft-ausmaß die Gefahr eines Unfalles. Hier ist insbesondereauch die Sturzgefahr zu nennen.

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12

14

16

18

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24Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Tes

twer

tCha

ir-R

each

-Tes

t

Diff. 0-6: p = .054Diff. 0-12: p = .020

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Beweglichkeit

Ein wichtiger Faktor zur selbständigen Durchführung vonAktivitäten des täglichen Lebens stellt das Ausmaß derBeweglichkeit dar. Durch physiologische Alterungsprozes-se lassen die Beweglichkeit der Gelenke sowie die Dehnfä-higkeit von Muskeln, Bändern und Sehnen im Alter starknach. Vor allem der Hüft- und Schulterbereich sind für Tä-tigkeiten, wie z.B. der eigenständigen Körperhygiene unddas selbständige Anziehen, wesentlich. Die Abbildung(oben) zeigt die Veränderungen der Beweglichkeit in derHüfte. Für diese Einschätzung ist die Dehnfähigkeit derBänder, der Sehnen und Muskeln im Rücken, in der Schul-ter und in den Beinen von Bedeutung.

Es zeigt sich, dass durch die körperliche Aktivierung dieBeweglichkeit der Teilnehmer über die gesamten 12 Mona-te signifikant stabilisiert und sogar leicht verbessert werdenkonnte, während die der Kontrollgruppe abnahm.

Zuletzt soll ein wesentlicher versorgungspolitischer Faktoraufgezeigt werden, für den vor allem in der stationären Al-tenhilfe eine besondere Handlungsanforderung besteht:Stürze!

Stürze

Das Risiko zu stürzen ist abhängig von der funktionellenund kognitiven Leistungsfähigkeit eines Menschen. Dar-über hinaus spielen auch Erkrankungen und verabreichteMedikamente eine wichtige Rolle. Stürze sind beim altenMenschen häufig: Jeder dritte selbständig lebende über 65-Jährige stürzt im Schnitt einmal pro Jahr.

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Aufgrund der besonderen gesundheitlichen Situation stürztin Pflegeheimen sogar jeder zweite Bewohner im gleichenZeitraum. Statistisch gesehen führt dabei jeder 5. Sturz imPflegeheim zu einer Oberschenkelhals-Fraktur. Für den Be-troffenen hat dies eine nicht zu unterschätzende Auswir-kung auf seine Selbständigkeit – die oftmals nach einemSturz nicht mehr wieder voll hergestellt werden kann – unddamit auch auf seine Lebensqualität. Hinzu kommt dieAngst des Gestürzten, erneut zu stürzen. 40% der Pflege-heimbewohner versterben innerhalb von sechs Monatennach einem Oberschenkelhalsbruch.Im Folgenden werden die Veränderungen der Sturzhäufig-keit im Rahmen der Untersuchung aufgezeigt:

0

20

40

60

80

100

120

Baseline t6 t12

Testzeitpunkt

Anz

ahlS

türz

epr

o10

0B

ette

n*

Diff. 0-6: p = .628Diff. 0-12: p = .055

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Sturzhäufigkeit

Die Abbildung zeigt die beachtliche Verringerung derSturzhäufigkeit in der Interventionsgruppe. Vor allem diebesonders gefährdeten „multiplen Stürzer“, d.h. diejenigen,die besonders häufig Stürzen, profitieren von der Aktivie-rung. Die Reduzierung konnte über den gesamten Zeitraumaufrechterhalten werden.

Allein die Erfolge bezüglich der Sturzreduktion untermau-ern die Sinnhaftigkeit aber auch die Dringlichkeit derarti-ger Interventionsformen für Pflegeheimbewohner. Nichtweniger wichtig, als die Reduzierung der versorgungspoli-tisch bedeutsamen Sturzzahlen, ist die Erhaltung einerweitgehenden Selbständigkeit der Bewohner, auch bei be-reits eingetretener Hilfebedürftigkeit. Es geht hier nicht nurum Zahlen, sondern um Lebensqualität, Selbstwert undSelbstvertrauen der Heimbewohner!

Konsequenzen

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Eine weitere Zielsetzung der Studie war es, zu überprüfen,ob sich eine Verbesserung der Selbständigkeit und des Be-findens durch rehabilitative Maßnahmen auch in einer Ent-lastung des Pflegepersonals niederschlägt. Vor diesem Hin-tergrund wurde in allen Projektheimen eine Pflegeperso-nalbefragung durchgeführt.

Wirkungen aufdie Pflege

Die wesentlichen Ergebnisse in Bezug auf die Wirkung derMaßnahmen, die Entlastung des Pflegepersonals und Ar-beitszufriedenheit werden im Folgenden dargestellt:

0

10

20

30

40

50

60

70

80

nein bedingt ja

Ant

wor

ten

in%

Wirken sich rehabilitative Maßnahmen auchpositiv auf den Stationsalltag aus?

Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen: N=214

p = .002

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Die Befragung des Pflegepersonals ergab eine breite posi-tive Einschätzung der Wirkungen der Therapie auf diePflege. Als Hauptgründe kamen die bessere Mitarbeit derBewohner bei den Pflegetätigkeiten sowie deren verbesser-te geistige Regsamkeit zum Tragen.

Bei den Befragten der Kontrollheime waren die positivenEffekte weit weniger stark ausgeprägt. Hauptargument warhier, dass die Maßnahmen der Betreuung nicht zu einerVerbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit beitru-gen und Maßnahmen nach SGB V zu selten und nur in Ein-zelfällen durchgeführt wurden.

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20

0

10

20

30

40

50

60

nicht entlastet etwas entlastet entlastet

Ant

wor

ten

in% p = .001

Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen: N=214

Durch die Therapie für die Bewohnerfühle ich mich…

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Entlastung desPflege-

personals

Auch bemerkten die Pflegekräfte in den Treatmentheimeneine Entlastung in der Pflege, dies vor allem durch die ver-besserte Mithilfe der Bewohner. Dies konnte in den Kon-trollheimen nicht bestätigt werden.

0

10

20

30

40

50

60

70

schlechter geworden gleich geblieben besser geworden

Ant

wor

ten

in% p = .001

Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen: N=214

Durch die Therapie für die Bewohnerist meine Arbeitszufriedenheit...

■ = Treatmentheime

■ = Kontrollheime

Arbeits-zufriedenheit

Als Folge der Entlastung und der besseren kognitiven undpsychischen Befindlichkeit der Bewohner führte die Thera-piemaßnahme auch zu einer Verbesserung der Arbeitszu-friedenheit der befragten Pflegekräfte. Im gleichen Zeit-raum wurde die Arbeitszufriedenheit in den Kontrollhei-men bei vielen Mitarbeitern schlechter.

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Grundlage der Interventionsplanung war die realisierba-re Implementierung der Therapie in die Regelversor-gung. Dies setzt eine einfache und kostengünstigeDurchführung voraus. Mit Blick auf die finanziellen undpersonellen Rahmenbedingungen von Einrichtungen derstationären Altenhilfe wurde ein entsprechendes Grup-penkonzept erarbeitet.

Implementierungin die

Regelversorgung

Der Anspruch der breitgefächerten Einsetzbarkeit desTherapiekonzeptes für eine möglichst große Bewohner-gruppe führt zwangsläufig zu einem niederschwelligenAnsatz, der Kompromisse zwischen optimaler Effizienzund Machbarkeit eingehen muss.

Letztlich lag die Entscheidung in der Frage, ob eine The-rapieform mit hoher Effizienz für einen kleinen spezifi-schen Bewohnerkreis angeboten wird, oder das Ziel da-rin bestehen soll, möglichst vielen Bewohnern die Mög-lichkeit einer allgemeinen Aktivierung zu gewährleisten.

Da erstgenannte Ansätze im Rahmen der Rehabilitationnach SGB V bereits in vielzähliger Form existieren, derBedarf an rehabilitativen Interventionen bei Pflegeheim-bewohnern jedoch immens ist und bei weitem nicht ab-gedeckt werden kann, war die Entwicklung eines allge-mein-therapeutischen Konzeptes die logische Folge.

Aus genannten Gründen wurde die Therapie so konzi-piert, dass sie sowohl von Therapeuten als auch vonPflegekräften und Betreuungspersonal nach kurzer Ein-weisung leicht und ohne übermäßige Vorbereitungszeitdurchführbar ist. Für die Durchführung einer Therapie-einheit werden mit Vor- und Nachbereitung etwa 90 Mi-nuten benötigt.

Personaleinsatz

Bei entsprechender Planung kann eine Pflegekraft fürdiesen Zeitraum aus der Pflege herausgelöst werden unddie Therapie mit 8-10 Bewohnern durchführen. Diesführt nicht zwingend zu einer Mehrbelastung des Pfle-gepersonals, da für diese Zeit die Therapieteilnehmernicht pflegerisch versorgt werden müssen.

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Die Implementierung des Therapiekonzeptes in die Pflegemuss für jede Einrichtung individuell angepasst werden.So wird in einigen Heimen die Intervention auch durchvorhandenes Therapie- oder Betreuungspersonal durchge-führt.

Alle in der Therapie benötigten Materialien können weit-gehend kostenneutral selbst hergestellt werden. So kön-nen z.B. die in der Psychomotorischen Aktivierung benö-tigten Hanteln durch mit Sand oder Wasser gefüllte PET-Flaschen ersetzt werden, Übungsmaterialien für die Kog-nitive Aktivierung aus Tageszeitungen und Zeitschriftenentnommen und kopiert werden etc.. Auch steht es denDurchführenden frei, Materialien von den Teilnehmernmitbringen zu lassen, so können z.B. bestimmte Texte o-der Gedichte, die für den Teilnehmer eine besondere Be-deutung haben, eingebracht und bearbeitet werden.

Materialeinsatz

Die Ergebnisse konnten zeigen, dass rehabilitative Maß-nahmen (gleichzusetzen mit „tertiär präventiven Maß-nahmen“) nach SimA®-P auch bei kognitiv und funktio-nell stark beeinträchtigten Pflegeheimbewohnern ein guteWirkung zeigen und die verbliebene Selbständigkeit übereinen längeren Zeitraum zu stabilisieren oder sogar zuverbessern vermag.

Zusammen-fassung

Die Mobilität der Teilnehmer nimmt im Zuge der Verbes-serungen der funktionellen Leistungsfähigkeit zu; dies beigleichzeitiger Abnahme der Sturzhäufigkeit. Mobilitätstellt einen wichtigen Faktor der Selbständigkeit dar undführt zu einer wesentlichen Verbesserung des Kontroller-lebens der Heimbewohner, also dem Gefühl, selbst Ent-scheidungen treffen zu können und diese Entscheidungenauch in die Tat umzusetzen. Dieses Bewusstsein führt zurVerbesserung der Stimmung und entsprechend auch derLebensqualität.

Die Zunahme der kognitiven und funktionellen Leistungs-fähigkeit führt weiterhin zur merklichen Entlastung in derPflege und mittelbar auch zu einer Erhöhung der Arbeits-zufriedenheit des Pflegepersonals.

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Zusammenfassend sind die Ergebnisse der Interventions-maßnahmen mit der Zielsetzung der Vermeidung der Pro-gredienz der Pflegebedürftigkeit und Stabilisierung derverbliebenen Selbständigkeit verallgemeinerbar. Diesmacht die Studienergebnisse auch in erheblichem Maßesozial- und versorgungspolitisch bedeutsam: Denn vordem Hintergrund des demographischen Wandels, und derdamit einhergehenden Alterung der Gesellschaft sowiesinkenden Angehörigenpflegepotentials, müssen die fi-nanziellen und familienpolitischen Folgen der Pflegebe-dürftigkeit unbedingt beachtet und entsprechende Konse-quenzen gezogen werden.

SozialpolitischeBedeutsamkeit

Immer mehr an Demenz erkrankte Menschen werden inZukunft auf ein spezifisch therapeutisches Angebot imstationären Bereich angewiesen sein. Wissenschaftlichüberprüfte rehabilitative Interventionen zur Vermeidungder Progredienz der Pflegebedürftigkeit sollten daher al-lein mit Blick auf gesundheitsökonomische Aspekte in dieRegelversorgung eines jeden Demenzerkrankten imple-mentiert werden. Eine entsprechende Qualifizierung allermit der Betreuung von Demenzkranken beauftragtenPflege- und Betreuungskräfte, pflegenden Angehörigensowie Ehrenamtlichen ist hierfür eine notwendige Vo-raussetzung.

Ausblick

Das SimA®-P Aktivierungsprogramm für Menschen mitDemenz ist in drei Bänden beim Springer Verlag Wien er-schienen. Neben einem ausführlichen Theorieteil sind kom-plett ausgearbeitete Therapieeinheiten zur kognitiven, bio-graphieorientierten und psychomotorischen Aktivierung da-rin enthalten. Konkrete Ablaufpläne und Arbeitsmaterialienerleichtern die Umsetzung in der täglichen Praxis. Zudementsprechen die Inhalte der Therapiebände den aktuellenAnforderungen des MDK zur sozialen Aktivierung und Be-treuung sowie zur Sturzprophylaxe (siehe Literatur).

SimA®-P-Aktivierungs-

leitfäden

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Die Qualifizierung zur rehabilitativen Aktivierung vondemenzerkrankten Menschen nach SimA®-P mit den Ab-schlüssen „Zertifizierter SimA®-Gruppenleiter“ oder „Si-mA®-Demenzbegleiter“ kann im Rahmen von frei zugäng-lichen Ausbildungskursen an der SimA®-Akademie er-worben werden.

Nähere Informationen zum Ausbildungsprogramm derSimA®-Akademie finden Sie unter

www.sima-akademie.de

oder können unter folgender Adresse abgerufen werden:

SimA-AkademieMerkurstraße 41/Südstadtpark90763 Fürth/Bay.Tel.: +49 (911) 76 60 69-28Fax: +49 (911) 76 60 69-29

Ausbildung zumSimA®-

Gruppenleiteroder

SimA®-Demenzbeglei-

ter

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SimA®-Aktivierungsleitfäden: Literatur

Oswald, W. D. & Ackermann, A. (2009). Kognitive Aktivierungmit SimA®-P. Selbständig im Alter. Wien: Springer.

Oswald, W. D. & Ackermann, A. (2009). BiographieorientierteAktivierung mit SimA®-P. Selbständig im Alter. Wien: Sprin-ger.

Oswald, W. D. & Ackermann, A. (2009). Psychomotorische Akti-vierung mit SimA®-P. Selbständig im Alter. Wien: Springer.

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Ausgewählte Veröffentlichungen zu SimA®-P:

Ackermann, A. (2003). Möglichkeiten rehabilitativer Interventionenin der stationären Altenhilfe. In: ISO-Institut (Hrsg.). "Zu-kunftswerkstatt" Modellprogramm - Qualität und Wirtschaft-lichkeit, Dokumentation der Fachtagung des ISO-Instituts, 19.bis 21. Mai 2003 im Internationalen Jugendforum in Bonn.Saarbrücken: ISO-Institut.

Ackermann, A. (2003). Rehabilitative Interventionen im Pflegeheim.In: Senioren – Aktiv in Europa. Dokumentation 7. DeutscherSeniorentag 2003. Bonn: Bagso.

Oswald, W. D. (2004). Kognitives Training und körperliche Aktivi-tät – ein Präventionsmodell? In I. Füsgen (Hrsg.), Demenz –Prävention und Erkennung von Risikofaktoren (4. Dokumenta-tionsband zum 8. Workshop des „Zukunftsforum Demenz“).Wiesbaden: Medical Tribune Verlagsgesellschaft.

Ackermann, A. (2004). SimA-P – Rehabilitative Maßnahmen imPflegeheim – Alternativen für Heimbewohner zu Rehabilitati-onsmaßnahmen nach SGB V. BAGSO-Nachrichten, 2, 23-25.

Oswald, W. D. (2004). Lassen sich dementielle Prozesse verzögern?European Journal of Geriatrics, 6(4), 18-19.

Oswald, W.D.; Ackermann, A.; Fricke, C.; Gunzelmann, T. & Rupp-recht, R. (2005). Rehabilitation im Altenpflegeheim – Projektab-schlussbericht. Erlangen: Institut für Psychogerontologie

Ackermann, A. (2005). Aktivieren lohnt. Altenheim, 44(10), 14-17.

Ackermann, A. & Oswald, W.D. (2006). Erhalt und Förderung derSelbständigkeit bei Pflegeheimbewohnern – Ein Überblick überbestehende Ansätze. Zeitschrift für Gerontopsychologie und -psychiatrie, 19, 2, 59-71.

Oswald, W. D., Gunzelmann, Th., Rupprecht, R. & Hagen, B. (2006).Differential effects of single versus combined cognitive and phy-sical training with older adults: the SimA study in a 5-year per-spective. European Journal of Aging, 3(4), 179-192.

Oswald, W. D., Ackermann, A. & Gunzelmann, Th. (2006). Effekteeines multimodalen Aktivierungsprogrammes (SimA-P) für Be-wohner von Einrichtungen der stationären Altenhilfe. Zeitschriftfür Gerontopsychologie und -psychiatrie, 19(2), 89-101.

Oswald, W. D., Gunzelmann, T. & Ackermann, A. (2007). Effects ofa multimodal activation program (SimA-P) in residents ofnursing homes. European Review of Aging and Physical Activity,

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SimA®-P in Stichworten Oktober 2012

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4, 91-102.

Ackermann, A. & Oswald, W. D. (2008). Selbständigkeit erhalten,Pflegebedürftigkeit und Demenz verhindern. In W. D. Oswald, G.Gatterer & U. M. Fleischmann (Hrsg.), Gerontopsychologie (2.vollständig neu bearbeitete Auflage) (S. 129-140). Wien: Sprin-ger.

Oswald, W. D. (2010). Selbständigkeit im Alter: SimA® - eine Studiedie Chancen aufzeigt. In I. Füsgen (Hrsg.), Demenz – ein unaus-weichliches Altersschicksal? (Dokumentationsband zur Fachta-gung des „Zukunftsforum Demenz“ am 18. Mai 2010 in Bonn)(S. 39-45). Wiesbaden: Medical Tribune Verlagsgesellschaft.

Oswald, W. D., Ackermann, A. & Freiberger, E. (2010). Lässt sichAlzheimer hinauszögern und damit verhindern?. In Dokumenta-tion des 9. Deutschen Seniorentages (Hrsg.) vom 08. bis 10. Juni2009 in Leipzig „Alter leben – Verantwortung übernehmen“ (S.203-205). Bonn: BAGSO.

Wachter, M., Heyder, M., Kraft, S. & Oswald, W. D. (2010). Selb-ständig im Alter. Entstehungsgeschichte und Ausbildungskurseder SimA-Akademie e.V. in Nürnberg. Psychotherapie im Alter,7(1), 103-106.

Weitere Veröffentlichungen finden Sie unterwww.wdoswald.de